Eine Verbesserung der Flugführungsgenauigkeitdurch Einsatz des HGS istfür die Landephase bereits mehrfachanhand einer Verkleinerung der Aufsetzzoneauf der Landebahn („TDZ-Area“) <strong>und</strong> der Flugwegablagen nachgewiesenworden (Desmond 1986). Indieser Arbeit ist jedoch vielmehr evaluiertworden, ob <strong>und</strong> inwiefern sich derEinsatz dieses Systems optimierend aufdie Belastung, Beanspruchung <strong>und</strong>das Situationsbewusstsein der Piloten<strong>und</strong> letztendlich auf die Flugsicherheitim Vergleich zum automatisierten Flugführungssystem(Autopilot-System(AP)) im Flugzeugtyp BombardierCanadair Regional Jet CRJ200 auswirkt.Weiterhin sollte festgestellt werden, obdie obigen Parameter durch die Flugführungmittels des HGS nicht nur unternormalen Systemumweltbedingungen,sondern auch währendabnormaler Flugsituationen <strong>und</strong> bei Go-Aro<strong>und</strong>-Manövern positiv beeinflusstwerden. Die Informationsaufnahme, -verarbeitung <strong>und</strong> -abgabe des <strong>Mensch</strong>enist dazu in Zusammenhang mitdem HGS untersucht worden. AufGr<strong>und</strong>lage der Bef<strong>und</strong>e ist ein Gestaltungsvorschlagzur Systemoptimierungerstellt worden.Bild 2:Figure 2:Illustration 2:Ansicht des Canadair Jet-Flightdecks mit HGS 2100 (Quelle: CST GmbH)View of the Canadair Jet-Flightdeck including the HGS 2100 (Source: CST GmbH)Vue de la cockpit du Canadair Jet avec l’HGS 2100 (source (de): CST GmbH)3 Methodik <strong>und</strong> DurchführungDie Flugführungsaufgabe beim Landeanflugentspricht einer vorwiegend informatorisch-mentalenArbeitsform miteinem Anteil körperlicher Tätigkeiten inAbhängigkeit des gewählten Automationsgrads.Combiner. Dabei ist der Blickwechselauf interne Cockpitanzeigen prozeduralnicht zugelassen (Bild 2).Das elektrooptische System besteht imWesentlichen aus folgenden Komponenten:<strong>Head</strong>-<strong>Up</strong> <strong>Guidance</strong> Computer(HGC), HGS Control Panel (HCP),Over<strong>Head</strong> Unit (OHU) <strong>und</strong> Combiner.Daten von den Sensoren <strong>und</strong> anderenFlugzeugsystemen speisen den HGC,der diese in Symbole umwandelt.Ebenso werden die System- <strong>und</strong> Anflugleistungberechnet. Über das HCP,das im Lower Centre Pedestal eingebautist, können die Piloten Daten, wieGleitpfadwinkel <strong>und</strong> Landebahnhöhe,eingeben <strong>und</strong> die HGS-Modi selektieren<strong>und</strong> aktivieren. Im holografischenCombiner wird die von der OHU projizierteFlugführungssymbologiewellenlängenselektiv teilreflektiert, optischim Unendlichen fokussiert <strong>und</strong>konform mit der vom Piloten wahrgenommenenAußenweltansicht überlagert.Die OHU ist über dem Sitz desFlugkapitäns (CM1) installiert <strong>und</strong>strahlt nach vorn auf den oberhalb desbackbordseitigen Cockpitfenstersmontierten Combiner.Das für den Flugzeugtyp BombardierCanadair Regional Jet (CRJ) ausgelegteHGS 2100 wird derzeit in mehr als 40Flugzeugen dieses Baumusters von derLufthansa CityLine GmbH eingesetzt.2 FragestellungDie Vorgehensweise bei Analyse <strong>und</strong>Bewertung dieser Flugführungsaufgabefolgt dem erweiterten Belastungs-Beanspruchungs-Konzept.Ein theoretisches Systemmodell, dasdurch eine dekompositorische, funktionalabstrahierende Systemanalysegebildet worden ist, stellt wiederum dieGr<strong>und</strong>lage für das polygraphischeMesskonzept der Arbeit dar.Insgesamt sind für die Belastungs-Beanspruchungs-Analyse141 Landeanflügevon 60 Flugbesatzungen währendihrer Trainings- <strong>und</strong> Checkflügein einer Full-Flight-Simulatorumgebungder Lufthansa CityLine Canadair Simulator<strong>und</strong> Training GmbH analysiert<strong>und</strong> mit einer Auflösung von 0,1 s kodiertworden. Für die Blickbewegungsanalysesind 18 Landeanflüge von dreiFlugbesatzungen in einer Experimentalreiheuntersucht <strong>und</strong> mit einer Auflösungvon 0,001 s kodiert worden. Diesstellt einen statistisch, optimalenStichprobenumfang dar.Um den Echtheitsgrad zu maximieren,sind die Messungen einerseits im Full-110 D. Bandow(60) 2006/2 Z. ARB. WISS.Bandow.pmd 11031.05.2006, 23:02
Flight-Simulator mit den alltäglichenSystemanwendern, den Linienpilotenwährend ihrer Trainings- <strong>und</strong> Checkflüge,durchgeführt worden. Die bei derCST GmbH seit 1992 in Betrieb genommenenCAE Full-Flight-Simulatorenzeichnen sich durch ein 180°-Sichtsystem,ein Steuerkraft-, ein Flugdynamik-,ein Rauch-, ein Geräusch<strong>und</strong>ein hydraulisches Bewegungs-Simulationssystem mit sechs Freiheitsgradenaus, die durch ein IBM RISCSystem Rechnersystem gesteuert werden.Das Flugabteil besteht aus demCockpit für eine Flugbesatzung, einemLeitstand für den Trainingskapitän, einemBeobachtersitz <strong>und</strong> einem JumpSeat.Um andererseits die Variabilität derLandeanflüge zu maximieren, wurdenkeine Szenarien vorgegeben. Diedaraus resultierenden erhöhten Normierungs-<strong>und</strong> Synchronisierungsanforderungenwurden durch die Erstellungeines visual-basic-orientiertenDatenintegrations- <strong>und</strong> Belastungs-Beanspruchungs-Analyseprogrammserfüllt.3.1 Ermittlung der BelastungsgrößenMittels einer Kognitiven Tätigkeitsanalyse(CTA; Shepherd 1998), wodurchmentale Prozesse <strong>und</strong> Fertigkeitenbei der Erfüllung kognitiv komplexerAufgaben erfasst werden können,wurden sieben Belastungsmessgrößenerfasst:1. TätigkeitsartenDie möglichen Basis-Interaktionen des<strong>Mensch</strong>en im CRJ-Flightdeck wurdenfür Perzeption (visuelles <strong>und</strong> auditivesWahrnehmungssystem) <strong>und</strong> Motorik(Hand-, Arm-, Fuß- <strong>und</strong> Beinsystem,Sprechorgan) bestimmt <strong>und</strong> mit den<strong>Systeme</strong>lementen der <strong>Maschine</strong> verknüpft.2. Beleuchtung der CockpitelementePer Definition der Leuchtdichtenebenendes Flightdecks wurden Hell-Dunkel-Adaptationen erfasst.3. Räumlicher GestaltungszustandDurch Bestimmung von Entfernungsebenenwurde auf Akkomodationsvorgängedes Piloten geschlossen.4. Informatorische ArbeitsschwierigkeitZur Messung der Belastungsgröße „informatorischeArbeitsschwierigkeit (einerTätigkeit für den <strong>Mensch</strong>en)“ wurdeim Zusammenhang mit der Interaktionmit den <strong>Systeme</strong>lementen der <strong>Maschine</strong>die „Ebene der Steuerung dermenschlichen Handlungen“ nach Rasmussen(1986) bestimmt. Der Grad derkognitiven Inanspruchnahme währendder Ausübung der Tätigkeiten kannnach Rasmussen durch drei VerhaltensoderFertigkeitsebenen differenziertwerden: fertigkeitsbasiertes („skillbasedbehaviour“), regelbasiertes(„rule-based b.“) <strong>und</strong> wissensbasiertesVerhalten („know-ledge-based b.“).5. Wechsel der VerhaltenssteuerungsebenenZwischen diesen Verhaltenssteuerungsebenenkann durch stereotypischeReaktionen der Entscheidungsfindungsprozessabgekürzt werden.Somit wurden diese Wechselebenfalls berücksichtigt.6. Informatorischer GestaltungszustandDie Belastungsgröße „InformatorischerGestaltungszustand“ wurde über denKomplexitätsgrad der Anzeigen <strong>und</strong>Bedienelemente erfasst.7. FlugsituationSystemumwelteinflüsse wie Windböenkennzeichnen die Flugsituation. Daherwurde die Gleitpfadablage als Indikatorfür die Flugsituation ermittelt.Diese Verhaltensdaten wurden durcheine verdeckte, nicht teilnehmende,systematische Fremdbeobachtungstechnikin einer Simulatorumgebung erfasst.Die Flugdaten wurden über dasRechnersystem des Simulators ermittelt.Zur Belastungsmessung wurden dieBild- <strong>und</strong> Tondaten während der gesamtenTrainingssitzung im Simulatorüber Kamera- <strong>und</strong> Videorecordersystemeaufgezeichnet <strong>und</strong> perVerhaltensbeobachtungssoftware„Noldus Observer V5.1“ kodiert. DieGleitpfadablage wurde im Simulatordatensystemgespeichert. Der Versuchspersonwurden die oben gewähltenBelastungsgrößen, die Wechsel derVerhaltenssteuerungsebenen, die informatorischeArbeitsschwierigkeit, dieBeleuchtung, der räumliche Gestaltungszustand<strong>und</strong> der informatorischeGestaltungszustand des Cockpitelementesder aktuellen Interaktion zugeordnet.Die Dauer des Verhaltenswurde automatisch von der Verhaltensbeobachtungssoftwareberechnet <strong>und</strong>gespeichert.Zur Messung der Belastungsgröße„Informatorischer Gestaltungszustand“sind innerhalb der Systemanalyse80 <strong>Systeme</strong>inheiten des Flightdecksdes Canadair Jets definiert worden.Das Komplexitätsmaß der Anzeigen<strong>und</strong> Bedienelemente ist durch eineInterdependenzanalyse bestimmt worden.Dabei wurde analysiert, ob <strong>und</strong> inwelchem Maße die Interaktion des<strong>Mensch</strong>en mit einem <strong>Systeme</strong>lementder <strong>Maschine</strong> die anderen <strong>Systeme</strong>lementehinsichtlich ihrer Systemzuständebeeinflusst. Dazu wurde auchdas Ausmaß der Beeinflussung eines<strong>Systeme</strong>lements bei Benutzung auf alleanderen <strong>Systeme</strong>lemente bestimmt.3.2 Ermittlung der Einflussgrößen derBeanspruchungAcht physiologische Einflussgrößender Beanspruchung wurden durch dieIndikatoren für die physiologische Leistungsfähigkeit(Körpergröße <strong>und</strong> -gewicht, Geschlecht, Alter, Träger vonKorrektur- <strong>und</strong> Sammellinsen), dieLeistungsbereitschaft (Tageszeit), dieQualifikation (geleisteten Flugst<strong>und</strong>en,Dienstjahre in der Luftfahrt <strong>und</strong> Rang)<strong>und</strong> die psychische Leistungsbereitschaft(Motivation) erfasst.Mittels Fragebogen mit standardisiertenFragen <strong>und</strong> nicht-standardisiertenAntworten wurden diese Indikatorenerfasst. Die Daten wurden anschließendkodiert <strong>und</strong> gespeichert.3.3 Ermittlung der Meß- <strong>und</strong> Beschreibungsgrößender BeanspruchungParallel wurden mit „Herzschlagfrequenz“(per Pulsoxymetrie) <strong>und</strong> Lidschlussfrequenz(per Bilddaten-(60) 2006/2 Z. ARB. WISS. <strong>Head</strong>-<strong>Up</strong>-<strong>Guidance</strong>-<strong>Systeme</strong> <strong>und</strong> <strong>Mensch</strong>-<strong>Maschine</strong>-Interaktion 111Bandow.pmd 11131.05.2006, 23:02