Dossier - Klimawandel & Gerechtigkeit
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XII<br />
<strong>Dossier</strong> <strong>Klimawandel</strong> und <strong>Gerechtigkeit</strong><br />
Die Bekämpfung der weltweiten<br />
Armut hat nur Chancen auf Erfolg,<br />
wenn die globale Erderwärmung<br />
gebremst werden kann.<br />
Die ökologische Armutsfalle<br />
<strong>Klimawandel</strong> als neue Herausforderung für die Armutsbekämpfung<br />
Johannes Müller, Michael Reder<br />
und Johannes Wallacher<br />
Die Armutsbekämpfung gehört<br />
zu den wichtigsten Zielen jeglicher<br />
Entwicklungspolitik. Akteure<br />
wie die kirchlichen Hilfswerke<br />
sehen darin sogar das<br />
vorrangige Ziel aller Entwicklungszusammenarbeit.<br />
Wie<br />
lässt sich dieses Ziel angesichts<br />
der Herausforderungen des <strong>Klimawandel</strong>s<br />
erreichen?<br />
International wird gegenwärtig<br />
mit den Millenniumsentwicklungszielen<br />
versucht, die weltweite<br />
Armut bis zum Jahr 2015 zu<br />
© Meissner/Misereor<br />
halbieren, ein theoretisch bescheidenes,<br />
faktisch leider<br />
höchst ambitiöses Unterfangen.<br />
Siebtes Millenniumsentwicklungsziel<br />
ist die „Ökologische<br />
Nachhaltigkeit (Verbesserung<br />
des Umweltschutzes)“, was sich<br />
vor allem damit begründen lässt,<br />
dass Armut in den Entwicklungsländern<br />
eine der Hauptursachen<br />
von Umweltzerstörung<br />
ist. Diese wiederum verschärft<br />
die Armut, was man als ökologische<br />
Armutsfalle bezeichnet. So<br />
können Arme oft nur durch Waldrodung<br />
etwas Land für ihr<br />
Überleben (Nahrungsmittel,<br />
Unterkunft) oder durch Abholzen<br />
Brennmaterial zum Kochen<br />
und Heizen gewinnen. Umgekehrt<br />
sind sie selbst meist die<br />
Hauptopfer von dadurch ausgelösten<br />
Umweltschäden, zum Beispiel<br />
von Überschwemmungen,<br />
was sie immer häufiger zu Umweltflüchtlingen<br />
werden lässt.<br />
Arme Länder versuchen zudem<br />
durch den Export von Tropenhölzern<br />
ihre hohe Schuldenlast zu<br />
verringern und gefährden damit<br />
ihre langfristigen Lebensgrundlagen.<br />
Ohne Armutsminderung<br />
ist daher jede nationale wie globale<br />
Umweltpolitik mit dem Ziel<br />
einer nachhaltigen Entwicklung<br />
zum Scheitern verurteilt.<br />
Gegenwärtig beherrscht freilich<br />
ein (scheinbar) ganz anderes<br />
Thema die öffentliche Aufmerksamkeit,<br />
nämlich der <strong>Klimawandel</strong><br />
mit seinen verheerenden Folgen.<br />
Spätestens seit der Veröffentlichung<br />
des Stern-Reports<br />
und des neuesten IPCC-Berichts<br />
ist die Tatsache eines menschengemachten<br />
<strong>Klimawandel</strong>s nicht<br />
mehr wirklich bestreitbar. Die<br />
Studien haben nachgewiesen,<br />
dass es ökonomisch sinnvoller<br />
und kostengünstiger ist, die Ursachen<br />
des <strong>Klimawandel</strong>s zu bekämpfen<br />
(mitigation), als ausschließlich<br />
auf eine spätere Anpassung<br />
(adaptation) zu setzen,<br />
die in jedem Fall nötig sein wird.<br />
Diese Erkenntnis hat der politischen<br />
Debatte eine neue Dynamik<br />
verliehen (dies wurde auch<br />
deutlich beim Weltwirtschaftsgipfel<br />
in Heiligendamm).<br />
Auswirkungen des <strong>Klimawandel</strong>s<br />
auf die Armen<br />
Die gegenwärtige Diskussion<br />
kreist hauptsächlich um die globalen<br />
Auswirkungen des <strong>Klimawandel</strong>s.<br />
Die größte Sorge<br />
scheint weithin zu sein, dass eine<br />
entschlossene Klimapolitik<br />
den gegenwärtigen Wohlstand<br />
der Industrieländer und ihr kontinuierliches<br />
wirtschaftliches<br />
Wachstum gefährden könnte.<br />
Dies ist freilich eine sehr verkürzte<br />
Sicht, denn die Ursachen<br />
und die Folgen des <strong>Klimawandel</strong>s<br />
sind weltweit höchst ungleich<br />
verteilt. Hauptopfer werden<br />
die ärmsten Länder, Regionen<br />
und Menschen sein. Hierbei<br />
lassen sich mindestens vier Aspekte<br />
unterscheiden:<br />
Erstens lebt eine große Anzahl<br />
der weltweit Armen in geografisch<br />
sensiblen Regionen, die am<br />
meisten von extremen Wetterereignissen<br />
wie tropischen Wirbelstürmen,<br />
Hochwasser oder Dürrekatastrophen<br />
bedroht sind.<br />
Den Prognosen der Klimaforscher<br />
zufolge werden solche Ereignisse<br />
häufiger und stärker<br />
werden, was bereits als Trend<br />
aus langfristigen Aufzeichnungen<br />
beobachtbar ist. Hinzu kommen<br />
höhere Durchschnittstemperaturen<br />
in schon jetzt<br />
feucht-heißen Regionen und der<br />
wahrscheinliche Anstieg des<br />
Meeresspiegels. Hauptopfer werden<br />
Arme sein, die in besonders<br />
gefährdeten Gebieten leben, zum<br />
Beispiel in Slumsiedlungen an<br />
der Küste oder an erdrutschgefährdeten<br />
Berghängen.<br />
Viele der wahrscheinlichen negativen<br />
Auswirkungen des <strong>Klimawandel</strong>s<br />
erschweren die Befriedigung<br />
elementarer Grundbedürfnisse<br />
und verstärken die<br />
Armut. So wird zwar global betrachtet<br />
bis 2050 ein höheres Angebot<br />
an Trinkwasser prognostiziert,<br />
dieser Zuwachs entfällt jedoch<br />
weitgehend auf bereits<br />
wasserreiche Regionen und eini-<br />
17-18-2007 I e1ns