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v Wein/Degustation<br />
Wunderbarer Wein-Wandel:<br />
der Grauburgunder<br />
Eine Rebe, viele Namen: Ob Ruländer, Grauburgunder<br />
(Deutschland), Pinot Gris (Burgund), Tokay d’Alsace (Elsass)<br />
oder Pinot Grigio (Italien) – aus der Traube lassen sich goldgelbe<br />
Weine mit kräftigen Aromen und wenig Säure keltern.<br />
W<br />
ährend viele deutsche Winzer noch<br />
anfang der achtziger Jahre ihre Ruländer<br />
meist als schwere und würzige Säfte<br />
auf den Markt brachten, produzierten<br />
ihre italienischen Kollegen aus der gleichen<br />
Traube wesentlich leichtere Weine.<br />
Mit Erfolg: Ihr frischer und trockener<br />
Pinot Grigio wurde zum Modewein der<br />
neunziger Jahre.<br />
Vom italienischen Erfolg motiviert,<br />
stellten sich die deutschen Weinbauern<br />
auf den neuen Trinkgenuss ein. Hubert<br />
Doll, Chef des badischen Weingutes<br />
Freiherr von und zu Franckenstein, war<br />
der erste, der seinen Ruländer erstmals<br />
trocken ausbaute und ihn in Graubur-<br />
D<br />
gunder umtaufte. Mit einer leichten<br />
Spätlese begeisterte er die Weinliebhaber.<br />
Viele Winzer folgten.<br />
Grauburgunder, Pinot Grigio gehören<br />
ohne Zweifel zu den beliebtesten Sommerkreszenzen<br />
überhaupt. Sie stehen in<br />
der Regel für unkomplizierte Weine mit<br />
zartem Duft, milder Frische und jugendlichem<br />
Charme. Tropfen, die ohne großen<br />
anspruch daherkommen und die<br />
getrunken werden sollten, so lange sie<br />
noch lebhaft, im Idealfall spritzig, aus<br />
der Flasche fließen.<br />
auf dem Höhepunkt der deutschen Italien-Sehnsucht<br />
verdrängte der südländische<br />
Jüngling nicht nur den bis dahin<br />
erfolgreichen Chablis. Das Nachsehen<br />
hatten auch elsässische und deutsche<br />
Winzer: ihre Weine derselben Spielklasse<br />
– füllige Grauburgunder und<br />
pappig-süße Pinot Gris – konnten bei<br />
Trinkvergnügen, Image und Preis nicht<br />
mithalten.<br />
Mittlerweilen haben die deutschen<br />
Kellermeister ihren italienischen Kolle-<br />
Wetterkapriolen<br />
Ein langer Winter, zögerlicher Frühling, launisches Juniwetter<br />
und ein feuchter September. Die Unbillen des Jahrgangs<br />
zeigten sich dann doch auch im Test: beim Weissburgunder.<br />
ie Jury mochte in der Weißburgunder-<br />
Probe nur drei Weine empfehlen: Der<br />
beste Wein wird von der Winzergenossenschaft<br />
in Britzingen abgefüllt, ein<br />
trockener Kabinettwein. Ein Tropfen<br />
„mit überdurchschnittlicher Qualität“,<br />
so das Urteil im SV-Test. Gefolgt vom<br />
Winzerverein in Meersburg. Ein 2010<br />
Pinot Blanc von der Mosel, gepflegt von<br />
andreas Lehnen fand auch noch Gefal-<br />
40 SAVOIR-VIVRE<br />
Spargelbaron, Erdbeerfürst,<br />
Baumgärtner und<br />
der neue Superstar der<br />
deutschen Weinszene:<br />
Fritz Waßmer.<br />
Einen vergleichbaren<br />
Fall gibt es nur noch<br />
direkt in seiner Nachbarschaft.<br />
len in der Runde – das war’s, bedauerlich,<br />
aber nicht zu ändern.<br />
aber dennoch – immer mehr Weißweine<br />
aus der traditionellen Rebsorte<br />
Weißburgunder avancieren zu Verkaufsschlagern.<br />
Und erobern mittlerweile<br />
auch die Tafeln der Topgastronomie im<br />
Sturm.<br />
Zu danken ist dieser Erfolg den vielfältigen<br />
Eigenschaften dieses Rebensaftes.<br />
gen den Rang abgelaufen. allen voran:<br />
Fritz Waßmer. Dieses – nicht überraschende<br />
– Resultat erbrachte unserer<br />
Grauburgunder-Verkostung.<br />
Fritz Waßmer ist Landwirt. 200 Hektar<br />
Spargelanbau sind die Haupteinnahmequelle<br />
der Familie. außerdem<br />
werden Erdbeeren gehegt und Weihnachtsbäume<br />
gezogen. Seit 1999 (!) ist<br />
der gelernte Winzer auch im Weinbau<br />
tätig. Fährt man nach Bad Krozingen-<br />
Schlatt vor den Toren Freiburgs, findet<br />
man kein Weingut vor, sondern einen<br />
landwirtschaftlichen Betrieb mit Mehrzweckhallen.<br />
Im Frühjahr steht da eine<br />
Spargelsortiermaschine, dann hin und<br />
wieder mal eine mobile Füllanlage für<br />
die Weine, im Herbst die Presse und<br />
Gärbehälter und im Dezember werden<br />
dann die Weihnachtsbäume versandfertig<br />
gemacht.<br />
Waßmer kennt drei vinologische Ziele:<br />
Qualität, Qualität und noch einmal<br />
Qualität. Eine Ertragsreduzierung auf 8<br />
bis 12 Trauben pro Stock darf im Falle<br />
Waßmer als normal bezeichnet werden.<br />
Keine Frage, es wird nur gesundes Lesegut<br />
verarbeitet. Vor dem Pressen werden<br />
nochmals faule Beeren per Hand ausgelesen.<br />
Die Spontangärung mit Naturhefen<br />
erfolgt in großen Maischegärbottichen<br />
aus Holz. Die Lagerung der<br />
Weine erfolgt ausschließlich in großen<br />
Holzfässern und in kleinen Barriques.<br />
Die Weine werden unfiltriert auf die<br />
Flasche gezogen. Resultat: Eine großartige<br />
Erfolgsgeschichte, wie sie weltweit<br />
nur ganz wenige Winzer vorzeigen<br />
können. ■<br />
Schier unglaublich, welch unterschiedliche<br />
Weine Winzer aus Deutschland von<br />
dieser Rebsorte abfüllen. als Wein für<br />
alle, die den Riesling als zu säurereich<br />
empfinden, liefert der Weißburgunder<br />
Weine mit mehr Körper und einer ausgeprägt<br />
fruchtigen Note.<br />
Fruchtbetont, frisch und duftig munden<br />
sie, wenn sie in Edelstahltanks<br />
gekeltert werden. Durch den ausbau in<br />
kleinen Eichenfässern, den sogenannten<br />
Barriques, bekommen sie Fülle, Länge,<br />
alterungspotential und Finesse. aber<br />
– mit wenigen ausnahmen - richtige<br />
Festtagsstimmung, Fanfarenschall und<br />
euphorisches Lob bei Weinnasen und<br />
Genießern wird wohl erst wieder mit<br />
dem aktuellen Jahrgang aufkommen. ■