Neue Regeln – und was nun? - transparent
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Christa Friedl:<br />
Haben Sie<br />
mal Feuer? …03<br />
Udo Pollmer:<br />
Lassen Sie sich<br />
nicht verkohlen! …05<br />
Prof. Dr. Ortwin Renn:<br />
Was Verbraucher<br />
als riskant<br />
wahrnehmen …06<br />
Prof. Dr. Bärbel Kniel:<br />
<strong>Neue</strong> <strong>Regeln</strong> <strong>–</strong><br />
<strong>und</strong> <strong>was</strong> <strong>nun</strong>? …13<br />
Amin Werner:<br />
Wer schützt<br />
den Mittelstand? …19<br />
Prof. Dr. Helmut Greim:<br />
Wie viel Sicherheitsabstand<br />
braucht<br />
der Mensch? …21<br />
Dr. Wolfgang Kaden:<br />
Zwischen Markt<br />
<strong>und</strong> Moral …27<br />
Gerhard Jakubowski/<br />
Andreas Oberholz:<br />
Hilf Dir selbst, sonst<br />
hilft Dir keiner? …32<br />
ausgabe 03 • dezember 2003<br />
risikowahrnehmung <strong>und</strong> dialogbereitschaft<br />
<strong>transparent</strong> jetzt auch unter<br />
www.<strong>transparent</strong>-online.de
für die herausgeber<br />
Haben Sie<br />
mal Feuer?<br />
Dipl.-Ing. Christa Friedl<br />
freie Wissenschaftsjournalistin, Krefeld
Kürzlich an der Kasse von Lidl fiel ein Mann auf, der lange<br />
<strong>und</strong> leidenschaftlich im Ständer mit den Billigzigaretten kramte.<br />
Was er da mache? Er sammle Sprüche. War<strong>nun</strong>gen eigentlich.<br />
Denn seit einigen Monaten müssen Zigarettenpackungen vorne<br />
<strong>und</strong> hinten zu je einem Drittel der Fläche mit Warnhinweisen<br />
bedruckt werden. „Rauchen schadet der Haut“, sagt der<br />
Mann, das sei beispielsweise ein recht seltener Spruch <strong>und</strong> daher<br />
schwer zu finden. „Raucher sterben früher“ <strong>und</strong> „Tabakrauch<br />
enthält Blausäure <strong>und</strong> andere Gifte“ dagegen interessiere<br />
ihn nicht, diese Aufdrucke finde man wirklich bereits an jeder<br />
Ecke. Bei ebay, hat er mir dann noch zugeraunt, bevor er hustend<br />
verschwand, werden Zigarettenpackungen mit seltenen<br />
Warnhinweisen mittlerweile für gutes Geld online versteigert.<br />
Das hat mich überzeugt. Also hab ich gleich ein paar Packungen<br />
meiner Marke mehr mitgenommen.<br />
Der Mensch ist ein ver<strong>nun</strong>ftbegabtes Wesen. Wer würde diesem<br />
alten Glauben nicht beipflichten? Ich auch. Und weil wir ver<strong>nun</strong>ftbegabt<br />
sind, wollen wir wissen, wie gefährlich das ist, <strong>was</strong> wir<br />
alltäglich tun: essen, trinken, atmen, autofahren, arbeiten, telefonieren.Wir<br />
wollen „risikomündig“ sein.Was das heißt, erklärt der im<br />
Juni vorgelegte Endbericht der Risikokommission von B<strong>und</strong>esumwelt-<br />
<strong>und</strong> B<strong>und</strong>esges<strong>und</strong>heitsministerium. „Mit Risikomündigkeit<br />
ist die Fähigkeit angesprochen, auf der Basis der Kenntnis der faktisch<br />
nachweisbaren Konsequenzen von risikoauslösenden Ereignissen<br />
oder Aktivitäten, der verbleibenden Unsicherheiten <strong>und</strong><br />
anderer risikorelevanter Faktoren eine persönliche Beurteilung<br />
der jeweiligen Risiken vornehmen zu können, die den Wertvorstel-<br />
Wer schreibt in <strong>transparent</strong>?<br />
Alles begann im November 1996. Damals lud die Kommunikations-<br />
<strong>und</strong> Konfliktberatung Jakubowski einen<br />
sehr heterogenen Kreis von Wissenschaftlern, Politikern,<br />
Journalisten, Umweltschützern <strong>und</strong> Industrievertretern<br />
dazu ein, in einem Dialogprozess kritisch-konstruktiv<br />
über Nachhaltigkeit <strong>und</strong> Zukunftsfähigkeit des Kunststoffes<br />
PVC zu streiten. Als Sponsor trat die Arbeitsgemeinschaft<br />
PVC <strong>und</strong> Umwelt (AgPU) e.V. auf, die Moderation<br />
hatte Gerhard Jakubowski. Der Versuch glückte, er gebar<br />
nach einem über zweijährigen Sitzungsmarathon nicht<br />
nur eine, von Prognos durchgeführte ungewöhnliche Studie<br />
mit dem komplizierten Titel „PVC <strong>und</strong> Nachhaltigkeit<br />
<strong>–</strong> Systemstabilität als Maßstab/Ausgewählte Produktsyste-<br />
<strong>transparent</strong> 03<br />
lungen für die Gestaltung des eigenen Lebens sowie den persönlichen<br />
Kriterien zur Beurteilung der Akzeptabilität dieser Risiken<br />
für die Gesellschaft insgesamt entspricht.“<br />
Alles klar? Keine Sorge, Sie müssen die 230 Seiten des Berichts<br />
nicht lesen. Vieles, <strong>was</strong> das 19köpfige Expertengremium darin<br />
schlussfolgert, sagt einem auch der ges<strong>und</strong>e Menschenverstand: Der<br />
Verbraucher will informiert sein <strong>–</strong> schnell, verständlich, ehrlich <strong>und</strong><br />
ohne Widersprüche. Das heißt nicht, dass wir anders leben, wenn<br />
wir Bescheid wissen. Der Mensch ist zwar ver<strong>nun</strong>ftbegabt, in alltäglicher<br />
Konkurrenz mit Gewohnheit, Gedankenlosigkeit oder reiner<br />
Lust am Unvernünftigen hat die Ratio eher schlechte Karten.<br />
Trotzdem sollten Unternehmen, Behörden, Verbraucher, Journalisten<br />
<strong>und</strong> Wissenschaftler mehr miteinander über Risiken kommunizieren.<br />
Nur so lässt sich Angst abbauen <strong>und</strong> Orientierung<br />
vermitteln. Dieses Angebot machen wir auch wieder mit der dritten<br />
Ausgabe von <strong>transparent</strong>. Unsere Autoren reflektieren die verschiedenen<br />
Bewertungen von Risiken, die unterschiedlichen Blickrichtungen,<br />
sie machen deutlich, dass sich manches Risiko schlichtweg<br />
nicht vermeiden lässt <strong>und</strong> dass es selbst auf scheinbar einfache<br />
Fragen oft keine klare Antwort gibt.<br />
Außer bei Rauchern.Wir wissen genau, welche Gefahren wir<br />
eingehen. Schließlich kann man die neuerdings aufgedruckten<br />
War<strong>nun</strong>gen beim besten Willen nicht mehr übersehen.Ach, übrigens:<br />
Wenn Sie eine Packung mit dem Aufdruck „Haben Sie<br />
mal Feuer?“ finden, geben Sie Bescheid?<br />
Dipl.-Ing. Christa Friedl<br />
me im Vergleich“, sondern auch eine Art des Disputs, die als<br />
vorbildlich für die Bewältigung gesellschaftlich strittiger Fragen<br />
gelten darf. Deshalb lebt die Klausurenreihe fort <strong>und</strong><br />
arbeitet inzwischen eine Themenvielfalt auf, die längst über<br />
den ursprünglichen Rahmen hinausgeht. Der Verband Kunststofferzeugende<br />
Industrie (VKE), die Deutsche Kunststoff-<br />
Recycling GmbH (DKR) <strong>und</strong> der Verband der Backmittel<strong>und</strong><br />
Backgr<strong>und</strong>stoffhersteller (BVB) e.V. haben sich inzwischen<br />
in eigenen Klausurreihen ebenfalls auf diese Art des<br />
Dialogs eingelassen.AgPU <strong>und</strong> BVB sponsern die Herausgabe<br />
dieses Heftes, das Referenten <strong>und</strong> Teilnehmer der Klausurenreihe<br />
abseits des medialen Mainstreams zu Wort kommen<br />
lässt <strong>und</strong> mehr als 2.000 Mei<strong>nun</strong>gsbildner aus Politik,Wissenschaft,Wirtschaft,<br />
Medien <strong>und</strong> NGO`s erreicht.
für die herausgeber<br />
Lassen Sie<br />
sich nicht<br />
verkohlen!<br />
Udo Pollmer<br />
Lebensmittelchemiker,<br />
Wissenschaftlicher Leiter des<br />
Europäischen Instituts für<br />
Lebensmittel- <strong>und</strong> Ernährungswissenschaften<br />
e.V., Gemmingen
Eher still ist es geworden um das „Krebsgift“ Acrylamid. Fast ein<br />
Jahr lang war es Wasser auf die Mühlen derer, die schon immer ahnten,<br />
dass sich Esssünden wie Pommes eines Tages rächen würden.<br />
Doch dann sickerte durch, dass ausgerechnet Knäckebrot stärker<br />
belastet sein kann. Aber statt konsequent vor Knäcke zu warnen,<br />
verstummten die Kassandra-Rufe <strong>–</strong> um erst wieder lauter zu werden,<br />
als es die fetten Bratkartoffeln traf. Die Verbraucherministerin persönlich<br />
riet „vergolden statt verkohlen“. Als dann Anfang Dezember<br />
2002 auch noch Gebäck wie Vanillekipferl <strong>und</strong> Lebkuchen mit hohen<br />
Acrylamidwerten entdeckt wurden, folgte kurioserweise Entwar<strong>nun</strong>g,<br />
offenbar mit Rücksicht aufs Weihnachtsgeschäft. Wollte man<br />
die amtliche Position wirklich ernst nehmen, so kann sie nur bedeuten,<br />
dass dieser Stoff mit steigender Zufuhr harmloser wird.<br />
Generell gilt: Sind Risiken neu, ist schnelles Handeln angezeigt.<br />
Im Falle des Massenausbruchs von BSE in Großbritannien war es<br />
unverantwortlich, hierzulande einfach abzuwarten. Beim Acrylamid<br />
liegen die Dinge anders. Acrylamid essen wir, seit sich die Menschheit<br />
ihr erstes Fladenbrot buk. Angesichts dieses Zeitraums kommt<br />
es auf ein paar Monate nicht mehr an. Zeit genug, um vor einer<br />
War<strong>nun</strong>g das Risiko zu prüfen. Bis heute gibt es nicht einmal einen<br />
Fütterungsversuch mit Pommes oder Chips.<br />
Anfang 2003 indes kam aus Schweden das erste epidemiologische<br />
Ergebnis: Ob einer Zeit seines Lebens reichlich Acrylamidhaltiges<br />
gespeist hatte oder nicht, änderte sein Krebsrisiko nicht. Ein<br />
paar Monate später folgte eine zweite großangelegte internationale<br />
Studie. Sie widmete sich dem Verzehr von Pommes, Chips <strong>und</strong><br />
Rösti: Auch hier hatte der Konsum keinerlei Einfluss auf das Krebsrisiko.<br />
Und das Verbraucherschutz-Ministerium? Es schwieg, statt zu<br />
entwarnen.Vielleicht spielt dabei auch eine Rolle, dass Entwar<strong>nun</strong>gen<br />
als Gesichtsverlust gewertet werden könnten <strong>und</strong> politisch<br />
nicht so viel bringen, wie Aktionismus r<strong>und</strong> um imaginäre Risiken.<br />
Im Gr<strong>und</strong>e kommen diese Bef<strong>und</strong>e alles andere als überraschend.<br />
Ein Lebensmittel wirkt anders als ein beliebig herausgegriffener<br />
Inhaltsstoff. Beim Grillen <strong>und</strong> Braten entstehen auch krebsschützende<br />
Stoffe. Sie wurden zeitgleich mit Acrylamid entdeckt <strong>–</strong> noch<br />
dazu von einer deutschen Forschungseinrichtung. Aber das passte,<br />
wie so vieles, nicht ins Konzept der Aufklärer.<br />
Zudem halten Lebensmittel brisantere Überraschungen bereit<br />
als Acrylamid. Zum Beispiel Indol-3-Carbinol. Das ist ein natürlicher<br />
Inhaltsstoff von Brokkoli, der als TCDD-artige Verbindung bezeichnet<br />
wird. Richtig! Gemeint ist das Seveso-Dioxin TCDD.<br />
Fände sich solches im Spielplatzsand, wäre die Empörung nicht aus-<br />
<strong>transparent</strong> 05<br />
zudenken <strong>–</strong> aber im ges<strong>und</strong>en Gemüse? Dabei gäbe es hier durchaus<br />
Gr<strong>und</strong> zur Vorsicht:Als Brokkoli mit denselben Tests geprüft<br />
wurde, die sonst Pflanzenschutzmitteln vorbehalten sind, erwies<br />
er sich als clastogen, also erbgutschädigend. Damit wären Brokkoli-Extrakte<br />
nicht einmal mehr als Pestizid zulässig.<br />
Risiken sind eine Frage der Sichtweise. Das lässt sich trefflich<br />
für politische Zwecke instrumentalisieren. Bei „bösen“ Speisen<br />
greifen wir vermeintlich schädliche Stoffe heraus, bei den „guten“<br />
die angeblich ges<strong>und</strong>en. So lässt sich nicht nur jedes Brötchen, sondern<br />
auch jedes Radieschen dämonisieren oder heiligsprechen.<br />
Beides hat Angst zur Folge. Die Angst, man würde das Falsche<br />
essen. Das erleichtert den Ideologen ihre trüben Geschäfte. Mit<br />
derartigen Meldungen verfügen sie über ein Instrument, mit dem<br />
sich florierende Unternehmen der Lebensmittelbranche quasi<br />
über Nacht ruinieren lassen.Wer sich davor schützen will, sollte in<br />
der Lage sein, das Thema Risiko glaubhaft zu kommunizieren.<br />
Das wiederum setzt die Bereitschaft zum Dialog voraus. Diese<br />
Chance nehmen in der aktuellen Ausgabe von <strong>transparent</strong> Referenten,Teilnehmer<br />
<strong>und</strong> Sponsoren mehrerer Dialog-Klausuren<br />
wahr, die sich nicht am täglichen Nachrichtenbrei, sondern an<br />
den Inhalten hinter der Nachricht orientieren.<br />
Wir wünschen eine entspannte Lektüre <strong>–</strong><br />
<strong>und</strong> einen ges<strong>und</strong>en Appetit!<br />
<strong>transparent</strong> jetzt auch elektronisch<br />
Mit der Edition des vorliegenden Heftes<br />
bricht auch für <strong>transparent</strong> das elektronische<br />
Zeitalter an. Ab sofort können Sie die<br />
Beiträge dieser wie auch der vorhergehenden<br />
Ausgaben im Internet abrufen unter:<br />
www.<strong>transparent</strong>-online.de<br />
Herausgeber <strong>und</strong> Sponsoren laden Sie herzlich<br />
ein, beim Besuch dieser Webseiten auch<br />
das angebotene Diskussionsforum zu nutzen.<br />
Schauen Sie doch mal rein...!
Lebensmittelrisiken:<br />
Was Verbraucher<br />
als riskant wahrnehmen<br />
Wie nehmen Konsumenten die Risiken von Lebensmitteln wahr <strong>und</strong> wie werden die<br />
ges<strong>und</strong>heitlichen Auswirkungen von Ernährungsgewohnheiten intuitiv eingeschätzt?<br />
Industrie, Verbraucherverbände <strong>und</strong> Politiker müssen sich mit diesem Thema<br />
mehr als bisher beschäftigen, meint Professor Dr. Ortwin Renn, bis zum Jahresende<br />
2003 Leiter der Akademie für Technikfolgenabschätzung in Stuttgart,<br />
künftig Geschäftsführer der gemeinnützigen GmbH DIALOGIK sowie Lehrstuhlinhaber<br />
an der Universität Stuttgart. Renn analysierte die Psychologie der<br />
Risikowahrnehmung <strong>und</strong> die sozialen Faktoren des Ernährungsverhaltens auf einer<br />
Dialog-Klausur des Verbandes der Backmittel- <strong>und</strong> Backgr<strong>und</strong>stoffhersteller.<br />
Wie gestaltet sich der Umgang mit Komplexität,<br />
Unsicherheit <strong>und</strong> Ambiguität (Mehrdeutigkeit)?<br />
Um dieses Thema in einen größeren<br />
Rahmen einzubetten, ist es notwendig,<br />
einige gr<strong>und</strong>legende Gedanken zu Risiko,<br />
Risikowahrnehmung <strong>und</strong> Risikokommunikation<br />
aufzugreifen. Zunächst zum Thema<br />
„Risiko“! Vieles von dem, <strong>was</strong> wir über die<br />
Wahrnehmung von Ernährungsfolgen wissen,<br />
kennen wir aus der Beobachtung <strong>und</strong><br />
der Erfahrung von Risikoverhalten. Dabei<br />
spielen drei Komponenten von Risiko <strong>und</strong><br />
Chancen eine entscheidende Rolle: die Komplexität<br />
der Sachverhalte, die Unsicherheit<br />
über das Eintreten vermuteter Folgen <strong>und</strong><br />
die Ambiguität bei der Bewertung dieser Folgen<br />
durch einen selbst <strong>und</strong> die anderen.<br />
Diese drei Komponenten haben einen direkten<br />
Einfluss darauf, wie Wissenschaft <strong>und</strong><br />
Politik mit Risiken normalerweise umgehen.<br />
Zunächst zur Komplexität: Komplexität ist<br />
et<strong>was</strong> anderes als Kompliziertheit. Kompliziert<br />
ist die Welt immer <strong>–</strong> „komplex“ bedeutet,<br />
dass zwischen Ursache <strong>und</strong> Wirkung viele<br />
intervenierende Größen wirksam sind, die<br />
diese Beziehung entweder verstärken oder<br />
abschwächen, so dass wir aus der beobachteten<br />
Wirkung nicht ohne weiteres Rückschlüsse<br />
ziehen können, welche Ursache(n)<br />
dafür verantwortlich ist (sind). Komplexe<br />
Verhältnisse sind im Ernährungsbereich in<br />
besonderem Maße gegeben. Einem Darmkrebs<br />
sehen wir nicht an, woher er kommt.<br />
Wir sind auf Modellrech<strong>nun</strong>gen angewiesen,<br />
die nur hypothetische Gültigkeit beanspruchen<br />
können. Vielfach sind diese Modelle<br />
auch unter Fachleuten umstritten. Dass Risiken<br />
unter Fachleuten umstritten sind, ist<br />
bereits schon ein Problem der Kommunikation.<br />
Eindeutige Sachverhalte zu kommuni-<br />
zieren ist nicht besonders schwierig, bei<br />
umstrittenen oder wenig klaren Kausalverhältnissen<br />
ist dagegen jede Kommunikation<br />
ein Spiel mit dem Feuer der Spekulation.<br />
Schon ein einziges Molekül<br />
kann eine Katastrophe auslösen<br />
Das zweite wesentliche Element jeder<br />
wissenschaftlichen Risikoabschätzung betrifft<br />
den Grad der Unsicherheit. Alle unsere toxikologischen<br />
Untersuchungen beruhen darauf,<br />
dass es nur selten deterministische, d.h.<br />
festgelegte Ursache-Wirkungsketten in der<br />
Natur der Ges<strong>und</strong>heitsgefährdungen gibt.<br />
Gleiche oder ähnliche Expositionen können<br />
bei unterschiedlichen Individuen zu einer<br />
Vielzahl von höchst unterschiedlichen Reaktionen<br />
führen. Das gilt vom komplexen Organismus<br />
herunter bis zur molekularen Ebene.
Wir sind in vielen Bereichen der Ges<strong>und</strong>heitsrisiken<br />
auf die Erfassung stochastischer<br />
Beziehungen, also von zufälligen Streuungen<br />
angewiesen. Nur mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit<br />
können wir Schäden prognostizieren.<br />
Dies ist vor allem in der Karzinogenese<br />
der Fall: Schon ein einziges Molekül<br />
kann theoretisch einen Krebs auslösen.<br />
Bezogen auf die Kommunikation stellt<br />
uns die Stochastik vor große Herausforderungen:<br />
Jeder kennt zumindest einen oder<br />
eine Übergewichtige, die über 90 Jahre zählt<br />
<strong>und</strong> sich bester Ges<strong>und</strong>heit erfreut. Oder<br />
man verweist auf den 90jährigen Großvater,<br />
der bis ans Lebensende seine Zigaretten geraucht<br />
hat. Damit hat man natürlich eine<br />
w<strong>und</strong>erbare Entschuldigung, warum man selber<br />
raucht oder übergewichtig ist. Wahrscheinlichkeiten<br />
zu vermitteln ist schwierig,<br />
aber wir müssen uns dieser Aufgabe stellen.<br />
„Komplexe Verhältnisse sind<br />
im Ernährungsbereich in<br />
besonderem Maße gegeben.<br />
Einem Darmkrebs sehen wir<br />
nicht an, woher er kommt.<br />
Wir sind auf Modellrech<strong>nun</strong>gen<br />
angewiesen, die nur<br />
hypothetische Gültigkeit<br />
beanspruchen können.“<br />
Kombination verhindert<br />
(wirksame) Kommunikation<br />
Es kommt die dritte Komponente hinzu,<br />
der Bereich der Ambiguität. Damit ist gemeint,<br />
dass ein <strong>und</strong> dasselbe Verhalten oder<br />
ein <strong>und</strong> dieselbe Aussage von unterschiedlichen<br />
Gruppen völlig unterschiedlich bewertet<br />
wird. Ambiguität unterscheidet sich<br />
deutlich von Unsicherheit, auch wenn beide<br />
Begriffe immer wieder durcheinandergeworfen<br />
werden. Nehmen Sie als Beispiel die<br />
Grüne Gentechnik im Bereich der Lebensmittel.<br />
Es gibt wenige, die behaupten, man<br />
würde durch den Genuss dieser Lebensmittel<br />
ernsthaft krank. Es besteht auch wenig<br />
Unsicherheit über die Ges<strong>und</strong>heitsfolgen<br />
der Ernährung mit gentechnisch modifizierten<br />
Pflanzen. Es herrscht aber ein erbitterter<br />
Streit darüber, ob gentechnisch veränderte<br />
Lebensmittel notwendig seien, ob sie<br />
ein soziales Bedürfnis decken, ob sie die<br />
Hybris des Menschen, alles nach eigenem<br />
Gutdünken zu gestalten, anstacheln würden,<br />
ob Genfood ins eigene Weltbild passe, kurzum,<br />
ob man solche Lebensmittel aus gr<strong>und</strong>sätzlichen<br />
lebensweltlichen oder ethischen<br />
Gründen ablehnen müsse. Über diese Fragen<br />
streiten sich in der Tat die Geister,<br />
<strong>und</strong> zwar sehr stark. Über Ambiguitäten zu<br />
kommunizieren, ist ebenfalls nicht einfach,<br />
weil jede Seite in einem solchen Streit die<br />
Wahrheit wie selbstverständlich auf der<br />
eigenen Seite gepachtet sieht <strong>und</strong> jede ausgewogene<br />
Berichterstattung, wenn diese<br />
denn möglich ist, mit größtem Misstrauen<br />
betrachtet. In Ambiguitätskonflikten gibt es<br />
in der Regel nur die polare Unterscheidung<br />
in wir <strong>und</strong> die anderen. Und die anderen<br />
sind selbstverständlich unsere Feinde.<br />
Fazit:Was es uns in der Kommunikation<br />
im Ernährungsbereich so schwer macht <strong>und</strong><br />
auch die Wirksamkeit dieser Kommunikation<br />
so stark beeinträchtigt, ist die Kombination<br />
der drei Faktoren Komplexität,<br />
Unsicherheit <strong>und</strong> Ambiguität. Die Wissenschaft<br />
gibt uns erstens keine Eindeutigkeit<br />
in der Zuord<strong>nun</strong>g zwischen dem, <strong>was</strong> ich<br />
esse <strong>und</strong> hinterher erleide. Zum zweiten<br />
muss ich mit der Unsicherheit leben, dass<br />
die vermuteten Wirkungen auf Individuen<br />
<strong>und</strong> Kollektive unterschiedlich wirken. Drit-<br />
<strong>transparent</strong> 07<br />
tens gibt es unterschiedliche gesellschaftliche<br />
Bewertungen des gleichen Sachverhaltes,<br />
sowohl <strong>was</strong> die einzelnen Ernährungsformen<br />
anbetrifft als auch deren Wirkung<br />
auf Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Lebensgefühl.<br />
Was Menschen als<br />
wahr wahrnehmen...<br />
Wie nehmen Konsumenten die Risiken<br />
der Ernährung wahr? Nur die deutsche Sprache<br />
kennt die Wortkombination „Wahrnehmung“.<br />
Diese Umschreibung des Sachverhaltes,<br />
dass Menschen Informationen aufnehmen<br />
<strong>und</strong> bewerten, finde ich sehr treffend. Menschen<br />
nehmen die Risiken wahr, die sie als wahr<br />
annehmen. Es ist ein Wahr-Nehmungsprozess.<br />
Und die Wissenschaftler sind in diesem Sinne<br />
die Wahr-Geber. Sie geben Wahrheiten vor,<br />
die andere als wahr annehmen müssen oder<br />
auch nicht. Schließlich gibt es noch die Wahr-<br />
Macher, das sind Politiker oder auch wirtschaftliche<br />
<strong>und</strong> technische Gestalter von Anlagen,<br />
Produkten oder Aktivitäten, die Risiken erzeugen,<br />
beeinflussen oder reduzieren.<br />
Wenn Tiger die (letzte)<br />
Möglichkeit des Probierens haben<br />
Was nehmen die Menschen als wahr an?<br />
Zunächst einmal ist es ganz wichtig, dass<br />
unser Verhalten vorrangig von der Wahrnehmung<br />
gesteuert wird, nicht von den Tatsachen<br />
an sich oder von dem, <strong>was</strong> die Wahrgeber<br />
unter Tatsachen verstehen. Jeder Konsument<br />
verknüpft bestimmte Erwartungen, Vorstellungen,<br />
Hoff<strong>nun</strong>gen, Befürchtungen <strong>und</strong><br />
Emotionen mit Produkten, die nur zum Teil<br />
mit den Erkenntnissen der Ernährungswissenschaftler<br />
oder auch mit den Inhalten von<br />
Werbeaussagen übereinstimmen. Deshalb<br />
ist es unerlässlich, dass wir uns mit diesen<br />
Wahrnehmungen intensiv beschäftigen.
Was Verbraucher<br />
als riskant wahrnehmen<br />
Wahrnehmungsmuster sind relativ gut in<br />
der Psychologie <strong>und</strong> der Sozialpsychologie<br />
untersucht. Es ist nicht so, dass Menschen<br />
völlig irrational zusammengeschusterte Strategien<br />
zur Bewertung von Informationen<br />
benutzen, sondern sie folgen meist relativ<br />
konsistenten Mustern der Wahrnehmung.<br />
Diese Muster beziehen sich auf bestimmte,<br />
genetisch festgelegte Gr<strong>und</strong>lagen der Gefahrenabwehr.<br />
In Gefahrensituationen reagiert<br />
der Mensch mit vier genuinen Strategien:<br />
Flucht, Kampf, Totstellen <strong>und</strong> gegebenenfalls<br />
Probieren (auf der Basis von Versuch <strong>und</strong> Irrtum).<br />
Man kann sich dieses Reaktionsmuster<br />
vergegenwärtigen, wenn man sich vorstellt,<br />
wie unsere Vorfahren in der Wildnis einem<br />
Raubtier begegnet sind. In dieser Situation<br />
einer akuten Bedrohung, etwa einer Begeg<strong>nun</strong>g<br />
mit einem Tiger, hatten die bedrohten Menschen<br />
keine Zeit <strong>–</strong> <strong>und</strong> es wäre auch nicht<br />
sehr sinnvoll gewesen <strong>–</strong>, eine Wahrscheinlichkeitsanalyse<br />
zu machen, ob der Tiger vielleicht<br />
noch Hunger hat oder nicht. In diesem<br />
Moment haben die bedrohten Menschen nur<br />
drei Möglichkeiten, nämlich erstens zu fliehen<br />
in der Hoff<strong>nun</strong>g, schneller zu sein als der<br />
Tiger, zweitens auf die eigene Stärke zu setzen,<br />
um es mit dem Tiger aufnehmen zu<br />
können, oder drittens sich tot zu stellen;<br />
weil man glaubt, man könne den Tiger hiermit<br />
täuschen. Die letzte Möglichkeit des<br />
Probierens hat leider nur der Tiger.<br />
Diese Gr<strong>und</strong>muster der Wahrnehmung<br />
haben sich in der kulturellen Evolution zunehmend<br />
mit kulturellen Mustern angereichert.<br />
Und diese kulturellen Muster lassen<br />
sich durch so genannte qualitative Bewertungsmerkmale<br />
beschreiben. Solche Merkmale<br />
beschreiben Eigenschaften von Risiken<br />
oder riskanten Situationen, nach denen Menschen<br />
Risiken beurteilen. Natürlich spielen<br />
auch die klassischen Komponenten des Risikos,<br />
also die Höhe der Wahrscheinlichkeit<br />
<strong>und</strong> die Höhe des möglichen Schadens, eine<br />
wichtige Rolle. Dazu treten aber weitere<br />
Bewertungsfaktoren. Dabei unterscheiden<br />
Psychologen zwei Klassen von Faktoren:<br />
zum einen die risikobezogenen Muster, die<br />
auf Eigenschaften der Risikoquelle bezogen<br />
sind. Zum anderen die situationsbezogenen<br />
Muster, die auf die Eigenarten der riskanten<br />
Situation ausgerichtet sind.<br />
Ein Beispiel der risikobezogenen Muster<br />
ist die wahrgenommene „Natürlichkeit“ der<br />
Folgen. Wir können mit Gefahren besser<br />
umgehen, wenn wir sie wahrnehmen <strong>und</strong><br />
uns darauf einrichten können. Schließlich<br />
ist das bekannte <strong>und</strong> uns vertraute Risiko<br />
wesentlich weniger mit Ängsten besetzt als<br />
das unbekannte <strong>und</strong> uns weniger vertraute<br />
Risiko.Als Begleiterschei<strong>nun</strong>g der Modernisierung<br />
ist bei uns der Eindruck entstanden,<br />
als ob alles, <strong>was</strong> die Natur uns gibt, von sich<br />
aus gütig, günstig <strong>und</strong> ges<strong>und</strong> sei; während all<br />
das, <strong>was</strong> „die Chemie“ mit unseren Lebensmitteln<br />
anstellt, unnatürlich, risikoreich <strong>und</strong><br />
unges<strong>und</strong> sei. Dass dieser Dualismus wissenschaftlich<br />
nicht haltbar ist, ist allen Experten<br />
klar. Aber dahinter steht im Prinzip<br />
eine Sehnsucht des modernen Menschen<br />
nach einfachen, überschaubaren Verhältnissen<br />
<strong>und</strong> nach einer klaren Gegenüberstellung von<br />
gut <strong>und</strong> böse, sicher <strong>und</strong> gefährlich. Nicht<br />
ohne Gr<strong>und</strong> werben fast alle großen Lebensmittelfirmen<br />
mit dem Etikett „natürlich“, wie<br />
berechtigt dies auch immer sein mag.<br />
Situationsbezogene Muster der Wahrnehmung<br />
umfassen Aspekte wie Freiwilligkeit<br />
<strong>und</strong> persönliche Kontrollfähigkeit.Wenn<br />
ich der Mei<strong>nun</strong>g bin, ich könnte das Risiko<br />
selber steuern, dann empfinde ich es als weniger<br />
gravierend. Bei Essgewohnheiten kommt<br />
dieser Heurismus oft zum Tragen. Menschen<br />
glauben, auf Süßigkeiten, Alkohol oder andere<br />
als unges<strong>und</strong> eingestufte Lebensmittel leicht<br />
verzichten zu können, wenn sie es nur wollten.<br />
Dagegen werden meist harmlose chemische<br />
Zusatzstoffe in Lebensmitteln als Bedrohung<br />
der eigenen Ges<strong>und</strong>heit erlebt.<br />
Mentale Schubladen<br />
der Risikobewertung<br />
Wenn man diese qualitativen Merkmale<br />
gemeinsam betrachtet, so lassen sie sich in<br />
einige wenige, in sich konsistente Risikowahrnehmungsklassen<br />
einordnen. Diese werden<br />
in der Literatur auch als semantische<br />
Risikomuster bezeichnet. Besonders gut<br />
untersucht sind die folgenden Muster:<br />
� Risiko als unmittelbare Bedrohung<br />
� Risiko als Schicksalsschlag<br />
� Risiko als Herausforderung<br />
der eigenen Kräfte<br />
� Risiko als Glücksspiel <strong>und</strong><br />
� Risiko als Frühindikator<br />
für schleichende Gefahren
Diese Muster haben ähnliche Funktionen<br />
wie Schubladen in einem Aktenschrank.<br />
Wenn man mit einem neuen Risiko konfrontiert<br />
wird oder wenn man eine neue Information<br />
zum Risiko aufgenommen hat, versuchen<br />
die meisten Menschen, diese neuen Informationen<br />
in eine der bestehenden Schubladen<br />
einzuordnen. Ich möchte hier nur auf<br />
das Muster eingehen, das für Lebensmittel besonders<br />
relevant ist. Dieses Muster umfasst<br />
Risiken, die als Frühindikatoren für schleichende<br />
Gefahren wahrgenommen werden.<br />
Im Rahmen dieses Risikomusters nehmen<br />
Menschen zu Recht an, dass wissenschaftliche<br />
Studien schleichende Gefahren frühzeitig<br />
entdecken <strong>und</strong> Kausalbeziehungen zwischen<br />
Aktivitäten oder Ereignissen <strong>und</strong> deren<br />
latenten Wirkungen aufdecken können. Beispiele<br />
für die Verwendung dieses Risikobegriffs<br />
findet man bei der Wahrnehmung von<br />
<strong>transparent</strong> 09<br />
geringen Strahlendosen, Lebensmittelzusätzen,<br />
chemischen Pflanzenschutzmitteln oder<br />
genetischen Manipulationen von Pflanzen<br />
<strong>und</strong> Tieren. Die Wahrnehmung dieser Risiken<br />
ist eng mit dem Bedürfnis verknüpft, für<br />
scheinbar unerklärliche Folgen (z.B. Krebserkrankungen<br />
von Kindern, Allergien etc.) eindeutige<br />
Ursachen ausfindig zu machen. Im<br />
Gegensatz zum technisch-medizinischen Risikobegriff<br />
wird die Wahrscheinlichkeit eines<br />
Professor Ortwin Renn
Was Verbraucher<br />
als riskant wahrnehmen<br />
solchen Ereignisses nicht als eine signifikante<br />
(d.h. nicht mehr durch Zufall erklärbare)<br />
Abweichung von der natürlich vorgegebenen<br />
Variation solcher Ereignisse interpretiert,<br />
sondern als Grad der Sicherheit, mit der ein<br />
singuläres Ereignis auf eine externe Ursache<br />
zurückgeführt werden kann.<br />
Das Wissen um die Möglichkeit von<br />
Krebserkrankungen aufgr<strong>und</strong> bestimmter<br />
Lebensmittelzusätze oder Pestizidrückstände<br />
legitimiert zumindest den Verdacht, dass<br />
jeder auftretende Krebs durch den Genuss<br />
entsprechender Lebensmittel erklärt werden<br />
kann. Wer an Krebs erkrankt ist oder mit<br />
ansehen muss, wie ein Mitglied der Familie<br />
oder des eigenen Fre<strong>und</strong>eskreises von dieser<br />
Krankheit getroffen ist, sucht nach einer<br />
Erklärung. Metaphysische Erklärungsmuster<br />
haben in unserer säkularisierten Welt an<br />
Geltung verloren. Gleichzeitig befriedigt das<br />
nach heutigem Wissensstand bestmögliche<br />
Erklärungsmuster einer zufälligen Verteilung<br />
von Krebserkrankungen das psychische Verlangen<br />
nach einer „sinnhaften“ Erklärung<br />
wenig.Wie trostlos ist es, das zufällige Opfer<br />
eines blinden Verteilungsmechanismus von<br />
Krankheit zu sein. Kennt man dagegen einen<br />
konkreten Gr<strong>und</strong>, etwa Umweltbelastung,<br />
falsche Ernährung, oder die unachtsame Kontaminierung<br />
von Lebensmitteln mit Rückständen<br />
usw., dann macht das Auftreten der<br />
Krankheit zumindest subjektiv Sinn. Lässt<br />
sich aus subjektiver Sicht darüber hinaus eigenes<br />
Verschulden (etwa Rauchen oder Alkoholmissbrauch)<br />
ausschließen <strong>und</strong> Fremdverschulden<br />
als Ursache der Krankheit her-<br />
anziehen, dann mag die Krankheit sogar einen<br />
sozialen Zweck erfüllen, nämlich die künftigen<br />
potentiellen Opfer zu alarmieren <strong>und</strong><br />
gegen die Ursache des Übels anzukämpfen.<br />
Mitleid schlägt Risikoanalyse<br />
Die häufig hochemotionale Auseinandersetzung<br />
um Risiken dieses Typus muss aus<br />
diesem psychischen Hintergr<strong>und</strong> heraus verstanden<br />
werden. Die Befähigung des Menschen<br />
zum Mit-leiden verhilft ihm zu einer<br />
potentiellen Identifikation mit dem Opfer.<br />
Risikoanalysen, die eine bestimmte Wahrscheinlichkeit<br />
einer schleichenden Erkrankung<br />
aufgr<strong>und</strong> einer Emission nachweisen,<br />
bewirken eine Identifikation mit dem von<br />
dem Risiko betroffenen Opfer.Während der<br />
Risikoanalytiker stochastische Theorien zur<br />
Charakterisierung der relativen Gefährdung<br />
von Ereignissen benutzt, die keine kausalen<br />
Zusammenhänge zwischen singulären Auslösern<br />
<strong>und</strong> deren Effekten erlauben (<strong>und</strong><br />
damit Distanz zum eigenen Wissensbereich<br />
schaffen), sieht der Laie in ihnen den Beweis<br />
für die schuldhafte Verstrickung gesellschaftlicher<br />
Akteure bei der Verursachung<br />
lebensbedrohender Krankheiten.<br />
Dazu kommt noch, dass diese Risiken<br />
besonders komplex sind, d.h. sie zeichnen<br />
sich dadurch aus, dass zwischen der Verursachung<br />
<strong>und</strong> der Folge meistens viele Jahre<br />
Latenzzeit liegen.Wenn ich das Trink<strong>was</strong>ser<br />
trinke, das Pestizidrückstände hat, dann können<br />
die ges<strong>und</strong>heitlichen Folgen erst viele<br />
Jahre später auftreten, wenn überhaupt. Bei<br />
Risiken als Frühindikator sind die betroffenen<br />
Menschen auf Informationen durch Dritte<br />
angewiesen. Sie können sie in der Regel<br />
nicht sinnlich wahrnehmen. Bewerten Laien<br />
diese Risiken, dann stoßen sie auf eine Schlüsselfrage:<br />
Vertraue ich den Institutionen, die<br />
mir dazu die notwendigen Informationen geben,<br />
ja oder nein? Wenn ich in meinem Urteil<br />
zu einem „Nein“ komme, dann wird<br />
kompromisslos ein Nullrisiko gefordert. Denn<br />
wenn ich bei der Bewertung solcher Risiken<br />
auf Informationen durch Dritte angewiesen<br />
„Gleichgültig, ob das Risiko als<br />
hoch oder niedrig angesehen<br />
wird, zentrale Messlatte für die<br />
Akzeptanz ist die Vertrauenswürdigkeit.<br />
Wenn ich das<br />
Vertrauen nicht habe <strong>und</strong> ich die<br />
Gefährlichkeit nicht aus eigener<br />
Anschauung beurteilen kann,<br />
dann verlange ich Nullrisiko.“<br />
bin, diesen Dritten aber nicht vertraue, dann<br />
lasse ich mich auf keine Kosten-Nutzen-<br />
Bilanz ein. Dann will ich Nullbelastung. Der<br />
Wunsch nach Nullrisiken bei mangelndem<br />
Vertrauen lässt sich weltweit nachweisen.<br />
Beispiel „Grüne Gentechnik“: Der Wahrnehmungsmechanismus<br />
„Risiken als Frühindikator“<br />
ist ein zentrales Problem der Grünen<br />
Gentechnik. Alle unsere Umfragen zeigen<br />
deutlich, dass die Institutionen, die heute
grüne Gentechnik vorantreiben wollen, mangelndesVertrauen<br />
auf Seiten der Konsumenten<br />
vorfinden. Unter diesen Umständen reagieren<br />
die meisten Konsumenten mit Skepsis:<br />
Gleichgültig, ob das Risiko als hoch oder<br />
niedrig angesehen wird, zentrale Messlatte<br />
für die Akzeptanz ist die Vertrauenswürdigkeit.Wenn<br />
ich das Vertrauen nicht habe <strong>und</strong><br />
ich die Gefährlichkeit nicht aus eigener Anschauung<br />
beurteilen kann, dann verlange ich<br />
Nullrisiko. An diesem Beispiel wird auch deutlich,<br />
wie wenig hilfreich es ist, in diesem Falle<br />
mit Risikovergleichen zu kommen. Natürlich<br />
werden dieselben Leute, die bei Gentechnik<br />
ein Nullrisiko verlangen, Fahrrad <strong>und</strong> Auto<br />
fahren oder in ein Flugzeug steigen. Das empfinden<br />
sie keineswegs als inkonsistent, weil<br />
diese Verkehrsmittel in ein anderes Risikomuster<br />
fallen, in dem Bilanzierung von Nutzen<br />
<strong>und</strong> Risiko als legitim angesehen wird.<br />
Risikokommunikation:<br />
Der Mythos von der Öffentlichkeit<br />
Wenn wir von Kommunikation sprechen,<br />
müssen wir in Betracht ziehen, dass<br />
die Kommunikationsbedürfnisse in unserer<br />
Gesellschaft sehr unterschiedlich verteilt<br />
sind. Kommunikation mit der Öffentlichkeit<br />
ist eigentlich ein irreführender Begriff, denn<br />
die eine Öffentlichkeit gibt es nicht. Wir<br />
sind alle Öffentlichkeit, wir sind alle Experten<br />
<strong>und</strong> wir sind alle Mitglieder von irgendwelchen<br />
Gruppierungen. Das heißt, wir<br />
müssen nach Zielgruppen differenzieren. Es<br />
gibt nur Öffentlichkeiten, kein einheitliches<br />
Gesamtpublikum. Für jede Öffentlichkeit<br />
sind die Kommunikationsbedürfnisse genau<br />
zu eruieren.Wenn wir über Lebensmittelrisiken<br />
sprechen, ist eine Vielzahl von Adressatenkreisen<br />
angesprochen. Diese reichen<br />
von Experten aus verschiedenen Disziplinen,<br />
über Risikomanager, Risikoregulierer,<br />
Hersteller, Verarbeiter, Einzelhändler, Konsumenten,<br />
bis hin zu Medien <strong>und</strong> Nichtregierungsorganisationen<br />
(NGO’s).<br />
Hat man sich auf die besonderen Kommunikationsbedürfnisse<br />
der Ansprechpartner<br />
eingestellt, erfolgt die Wahl der Kommunikationsform.<br />
Diese besteht gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
aus vier Elementen:<br />
� der Dokumentation: Diese dient der<br />
Transparenz. In einer demokratischen Gesellschaft<br />
ist es unerlässlich, dass die nicht<br />
am Regulierungsprozess beteiligte(n) Öffentlichkeit(en)<br />
erfährt bzw. erfahren, aus welchen<br />
Gründen man sich für das eine <strong>und</strong><br />
nicht für das andere entschieden hat. Dabei<br />
ist es zunächst zweitrangig, ob alle diese<br />
Informationen intuitiv nachvollziehen oder<br />
verstehen können. Das ist wie bei den Beipackzetteln<br />
der Arzneimittel. Kaum ein<br />
Patient kann sie verstehen, von wenigen<br />
medizinisch Vorgebildeten einmal abgesehen.<br />
Dennoch enthalten Beipackzettel auch<br />
für die Normalpatienten wichtige Botschaften.<br />
Sie verdeutlichen: Hier wird nichts verschwiegen.<br />
Insofern sollte auch bei den<br />
Lebensmitteln sehr viel genauer <strong>und</strong> zeitnaher<br />
dokumentiert werden, wie Entscheidungen<br />
zum Risikomanagement getroffen,<br />
welche Argumente wie abgewogen <strong>und</strong><br />
welche wissenschaftlichen Gr<strong>und</strong>lagen wie<br />
verwendet wurden. Als Medium dafür eignet<br />
sich vor allem das Internet.<br />
� der Information: Informationen dienen<br />
der Aufklärung des Kommunikationspartners.<br />
Informationen sollten so gestaltet <strong>und</strong><br />
zusammengestellt werden, dass die jeweils<br />
angesprochene Zielgruppe sie verstehen,<br />
nachvollziehen <strong>und</strong> begreifen sowie die Botschaft<br />
auch für den eigenen Alltag wirksam<br />
werden lassen kann. Wichtig ist dabei, dass<br />
die Anliegen derjenigen, die informiert werden,<br />
auch adäquat aufgegriffen werden.<br />
<strong>transparent</strong> 11<br />
„Die Menschen<br />
erwarten adäquat an<br />
Entscheidungen,<br />
die ihr Leben betreffen,<br />
direkt oder indirekt<br />
beteiligt zu werden.“<br />
� der gegenseitigen Kommunikation bzw. dem<br />
Dialog. Diese Form der Kommunikation ist<br />
auf gegenseitiges Lernen ausgerichtet. Hier<br />
geht es nicht um die Einbahnstraße der Information,<br />
sondern um einen Austausch von<br />
Argumenten, Erfahrungen, Eindrücken <strong>und</strong><br />
Urteilen. Wenn jemand kommt <strong>und</strong> einem<br />
anderen et<strong>was</strong> beibringen will, aber selber<br />
nichts vom anderen erfahren will, kommt es<br />
nicht zu einem Dialog, sondern bestenfalls zu<br />
einer Belehrung. Dann wird es aber niemanden<br />
w<strong>und</strong>ern, dass der Belehrte den Dialogversuch<br />
schnellstens abbricht. Es muss eine<br />
Bereitschaft auf beiden Seiten zum gegenseitigen<br />
Zuhören <strong>und</strong> Lernen vorhanden sein.<br />
� der Beteiligung an Risikoanalysen <strong>und</strong> Managemententscheidungen.<br />
Die Menschen erwarten<br />
in einer pluralistischen Gesellschaft,<br />
adäquat an Entscheidungen, die ihr Leben betreffen,<br />
direkt oder indirekt beteiligt zu werden.<br />
Nicht jeder Betroffene kann bei der Regulierung<br />
mitwirken, aber es muss sichergestellt<br />
sein, dass die Anliegen der Betroffenen<br />
auch im Entscheidungsprozess selbst vertreten<br />
sind <strong>und</strong> die Interessen <strong>und</strong> Werte derjenigen,<br />
die mit den Risikofolgen später leben<br />
müssen, auch angemessen aufgegriffen <strong>und</strong> in<br />
den Entscheidungsprozess integriert werden.<br />
„Verpackung“ allein reicht nicht<br />
Zu einer wirkungsvollen Risikokommunikation<br />
gehört, dass alle vier Formen der<br />
Kommunikationen parallel erfolgen. Denn
Was Verbraucher<br />
als riskant wahrnehmen<br />
diese vier Formen sprechen unterschiedliche<br />
Bedürfnisse der diversen Öffentlichkeiten<br />
an, die nicht mit einem Kommunikationsinstrument<br />
allein befriedigt werden können.<br />
Dabei sollte es nicht das Ziel der<br />
Risikokommunikation sein, die jeweils andere<br />
Seite zu überzeugen, ein Risiko sei tragbar<br />
oder unzumutbar, sondern Kommunikation<br />
in allen vier Formen hat die wesentliche<br />
Funktion, die betroffenen Bürger <strong>und</strong> Bürgerinnen<br />
„risikomündig“ zu machen. Dies<br />
bedeutet, dass jeder von Risiken betroffene<br />
Mensch oder auch soziale Gruppe befähigt<br />
werden sollte, auf der Basis der Kenntnis<br />
der faktisch nachweisbaren Konsequenzen<br />
von risikoauslösenden Ereignissen oder Ak-<br />
tivitäten, der verbleibenden Unsicherheiten<br />
<strong>und</strong> Ambiguitäten eine persönliche Beurteilung<br />
der jeweiligen Risiken vornehmen zu<br />
können, die den eigenen oder den von<br />
einem selbst als für die Gesellschaft ethisch<br />
gebotenen Kriterien entspricht.Wie Risiken<br />
von Politik <strong>und</strong> Experten bewertet werden,<br />
ist dabei ebenso bedeutsam für eine erfolgreiche<br />
Kommunikation wie die Frage nach<br />
der besten Form, der geeigneten Struktur<br />
oder dem benutzen Modell des Kommunikationsprozesses.Verpackung<br />
ist wichtig, aber<br />
die beste Verpackung nützt nichts, wenn das<br />
Paket die Verpackung nicht wert ist.<br />
Erfolgreiche Kommunikation beginnt mit<br />
einem rational durchdachten, sachgerechten<br />
<strong>und</strong> den Wertvorstellungen der Gesellschaft<br />
angemessenen Prozess der Risikobewertung.<br />
Aus diesem Gr<strong>und</strong>e muss auch besonderes<br />
Gewicht auf die nachvollziehbare <strong>und</strong> auf die<br />
den Anliegen der Menschen Rech<strong>nun</strong>g tragendenVerfahren<br />
der Bewertung gelegt worden.<br />
Diese Bewertung <strong>transparent</strong> zu gestalten, wird<br />
eine wichtige Aufgabe für die Zukunft sein. Es<br />
gilt, die Kluft zwischen den Wahrnehmern,<br />
den Wahrmachern <strong>und</strong> den Wahrgebern zu<br />
überbrücken, damit ein sachlich angemessener<br />
<strong>und</strong> den Werten der betroffenen Menschen<br />
entsprechender Umgang mit Ernährungsrisiken<br />
erfolgen kann.Wenn uns das nicht gelingt,<br />
überlassen wir das Feld den Wahrsagern<br />
<strong>–</strong> <strong>und</strong> damit wäre niemandem gedient.
Verbraucherschutz <strong>und</strong> Lebensmittelsicherheit:<br />
� die Rückverfolgbarkeit von Futter- <strong>und</strong> Lebensmitteln<br />
sowie ihrer Zutaten bis zu ihrem<br />
Ursprung beispielsweise im Agrarbereich (3);<br />
� eine umfassende Risikoanalyse, bestehend<br />
aus den drei miteinander verb<strong>und</strong>enen Einzelschritten<br />
der Risikobewertung, des Risikomanagements<br />
<strong>und</strong> der Risikokommunikation;<br />
� die Anwendung des Vorsorgeprinzips auch<br />
unter Berücksichtigung der Auswirkungen auf<br />
zukünftige Generationen.<br />
Was ist aus dem angekündigten Maßnahmenpaket<br />
geworden? In der Tat ist vieles<br />
davon bereits realisiert worden oder befindet<br />
sich gerade in der Phase der Umsetzung,<br />
wenn auch bei manchen Gesetzesvorhaben<br />
wegen schwieriger Abstimmungsprozesse eine<br />
zeitliche Verzögerung zu beobachten ist.<br />
So erleben wir derzeit eine bislang nicht da<br />
gewesene Flut von neuen oder geänderten<br />
Rechtsvorschriften <strong>und</strong> darüber hinaus einen<br />
gr<strong>und</strong>legenden Wandel in der Gesetzgebung<br />
zu deutlich höherer Verantwortung für<br />
alle Erzeugungs- <strong>und</strong> Herstellungsstufen.<br />
<strong>transparent</strong> 13<br />
<strong>Neue</strong> <strong>Regeln</strong> <strong>–</strong> <strong>und</strong> <strong>was</strong> <strong>nun</strong>?<br />
Im Januar 2000 stellte der zuständige EU-Kommissar David Byrne das so genannte<br />
Weißbuch zur Lebensmittelsicherheit vor, ein umfassendes Maßnahmenpaket<br />
zur Förderung des Ges<strong>und</strong>heitsschutzes. Das Ziel: die Lebensmittelsicherheit in der<br />
EU am höchstmöglichen Standard auszurichten. Die Mittel: die „radikalsten<br />
<strong>und</strong> durchgreifendsten Vorschläge“, die es im Bereich Lebensmittelsicherheit jemals<br />
gegeben hatte. Doch schüttet die EU-Kommission das Kind mit dem Bade aus.<br />
Kleine <strong>und</strong> mittelständische Unternehmen (KMU) der Ernährungswirtschaft geraten<br />
auch deshalb zunehmend in Existenznot. Professor Dr. Bärbel Kniel, Vorstand der<br />
biotask AG in Esslingen, beschreibt die Zwangslage anhand konkreter Beispiele.<br />
Die tiefgreifende Zäsur zur Jahrtausendwende<br />
im europäischen Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Verbraucherschutz<br />
machte im Gr<strong>und</strong>satz Sinn.<br />
Das durch verschiedene Krisen erschütterte<br />
Verbrauchervertrauen in die Sicherheit von<br />
Lebensmitteln sollte wiederhergestellt werden.<br />
Mehr als 80 einzelne Maßnahmen sollten<br />
in einem ehrgeizigen Zeitplan erarbeitet <strong>und</strong><br />
umgesetzt werden, die die Bereiche Futtermittel,Tierges<strong>und</strong>heit<br />
<strong>und</strong> Tierschutz, Hygiene,<br />
Kontaminanten <strong>und</strong> Rückstände, neuartige<br />
Lebensmittel, mit gentechnischen Verfahren<br />
hergestellte Lebensmittel, Zusatzstoffe,Aromastoffe<br />
<strong>und</strong> vieles mehr betreffen (1). Zusätzlich<br />
sind allgemeine Gr<strong>und</strong>sätze der Lebensmittelsicherheit<br />
neu festgeschrieben worden wie<br />
� die erweiterte Verantwortung der Hersteller<br />
von Futter- <strong>und</strong> Lebensmitteln sowie<br />
der vorgelagerten Stufen (z.B. Landwirtschaft).<br />
Diese beinhaltet auch eine Meldepflicht,<br />
wenn ein vertriebenes Lebensmittel<br />
den Anforderungen an die Lebensmittelsicherheit<br />
nicht entspricht (2);<br />
Hysterisierte Öffentlichkeit <strong>und</strong><br />
politisch-ideologische Interessen<br />
in unheilvoller Kombination<br />
Infolge der politischen Neuausrichtung<br />
des Verbraucherschutzes durch das Ministerium<br />
für Verbraucherschutz, Ernährung <strong>und</strong><br />
Landwirtschaft (BMVEL) werden diese europäischen<br />
Bestrebungen auch auf nationaler<br />
Ebene begrüßt <strong>und</strong> zum Teil in noch erweiterter<br />
Form umgesetzt. Dabei spielt auch<br />
der Druck einer „hysterisierten Öffentlichkeit“<br />
eine nicht unbedeutende Rolle. Es<br />
drängt sich der Eindruck auf, dass mehr <strong>und</strong><br />
mehr ein neuer Stil des Verbraucherschutzes<br />
<strong>und</strong> der -Information Einzug hält, der nur<br />
noch wenig mit dem klassischen Auftrag des<br />
Verbraucherschutzes zu tun hat. Der Einfluss<br />
der so genannten NGO’s (non governmental<br />
organisations) wird immer stärker <strong>und</strong> deren<br />
Mei<strong>nun</strong>g in der Öffentlichkeit häufig als<br />
neutrale Sittenwächter des Verbraucherschutzes<br />
lanciert, um ggf. politisch-ideologi-
<strong>Neue</strong> <strong>Regeln</strong> <strong>–</strong> <strong>und</strong> <strong>was</strong> <strong>nun</strong>?<br />
sche Interessen voran zu bringen. In dieses<br />
Szenario passt auch das im Internet veröffentlichte<br />
Diskussionspapier Nr. 10 des Büros für<br />
Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen<br />
B<strong>und</strong>estag zum Thema „Pro <strong>und</strong> Kontra<br />
der Tren<strong>nun</strong>g von Risikobewertung <strong>und</strong> Risikomanagement<br />
<strong>–</strong> Diskussionsstand in Deutschland<br />
<strong>und</strong> Europa“. In diesem Papier sollten<br />
unter anderem „gr<strong>und</strong>sätzliche konzeptionelle<br />
Überlegungen zur Frage“ angestellt werden,<br />
„in welchem Rahmen <strong>und</strong> mit welchen<br />
Strukturen Ziele einer effizienten Politikberatung<br />
<strong>und</strong> Information des Verbrauchers am<br />
besten erreicht werden können“. Dazu wurde<br />
folgende Empfehlung ausgesprochen:<br />
„Initiierung einer unabhängigen <strong>und</strong> öffentlichkeitswirksamen<br />
Vertretung von Verbraucherschutzinteressen<br />
<strong>–</strong> es fehlt ein „Greenpeace<br />
des Verbraucherschutzes.“ Ohne zusätzliche<br />
Skandalisierungschancen wird es<br />
kaum möglich sein, einen schlagkräftigen Verbraucherschutz<br />
zu organisieren. Der Staat<br />
kann in diesem Zusammenhang jedoch nur<br />
begrenzt tätig werden, hat aber die Möglichkeit,<br />
sich der vorhandenen <strong>–</strong> u.E. zu wenig<br />
kämpferischen <strong>und</strong> basisnahen Verbraucherschutzinteressen<br />
anzunehmen <strong>und</strong> deren<br />
Selbstorganisationskräfte zu stärken“.<br />
Dies führt zu erheblichen Irritationen. Die<br />
Unternehmer sind von diesen neuen Strömungen<br />
in existenziellem Ausmaß betroffen.<br />
Diese sind gerade angesichts der über sie<br />
hereinbrechenden Regelungsflut auf verständliche<br />
<strong>und</strong> praktisch umsetzbare Bestimmungen<br />
<strong>und</strong> auf die Unterstützung der Politik<br />
angewiesen. Was aber aus den Mühlen der<br />
europäischen <strong>und</strong> nationalen Gesetzgebung<br />
herauskommt, entspricht häufig nicht diesen<br />
Erfordernissen. Insbesondere die kleinen<br />
<strong>und</strong> mittelständischen Unternehmen, die<br />
nach dem erklärten Willen der Politik gestärkt<br />
werden sollen, sind von diesen zunehmend<br />
praxis- <strong>und</strong> lebensfremden Regelungen<br />
<strong>und</strong> dem um sich greifenden Dirigismus<br />
besonders nachteilig betroffen.<br />
Fatale Konsequenzen<br />
Im Folgenden wird diese Situation anhand<br />
einiger aktueller Beispiele beschrieben<br />
<strong>und</strong> die sich abzeichnenden Konsequenzen<br />
werden aufgezeigt.<br />
� Rückverfolgbarkeit<br />
Ab 2005 muss die Rückverfolgbarkeit von<br />
Lebensmitteln auf allen Produktions-, Verarbeitungs-<br />
<strong>und</strong> Vertriebsstufen sichergestellt<br />
sein. Das bedeutet, dass der Herstellungsweg<br />
eines Lebensmittels <strong>und</strong> seiner Zutaten über<br />
entsprechende Dokumentationen innerhalb<br />
der Herstellungskette bis zu seinem Ursprung<br />
<strong>–</strong> beispielsweise im Agrarbereich <strong>–</strong> nachvollzogen<br />
werden kann. Dadurch sollen ggf. erforderliche<br />
Rückrufaktionen effizienter <strong>und</strong><br />
schneller vonstatten gehen. Jeder Lebensmittelunternehmer<br />
hat dann Aufzeich<strong>nun</strong>gen zu<br />
führen, aus denen hervorgeht, wann er welche<br />
Zutaten oder Rohstoffe von wem bezogen<br />
hat <strong>und</strong> wann er welche Erzeugnisse an<br />
wen abgegeben hat. Ausgenommen von der<br />
abgaberelevanten Dokumentation sind Unternehmen,<br />
die ihre Lebensmittel direkt an<br />
den Endverbraucher abgeben.<br />
Für einen Backwarenhersteller bedeutet<br />
dies beispielsweise, dass der Werdegang eines<br />
Sacks einer verwendeten Backmischung<br />
eindeutig über die folgenden vorgelagerten<br />
Stufen seiner Herstellungs- <strong>und</strong> Vertriebswege<br />
zurückverfolgbar sein muss: Bäckereigroßhandel,<br />
Hersteller der Backmischung,<br />
Mühlen, Agrarhandel, Landwirt.<br />
Das hat erhebliche Konsequenzen, weil<br />
Qualitätsmanagement- <strong>und</strong> Logistiksysteme<br />
diesen neuen Anforderungen angepasst werden<br />
müssen. Da nach den gesetzlichen Vorgaben<br />
eine Warenstromanalyse jederzeit möglich<br />
sein muss, ist es erforderlich, die ent-<br />
„Die Unternehmer sind<br />
gerade angesichts der über<br />
sie hereinbrechenden<br />
Regelungsflut auf verständliche<br />
<strong>und</strong> praktisch umsetzbare<br />
Bestimmungen <strong>und</strong><br />
auf die Unterstützung der<br />
Politik angewiesen.“<br />
sprechenden Logistiksysteme einander anzupassen<br />
(3). Die betroffenen Unternehmen<br />
schätzen die Mehrkosten für die Umsetzung<br />
dieser Regelung auf ca. drei Prozent des<br />
durchschnittlichen Jahresumsatzes. Das beinhaltet<br />
insbesondere erhöhte Personalkosten<br />
sowie die Anschaffung von entsprechender<br />
Soft- <strong>und</strong> Hardware.<br />
Amtsschimmel auf Parforceritt<br />
durch die Backstuben?<br />
Für kleine Unternehmen bedeutet dies<br />
einen erheblichen administrativen Mehraufwand.<br />
Eine besondere Herausforderung
Professor Bärbel Kniel<br />
<strong>transparent</strong> 15<br />
stellt die Rückverfolgbarkeit für das Bäcker<strong>und</strong><br />
Konditorenhandwerk dar, das heute<br />
ein vielfältiges Sortiment von Backwaren<br />
anbietet. Die tägliche Artikelzahl beläuft<br />
sich in einer durchschnittlichen Bäckerei<br />
auf 130 bis 140 verschiedene Produkte, im<br />
Jahresdurchschnitt werden zusammen mit<br />
den Saisonartikeln ca. 300 bis 500 Produkte<br />
angeboten. Diese wiederum werden aus<br />
einer Fülle unterschiedlicher Rohstoffe hergestellt,<br />
die die Zahl der Backwaren noch<br />
übertreffen dürfte. Ein Kürbiskernbrot, ein<br />
Schwarzwälder Kirschröllchen <strong>und</strong> Rhabarberschnitten<br />
haben in ihrer Zusammensetzung<br />
außer den Zutaten Mehl <strong>und</strong> Wasser<br />
nichts gemeinsam. Alle gelieferten Rohstoffe<br />
sollen <strong>nun</strong> mit Angabe des Datums<br />
<strong>und</strong> der Chargenkennzeich<strong>nun</strong>g dokumentiert<br />
werden. Die Frage, wie dabei mit<br />
nicht eindeutig zuzuordnenden Silo-Rohstoffen<br />
wie beispielsweise Mehl umgegangen<br />
werden soll, steht bislang ungeklärt<br />
im Raum.Wechselsilos könnten zwar eine<br />
Zuord<strong>nun</strong>g von Rohstofflieferungen erleichtern,<br />
allerdings sind für deren Anschaffung<br />
erhebliche Investitionen nötig.<br />
Wer darüber hinaus den Alltag in einem<br />
durchschnittlichen handwerklichen Backbetrieb<br />
kennt, wird die geforderte Rückverfolgbarkeit<br />
als Paradebeispiel eines praxisfremden<br />
Papiertigers klassifizieren. Gefragt sind<br />
hier pragmatische, mit der Praxis verträgliche<br />
Lösungen seitens des Gesetzgebers.<br />
� Kennzeich<strong>nun</strong>gsbestimmungen<br />
Mit der in Kürze zu erwartenden Neufassung<br />
der EU-Etikettierungsrichtlinie müssen<br />
wegen der umfangreichen Kennzeich<strong>nun</strong>gsänderungen<br />
für alle fertigverpackten Produkte<br />
neue Zutatenlisten erstellt werden (4).<br />
Insbesondere die Neuaufnahme bestimmter<br />
Stoffe mit einem so genannten „allergenen
<strong>Neue</strong> <strong>Regeln</strong> <strong>–</strong> <strong>und</strong> <strong>was</strong> <strong>nun</strong>?<br />
Potenzial“ wird zu einem deutlichen Anstieg<br />
des Personaleinsatzes <strong>und</strong> der Verpackungskosten<br />
in den Unternehmen führen. Sämtliche<br />
Zutaten sind unter dem Aspekt eines<br />
möglichen allergenen Potenzials neu zu<br />
betrachten, so dass auch die entsprechenden<br />
Lieferanten einbezogen werden müssen.<br />
Selbst geringfügige Rezepturumstellungen<br />
können eine kostenintensive Neuauflage von<br />
Verpackungsmaterial nach sich ziehen. Die<br />
dadurch verursachten Mehrkosten belaufen<br />
sich nach jetzigen Schätzungen auf ca. zwei<br />
Prozent des Jahresumsatzes.<br />
Nach der neuen Etikettierungsrichtlinie<br />
müssen nicht nur Zutaten mit einem anerkannten<br />
allergenen Potenzial angegeben<br />
werden (z.B. Milch, Soja, Nüsse, Weizen),<br />
sondern auch alle daraus hergestellten<br />
Erzeugnisse, auch wenn diese aufgr<strong>und</strong><br />
der technologischen Verarbeitungsprozesse<br />
kein erkennbares allergenes Potenzial erwarten<br />
lassen (z.B. raffiniertes Sojaöl,Trau-<br />
„Bei vielen Produkten, die<br />
bislang von Allergikern ohne<br />
Beschwerden verzehrt worden<br />
sind, wird <strong>nun</strong> der Hinweis<br />
auf den zugr<strong>und</strong>liegenden<br />
allergenen Rohstoff zu einer<br />
Verunsicherung führen.“<br />
benzucker aus Weizenstärke, Milchsäure<br />
aus Getreidemaischen). Bei vielen Produkten,<br />
die bislang von Allergikern ohne<br />
Beschwerden verzehrt worden sind, wird<br />
<strong>nun</strong> der Hinweis auf den zugr<strong>und</strong>liegenden<br />
allergenen Rohstoff zu einer Verunsicherung<br />
führen <strong>und</strong> ihre Kaufauswahl erheblich einschränken.<br />
Es bleibt zu hoffen, dass diese<br />
Zutaten der zweiten oder dritten Generation<br />
aus einem allergenen Gr<strong>und</strong>stoff noch<br />
rechtzeitig vor Inkrafttreten der jeweiligen<br />
nationalen Bestimmungen von der Kennzeich<strong>nun</strong>g<br />
ausgenommen werden, da der<br />
damit verb<strong>und</strong>ene Mehraufwand für die<br />
Lebensmittelunternehmen in keinem Verhältnis<br />
zu einem Informationsnutzen für die<br />
betroffenen Verbraucherkreise steht.<br />
Vom Verkäufer zum<br />
Lebensmittelwissenschaftler?<br />
Nach Ansicht des B<strong>und</strong>esministeriums für<br />
Verbraucherschutz, Ernährung <strong>und</strong> Landwirtschaft<br />
(BMVEL) sollen wesentliche Elemente<br />
der neuen EU-Etikettierungsrichtlinie<br />
zukünftig in Deutschland auch für den Abverkauf<br />
loser Ware übernommen werden.<br />
Dies trifft insbesondere für die<br />
Informationen über allergene<br />
Zutaten zu, die dem Verbraucher<br />
auch beim Kauf nicht fertigverpackter<br />
Lebensmittel zugänglich<br />
gemacht werden sollen. Dazu<br />
gehört ein vielfältiges Angebot<br />
von Produkten, das überwiegend<br />
von handwerklichen Betrieben<br />
hergestellt wird, wie Backwaren,<br />
Käse <strong>und</strong> Wurst sowie der<br />
gesamte Bereich der Außer-<br />
Haus-Verpflegung. Das BMVEL hat angekündigt,<br />
für diese Bereiche pragmatische Lösungen<br />
anzustreben. Dennoch ist damit zu rechnen,<br />
dass durch die geplanten Maßnahmen<br />
auf die betroffenen Betriebe, die aus Wettbe-<br />
werbsgründen häufig ein vielfältiges <strong>und</strong><br />
wechselndes Lebensmittelsortiment anbieten<br />
müssen, ein deutlicher Mehraufwand an<br />
Kosten für fachlich qualifiziertes Personal<br />
zukommt, um die notwendigen Informationen<br />
zu beschaffen, zu dokumentieren <strong>und</strong><br />
vor allem nachzuhalten. Es darf die Prognose<br />
gewagt werden, dass die Umsetzung zu massiven<br />
Problemen führen wird. Dass die heute<br />
schon bestehenden sehr komplexen <strong>und</strong><br />
häufig geänderten Kennzeich<strong>nun</strong>gsvorschriften<br />
wegen fehlender Personalressourcen von<br />
vielen kleinen Betrieben nicht umgesetzt werden<br />
können, ist eine bekannte Tatsache.<br />
� Gentechnik: <strong>Neue</strong> Kennzeich<strong>nun</strong>gsbestimmungen<br />
für Lebensmittel<br />
<strong>und</strong> Lebensmittelzutaten,<br />
die aus gentechnisch veränderten<br />
Organismen hergestellt werden<br />
Nach einem langen politischen Abstimmungsprozess<br />
ist kürzlich die Novellierung<br />
der neuen Gentechnik-Regelungen für Lebens<strong>und</strong><br />
Futtermittel fertiggestellt worden. Ab<br />
Frühjahr 2004 müssen Lebensmittel mit dem<br />
Hinweis auf eine gentechnische Veränderung<br />
versehen werden, sofern diese oder ihre Zutaten<br />
GVO enthalten oder daraus bestehen<br />
oder aus einem gentechnisch veränderten<br />
Organismus hergestellt worden sind. Nach<br />
bisherigem Recht bedarf es einer Kennzeich<strong>nun</strong>g<br />
nur in den Fällen, in denen eine gentechnische<br />
Veränderung mittels analytischer<br />
Verfahren nachweisbar ist <strong>und</strong> damit dingfest<br />
gemacht werden kann (5). Dieses Prinzip<br />
wird ersetzt durch eine herkunftsbezogene<br />
Kennzeich<strong>nun</strong>g, die unabhängig von<br />
einem tatsächlichen Nachweis ist. Damit soll
Der Mittelstand, dem die<br />
entsprechenden Ressourcen<br />
fehlen, bleibt jetzt <strong>und</strong><br />
künftig von interessanten<br />
Innovationen ausgeschlossen!!!<br />
dem Verbraucher auf Basis <strong>transparent</strong>er Informationen<br />
eine bewusste Kaufentscheidung<br />
„pro oder contra Gentechnik“ möglich gemacht<br />
werden. Die für eine Kennzeich<strong>nun</strong>g<br />
notwendigen Informationen sollen über ein<br />
Dokumentationssystem über die gesamte Herstellungskette<br />
hinweg sichergestellt werden.<br />
Da der Löwenanteil der betroffenen Ausgangsrohstoffe<br />
für viele Lebensmittelzutaten<br />
(Soja, Mais, Raps, Baumwolle etc.) derzeit aus<br />
Drittländern stammt, die nicht zum Geltungsbereich<br />
der EU gehören, dürften sich die<br />
neuen Bestimmungen zu einem nicht nachprüfbaren<br />
Papiertiger entwickeln, <strong>was</strong> weder<br />
im Sinne der Verbraucher noch der Lebensmittelunternehmer<br />
ist.Trotz Erlasses der neuen<br />
Bestimmungen <strong>und</strong> der sehr kurzen Umsetzungsfrist<br />
ist es für eine Vielzahl von Zutaten<br />
darüber hinaus nach wie vor unklar, ob sie<br />
unter die neuen Kennzeich<strong>nun</strong>gsbestimmungen<br />
fallen oder nicht <strong>–</strong> für den Rechtsunterworfenen<br />
eine unzumutbare Situation. Dies<br />
liegt in erster Linie an unklaren Formulierungen,<br />
die selbst ausgewiesene Fachleute an<br />
den Rand der Kapitulation bringen.<br />
Was schert den Gesetzgeber<br />
noch die Realität?<br />
Da es sich in erster Linie um ein politisch<br />
gewolltes Gesetzespaket handelt, ist es nicht<br />
verw<strong>und</strong>erlich, dass Gesichtspunkte der<br />
Umsetzbarkeit für die betroffenen Wirtschaftskreise<br />
nicht im Fokus standen <strong>und</strong><br />
stehen. Für die Ernährungswirtschaft bedeuten<br />
die neuen rechtlichen Bestimmungen<br />
zusätzliche Belastungen in den Bereichen<br />
Rohwarenbeschaffung, Qualitätsmanagement<br />
<strong>und</strong> Dokumentation. Wegen der fehlenden<br />
Marktakzeptanz wird die Zulieferbranche<br />
des Backgewerbes keine Produkte mit einer<br />
Gentechnik-Kennzeich<strong>nun</strong>g vertreiben wollen.<br />
Daraus ergeben sich erhebliche Mehrkosten<br />
für die Beschaffung von Rohwaren, die<br />
nicht aus gentechnisch veränderten Agrargütern<br />
wie Soja oder Mais hergestellt werden,<br />
da diese „herkömmlichen“ Rohwaren wegen<br />
der stark steigenden Anbauquoten von<br />
gentechnisch modifizierten Pflanzen auf<br />
dem Weltmarkt verknappen <strong>und</strong> aufwendige<br />
Trennsysteme der Warenströme etabliert<br />
werden müssen. Die dadurch entstehenden<br />
Mehrkosten werden auf weitere drei Prozent<br />
des Jahresumsatzes geschätzt.<br />
� Novel Food-Verord<strong>nun</strong>g<br />
Die Bestimmungen über neuartige Lebensmittel<br />
sind <strong>nun</strong> schon mehrere Jahre alt, so<br />
dass erste Erfahrungen im Umgang mit dieser<br />
Verord<strong>nun</strong>g <strong>und</strong> den sich daraus abzeichnenden<br />
Konsequenzen vorliegen. Die Verord<strong>nun</strong>g<br />
über neuartige Lebensmittel sieht<br />
im Wesentlichen vor, dass alle neuen Produkte,<br />
die in Europa vor ihrer Markteinführung<br />
noch nicht regelmäßig verzehrt worden sind,<br />
einer Sicherheitsprüfung <strong>und</strong> einem Zulassungsverfahren<br />
durch die zuständigen Behörden<br />
unterworfen werden, ähnlich wie bei<br />
der Zulassung von Arzneimitteln. Eine solche<br />
Zulassung bedeutet für den Hersteller des<br />
neuen Erzeugnisses ein kosten- <strong>und</strong> zeitintensives<br />
Procedere. Die bisher erfolgten Zulassungen<br />
zeigen, dass nur große, überwiegend<br />
international tätige Konzerne über die<br />
<strong>transparent</strong> 17<br />
entsprechenden Möglichkeiten verfügen. Die<br />
Zulassung wird nur für das jeweilige spezifische<br />
Produkt des antragstellenden Unternehmens<br />
ausgesprochen, ist also quasi exklusiv, <strong>was</strong><br />
angesichts der teuren Entwicklungs- <strong>und</strong> Zulassungskosten<br />
plausibel erscheint. Der Mittelstand,<br />
dem die entsprechenden Ressourcen<br />
fehlen, bleibt jetzt <strong>und</strong> künftig von interessanten<br />
Innovationen ausgeschlossen!!! Weitere<br />
Beispiele über geplante Gesetzesvorhaben<br />
passen zu dem beschriebenen Szenario:<br />
� Das bestehende Regelungschaos über die<br />
Verfütterung von Produktionsnebenprodukten<br />
der Backwarenherstellung <strong>und</strong> der vorgelagerten<br />
Stufen ist nicht mehr durchschaubar.<br />
Die EU-Kommission plant <strong>nun</strong>, diese Erzeugnisse<br />
in die neuen futtermittelrechtlichen<br />
Bestimmungen aufzunehmen. Nach dem augenblicklichen<br />
Stand der Überlegungen würde<br />
ein Backbetrieb, der nicht verkäufliche Backwaren<br />
zur Verfütterung abgibt, damit zum<br />
Futtermittelhersteller <strong>und</strong> müsste die entsprechenden<br />
sehr stringenten Auflagen an Qualitätsmanagementsysteme<br />
für Futtermittel<br />
erfüllen. Die Umsetzbarkeit ist gleich Null!<br />
� Es wird diskutiert, dass die Nährwertkennzeich<strong>nun</strong>gsvorschriften<br />
für alle Lebensmittel<br />
obligatorisch werden sollen. Das würde bedeuten,<br />
dass für alle Produkte die Brennwerte<br />
sowie die Gehalte an Eiweiß, Kohlenhydraten<br />
<strong>und</strong> ggf. weitere Nährstoffe berechnet oder<br />
sogar analytisch bestimmt werden müssen, <strong>was</strong><br />
die Kostenspirale weiter in die Höhe triebe.<br />
� Die Bewerbung von Produkten mit sog.<br />
ges<strong>und</strong>heitsbezogenen Aussagen, die gerade<br />
im Bereich von Brot ein wichtiges Instrument<br />
der Verkaufsförderung darstellt, wird<br />
drastisch eingeschränkt.Aussagen wie „Brot<br />
essen <strong>–</strong> fit bleiben“ werden dann wohl der<br />
Vergangenheit angehören. Spezielle ges<strong>und</strong>heitsbezogene<br />
Claims müssen von den EU-<br />
Behörden bewilligt werden. Eine Genehmi
<strong>Neue</strong> <strong>Regeln</strong> <strong>–</strong> <strong>und</strong> <strong>was</strong> <strong>nun</strong>?<br />
gung soll nur noch dann erfolgen, wenn der<br />
wissenschaftliche Nachweis erbracht werden<br />
kann, dass eine ges<strong>und</strong>heitsbezogene Aussage<br />
auch die entsprechende Wirkung nach<br />
dem Verzehr aufweist. Derartige Nachweise<br />
sind mit aufwändigen ernährungsphysiologischen<br />
Studien verb<strong>und</strong>en, die nur von großen<br />
Unternehmen finanzierbar sind. Der Mittelstand<br />
schaut auch hier in die Röhre.<br />
Fazit<br />
Anhand der beschriebenen Beispiele wird<br />
deutlich, dass die durchaus nachvollziehbaren<br />
politischen Bestrebungen der EU <strong>und</strong><br />
auch Deutschlands für einen „Verbraucherschutz“<br />
auf dem beschriebenen Niveau nicht<br />
in Einklang zu bringen sind mit den derzeitigen<br />
Strukturen <strong>und</strong> Möglichkeiten eines kleinen<br />
<strong>und</strong> mittelständischen Lebensmittelunternehmens.<br />
Die neuen Gesetze sind von<br />
diesen nur beherrschbar <strong>und</strong> umsetzbar,<br />
wenn zusätzliche Investitionen in Personal<br />
<strong>und</strong> Ausstattung getätigt werden. Damit<br />
erhöhen sich automatisch die Herstellungskosten<br />
von Lebensmitteln. Um diese Kosten<br />
auf dem derzeit äußerst preissensiblen Lebensmittelmarkt<br />
an den Verbraucher weitergeben<br />
zu können, bedarf es bei der Bevölkerung<br />
einer gr<strong>und</strong>legenden Änderung in der<br />
Einstellung zur Bedeutung von Ernährung<br />
<strong>und</strong> Lebensmitteln. Eine entsprechende Trendwende<br />
zu bewirken, setzt einen langen <strong>und</strong><br />
politisch gestützten Atem voraus.<br />
Mittelstand ade?<br />
Gelingt dies in absehbarer Zeit nicht,<br />
muss mit einem deutlich forcierten Konzentrationsprozess<br />
innerhalb der Ernährungswirtschaft<br />
zugunsten großer Unternehmen<br />
gerechnet werden (siehe dazu auch: „Wer<br />
schützt den Mittelstand?“ Ein Kommentar<br />
von Amin Werner). Damit verb<strong>und</strong>en kann<br />
es zu einer Verarmung des vielfältigen<br />
Lebensmittelsortimentes kommen, da dieses<br />
vor allem im Bereich regionaler Spezialitäten<br />
überwiegend von kleinen Betrieben hergestellt<br />
wird. Weder für die Wirtschaft noch<br />
für die Verbraucher wäre ein solcher Prozess<br />
wünschenswert. Das Potenzial für einen<br />
Wertewandel in Fragen der Ernährung <strong>und</strong><br />
der Lebensmittelsicherheit sollte aber bei<br />
der Bevölkerung vorhanden sein. Die Ausgaben<br />
für Lebensmittel sind in den letzten 50<br />
Jahren von 44 auf elf Prozent des verfügbaren<br />
Einkommens gesunken. Diesen Trend<br />
zugunsten eines auch in Zukunft vielfältigen<br />
<strong>und</strong> sicheren Lebensmittelangebotes umzukehren,<br />
ist in hohem Maße erforderlich.<br />
Weiterführende Quellen:<br />
(1) Werner, A: Das Weißbuch zur Lebensmittelsicherheit,<br />
Teil 1: Einleitung, bmi aktuell<br />
1/2001<br />
(2) Werner, A: Das Weißbuch zur Lebensmittelsicherheit,Teil<br />
5: Auskunft <strong>–</strong> <strong>und</strong> Informationspflichten,<br />
bmi aktuell 1/2003<br />
(3) Werner, A: Das Weißbuch zur Lebensmittelsicherheit,<br />
Teil 4: Rückverfolgbarkeit<br />
von Rohstoffen, bmi aktuell 1/2002<br />
(4) Werner, A: Das Weißbuch zur Lebensmittelsicherheit,<br />
Teil 3: Rechtsvorschriften<br />
im Bereich Lebensmittelsicherheit, bmi<br />
aktuell 3/2001<br />
(5) Kniel, B: Die Bedeutung mittels Gentechnik<br />
gewonnener Zutaten für die Backwarenherstellung,<br />
bmi aktuell 1/2001.
Amin Werner<br />
Wer schützt den<br />
Mittelstand?<br />
Eine kritische Kommentierung von Rechtsanwalt<br />
Amin Werner, Geschäftsführer des<br />
Verbandes der Backmittel- <strong>und</strong> Backgr<strong>und</strong>stoffhersteller<br />
(BVB) e.V. (Bonn/Wien).<br />
Liest man den vorstehenden Beitrag mit<br />
der notwendigen Aufmerksamkeit, dann<br />
drängt sich einem zwangsweise die Frage<br />
auf: Wer schützt den Mittelstand vor einer<br />
überzogenen Gesetzgebung? Denn den Lebensmittelherstellern<br />
steht wie nie zuvor<br />
eine Fülle gravierender <strong>und</strong> einschneidender<br />
neuer Regelungen bevor. So etwa ...<br />
� die Rückverfolgbarkeit von Rohstoffen,<br />
� die Kennzeich<strong>nun</strong>g von Allergenen,<br />
� eine erweiterte Kennzeich<strong>nun</strong>g<br />
von losen Waren,<br />
� die Gentechnikkennzeich<strong>nun</strong>g<br />
<strong>und</strong> -rückverfolgbarkeit,<br />
� eine umfangreichere<br />
Nährwertkennzeich<strong>nun</strong>g,<br />
� die Einschränkung der<br />
ges<strong>und</strong>heitsbezogenen Werbung etc.<br />
Neben diesen lebensmittelrechtlichen Regelungen<br />
sind ferner auch wirtschaftsrechtliche<br />
Gesetzesvorhaben geplant, wie z.B. die<br />
Einführung einer Maut für LKW, Verschärfungen<br />
im Umwelt- <strong>und</strong> Wettbewerbsrecht<br />
sowie diverse Änderungen im Bereich des<br />
Steuer- <strong>und</strong> Sozialrechts. Darüber hinaus hat<br />
<strong>transparent</strong> 19<br />
das produzierende Gewerbe noch erheblich<br />
an den Wirkungen der unterschiedlichen<br />
Stufen der Ökosteuer zu leiden.<br />
Kostenargumente<br />
vom Tisch gefegt<br />
Die Einschätzung des Gesetzgebers, ob<br />
durch solche Vorschriften zusätzliche Kosten<br />
auf die Wirtschaft zukommen, fällt meistens<br />
negativ aus. Es ist bis heute nicht<br />
erkennbar, auf welcher Gr<strong>und</strong>lage die Vertreter<br />
der Exekutive diese Bewertungen<br />
vornehmen. Sobald seitens der Wirtschaft<br />
Kostenargumente in den Vordergr<strong>und</strong> gerückt<br />
werden, werden diese als „Standardargumente“<br />
beiseite geschoben. In der<br />
Praxis zeigt es sich aber, dass sich die zunehmende<br />
Flut neuer Vorschriften <strong>–</strong> <strong>und</strong> hier<br />
insbesondere die Verschärfungen von Vorschriften<br />
<strong>–</strong> zugunsten großer, international<br />
tätiger Konzerne auswirkt. Diese großen<br />
Unternehmen haben die Möglichkeiten,<br />
bestimmte Maßnahmen durchzuführen, wie<br />
z.B. die Rückverfolgbarkeit von Rohstoffen.<br />
Die in diesen Unternehmen meist bereits<br />
bestehenden Systeme müssen nur noch mit<br />
einem vergleichsweise geringen Aufwand den<br />
neuen Anforderungen angepasst werden.<br />
Die Ernährungswirtschaft, die zu ca. 85%<br />
aus mittelständischen Unternehmen besteht,<br />
muss hingegen mit größtem personellen <strong>und</strong><br />
sachlichem Aufwand die vorgegebenen Regelungen<br />
in die Praxis umsetzen. Dadurch verschlechtert<br />
sich aufgr<strong>und</strong> der geb<strong>und</strong>enen<br />
Mittel, die nicht in den Markt investiert werden<br />
können, die Wettbewerbsfähigkeit von<br />
mittelständischen Lebensmittelherstellern.<br />
Zum Teil gehen sogar die geplanten Rechtsvorschriften<br />
an der Machbarkeit <strong>und</strong> Umsetzbarkeit<br />
völlig vorbei. Legislative <strong>und</strong> Exekutive<br />
greifen so unmittelbar in den Wettbewerb<br />
ein <strong>und</strong> verschlechtern mittelbar die
Wettbewerbsfähigkeit des Mittelstandes zugunsten<br />
großer internationaler Konzerne.<br />
Es kommt nicht von ungefähr, dass der<br />
Mittelstand als Hauptarbeitgeber <strong>und</strong> Steuerzahler<br />
zunehmend in Probleme gerät <strong>und</strong> seine<br />
Kostenstrukturen zu Lasten von Arbeitsplatzsicherungsmaßnahmen<br />
<strong>und</strong> <strong>Neue</strong>instellungen<br />
durchführt. In der Rationalisierung,<br />
aber auch Fusionierung von Unternehmensabläufen<br />
<strong>und</strong> gesamten Unternehmen sehen<br />
viele Unternehmer die einzige Möglichkeit, die<br />
kritische Größe zu erreichen, die erforderlich<br />
ist, um den neuen gesetzlichen Anforderungen<br />
gewachsen zu sein <strong>und</strong> noch wettbewerbsfähig<br />
zu bleiben. Dass sich dies auch fiskalisch<br />
für den Staat auswirkt, ist selbstverständlich.<br />
Politik <strong>und</strong> Verwaltung als<br />
Totengräber des Mittelstands?<br />
Ohne es zu wollen, ist auch die Verwaltung<br />
bei der Umsetzung der von der Politik<br />
vorgegebenen Richtlinien auf dem Weg, den<br />
Mittelstand nachhaltig zu schwächen. Es muss<br />
daher dringend gefordert werden, dass bei<br />
der Entwicklung neuer Verord<strong>nun</strong>gen <strong>und</strong><br />
Gesetze seitens der Politik nicht nur Technikfolgenabschätzungsstudien,<br />
sondern regelmäßig<br />
auch volkswirtschaftliche Abschätzungsstudien<br />
in Auftrag gegeben werden. Ein weiteres<br />
Zeichen dafür, dass der Mittelstand von<br />
der Politik mehr <strong>und</strong> mehr vernachlässigt<br />
wird, ist die Tatsache, dass mit umfangreichen<br />
Steuermitteln Institutionen unterstützt werden,<br />
die mit ihren Forderungskatalogen der<br />
Politik <strong>und</strong> Verwaltung zuspielen <strong>und</strong> die unsägliche<br />
Kettenreaktionen zu Ungunsten der<br />
Volkswirtschaft auslösen. Alleine die Europäische<br />
Union hat zwischen 1999 <strong>und</strong> 2003 jährlich<br />
über 20 Millionen Euro für Verbrau-<br />
„Wieso werden nicht<br />
größte Anstrengungen<br />
unternommen,<br />
die wirtschaftlichen<br />
Folgen von<br />
Verord<strong>nun</strong>gen<br />
<strong>und</strong> Gesetzen für<br />
den Motor der<br />
Volkswirtschaft<br />
zu überprüfen?“<br />
cherschutz- <strong>und</strong> -organisationen bereitgestellt.<br />
Die Mittel, die innerhalb Deutschlands für vergleichbare<br />
Organisationen aufgebracht werden,<br />
dürften um ein Vielfaches höher liegen.<br />
Wer aber unterstützt den Mittelstand?<br />
Wieso werden nicht größte Anstrengungen<br />
unternommen, die wirtschaftlichen Folgen<br />
von Verord<strong>nun</strong>gen <strong>und</strong> Gesetzen für den<br />
Motor der Volkswirtschaft zu überprüfen?<br />
Eine Fülle der bereits bestehenden gesetzlichen<br />
Regelungen sind überflüssig, werden an<br />
den Bedürfnissen des Verbraucherschutzes<br />
<strong>und</strong> der Konjunkturpolitik vorbei formuliert<br />
<strong>und</strong> dienen nur kurzfristigen politischen<br />
<strong>und</strong> Öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten,<br />
die aber keine nachhaltige positive Wirkung<br />
für die gesamte Volkswirtschaft haben.<br />
Erheblicher Mehraufwand für<br />
die Lebensmittelüberwachung<br />
Alle lebensmittelrechtlichen Vorschriften,<br />
die noch zur Verabschiedung anstehen, bedeuten<br />
einen erheblichen Mehraufwand für<br />
die Lebensmittelüberwachung. Gleichzeitig<br />
werden jedoch zunehmend Stellen in der<br />
Verwaltung gestrichen.<br />
Würde jede einzelne legislative <strong>und</strong> exekutive<br />
Maßnahme im Vorfeld ihrer Verabschiedung<br />
auf ihre Verhältnismäßigkeit hin<br />
überprüft, könnte eine Vielzahl von Vorschriften<br />
unterbleiben bzw. aufgehoben werden,<br />
ohne dass die Lebensmittelsicherheit <strong>und</strong> der<br />
Verbraucherschutz darunter zu leiden hätten;<br />
gleichzeitig würde damit aber ein klares konjunkturpolitisches<br />
<strong>und</strong> somit positives Zeichen<br />
für die Volkswirtschaft gesetzt werden.
Chemikalienbewertung<br />
dern dass es von der Expositionshöhe<br />
abhängt, ob eine Erkrankung mit der Chemikalie<br />
in Zusammenhang gebracht werden<br />
kann. Dieser Zusammenhang zwischen gefährlichen<br />
Eigenschaften, der Dosis-Wirkungsbeziehung<br />
<strong>und</strong> der Expositionshöhe<br />
ist tierexperimentell <strong>und</strong> durch Erfahrung<br />
vor allem an Personen, die an Arbeitsplätzen<br />
oder bei akuten Vergiftungen exponiert<br />
waren, international akzeptiert, in den<br />
deutschen <strong>und</strong> ausländischen Lehrbüchern<br />
ausführlich beschrieben <strong>und</strong> z.B. in den<br />
Technical Guidance Documents der Europäischen<br />
Kommission (European Commission<br />
1996) für die Risikoabschätzung von<br />
Chemikalien bindend festgelegt.<br />
Von besonderer Bedeutung für die Bewertung,<br />
ob eine ges<strong>und</strong>heitsgefährliche Belastung<br />
vorliegt, ist die Bestimmung von Chemikalien<br />
oder ihrer Stoffwechselprodukte im<br />
Körper, z. B. im Fett, Blut oder Urin. Diese als<br />
Biomonitoring bezeichneten Untersuchungen<br />
erlauben es, die „innere Belastung“ durch<br />
<strong>transparent</strong> 21<br />
Wie viel Sicherheitsabstand<br />
braucht der Mensch?<br />
Die Dosis macht das Gift <strong>–</strong> ein altbekannter Gr<strong>und</strong>satz. Aber ab wann wird es wirklich<br />
gefährlich <strong>und</strong> wo liegt die Schwelle für eine schleichende, weil langfristige Gefährdung?<br />
Professor Dr. Helmut Greim, Direktor des Instituts für Toxikologie <strong>und</strong> Umwelthygiene<br />
der Technischen Universität München, beschäftigte sich auf einer Klausur der<br />
Arbeitsgemeinschaft PVC <strong>und</strong> Umwelt (AgPU) <strong>und</strong> des Verbandes der Kunststofferzeugenden<br />
Industrie (VKE) in Celle mit den Gr<strong>und</strong>lagen der Bewertung einer<br />
Ges<strong>und</strong>heitsgefährlichkeit von Chemikalien <strong>und</strong> der Festlegung von Grenzwerten.<br />
Das Gr<strong>und</strong>konzept<br />
Die Bewertung der ges<strong>und</strong>heitsgefährlichen<br />
Eigenschaften von Chemikalien basiert<br />
auf den folgenden Informationen:<br />
1. Kenntnis der gefährlichen Stoffeigenschaften,<br />
d.h. welche Krankheitssymptome durch<br />
einen Stoff ausgelöst werden können.<br />
2. Dosis-Wirkungsbeziehung mit der Information,<br />
bei welcher Expositionshöhe die Wirkungen<br />
nicht vorhanden sind bzw. auftreten.<br />
3. Expositionsabschätzung, d.h. Konzentration<br />
des Stoffes in den Expositionswegen wie<br />
Luft,Trink<strong>was</strong>ser oder Nahrungsmittel als sog.<br />
äußere Exposition sowie Konzentrationen<br />
im Blut oder Urin als innere Exposition.<br />
4. Risikobeschreibung, bei der die Informationen<br />
über die gefährlichen Stoffeigenschaften,<br />
die Dosis-Wirkungsbeziehung <strong>und</strong> die Expositionshöhe<br />
in Beziehung gesetzt werden.<br />
Daraus ist ersichtlich, dass nicht allein<br />
schon das Vorhandensein einer Chemikalie<br />
eine Ges<strong>und</strong>heitsgefährdung darstellt, son-<br />
eine Substanz bei einzelnen Personen festzustellen.<br />
Erst anhand solcher Untersuchungen<br />
kann festgestellt werden, ob in der Luft, in<br />
Nahrungsmitteln oder im Hausstaub nachgewiesene<br />
Substanzen auch tatsächlich zu einer<br />
Belastung der betroffenen Personen führen.<br />
Festlegung von Grenzwerten<br />
Substanzwirkungen sind generell dosisabhängig.<br />
Für viele Wirkungen lässt sich eine<br />
Dosis ermitteln, unterhalb der keine Effekte<br />
auftreten (Abb. 1). Oberhalb dieser so genannten<br />
Wirkungsschwelle nimmt die Wirkung<br />
dosisabhängig zu. Die Festlegung der<br />
Wirkungsschwelle wird von der Empfindlichkeit<br />
der verwendeten Untersuchungsmethode<br />
bestimmt, daher bezeichnet man die<br />
Schwellendosis auch als Dosis ohne erkennbare<br />
Wirkung, d.h. no observed effect level<br />
(NOEL). Der NOEL muss die empfindlichste<br />
Versuchstierspezies <strong>und</strong> das empfindlichste<br />
Organ berücksichtigen <strong>und</strong> mit Methoden,
Wie viel Sicherheitsabstand<br />
braucht der Mensch?<br />
die dem wissenschaftlichen Erkenntnisstand<br />
entsprechen, erarbeitet worden sein. Je umfassender<br />
der Erkenntnisstand über eine<br />
Substanz ist, desto sicherer sind der NOEL<br />
<strong>und</strong> damit ein Grenzwert, der davon abgeleitet<br />
worden ist (siehe z.B. Greim 1996).<br />
Für die Festlegung von Grenzwerten z.B.<br />
für Chemikalien in Lebensmitteln wird zunächst<br />
vom NOEL die „Duldbare Tägliche Aufnahme“<br />
(DTA), im Englischen als Acceptable<br />
Daily Intake (ADI) bezeichnet, unter Berücksichtigung<br />
eines Sicherheitsfaktors errechnet<br />
(Abb. 2). Die DTA bezeichnet diejenige Menge<br />
eines Stoffes, die ein Mensch unter Berücksichtigung<br />
seines Körpergewichts täglich<br />
<strong>und</strong> lebenslang ohne erkennbares Risiko auf-<br />
Wirkung<br />
Grenzwert NOEL<br />
Sicherheitsfaktor Dosis<br />
nehmen kann. Die Höhe des Sicherheitsabstandes<br />
richtet sich nach der biologischen<br />
Bedeutung der toxischen Wirkungen <strong>und</strong><br />
nach dem Umfang der Kenntnisse über die<br />
Substanz. Je mehr die Dosis-Wirkungsbeziehungen,<br />
Wirkungsmechanismen <strong>und</strong> Toxikokinetik,<br />
d.h. Aufnahme der Substanz in den<br />
Organismus,Verteilung, Abbau <strong>und</strong> Ausscheidung<br />
bei Tier <strong>und</strong> Mensch übereinstimmen,<br />
desto geringer kann der Sicherheitsabstand<br />
zwischen NOEL <strong>und</strong> DTA angesetzt werden.<br />
In den meisten Fällen stehen jedoch keine<br />
oder nur unzureichende Informationen z.B.<br />
über Wirkung <strong>und</strong> Toxikokinetik beim Menschen<br />
zur Verfügung, insbesondere, wenn es<br />
sich um neue Stoffe handelt, bei denen noch<br />
Abb. 1: Dosis-Wirkungsbeziehung,<br />
No Observed Effect Level (NOEL) <strong>und</strong> Grenzwerte<br />
keine Erfahrungen beim Menschen vorliegen.<br />
Unter diesen Bedingungen wird im Allgemeinen<br />
ein Sicherheitsfaktor von 100 angewendet.<br />
Er beruht auf der Annahme, dass der<br />
Mensch auf den Stoff bis zu 10 mal empfindlicher<br />
reagieren kann als die Versuchstierspezies,<br />
an welcher der NOEL festgestellt wurde,<br />
<strong>und</strong> dass die Empfindlichkeit innerhalb<br />
der menschlichen Population um den Faktor<br />
10 variiert (Renwick <strong>und</strong> Lazarus 1998).<br />
Die so ermittelte DTA eines Stoffes wird<br />
anteilig auf die Nahrungsmittel verteilt, die<br />
mit dem Stoff kontaminiert sein können.<br />
Die Festsetzung der Grenzwerte für die<br />
einzelnen Nahrungsmittel orientiert sich<br />
an den Verzehrgewohnheiten der Bevölkerung,<br />
d.h. es werden die durch regelmäßige<br />
Warenkorbanalysen ermittelten täglich<br />
gegessenen Mengen der Nahrungsmittel<br />
berücksichtigt. Bei den Chemikalien, für die<br />
Grenzwerte in Nahrungsmitteln festgelegt<br />
werden, handelt es sich um Zusatzstoffe,<br />
Rückstände oder Verunreinigungen.<br />
Ein Höchstmaß<br />
an Sicherheit<br />
Die Grenzwerte für Trink<strong>was</strong>ser werden<br />
nicht nach toxikologischen Kriterien<br />
abgeleitet, sondern entsprechen der Forderung,<br />
dass im Trink<strong>was</strong>ser keinerlei Verunreinigungen<br />
enthalten sein sollen. Bis auf<br />
wenige Ausnahmen orientieren sie sich<br />
daher an der analytischen Nachweisgrenze,<br />
so dass diese Grenzwerte einen großen<br />
Abstand zu toxikologisch relevanten
„Unsere Nahrungsmittel bieten hinsichtlich schädlicher Stoffe<br />
ein Höchstmaß an Sicherheit, <strong>und</strong> es stellt sich die Frage,<br />
ob man sich durch die Bevorzugung von Produkten z.B. aus dem<br />
alternativen Landbau tatsächlich gesünder ernährt.“<br />
<strong>transparent</strong> 23<br />
Professor Helmut Greim
Wie viel Sicherheitsabstand<br />
braucht der Mensch?<br />
Konzentrationen aufweisen. So beträgt der<br />
Grenzwert für Atrazin 0,1 µg/Liter, die<br />
DTA 0,7 µg/kg Körpergewicht, das heißt 49<br />
µg pro 70 kg schwerer Erwachsener.<br />
Die Grenzwerte (Höchstmengen für Zusatzstoffe<br />
<strong>und</strong> Rückstände, Richtwerte für<br />
Verunreinigungen, Grenzwerte für Trink<strong>was</strong>ser)<br />
werden veröffentlicht <strong>und</strong> die zuständigen<br />
Untersuchungsämter müssen durch<br />
regelmäßige Kontrollen überprüfen, ob die<br />
Werte eingehalten werden. So teilte kürzlich<br />
das BgVV mit, dass im Jahre 2002 bei 1,5%<br />
der untersuchten Proben die Höchstmengen<br />
überschritten waren. Damit bieten unsere<br />
Nahrungsmittel hinsichtlich schädlicher Stoffe<br />
ein Höchstmaß an Sicherheit, <strong>und</strong> es stellt<br />
sich die Frage, ob man sich durch die Bevorzugung<br />
von Produkten z.B. aus dem alternativen<br />
Landbau tatsächlich gesünder ernährt.<br />
Orientierung an den<br />
Verzehrgewohnheiten<br />
Für sensibilisierende Stoffe, also Stoffe,<br />
die eine Allergie auslösen, krebserzeugende<br />
oder erbgutverändernde Stoffe lassen sich<br />
im Allgemeinen keine unwirksamen Mengen<br />
ermitteln <strong>und</strong> damit auch keine Grenzwerte<br />
festlegen. Solche Stoffe werden<br />
daher entweder für eine Verwendung in<br />
Nahrungsmitteln nicht zugelassen oder,<br />
wenn es sich um bereits vorhandene <strong>und</strong><br />
nicht vermeidbare Stoffe handelt, entsprechend<br />
gekennzeichnet. Eine früher erteilte<br />
Zulassung wird widerrufen, wenn diese Eigenschaften<br />
erst später erkannt werden.<br />
Aus der Vorgehensweise bei der Festlegung<br />
von Grenzwerten <strong>und</strong> ihrer Überwachung<br />
ergeben sich mehrere Konsequenzen.<br />
Die als „Duldbare Tägliche Aufnahme“ errechnete<br />
Menge einer Substanz wird auf die, den<br />
üblichen Verzehrgewohnheiten der Bevölkerung<br />
entsprechenden Nahrungsmittel <strong>und</strong><br />
ihrer üblicherweise täglich aufgenommenen<br />
Menge verteilt. Daraus ergibt sich, dass die<br />
Überschreitung des Grenzwertes einer Substanz<br />
in einem Nahrungsmittel bei geringer<br />
Konzentration in den übrigen kein ges<strong>und</strong>heitliches<br />
Problem darstellt. Dagegen kann<br />
bei sehr einseitiger Ernährung eine Überschreitung<br />
in dem bevorzugten Nahrungsmittel<br />
durchaus zu einer Überschreitung der<br />
DTA-Menge führen. Es ist also wenig sinn-<br />
Tierexperiment<br />
NOEL<br />
voll, sich einseitig zu ernähren, sondern man<br />
sollte sich an den üblichen Verzehrgewohnheiten<br />
der Bevölkerung orientieren.<br />
Die Untersuchungsämter sind gehalten,<br />
die Einhaltung der festgesetzten Grenzwerte<br />
zu überprüfen. Stoffe, die nicht geregelt sind,<br />
werden nur überprüft, wenn sich aufgr<strong>und</strong><br />
von Zufallsbef<strong>und</strong>en oder dedektivischer Aktivitäten<br />
des Amtes oder anderer analytischen<br />
Labors Hinweise auf eine Kontamination bestimmter<br />
Nahrungsmittel ergeben.<br />
Diethylenglykol ist bekanntlich ein Frostschutzmittel.<br />
Vor einigen Jahren wurde es<br />
zufällig in einigen Weinen gef<strong>und</strong>en, denen es<br />
wegen seines süßen Geschmacks bis zu 10<br />
ml/L zugesetzt worden war, die meisten enthielten<br />
weniger als 1 ml/L.<br />
Faktor 100 Faktor 10<br />
DTA<br />
Abb. 2:Ableitung von Grenzwerten in Luft,<br />
Nahrungsmitteln <strong>und</strong> Trink<strong>was</strong>ser<br />
Erfahrung Mensch<br />
NOEL<br />
Trink<strong>was</strong>ser Nahrungsmittel Luft (10m 3 /Tag)
„Sozioökonomische oder<br />
gesellschaftspolitische<br />
Gesichtspunkte unterliegen<br />
anderen Kriterien <strong>und</strong><br />
gehören in den Bereich des<br />
Risikomanagements.“<br />
Ermittlung des Risikos<br />
einer Exposition<br />
Das Risiko beschreibt die Wahrscheinlichkeit<br />
des Eintritts eines Schadens bei<br />
einer gegebenen Exposition. Die Risikoermittlung<br />
ist die quantitative Bestimmung der<br />
möglichen Ges<strong>und</strong>heitsgefährdung durch<br />
einen Stoff oder eines Stoffgemisches in<br />
Abhängigkeit von Wirkungsintensität, Expositionsdauer<br />
<strong>und</strong> Expositionshöhe.<br />
Für die Abschätzung des ges<strong>und</strong>heitlichen<br />
Risikos einer Exposition wird die Exposition<br />
mit dem NOEL verglichen, um den Abstand<br />
zwischen Exposition <strong>und</strong> dem NOEL oder<br />
soweit vorhanden dem entsprechenden<br />
Grenzwert festzustellen. Je größer der Abstand<br />
zwischen dem aus Tierversuchen ermittelten<br />
NOEL oder einem Grenzwert <strong>und</strong><br />
der Exposition ist, desto unwahrscheinlicher<br />
ist ein Zusammenhang zwischen Exposition<br />
<strong>und</strong> dem Auftreten einer ges<strong>und</strong>heitlichen<br />
Störung. Im allgemeinen wird davon ausgegangen,<br />
dass bei einem Sicherheitsabstand<br />
(MOS: Margin of Safety) von 100 zwischen<br />
NOEL <strong>und</strong> Exposition auch unter der Voraussetzung,<br />
dass innerhalb der Bevölkerung<br />
unterschiedliche Empfindlichkeiten bestehen,<br />
keine Wirkung zu erwarten ist. Dieser<br />
Sicherheitsabstand wird auch zur Festlegung<br />
des ADI-Wertes (Acceptable Daily Intake)<br />
herangezogen, von dem wiederum z.B.<br />
Höchstmengen von Pflanzenschutzmitteln in<br />
Nahrungsmitteln abgeleitet werden.<br />
Obwohl im Falle von Diethylenglykol eine<br />
Qualitätsverbesserung von Weinen natürlich<br />
nicht zulässig ist, waren Ges<strong>und</strong>heitsschäden<br />
nicht zu befürchten. Chronische Intoxikationen<br />
beim Menschen sind nicht bekannt, die<br />
akut toxische Dosis liegt bei 1 ml/kg Körpergewicht<br />
(KG) <strong>und</strong> führt zu akuten Störungen<br />
der Nierenfunktion. Bei einem 70 kg schweren<br />
Erwachsenen sind dies 70 ml, die in 70 L<br />
eines mit 1 ml/L kontaminierten Weines enthalten<br />
sind. Der Sicherheitsabstand (MOS:<br />
Margin of Safety) ist also relativ groß.<br />
Die Risikoabschätzung für krebserzeugende<br />
Substanzen, die über einen genotoxischen<br />
Mechanismus wirken, ist sehr viel<br />
schwieriger, da für solche Wirkungen kein<br />
NOEL abgeleitet werden kann. Hier muss linear<br />
von den zumeist sehr hohen, im Tierversuch<br />
verwendeten Dosen oder der abgeschätzten<br />
Exposition bei epidemiologischen Studien auf<br />
die zu bewertende Exposition extrapoliert werden.<br />
Das so ermittelte Risiko einer Exposition<br />
lässt sich mit anderen Risiken vergleichen.<br />
Eine andere Vorgehensweise ist die Identifizierung<br />
des im Tierversuch ermittelten<br />
NOEL der krebserzeugenden Wirkung, um<br />
dann den Abstand zur gegebenen Exposition<br />
zu betrachten. Hohe Sicherheitsabstände<br />
von 1000 oder 10.000 oder mehr werden<br />
häufig als tolerabel angesehen.<br />
Bestimmte Nahrungsmittel, insbesondere<br />
aus Kartoffeln hergestellte frittierte Produkte<br />
wie Chips oder Pommes frites, enthalten<br />
bis zu 3000 µg Acrylamid/kg. Die Substanz ist<br />
mutagen <strong>und</strong> kanzerogen <strong>und</strong> damit in Nahrungsmitteln<br />
nicht zulässig. Es entsteht durch<br />
Erhitzen dieser stärkehaltigen Produkte <strong>und</strong><br />
ist daher gegenwärtig nicht zu vermeiden.<br />
Die Konzentrationsangaben für die einzelnen<br />
Nahrungsmittel sind unterschiedlich. Die<br />
durchschnittliche Belastung der Bevölkerung<br />
<strong>transparent</strong> 25<br />
beträgt ca. 1 µg/kg. Im Tierversuch haben 1<br />
mg/kg Körpergewicht gerade noch Tumoren<br />
erzeugt, deren Häufigkeit mit ansteigender<br />
Dosis zunimmt. Der Abstand zwischen Exposition<br />
<strong>und</strong> einsetzender Wirkung hat damit<br />
einen Faktor von 1000. Oder konkreter: eine<br />
60 kg schwere Person müsste täglich 60 kg<br />
eines Produktes mit 1000 µg Acrylamid/kg<br />
essen, um die Menge aufzunehmen, die im<br />
Tierversuch noch Tumoren erzeugt.<br />
Eine Risikoabschätzung lässt sich auch<br />
durch Vergleich einer gegebenen Exposition<br />
mit der sog. Hintergr<strong>und</strong>belastung d.h. der<br />
üblichen Belastung der Bevölkerung gegenüber<br />
einem Stoff vornehmen. Herangezogen<br />
werden z.B. die üblicherweise vorhandenen<br />
Konzentrationen eines Stoffes in einem Umweltmedium<br />
wie Umgebungsluft, Luft in Innenräumen,<br />
im Boden, Hausstaub oder die durch<br />
Biomonitoring ermittelten sog. Referenzwerte,<br />
die einen Hinweis auf die übliche Exposition<br />
der Bevölkerung geben. Bei Überschreitungen<br />
solcher Werte ist eine Abschätzung<br />
des ges<strong>und</strong>heitlichen Risikos vorzunehmen.<br />
Ermittlung des Risikos<br />
versus Risikomanagement<br />
Die Charakterisierung des Risikos einer<br />
Exposition gegenüber Chemikalien, Strahlen,<br />
Nahrungsmitteln oder Mikroorganismen wird<br />
durch naturwissenschaftliche Kriterien bestimmt.<br />
Sozioökonomische oder gesellschaftspolitische<br />
Gesichtspunkte sowie regulatorische<br />
Konsequenzen sollten dabei nicht berücksichtigt<br />
werden. Sie unterliegen anderen Kriterien<br />
<strong>und</strong> gehören in den Bereich des Risikomanagements.<br />
Diese Differenzierung zwischen<br />
Risikocharakterisierung <strong>und</strong> Risikomanagement<br />
wird auch im so genannten von<br />
Wedel-Gutachten gefordert, das eine Empfehlung<br />
des Rates der Sachverständigen für<br />
Umweltfragen aufgreift, der bereits 1996
Wie viel Sicherheitsabstand<br />
braucht der Mensch?<br />
eine Tren<strong>nun</strong>g der von naturwissenschaftlichen<br />
Kriterien bestimmten Aufgaben der<br />
Risikobewertung <strong>und</strong> denen des Risikomanagements<br />
gefordert hatte (SRU 1996).<br />
Vorschläge zur Festlegung von Grenzwerten<br />
oder ges<strong>und</strong>heitliche Bewertungen bestimmter<br />
Expositionen können sowohl von<br />
der Industrie, Universitäten, Forschungsinstituten,<br />
einzelnen Sachverständigen oder auch<br />
von staatlicher Seite erbracht werden. Wegen<br />
der unterschiedlichen Interesseanlagen<br />
z.B. von Industrie <strong>und</strong> Behörden sind Differenzen<br />
in der Bewertung der Datenlage <strong>und</strong><br />
der sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen<br />
unvermeidlich. Daher werden häufig<br />
Gremien aus unabhängigen Sachverständigen<br />
mit der Erarbeitung entsprechender Vorschläge<br />
beauftragt. Der Vorteil von ad personam<br />
berufenen <strong>und</strong> multidisziplinär zusammen<br />
gesetzten Gremien besteht darin, dass<br />
eine wissenschaftliche Diskussion unter Experten<br />
verschiedener Fachrichtungen geführt<br />
werden kann. So genannte Consultants oder<br />
Auftragsinstitute bieten diese Voraussetzungen<br />
weniger, <strong>und</strong> sie sind allein schon wegen<br />
ihrer finanziellen Abhängigkeit vom jeweiligen<br />
Auftraggeber abhängig. Daher wurden<br />
z.B. für die Bewertung ges<strong>und</strong>heitsschädlicher<br />
Arbeitsstoffe, von Pflanzenschutzmitteln<br />
oder Arzneimitteln Gremien unabhängiger<br />
Wissenschaftler (Arbeitsstoffkommission,<br />
auch MAK-Kommission genannt, Beratergremium<br />
für Altstoffe, Sachverständigen-Ausschuss<br />
für Pflanzenschutzmittel, Arzneimittelkommission)<br />
eingerichtet, welche die Bewertung<br />
der Datenlage vornehmen <strong>und</strong> ggf.<br />
Regulierungsvorschläge erarbeiten. Die strikte<br />
Tren<strong>nun</strong>g zwischen Ermittlung des Risikos<br />
<strong>und</strong> Risikomanagement stellt an die Disziplin<br />
der jeweils Beteiligten nicht immer bequeme<br />
Anforderungen. So sollten sich die Risikoermittler<br />
nicht darüber beklagen, wenn<br />
das Risikomanagement zu anderen Folgerungen<br />
kommt als vorgeschlagen.Voraussetzung<br />
ist dabei jedoch, dass die abweichende<br />
Entscheidung auf anderen als naturwissenschaftlichen<br />
Kriterien wie sozioökonomische<br />
Gesichtspunkte beruht. Andererseits sollte<br />
heftig protestiert werden, wenn das Risikomanagement<br />
die naturwissenschaftlich<br />
basierten Vorschläge bewusst oder unbewusst<br />
anders interpretiert <strong>und</strong> unter Berufung auf<br />
die Risikoermittler zu Entscheidungen kommt,<br />
die weder durch die Vorschläge abgedeckt<br />
sind noch sich daraus ableiten lassen.<br />
Zusammenfassung<br />
Die Festlegung zulässiger Konzentrationen<br />
von Chemikalien oder die Risikoabschätzung<br />
einer Exposition erfordert eine<br />
ausreichende Datenbasis. Daher schreiben<br />
Gesetze wie das Lebensmittel- <strong>und</strong> Bedarfsgegenständegesetz,<br />
das B<strong>und</strong>esimmissionsschutzgesetz<br />
oder das neue europäische<br />
Chemikaliengesetz vor, für die Zulassung<br />
oder das „in den Verkehr bringen“ Informationen<br />
über die toxischen Eigenschaften der<br />
Stoffe vorzulegen. Anhand dieser Informationen<br />
kann das ges<strong>und</strong>heitliche Risiko der<br />
gegebenen Expositionen bestimmt <strong>und</strong> Vorschläge<br />
zur Regulierung erarbeiten werden<br />
wie Verbot oder eingeschränkte Verwendung<br />
von Stoffen oder Kennzeich<strong>nun</strong>g, um<br />
auf die gefährlichen Eigenschaften aufmerksam<br />
zu machen. Zu beachten ist dabei, dass<br />
die Bewertung der Datenlage <strong>und</strong> die Risikocharakterisierung<br />
nach naturwissenschaftlichen<br />
Kriterien erfolgt, während bei<br />
der Erarbeitung von Regulierungsvorschlägen<br />
auch andere Aspekte wie sozioökonomische<br />
Gesichtspunkte berücksichtigt<br />
werden können. Daher ist zwischen<br />
Risikocharakterisierung <strong>und</strong> dem sog. Risikomanagement<br />
zu unterscheiden.<br />
Literatur<br />
Europäische Kommission, European Commission:<br />
Technical Guidance Document for<br />
Risk Assessment of Existing Substances<br />
European Commission. 1996<br />
Greim H: Grenzwerte. In: Greim H. <strong>und</strong><br />
Deml E. Toxikologie. Eine Einführung für<br />
Naturwissenschaftler <strong>und</strong> Mediziner. Seiten<br />
396-409.Verlag Chemie,Weinheim 1996<br />
Renwick AG, Lazarus NR: Human variability<br />
and noncancer risk assessment <strong>–</strong> an analysis<br />
of the default uncertainty factor. Regulatory<br />
Toxicol Pharmacol 27, 3-20, 1998<br />
SRU (Der Rat von Sachverständigen für<br />
Umweltfragen): Umweltgutachten 1996: Modell<br />
eines Verfahrens zur Festlegung von<br />
Umweltstandards, Tz. 865ff. Metzler-Poeschel<br />
Verlag, Stuttgart 1996
Management<br />
Gesetzesverstöße, zum anderen aber um all<br />
die Machenschaften, die sich eher in einer<br />
Grauzone bewegen. Zunächst zu den Gesetzesverstößen.<br />
Aufgeschreckt haben vor<br />
allem die ganz groben Fälle.Wie der Fall des<br />
Bodo Schnabel <strong>und</strong> seiner am <strong>Neue</strong>n Markt<br />
notierten Firma Comroad. Schnabel wies mit<br />
Hilfe einer Briefkastenfirma in Hongkong<br />
Umsätze aus, die es nie gegeben hat.<br />
In diesen Komplex gehört aber auch<br />
Korruption, soweit sie strafbar ist. Kein<br />
gering zu schätzendes Delikt. Die Zahl der<br />
Korruptionsverfahren hat sich laut B<strong>und</strong>eskriminalamt<br />
seit Mitte der 1990-er Jahre<br />
verfünffacht. In diese Rubrik gehören ebenso<br />
die Kartellvergehen, die nicht wenigen<br />
unserer Topmanager als lässliche, quasi<br />
betriebsnotwendige Sünden erscheinen.<br />
Große Namen wie Hoffmann LaRoche oder<br />
BASF sind in den letzten Jahren in solche<br />
Verfahren verwickelt gewesen.<br />
Man muss sich immer darüber im Klaren<br />
sein, <strong>was</strong> ein Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht<br />
tatsächlich bedeutet. Letztendlich<br />
geht es darum, dem K<strong>und</strong>en, den<br />
man in Festvorträgen immer so gern aufs<br />
<strong>transparent</strong> 27<br />
„Zwischen Markt <strong>und</strong> Moral“<br />
Haben Manager kein Gewissen oder kommt es ihnen schlichtweg beim Aufstieg in der<br />
Hierarchie der Unternehmenswelt abhanden? Derzeit erscheint das Vertrauen<br />
in die Moral der Wirtschaftseliten jedenfalls tief erschüttert. Dr. Wolfgang Kaden,<br />
langjähriger Chefredakteur bei „Spiegel“ <strong>und</strong> „manager magazin“, startete im Rahmen<br />
einer Klausur der Arbeitsgemeinschaft PVC <strong>und</strong> Umwelt (AgPU) im bayerischen<br />
Kloster Seeon zu einem kritischen Parforceritt durch deutsche wie internationale<br />
Führungsetagen. Sein Fazit: Die Lage ist ernst, aber nicht völlig hoff<strong>nun</strong>gslos.<br />
Noch nie seit dem Ende des Zweiten<br />
Weltkriegs war das Vertrauen in die Wirtschaftseliten<br />
so erschüttert wie derzeit.<br />
Analysten, Banker, Vorstandsvorsitzende,<br />
Aufsichtsräte <strong>–</strong> sie alle erscheinen nicht<br />
wenigen Zeitgenossen wie eine Horde von<br />
Halb- oder Vollzeit-Kriminellen.<br />
Die Wettbewerbsgesellschaft, so der verbreitete<br />
Eindruck, ist inzwischen zur Raffgesellschaft<br />
verkommen, die keine <strong>Regeln</strong> beim<br />
Ausleben des Erwerbstriebs mehr kennt.<br />
„Ganz natürliche zivilisatorische Grenzen“<br />
seien in der jüngeren Vergangenheit verloren<br />
gegangen, sagte unlängst der deutsche<br />
Gesellschaftsrechtler Marcus Lutter. Und<br />
diese Grenzmarkierungen sind nicht nur in<br />
den USA weit überschritten worden, wie<br />
deutsche Vorstände gern kolportieren, sondern<br />
auch hier zu Lande.<br />
KuK <strong>–</strong> Korruption<br />
<strong>und</strong> Kartellvergehen<br />
Grob gesprochen geht es bei den vermeintlichen<br />
oder tatsächlichen Verstößen um<br />
zwei große Blöcke. Zum einen um echte<br />
Schild hebt, mehr Geld abzunehmen als<br />
dies bei einem nach den <strong>Regeln</strong> funktionierenden<br />
Markt möglich wäre. Der Gesetzesverstoß<br />
sorgt mithin für eine Umverteilung<br />
zu Lasten des Endverbrauchers. Eine<br />
elegante Form der Räuberei.<br />
Nichts anderes stellt auch die Bestechung<br />
dar.Wer besticht, der sichert sich einen Auftrag.<br />
Das gelingt ihm im Zweifel nicht, weil<br />
er das bessere Produkt anbietet, sondern<br />
weil er sich die besseren Kontakte erkauft.<br />
Der Markt wird somit ausgeschaltet. Zugegeben:<br />
Betrug (wie im Fall Comroad), Kartellverstöße,<br />
Korruption von Amtsträgern <strong>–</strong><br />
das hat es immer schon gegeben. Bemerkenswert<br />
erscheint nur, dass die Zahl solcher<br />
kriminellen Vergehen zugenommen hat.<br />
Expedition in die Grauzone<br />
Viel aufregender ist all das, <strong>was</strong> sich im<br />
sogenannten Graubereich abspielt <strong>–</strong> also dort,<br />
wo fragwürdige Handlungen nicht durch das<br />
Strafgesetz oder das Kartellrecht erfasst<br />
werden. Dies gilt beispielsweise für zwei<br />
aktuelle Fälle, zugleich die schlimmsten Plei-
„Zwischen Markt <strong>und</strong> Moral“<br />
ten, die der Kapitalismus bisher erlebt hat,<br />
nämlich der Breakdown des Strombrokers<br />
Enron <strong>und</strong> der der Telefonfirma Worldcom.<br />
Beide Firmen sind an milliardenschwerer<br />
Überschuldung zugr<strong>und</strong>e gegangen. Betroffen<br />
waren neben den Banken <strong>und</strong> anderen<br />
Geldgebern auch viele Mitarbeiter, die plötzlich<br />
nicht nur ohne Job dastanden, sondern<br />
auch ohne ihre gesparten Dollars fürs Alter.<br />
Das Geld hatten sie nämlich vielfach in Aktien<br />
der eigenen Firma gesteckt, auf eindringliches<br />
Anraten der Unternehmensleitung!<br />
In beiden Fällen <strong>–</strong> bei Enron wie bei Worldcom<br />
<strong>–</strong> war der Schaden so groß, weil das Management<br />
durch Bilanztricks die wahre Lage<br />
der Unternehmen lange vernebelt hatte. Die<br />
Tricks waren illegal, dennoch ist es bis heute<br />
nicht zu einer Anklage gegen Bernhard Ebbers,<br />
den ehemaligen Großmeister von Worldcom,<br />
<strong>und</strong> gegen Kenneth Lay, den einstmals Allgewaltigen<br />
von Enron, gekommen. Gr<strong>und</strong>: Die<br />
Staatsanwälte können den beiden bislang nicht<br />
nachweisen, dass sie von den Machenschaften<br />
gewusst haben. Nicht auszuschließen,<br />
dass die Herren daher straffrei ausgehen ...<br />
So ist er, der real existierende Kapitalismus.<br />
Zu den Bereicherungs- <strong>und</strong> Ausbeutungsaktionen<br />
tritt zudem ein sichtbares<br />
Ärgernis, sprich die Bezüge der Topmanager.<br />
In den USA verdient ein CEO heute das<br />
400-fache <strong>und</strong> zum Teil noch mehr als ein<br />
gewöhnlicher Arbeitnehmer; vor einigen Jahrzehnten<br />
lag der Pegel noch beim 30-fachen,<br />
<strong>was</strong> ja auch nicht schlecht ist. In Deutschland<br />
ist das Gefälle nicht ganz so groß, aber<br />
auch immer steiler geworden.<br />
Die Bezüge der Vorstände der DAX-Konzerne<br />
stiegen in den vergangenen Jahren im<br />
Schnitt um 30 Prozent per annum. Und das<br />
in einer Zeit, in der gerade die Vorstände<br />
immer wieder predigten, die Mitarbeiter<br />
müssten Maß halten, um die Wettbewerbsfähigkeit<br />
der Firmen nicht zu gefährden. Mit<br />
Leistung <strong>und</strong> Ergebnis haben diese Einkommenssteigerungen<br />
wenig bis nichts zu tun.<br />
Der Hallenser Wirtschaftsprofessor Reinhard<br />
Schmidt hat im Sommer für das „manager<br />
magazin“ mal wieder die Gehaltsentwicklung<br />
in Bezug gesetzt zur Wertschaffung für die<br />
Aktionäre. Bei allen untersuchten Unternehmen<br />
lag der so genannte Total Shareholder<br />
Return im Minus. Dennoch wiesen viele dieser<br />
Unternehmen Steigerungen der Vorstandsbezüge<br />
aus, zum Teil in erheblichem Ausmaß.<br />
Richtig grotesk wird die Einkommensbetrachtung,<br />
wenn man die so genannten Aktienoptionen<br />
mit einbezieht. Das sind jene Bezugsrechte,<br />
die Manager günstig oder kostenlos<br />
erhalten <strong>und</strong> bei Erreichen eines vorher<br />
festgelegten Kurs ausüben können. Die Einzelheiten<br />
dieser Optionsregelungen sind für<br />
den Normalaktionär kaum nachvollziehbar,<br />
versteckt im Kleingedruckten der Geschäftsberichte.<br />
In den USA haben manche Topmanager<br />
mit Hilfe der Aktienoptionen gleichwohl<br />
H<strong>und</strong>erte von Millionen Dollar abgeschleppt.<br />
Legal ausgeplünderte<br />
Unternehmen<br />
Die Aktienoptionen sind ein Wirtschaftsskandal.<br />
Ein Skandal im Verborgenen<br />
allerdings hier in Deutschland, weil der<br />
Sachverhalt kompliziert ist <strong>und</strong> sich für die<br />
Emotionalisierung eines breiteren Publikums<br />
nicht eignet. Hier werden Unternehmen<br />
innerhalb weniger Jahre vom gerade<br />
amtierenden Management ausgeplündert.<br />
Und das alles ganz legal. So viel zu den<br />
Bezügen, zu Praktiken, die selten einmal, wie<br />
im Fall Mannesmann, Gegenstand staatsanwaltlicher<br />
Ermittlungen werden.<br />
Ein anderer Bereich aus der Grauzone<br />
sind die Bilanzierungspraktiken. Bilanzwahrheit<br />
<strong>und</strong> Bilanzklarheit sind unverzichtbare<br />
Voraussetzungen für eine funktionierende<br />
Unternehmenswirtschaft. Fraglos sind die<br />
Methoden der Rech<strong>nun</strong>gslegung in den vergangenen<br />
Jahrzehnten auch zunehmend verfeinert<br />
worden. Dass diese Verbesserungen<br />
„Der Hunger der Finanzmärkte<br />
nach guten Zahlen,<br />
die die Kurse beflügeln,<br />
hat dazu geführt, dass immer<br />
mehr vernebelt wird.“<br />
aber den Informationspegel erhöht haben,<br />
kann man gewiss nicht behaupten. Im Gegenteil:<br />
Der Hunger der Finanzmärkte nach guten<br />
Zahlen, die die Kurse beflügeln, hat dazu<br />
geführt, dass immer mehr vernebelt wird.<br />
Die Möglichkeiten, an den Zahlen zu drehen,<br />
sind vielfältig. Da werden Verpflichtungen<br />
„off balance“ verschoben, also aus dem<br />
offiziellen Zahlenwerk eliminiert (so geschehen<br />
bei Enron), da werden Abschreibungsfristen<br />
verlängert (so geschehen bei der gr<strong>und</strong>soliden<br />
Siemens AG im Jahr 2000), da werden<br />
Lagerbestände mit Verzögerung abgewertet<br />
(so bei der Infineon AG 2001), da<br />
wird an den Pensionsrückstellungen gedreht<br />
(so beim Gartengerätehersteller Gardena).
Dr.Wolfgang Kaden<br />
<strong>transparent</strong> 29<br />
Manipulation ohne Risiko?<br />
Bilanzmanipulationen sind für die Täter<br />
meist ohne Risiko. Schließlich geht es um<br />
Bewertungen, <strong>und</strong> die sind subjektiv. Der<br />
ehrbare <strong>und</strong> vorsichtige Kaufmann hat hier<br />
immer die niedrigsten Werte angesetzt.Aber<br />
diese Zeiten scheinen lange vorbei. Der<br />
Hamburger Wirtschaftsprüfer Professor<br />
Scheffler spricht davon, dass auch in Deutschland<br />
immer „aggressiver“ bilanziert wird.<br />
Moderne Kennziffern wie das so genannte<br />
Ebidta (earnings before interest, taxes,<br />
depresiation and amortization <strong>–</strong> also Gewinn<br />
vor Zinsen, Steuern <strong>und</strong> Abschreibungen auf<br />
Sachanlagen sowie immaterielle Vermögenswerte)<br />
dienen mehr der Verschleierung als<br />
der Aufklärung. Unfassbar, dass beispielsweise<br />
die Kosten für Aktienoptionen jahrelang<br />
keinen Eingang in die Bilanz fanden.<br />
Die Grauzone der real existierenden Wettbewerbswirtschaft<br />
ist jedenfalls ziemlich groß.<br />
Größer als mancher ahnt. Und es bewegen<br />
sich in dieser Zone Wirtschaftssubjekte, die<br />
viele dort nicht vermuten würden. Beispielsweise<br />
Bill Gates, der reichste Mann der Welt.<br />
Der vollbrachte mit Microsoft eine imposante<br />
unternehmerische Leistung, zweifellos.<br />
Gleichzeitig ist dies aber auch der Mann,<br />
der mit allen nur denkbaren Tricks <strong>und</strong> Finessen<br />
gearbeitet hat. Er hat sich ein Software-Monopol<br />
geschaffen, das mitnichten<br />
nur auf technologischer Leistung oder Marketing-Qualitäten<br />
beruht. Microsoft verfügt<br />
heute weltweit über eine Marktstellung, die<br />
es dem Unternehmen gestattet, bei jedem<br />
von uns satte Monopolrenten abzumelken.<br />
Ellbogen von besonderer Härte<br />
Natürlich sind solche Bereicherungspraktiken<br />
nicht neu. Die hat es im Kapitalismus<br />
immer schon gegeben. Und richtig ist
„Zwischen Markt <strong>und</strong> Moral“<br />
auch, dass der Kapitalismus nichts ist für<br />
Leute mit schwachen Nerven <strong>und</strong> allzu<br />
großen Empfindlichkeiten. Wer sich auf diesem<br />
Kampfplatz durchsetzt, als selbstständiger<br />
Unternehmer wie als angestellter Manager,<br />
der besitzt eine dicke Haut <strong>und</strong> hat<br />
Ellenbogen von besonderer Härte.<br />
Und dennoch: Es scheint, dass eine wachsende<br />
Zahl von Akteuren nur noch in ihrer<br />
eigenen Welt leben, mit ihren eigenen Werten;<br />
dass diese Menschen ihr gesellschaftliches<br />
Umfeld kaum noch wahrnehmen. Eine<br />
Art Manager-Autismus. Deshalb <strong>nun</strong> ein<br />
wenig Ursachenforschung. Fünf denkbare<br />
Ursachen seien hier genannt:<br />
1. Die Ego-Gesellschaft: Ein Schlagwort,<br />
fraglos, aber eines, das in diesem Zusammenhang<br />
unvermeidlich ist. Geld ist zum einzigen<br />
Wert-Maßstab geworden, auch für den Selbstwert<br />
von Top-Managern. Erfolg ist alles. Die<br />
Menschen sind individualistischer geworden,<br />
hedonistisch, unverbindlich. Es besteht unter<br />
den Sozialwissenschaftlern Übereinstimmung<br />
darüber, dass solidarische Werte <strong>und</strong> Verhaltensweisen<br />
an Bedeutung verloren haben.<br />
2. Der Wettbewerb: Entgegen der Voraussage<br />
von Karl Marx, der im Endzustand des<br />
Kapitalismus nur noch Monopole sah, erleben<br />
wir eine ständige Zunahme der Wettbewerbsintensität.<br />
Rücksichtnahme glaubt sich<br />
in einem solchen Umfeld kein Unternehmensführer<br />
mehr erlauben zu können. Fressen<br />
oder gefressen werden, lautet die Devise.<br />
3. Die Globalisierung: Sie sorgt für härteren<br />
Wettbewerb <strong>und</strong> damit zugleich für<br />
eine gewisse Bindungslosigkeit. Das regionale<br />
oder nationale Umfeld hat seine festen<br />
sozialen <strong>Regeln</strong>, die in diesem überschauba-<br />
ren Rahmen auch einer gewissen Kontrolle<br />
unterliegen. Im globalen Rahmen fehlen uns<br />
bisher nicht nur <strong>Regeln</strong> für das Funktionieren<br />
der Finanzmärkte. Wir haben jenseits<br />
der nationalen Normen auch kaum Werte<br />
entwickelt, an denen sich die Akteure in den<br />
Unternehmen orientieren können.<br />
4. Die Finanzmärkte: Investmentbanker<br />
wollen gute Ergebnisse sehen. Wie sie zustande<br />
kommen, interessiert sie nicht. Die<br />
Finanzmärkte sind empfindungslos. Sie üben<br />
auf die Vorstände in den Unternehmen<br />
einen gewaltigen Druck aus, gute Ergebnisse<br />
zu erwirtschaften, um den Aktienkurs<br />
hoch zu halten oder hoch zu treiben.<br />
5. Das Portfolio-Management: Der scharfe<br />
Wettbewerb wie der Druck der Finanzmärkte<br />
zwingen die Manager zu permanentem<br />
Umbau. Unternehmen zerfallen, werden<br />
neu zusammengesetzt, Menschen werden verschoben<br />
oder rausgeworfen. Angesichts all<br />
der Fusionen, Akquisitionen, Umstrukturierungen<br />
ist es fast unmöglich geworden, sich<br />
in einem Unternehmen zuhause zu fühlen.<br />
Permanenter Konflikt<br />
Zwischen Markt <strong>und</strong> Moral: Die Zwänge,<br />
denen sich Unternehmensführer heute ausgesetzt<br />
sehen, scheinen mir jedenfalls ungleich<br />
größer geworden als in den Zeiten<br />
ohne scharfen globalen Wettbewerb, ohne<br />
den anhaltenden Druck zu Restrukturieren,<br />
ohne den Terror der Finanzmärkte.<br />
Und so sind auch jene Topmanager, die<br />
sich gern ein gutes Gewissen erhalten würden,<br />
permanent in einem Konflikt zwischen<br />
betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten<br />
<strong>und</strong> übergeordneten Werten. Das betrifft<br />
nicht nur soziale Belange, sondern auch<br />
Themen wie den Umweltschutz. Während<br />
DaimlerChrysler beispielsweise im Geschäfts<strong>und</strong><br />
Umweltbericht stolz darauf verweist,<br />
nachwachsende Rohstoffe wie etwa Kokosfasern<br />
zu verwenden, bringt der Konzern<br />
zugleich mit dem Maybach ein Auto auf den<br />
Markt, dessen Zwölfzylinder-Motor etwa 20<br />
Liter Super auf 100 Kilometern verbrennt,<br />
mit entsprechendem Kohlendioxid-Ausstoß<br />
<strong>und</strong> einem Mehr an Luftverschmutzung.<br />
Der Markt verlangt diese Autos, also<br />
bauen die Daimler-Manager sie.<br />
„Es scheint, dass eine<br />
wachsende Zahl von Akteuren<br />
nur noch in ihrer eigenen<br />
Welt leben, mit ihren<br />
eigenen Werten.“<br />
Oder man nehme den Vorstandsvorsitzenden,<br />
der im Zuge einer Reorganisation<br />
oder einer Sanierung 5.000 Leute entlässt.<br />
Das ist für die betroffenen Menschen ganz<br />
bitter. Aber tut der Vorstand dieses nicht,<br />
dann setzt er womöglich die ganze Firma<br />
aufs Spiel, mit weit schlimmeren sozialen<br />
Folgen. Es ist eben nicht leicht, in Spitzenpositionen<br />
sauber zu bleiben.<br />
Rettet die Hoff<strong>nun</strong>g!<br />
Was tun vor diesem Hintergr<strong>und</strong>? Ganz<br />
so hoff<strong>nun</strong>gslos, wie es nach dem bislang<br />
Dargelegten erscheinen mag, ist die Lage
„Der Kapitalismus hat<br />
sich im Laufe seiner<br />
Geschichte immer wieder<br />
als ein sehr lernfähiges<br />
System erwiesen.“<br />
allerdings nicht. Zunächst einmal: Viele<br />
Unternehmer sind inzwischen selbst zu<br />
einer gewissen Einsicht gelangt. Sie haben<br />
erkannt, dass Verstöße gegen Mindeststandards<br />
an sozialer Verantwortung oder Pflege<br />
der Umwelt vielleicht kurzfristig den<br />
Gewinn mehren, langfristig aber dem Unternehmen<br />
Schaden zufügen <strong>–</strong> nicht zuletzt<br />
infolge des erlittenen Imageverfalls.<br />
Viele propagieren den „Corporate Citizen“,<br />
haben inzwischen ethische Normen<br />
für ihre Mitarbeiter verfasst. Auch wenn<br />
dahinter sicher ein gut Stück Public Relations<br />
steckt <strong>–</strong> ganz ohne Wirkung werden<br />
diese Verhaltensregeln nicht bleiben.<br />
Mit Selbstverpflichtungen allerdings, so<br />
hilfreich sie gewiss sind, ist es nicht getan.<br />
Sie sind freiwillig, werden niemals von allen<br />
eingegangen.Viele Normen aber lassen sich<br />
wirksam nur durchsetzen, wenn sie für alle<br />
gelten. Es bedarf entsprechender Institutionen,<br />
die ein sozialverträgliches Verhalten<br />
erzwingen Was ist gemeint mit „Institutionen“?<br />
Drei Komplexe vor allem:<br />
1. Gesetze. Manche Gesetze müssen einfach<br />
konsequenter angewandt werden. Die<br />
Insiderregeln beispielsweise werden noch<br />
immer häufig umgangen. Verbesserungsbedürftig<br />
ist, ein anderes Beispiel, auch die<br />
Kontrolle der unternehmerischen Exekutive<br />
durch den Aufsichtsrat. Die unselige Übung<br />
zum Beispiel, dass der Vorstandsvorsitzende<br />
fast schon automatisch nach seinem Ausscheiden<br />
den Aufsichtsratsvorsitz übernimmt; oder<br />
die gesamte Praxis der Mitbestimmung, die<br />
letztlich zu weniger Kontrolle führt.<br />
2. Die NGO’s, also die Non-Governmental-<br />
Organisations, die Nicht-Regierungsorganisationen<br />
wie Greenpeace oder die Anti-<br />
Korruptionsbewegung Transparency International.<br />
Die Macht dieser Organisationen<br />
ist groß. Das ist gut so, auch wenn sie gelegentlich<br />
über das Ziel hinausschießen.<br />
3. Die Medien. Die NGO’s wären ohne die<br />
Medien wirkungslos, vor allem ohne das Fernsehen.<br />
Aber nicht nur deswegen spielen die<br />
Medien als Institutionen eine wichtige Rolle.<br />
Sie haben in einem offenen, marktwirtschaftlichen<br />
System eine wichtige Funktion:Wie im<br />
politischen Raum kontrollieren sie auch in<br />
der Wirtschaft das Handeln der Mächtigen.<br />
Mehr Korrektive, mehr Geduld<br />
Gesetze, NGO’s, Medien <strong>–</strong> das sind die<br />
Institutionen, die wir als Korrektiv <strong>und</strong> als<br />
Gegengewicht brauchen. Nur auf Einsicht<br />
der Akteure zu setzen, das ist einfach zu<br />
wenig. Der Mensch ist eben von Natur aus<br />
nicht immer gut. Manches wird Zeit brauchen,<br />
vor allem <strong>was</strong> die Globalisierung anbelangt.<br />
Es wäre reichlich weltfern zu glauben,<br />
wir könnten die Folgen grenzenlosen Wirt-<br />
<strong>transparent</strong> 31<br />
schaftens in wenigen Jahren bewältigen. Es<br />
wird noch dauern, bis wir eine Weltord<strong>nun</strong>g<br />
geschaffen haben, die auch für die Unternehmen<br />
<strong>und</strong> die Finanzwirtschaft (ja, <strong>und</strong> gerade,<br />
auch die!) den geeigneten Rahmen bietet.<br />
Aber das ist alles machbar, wir brauchen<br />
nur Geduld. Jedenfalls gibt es keinen<br />
Gr<strong>und</strong> zu glauben, die Unternehmenswelt<br />
würde zwangsläufig immer tiefer im<br />
Morast ihrer eigenen Schlechtigkeit versinken.<br />
Viele Unternehmer haben inzwischen<br />
kapiert, dass moralisch einwandfreies<br />
Verhalten ihnen nicht schadet.<br />
Das US-Magazin FORTUNE brachte kürzlich<br />
einen Bericht über eine Studie. In der<br />
wurde die Geschäftsentwicklung von Unternehmen,<br />
die gute soziale <strong>und</strong> vorbildliche<br />
Umwelt-Standards auswiesen, die nicht durch<br />
illegale Handlungen aufgefallen waren <strong>und</strong><br />
eine gute Unternehmenskontrolle besaßen,<br />
verglichen mit Unternehmen, die es da nicht<br />
so genau nahmen. Ergebnis: Die sauberen<br />
Unternehmen erwirtschafteten deutlich bessere<br />
Resultate als die Bösen des Gewerbes.<br />
Der Kapitalismus hat sich im Laufe seiner<br />
Geschichte immer wieder als ein sehr lernfähiges<br />
System erwiesen. Zu lernen wäre,<br />
dass eine Wettbewerbsord<strong>nun</strong>g nicht allein<br />
nach den Rechenmodellen der Ökonometriker<br />
funktioniert; dass der Angebots-Nachfragemechanismus<br />
der Unterfütterung durch<br />
einen zeitgemäßen Wertekanon bedarf; dass<br />
bei allem Gewinnstreben Glaubwürdigkeit ein<br />
unverzichtbarer Produktionsfaktor bleibt. Und<br />
schließlich ist ganz wichtig, dass es wirksamer<br />
institutioneller Vorkehrungen bedarf, um die<br />
marktwirtschaftliche Ord<strong>nun</strong>g zu sichern.
Medien <strong>und</strong> Qualität:<br />
Hilf Dir selbst,<br />
sonst hilft Dir keiner?<br />
Die vermeintlich „vierte Macht“, der „Anwalt des kleinen Mannes“, die freie Presse<br />
scheint ins Schlingern geraten. Gravierende Fehler in der Berichterstattung,<br />
plumpe Vermischung mit PR, immer weniger Aufbereitung von Hintergründen, der<br />
Rückzug des investigativen Journalismus, all dies hat eine Debatte über die Qualität<br />
der Medien entfacht. Gerhard Jakubowski, als Konflikt- <strong>und</strong> Kommunikationsberater<br />
<strong>und</strong> Initiator zahlreicher Dialog-Klausuren langjähriger intimer Beobachter<br />
der Szenerie, sprach über dieses facettenreiche Thema am Beispiel Printmedien<br />
mit Andreas Oberholz, seit 19 Jahren freier Journalist, Blattmacher, vielfacher<br />
Buchautor <strong>und</strong> langjähriger Vorsitzender des Arbeitskreises Umweltpresse.<br />
Jakubowski: Kürzlich schrieb der „Spiegel“<br />
vom „Billigjournalismus“. Wir selbst erfahren<br />
bei unserer Arbeit mit den Medien, dass immer<br />
weniger Redakteure immer mehr Arbeit übernehmen<br />
müssen, dadurch kaum noch auf Reisen<br />
gehen können <strong>und</strong> Außen-Recherchen in<br />
der Folge erheblich zu kurz kommen. Diese<br />
Entwicklung scheint sich zu einem regelrechten<br />
Desaster <strong>und</strong> zu Lasten der redaktionellen<br />
Qualität zu entwickeln.Wie sehen Sie das?<br />
Oberholz: Fakt ist, dass die Redaktionen<br />
inzwischen vielfach auf ein Mindestmaß<br />
zusammengeschrumpft wurden. Im Bereich<br />
der Fachpresse dürfte das Ende der<br />
Fahnenstange bereits erreicht sein, denn<br />
dort kümmert sich inzwischen in der<br />
Regel nur noch ein Redakteur ums Blatt,<br />
manchmal sogar um zwei, frei nach dem<br />
Motto: Alles aus einer Hand. Gleichzeitig<br />
kommt aus den Führungsetagen die<br />
Anweisung, sehr restriktiv mit dem Einsatz<br />
freier Mitarbeiter <strong>und</strong> Honoraretats zu<br />
verfahren. So entwickelt sich der Fachzeitschriftenredakteur<br />
zum Hamster im<br />
Rhönrad <strong>und</strong> ist zugleich froh über jedes<br />
kostenlose Manuskriptangebot, das ihn<br />
erreicht. Dass dies Tür <strong>und</strong> Tor für Agenturen<br />
<strong>und</strong> Unternehmen öffnet, die mit<br />
mehr oder minder geschickt verfassten<br />
PR-Beiträgen in die Lücke stoßen, liegt auf<br />
der Hand. Im Gr<strong>und</strong>satz gilt dies allerdings<br />
längst auch für andere Bereiche der Printmedien.<br />
Die Tageszeitungen etwa sind in<br />
ihrer Manpower vielfach deutlich reduziert<br />
worden, zuletzt sogar bei Flaggschiffen<br />
der Branche wie der Frankfurter Allgemeinen<br />
Zeitung oder der Frankfurter<br />
R<strong>und</strong>schau.Weniger Redakteure bedeutet<br />
zwar nicht automatisch weniger Qualität,<br />
aber ob nicht bei verringerter Mannschaft<br />
rechercheintensive Themen, die Zeit <strong>und</strong><br />
Aufwand erfordern, unter den Tisch fallen,<br />
darf getrost spekuliert werden.<br />
Jakubowski: Sie haben es schon angesprochen,<br />
geistige Leistung gilt offenbar nicht viel in<br />
Deutschland.Auch wir hören es immer öfter, dass<br />
freie Journalisten von den Verlagen regelrecht geknebelt<br />
werden, <strong>was</strong> die Honorare angeht. Selbst<br />
renommierte Blätter gehen allem Anschein nach<br />
davon aus, dass es quasi eine Ehre ist, für sie zu<br />
schreiben. Können Sie das bestätigen?<br />
Oberholz: Im Bereich des freien Journalismus<br />
gibt es nicht nur ein Problem der Honorierung.<br />
Es beginnt bereits bei der Vergabe.<br />
Wenn immer mehr zuvor fest angestellte<br />
Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen auf die Straße<br />
gesetzt werden <strong>und</strong> die Redaktionen gleichzeitig<br />
zu unveränderten Arbeitsquoten angehalten<br />
werden, bleibt ein immer geringerer
„Fakt ist,<br />
dass die<br />
Redaktionen<br />
inzwischen<br />
vielfach auf ein<br />
Mindestmaß<br />
zusammengeschrumpft<br />
wurden.“<br />
Andreas Oberholz<br />
Restkuchen für eine immer größere<br />
Zahl von Nachfragern. Das drückt<br />
selbstverständlich den ohnehin<br />
nicht gerade üppigen<br />
Lohn. Im Tageszeitungsbereich<br />
geht das inzwischen<br />
runter bis auf<br />
etwa 25 Cent die Zeile.<br />
Rechnen wir das<br />
mal durch: Die üblichen<br />
Längen einer<br />
Story liegen dort bei<br />
60 bis 120 Zeilen.<br />
<strong>transparent</strong> 33<br />
Das macht bei einem solchen Billigsatz von<br />
25 Cent 15 bis 30 Euro Gesamthonorar. Seien<br />
wir aber einmal richtig spendabel <strong>und</strong><br />
legen ein Zeilenhonorar von einem Euro<br />
zugr<strong>und</strong>e, wie es nur große Blätter zahlen.<br />
Macht 60 bis 120 Euro für eine Geschichte.<br />
Dagegen stehen Aufwand für das Angebot an<br />
die Redaktion, Telefon- <strong>und</strong> eventuell Autokosten<br />
für die Recherche (der eine oder<br />
andere Interviewpartner will ja besucht werden),<br />
ein Zeitaufwand für Internetrecherche<br />
<strong>und</strong> Schreiben des Textes, der durchaus einen<br />
Tag oder mehr betragen kann, die allgemeinen<br />
laufenden Kosten des Journalisten für<br />
Versicherung etc, <strong>und</strong> die Gewissheit,<br />
dass nicht mehr als zwei<br />
Storys pro Woche abzusetzen<br />
sind. Wenn Sie das<br />
durchkalkulieren <strong>–</strong> würden<br />
Sie selbst noch zu<br />
diesen Konditionen antreten,<br />
oder gar besonders<br />
komplizierte <strong>und</strong><br />
nach tiefgängiger Rechercheverlangende<br />
Artikel anbieten?<br />
Fairerwei-
Hilf Dir selbst,<br />
sonst hilft Dir keiner?<br />
se muss man an dieser Stelle hinzufügen,<br />
dass im Magazinjournalismus immerhin noch<br />
auskömmliche Honorare gezahlt werden.<br />
Wer allerdings seine Feder im Fachpressebereich<br />
vermarkten will, erlebt das andere Extrem,<br />
manchmal gibt es gar nichts aufs Konto,<br />
oder für minimale Seitenhonorare von 25 bis<br />
50 Euro muss das Layout <strong>und</strong> die Optik, sprich<br />
Bilder, gleich noch mitgeliefert werden.<br />
Jakubowski: Dazu kommt nach meiner Mei<strong>nun</strong>g<br />
noch ein dramatischer <strong>und</strong> inzwischen<br />
existenzbedrohender Aspekt. Freie Journalisten<br />
müssen ihre Themen doch sozusagen fix <strong>und</strong><br />
fertig geschrieben anbieten, also den ganzen<br />
Aufwand an Recherche <strong>und</strong> Schreiben auf eigenes<br />
Risiko betreiben, ohne zu wissen, ob der<br />
Beitrag überhaupt angenommen wird.Wie lange<br />
kann man denn einem solchen Druck standhalten,<br />
ohne die Qualität leiden zu lassen?<br />
Oberholz: Solche Fälle gibt es hoffentlich<br />
kaum noch, weil dies kein freier Journalist<br />
ökonomisch durchhalten kann. Der Regelfall<br />
ist eher, dass ein kurzes Exposee verlangt<br />
wird. Dazu muss der Anbieter allerdings<br />
oft schon vorrecherchiert haben,<br />
denn wie sollte er sonst wissen, um <strong>was</strong> es<br />
im Beitrag konkret gehen soll?<br />
Jakubowski: Sprechen wir mal über die Verlagsseite.<br />
Die Gesamtsituation hat sich nach<br />
meinem Eindruck in den letzten Jahren auch<br />
deshalb drastisch verschlechtert, weil die weltweit<br />
operierenden Verlagshäuser sich verhalten<br />
wie jede andere Industrie, obwohl sie völlig<br />
anders geartete Verantwortung gegenüber der<br />
Gesellschaft bzw. der Öffentlichkeit haben müssten.<br />
Diese Verlage haben fusioniert, gekauft,<br />
verkauft, umstrukturiert <strong>und</strong> Tausende von Mitarbeitern<br />
entlassen, darunter auch sehr viele<br />
Redakteure. Welche Rolle spielen vor diesem<br />
Hintergr<strong>und</strong> noch Moral <strong>und</strong> Informationsauftrag?<br />
Gibt es noch Verleger mit ethischem wie<br />
gesellschaftspolitischem Anspruch?<br />
Oberholz: In den Verlagen ist es wie in<br />
anderen Branchen. Inhabergeführte Unternehmen<br />
werden seltener, Großunternehmen<br />
mit „Zeitarbeitern“ an der Spitze dominieren.<br />
Ich wage die Behauptung, dass dieser<br />
Trend zur Verlagerung von Verantwortung<br />
auf eher konturenlose Managementebenen<br />
langfristig negative Ergebnisse zeitigen wird.<br />
Andererseits dürfen wir Journalisten uns eigentlich<br />
nicht w<strong>und</strong>ern. Wie konnten wir<br />
annehmen, dass die Medien abseits des ökonomischen<br />
Produktionsprozesses stehen. Nein,<br />
sie sind ein ganz normaler Bestandteil <strong>und</strong><br />
funktionieren nach den Prinzipien des Marktes.<br />
Wenn wir das ändern wollen, müssten<br />
wir sie vermutlich dem Einfluss des Marktes<br />
entziehen, wie es ja in der R<strong>und</strong>funk- <strong>und</strong><br />
TV-Landschaft mit den öffentlich-rechtlichen<br />
Anbietern teilweise auch gegeben ist. Obwohl:<br />
Druck wird auch hier ausgeübt, wie<br />
der Kollege Werner Rügemer im Mitgliederblatt<br />
des Deutschen-Journalisten-Verbandes<br />
im August 2003 unter der treffend formulierten<br />
Schlagzeile „Zensierter Alltag“ darlegte.<br />
So strich beispielsweise der Südwestr<strong>und</strong>funk<br />
einen Beitrag über die Kooperation<br />
großer Banken <strong>und</strong> Konzerne mit<br />
dubiosen Instituten in Luxemburg ohne Vor-<br />
war<strong>nun</strong>g aus dem Programm. Die Begründung<br />
zur Absage des schon auf der Internet-<br />
Seite unter Sendemitschnitt-Service angebotenen<br />
Beitrages: Eine interne R<strong>und</strong>e im Sender<br />
habe das Ganze als nicht sendefähig<br />
bef<strong>und</strong>en. Dass zudem die Politik immer<br />
wieder mehr oder minder massiv versucht,<br />
Einfluss auf die öffentlich-rechtlichen Programme<br />
zu nehmen, ist ja bereits ein alter<br />
Hut. Kurzum: Dass dieser Weg <strong>–</strong> raus aus<br />
dem Markt <strong>–</strong> auch nicht ohne Tücken einzuschlagen<br />
wäre, versteht sich von selbst.<br />
„Dass die Politik immer wieder<br />
mehr oder minder massiv<br />
versucht, Einfluss auf<br />
die öffentlich-rechtlichen<br />
Programme zu nehmen,<br />
ist ja bereits ein alter Hut.“<br />
Jakubowski: Zurück zu den Printmedien. Seit<br />
Jahren geht das Werbeaufkommen bzw. das<br />
Anzeigenvolumen zurück. Nachweislich wächst<br />
der Druck der Industrie auf die Medien, die<br />
Berichterstattung abhängig zu machen vom Anzeigenvolumen,<br />
also: Je mehr Anzeigen geschaltet<br />
werden, umso fre<strong>und</strong>licher hat die Berichterstattung<br />
zu sein. Das wird sich doch vermutlich<br />
sehr negativ auf die innere Pressefreiheit<br />
auswirken.Was bleibt denn davon noch übrig?<br />
Oberholz: Ich halte es da mit dem B<strong>und</strong>esvorsitzenden<br />
des Deutschen Journalisten-<br />
Verbandes, Rolf Lautenbach. Er formulierte
<strong>transparent</strong> 35<br />
„Die Verlage haben fusioniert, gekauft, verkauft,<br />
umstrukturiert <strong>und</strong> Tausende von Mitarbeitern entlassen,<br />
darunter auch sehr viele Redakteure. Welche Rolle spielen vor<br />
diesem Hintergr<strong>und</strong> noch Moral <strong>und</strong> Informationsauftrag?“<br />
Gerhard Jakubowski
Hilf Dir selbst,<br />
sonst hilft Dir keiner?<br />
kürzlich: „Die Zersetzung unseres Berufsbildes<br />
hat bereits begonnen.Viele von uns wollen<br />
es nur noch nicht wahr haben.“ In der Tat<br />
wuchert der kommerzielle Einfluss der<br />
Anzeigenk<strong>und</strong>en bis in renommierteste Blätter<br />
hinein. Weil Nachrichten oder Reportagen<br />
als glaubwürdig gelten, versuchen sich<br />
die Anzeigenk<strong>und</strong>en stärker denn je im „Product<br />
Placement“ innerhalb des redaktionellen<br />
Teils. Das „manager magazin“ berichtete<br />
neulich von einem 300.000 Euro-Angebot an<br />
die Springer-Geschäftsführung, wenn deren<br />
Blätter hier <strong>und</strong> da Novartis-fre<strong>und</strong>liche<br />
Zusammenhänge herstellen oder auch mal<br />
das Foto eines Novartis-Medikaments bringen<br />
würden. Noch weiter verbreitete Praxis<br />
ist aber heute die Kopplung von Anzeige <strong>und</strong><br />
redaktionellem Text. Das heißt: Die Anzeigenwerber<br />
der Verlage verkaufen von vorn-<br />
„Die Zersetzung unseres<br />
Berufsbildes hat<br />
bereits begonnen. Viele von<br />
uns wollen es nur noch<br />
nicht wahr haben.“<br />
herein ein bestimmtes, im Verhältnis 1:1 oder<br />
manchmal sogar 1:2 stehendes Volumen von<br />
redaktionell gestalteten Seiten pro Seite<br />
Anzeige. Diese Seiten werden dann oft auch<br />
vom Anzeigenk<strong>und</strong>en fertig geliefert, der<br />
wiederum solche Texte i.d.R. von PR-Agenturen<br />
fertigen lässt. Das ist oftmals so<br />
geschickt gemacht, dass der geneigte Leser<br />
es nicht erkennen kann. Die logische Konsequenz:Was<br />
hier an vermeintlich redaktionellen<br />
Seiten gefüllt wird, steht für andere Themen<br />
nicht zur Verfügung. Im Übrigen hat es<br />
auch schon Fälle gegeben, bei denen Anzeigen<br />
geschaltet wurden mit der Vereinbarung,<br />
dass ansonsten über einen längeren Zeitraum<br />
nicht über das Unternehmen berichtet<br />
wird, egal ob positiv oder negativ. Soviel<br />
dann zum Thema innere Pressefreiheit.<br />
Jakubowski: Eigentlich ist erstaunlich, wie lange<br />
es gedauert hat, bis diese Entwicklung thematisiert<br />
worden ist.Was glauben Sie <strong>–</strong> fehlt Ihrer<br />
Zunft der Mut, ein zugegebenermaßen heißes<br />
Eisen anzupacken, das sie ja <strong>nun</strong> einmal selbst<br />
betrifft? Wenn ja, leidet darunter die<br />
Glaubwürdigkeit der Medien nicht<br />
noch mehr als ohnehin schon?<br />
Oberholz: Nennen Sie mir<br />
irgendeine Branche, eine Partei,<br />
ein Unternehmen, einen Verband,<br />
der von sich heraus <strong>–</strong><br />
sozusagen mit Selbstreinigungskraft<br />
<strong>–</strong> auf Negativtrends oder<br />
gar Skandale im eigenen Bereich<br />
aufmerksam gemacht hätte.<br />
Menschen, die solches tun,<br />
gelten nicht nur hier zu Lande eher als<br />
Nestbeschmutzer. Insofern tun sich auch<br />
die Medien schwer mit der Aufarbeitung<br />
eigener Versäumnisse bzw. Fehlentwicklungen.<br />
Dass beispielsweise im Reisejournalis-<br />
„Nur keine Probleme<br />
thematisieren“, so ein<br />
Satz in einer Redaktionskonferenz,<br />
der mir ständig<br />
in den Ohren klingt.“<br />
mus nur noch bunte, spaßige Ferienwelten<br />
ohne jeden kritischen Hintergr<strong>und</strong> vorgeführt<br />
werden, scheint den Nerv dieser<br />
Spaßgesellschaft zu treffen. „Nur keine Probleme<br />
thematisieren“, so ein Satz in einer<br />
Redaktionskonferenz, der mir ständig in<br />
den Ohren klingt. Ähnliches gilt für Sport<br />
<strong>und</strong> Auto.Wenn sich die Branche dennoch<br />
zaghaft an das Thema „Qualität <strong>und</strong> Medien“<br />
heranpirscht, so tut sie dies bislang<br />
hauptsächlich unter dem Signet Aus- <strong>und</strong><br />
Weiterbildung. Dass hier Verbesserungsbedarf<br />
besteht, ist wohl unstrittig, aber die<br />
Fokussierung auf diese Facetten verstellt<br />
noch immer den Blick auf zugegebenermaßen<br />
hochsensible Themen wie etwa die<br />
angesprochene Vermischung unabhängiger<br />
<strong>und</strong> gekaufter Berichterstattung.<br />
Jakubowski: Welche Chancen sehen Sie für<br />
positive Veränderungen <strong>–</strong> durch wen <strong>und</strong> in welchen<br />
Schwerpunkten? Und: Sehen Sie für sich<br />
selbst als verantwortlich arbeitender Redakteur<br />
Möglichkeiten, verändernd einzugreifen?
Oberholz: Natürlich gilt der alte Satz: Hilf<br />
Dir selbst, sonst hilft Dir keiner. Insofern<br />
sind wir alle gefordert, im Redaktionsalltag<br />
nicht nur hinhaltenden Widerstand, sondern<br />
auch Überzeugungsarbeit zu leisten. Ein<br />
Blatt, dessen Inhalte versteckt oder offen<br />
werblich dominiert werden, hat zwar kurzfristig<br />
möglicherweise bessere Umsatzzahlen<br />
aufzuweisen, muss aber längerfristig mit<br />
Auflagenschw<strong>und</strong> rechnen. Insbesondere die<br />
Fachpresse tut sich keinen Gefallen damit,<br />
wenn sie ihre Seiten quasi verhökert.Wenn<br />
die Abonnenten erst merken, dass statt neutral<br />
recherchiertem Wissen nur die Inserenten<br />
zu Wort kommen, sinkt der Nutzwert<br />
des Blattes für sie gewaltig, eine Abbestellung<br />
liegt dementsprechend nahe. Diese<br />
Argumentationskette müsste durch entsprechend<br />
geschulte Anzeigen-Akquisiteure<br />
vermittelbar sein. Immer mehr Öffentlichkeitsarbeiter<br />
in Industrie <strong>und</strong> Verbänden<br />
jedenfalls haben eine ähnliche Mei<strong>nun</strong>g zum<br />
Geschehen. Chancen für positive Veränderungen<br />
gibt es natürlich, denn das System<br />
<strong>transparent</strong> 37<br />
der Marktwirtschaft ist <strong>nun</strong> einmal lernfähig.<br />
Es wird immer wieder neue Felder für Qualitäts-Journalismus<br />
geben, ein gutes Beispiel<br />
ist <strong>–</strong> so glaube ich <strong>–</strong> die Zeitschrift „Mare“,<br />
ein hervorragendes Magazin, dem anfangs<br />
kaum jemand ein Überleben am Markt zugetraut<br />
hatte. Zum anderen lassen sich Trends<br />
nicht einfach extrapolieren, das heißt der<br />
Beginn einer Diskussion über Mängel <strong>und</strong><br />
Fehlentwicklungen führt i.d.R. zu einem<br />
Gegensteuern <strong>und</strong> lässt die schlimmsten<br />
Befürchtungen nicht wahr werden.
impressum<br />
<strong>transparent</strong><br />
Risikowahrnehmung <strong>und</strong><br />
Dialogbereitschaft<br />
Redaktion:<br />
Andreas Oberholz (ViSdP)<br />
„Um Kommunikations-Kompetenz<br />
zu<br />
erreichen, sollten alle<br />
Sinne geöffnet werden,<br />
müssen persönliche<br />
Begeg<strong>nun</strong>gen verstärkt<br />
werden”<br />
Koordinations- <strong>und</strong> Redaktionsanschrift<br />
Friese + Jakubowski PR-Service GbR<br />
Große Straße 22<br />
22926 Ahrensburg<br />
Tel. 04102.51268<br />
Fax 04102.56255<br />
eMail buero@g-jakubowski.de<br />
Gestaltung, Layout<br />
<strong>und</strong> Gesamtherstellung<br />
Union-Betriebs-Gesellschaft<br />
UBG-Medienzentrum<br />
Egermannstraße 2<br />
53359 Rheinbach<br />
Diese Publikation wird gefördert von der<br />
Arbeitsgemeinschaft<br />
PVC <strong>und</strong> Umwelt (AgPU) e.V.<br />
Am Hofgarten 1-2<br />
53111 Bonn<br />
Ansprechpartner:<br />
Werner Preusker, Geschäftsführer<br />
Tel. 0228.917830<br />
<strong>und</strong> dem<br />
Verband der Backmittel- <strong>und</strong><br />
Backgr<strong>und</strong>stoffhersteller e.V., Bonn/Wien<br />
Markt 9<br />
53111 Bonn<br />
Ansprechpartner:<br />
Dr.Amin Werner, Geschäftsführer<br />
Tel. 0228.969780
herausgeber<br />
Christa Friedl<br />
Chemiestudium an den Fachhochschulen Aalen <strong>und</strong> Reutlingen;<br />
Journalistikstudium an der Universität Stuttgart-<br />
Hohenheim; Volontariat bei diversen Tageszeitungen <strong>und</strong><br />
Agenturen; von 1989 bis 2002 bei den „VDI-Nachrichten“<br />
verantwortliche Redakteurin für Umwelt <strong>und</strong> Forschung,<br />
jetzt freie Wissenschaftsjournalistin.<br />
Gerhard Jakubowski<br />
Jahrgang 1941;Verlagskaufmann, PR-Führungspositionen in der<br />
Industrie; Psychotherapeut (Gestalttherapie); seit 1976 eigene<br />
Agentur für Konflikt- <strong>und</strong> Kommunikationsberatung in Ahrensburg.<br />
Neben seinem Spezialgebiet der Dialogkommunikation<br />
ist er vor allem auch als Dozent <strong>und</strong> im Coaching tätig.<br />
Andreas Oberholz<br />
Jahrgang 1957; Ökonom, arbeitet als freier Journalist in Heiligenhaus.<br />
Schwerpunkte: Umwelt-, Politik- <strong>und</strong> Mittelstandsthemen.<br />
Als Blattmacher konzipiert <strong>und</strong> betreut er entsprechende<br />
Printmedien. Bislang fünf Sachbücher.Von 1996 bis<br />
2003 Vorsitzender des Arbeitskreises Umweltpresse.<br />
<strong>transparent</strong> 39<br />
Rosemarie Oswald<br />
Biologin; seit 20 Jahren im Natur- <strong>und</strong> Umweltschutz aktiv.<br />
Wichtige Stationen: WWF, „Ökologische Briefe“, umweltpolitische<br />
Sprecherin von Bündnis90/Die Grünen in Frankfurt,<br />
Leiterin des Umweltamtes in Ludwigshafen. Seit<br />
1.1.2002 Referentin des Umweltdezernates Frankfurt.<br />
Udo Pollmer<br />
Jahrgang 1954; Lebensmittelchemiker, Dozent, Unternehmensberater,<br />
Wissenschaftsjournalist <strong>und</strong> Wissenschaftlicher<br />
Leiter des Europäischen Instituts für Lebensmittel- <strong>und</strong><br />
Ernährungswissenschaften (EU.L.E. e.V.).<br />
Werner Preusker<br />
Jahrgang 1950; Jurist; zunächst Mitarbeiter des Sachverständigenrates<br />
für Umweltfragen, dann des Verbandes der Chemischen<br />
Industrie (Abteilung Technik <strong>und</strong> Umwelt). Seit<br />
1989 Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft PVC <strong>und</strong><br />
Umwelt (AgPU) e.V. in Bonn.