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Neue Regeln – und was nun? - transparent

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Christa Friedl:<br />

Haben Sie<br />

mal Feuer? …03<br />

Udo Pollmer:<br />

Lassen Sie sich<br />

nicht verkohlen! …05<br />

Prof. Dr. Ortwin Renn:<br />

Was Verbraucher<br />

als riskant<br />

wahrnehmen …06<br />

Prof. Dr. Bärbel Kniel:<br />

<strong>Neue</strong> <strong>Regeln</strong> <strong>–</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>was</strong> <strong>nun</strong>? …13<br />

Amin Werner:<br />

Wer schützt<br />

den Mittelstand? …19<br />

Prof. Dr. Helmut Greim:<br />

Wie viel Sicherheitsabstand<br />

braucht<br />

der Mensch? …21<br />

Dr. Wolfgang Kaden:<br />

Zwischen Markt<br />

<strong>und</strong> Moral …27<br />

Gerhard Jakubowski/<br />

Andreas Oberholz:<br />

Hilf Dir selbst, sonst<br />

hilft Dir keiner? …32<br />

ausgabe 03 • dezember 2003<br />

risikowahrnehmung <strong>und</strong> dialogbereitschaft<br />

<strong>transparent</strong> jetzt auch unter<br />

www.<strong>transparent</strong>-online.de


für die herausgeber<br />

Haben Sie<br />

mal Feuer?<br />

Dipl.-Ing. Christa Friedl<br />

freie Wissenschaftsjournalistin, Krefeld


Kürzlich an der Kasse von Lidl fiel ein Mann auf, der lange<br />

<strong>und</strong> leidenschaftlich im Ständer mit den Billigzigaretten kramte.<br />

Was er da mache? Er sammle Sprüche. War<strong>nun</strong>gen eigentlich.<br />

Denn seit einigen Monaten müssen Zigarettenpackungen vorne<br />

<strong>und</strong> hinten zu je einem Drittel der Fläche mit Warnhinweisen<br />

bedruckt werden. „Rauchen schadet der Haut“, sagt der<br />

Mann, das sei beispielsweise ein recht seltener Spruch <strong>und</strong> daher<br />

schwer zu finden. „Raucher sterben früher“ <strong>und</strong> „Tabakrauch<br />

enthält Blausäure <strong>und</strong> andere Gifte“ dagegen interessiere<br />

ihn nicht, diese Aufdrucke finde man wirklich bereits an jeder<br />

Ecke. Bei ebay, hat er mir dann noch zugeraunt, bevor er hustend<br />

verschwand, werden Zigarettenpackungen mit seltenen<br />

Warnhinweisen mittlerweile für gutes Geld online versteigert.<br />

Das hat mich überzeugt. Also hab ich gleich ein paar Packungen<br />

meiner Marke mehr mitgenommen.<br />

Der Mensch ist ein ver<strong>nun</strong>ftbegabtes Wesen. Wer würde diesem<br />

alten Glauben nicht beipflichten? Ich auch. Und weil wir ver<strong>nun</strong>ftbegabt<br />

sind, wollen wir wissen, wie gefährlich das ist, <strong>was</strong> wir<br />

alltäglich tun: essen, trinken, atmen, autofahren, arbeiten, telefonieren.Wir<br />

wollen „risikomündig“ sein.Was das heißt, erklärt der im<br />

Juni vorgelegte Endbericht der Risikokommission von B<strong>und</strong>esumwelt-<br />

<strong>und</strong> B<strong>und</strong>esges<strong>und</strong>heitsministerium. „Mit Risikomündigkeit<br />

ist die Fähigkeit angesprochen, auf der Basis der Kenntnis der faktisch<br />

nachweisbaren Konsequenzen von risikoauslösenden Ereignissen<br />

oder Aktivitäten, der verbleibenden Unsicherheiten <strong>und</strong><br />

anderer risikorelevanter Faktoren eine persönliche Beurteilung<br />

der jeweiligen Risiken vornehmen zu können, die den Wertvorstel-<br />

Wer schreibt in <strong>transparent</strong>?<br />

Alles begann im November 1996. Damals lud die Kommunikations-<br />

<strong>und</strong> Konfliktberatung Jakubowski einen<br />

sehr heterogenen Kreis von Wissenschaftlern, Politikern,<br />

Journalisten, Umweltschützern <strong>und</strong> Industrievertretern<br />

dazu ein, in einem Dialogprozess kritisch-konstruktiv<br />

über Nachhaltigkeit <strong>und</strong> Zukunftsfähigkeit des Kunststoffes<br />

PVC zu streiten. Als Sponsor trat die Arbeitsgemeinschaft<br />

PVC <strong>und</strong> Umwelt (AgPU) e.V. auf, die Moderation<br />

hatte Gerhard Jakubowski. Der Versuch glückte, er gebar<br />

nach einem über zweijährigen Sitzungsmarathon nicht<br />

nur eine, von Prognos durchgeführte ungewöhnliche Studie<br />

mit dem komplizierten Titel „PVC <strong>und</strong> Nachhaltigkeit<br />

<strong>–</strong> Systemstabilität als Maßstab/Ausgewählte Produktsyste-<br />

<strong>transparent</strong> 03<br />

lungen für die Gestaltung des eigenen Lebens sowie den persönlichen<br />

Kriterien zur Beurteilung der Akzeptabilität dieser Risiken<br />

für die Gesellschaft insgesamt entspricht.“<br />

Alles klar? Keine Sorge, Sie müssen die 230 Seiten des Berichts<br />

nicht lesen. Vieles, <strong>was</strong> das 19köpfige Expertengremium darin<br />

schlussfolgert, sagt einem auch der ges<strong>und</strong>e Menschenverstand: Der<br />

Verbraucher will informiert sein <strong>–</strong> schnell, verständlich, ehrlich <strong>und</strong><br />

ohne Widersprüche. Das heißt nicht, dass wir anders leben, wenn<br />

wir Bescheid wissen. Der Mensch ist zwar ver<strong>nun</strong>ftbegabt, in alltäglicher<br />

Konkurrenz mit Gewohnheit, Gedankenlosigkeit oder reiner<br />

Lust am Unvernünftigen hat die Ratio eher schlechte Karten.<br />

Trotzdem sollten Unternehmen, Behörden, Verbraucher, Journalisten<br />

<strong>und</strong> Wissenschaftler mehr miteinander über Risiken kommunizieren.<br />

Nur so lässt sich Angst abbauen <strong>und</strong> Orientierung<br />

vermitteln. Dieses Angebot machen wir auch wieder mit der dritten<br />

Ausgabe von <strong>transparent</strong>. Unsere Autoren reflektieren die verschiedenen<br />

Bewertungen von Risiken, die unterschiedlichen Blickrichtungen,<br />

sie machen deutlich, dass sich manches Risiko schlichtweg<br />

nicht vermeiden lässt <strong>und</strong> dass es selbst auf scheinbar einfache<br />

Fragen oft keine klare Antwort gibt.<br />

Außer bei Rauchern.Wir wissen genau, welche Gefahren wir<br />

eingehen. Schließlich kann man die neuerdings aufgedruckten<br />

War<strong>nun</strong>gen beim besten Willen nicht mehr übersehen.Ach, übrigens:<br />

Wenn Sie eine Packung mit dem Aufdruck „Haben Sie<br />

mal Feuer?“ finden, geben Sie Bescheid?<br />

Dipl.-Ing. Christa Friedl<br />

me im Vergleich“, sondern auch eine Art des Disputs, die als<br />

vorbildlich für die Bewältigung gesellschaftlich strittiger Fragen<br />

gelten darf. Deshalb lebt die Klausurenreihe fort <strong>und</strong><br />

arbeitet inzwischen eine Themenvielfalt auf, die längst über<br />

den ursprünglichen Rahmen hinausgeht. Der Verband Kunststofferzeugende<br />

Industrie (VKE), die Deutsche Kunststoff-<br />

Recycling GmbH (DKR) <strong>und</strong> der Verband der Backmittel<strong>und</strong><br />

Backgr<strong>und</strong>stoffhersteller (BVB) e.V. haben sich inzwischen<br />

in eigenen Klausurreihen ebenfalls auf diese Art des<br />

Dialogs eingelassen.AgPU <strong>und</strong> BVB sponsern die Herausgabe<br />

dieses Heftes, das Referenten <strong>und</strong> Teilnehmer der Klausurenreihe<br />

abseits des medialen Mainstreams zu Wort kommen<br />

lässt <strong>und</strong> mehr als 2.000 Mei<strong>nun</strong>gsbildner aus Politik,Wissenschaft,Wirtschaft,<br />

Medien <strong>und</strong> NGO`s erreicht.


für die herausgeber<br />

Lassen Sie<br />

sich nicht<br />

verkohlen!<br />

Udo Pollmer<br />

Lebensmittelchemiker,<br />

Wissenschaftlicher Leiter des<br />

Europäischen Instituts für<br />

Lebensmittel- <strong>und</strong> Ernährungswissenschaften<br />

e.V., Gemmingen


Eher still ist es geworden um das „Krebsgift“ Acrylamid. Fast ein<br />

Jahr lang war es Wasser auf die Mühlen derer, die schon immer ahnten,<br />

dass sich Esssünden wie Pommes eines Tages rächen würden.<br />

Doch dann sickerte durch, dass ausgerechnet Knäckebrot stärker<br />

belastet sein kann. Aber statt konsequent vor Knäcke zu warnen,<br />

verstummten die Kassandra-Rufe <strong>–</strong> um erst wieder lauter zu werden,<br />

als es die fetten Bratkartoffeln traf. Die Verbraucherministerin persönlich<br />

riet „vergolden statt verkohlen“. Als dann Anfang Dezember<br />

2002 auch noch Gebäck wie Vanillekipferl <strong>und</strong> Lebkuchen mit hohen<br />

Acrylamidwerten entdeckt wurden, folgte kurioserweise Entwar<strong>nun</strong>g,<br />

offenbar mit Rücksicht aufs Weihnachtsgeschäft. Wollte man<br />

die amtliche Position wirklich ernst nehmen, so kann sie nur bedeuten,<br />

dass dieser Stoff mit steigender Zufuhr harmloser wird.<br />

Generell gilt: Sind Risiken neu, ist schnelles Handeln angezeigt.<br />

Im Falle des Massenausbruchs von BSE in Großbritannien war es<br />

unverantwortlich, hierzulande einfach abzuwarten. Beim Acrylamid<br />

liegen die Dinge anders. Acrylamid essen wir, seit sich die Menschheit<br />

ihr erstes Fladenbrot buk. Angesichts dieses Zeitraums kommt<br />

es auf ein paar Monate nicht mehr an. Zeit genug, um vor einer<br />

War<strong>nun</strong>g das Risiko zu prüfen. Bis heute gibt es nicht einmal einen<br />

Fütterungsversuch mit Pommes oder Chips.<br />

Anfang 2003 indes kam aus Schweden das erste epidemiologische<br />

Ergebnis: Ob einer Zeit seines Lebens reichlich Acrylamidhaltiges<br />

gespeist hatte oder nicht, änderte sein Krebsrisiko nicht. Ein<br />

paar Monate später folgte eine zweite großangelegte internationale<br />

Studie. Sie widmete sich dem Verzehr von Pommes, Chips <strong>und</strong><br />

Rösti: Auch hier hatte der Konsum keinerlei Einfluss auf das Krebsrisiko.<br />

Und das Verbraucherschutz-Ministerium? Es schwieg, statt zu<br />

entwarnen.Vielleicht spielt dabei auch eine Rolle, dass Entwar<strong>nun</strong>gen<br />

als Gesichtsverlust gewertet werden könnten <strong>und</strong> politisch<br />

nicht so viel bringen, wie Aktionismus r<strong>und</strong> um imaginäre Risiken.<br />

Im Gr<strong>und</strong>e kommen diese Bef<strong>und</strong>e alles andere als überraschend.<br />

Ein Lebensmittel wirkt anders als ein beliebig herausgegriffener<br />

Inhaltsstoff. Beim Grillen <strong>und</strong> Braten entstehen auch krebsschützende<br />

Stoffe. Sie wurden zeitgleich mit Acrylamid entdeckt <strong>–</strong> noch<br />

dazu von einer deutschen Forschungseinrichtung. Aber das passte,<br />

wie so vieles, nicht ins Konzept der Aufklärer.<br />

Zudem halten Lebensmittel brisantere Überraschungen bereit<br />

als Acrylamid. Zum Beispiel Indol-3-Carbinol. Das ist ein natürlicher<br />

Inhaltsstoff von Brokkoli, der als TCDD-artige Verbindung bezeichnet<br />

wird. Richtig! Gemeint ist das Seveso-Dioxin TCDD.<br />

Fände sich solches im Spielplatzsand, wäre die Empörung nicht aus-<br />

<strong>transparent</strong> 05<br />

zudenken <strong>–</strong> aber im ges<strong>und</strong>en Gemüse? Dabei gäbe es hier durchaus<br />

Gr<strong>und</strong> zur Vorsicht:Als Brokkoli mit denselben Tests geprüft<br />

wurde, die sonst Pflanzenschutzmitteln vorbehalten sind, erwies<br />

er sich als clastogen, also erbgutschädigend. Damit wären Brokkoli-Extrakte<br />

nicht einmal mehr als Pestizid zulässig.<br />

Risiken sind eine Frage der Sichtweise. Das lässt sich trefflich<br />

für politische Zwecke instrumentalisieren. Bei „bösen“ Speisen<br />

greifen wir vermeintlich schädliche Stoffe heraus, bei den „guten“<br />

die angeblich ges<strong>und</strong>en. So lässt sich nicht nur jedes Brötchen, sondern<br />

auch jedes Radieschen dämonisieren oder heiligsprechen.<br />

Beides hat Angst zur Folge. Die Angst, man würde das Falsche<br />

essen. Das erleichtert den Ideologen ihre trüben Geschäfte. Mit<br />

derartigen Meldungen verfügen sie über ein Instrument, mit dem<br />

sich florierende Unternehmen der Lebensmittelbranche quasi<br />

über Nacht ruinieren lassen.Wer sich davor schützen will, sollte in<br />

der Lage sein, das Thema Risiko glaubhaft zu kommunizieren.<br />

Das wiederum setzt die Bereitschaft zum Dialog voraus. Diese<br />

Chance nehmen in der aktuellen Ausgabe von <strong>transparent</strong> Referenten,Teilnehmer<br />

<strong>und</strong> Sponsoren mehrerer Dialog-Klausuren<br />

wahr, die sich nicht am täglichen Nachrichtenbrei, sondern an<br />

den Inhalten hinter der Nachricht orientieren.<br />

Wir wünschen eine entspannte Lektüre <strong>–</strong><br />

<strong>und</strong> einen ges<strong>und</strong>en Appetit!<br />

<strong>transparent</strong> jetzt auch elektronisch<br />

Mit der Edition des vorliegenden Heftes<br />

bricht auch für <strong>transparent</strong> das elektronische<br />

Zeitalter an. Ab sofort können Sie die<br />

Beiträge dieser wie auch der vorhergehenden<br />

Ausgaben im Internet abrufen unter:<br />

www.<strong>transparent</strong>-online.de<br />

Herausgeber <strong>und</strong> Sponsoren laden Sie herzlich<br />

ein, beim Besuch dieser Webseiten auch<br />

das angebotene Diskussionsforum zu nutzen.<br />

Schauen Sie doch mal rein...!


Lebensmittelrisiken:<br />

Was Verbraucher<br />

als riskant wahrnehmen<br />

Wie nehmen Konsumenten die Risiken von Lebensmitteln wahr <strong>und</strong> wie werden die<br />

ges<strong>und</strong>heitlichen Auswirkungen von Ernährungsgewohnheiten intuitiv eingeschätzt?<br />

Industrie, Verbraucherverbände <strong>und</strong> Politiker müssen sich mit diesem Thema<br />

mehr als bisher beschäftigen, meint Professor Dr. Ortwin Renn, bis zum Jahresende<br />

2003 Leiter der Akademie für Technikfolgenabschätzung in Stuttgart,<br />

künftig Geschäftsführer der gemeinnützigen GmbH DIALOGIK sowie Lehrstuhlinhaber<br />

an der Universität Stuttgart. Renn analysierte die Psychologie der<br />

Risikowahrnehmung <strong>und</strong> die sozialen Faktoren des Ernährungsverhaltens auf einer<br />

Dialog-Klausur des Verbandes der Backmittel- <strong>und</strong> Backgr<strong>und</strong>stoffhersteller.<br />

Wie gestaltet sich der Umgang mit Komplexität,<br />

Unsicherheit <strong>und</strong> Ambiguität (Mehrdeutigkeit)?<br />

Um dieses Thema in einen größeren<br />

Rahmen einzubetten, ist es notwendig,<br />

einige gr<strong>und</strong>legende Gedanken zu Risiko,<br />

Risikowahrnehmung <strong>und</strong> Risikokommunikation<br />

aufzugreifen. Zunächst zum Thema<br />

„Risiko“! Vieles von dem, <strong>was</strong> wir über die<br />

Wahrnehmung von Ernährungsfolgen wissen,<br />

kennen wir aus der Beobachtung <strong>und</strong><br />

der Erfahrung von Risikoverhalten. Dabei<br />

spielen drei Komponenten von Risiko <strong>und</strong><br />

Chancen eine entscheidende Rolle: die Komplexität<br />

der Sachverhalte, die Unsicherheit<br />

über das Eintreten vermuteter Folgen <strong>und</strong><br />

die Ambiguität bei der Bewertung dieser Folgen<br />

durch einen selbst <strong>und</strong> die anderen.<br />

Diese drei Komponenten haben einen direkten<br />

Einfluss darauf, wie Wissenschaft <strong>und</strong><br />

Politik mit Risiken normalerweise umgehen.<br />

Zunächst zur Komplexität: Komplexität ist<br />

et<strong>was</strong> anderes als Kompliziertheit. Kompliziert<br />

ist die Welt immer <strong>–</strong> „komplex“ bedeutet,<br />

dass zwischen Ursache <strong>und</strong> Wirkung viele<br />

intervenierende Größen wirksam sind, die<br />

diese Beziehung entweder verstärken oder<br />

abschwächen, so dass wir aus der beobachteten<br />

Wirkung nicht ohne weiteres Rückschlüsse<br />

ziehen können, welche Ursache(n)<br />

dafür verantwortlich ist (sind). Komplexe<br />

Verhältnisse sind im Ernährungsbereich in<br />

besonderem Maße gegeben. Einem Darmkrebs<br />

sehen wir nicht an, woher er kommt.<br />

Wir sind auf Modellrech<strong>nun</strong>gen angewiesen,<br />

die nur hypothetische Gültigkeit beanspruchen<br />

können. Vielfach sind diese Modelle<br />

auch unter Fachleuten umstritten. Dass Risiken<br />

unter Fachleuten umstritten sind, ist<br />

bereits schon ein Problem der Kommunikation.<br />

Eindeutige Sachverhalte zu kommuni-<br />

zieren ist nicht besonders schwierig, bei<br />

umstrittenen oder wenig klaren Kausalverhältnissen<br />

ist dagegen jede Kommunikation<br />

ein Spiel mit dem Feuer der Spekulation.<br />

Schon ein einziges Molekül<br />

kann eine Katastrophe auslösen<br />

Das zweite wesentliche Element jeder<br />

wissenschaftlichen Risikoabschätzung betrifft<br />

den Grad der Unsicherheit. Alle unsere toxikologischen<br />

Untersuchungen beruhen darauf,<br />

dass es nur selten deterministische, d.h.<br />

festgelegte Ursache-Wirkungsketten in der<br />

Natur der Ges<strong>und</strong>heitsgefährdungen gibt.<br />

Gleiche oder ähnliche Expositionen können<br />

bei unterschiedlichen Individuen zu einer<br />

Vielzahl von höchst unterschiedlichen Reaktionen<br />

führen. Das gilt vom komplexen Organismus<br />

herunter bis zur molekularen Ebene.


Wir sind in vielen Bereichen der Ges<strong>und</strong>heitsrisiken<br />

auf die Erfassung stochastischer<br />

Beziehungen, also von zufälligen Streuungen<br />

angewiesen. Nur mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit<br />

können wir Schäden prognostizieren.<br />

Dies ist vor allem in der Karzinogenese<br />

der Fall: Schon ein einziges Molekül<br />

kann theoretisch einen Krebs auslösen.<br />

Bezogen auf die Kommunikation stellt<br />

uns die Stochastik vor große Herausforderungen:<br />

Jeder kennt zumindest einen oder<br />

eine Übergewichtige, die über 90 Jahre zählt<br />

<strong>und</strong> sich bester Ges<strong>und</strong>heit erfreut. Oder<br />

man verweist auf den 90jährigen Großvater,<br />

der bis ans Lebensende seine Zigaretten geraucht<br />

hat. Damit hat man natürlich eine<br />

w<strong>und</strong>erbare Entschuldigung, warum man selber<br />

raucht oder übergewichtig ist. Wahrscheinlichkeiten<br />

zu vermitteln ist schwierig,<br />

aber wir müssen uns dieser Aufgabe stellen.<br />

„Komplexe Verhältnisse sind<br />

im Ernährungsbereich in<br />

besonderem Maße gegeben.<br />

Einem Darmkrebs sehen wir<br />

nicht an, woher er kommt.<br />

Wir sind auf Modellrech<strong>nun</strong>gen<br />

angewiesen, die nur<br />

hypothetische Gültigkeit<br />

beanspruchen können.“<br />

Kombination verhindert<br />

(wirksame) Kommunikation<br />

Es kommt die dritte Komponente hinzu,<br />

der Bereich der Ambiguität. Damit ist gemeint,<br />

dass ein <strong>und</strong> dasselbe Verhalten oder<br />

ein <strong>und</strong> dieselbe Aussage von unterschiedlichen<br />

Gruppen völlig unterschiedlich bewertet<br />

wird. Ambiguität unterscheidet sich<br />

deutlich von Unsicherheit, auch wenn beide<br />

Begriffe immer wieder durcheinandergeworfen<br />

werden. Nehmen Sie als Beispiel die<br />

Grüne Gentechnik im Bereich der Lebensmittel.<br />

Es gibt wenige, die behaupten, man<br />

würde durch den Genuss dieser Lebensmittel<br />

ernsthaft krank. Es besteht auch wenig<br />

Unsicherheit über die Ges<strong>und</strong>heitsfolgen<br />

der Ernährung mit gentechnisch modifizierten<br />

Pflanzen. Es herrscht aber ein erbitterter<br />

Streit darüber, ob gentechnisch veränderte<br />

Lebensmittel notwendig seien, ob sie<br />

ein soziales Bedürfnis decken, ob sie die<br />

Hybris des Menschen, alles nach eigenem<br />

Gutdünken zu gestalten, anstacheln würden,<br />

ob Genfood ins eigene Weltbild passe, kurzum,<br />

ob man solche Lebensmittel aus gr<strong>und</strong>sätzlichen<br />

lebensweltlichen oder ethischen<br />

Gründen ablehnen müsse. Über diese Fragen<br />

streiten sich in der Tat die Geister,<br />

<strong>und</strong> zwar sehr stark. Über Ambiguitäten zu<br />

kommunizieren, ist ebenfalls nicht einfach,<br />

weil jede Seite in einem solchen Streit die<br />

Wahrheit wie selbstverständlich auf der<br />

eigenen Seite gepachtet sieht <strong>und</strong> jede ausgewogene<br />

Berichterstattung, wenn diese<br />

denn möglich ist, mit größtem Misstrauen<br />

betrachtet. In Ambiguitätskonflikten gibt es<br />

in der Regel nur die polare Unterscheidung<br />

in wir <strong>und</strong> die anderen. Und die anderen<br />

sind selbstverständlich unsere Feinde.<br />

Fazit:Was es uns in der Kommunikation<br />

im Ernährungsbereich so schwer macht <strong>und</strong><br />

auch die Wirksamkeit dieser Kommunikation<br />

so stark beeinträchtigt, ist die Kombination<br />

der drei Faktoren Komplexität,<br />

Unsicherheit <strong>und</strong> Ambiguität. Die Wissenschaft<br />

gibt uns erstens keine Eindeutigkeit<br />

in der Zuord<strong>nun</strong>g zwischen dem, <strong>was</strong> ich<br />

esse <strong>und</strong> hinterher erleide. Zum zweiten<br />

muss ich mit der Unsicherheit leben, dass<br />

die vermuteten Wirkungen auf Individuen<br />

<strong>und</strong> Kollektive unterschiedlich wirken. Drit-<br />

<strong>transparent</strong> 07<br />

tens gibt es unterschiedliche gesellschaftliche<br />

Bewertungen des gleichen Sachverhaltes,<br />

sowohl <strong>was</strong> die einzelnen Ernährungsformen<br />

anbetrifft als auch deren Wirkung<br />

auf Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Lebensgefühl.<br />

Was Menschen als<br />

wahr wahrnehmen...<br />

Wie nehmen Konsumenten die Risiken<br />

der Ernährung wahr? Nur die deutsche Sprache<br />

kennt die Wortkombination „Wahrnehmung“.<br />

Diese Umschreibung des Sachverhaltes,<br />

dass Menschen Informationen aufnehmen<br />

<strong>und</strong> bewerten, finde ich sehr treffend. Menschen<br />

nehmen die Risiken wahr, die sie als wahr<br />

annehmen. Es ist ein Wahr-Nehmungsprozess.<br />

Und die Wissenschaftler sind in diesem Sinne<br />

die Wahr-Geber. Sie geben Wahrheiten vor,<br />

die andere als wahr annehmen müssen oder<br />

auch nicht. Schließlich gibt es noch die Wahr-<br />

Macher, das sind Politiker oder auch wirtschaftliche<br />

<strong>und</strong> technische Gestalter von Anlagen,<br />

Produkten oder Aktivitäten, die Risiken erzeugen,<br />

beeinflussen oder reduzieren.<br />

Wenn Tiger die (letzte)<br />

Möglichkeit des Probierens haben<br />

Was nehmen die Menschen als wahr an?<br />

Zunächst einmal ist es ganz wichtig, dass<br />

unser Verhalten vorrangig von der Wahrnehmung<br />

gesteuert wird, nicht von den Tatsachen<br />

an sich oder von dem, <strong>was</strong> die Wahrgeber<br />

unter Tatsachen verstehen. Jeder Konsument<br />

verknüpft bestimmte Erwartungen, Vorstellungen,<br />

Hoff<strong>nun</strong>gen, Befürchtungen <strong>und</strong><br />

Emotionen mit Produkten, die nur zum Teil<br />

mit den Erkenntnissen der Ernährungswissenschaftler<br />

oder auch mit den Inhalten von<br />

Werbeaussagen übereinstimmen. Deshalb<br />

ist es unerlässlich, dass wir uns mit diesen<br />

Wahrnehmungen intensiv beschäftigen.


Was Verbraucher<br />

als riskant wahrnehmen<br />

Wahrnehmungsmuster sind relativ gut in<br />

der Psychologie <strong>und</strong> der Sozialpsychologie<br />

untersucht. Es ist nicht so, dass Menschen<br />

völlig irrational zusammengeschusterte Strategien<br />

zur Bewertung von Informationen<br />

benutzen, sondern sie folgen meist relativ<br />

konsistenten Mustern der Wahrnehmung.<br />

Diese Muster beziehen sich auf bestimmte,<br />

genetisch festgelegte Gr<strong>und</strong>lagen der Gefahrenabwehr.<br />

In Gefahrensituationen reagiert<br />

der Mensch mit vier genuinen Strategien:<br />

Flucht, Kampf, Totstellen <strong>und</strong> gegebenenfalls<br />

Probieren (auf der Basis von Versuch <strong>und</strong> Irrtum).<br />

Man kann sich dieses Reaktionsmuster<br />

vergegenwärtigen, wenn man sich vorstellt,<br />

wie unsere Vorfahren in der Wildnis einem<br />

Raubtier begegnet sind. In dieser Situation<br />

einer akuten Bedrohung, etwa einer Begeg<strong>nun</strong>g<br />

mit einem Tiger, hatten die bedrohten Menschen<br />

keine Zeit <strong>–</strong> <strong>und</strong> es wäre auch nicht<br />

sehr sinnvoll gewesen <strong>–</strong>, eine Wahrscheinlichkeitsanalyse<br />

zu machen, ob der Tiger vielleicht<br />

noch Hunger hat oder nicht. In diesem<br />

Moment haben die bedrohten Menschen nur<br />

drei Möglichkeiten, nämlich erstens zu fliehen<br />

in der Hoff<strong>nun</strong>g, schneller zu sein als der<br />

Tiger, zweitens auf die eigene Stärke zu setzen,<br />

um es mit dem Tiger aufnehmen zu<br />

können, oder drittens sich tot zu stellen;<br />

weil man glaubt, man könne den Tiger hiermit<br />

täuschen. Die letzte Möglichkeit des<br />

Probierens hat leider nur der Tiger.<br />

Diese Gr<strong>und</strong>muster der Wahrnehmung<br />

haben sich in der kulturellen Evolution zunehmend<br />

mit kulturellen Mustern angereichert.<br />

Und diese kulturellen Muster lassen<br />

sich durch so genannte qualitative Bewertungsmerkmale<br />

beschreiben. Solche Merkmale<br />

beschreiben Eigenschaften von Risiken<br />

oder riskanten Situationen, nach denen Menschen<br />

Risiken beurteilen. Natürlich spielen<br />

auch die klassischen Komponenten des Risikos,<br />

also die Höhe der Wahrscheinlichkeit<br />

<strong>und</strong> die Höhe des möglichen Schadens, eine<br />

wichtige Rolle. Dazu treten aber weitere<br />

Bewertungsfaktoren. Dabei unterscheiden<br />

Psychologen zwei Klassen von Faktoren:<br />

zum einen die risikobezogenen Muster, die<br />

auf Eigenschaften der Risikoquelle bezogen<br />

sind. Zum anderen die situationsbezogenen<br />

Muster, die auf die Eigenarten der riskanten<br />

Situation ausgerichtet sind.<br />

Ein Beispiel der risikobezogenen Muster<br />

ist die wahrgenommene „Natürlichkeit“ der<br />

Folgen. Wir können mit Gefahren besser<br />

umgehen, wenn wir sie wahrnehmen <strong>und</strong><br />

uns darauf einrichten können. Schließlich<br />

ist das bekannte <strong>und</strong> uns vertraute Risiko<br />

wesentlich weniger mit Ängsten besetzt als<br />

das unbekannte <strong>und</strong> uns weniger vertraute<br />

Risiko.Als Begleiterschei<strong>nun</strong>g der Modernisierung<br />

ist bei uns der Eindruck entstanden,<br />

als ob alles, <strong>was</strong> die Natur uns gibt, von sich<br />

aus gütig, günstig <strong>und</strong> ges<strong>und</strong> sei; während all<br />

das, <strong>was</strong> „die Chemie“ mit unseren Lebensmitteln<br />

anstellt, unnatürlich, risikoreich <strong>und</strong><br />

unges<strong>und</strong> sei. Dass dieser Dualismus wissenschaftlich<br />

nicht haltbar ist, ist allen Experten<br />

klar. Aber dahinter steht im Prinzip<br />

eine Sehnsucht des modernen Menschen<br />

nach einfachen, überschaubaren Verhältnissen<br />

<strong>und</strong> nach einer klaren Gegenüberstellung von<br />

gut <strong>und</strong> böse, sicher <strong>und</strong> gefährlich. Nicht<br />

ohne Gr<strong>und</strong> werben fast alle großen Lebensmittelfirmen<br />

mit dem Etikett „natürlich“, wie<br />

berechtigt dies auch immer sein mag.<br />

Situationsbezogene Muster der Wahrnehmung<br />

umfassen Aspekte wie Freiwilligkeit<br />

<strong>und</strong> persönliche Kontrollfähigkeit.Wenn<br />

ich der Mei<strong>nun</strong>g bin, ich könnte das Risiko<br />

selber steuern, dann empfinde ich es als weniger<br />

gravierend. Bei Essgewohnheiten kommt<br />

dieser Heurismus oft zum Tragen. Menschen<br />

glauben, auf Süßigkeiten, Alkohol oder andere<br />

als unges<strong>und</strong> eingestufte Lebensmittel leicht<br />

verzichten zu können, wenn sie es nur wollten.<br />

Dagegen werden meist harmlose chemische<br />

Zusatzstoffe in Lebensmitteln als Bedrohung<br />

der eigenen Ges<strong>und</strong>heit erlebt.<br />

Mentale Schubladen<br />

der Risikobewertung<br />

Wenn man diese qualitativen Merkmale<br />

gemeinsam betrachtet, so lassen sie sich in<br />

einige wenige, in sich konsistente Risikowahrnehmungsklassen<br />

einordnen. Diese werden<br />

in der Literatur auch als semantische<br />

Risikomuster bezeichnet. Besonders gut<br />

untersucht sind die folgenden Muster:<br />

� Risiko als unmittelbare Bedrohung<br />

� Risiko als Schicksalsschlag<br />

� Risiko als Herausforderung<br />

der eigenen Kräfte<br />

� Risiko als Glücksspiel <strong>und</strong><br />

� Risiko als Frühindikator<br />

für schleichende Gefahren


Diese Muster haben ähnliche Funktionen<br />

wie Schubladen in einem Aktenschrank.<br />

Wenn man mit einem neuen Risiko konfrontiert<br />

wird oder wenn man eine neue Information<br />

zum Risiko aufgenommen hat, versuchen<br />

die meisten Menschen, diese neuen Informationen<br />

in eine der bestehenden Schubladen<br />

einzuordnen. Ich möchte hier nur auf<br />

das Muster eingehen, das für Lebensmittel besonders<br />

relevant ist. Dieses Muster umfasst<br />

Risiken, die als Frühindikatoren für schleichende<br />

Gefahren wahrgenommen werden.<br />

Im Rahmen dieses Risikomusters nehmen<br />

Menschen zu Recht an, dass wissenschaftliche<br />

Studien schleichende Gefahren frühzeitig<br />

entdecken <strong>und</strong> Kausalbeziehungen zwischen<br />

Aktivitäten oder Ereignissen <strong>und</strong> deren<br />

latenten Wirkungen aufdecken können. Beispiele<br />

für die Verwendung dieses Risikobegriffs<br />

findet man bei der Wahrnehmung von<br />

<strong>transparent</strong> 09<br />

geringen Strahlendosen, Lebensmittelzusätzen,<br />

chemischen Pflanzenschutzmitteln oder<br />

genetischen Manipulationen von Pflanzen<br />

<strong>und</strong> Tieren. Die Wahrnehmung dieser Risiken<br />

ist eng mit dem Bedürfnis verknüpft, für<br />

scheinbar unerklärliche Folgen (z.B. Krebserkrankungen<br />

von Kindern, Allergien etc.) eindeutige<br />

Ursachen ausfindig zu machen. Im<br />

Gegensatz zum technisch-medizinischen Risikobegriff<br />

wird die Wahrscheinlichkeit eines<br />

Professor Ortwin Renn


Was Verbraucher<br />

als riskant wahrnehmen<br />

solchen Ereignisses nicht als eine signifikante<br />

(d.h. nicht mehr durch Zufall erklärbare)<br />

Abweichung von der natürlich vorgegebenen<br />

Variation solcher Ereignisse interpretiert,<br />

sondern als Grad der Sicherheit, mit der ein<br />

singuläres Ereignis auf eine externe Ursache<br />

zurückgeführt werden kann.<br />

Das Wissen um die Möglichkeit von<br />

Krebserkrankungen aufgr<strong>und</strong> bestimmter<br />

Lebensmittelzusätze oder Pestizidrückstände<br />

legitimiert zumindest den Verdacht, dass<br />

jeder auftretende Krebs durch den Genuss<br />

entsprechender Lebensmittel erklärt werden<br />

kann. Wer an Krebs erkrankt ist oder mit<br />

ansehen muss, wie ein Mitglied der Familie<br />

oder des eigenen Fre<strong>und</strong>eskreises von dieser<br />

Krankheit getroffen ist, sucht nach einer<br />

Erklärung. Metaphysische Erklärungsmuster<br />

haben in unserer säkularisierten Welt an<br />

Geltung verloren. Gleichzeitig befriedigt das<br />

nach heutigem Wissensstand bestmögliche<br />

Erklärungsmuster einer zufälligen Verteilung<br />

von Krebserkrankungen das psychische Verlangen<br />

nach einer „sinnhaften“ Erklärung<br />

wenig.Wie trostlos ist es, das zufällige Opfer<br />

eines blinden Verteilungsmechanismus von<br />

Krankheit zu sein. Kennt man dagegen einen<br />

konkreten Gr<strong>und</strong>, etwa Umweltbelastung,<br />

falsche Ernährung, oder die unachtsame Kontaminierung<br />

von Lebensmitteln mit Rückständen<br />

usw., dann macht das Auftreten der<br />

Krankheit zumindest subjektiv Sinn. Lässt<br />

sich aus subjektiver Sicht darüber hinaus eigenes<br />

Verschulden (etwa Rauchen oder Alkoholmissbrauch)<br />

ausschließen <strong>und</strong> Fremdverschulden<br />

als Ursache der Krankheit her-<br />

anziehen, dann mag die Krankheit sogar einen<br />

sozialen Zweck erfüllen, nämlich die künftigen<br />

potentiellen Opfer zu alarmieren <strong>und</strong><br />

gegen die Ursache des Übels anzukämpfen.<br />

Mitleid schlägt Risikoanalyse<br />

Die häufig hochemotionale Auseinandersetzung<br />

um Risiken dieses Typus muss aus<br />

diesem psychischen Hintergr<strong>und</strong> heraus verstanden<br />

werden. Die Befähigung des Menschen<br />

zum Mit-leiden verhilft ihm zu einer<br />

potentiellen Identifikation mit dem Opfer.<br />

Risikoanalysen, die eine bestimmte Wahrscheinlichkeit<br />

einer schleichenden Erkrankung<br />

aufgr<strong>und</strong> einer Emission nachweisen,<br />

bewirken eine Identifikation mit dem von<br />

dem Risiko betroffenen Opfer.Während der<br />

Risikoanalytiker stochastische Theorien zur<br />

Charakterisierung der relativen Gefährdung<br />

von Ereignissen benutzt, die keine kausalen<br />

Zusammenhänge zwischen singulären Auslösern<br />

<strong>und</strong> deren Effekten erlauben (<strong>und</strong><br />

damit Distanz zum eigenen Wissensbereich<br />

schaffen), sieht der Laie in ihnen den Beweis<br />

für die schuldhafte Verstrickung gesellschaftlicher<br />

Akteure bei der Verursachung<br />

lebensbedrohender Krankheiten.<br />

Dazu kommt noch, dass diese Risiken<br />

besonders komplex sind, d.h. sie zeichnen<br />

sich dadurch aus, dass zwischen der Verursachung<br />

<strong>und</strong> der Folge meistens viele Jahre<br />

Latenzzeit liegen.Wenn ich das Trink<strong>was</strong>ser<br />

trinke, das Pestizidrückstände hat, dann können<br />

die ges<strong>und</strong>heitlichen Folgen erst viele<br />

Jahre später auftreten, wenn überhaupt. Bei<br />

Risiken als Frühindikator sind die betroffenen<br />

Menschen auf Informationen durch Dritte<br />

angewiesen. Sie können sie in der Regel<br />

nicht sinnlich wahrnehmen. Bewerten Laien<br />

diese Risiken, dann stoßen sie auf eine Schlüsselfrage:<br />

Vertraue ich den Institutionen, die<br />

mir dazu die notwendigen Informationen geben,<br />

ja oder nein? Wenn ich in meinem Urteil<br />

zu einem „Nein“ komme, dann wird<br />

kompromisslos ein Nullrisiko gefordert. Denn<br />

wenn ich bei der Bewertung solcher Risiken<br />

auf Informationen durch Dritte angewiesen<br />

„Gleichgültig, ob das Risiko als<br />

hoch oder niedrig angesehen<br />

wird, zentrale Messlatte für die<br />

Akzeptanz ist die Vertrauenswürdigkeit.<br />

Wenn ich das<br />

Vertrauen nicht habe <strong>und</strong> ich die<br />

Gefährlichkeit nicht aus eigener<br />

Anschauung beurteilen kann,<br />

dann verlange ich Nullrisiko.“<br />

bin, diesen Dritten aber nicht vertraue, dann<br />

lasse ich mich auf keine Kosten-Nutzen-<br />

Bilanz ein. Dann will ich Nullbelastung. Der<br />

Wunsch nach Nullrisiken bei mangelndem<br />

Vertrauen lässt sich weltweit nachweisen.<br />

Beispiel „Grüne Gentechnik“: Der Wahrnehmungsmechanismus<br />

„Risiken als Frühindikator“<br />

ist ein zentrales Problem der Grünen<br />

Gentechnik. Alle unsere Umfragen zeigen<br />

deutlich, dass die Institutionen, die heute


grüne Gentechnik vorantreiben wollen, mangelndesVertrauen<br />

auf Seiten der Konsumenten<br />

vorfinden. Unter diesen Umständen reagieren<br />

die meisten Konsumenten mit Skepsis:<br />

Gleichgültig, ob das Risiko als hoch oder<br />

niedrig angesehen wird, zentrale Messlatte<br />

für die Akzeptanz ist die Vertrauenswürdigkeit.Wenn<br />

ich das Vertrauen nicht habe <strong>und</strong><br />

ich die Gefährlichkeit nicht aus eigener Anschauung<br />

beurteilen kann, dann verlange ich<br />

Nullrisiko. An diesem Beispiel wird auch deutlich,<br />

wie wenig hilfreich es ist, in diesem Falle<br />

mit Risikovergleichen zu kommen. Natürlich<br />

werden dieselben Leute, die bei Gentechnik<br />

ein Nullrisiko verlangen, Fahrrad <strong>und</strong> Auto<br />

fahren oder in ein Flugzeug steigen. Das empfinden<br />

sie keineswegs als inkonsistent, weil<br />

diese Verkehrsmittel in ein anderes Risikomuster<br />

fallen, in dem Bilanzierung von Nutzen<br />

<strong>und</strong> Risiko als legitim angesehen wird.<br />

Risikokommunikation:<br />

Der Mythos von der Öffentlichkeit<br />

Wenn wir von Kommunikation sprechen,<br />

müssen wir in Betracht ziehen, dass<br />

die Kommunikationsbedürfnisse in unserer<br />

Gesellschaft sehr unterschiedlich verteilt<br />

sind. Kommunikation mit der Öffentlichkeit<br />

ist eigentlich ein irreführender Begriff, denn<br />

die eine Öffentlichkeit gibt es nicht. Wir<br />

sind alle Öffentlichkeit, wir sind alle Experten<br />

<strong>und</strong> wir sind alle Mitglieder von irgendwelchen<br />

Gruppierungen. Das heißt, wir<br />

müssen nach Zielgruppen differenzieren. Es<br />

gibt nur Öffentlichkeiten, kein einheitliches<br />

Gesamtpublikum. Für jede Öffentlichkeit<br />

sind die Kommunikationsbedürfnisse genau<br />

zu eruieren.Wenn wir über Lebensmittelrisiken<br />

sprechen, ist eine Vielzahl von Adressatenkreisen<br />

angesprochen. Diese reichen<br />

von Experten aus verschiedenen Disziplinen,<br />

über Risikomanager, Risikoregulierer,<br />

Hersteller, Verarbeiter, Einzelhändler, Konsumenten,<br />

bis hin zu Medien <strong>und</strong> Nichtregierungsorganisationen<br />

(NGO’s).<br />

Hat man sich auf die besonderen Kommunikationsbedürfnisse<br />

der Ansprechpartner<br />

eingestellt, erfolgt die Wahl der Kommunikationsform.<br />

Diese besteht gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

aus vier Elementen:<br />

� der Dokumentation: Diese dient der<br />

Transparenz. In einer demokratischen Gesellschaft<br />

ist es unerlässlich, dass die nicht<br />

am Regulierungsprozess beteiligte(n) Öffentlichkeit(en)<br />

erfährt bzw. erfahren, aus welchen<br />

Gründen man sich für das eine <strong>und</strong><br />

nicht für das andere entschieden hat. Dabei<br />

ist es zunächst zweitrangig, ob alle diese<br />

Informationen intuitiv nachvollziehen oder<br />

verstehen können. Das ist wie bei den Beipackzetteln<br />

der Arzneimittel. Kaum ein<br />

Patient kann sie verstehen, von wenigen<br />

medizinisch Vorgebildeten einmal abgesehen.<br />

Dennoch enthalten Beipackzettel auch<br />

für die Normalpatienten wichtige Botschaften.<br />

Sie verdeutlichen: Hier wird nichts verschwiegen.<br />

Insofern sollte auch bei den<br />

Lebensmitteln sehr viel genauer <strong>und</strong> zeitnaher<br />

dokumentiert werden, wie Entscheidungen<br />

zum Risikomanagement getroffen,<br />

welche Argumente wie abgewogen <strong>und</strong><br />

welche wissenschaftlichen Gr<strong>und</strong>lagen wie<br />

verwendet wurden. Als Medium dafür eignet<br />

sich vor allem das Internet.<br />

� der Information: Informationen dienen<br />

der Aufklärung des Kommunikationspartners.<br />

Informationen sollten so gestaltet <strong>und</strong><br />

zusammengestellt werden, dass die jeweils<br />

angesprochene Zielgruppe sie verstehen,<br />

nachvollziehen <strong>und</strong> begreifen sowie die Botschaft<br />

auch für den eigenen Alltag wirksam<br />

werden lassen kann. Wichtig ist dabei, dass<br />

die Anliegen derjenigen, die informiert werden,<br />

auch adäquat aufgegriffen werden.<br />

<strong>transparent</strong> 11<br />

„Die Menschen<br />

erwarten adäquat an<br />

Entscheidungen,<br />

die ihr Leben betreffen,<br />

direkt oder indirekt<br />

beteiligt zu werden.“<br />

� der gegenseitigen Kommunikation bzw. dem<br />

Dialog. Diese Form der Kommunikation ist<br />

auf gegenseitiges Lernen ausgerichtet. Hier<br />

geht es nicht um die Einbahnstraße der Information,<br />

sondern um einen Austausch von<br />

Argumenten, Erfahrungen, Eindrücken <strong>und</strong><br />

Urteilen. Wenn jemand kommt <strong>und</strong> einem<br />

anderen et<strong>was</strong> beibringen will, aber selber<br />

nichts vom anderen erfahren will, kommt es<br />

nicht zu einem Dialog, sondern bestenfalls zu<br />

einer Belehrung. Dann wird es aber niemanden<br />

w<strong>und</strong>ern, dass der Belehrte den Dialogversuch<br />

schnellstens abbricht. Es muss eine<br />

Bereitschaft auf beiden Seiten zum gegenseitigen<br />

Zuhören <strong>und</strong> Lernen vorhanden sein.<br />

� der Beteiligung an Risikoanalysen <strong>und</strong> Managemententscheidungen.<br />

Die Menschen erwarten<br />

in einer pluralistischen Gesellschaft,<br />

adäquat an Entscheidungen, die ihr Leben betreffen,<br />

direkt oder indirekt beteiligt zu werden.<br />

Nicht jeder Betroffene kann bei der Regulierung<br />

mitwirken, aber es muss sichergestellt<br />

sein, dass die Anliegen der Betroffenen<br />

auch im Entscheidungsprozess selbst vertreten<br />

sind <strong>und</strong> die Interessen <strong>und</strong> Werte derjenigen,<br />

die mit den Risikofolgen später leben<br />

müssen, auch angemessen aufgegriffen <strong>und</strong> in<br />

den Entscheidungsprozess integriert werden.<br />

„Verpackung“ allein reicht nicht<br />

Zu einer wirkungsvollen Risikokommunikation<br />

gehört, dass alle vier Formen der<br />

Kommunikationen parallel erfolgen. Denn


Was Verbraucher<br />

als riskant wahrnehmen<br />

diese vier Formen sprechen unterschiedliche<br />

Bedürfnisse der diversen Öffentlichkeiten<br />

an, die nicht mit einem Kommunikationsinstrument<br />

allein befriedigt werden können.<br />

Dabei sollte es nicht das Ziel der<br />

Risikokommunikation sein, die jeweils andere<br />

Seite zu überzeugen, ein Risiko sei tragbar<br />

oder unzumutbar, sondern Kommunikation<br />

in allen vier Formen hat die wesentliche<br />

Funktion, die betroffenen Bürger <strong>und</strong> Bürgerinnen<br />

„risikomündig“ zu machen. Dies<br />

bedeutet, dass jeder von Risiken betroffene<br />

Mensch oder auch soziale Gruppe befähigt<br />

werden sollte, auf der Basis der Kenntnis<br />

der faktisch nachweisbaren Konsequenzen<br />

von risikoauslösenden Ereignissen oder Ak-<br />

tivitäten, der verbleibenden Unsicherheiten<br />

<strong>und</strong> Ambiguitäten eine persönliche Beurteilung<br />

der jeweiligen Risiken vornehmen zu<br />

können, die den eigenen oder den von<br />

einem selbst als für die Gesellschaft ethisch<br />

gebotenen Kriterien entspricht.Wie Risiken<br />

von Politik <strong>und</strong> Experten bewertet werden,<br />

ist dabei ebenso bedeutsam für eine erfolgreiche<br />

Kommunikation wie die Frage nach<br />

der besten Form, der geeigneten Struktur<br />

oder dem benutzen Modell des Kommunikationsprozesses.Verpackung<br />

ist wichtig, aber<br />

die beste Verpackung nützt nichts, wenn das<br />

Paket die Verpackung nicht wert ist.<br />

Erfolgreiche Kommunikation beginnt mit<br />

einem rational durchdachten, sachgerechten<br />

<strong>und</strong> den Wertvorstellungen der Gesellschaft<br />

angemessenen Prozess der Risikobewertung.<br />

Aus diesem Gr<strong>und</strong>e muss auch besonderes<br />

Gewicht auf die nachvollziehbare <strong>und</strong> auf die<br />

den Anliegen der Menschen Rech<strong>nun</strong>g tragendenVerfahren<br />

der Bewertung gelegt worden.<br />

Diese Bewertung <strong>transparent</strong> zu gestalten, wird<br />

eine wichtige Aufgabe für die Zukunft sein. Es<br />

gilt, die Kluft zwischen den Wahrnehmern,<br />

den Wahrmachern <strong>und</strong> den Wahrgebern zu<br />

überbrücken, damit ein sachlich angemessener<br />

<strong>und</strong> den Werten der betroffenen Menschen<br />

entsprechender Umgang mit Ernährungsrisiken<br />

erfolgen kann.Wenn uns das nicht gelingt,<br />

überlassen wir das Feld den Wahrsagern<br />

<strong>–</strong> <strong>und</strong> damit wäre niemandem gedient.


Verbraucherschutz <strong>und</strong> Lebensmittelsicherheit:<br />

� die Rückverfolgbarkeit von Futter- <strong>und</strong> Lebensmitteln<br />

sowie ihrer Zutaten bis zu ihrem<br />

Ursprung beispielsweise im Agrarbereich (3);<br />

� eine umfassende Risikoanalyse, bestehend<br />

aus den drei miteinander verb<strong>und</strong>enen Einzelschritten<br />

der Risikobewertung, des Risikomanagements<br />

<strong>und</strong> der Risikokommunikation;<br />

� die Anwendung des Vorsorgeprinzips auch<br />

unter Berücksichtigung der Auswirkungen auf<br />

zukünftige Generationen.<br />

Was ist aus dem angekündigten Maßnahmenpaket<br />

geworden? In der Tat ist vieles<br />

davon bereits realisiert worden oder befindet<br />

sich gerade in der Phase der Umsetzung,<br />

wenn auch bei manchen Gesetzesvorhaben<br />

wegen schwieriger Abstimmungsprozesse eine<br />

zeitliche Verzögerung zu beobachten ist.<br />

So erleben wir derzeit eine bislang nicht da<br />

gewesene Flut von neuen oder geänderten<br />

Rechtsvorschriften <strong>und</strong> darüber hinaus einen<br />

gr<strong>und</strong>legenden Wandel in der Gesetzgebung<br />

zu deutlich höherer Verantwortung für<br />

alle Erzeugungs- <strong>und</strong> Herstellungsstufen.<br />

<strong>transparent</strong> 13<br />

<strong>Neue</strong> <strong>Regeln</strong> <strong>–</strong> <strong>und</strong> <strong>was</strong> <strong>nun</strong>?<br />

Im Januar 2000 stellte der zuständige EU-Kommissar David Byrne das so genannte<br />

Weißbuch zur Lebensmittelsicherheit vor, ein umfassendes Maßnahmenpaket<br />

zur Förderung des Ges<strong>und</strong>heitsschutzes. Das Ziel: die Lebensmittelsicherheit in der<br />

EU am höchstmöglichen Standard auszurichten. Die Mittel: die „radikalsten<br />

<strong>und</strong> durchgreifendsten Vorschläge“, die es im Bereich Lebensmittelsicherheit jemals<br />

gegeben hatte. Doch schüttet die EU-Kommission das Kind mit dem Bade aus.<br />

Kleine <strong>und</strong> mittelständische Unternehmen (KMU) der Ernährungswirtschaft geraten<br />

auch deshalb zunehmend in Existenznot. Professor Dr. Bärbel Kniel, Vorstand der<br />

biotask AG in Esslingen, beschreibt die Zwangslage anhand konkreter Beispiele.<br />

Die tiefgreifende Zäsur zur Jahrtausendwende<br />

im europäischen Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Verbraucherschutz<br />

machte im Gr<strong>und</strong>satz Sinn.<br />

Das durch verschiedene Krisen erschütterte<br />

Verbrauchervertrauen in die Sicherheit von<br />

Lebensmitteln sollte wiederhergestellt werden.<br />

Mehr als 80 einzelne Maßnahmen sollten<br />

in einem ehrgeizigen Zeitplan erarbeitet <strong>und</strong><br />

umgesetzt werden, die die Bereiche Futtermittel,Tierges<strong>und</strong>heit<br />

<strong>und</strong> Tierschutz, Hygiene,<br />

Kontaminanten <strong>und</strong> Rückstände, neuartige<br />

Lebensmittel, mit gentechnischen Verfahren<br />

hergestellte Lebensmittel, Zusatzstoffe,Aromastoffe<br />

<strong>und</strong> vieles mehr betreffen (1). Zusätzlich<br />

sind allgemeine Gr<strong>und</strong>sätze der Lebensmittelsicherheit<br />

neu festgeschrieben worden wie<br />

� die erweiterte Verantwortung der Hersteller<br />

von Futter- <strong>und</strong> Lebensmitteln sowie<br />

der vorgelagerten Stufen (z.B. Landwirtschaft).<br />

Diese beinhaltet auch eine Meldepflicht,<br />

wenn ein vertriebenes Lebensmittel<br />

den Anforderungen an die Lebensmittelsicherheit<br />

nicht entspricht (2);<br />

Hysterisierte Öffentlichkeit <strong>und</strong><br />

politisch-ideologische Interessen<br />

in unheilvoller Kombination<br />

Infolge der politischen Neuausrichtung<br />

des Verbraucherschutzes durch das Ministerium<br />

für Verbraucherschutz, Ernährung <strong>und</strong><br />

Landwirtschaft (BMVEL) werden diese europäischen<br />

Bestrebungen auch auf nationaler<br />

Ebene begrüßt <strong>und</strong> zum Teil in noch erweiterter<br />

Form umgesetzt. Dabei spielt auch<br />

der Druck einer „hysterisierten Öffentlichkeit“<br />

eine nicht unbedeutende Rolle. Es<br />

drängt sich der Eindruck auf, dass mehr <strong>und</strong><br />

mehr ein neuer Stil des Verbraucherschutzes<br />

<strong>und</strong> der -Information Einzug hält, der nur<br />

noch wenig mit dem klassischen Auftrag des<br />

Verbraucherschutzes zu tun hat. Der Einfluss<br />

der so genannten NGO’s (non governmental<br />

organisations) wird immer stärker <strong>und</strong> deren<br />

Mei<strong>nun</strong>g in der Öffentlichkeit häufig als<br />

neutrale Sittenwächter des Verbraucherschutzes<br />

lanciert, um ggf. politisch-ideologi-


<strong>Neue</strong> <strong>Regeln</strong> <strong>–</strong> <strong>und</strong> <strong>was</strong> <strong>nun</strong>?<br />

sche Interessen voran zu bringen. In dieses<br />

Szenario passt auch das im Internet veröffentlichte<br />

Diskussionspapier Nr. 10 des Büros für<br />

Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen<br />

B<strong>und</strong>estag zum Thema „Pro <strong>und</strong> Kontra<br />

der Tren<strong>nun</strong>g von Risikobewertung <strong>und</strong> Risikomanagement<br />

<strong>–</strong> Diskussionsstand in Deutschland<br />

<strong>und</strong> Europa“. In diesem Papier sollten<br />

unter anderem „gr<strong>und</strong>sätzliche konzeptionelle<br />

Überlegungen zur Frage“ angestellt werden,<br />

„in welchem Rahmen <strong>und</strong> mit welchen<br />

Strukturen Ziele einer effizienten Politikberatung<br />

<strong>und</strong> Information des Verbrauchers am<br />

besten erreicht werden können“. Dazu wurde<br />

folgende Empfehlung ausgesprochen:<br />

„Initiierung einer unabhängigen <strong>und</strong> öffentlichkeitswirksamen<br />

Vertretung von Verbraucherschutzinteressen<br />

<strong>–</strong> es fehlt ein „Greenpeace<br />

des Verbraucherschutzes.“ Ohne zusätzliche<br />

Skandalisierungschancen wird es<br />

kaum möglich sein, einen schlagkräftigen Verbraucherschutz<br />

zu organisieren. Der Staat<br />

kann in diesem Zusammenhang jedoch nur<br />

begrenzt tätig werden, hat aber die Möglichkeit,<br />

sich der vorhandenen <strong>–</strong> u.E. zu wenig<br />

kämpferischen <strong>und</strong> basisnahen Verbraucherschutzinteressen<br />

anzunehmen <strong>und</strong> deren<br />

Selbstorganisationskräfte zu stärken“.<br />

Dies führt zu erheblichen Irritationen. Die<br />

Unternehmer sind von diesen neuen Strömungen<br />

in existenziellem Ausmaß betroffen.<br />

Diese sind gerade angesichts der über sie<br />

hereinbrechenden Regelungsflut auf verständliche<br />

<strong>und</strong> praktisch umsetzbare Bestimmungen<br />

<strong>und</strong> auf die Unterstützung der Politik<br />

angewiesen. Was aber aus den Mühlen der<br />

europäischen <strong>und</strong> nationalen Gesetzgebung<br />

herauskommt, entspricht häufig nicht diesen<br />

Erfordernissen. Insbesondere die kleinen<br />

<strong>und</strong> mittelständischen Unternehmen, die<br />

nach dem erklärten Willen der Politik gestärkt<br />

werden sollen, sind von diesen zunehmend<br />

praxis- <strong>und</strong> lebensfremden Regelungen<br />

<strong>und</strong> dem um sich greifenden Dirigismus<br />

besonders nachteilig betroffen.<br />

Fatale Konsequenzen<br />

Im Folgenden wird diese Situation anhand<br />

einiger aktueller Beispiele beschrieben<br />

<strong>und</strong> die sich abzeichnenden Konsequenzen<br />

werden aufgezeigt.<br />

� Rückverfolgbarkeit<br />

Ab 2005 muss die Rückverfolgbarkeit von<br />

Lebensmitteln auf allen Produktions-, Verarbeitungs-<br />

<strong>und</strong> Vertriebsstufen sichergestellt<br />

sein. Das bedeutet, dass der Herstellungsweg<br />

eines Lebensmittels <strong>und</strong> seiner Zutaten über<br />

entsprechende Dokumentationen innerhalb<br />

der Herstellungskette bis zu seinem Ursprung<br />

<strong>–</strong> beispielsweise im Agrarbereich <strong>–</strong> nachvollzogen<br />

werden kann. Dadurch sollen ggf. erforderliche<br />

Rückrufaktionen effizienter <strong>und</strong><br />

schneller vonstatten gehen. Jeder Lebensmittelunternehmer<br />

hat dann Aufzeich<strong>nun</strong>gen zu<br />

führen, aus denen hervorgeht, wann er welche<br />

Zutaten oder Rohstoffe von wem bezogen<br />

hat <strong>und</strong> wann er welche Erzeugnisse an<br />

wen abgegeben hat. Ausgenommen von der<br />

abgaberelevanten Dokumentation sind Unternehmen,<br />

die ihre Lebensmittel direkt an<br />

den Endverbraucher abgeben.<br />

Für einen Backwarenhersteller bedeutet<br />

dies beispielsweise, dass der Werdegang eines<br />

Sacks einer verwendeten Backmischung<br />

eindeutig über die folgenden vorgelagerten<br />

Stufen seiner Herstellungs- <strong>und</strong> Vertriebswege<br />

zurückverfolgbar sein muss: Bäckereigroßhandel,<br />

Hersteller der Backmischung,<br />

Mühlen, Agrarhandel, Landwirt.<br />

Das hat erhebliche Konsequenzen, weil<br />

Qualitätsmanagement- <strong>und</strong> Logistiksysteme<br />

diesen neuen Anforderungen angepasst werden<br />

müssen. Da nach den gesetzlichen Vorgaben<br />

eine Warenstromanalyse jederzeit möglich<br />

sein muss, ist es erforderlich, die ent-<br />

„Die Unternehmer sind<br />

gerade angesichts der über<br />

sie hereinbrechenden<br />

Regelungsflut auf verständliche<br />

<strong>und</strong> praktisch umsetzbare<br />

Bestimmungen <strong>und</strong><br />

auf die Unterstützung der<br />

Politik angewiesen.“<br />

sprechenden Logistiksysteme einander anzupassen<br />

(3). Die betroffenen Unternehmen<br />

schätzen die Mehrkosten für die Umsetzung<br />

dieser Regelung auf ca. drei Prozent des<br />

durchschnittlichen Jahresumsatzes. Das beinhaltet<br />

insbesondere erhöhte Personalkosten<br />

sowie die Anschaffung von entsprechender<br />

Soft- <strong>und</strong> Hardware.<br />

Amtsschimmel auf Parforceritt<br />

durch die Backstuben?<br />

Für kleine Unternehmen bedeutet dies<br />

einen erheblichen administrativen Mehraufwand.<br />

Eine besondere Herausforderung


Professor Bärbel Kniel<br />

<strong>transparent</strong> 15<br />

stellt die Rückverfolgbarkeit für das Bäcker<strong>und</strong><br />

Konditorenhandwerk dar, das heute<br />

ein vielfältiges Sortiment von Backwaren<br />

anbietet. Die tägliche Artikelzahl beläuft<br />

sich in einer durchschnittlichen Bäckerei<br />

auf 130 bis 140 verschiedene Produkte, im<br />

Jahresdurchschnitt werden zusammen mit<br />

den Saisonartikeln ca. 300 bis 500 Produkte<br />

angeboten. Diese wiederum werden aus<br />

einer Fülle unterschiedlicher Rohstoffe hergestellt,<br />

die die Zahl der Backwaren noch<br />

übertreffen dürfte. Ein Kürbiskernbrot, ein<br />

Schwarzwälder Kirschröllchen <strong>und</strong> Rhabarberschnitten<br />

haben in ihrer Zusammensetzung<br />

außer den Zutaten Mehl <strong>und</strong> Wasser<br />

nichts gemeinsam. Alle gelieferten Rohstoffe<br />

sollen <strong>nun</strong> mit Angabe des Datums<br />

<strong>und</strong> der Chargenkennzeich<strong>nun</strong>g dokumentiert<br />

werden. Die Frage, wie dabei mit<br />

nicht eindeutig zuzuordnenden Silo-Rohstoffen<br />

wie beispielsweise Mehl umgegangen<br />

werden soll, steht bislang ungeklärt<br />

im Raum.Wechselsilos könnten zwar eine<br />

Zuord<strong>nun</strong>g von Rohstofflieferungen erleichtern,<br />

allerdings sind für deren Anschaffung<br />

erhebliche Investitionen nötig.<br />

Wer darüber hinaus den Alltag in einem<br />

durchschnittlichen handwerklichen Backbetrieb<br />

kennt, wird die geforderte Rückverfolgbarkeit<br />

als Paradebeispiel eines praxisfremden<br />

Papiertigers klassifizieren. Gefragt sind<br />

hier pragmatische, mit der Praxis verträgliche<br />

Lösungen seitens des Gesetzgebers.<br />

� Kennzeich<strong>nun</strong>gsbestimmungen<br />

Mit der in Kürze zu erwartenden Neufassung<br />

der EU-Etikettierungsrichtlinie müssen<br />

wegen der umfangreichen Kennzeich<strong>nun</strong>gsänderungen<br />

für alle fertigverpackten Produkte<br />

neue Zutatenlisten erstellt werden (4).<br />

Insbesondere die Neuaufnahme bestimmter<br />

Stoffe mit einem so genannten „allergenen


<strong>Neue</strong> <strong>Regeln</strong> <strong>–</strong> <strong>und</strong> <strong>was</strong> <strong>nun</strong>?<br />

Potenzial“ wird zu einem deutlichen Anstieg<br />

des Personaleinsatzes <strong>und</strong> der Verpackungskosten<br />

in den Unternehmen führen. Sämtliche<br />

Zutaten sind unter dem Aspekt eines<br />

möglichen allergenen Potenzials neu zu<br />

betrachten, so dass auch die entsprechenden<br />

Lieferanten einbezogen werden müssen.<br />

Selbst geringfügige Rezepturumstellungen<br />

können eine kostenintensive Neuauflage von<br />

Verpackungsmaterial nach sich ziehen. Die<br />

dadurch verursachten Mehrkosten belaufen<br />

sich nach jetzigen Schätzungen auf ca. zwei<br />

Prozent des Jahresumsatzes.<br />

Nach der neuen Etikettierungsrichtlinie<br />

müssen nicht nur Zutaten mit einem anerkannten<br />

allergenen Potenzial angegeben<br />

werden (z.B. Milch, Soja, Nüsse, Weizen),<br />

sondern auch alle daraus hergestellten<br />

Erzeugnisse, auch wenn diese aufgr<strong>und</strong><br />

der technologischen Verarbeitungsprozesse<br />

kein erkennbares allergenes Potenzial erwarten<br />

lassen (z.B. raffiniertes Sojaöl,Trau-<br />

„Bei vielen Produkten, die<br />

bislang von Allergikern ohne<br />

Beschwerden verzehrt worden<br />

sind, wird <strong>nun</strong> der Hinweis<br />

auf den zugr<strong>und</strong>liegenden<br />

allergenen Rohstoff zu einer<br />

Verunsicherung führen.“<br />

benzucker aus Weizenstärke, Milchsäure<br />

aus Getreidemaischen). Bei vielen Produkten,<br />

die bislang von Allergikern ohne<br />

Beschwerden verzehrt worden sind, wird<br />

<strong>nun</strong> der Hinweis auf den zugr<strong>und</strong>liegenden<br />

allergenen Rohstoff zu einer Verunsicherung<br />

führen <strong>und</strong> ihre Kaufauswahl erheblich einschränken.<br />

Es bleibt zu hoffen, dass diese<br />

Zutaten der zweiten oder dritten Generation<br />

aus einem allergenen Gr<strong>und</strong>stoff noch<br />

rechtzeitig vor Inkrafttreten der jeweiligen<br />

nationalen Bestimmungen von der Kennzeich<strong>nun</strong>g<br />

ausgenommen werden, da der<br />

damit verb<strong>und</strong>ene Mehraufwand für die<br />

Lebensmittelunternehmen in keinem Verhältnis<br />

zu einem Informationsnutzen für die<br />

betroffenen Verbraucherkreise steht.<br />

Vom Verkäufer zum<br />

Lebensmittelwissenschaftler?<br />

Nach Ansicht des B<strong>und</strong>esministeriums für<br />

Verbraucherschutz, Ernährung <strong>und</strong> Landwirtschaft<br />

(BMVEL) sollen wesentliche Elemente<br />

der neuen EU-Etikettierungsrichtlinie<br />

zukünftig in Deutschland auch für den Abverkauf<br />

loser Ware übernommen werden.<br />

Dies trifft insbesondere für die<br />

Informationen über allergene<br />

Zutaten zu, die dem Verbraucher<br />

auch beim Kauf nicht fertigverpackter<br />

Lebensmittel zugänglich<br />

gemacht werden sollen. Dazu<br />

gehört ein vielfältiges Angebot<br />

von Produkten, das überwiegend<br />

von handwerklichen Betrieben<br />

hergestellt wird, wie Backwaren,<br />

Käse <strong>und</strong> Wurst sowie der<br />

gesamte Bereich der Außer-<br />

Haus-Verpflegung. Das BMVEL hat angekündigt,<br />

für diese Bereiche pragmatische Lösungen<br />

anzustreben. Dennoch ist damit zu rechnen,<br />

dass durch die geplanten Maßnahmen<br />

auf die betroffenen Betriebe, die aus Wettbe-<br />

werbsgründen häufig ein vielfältiges <strong>und</strong><br />

wechselndes Lebensmittelsortiment anbieten<br />

müssen, ein deutlicher Mehraufwand an<br />

Kosten für fachlich qualifiziertes Personal<br />

zukommt, um die notwendigen Informationen<br />

zu beschaffen, zu dokumentieren <strong>und</strong><br />

vor allem nachzuhalten. Es darf die Prognose<br />

gewagt werden, dass die Umsetzung zu massiven<br />

Problemen führen wird. Dass die heute<br />

schon bestehenden sehr komplexen <strong>und</strong><br />

häufig geänderten Kennzeich<strong>nun</strong>gsvorschriften<br />

wegen fehlender Personalressourcen von<br />

vielen kleinen Betrieben nicht umgesetzt werden<br />

können, ist eine bekannte Tatsache.<br />

� Gentechnik: <strong>Neue</strong> Kennzeich<strong>nun</strong>gsbestimmungen<br />

für Lebensmittel<br />

<strong>und</strong> Lebensmittelzutaten,<br />

die aus gentechnisch veränderten<br />

Organismen hergestellt werden<br />

Nach einem langen politischen Abstimmungsprozess<br />

ist kürzlich die Novellierung<br />

der neuen Gentechnik-Regelungen für Lebens<strong>und</strong><br />

Futtermittel fertiggestellt worden. Ab<br />

Frühjahr 2004 müssen Lebensmittel mit dem<br />

Hinweis auf eine gentechnische Veränderung<br />

versehen werden, sofern diese oder ihre Zutaten<br />

GVO enthalten oder daraus bestehen<br />

oder aus einem gentechnisch veränderten<br />

Organismus hergestellt worden sind. Nach<br />

bisherigem Recht bedarf es einer Kennzeich<strong>nun</strong>g<br />

nur in den Fällen, in denen eine gentechnische<br />

Veränderung mittels analytischer<br />

Verfahren nachweisbar ist <strong>und</strong> damit dingfest<br />

gemacht werden kann (5). Dieses Prinzip<br />

wird ersetzt durch eine herkunftsbezogene<br />

Kennzeich<strong>nun</strong>g, die unabhängig von<br />

einem tatsächlichen Nachweis ist. Damit soll


Der Mittelstand, dem die<br />

entsprechenden Ressourcen<br />

fehlen, bleibt jetzt <strong>und</strong><br />

künftig von interessanten<br />

Innovationen ausgeschlossen!!!<br />

dem Verbraucher auf Basis <strong>transparent</strong>er Informationen<br />

eine bewusste Kaufentscheidung<br />

„pro oder contra Gentechnik“ möglich gemacht<br />

werden. Die für eine Kennzeich<strong>nun</strong>g<br />

notwendigen Informationen sollen über ein<br />

Dokumentationssystem über die gesamte Herstellungskette<br />

hinweg sichergestellt werden.<br />

Da der Löwenanteil der betroffenen Ausgangsrohstoffe<br />

für viele Lebensmittelzutaten<br />

(Soja, Mais, Raps, Baumwolle etc.) derzeit aus<br />

Drittländern stammt, die nicht zum Geltungsbereich<br />

der EU gehören, dürften sich die<br />

neuen Bestimmungen zu einem nicht nachprüfbaren<br />

Papiertiger entwickeln, <strong>was</strong> weder<br />

im Sinne der Verbraucher noch der Lebensmittelunternehmer<br />

ist.Trotz Erlasses der neuen<br />

Bestimmungen <strong>und</strong> der sehr kurzen Umsetzungsfrist<br />

ist es für eine Vielzahl von Zutaten<br />

darüber hinaus nach wie vor unklar, ob sie<br />

unter die neuen Kennzeich<strong>nun</strong>gsbestimmungen<br />

fallen oder nicht <strong>–</strong> für den Rechtsunterworfenen<br />

eine unzumutbare Situation. Dies<br />

liegt in erster Linie an unklaren Formulierungen,<br />

die selbst ausgewiesene Fachleute an<br />

den Rand der Kapitulation bringen.<br />

Was schert den Gesetzgeber<br />

noch die Realität?<br />

Da es sich in erster Linie um ein politisch<br />

gewolltes Gesetzespaket handelt, ist es nicht<br />

verw<strong>und</strong>erlich, dass Gesichtspunkte der<br />

Umsetzbarkeit für die betroffenen Wirtschaftskreise<br />

nicht im Fokus standen <strong>und</strong><br />

stehen. Für die Ernährungswirtschaft bedeuten<br />

die neuen rechtlichen Bestimmungen<br />

zusätzliche Belastungen in den Bereichen<br />

Rohwarenbeschaffung, Qualitätsmanagement<br />

<strong>und</strong> Dokumentation. Wegen der fehlenden<br />

Marktakzeptanz wird die Zulieferbranche<br />

des Backgewerbes keine Produkte mit einer<br />

Gentechnik-Kennzeich<strong>nun</strong>g vertreiben wollen.<br />

Daraus ergeben sich erhebliche Mehrkosten<br />

für die Beschaffung von Rohwaren, die<br />

nicht aus gentechnisch veränderten Agrargütern<br />

wie Soja oder Mais hergestellt werden,<br />

da diese „herkömmlichen“ Rohwaren wegen<br />

der stark steigenden Anbauquoten von<br />

gentechnisch modifizierten Pflanzen auf<br />

dem Weltmarkt verknappen <strong>und</strong> aufwendige<br />

Trennsysteme der Warenströme etabliert<br />

werden müssen. Die dadurch entstehenden<br />

Mehrkosten werden auf weitere drei Prozent<br />

des Jahresumsatzes geschätzt.<br />

� Novel Food-Verord<strong>nun</strong>g<br />

Die Bestimmungen über neuartige Lebensmittel<br />

sind <strong>nun</strong> schon mehrere Jahre alt, so<br />

dass erste Erfahrungen im Umgang mit dieser<br />

Verord<strong>nun</strong>g <strong>und</strong> den sich daraus abzeichnenden<br />

Konsequenzen vorliegen. Die Verord<strong>nun</strong>g<br />

über neuartige Lebensmittel sieht<br />

im Wesentlichen vor, dass alle neuen Produkte,<br />

die in Europa vor ihrer Markteinführung<br />

noch nicht regelmäßig verzehrt worden sind,<br />

einer Sicherheitsprüfung <strong>und</strong> einem Zulassungsverfahren<br />

durch die zuständigen Behörden<br />

unterworfen werden, ähnlich wie bei<br />

der Zulassung von Arzneimitteln. Eine solche<br />

Zulassung bedeutet für den Hersteller des<br />

neuen Erzeugnisses ein kosten- <strong>und</strong> zeitintensives<br />

Procedere. Die bisher erfolgten Zulassungen<br />

zeigen, dass nur große, überwiegend<br />

international tätige Konzerne über die<br />

<strong>transparent</strong> 17<br />

entsprechenden Möglichkeiten verfügen. Die<br />

Zulassung wird nur für das jeweilige spezifische<br />

Produkt des antragstellenden Unternehmens<br />

ausgesprochen, ist also quasi exklusiv, <strong>was</strong><br />

angesichts der teuren Entwicklungs- <strong>und</strong> Zulassungskosten<br />

plausibel erscheint. Der Mittelstand,<br />

dem die entsprechenden Ressourcen<br />

fehlen, bleibt jetzt <strong>und</strong> künftig von interessanten<br />

Innovationen ausgeschlossen!!! Weitere<br />

Beispiele über geplante Gesetzesvorhaben<br />

passen zu dem beschriebenen Szenario:<br />

� Das bestehende Regelungschaos über die<br />

Verfütterung von Produktionsnebenprodukten<br />

der Backwarenherstellung <strong>und</strong> der vorgelagerten<br />

Stufen ist nicht mehr durchschaubar.<br />

Die EU-Kommission plant <strong>nun</strong>, diese Erzeugnisse<br />

in die neuen futtermittelrechtlichen<br />

Bestimmungen aufzunehmen. Nach dem augenblicklichen<br />

Stand der Überlegungen würde<br />

ein Backbetrieb, der nicht verkäufliche Backwaren<br />

zur Verfütterung abgibt, damit zum<br />

Futtermittelhersteller <strong>und</strong> müsste die entsprechenden<br />

sehr stringenten Auflagen an Qualitätsmanagementsysteme<br />

für Futtermittel<br />

erfüllen. Die Umsetzbarkeit ist gleich Null!<br />

� Es wird diskutiert, dass die Nährwertkennzeich<strong>nun</strong>gsvorschriften<br />

für alle Lebensmittel<br />

obligatorisch werden sollen. Das würde bedeuten,<br />

dass für alle Produkte die Brennwerte<br />

sowie die Gehalte an Eiweiß, Kohlenhydraten<br />

<strong>und</strong> ggf. weitere Nährstoffe berechnet oder<br />

sogar analytisch bestimmt werden müssen, <strong>was</strong><br />

die Kostenspirale weiter in die Höhe triebe.<br />

� Die Bewerbung von Produkten mit sog.<br />

ges<strong>und</strong>heitsbezogenen Aussagen, die gerade<br />

im Bereich von Brot ein wichtiges Instrument<br />

der Verkaufsförderung darstellt, wird<br />

drastisch eingeschränkt.Aussagen wie „Brot<br />

essen <strong>–</strong> fit bleiben“ werden dann wohl der<br />

Vergangenheit angehören. Spezielle ges<strong>und</strong>heitsbezogene<br />

Claims müssen von den EU-<br />

Behörden bewilligt werden. Eine Genehmi


<strong>Neue</strong> <strong>Regeln</strong> <strong>–</strong> <strong>und</strong> <strong>was</strong> <strong>nun</strong>?<br />

gung soll nur noch dann erfolgen, wenn der<br />

wissenschaftliche Nachweis erbracht werden<br />

kann, dass eine ges<strong>und</strong>heitsbezogene Aussage<br />

auch die entsprechende Wirkung nach<br />

dem Verzehr aufweist. Derartige Nachweise<br />

sind mit aufwändigen ernährungsphysiologischen<br />

Studien verb<strong>und</strong>en, die nur von großen<br />

Unternehmen finanzierbar sind. Der Mittelstand<br />

schaut auch hier in die Röhre.<br />

Fazit<br />

Anhand der beschriebenen Beispiele wird<br />

deutlich, dass die durchaus nachvollziehbaren<br />

politischen Bestrebungen der EU <strong>und</strong><br />

auch Deutschlands für einen „Verbraucherschutz“<br />

auf dem beschriebenen Niveau nicht<br />

in Einklang zu bringen sind mit den derzeitigen<br />

Strukturen <strong>und</strong> Möglichkeiten eines kleinen<br />

<strong>und</strong> mittelständischen Lebensmittelunternehmens.<br />

Die neuen Gesetze sind von<br />

diesen nur beherrschbar <strong>und</strong> umsetzbar,<br />

wenn zusätzliche Investitionen in Personal<br />

<strong>und</strong> Ausstattung getätigt werden. Damit<br />

erhöhen sich automatisch die Herstellungskosten<br />

von Lebensmitteln. Um diese Kosten<br />

auf dem derzeit äußerst preissensiblen Lebensmittelmarkt<br />

an den Verbraucher weitergeben<br />

zu können, bedarf es bei der Bevölkerung<br />

einer gr<strong>und</strong>legenden Änderung in der<br />

Einstellung zur Bedeutung von Ernährung<br />

<strong>und</strong> Lebensmitteln. Eine entsprechende Trendwende<br />

zu bewirken, setzt einen langen <strong>und</strong><br />

politisch gestützten Atem voraus.<br />

Mittelstand ade?<br />

Gelingt dies in absehbarer Zeit nicht,<br />

muss mit einem deutlich forcierten Konzentrationsprozess<br />

innerhalb der Ernährungswirtschaft<br />

zugunsten großer Unternehmen<br />

gerechnet werden (siehe dazu auch: „Wer<br />

schützt den Mittelstand?“ Ein Kommentar<br />

von Amin Werner). Damit verb<strong>und</strong>en kann<br />

es zu einer Verarmung des vielfältigen<br />

Lebensmittelsortimentes kommen, da dieses<br />

vor allem im Bereich regionaler Spezialitäten<br />

überwiegend von kleinen Betrieben hergestellt<br />

wird. Weder für die Wirtschaft noch<br />

für die Verbraucher wäre ein solcher Prozess<br />

wünschenswert. Das Potenzial für einen<br />

Wertewandel in Fragen der Ernährung <strong>und</strong><br />

der Lebensmittelsicherheit sollte aber bei<br />

der Bevölkerung vorhanden sein. Die Ausgaben<br />

für Lebensmittel sind in den letzten 50<br />

Jahren von 44 auf elf Prozent des verfügbaren<br />

Einkommens gesunken. Diesen Trend<br />

zugunsten eines auch in Zukunft vielfältigen<br />

<strong>und</strong> sicheren Lebensmittelangebotes umzukehren,<br />

ist in hohem Maße erforderlich.<br />

Weiterführende Quellen:<br />

(1) Werner, A: Das Weißbuch zur Lebensmittelsicherheit,<br />

Teil 1: Einleitung, bmi aktuell<br />

1/2001<br />

(2) Werner, A: Das Weißbuch zur Lebensmittelsicherheit,Teil<br />

5: Auskunft <strong>–</strong> <strong>und</strong> Informationspflichten,<br />

bmi aktuell 1/2003<br />

(3) Werner, A: Das Weißbuch zur Lebensmittelsicherheit,<br />

Teil 4: Rückverfolgbarkeit<br />

von Rohstoffen, bmi aktuell 1/2002<br />

(4) Werner, A: Das Weißbuch zur Lebensmittelsicherheit,<br />

Teil 3: Rechtsvorschriften<br />

im Bereich Lebensmittelsicherheit, bmi<br />

aktuell 3/2001<br />

(5) Kniel, B: Die Bedeutung mittels Gentechnik<br />

gewonnener Zutaten für die Backwarenherstellung,<br />

bmi aktuell 1/2001.


Amin Werner<br />

Wer schützt den<br />

Mittelstand?<br />

Eine kritische Kommentierung von Rechtsanwalt<br />

Amin Werner, Geschäftsführer des<br />

Verbandes der Backmittel- <strong>und</strong> Backgr<strong>und</strong>stoffhersteller<br />

(BVB) e.V. (Bonn/Wien).<br />

Liest man den vorstehenden Beitrag mit<br />

der notwendigen Aufmerksamkeit, dann<br />

drängt sich einem zwangsweise die Frage<br />

auf: Wer schützt den Mittelstand vor einer<br />

überzogenen Gesetzgebung? Denn den Lebensmittelherstellern<br />

steht wie nie zuvor<br />

eine Fülle gravierender <strong>und</strong> einschneidender<br />

neuer Regelungen bevor. So etwa ...<br />

� die Rückverfolgbarkeit von Rohstoffen,<br />

� die Kennzeich<strong>nun</strong>g von Allergenen,<br />

� eine erweiterte Kennzeich<strong>nun</strong>g<br />

von losen Waren,<br />

� die Gentechnikkennzeich<strong>nun</strong>g<br />

<strong>und</strong> -rückverfolgbarkeit,<br />

� eine umfangreichere<br />

Nährwertkennzeich<strong>nun</strong>g,<br />

� die Einschränkung der<br />

ges<strong>und</strong>heitsbezogenen Werbung etc.<br />

Neben diesen lebensmittelrechtlichen Regelungen<br />

sind ferner auch wirtschaftsrechtliche<br />

Gesetzesvorhaben geplant, wie z.B. die<br />

Einführung einer Maut für LKW, Verschärfungen<br />

im Umwelt- <strong>und</strong> Wettbewerbsrecht<br />

sowie diverse Änderungen im Bereich des<br />

Steuer- <strong>und</strong> Sozialrechts. Darüber hinaus hat<br />

<strong>transparent</strong> 19<br />

das produzierende Gewerbe noch erheblich<br />

an den Wirkungen der unterschiedlichen<br />

Stufen der Ökosteuer zu leiden.<br />

Kostenargumente<br />

vom Tisch gefegt<br />

Die Einschätzung des Gesetzgebers, ob<br />

durch solche Vorschriften zusätzliche Kosten<br />

auf die Wirtschaft zukommen, fällt meistens<br />

negativ aus. Es ist bis heute nicht<br />

erkennbar, auf welcher Gr<strong>und</strong>lage die Vertreter<br />

der Exekutive diese Bewertungen<br />

vornehmen. Sobald seitens der Wirtschaft<br />

Kostenargumente in den Vordergr<strong>und</strong> gerückt<br />

werden, werden diese als „Standardargumente“<br />

beiseite geschoben. In der<br />

Praxis zeigt es sich aber, dass sich die zunehmende<br />

Flut neuer Vorschriften <strong>–</strong> <strong>und</strong> hier<br />

insbesondere die Verschärfungen von Vorschriften<br />

<strong>–</strong> zugunsten großer, international<br />

tätiger Konzerne auswirkt. Diese großen<br />

Unternehmen haben die Möglichkeiten,<br />

bestimmte Maßnahmen durchzuführen, wie<br />

z.B. die Rückverfolgbarkeit von Rohstoffen.<br />

Die in diesen Unternehmen meist bereits<br />

bestehenden Systeme müssen nur noch mit<br />

einem vergleichsweise geringen Aufwand den<br />

neuen Anforderungen angepasst werden.<br />

Die Ernährungswirtschaft, die zu ca. 85%<br />

aus mittelständischen Unternehmen besteht,<br />

muss hingegen mit größtem personellen <strong>und</strong><br />

sachlichem Aufwand die vorgegebenen Regelungen<br />

in die Praxis umsetzen. Dadurch verschlechtert<br />

sich aufgr<strong>und</strong> der geb<strong>und</strong>enen<br />

Mittel, die nicht in den Markt investiert werden<br />

können, die Wettbewerbsfähigkeit von<br />

mittelständischen Lebensmittelherstellern.<br />

Zum Teil gehen sogar die geplanten Rechtsvorschriften<br />

an der Machbarkeit <strong>und</strong> Umsetzbarkeit<br />

völlig vorbei. Legislative <strong>und</strong> Exekutive<br />

greifen so unmittelbar in den Wettbewerb<br />

ein <strong>und</strong> verschlechtern mittelbar die


Wettbewerbsfähigkeit des Mittelstandes zugunsten<br />

großer internationaler Konzerne.<br />

Es kommt nicht von ungefähr, dass der<br />

Mittelstand als Hauptarbeitgeber <strong>und</strong> Steuerzahler<br />

zunehmend in Probleme gerät <strong>und</strong> seine<br />

Kostenstrukturen zu Lasten von Arbeitsplatzsicherungsmaßnahmen<br />

<strong>und</strong> <strong>Neue</strong>instellungen<br />

durchführt. In der Rationalisierung,<br />

aber auch Fusionierung von Unternehmensabläufen<br />

<strong>und</strong> gesamten Unternehmen sehen<br />

viele Unternehmer die einzige Möglichkeit, die<br />

kritische Größe zu erreichen, die erforderlich<br />

ist, um den neuen gesetzlichen Anforderungen<br />

gewachsen zu sein <strong>und</strong> noch wettbewerbsfähig<br />

zu bleiben. Dass sich dies auch fiskalisch<br />

für den Staat auswirkt, ist selbstverständlich.<br />

Politik <strong>und</strong> Verwaltung als<br />

Totengräber des Mittelstands?<br />

Ohne es zu wollen, ist auch die Verwaltung<br />

bei der Umsetzung der von der Politik<br />

vorgegebenen Richtlinien auf dem Weg, den<br />

Mittelstand nachhaltig zu schwächen. Es muss<br />

daher dringend gefordert werden, dass bei<br />

der Entwicklung neuer Verord<strong>nun</strong>gen <strong>und</strong><br />

Gesetze seitens der Politik nicht nur Technikfolgenabschätzungsstudien,<br />

sondern regelmäßig<br />

auch volkswirtschaftliche Abschätzungsstudien<br />

in Auftrag gegeben werden. Ein weiteres<br />

Zeichen dafür, dass der Mittelstand von<br />

der Politik mehr <strong>und</strong> mehr vernachlässigt<br />

wird, ist die Tatsache, dass mit umfangreichen<br />

Steuermitteln Institutionen unterstützt werden,<br />

die mit ihren Forderungskatalogen der<br />

Politik <strong>und</strong> Verwaltung zuspielen <strong>und</strong> die unsägliche<br />

Kettenreaktionen zu Ungunsten der<br />

Volkswirtschaft auslösen. Alleine die Europäische<br />

Union hat zwischen 1999 <strong>und</strong> 2003 jährlich<br />

über 20 Millionen Euro für Verbrau-<br />

„Wieso werden nicht<br />

größte Anstrengungen<br />

unternommen,<br />

die wirtschaftlichen<br />

Folgen von<br />

Verord<strong>nun</strong>gen<br />

<strong>und</strong> Gesetzen für<br />

den Motor der<br />

Volkswirtschaft<br />

zu überprüfen?“<br />

cherschutz- <strong>und</strong> -organisationen bereitgestellt.<br />

Die Mittel, die innerhalb Deutschlands für vergleichbare<br />

Organisationen aufgebracht werden,<br />

dürften um ein Vielfaches höher liegen.<br />

Wer aber unterstützt den Mittelstand?<br />

Wieso werden nicht größte Anstrengungen<br />

unternommen, die wirtschaftlichen Folgen<br />

von Verord<strong>nun</strong>gen <strong>und</strong> Gesetzen für den<br />

Motor der Volkswirtschaft zu überprüfen?<br />

Eine Fülle der bereits bestehenden gesetzlichen<br />

Regelungen sind überflüssig, werden an<br />

den Bedürfnissen des Verbraucherschutzes<br />

<strong>und</strong> der Konjunkturpolitik vorbei formuliert<br />

<strong>und</strong> dienen nur kurzfristigen politischen<br />

<strong>und</strong> Öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten,<br />

die aber keine nachhaltige positive Wirkung<br />

für die gesamte Volkswirtschaft haben.<br />

Erheblicher Mehraufwand für<br />

die Lebensmittelüberwachung<br />

Alle lebensmittelrechtlichen Vorschriften,<br />

die noch zur Verabschiedung anstehen, bedeuten<br />

einen erheblichen Mehraufwand für<br />

die Lebensmittelüberwachung. Gleichzeitig<br />

werden jedoch zunehmend Stellen in der<br />

Verwaltung gestrichen.<br />

Würde jede einzelne legislative <strong>und</strong> exekutive<br />

Maßnahme im Vorfeld ihrer Verabschiedung<br />

auf ihre Verhältnismäßigkeit hin<br />

überprüft, könnte eine Vielzahl von Vorschriften<br />

unterbleiben bzw. aufgehoben werden,<br />

ohne dass die Lebensmittelsicherheit <strong>und</strong> der<br />

Verbraucherschutz darunter zu leiden hätten;<br />

gleichzeitig würde damit aber ein klares konjunkturpolitisches<br />

<strong>und</strong> somit positives Zeichen<br />

für die Volkswirtschaft gesetzt werden.


Chemikalienbewertung<br />

dern dass es von der Expositionshöhe<br />

abhängt, ob eine Erkrankung mit der Chemikalie<br />

in Zusammenhang gebracht werden<br />

kann. Dieser Zusammenhang zwischen gefährlichen<br />

Eigenschaften, der Dosis-Wirkungsbeziehung<br />

<strong>und</strong> der Expositionshöhe<br />

ist tierexperimentell <strong>und</strong> durch Erfahrung<br />

vor allem an Personen, die an Arbeitsplätzen<br />

oder bei akuten Vergiftungen exponiert<br />

waren, international akzeptiert, in den<br />

deutschen <strong>und</strong> ausländischen Lehrbüchern<br />

ausführlich beschrieben <strong>und</strong> z.B. in den<br />

Technical Guidance Documents der Europäischen<br />

Kommission (European Commission<br />

1996) für die Risikoabschätzung von<br />

Chemikalien bindend festgelegt.<br />

Von besonderer Bedeutung für die Bewertung,<br />

ob eine ges<strong>und</strong>heitsgefährliche Belastung<br />

vorliegt, ist die Bestimmung von Chemikalien<br />

oder ihrer Stoffwechselprodukte im<br />

Körper, z. B. im Fett, Blut oder Urin. Diese als<br />

Biomonitoring bezeichneten Untersuchungen<br />

erlauben es, die „innere Belastung“ durch<br />

<strong>transparent</strong> 21<br />

Wie viel Sicherheitsabstand<br />

braucht der Mensch?<br />

Die Dosis macht das Gift <strong>–</strong> ein altbekannter Gr<strong>und</strong>satz. Aber ab wann wird es wirklich<br />

gefährlich <strong>und</strong> wo liegt die Schwelle für eine schleichende, weil langfristige Gefährdung?<br />

Professor Dr. Helmut Greim, Direktor des Instituts für Toxikologie <strong>und</strong> Umwelthygiene<br />

der Technischen Universität München, beschäftigte sich auf einer Klausur der<br />

Arbeitsgemeinschaft PVC <strong>und</strong> Umwelt (AgPU) <strong>und</strong> des Verbandes der Kunststofferzeugenden<br />

Industrie (VKE) in Celle mit den Gr<strong>und</strong>lagen der Bewertung einer<br />

Ges<strong>und</strong>heitsgefährlichkeit von Chemikalien <strong>und</strong> der Festlegung von Grenzwerten.<br />

Das Gr<strong>und</strong>konzept<br />

Die Bewertung der ges<strong>und</strong>heitsgefährlichen<br />

Eigenschaften von Chemikalien basiert<br />

auf den folgenden Informationen:<br />

1. Kenntnis der gefährlichen Stoffeigenschaften,<br />

d.h. welche Krankheitssymptome durch<br />

einen Stoff ausgelöst werden können.<br />

2. Dosis-Wirkungsbeziehung mit der Information,<br />

bei welcher Expositionshöhe die Wirkungen<br />

nicht vorhanden sind bzw. auftreten.<br />

3. Expositionsabschätzung, d.h. Konzentration<br />

des Stoffes in den Expositionswegen wie<br />

Luft,Trink<strong>was</strong>ser oder Nahrungsmittel als sog.<br />

äußere Exposition sowie Konzentrationen<br />

im Blut oder Urin als innere Exposition.<br />

4. Risikobeschreibung, bei der die Informationen<br />

über die gefährlichen Stoffeigenschaften,<br />

die Dosis-Wirkungsbeziehung <strong>und</strong> die Expositionshöhe<br />

in Beziehung gesetzt werden.<br />

Daraus ist ersichtlich, dass nicht allein<br />

schon das Vorhandensein einer Chemikalie<br />

eine Ges<strong>und</strong>heitsgefährdung darstellt, son-<br />

eine Substanz bei einzelnen Personen festzustellen.<br />

Erst anhand solcher Untersuchungen<br />

kann festgestellt werden, ob in der Luft, in<br />

Nahrungsmitteln oder im Hausstaub nachgewiesene<br />

Substanzen auch tatsächlich zu einer<br />

Belastung der betroffenen Personen führen.<br />

Festlegung von Grenzwerten<br />

Substanzwirkungen sind generell dosisabhängig.<br />

Für viele Wirkungen lässt sich eine<br />

Dosis ermitteln, unterhalb der keine Effekte<br />

auftreten (Abb. 1). Oberhalb dieser so genannten<br />

Wirkungsschwelle nimmt die Wirkung<br />

dosisabhängig zu. Die Festlegung der<br />

Wirkungsschwelle wird von der Empfindlichkeit<br />

der verwendeten Untersuchungsmethode<br />

bestimmt, daher bezeichnet man die<br />

Schwellendosis auch als Dosis ohne erkennbare<br />

Wirkung, d.h. no observed effect level<br />

(NOEL). Der NOEL muss die empfindlichste<br />

Versuchstierspezies <strong>und</strong> das empfindlichste<br />

Organ berücksichtigen <strong>und</strong> mit Methoden,


Wie viel Sicherheitsabstand<br />

braucht der Mensch?<br />

die dem wissenschaftlichen Erkenntnisstand<br />

entsprechen, erarbeitet worden sein. Je umfassender<br />

der Erkenntnisstand über eine<br />

Substanz ist, desto sicherer sind der NOEL<br />

<strong>und</strong> damit ein Grenzwert, der davon abgeleitet<br />

worden ist (siehe z.B. Greim 1996).<br />

Für die Festlegung von Grenzwerten z.B.<br />

für Chemikalien in Lebensmitteln wird zunächst<br />

vom NOEL die „Duldbare Tägliche Aufnahme“<br />

(DTA), im Englischen als Acceptable<br />

Daily Intake (ADI) bezeichnet, unter Berücksichtigung<br />

eines Sicherheitsfaktors errechnet<br />

(Abb. 2). Die DTA bezeichnet diejenige Menge<br />

eines Stoffes, die ein Mensch unter Berücksichtigung<br />

seines Körpergewichts täglich<br />

<strong>und</strong> lebenslang ohne erkennbares Risiko auf-<br />

Wirkung<br />

Grenzwert NOEL<br />

Sicherheitsfaktor Dosis<br />

nehmen kann. Die Höhe des Sicherheitsabstandes<br />

richtet sich nach der biologischen<br />

Bedeutung der toxischen Wirkungen <strong>und</strong><br />

nach dem Umfang der Kenntnisse über die<br />

Substanz. Je mehr die Dosis-Wirkungsbeziehungen,<br />

Wirkungsmechanismen <strong>und</strong> Toxikokinetik,<br />

d.h. Aufnahme der Substanz in den<br />

Organismus,Verteilung, Abbau <strong>und</strong> Ausscheidung<br />

bei Tier <strong>und</strong> Mensch übereinstimmen,<br />

desto geringer kann der Sicherheitsabstand<br />

zwischen NOEL <strong>und</strong> DTA angesetzt werden.<br />

In den meisten Fällen stehen jedoch keine<br />

oder nur unzureichende Informationen z.B.<br />

über Wirkung <strong>und</strong> Toxikokinetik beim Menschen<br />

zur Verfügung, insbesondere, wenn es<br />

sich um neue Stoffe handelt, bei denen noch<br />

Abb. 1: Dosis-Wirkungsbeziehung,<br />

No Observed Effect Level (NOEL) <strong>und</strong> Grenzwerte<br />

keine Erfahrungen beim Menschen vorliegen.<br />

Unter diesen Bedingungen wird im Allgemeinen<br />

ein Sicherheitsfaktor von 100 angewendet.<br />

Er beruht auf der Annahme, dass der<br />

Mensch auf den Stoff bis zu 10 mal empfindlicher<br />

reagieren kann als die Versuchstierspezies,<br />

an welcher der NOEL festgestellt wurde,<br />

<strong>und</strong> dass die Empfindlichkeit innerhalb<br />

der menschlichen Population um den Faktor<br />

10 variiert (Renwick <strong>und</strong> Lazarus 1998).<br />

Die so ermittelte DTA eines Stoffes wird<br />

anteilig auf die Nahrungsmittel verteilt, die<br />

mit dem Stoff kontaminiert sein können.<br />

Die Festsetzung der Grenzwerte für die<br />

einzelnen Nahrungsmittel orientiert sich<br />

an den Verzehrgewohnheiten der Bevölkerung,<br />

d.h. es werden die durch regelmäßige<br />

Warenkorbanalysen ermittelten täglich<br />

gegessenen Mengen der Nahrungsmittel<br />

berücksichtigt. Bei den Chemikalien, für die<br />

Grenzwerte in Nahrungsmitteln festgelegt<br />

werden, handelt es sich um Zusatzstoffe,<br />

Rückstände oder Verunreinigungen.<br />

Ein Höchstmaß<br />

an Sicherheit<br />

Die Grenzwerte für Trink<strong>was</strong>ser werden<br />

nicht nach toxikologischen Kriterien<br />

abgeleitet, sondern entsprechen der Forderung,<br />

dass im Trink<strong>was</strong>ser keinerlei Verunreinigungen<br />

enthalten sein sollen. Bis auf<br />

wenige Ausnahmen orientieren sie sich<br />

daher an der analytischen Nachweisgrenze,<br />

so dass diese Grenzwerte einen großen<br />

Abstand zu toxikologisch relevanten


„Unsere Nahrungsmittel bieten hinsichtlich schädlicher Stoffe<br />

ein Höchstmaß an Sicherheit, <strong>und</strong> es stellt sich die Frage,<br />

ob man sich durch die Bevorzugung von Produkten z.B. aus dem<br />

alternativen Landbau tatsächlich gesünder ernährt.“<br />

<strong>transparent</strong> 23<br />

Professor Helmut Greim


Wie viel Sicherheitsabstand<br />

braucht der Mensch?<br />

Konzentrationen aufweisen. So beträgt der<br />

Grenzwert für Atrazin 0,1 µg/Liter, die<br />

DTA 0,7 µg/kg Körpergewicht, das heißt 49<br />

µg pro 70 kg schwerer Erwachsener.<br />

Die Grenzwerte (Höchstmengen für Zusatzstoffe<br />

<strong>und</strong> Rückstände, Richtwerte für<br />

Verunreinigungen, Grenzwerte für Trink<strong>was</strong>ser)<br />

werden veröffentlicht <strong>und</strong> die zuständigen<br />

Untersuchungsämter müssen durch<br />

regelmäßige Kontrollen überprüfen, ob die<br />

Werte eingehalten werden. So teilte kürzlich<br />

das BgVV mit, dass im Jahre 2002 bei 1,5%<br />

der untersuchten Proben die Höchstmengen<br />

überschritten waren. Damit bieten unsere<br />

Nahrungsmittel hinsichtlich schädlicher Stoffe<br />

ein Höchstmaß an Sicherheit, <strong>und</strong> es stellt<br />

sich die Frage, ob man sich durch die Bevorzugung<br />

von Produkten z.B. aus dem alternativen<br />

Landbau tatsächlich gesünder ernährt.<br />

Orientierung an den<br />

Verzehrgewohnheiten<br />

Für sensibilisierende Stoffe, also Stoffe,<br />

die eine Allergie auslösen, krebserzeugende<br />

oder erbgutverändernde Stoffe lassen sich<br />

im Allgemeinen keine unwirksamen Mengen<br />

ermitteln <strong>und</strong> damit auch keine Grenzwerte<br />

festlegen. Solche Stoffe werden<br />

daher entweder für eine Verwendung in<br />

Nahrungsmitteln nicht zugelassen oder,<br />

wenn es sich um bereits vorhandene <strong>und</strong><br />

nicht vermeidbare Stoffe handelt, entsprechend<br />

gekennzeichnet. Eine früher erteilte<br />

Zulassung wird widerrufen, wenn diese Eigenschaften<br />

erst später erkannt werden.<br />

Aus der Vorgehensweise bei der Festlegung<br />

von Grenzwerten <strong>und</strong> ihrer Überwachung<br />

ergeben sich mehrere Konsequenzen.<br />

Die als „Duldbare Tägliche Aufnahme“ errechnete<br />

Menge einer Substanz wird auf die, den<br />

üblichen Verzehrgewohnheiten der Bevölkerung<br />

entsprechenden Nahrungsmittel <strong>und</strong><br />

ihrer üblicherweise täglich aufgenommenen<br />

Menge verteilt. Daraus ergibt sich, dass die<br />

Überschreitung des Grenzwertes einer Substanz<br />

in einem Nahrungsmittel bei geringer<br />

Konzentration in den übrigen kein ges<strong>und</strong>heitliches<br />

Problem darstellt. Dagegen kann<br />

bei sehr einseitiger Ernährung eine Überschreitung<br />

in dem bevorzugten Nahrungsmittel<br />

durchaus zu einer Überschreitung der<br />

DTA-Menge führen. Es ist also wenig sinn-<br />

Tierexperiment<br />

NOEL<br />

voll, sich einseitig zu ernähren, sondern man<br />

sollte sich an den üblichen Verzehrgewohnheiten<br />

der Bevölkerung orientieren.<br />

Die Untersuchungsämter sind gehalten,<br />

die Einhaltung der festgesetzten Grenzwerte<br />

zu überprüfen. Stoffe, die nicht geregelt sind,<br />

werden nur überprüft, wenn sich aufgr<strong>und</strong><br />

von Zufallsbef<strong>und</strong>en oder dedektivischer Aktivitäten<br />

des Amtes oder anderer analytischen<br />

Labors Hinweise auf eine Kontamination bestimmter<br />

Nahrungsmittel ergeben.<br />

Diethylenglykol ist bekanntlich ein Frostschutzmittel.<br />

Vor einigen Jahren wurde es<br />

zufällig in einigen Weinen gef<strong>und</strong>en, denen es<br />

wegen seines süßen Geschmacks bis zu 10<br />

ml/L zugesetzt worden war, die meisten enthielten<br />

weniger als 1 ml/L.<br />

Faktor 100 Faktor 10<br />

DTA<br />

Abb. 2:Ableitung von Grenzwerten in Luft,<br />

Nahrungsmitteln <strong>und</strong> Trink<strong>was</strong>ser<br />

Erfahrung Mensch<br />

NOEL<br />

Trink<strong>was</strong>ser Nahrungsmittel Luft (10m 3 /Tag)


„Sozioökonomische oder<br />

gesellschaftspolitische<br />

Gesichtspunkte unterliegen<br />

anderen Kriterien <strong>und</strong><br />

gehören in den Bereich des<br />

Risikomanagements.“<br />

Ermittlung des Risikos<br />

einer Exposition<br />

Das Risiko beschreibt die Wahrscheinlichkeit<br />

des Eintritts eines Schadens bei<br />

einer gegebenen Exposition. Die Risikoermittlung<br />

ist die quantitative Bestimmung der<br />

möglichen Ges<strong>und</strong>heitsgefährdung durch<br />

einen Stoff oder eines Stoffgemisches in<br />

Abhängigkeit von Wirkungsintensität, Expositionsdauer<br />

<strong>und</strong> Expositionshöhe.<br />

Für die Abschätzung des ges<strong>und</strong>heitlichen<br />

Risikos einer Exposition wird die Exposition<br />

mit dem NOEL verglichen, um den Abstand<br />

zwischen Exposition <strong>und</strong> dem NOEL oder<br />

soweit vorhanden dem entsprechenden<br />

Grenzwert festzustellen. Je größer der Abstand<br />

zwischen dem aus Tierversuchen ermittelten<br />

NOEL oder einem Grenzwert <strong>und</strong><br />

der Exposition ist, desto unwahrscheinlicher<br />

ist ein Zusammenhang zwischen Exposition<br />

<strong>und</strong> dem Auftreten einer ges<strong>und</strong>heitlichen<br />

Störung. Im allgemeinen wird davon ausgegangen,<br />

dass bei einem Sicherheitsabstand<br />

(MOS: Margin of Safety) von 100 zwischen<br />

NOEL <strong>und</strong> Exposition auch unter der Voraussetzung,<br />

dass innerhalb der Bevölkerung<br />

unterschiedliche Empfindlichkeiten bestehen,<br />

keine Wirkung zu erwarten ist. Dieser<br />

Sicherheitsabstand wird auch zur Festlegung<br />

des ADI-Wertes (Acceptable Daily Intake)<br />

herangezogen, von dem wiederum z.B.<br />

Höchstmengen von Pflanzenschutzmitteln in<br />

Nahrungsmitteln abgeleitet werden.<br />

Obwohl im Falle von Diethylenglykol eine<br />

Qualitätsverbesserung von Weinen natürlich<br />

nicht zulässig ist, waren Ges<strong>und</strong>heitsschäden<br />

nicht zu befürchten. Chronische Intoxikationen<br />

beim Menschen sind nicht bekannt, die<br />

akut toxische Dosis liegt bei 1 ml/kg Körpergewicht<br />

(KG) <strong>und</strong> führt zu akuten Störungen<br />

der Nierenfunktion. Bei einem 70 kg schweren<br />

Erwachsenen sind dies 70 ml, die in 70 L<br />

eines mit 1 ml/L kontaminierten Weines enthalten<br />

sind. Der Sicherheitsabstand (MOS:<br />

Margin of Safety) ist also relativ groß.<br />

Die Risikoabschätzung für krebserzeugende<br />

Substanzen, die über einen genotoxischen<br />

Mechanismus wirken, ist sehr viel<br />

schwieriger, da für solche Wirkungen kein<br />

NOEL abgeleitet werden kann. Hier muss linear<br />

von den zumeist sehr hohen, im Tierversuch<br />

verwendeten Dosen oder der abgeschätzten<br />

Exposition bei epidemiologischen Studien auf<br />

die zu bewertende Exposition extrapoliert werden.<br />

Das so ermittelte Risiko einer Exposition<br />

lässt sich mit anderen Risiken vergleichen.<br />

Eine andere Vorgehensweise ist die Identifizierung<br />

des im Tierversuch ermittelten<br />

NOEL der krebserzeugenden Wirkung, um<br />

dann den Abstand zur gegebenen Exposition<br />

zu betrachten. Hohe Sicherheitsabstände<br />

von 1000 oder 10.000 oder mehr werden<br />

häufig als tolerabel angesehen.<br />

Bestimmte Nahrungsmittel, insbesondere<br />

aus Kartoffeln hergestellte frittierte Produkte<br />

wie Chips oder Pommes frites, enthalten<br />

bis zu 3000 µg Acrylamid/kg. Die Substanz ist<br />

mutagen <strong>und</strong> kanzerogen <strong>und</strong> damit in Nahrungsmitteln<br />

nicht zulässig. Es entsteht durch<br />

Erhitzen dieser stärkehaltigen Produkte <strong>und</strong><br />

ist daher gegenwärtig nicht zu vermeiden.<br />

Die Konzentrationsangaben für die einzelnen<br />

Nahrungsmittel sind unterschiedlich. Die<br />

durchschnittliche Belastung der Bevölkerung<br />

<strong>transparent</strong> 25<br />

beträgt ca. 1 µg/kg. Im Tierversuch haben 1<br />

mg/kg Körpergewicht gerade noch Tumoren<br />

erzeugt, deren Häufigkeit mit ansteigender<br />

Dosis zunimmt. Der Abstand zwischen Exposition<br />

<strong>und</strong> einsetzender Wirkung hat damit<br />

einen Faktor von 1000. Oder konkreter: eine<br />

60 kg schwere Person müsste täglich 60 kg<br />

eines Produktes mit 1000 µg Acrylamid/kg<br />

essen, um die Menge aufzunehmen, die im<br />

Tierversuch noch Tumoren erzeugt.<br />

Eine Risikoabschätzung lässt sich auch<br />

durch Vergleich einer gegebenen Exposition<br />

mit der sog. Hintergr<strong>und</strong>belastung d.h. der<br />

üblichen Belastung der Bevölkerung gegenüber<br />

einem Stoff vornehmen. Herangezogen<br />

werden z.B. die üblicherweise vorhandenen<br />

Konzentrationen eines Stoffes in einem Umweltmedium<br />

wie Umgebungsluft, Luft in Innenräumen,<br />

im Boden, Hausstaub oder die durch<br />

Biomonitoring ermittelten sog. Referenzwerte,<br />

die einen Hinweis auf die übliche Exposition<br />

der Bevölkerung geben. Bei Überschreitungen<br />

solcher Werte ist eine Abschätzung<br />

des ges<strong>und</strong>heitlichen Risikos vorzunehmen.<br />

Ermittlung des Risikos<br />

versus Risikomanagement<br />

Die Charakterisierung des Risikos einer<br />

Exposition gegenüber Chemikalien, Strahlen,<br />

Nahrungsmitteln oder Mikroorganismen wird<br />

durch naturwissenschaftliche Kriterien bestimmt.<br />

Sozioökonomische oder gesellschaftspolitische<br />

Gesichtspunkte sowie regulatorische<br />

Konsequenzen sollten dabei nicht berücksichtigt<br />

werden. Sie unterliegen anderen Kriterien<br />

<strong>und</strong> gehören in den Bereich des Risikomanagements.<br />

Diese Differenzierung zwischen<br />

Risikocharakterisierung <strong>und</strong> Risikomanagement<br />

wird auch im so genannten von<br />

Wedel-Gutachten gefordert, das eine Empfehlung<br />

des Rates der Sachverständigen für<br />

Umweltfragen aufgreift, der bereits 1996


Wie viel Sicherheitsabstand<br />

braucht der Mensch?<br />

eine Tren<strong>nun</strong>g der von naturwissenschaftlichen<br />

Kriterien bestimmten Aufgaben der<br />

Risikobewertung <strong>und</strong> denen des Risikomanagements<br />

gefordert hatte (SRU 1996).<br />

Vorschläge zur Festlegung von Grenzwerten<br />

oder ges<strong>und</strong>heitliche Bewertungen bestimmter<br />

Expositionen können sowohl von<br />

der Industrie, Universitäten, Forschungsinstituten,<br />

einzelnen Sachverständigen oder auch<br />

von staatlicher Seite erbracht werden. Wegen<br />

der unterschiedlichen Interesseanlagen<br />

z.B. von Industrie <strong>und</strong> Behörden sind Differenzen<br />

in der Bewertung der Datenlage <strong>und</strong><br />

der sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen<br />

unvermeidlich. Daher werden häufig<br />

Gremien aus unabhängigen Sachverständigen<br />

mit der Erarbeitung entsprechender Vorschläge<br />

beauftragt. Der Vorteil von ad personam<br />

berufenen <strong>und</strong> multidisziplinär zusammen<br />

gesetzten Gremien besteht darin, dass<br />

eine wissenschaftliche Diskussion unter Experten<br />

verschiedener Fachrichtungen geführt<br />

werden kann. So genannte Consultants oder<br />

Auftragsinstitute bieten diese Voraussetzungen<br />

weniger, <strong>und</strong> sie sind allein schon wegen<br />

ihrer finanziellen Abhängigkeit vom jeweiligen<br />

Auftraggeber abhängig. Daher wurden<br />

z.B. für die Bewertung ges<strong>und</strong>heitsschädlicher<br />

Arbeitsstoffe, von Pflanzenschutzmitteln<br />

oder Arzneimitteln Gremien unabhängiger<br />

Wissenschaftler (Arbeitsstoffkommission,<br />

auch MAK-Kommission genannt, Beratergremium<br />

für Altstoffe, Sachverständigen-Ausschuss<br />

für Pflanzenschutzmittel, Arzneimittelkommission)<br />

eingerichtet, welche die Bewertung<br />

der Datenlage vornehmen <strong>und</strong> ggf.<br />

Regulierungsvorschläge erarbeiten. Die strikte<br />

Tren<strong>nun</strong>g zwischen Ermittlung des Risikos<br />

<strong>und</strong> Risikomanagement stellt an die Disziplin<br />

der jeweils Beteiligten nicht immer bequeme<br />

Anforderungen. So sollten sich die Risikoermittler<br />

nicht darüber beklagen, wenn<br />

das Risikomanagement zu anderen Folgerungen<br />

kommt als vorgeschlagen.Voraussetzung<br />

ist dabei jedoch, dass die abweichende<br />

Entscheidung auf anderen als naturwissenschaftlichen<br />

Kriterien wie sozioökonomische<br />

Gesichtspunkte beruht. Andererseits sollte<br />

heftig protestiert werden, wenn das Risikomanagement<br />

die naturwissenschaftlich<br />

basierten Vorschläge bewusst oder unbewusst<br />

anders interpretiert <strong>und</strong> unter Berufung auf<br />

die Risikoermittler zu Entscheidungen kommt,<br />

die weder durch die Vorschläge abgedeckt<br />

sind noch sich daraus ableiten lassen.<br />

Zusammenfassung<br />

Die Festlegung zulässiger Konzentrationen<br />

von Chemikalien oder die Risikoabschätzung<br />

einer Exposition erfordert eine<br />

ausreichende Datenbasis. Daher schreiben<br />

Gesetze wie das Lebensmittel- <strong>und</strong> Bedarfsgegenständegesetz,<br />

das B<strong>und</strong>esimmissionsschutzgesetz<br />

oder das neue europäische<br />

Chemikaliengesetz vor, für die Zulassung<br />

oder das „in den Verkehr bringen“ Informationen<br />

über die toxischen Eigenschaften der<br />

Stoffe vorzulegen. Anhand dieser Informationen<br />

kann das ges<strong>und</strong>heitliche Risiko der<br />

gegebenen Expositionen bestimmt <strong>und</strong> Vorschläge<br />

zur Regulierung erarbeiten werden<br />

wie Verbot oder eingeschränkte Verwendung<br />

von Stoffen oder Kennzeich<strong>nun</strong>g, um<br />

auf die gefährlichen Eigenschaften aufmerksam<br />

zu machen. Zu beachten ist dabei, dass<br />

die Bewertung der Datenlage <strong>und</strong> die Risikocharakterisierung<br />

nach naturwissenschaftlichen<br />

Kriterien erfolgt, während bei<br />

der Erarbeitung von Regulierungsvorschlägen<br />

auch andere Aspekte wie sozioökonomische<br />

Gesichtspunkte berücksichtigt<br />

werden können. Daher ist zwischen<br />

Risikocharakterisierung <strong>und</strong> dem sog. Risikomanagement<br />

zu unterscheiden.<br />

Literatur<br />

Europäische Kommission, European Commission:<br />

Technical Guidance Document for<br />

Risk Assessment of Existing Substances<br />

European Commission. 1996<br />

Greim H: Grenzwerte. In: Greim H. <strong>und</strong><br />

Deml E. Toxikologie. Eine Einführung für<br />

Naturwissenschaftler <strong>und</strong> Mediziner. Seiten<br />

396-409.Verlag Chemie,Weinheim 1996<br />

Renwick AG, Lazarus NR: Human variability<br />

and noncancer risk assessment <strong>–</strong> an analysis<br />

of the default uncertainty factor. Regulatory<br />

Toxicol Pharmacol 27, 3-20, 1998<br />

SRU (Der Rat von Sachverständigen für<br />

Umweltfragen): Umweltgutachten 1996: Modell<br />

eines Verfahrens zur Festlegung von<br />

Umweltstandards, Tz. 865ff. Metzler-Poeschel<br />

Verlag, Stuttgart 1996


Management<br />

Gesetzesverstöße, zum anderen aber um all<br />

die Machenschaften, die sich eher in einer<br />

Grauzone bewegen. Zunächst zu den Gesetzesverstößen.<br />

Aufgeschreckt haben vor<br />

allem die ganz groben Fälle.Wie der Fall des<br />

Bodo Schnabel <strong>und</strong> seiner am <strong>Neue</strong>n Markt<br />

notierten Firma Comroad. Schnabel wies mit<br />

Hilfe einer Briefkastenfirma in Hongkong<br />

Umsätze aus, die es nie gegeben hat.<br />

In diesen Komplex gehört aber auch<br />

Korruption, soweit sie strafbar ist. Kein<br />

gering zu schätzendes Delikt. Die Zahl der<br />

Korruptionsverfahren hat sich laut B<strong>und</strong>eskriminalamt<br />

seit Mitte der 1990-er Jahre<br />

verfünffacht. In diese Rubrik gehören ebenso<br />

die Kartellvergehen, die nicht wenigen<br />

unserer Topmanager als lässliche, quasi<br />

betriebsnotwendige Sünden erscheinen.<br />

Große Namen wie Hoffmann LaRoche oder<br />

BASF sind in den letzten Jahren in solche<br />

Verfahren verwickelt gewesen.<br />

Man muss sich immer darüber im Klaren<br />

sein, <strong>was</strong> ein Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht<br />

tatsächlich bedeutet. Letztendlich<br />

geht es darum, dem K<strong>und</strong>en, den<br />

man in Festvorträgen immer so gern aufs<br />

<strong>transparent</strong> 27<br />

„Zwischen Markt <strong>und</strong> Moral“<br />

Haben Manager kein Gewissen oder kommt es ihnen schlichtweg beim Aufstieg in der<br />

Hierarchie der Unternehmenswelt abhanden? Derzeit erscheint das Vertrauen<br />

in die Moral der Wirtschaftseliten jedenfalls tief erschüttert. Dr. Wolfgang Kaden,<br />

langjähriger Chefredakteur bei „Spiegel“ <strong>und</strong> „manager magazin“, startete im Rahmen<br />

einer Klausur der Arbeitsgemeinschaft PVC <strong>und</strong> Umwelt (AgPU) im bayerischen<br />

Kloster Seeon zu einem kritischen Parforceritt durch deutsche wie internationale<br />

Führungsetagen. Sein Fazit: Die Lage ist ernst, aber nicht völlig hoff<strong>nun</strong>gslos.<br />

Noch nie seit dem Ende des Zweiten<br />

Weltkriegs war das Vertrauen in die Wirtschaftseliten<br />

so erschüttert wie derzeit.<br />

Analysten, Banker, Vorstandsvorsitzende,<br />

Aufsichtsräte <strong>–</strong> sie alle erscheinen nicht<br />

wenigen Zeitgenossen wie eine Horde von<br />

Halb- oder Vollzeit-Kriminellen.<br />

Die Wettbewerbsgesellschaft, so der verbreitete<br />

Eindruck, ist inzwischen zur Raffgesellschaft<br />

verkommen, die keine <strong>Regeln</strong> beim<br />

Ausleben des Erwerbstriebs mehr kennt.<br />

„Ganz natürliche zivilisatorische Grenzen“<br />

seien in der jüngeren Vergangenheit verloren<br />

gegangen, sagte unlängst der deutsche<br />

Gesellschaftsrechtler Marcus Lutter. Und<br />

diese Grenzmarkierungen sind nicht nur in<br />

den USA weit überschritten worden, wie<br />

deutsche Vorstände gern kolportieren, sondern<br />

auch hier zu Lande.<br />

KuK <strong>–</strong> Korruption<br />

<strong>und</strong> Kartellvergehen<br />

Grob gesprochen geht es bei den vermeintlichen<br />

oder tatsächlichen Verstößen um<br />

zwei große Blöcke. Zum einen um echte<br />

Schild hebt, mehr Geld abzunehmen als<br />

dies bei einem nach den <strong>Regeln</strong> funktionierenden<br />

Markt möglich wäre. Der Gesetzesverstoß<br />

sorgt mithin für eine Umverteilung<br />

zu Lasten des Endverbrauchers. Eine<br />

elegante Form der Räuberei.<br />

Nichts anderes stellt auch die Bestechung<br />

dar.Wer besticht, der sichert sich einen Auftrag.<br />

Das gelingt ihm im Zweifel nicht, weil<br />

er das bessere Produkt anbietet, sondern<br />

weil er sich die besseren Kontakte erkauft.<br />

Der Markt wird somit ausgeschaltet. Zugegeben:<br />

Betrug (wie im Fall Comroad), Kartellverstöße,<br />

Korruption von Amtsträgern <strong>–</strong><br />

das hat es immer schon gegeben. Bemerkenswert<br />

erscheint nur, dass die Zahl solcher<br />

kriminellen Vergehen zugenommen hat.<br />

Expedition in die Grauzone<br />

Viel aufregender ist all das, <strong>was</strong> sich im<br />

sogenannten Graubereich abspielt <strong>–</strong> also dort,<br />

wo fragwürdige Handlungen nicht durch das<br />

Strafgesetz oder das Kartellrecht erfasst<br />

werden. Dies gilt beispielsweise für zwei<br />

aktuelle Fälle, zugleich die schlimmsten Plei-


„Zwischen Markt <strong>und</strong> Moral“<br />

ten, die der Kapitalismus bisher erlebt hat,<br />

nämlich der Breakdown des Strombrokers<br />

Enron <strong>und</strong> der der Telefonfirma Worldcom.<br />

Beide Firmen sind an milliardenschwerer<br />

Überschuldung zugr<strong>und</strong>e gegangen. Betroffen<br />

waren neben den Banken <strong>und</strong> anderen<br />

Geldgebern auch viele Mitarbeiter, die plötzlich<br />

nicht nur ohne Job dastanden, sondern<br />

auch ohne ihre gesparten Dollars fürs Alter.<br />

Das Geld hatten sie nämlich vielfach in Aktien<br />

der eigenen Firma gesteckt, auf eindringliches<br />

Anraten der Unternehmensleitung!<br />

In beiden Fällen <strong>–</strong> bei Enron wie bei Worldcom<br />

<strong>–</strong> war der Schaden so groß, weil das Management<br />

durch Bilanztricks die wahre Lage<br />

der Unternehmen lange vernebelt hatte. Die<br />

Tricks waren illegal, dennoch ist es bis heute<br />

nicht zu einer Anklage gegen Bernhard Ebbers,<br />

den ehemaligen Großmeister von Worldcom,<br />

<strong>und</strong> gegen Kenneth Lay, den einstmals Allgewaltigen<br />

von Enron, gekommen. Gr<strong>und</strong>: Die<br />

Staatsanwälte können den beiden bislang nicht<br />

nachweisen, dass sie von den Machenschaften<br />

gewusst haben. Nicht auszuschließen,<br />

dass die Herren daher straffrei ausgehen ...<br />

So ist er, der real existierende Kapitalismus.<br />

Zu den Bereicherungs- <strong>und</strong> Ausbeutungsaktionen<br />

tritt zudem ein sichtbares<br />

Ärgernis, sprich die Bezüge der Topmanager.<br />

In den USA verdient ein CEO heute das<br />

400-fache <strong>und</strong> zum Teil noch mehr als ein<br />

gewöhnlicher Arbeitnehmer; vor einigen Jahrzehnten<br />

lag der Pegel noch beim 30-fachen,<br />

<strong>was</strong> ja auch nicht schlecht ist. In Deutschland<br />

ist das Gefälle nicht ganz so groß, aber<br />

auch immer steiler geworden.<br />

Die Bezüge der Vorstände der DAX-Konzerne<br />

stiegen in den vergangenen Jahren im<br />

Schnitt um 30 Prozent per annum. Und das<br />

in einer Zeit, in der gerade die Vorstände<br />

immer wieder predigten, die Mitarbeiter<br />

müssten Maß halten, um die Wettbewerbsfähigkeit<br />

der Firmen nicht zu gefährden. Mit<br />

Leistung <strong>und</strong> Ergebnis haben diese Einkommenssteigerungen<br />

wenig bis nichts zu tun.<br />

Der Hallenser Wirtschaftsprofessor Reinhard<br />

Schmidt hat im Sommer für das „manager<br />

magazin“ mal wieder die Gehaltsentwicklung<br />

in Bezug gesetzt zur Wertschaffung für die<br />

Aktionäre. Bei allen untersuchten Unternehmen<br />

lag der so genannte Total Shareholder<br />

Return im Minus. Dennoch wiesen viele dieser<br />

Unternehmen Steigerungen der Vorstandsbezüge<br />

aus, zum Teil in erheblichem Ausmaß.<br />

Richtig grotesk wird die Einkommensbetrachtung,<br />

wenn man die so genannten Aktienoptionen<br />

mit einbezieht. Das sind jene Bezugsrechte,<br />

die Manager günstig oder kostenlos<br />

erhalten <strong>und</strong> bei Erreichen eines vorher<br />

festgelegten Kurs ausüben können. Die Einzelheiten<br />

dieser Optionsregelungen sind für<br />

den Normalaktionär kaum nachvollziehbar,<br />

versteckt im Kleingedruckten der Geschäftsberichte.<br />

In den USA haben manche Topmanager<br />

mit Hilfe der Aktienoptionen gleichwohl<br />

H<strong>und</strong>erte von Millionen Dollar abgeschleppt.<br />

Legal ausgeplünderte<br />

Unternehmen<br />

Die Aktienoptionen sind ein Wirtschaftsskandal.<br />

Ein Skandal im Verborgenen<br />

allerdings hier in Deutschland, weil der<br />

Sachverhalt kompliziert ist <strong>und</strong> sich für die<br />

Emotionalisierung eines breiteren Publikums<br />

nicht eignet. Hier werden Unternehmen<br />

innerhalb weniger Jahre vom gerade<br />

amtierenden Management ausgeplündert.<br />

Und das alles ganz legal. So viel zu den<br />

Bezügen, zu Praktiken, die selten einmal, wie<br />

im Fall Mannesmann, Gegenstand staatsanwaltlicher<br />

Ermittlungen werden.<br />

Ein anderer Bereich aus der Grauzone<br />

sind die Bilanzierungspraktiken. Bilanzwahrheit<br />

<strong>und</strong> Bilanzklarheit sind unverzichtbare<br />

Voraussetzungen für eine funktionierende<br />

Unternehmenswirtschaft. Fraglos sind die<br />

Methoden der Rech<strong>nun</strong>gslegung in den vergangenen<br />

Jahrzehnten auch zunehmend verfeinert<br />

worden. Dass diese Verbesserungen<br />

„Der Hunger der Finanzmärkte<br />

nach guten Zahlen,<br />

die die Kurse beflügeln,<br />

hat dazu geführt, dass immer<br />

mehr vernebelt wird.“<br />

aber den Informationspegel erhöht haben,<br />

kann man gewiss nicht behaupten. Im Gegenteil:<br />

Der Hunger der Finanzmärkte nach guten<br />

Zahlen, die die Kurse beflügeln, hat dazu<br />

geführt, dass immer mehr vernebelt wird.<br />

Die Möglichkeiten, an den Zahlen zu drehen,<br />

sind vielfältig. Da werden Verpflichtungen<br />

„off balance“ verschoben, also aus dem<br />

offiziellen Zahlenwerk eliminiert (so geschehen<br />

bei Enron), da werden Abschreibungsfristen<br />

verlängert (so geschehen bei der gr<strong>und</strong>soliden<br />

Siemens AG im Jahr 2000), da werden<br />

Lagerbestände mit Verzögerung abgewertet<br />

(so bei der Infineon AG 2001), da<br />

wird an den Pensionsrückstellungen gedreht<br />

(so beim Gartengerätehersteller Gardena).


Dr.Wolfgang Kaden<br />

<strong>transparent</strong> 29<br />

Manipulation ohne Risiko?<br />

Bilanzmanipulationen sind für die Täter<br />

meist ohne Risiko. Schließlich geht es um<br />

Bewertungen, <strong>und</strong> die sind subjektiv. Der<br />

ehrbare <strong>und</strong> vorsichtige Kaufmann hat hier<br />

immer die niedrigsten Werte angesetzt.Aber<br />

diese Zeiten scheinen lange vorbei. Der<br />

Hamburger Wirtschaftsprüfer Professor<br />

Scheffler spricht davon, dass auch in Deutschland<br />

immer „aggressiver“ bilanziert wird.<br />

Moderne Kennziffern wie das so genannte<br />

Ebidta (earnings before interest, taxes,<br />

depresiation and amortization <strong>–</strong> also Gewinn<br />

vor Zinsen, Steuern <strong>und</strong> Abschreibungen auf<br />

Sachanlagen sowie immaterielle Vermögenswerte)<br />

dienen mehr der Verschleierung als<br />

der Aufklärung. Unfassbar, dass beispielsweise<br />

die Kosten für Aktienoptionen jahrelang<br />

keinen Eingang in die Bilanz fanden.<br />

Die Grauzone der real existierenden Wettbewerbswirtschaft<br />

ist jedenfalls ziemlich groß.<br />

Größer als mancher ahnt. Und es bewegen<br />

sich in dieser Zone Wirtschaftssubjekte, die<br />

viele dort nicht vermuten würden. Beispielsweise<br />

Bill Gates, der reichste Mann der Welt.<br />

Der vollbrachte mit Microsoft eine imposante<br />

unternehmerische Leistung, zweifellos.<br />

Gleichzeitig ist dies aber auch der Mann,<br />

der mit allen nur denkbaren Tricks <strong>und</strong> Finessen<br />

gearbeitet hat. Er hat sich ein Software-Monopol<br />

geschaffen, das mitnichten<br />

nur auf technologischer Leistung oder Marketing-Qualitäten<br />

beruht. Microsoft verfügt<br />

heute weltweit über eine Marktstellung, die<br />

es dem Unternehmen gestattet, bei jedem<br />

von uns satte Monopolrenten abzumelken.<br />

Ellbogen von besonderer Härte<br />

Natürlich sind solche Bereicherungspraktiken<br />

nicht neu. Die hat es im Kapitalismus<br />

immer schon gegeben. Und richtig ist


„Zwischen Markt <strong>und</strong> Moral“<br />

auch, dass der Kapitalismus nichts ist für<br />

Leute mit schwachen Nerven <strong>und</strong> allzu<br />

großen Empfindlichkeiten. Wer sich auf diesem<br />

Kampfplatz durchsetzt, als selbstständiger<br />

Unternehmer wie als angestellter Manager,<br />

der besitzt eine dicke Haut <strong>und</strong> hat<br />

Ellenbogen von besonderer Härte.<br />

Und dennoch: Es scheint, dass eine wachsende<br />

Zahl von Akteuren nur noch in ihrer<br />

eigenen Welt leben, mit ihren eigenen Werten;<br />

dass diese Menschen ihr gesellschaftliches<br />

Umfeld kaum noch wahrnehmen. Eine<br />

Art Manager-Autismus. Deshalb <strong>nun</strong> ein<br />

wenig Ursachenforschung. Fünf denkbare<br />

Ursachen seien hier genannt:<br />

1. Die Ego-Gesellschaft: Ein Schlagwort,<br />

fraglos, aber eines, das in diesem Zusammenhang<br />

unvermeidlich ist. Geld ist zum einzigen<br />

Wert-Maßstab geworden, auch für den Selbstwert<br />

von Top-Managern. Erfolg ist alles. Die<br />

Menschen sind individualistischer geworden,<br />

hedonistisch, unverbindlich. Es besteht unter<br />

den Sozialwissenschaftlern Übereinstimmung<br />

darüber, dass solidarische Werte <strong>und</strong> Verhaltensweisen<br />

an Bedeutung verloren haben.<br />

2. Der Wettbewerb: Entgegen der Voraussage<br />

von Karl Marx, der im Endzustand des<br />

Kapitalismus nur noch Monopole sah, erleben<br />

wir eine ständige Zunahme der Wettbewerbsintensität.<br />

Rücksichtnahme glaubt sich<br />

in einem solchen Umfeld kein Unternehmensführer<br />

mehr erlauben zu können. Fressen<br />

oder gefressen werden, lautet die Devise.<br />

3. Die Globalisierung: Sie sorgt für härteren<br />

Wettbewerb <strong>und</strong> damit zugleich für<br />

eine gewisse Bindungslosigkeit. Das regionale<br />

oder nationale Umfeld hat seine festen<br />

sozialen <strong>Regeln</strong>, die in diesem überschauba-<br />

ren Rahmen auch einer gewissen Kontrolle<br />

unterliegen. Im globalen Rahmen fehlen uns<br />

bisher nicht nur <strong>Regeln</strong> für das Funktionieren<br />

der Finanzmärkte. Wir haben jenseits<br />

der nationalen Normen auch kaum Werte<br />

entwickelt, an denen sich die Akteure in den<br />

Unternehmen orientieren können.<br />

4. Die Finanzmärkte: Investmentbanker<br />

wollen gute Ergebnisse sehen. Wie sie zustande<br />

kommen, interessiert sie nicht. Die<br />

Finanzmärkte sind empfindungslos. Sie üben<br />

auf die Vorstände in den Unternehmen<br />

einen gewaltigen Druck aus, gute Ergebnisse<br />

zu erwirtschaften, um den Aktienkurs<br />

hoch zu halten oder hoch zu treiben.<br />

5. Das Portfolio-Management: Der scharfe<br />

Wettbewerb wie der Druck der Finanzmärkte<br />

zwingen die Manager zu permanentem<br />

Umbau. Unternehmen zerfallen, werden<br />

neu zusammengesetzt, Menschen werden verschoben<br />

oder rausgeworfen. Angesichts all<br />

der Fusionen, Akquisitionen, Umstrukturierungen<br />

ist es fast unmöglich geworden, sich<br />

in einem Unternehmen zuhause zu fühlen.<br />

Permanenter Konflikt<br />

Zwischen Markt <strong>und</strong> Moral: Die Zwänge,<br />

denen sich Unternehmensführer heute ausgesetzt<br />

sehen, scheinen mir jedenfalls ungleich<br />

größer geworden als in den Zeiten<br />

ohne scharfen globalen Wettbewerb, ohne<br />

den anhaltenden Druck zu Restrukturieren,<br />

ohne den Terror der Finanzmärkte.<br />

Und so sind auch jene Topmanager, die<br />

sich gern ein gutes Gewissen erhalten würden,<br />

permanent in einem Konflikt zwischen<br />

betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten<br />

<strong>und</strong> übergeordneten Werten. Das betrifft<br />

nicht nur soziale Belange, sondern auch<br />

Themen wie den Umweltschutz. Während<br />

DaimlerChrysler beispielsweise im Geschäfts<strong>und</strong><br />

Umweltbericht stolz darauf verweist,<br />

nachwachsende Rohstoffe wie etwa Kokosfasern<br />

zu verwenden, bringt der Konzern<br />

zugleich mit dem Maybach ein Auto auf den<br />

Markt, dessen Zwölfzylinder-Motor etwa 20<br />

Liter Super auf 100 Kilometern verbrennt,<br />

mit entsprechendem Kohlendioxid-Ausstoß<br />

<strong>und</strong> einem Mehr an Luftverschmutzung.<br />

Der Markt verlangt diese Autos, also<br />

bauen die Daimler-Manager sie.<br />

„Es scheint, dass eine<br />

wachsende Zahl von Akteuren<br />

nur noch in ihrer eigenen<br />

Welt leben, mit ihren<br />

eigenen Werten.“<br />

Oder man nehme den Vorstandsvorsitzenden,<br />

der im Zuge einer Reorganisation<br />

oder einer Sanierung 5.000 Leute entlässt.<br />

Das ist für die betroffenen Menschen ganz<br />

bitter. Aber tut der Vorstand dieses nicht,<br />

dann setzt er womöglich die ganze Firma<br />

aufs Spiel, mit weit schlimmeren sozialen<br />

Folgen. Es ist eben nicht leicht, in Spitzenpositionen<br />

sauber zu bleiben.<br />

Rettet die Hoff<strong>nun</strong>g!<br />

Was tun vor diesem Hintergr<strong>und</strong>? Ganz<br />

so hoff<strong>nun</strong>gslos, wie es nach dem bislang<br />

Dargelegten erscheinen mag, ist die Lage


„Der Kapitalismus hat<br />

sich im Laufe seiner<br />

Geschichte immer wieder<br />

als ein sehr lernfähiges<br />

System erwiesen.“<br />

allerdings nicht. Zunächst einmal: Viele<br />

Unternehmer sind inzwischen selbst zu<br />

einer gewissen Einsicht gelangt. Sie haben<br />

erkannt, dass Verstöße gegen Mindeststandards<br />

an sozialer Verantwortung oder Pflege<br />

der Umwelt vielleicht kurzfristig den<br />

Gewinn mehren, langfristig aber dem Unternehmen<br />

Schaden zufügen <strong>–</strong> nicht zuletzt<br />

infolge des erlittenen Imageverfalls.<br />

Viele propagieren den „Corporate Citizen“,<br />

haben inzwischen ethische Normen<br />

für ihre Mitarbeiter verfasst. Auch wenn<br />

dahinter sicher ein gut Stück Public Relations<br />

steckt <strong>–</strong> ganz ohne Wirkung werden<br />

diese Verhaltensregeln nicht bleiben.<br />

Mit Selbstverpflichtungen allerdings, so<br />

hilfreich sie gewiss sind, ist es nicht getan.<br />

Sie sind freiwillig, werden niemals von allen<br />

eingegangen.Viele Normen aber lassen sich<br />

wirksam nur durchsetzen, wenn sie für alle<br />

gelten. Es bedarf entsprechender Institutionen,<br />

die ein sozialverträgliches Verhalten<br />

erzwingen Was ist gemeint mit „Institutionen“?<br />

Drei Komplexe vor allem:<br />

1. Gesetze. Manche Gesetze müssen einfach<br />

konsequenter angewandt werden. Die<br />

Insiderregeln beispielsweise werden noch<br />

immer häufig umgangen. Verbesserungsbedürftig<br />

ist, ein anderes Beispiel, auch die<br />

Kontrolle der unternehmerischen Exekutive<br />

durch den Aufsichtsrat. Die unselige Übung<br />

zum Beispiel, dass der Vorstandsvorsitzende<br />

fast schon automatisch nach seinem Ausscheiden<br />

den Aufsichtsratsvorsitz übernimmt; oder<br />

die gesamte Praxis der Mitbestimmung, die<br />

letztlich zu weniger Kontrolle führt.<br />

2. Die NGO’s, also die Non-Governmental-<br />

Organisations, die Nicht-Regierungsorganisationen<br />

wie Greenpeace oder die Anti-<br />

Korruptionsbewegung Transparency International.<br />

Die Macht dieser Organisationen<br />

ist groß. Das ist gut so, auch wenn sie gelegentlich<br />

über das Ziel hinausschießen.<br />

3. Die Medien. Die NGO’s wären ohne die<br />

Medien wirkungslos, vor allem ohne das Fernsehen.<br />

Aber nicht nur deswegen spielen die<br />

Medien als Institutionen eine wichtige Rolle.<br />

Sie haben in einem offenen, marktwirtschaftlichen<br />

System eine wichtige Funktion:Wie im<br />

politischen Raum kontrollieren sie auch in<br />

der Wirtschaft das Handeln der Mächtigen.<br />

Mehr Korrektive, mehr Geduld<br />

Gesetze, NGO’s, Medien <strong>–</strong> das sind die<br />

Institutionen, die wir als Korrektiv <strong>und</strong> als<br />

Gegengewicht brauchen. Nur auf Einsicht<br />

der Akteure zu setzen, das ist einfach zu<br />

wenig. Der Mensch ist eben von Natur aus<br />

nicht immer gut. Manches wird Zeit brauchen,<br />

vor allem <strong>was</strong> die Globalisierung anbelangt.<br />

Es wäre reichlich weltfern zu glauben,<br />

wir könnten die Folgen grenzenlosen Wirt-<br />

<strong>transparent</strong> 31<br />

schaftens in wenigen Jahren bewältigen. Es<br />

wird noch dauern, bis wir eine Weltord<strong>nun</strong>g<br />

geschaffen haben, die auch für die Unternehmen<br />

<strong>und</strong> die Finanzwirtschaft (ja, <strong>und</strong> gerade,<br />

auch die!) den geeigneten Rahmen bietet.<br />

Aber das ist alles machbar, wir brauchen<br />

nur Geduld. Jedenfalls gibt es keinen<br />

Gr<strong>und</strong> zu glauben, die Unternehmenswelt<br />

würde zwangsläufig immer tiefer im<br />

Morast ihrer eigenen Schlechtigkeit versinken.<br />

Viele Unternehmer haben inzwischen<br />

kapiert, dass moralisch einwandfreies<br />

Verhalten ihnen nicht schadet.<br />

Das US-Magazin FORTUNE brachte kürzlich<br />

einen Bericht über eine Studie. In der<br />

wurde die Geschäftsentwicklung von Unternehmen,<br />

die gute soziale <strong>und</strong> vorbildliche<br />

Umwelt-Standards auswiesen, die nicht durch<br />

illegale Handlungen aufgefallen waren <strong>und</strong><br />

eine gute Unternehmenskontrolle besaßen,<br />

verglichen mit Unternehmen, die es da nicht<br />

so genau nahmen. Ergebnis: Die sauberen<br />

Unternehmen erwirtschafteten deutlich bessere<br />

Resultate als die Bösen des Gewerbes.<br />

Der Kapitalismus hat sich im Laufe seiner<br />

Geschichte immer wieder als ein sehr lernfähiges<br />

System erwiesen. Zu lernen wäre,<br />

dass eine Wettbewerbsord<strong>nun</strong>g nicht allein<br />

nach den Rechenmodellen der Ökonometriker<br />

funktioniert; dass der Angebots-Nachfragemechanismus<br />

der Unterfütterung durch<br />

einen zeitgemäßen Wertekanon bedarf; dass<br />

bei allem Gewinnstreben Glaubwürdigkeit ein<br />

unverzichtbarer Produktionsfaktor bleibt. Und<br />

schließlich ist ganz wichtig, dass es wirksamer<br />

institutioneller Vorkehrungen bedarf, um die<br />

marktwirtschaftliche Ord<strong>nun</strong>g zu sichern.


Medien <strong>und</strong> Qualität:<br />

Hilf Dir selbst,<br />

sonst hilft Dir keiner?<br />

Die vermeintlich „vierte Macht“, der „Anwalt des kleinen Mannes“, die freie Presse<br />

scheint ins Schlingern geraten. Gravierende Fehler in der Berichterstattung,<br />

plumpe Vermischung mit PR, immer weniger Aufbereitung von Hintergründen, der<br />

Rückzug des investigativen Journalismus, all dies hat eine Debatte über die Qualität<br />

der Medien entfacht. Gerhard Jakubowski, als Konflikt- <strong>und</strong> Kommunikationsberater<br />

<strong>und</strong> Initiator zahlreicher Dialog-Klausuren langjähriger intimer Beobachter<br />

der Szenerie, sprach über dieses facettenreiche Thema am Beispiel Printmedien<br />

mit Andreas Oberholz, seit 19 Jahren freier Journalist, Blattmacher, vielfacher<br />

Buchautor <strong>und</strong> langjähriger Vorsitzender des Arbeitskreises Umweltpresse.<br />

Jakubowski: Kürzlich schrieb der „Spiegel“<br />

vom „Billigjournalismus“. Wir selbst erfahren<br />

bei unserer Arbeit mit den Medien, dass immer<br />

weniger Redakteure immer mehr Arbeit übernehmen<br />

müssen, dadurch kaum noch auf Reisen<br />

gehen können <strong>und</strong> Außen-Recherchen in<br />

der Folge erheblich zu kurz kommen. Diese<br />

Entwicklung scheint sich zu einem regelrechten<br />

Desaster <strong>und</strong> zu Lasten der redaktionellen<br />

Qualität zu entwickeln.Wie sehen Sie das?<br />

Oberholz: Fakt ist, dass die Redaktionen<br />

inzwischen vielfach auf ein Mindestmaß<br />

zusammengeschrumpft wurden. Im Bereich<br />

der Fachpresse dürfte das Ende der<br />

Fahnenstange bereits erreicht sein, denn<br />

dort kümmert sich inzwischen in der<br />

Regel nur noch ein Redakteur ums Blatt,<br />

manchmal sogar um zwei, frei nach dem<br />

Motto: Alles aus einer Hand. Gleichzeitig<br />

kommt aus den Führungsetagen die<br />

Anweisung, sehr restriktiv mit dem Einsatz<br />

freier Mitarbeiter <strong>und</strong> Honoraretats zu<br />

verfahren. So entwickelt sich der Fachzeitschriftenredakteur<br />

zum Hamster im<br />

Rhönrad <strong>und</strong> ist zugleich froh über jedes<br />

kostenlose Manuskriptangebot, das ihn<br />

erreicht. Dass dies Tür <strong>und</strong> Tor für Agenturen<br />

<strong>und</strong> Unternehmen öffnet, die mit<br />

mehr oder minder geschickt verfassten<br />

PR-Beiträgen in die Lücke stoßen, liegt auf<br />

der Hand. Im Gr<strong>und</strong>satz gilt dies allerdings<br />

längst auch für andere Bereiche der Printmedien.<br />

Die Tageszeitungen etwa sind in<br />

ihrer Manpower vielfach deutlich reduziert<br />

worden, zuletzt sogar bei Flaggschiffen<br />

der Branche wie der Frankfurter Allgemeinen<br />

Zeitung oder der Frankfurter<br />

R<strong>und</strong>schau.Weniger Redakteure bedeutet<br />

zwar nicht automatisch weniger Qualität,<br />

aber ob nicht bei verringerter Mannschaft<br />

rechercheintensive Themen, die Zeit <strong>und</strong><br />

Aufwand erfordern, unter den Tisch fallen,<br />

darf getrost spekuliert werden.<br />

Jakubowski: Sie haben es schon angesprochen,<br />

geistige Leistung gilt offenbar nicht viel in<br />

Deutschland.Auch wir hören es immer öfter, dass<br />

freie Journalisten von den Verlagen regelrecht geknebelt<br />

werden, <strong>was</strong> die Honorare angeht. Selbst<br />

renommierte Blätter gehen allem Anschein nach<br />

davon aus, dass es quasi eine Ehre ist, für sie zu<br />

schreiben. Können Sie das bestätigen?<br />

Oberholz: Im Bereich des freien Journalismus<br />

gibt es nicht nur ein Problem der Honorierung.<br />

Es beginnt bereits bei der Vergabe.<br />

Wenn immer mehr zuvor fest angestellte<br />

Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen auf die Straße<br />

gesetzt werden <strong>und</strong> die Redaktionen gleichzeitig<br />

zu unveränderten Arbeitsquoten angehalten<br />

werden, bleibt ein immer geringerer


„Fakt ist,<br />

dass die<br />

Redaktionen<br />

inzwischen<br />

vielfach auf ein<br />

Mindestmaß<br />

zusammengeschrumpft<br />

wurden.“<br />

Andreas Oberholz<br />

Restkuchen für eine immer größere<br />

Zahl von Nachfragern. Das drückt<br />

selbstverständlich den ohnehin<br />

nicht gerade üppigen<br />

Lohn. Im Tageszeitungsbereich<br />

geht das inzwischen<br />

runter bis auf<br />

etwa 25 Cent die Zeile.<br />

Rechnen wir das<br />

mal durch: Die üblichen<br />

Längen einer<br />

Story liegen dort bei<br />

60 bis 120 Zeilen.<br />

<strong>transparent</strong> 33<br />

Das macht bei einem solchen Billigsatz von<br />

25 Cent 15 bis 30 Euro Gesamthonorar. Seien<br />

wir aber einmal richtig spendabel <strong>und</strong><br />

legen ein Zeilenhonorar von einem Euro<br />

zugr<strong>und</strong>e, wie es nur große Blätter zahlen.<br />

Macht 60 bis 120 Euro für eine Geschichte.<br />

Dagegen stehen Aufwand für das Angebot an<br />

die Redaktion, Telefon- <strong>und</strong> eventuell Autokosten<br />

für die Recherche (der eine oder<br />

andere Interviewpartner will ja besucht werden),<br />

ein Zeitaufwand für Internetrecherche<br />

<strong>und</strong> Schreiben des Textes, der durchaus einen<br />

Tag oder mehr betragen kann, die allgemeinen<br />

laufenden Kosten des Journalisten für<br />

Versicherung etc, <strong>und</strong> die Gewissheit,<br />

dass nicht mehr als zwei<br />

Storys pro Woche abzusetzen<br />

sind. Wenn Sie das<br />

durchkalkulieren <strong>–</strong> würden<br />

Sie selbst noch zu<br />

diesen Konditionen antreten,<br />

oder gar besonders<br />

komplizierte <strong>und</strong><br />

nach tiefgängiger Rechercheverlangende<br />

Artikel anbieten?<br />

Fairerwei-


Hilf Dir selbst,<br />

sonst hilft Dir keiner?<br />

se muss man an dieser Stelle hinzufügen,<br />

dass im Magazinjournalismus immerhin noch<br />

auskömmliche Honorare gezahlt werden.<br />

Wer allerdings seine Feder im Fachpressebereich<br />

vermarkten will, erlebt das andere Extrem,<br />

manchmal gibt es gar nichts aufs Konto,<br />

oder für minimale Seitenhonorare von 25 bis<br />

50 Euro muss das Layout <strong>und</strong> die Optik, sprich<br />

Bilder, gleich noch mitgeliefert werden.<br />

Jakubowski: Dazu kommt nach meiner Mei<strong>nun</strong>g<br />

noch ein dramatischer <strong>und</strong> inzwischen<br />

existenzbedrohender Aspekt. Freie Journalisten<br />

müssen ihre Themen doch sozusagen fix <strong>und</strong><br />

fertig geschrieben anbieten, also den ganzen<br />

Aufwand an Recherche <strong>und</strong> Schreiben auf eigenes<br />

Risiko betreiben, ohne zu wissen, ob der<br />

Beitrag überhaupt angenommen wird.Wie lange<br />

kann man denn einem solchen Druck standhalten,<br />

ohne die Qualität leiden zu lassen?<br />

Oberholz: Solche Fälle gibt es hoffentlich<br />

kaum noch, weil dies kein freier Journalist<br />

ökonomisch durchhalten kann. Der Regelfall<br />

ist eher, dass ein kurzes Exposee verlangt<br />

wird. Dazu muss der Anbieter allerdings<br />

oft schon vorrecherchiert haben,<br />

denn wie sollte er sonst wissen, um <strong>was</strong> es<br />

im Beitrag konkret gehen soll?<br />

Jakubowski: Sprechen wir mal über die Verlagsseite.<br />

Die Gesamtsituation hat sich nach<br />

meinem Eindruck in den letzten Jahren auch<br />

deshalb drastisch verschlechtert, weil die weltweit<br />

operierenden Verlagshäuser sich verhalten<br />

wie jede andere Industrie, obwohl sie völlig<br />

anders geartete Verantwortung gegenüber der<br />

Gesellschaft bzw. der Öffentlichkeit haben müssten.<br />

Diese Verlage haben fusioniert, gekauft,<br />

verkauft, umstrukturiert <strong>und</strong> Tausende von Mitarbeitern<br />

entlassen, darunter auch sehr viele<br />

Redakteure. Welche Rolle spielen vor diesem<br />

Hintergr<strong>und</strong> noch Moral <strong>und</strong> Informationsauftrag?<br />

Gibt es noch Verleger mit ethischem wie<br />

gesellschaftspolitischem Anspruch?<br />

Oberholz: In den Verlagen ist es wie in<br />

anderen Branchen. Inhabergeführte Unternehmen<br />

werden seltener, Großunternehmen<br />

mit „Zeitarbeitern“ an der Spitze dominieren.<br />

Ich wage die Behauptung, dass dieser<br />

Trend zur Verlagerung von Verantwortung<br />

auf eher konturenlose Managementebenen<br />

langfristig negative Ergebnisse zeitigen wird.<br />

Andererseits dürfen wir Journalisten uns eigentlich<br />

nicht w<strong>und</strong>ern. Wie konnten wir<br />

annehmen, dass die Medien abseits des ökonomischen<br />

Produktionsprozesses stehen. Nein,<br />

sie sind ein ganz normaler Bestandteil <strong>und</strong><br />

funktionieren nach den Prinzipien des Marktes.<br />

Wenn wir das ändern wollen, müssten<br />

wir sie vermutlich dem Einfluss des Marktes<br />

entziehen, wie es ja in der R<strong>und</strong>funk- <strong>und</strong><br />

TV-Landschaft mit den öffentlich-rechtlichen<br />

Anbietern teilweise auch gegeben ist. Obwohl:<br />

Druck wird auch hier ausgeübt, wie<br />

der Kollege Werner Rügemer im Mitgliederblatt<br />

des Deutschen-Journalisten-Verbandes<br />

im August 2003 unter der treffend formulierten<br />

Schlagzeile „Zensierter Alltag“ darlegte.<br />

So strich beispielsweise der Südwestr<strong>und</strong>funk<br />

einen Beitrag über die Kooperation<br />

großer Banken <strong>und</strong> Konzerne mit<br />

dubiosen Instituten in Luxemburg ohne Vor-<br />

war<strong>nun</strong>g aus dem Programm. Die Begründung<br />

zur Absage des schon auf der Internet-<br />

Seite unter Sendemitschnitt-Service angebotenen<br />

Beitrages: Eine interne R<strong>und</strong>e im Sender<br />

habe das Ganze als nicht sendefähig<br />

bef<strong>und</strong>en. Dass zudem die Politik immer<br />

wieder mehr oder minder massiv versucht,<br />

Einfluss auf die öffentlich-rechtlichen Programme<br />

zu nehmen, ist ja bereits ein alter<br />

Hut. Kurzum: Dass dieser Weg <strong>–</strong> raus aus<br />

dem Markt <strong>–</strong> auch nicht ohne Tücken einzuschlagen<br />

wäre, versteht sich von selbst.<br />

„Dass die Politik immer wieder<br />

mehr oder minder massiv<br />

versucht, Einfluss auf<br />

die öffentlich-rechtlichen<br />

Programme zu nehmen,<br />

ist ja bereits ein alter Hut.“<br />

Jakubowski: Zurück zu den Printmedien. Seit<br />

Jahren geht das Werbeaufkommen bzw. das<br />

Anzeigenvolumen zurück. Nachweislich wächst<br />

der Druck der Industrie auf die Medien, die<br />

Berichterstattung abhängig zu machen vom Anzeigenvolumen,<br />

also: Je mehr Anzeigen geschaltet<br />

werden, umso fre<strong>und</strong>licher hat die Berichterstattung<br />

zu sein. Das wird sich doch vermutlich<br />

sehr negativ auf die innere Pressefreiheit<br />

auswirken.Was bleibt denn davon noch übrig?<br />

Oberholz: Ich halte es da mit dem B<strong>und</strong>esvorsitzenden<br />

des Deutschen Journalisten-<br />

Verbandes, Rolf Lautenbach. Er formulierte


<strong>transparent</strong> 35<br />

„Die Verlage haben fusioniert, gekauft, verkauft,<br />

umstrukturiert <strong>und</strong> Tausende von Mitarbeitern entlassen,<br />

darunter auch sehr viele Redakteure. Welche Rolle spielen vor<br />

diesem Hintergr<strong>und</strong> noch Moral <strong>und</strong> Informationsauftrag?“<br />

Gerhard Jakubowski


Hilf Dir selbst,<br />

sonst hilft Dir keiner?<br />

kürzlich: „Die Zersetzung unseres Berufsbildes<br />

hat bereits begonnen.Viele von uns wollen<br />

es nur noch nicht wahr haben.“ In der Tat<br />

wuchert der kommerzielle Einfluss der<br />

Anzeigenk<strong>und</strong>en bis in renommierteste Blätter<br />

hinein. Weil Nachrichten oder Reportagen<br />

als glaubwürdig gelten, versuchen sich<br />

die Anzeigenk<strong>und</strong>en stärker denn je im „Product<br />

Placement“ innerhalb des redaktionellen<br />

Teils. Das „manager magazin“ berichtete<br />

neulich von einem 300.000 Euro-Angebot an<br />

die Springer-Geschäftsführung, wenn deren<br />

Blätter hier <strong>und</strong> da Novartis-fre<strong>und</strong>liche<br />

Zusammenhänge herstellen oder auch mal<br />

das Foto eines Novartis-Medikaments bringen<br />

würden. Noch weiter verbreitete Praxis<br />

ist aber heute die Kopplung von Anzeige <strong>und</strong><br />

redaktionellem Text. Das heißt: Die Anzeigenwerber<br />

der Verlage verkaufen von vorn-<br />

„Die Zersetzung unseres<br />

Berufsbildes hat<br />

bereits begonnen. Viele von<br />

uns wollen es nur noch<br />

nicht wahr haben.“<br />

herein ein bestimmtes, im Verhältnis 1:1 oder<br />

manchmal sogar 1:2 stehendes Volumen von<br />

redaktionell gestalteten Seiten pro Seite<br />

Anzeige. Diese Seiten werden dann oft auch<br />

vom Anzeigenk<strong>und</strong>en fertig geliefert, der<br />

wiederum solche Texte i.d.R. von PR-Agenturen<br />

fertigen lässt. Das ist oftmals so<br />

geschickt gemacht, dass der geneigte Leser<br />

es nicht erkennen kann. Die logische Konsequenz:Was<br />

hier an vermeintlich redaktionellen<br />

Seiten gefüllt wird, steht für andere Themen<br />

nicht zur Verfügung. Im Übrigen hat es<br />

auch schon Fälle gegeben, bei denen Anzeigen<br />

geschaltet wurden mit der Vereinbarung,<br />

dass ansonsten über einen längeren Zeitraum<br />

nicht über das Unternehmen berichtet<br />

wird, egal ob positiv oder negativ. Soviel<br />

dann zum Thema innere Pressefreiheit.<br />

Jakubowski: Eigentlich ist erstaunlich, wie lange<br />

es gedauert hat, bis diese Entwicklung thematisiert<br />

worden ist.Was glauben Sie <strong>–</strong> fehlt Ihrer<br />

Zunft der Mut, ein zugegebenermaßen heißes<br />

Eisen anzupacken, das sie ja <strong>nun</strong> einmal selbst<br />

betrifft? Wenn ja, leidet darunter die<br />

Glaubwürdigkeit der Medien nicht<br />

noch mehr als ohnehin schon?<br />

Oberholz: Nennen Sie mir<br />

irgendeine Branche, eine Partei,<br />

ein Unternehmen, einen Verband,<br />

der von sich heraus <strong>–</strong><br />

sozusagen mit Selbstreinigungskraft<br />

<strong>–</strong> auf Negativtrends oder<br />

gar Skandale im eigenen Bereich<br />

aufmerksam gemacht hätte.<br />

Menschen, die solches tun,<br />

gelten nicht nur hier zu Lande eher als<br />

Nestbeschmutzer. Insofern tun sich auch<br />

die Medien schwer mit der Aufarbeitung<br />

eigener Versäumnisse bzw. Fehlentwicklungen.<br />

Dass beispielsweise im Reisejournalis-<br />

„Nur keine Probleme<br />

thematisieren“, so ein<br />

Satz in einer Redaktionskonferenz,<br />

der mir ständig<br />

in den Ohren klingt.“<br />

mus nur noch bunte, spaßige Ferienwelten<br />

ohne jeden kritischen Hintergr<strong>und</strong> vorgeführt<br />

werden, scheint den Nerv dieser<br />

Spaßgesellschaft zu treffen. „Nur keine Probleme<br />

thematisieren“, so ein Satz in einer<br />

Redaktionskonferenz, der mir ständig in<br />

den Ohren klingt. Ähnliches gilt für Sport<br />

<strong>und</strong> Auto.Wenn sich die Branche dennoch<br />

zaghaft an das Thema „Qualität <strong>und</strong> Medien“<br />

heranpirscht, so tut sie dies bislang<br />

hauptsächlich unter dem Signet Aus- <strong>und</strong><br />

Weiterbildung. Dass hier Verbesserungsbedarf<br />

besteht, ist wohl unstrittig, aber die<br />

Fokussierung auf diese Facetten verstellt<br />

noch immer den Blick auf zugegebenermaßen<br />

hochsensible Themen wie etwa die<br />

angesprochene Vermischung unabhängiger<br />

<strong>und</strong> gekaufter Berichterstattung.<br />

Jakubowski: Welche Chancen sehen Sie für<br />

positive Veränderungen <strong>–</strong> durch wen <strong>und</strong> in welchen<br />

Schwerpunkten? Und: Sehen Sie für sich<br />

selbst als verantwortlich arbeitender Redakteur<br />

Möglichkeiten, verändernd einzugreifen?


Oberholz: Natürlich gilt der alte Satz: Hilf<br />

Dir selbst, sonst hilft Dir keiner. Insofern<br />

sind wir alle gefordert, im Redaktionsalltag<br />

nicht nur hinhaltenden Widerstand, sondern<br />

auch Überzeugungsarbeit zu leisten. Ein<br />

Blatt, dessen Inhalte versteckt oder offen<br />

werblich dominiert werden, hat zwar kurzfristig<br />

möglicherweise bessere Umsatzzahlen<br />

aufzuweisen, muss aber längerfristig mit<br />

Auflagenschw<strong>und</strong> rechnen. Insbesondere die<br />

Fachpresse tut sich keinen Gefallen damit,<br />

wenn sie ihre Seiten quasi verhökert.Wenn<br />

die Abonnenten erst merken, dass statt neutral<br />

recherchiertem Wissen nur die Inserenten<br />

zu Wort kommen, sinkt der Nutzwert<br />

des Blattes für sie gewaltig, eine Abbestellung<br />

liegt dementsprechend nahe. Diese<br />

Argumentationskette müsste durch entsprechend<br />

geschulte Anzeigen-Akquisiteure<br />

vermittelbar sein. Immer mehr Öffentlichkeitsarbeiter<br />

in Industrie <strong>und</strong> Verbänden<br />

jedenfalls haben eine ähnliche Mei<strong>nun</strong>g zum<br />

Geschehen. Chancen für positive Veränderungen<br />

gibt es natürlich, denn das System<br />

<strong>transparent</strong> 37<br />

der Marktwirtschaft ist <strong>nun</strong> einmal lernfähig.<br />

Es wird immer wieder neue Felder für Qualitäts-Journalismus<br />

geben, ein gutes Beispiel<br />

ist <strong>–</strong> so glaube ich <strong>–</strong> die Zeitschrift „Mare“,<br />

ein hervorragendes Magazin, dem anfangs<br />

kaum jemand ein Überleben am Markt zugetraut<br />

hatte. Zum anderen lassen sich Trends<br />

nicht einfach extrapolieren, das heißt der<br />

Beginn einer Diskussion über Mängel <strong>und</strong><br />

Fehlentwicklungen führt i.d.R. zu einem<br />

Gegensteuern <strong>und</strong> lässt die schlimmsten<br />

Befürchtungen nicht wahr werden.


impressum<br />

<strong>transparent</strong><br />

Risikowahrnehmung <strong>und</strong><br />

Dialogbereitschaft<br />

Redaktion:<br />

Andreas Oberholz (ViSdP)<br />

„Um Kommunikations-Kompetenz<br />

zu<br />

erreichen, sollten alle<br />

Sinne geöffnet werden,<br />

müssen persönliche<br />

Begeg<strong>nun</strong>gen verstärkt<br />

werden”<br />

Koordinations- <strong>und</strong> Redaktionsanschrift<br />

Friese + Jakubowski PR-Service GbR<br />

Große Straße 22<br />

22926 Ahrensburg<br />

Tel. 04102.51268<br />

Fax 04102.56255<br />

eMail buero@g-jakubowski.de<br />

Gestaltung, Layout<br />

<strong>und</strong> Gesamtherstellung<br />

Union-Betriebs-Gesellschaft<br />

UBG-Medienzentrum<br />

Egermannstraße 2<br />

53359 Rheinbach<br />

Diese Publikation wird gefördert von der<br />

Arbeitsgemeinschaft<br />

PVC <strong>und</strong> Umwelt (AgPU) e.V.<br />

Am Hofgarten 1-2<br />

53111 Bonn<br />

Ansprechpartner:<br />

Werner Preusker, Geschäftsführer<br />

Tel. 0228.917830<br />

<strong>und</strong> dem<br />

Verband der Backmittel- <strong>und</strong><br />

Backgr<strong>und</strong>stoffhersteller e.V., Bonn/Wien<br />

Markt 9<br />

53111 Bonn<br />

Ansprechpartner:<br />

Dr.Amin Werner, Geschäftsführer<br />

Tel. 0228.969780


herausgeber<br />

Christa Friedl<br />

Chemiestudium an den Fachhochschulen Aalen <strong>und</strong> Reutlingen;<br />

Journalistikstudium an der Universität Stuttgart-<br />

Hohenheim; Volontariat bei diversen Tageszeitungen <strong>und</strong><br />

Agenturen; von 1989 bis 2002 bei den „VDI-Nachrichten“<br />

verantwortliche Redakteurin für Umwelt <strong>und</strong> Forschung,<br />

jetzt freie Wissenschaftsjournalistin.<br />

Gerhard Jakubowski<br />

Jahrgang 1941;Verlagskaufmann, PR-Führungspositionen in der<br />

Industrie; Psychotherapeut (Gestalttherapie); seit 1976 eigene<br />

Agentur für Konflikt- <strong>und</strong> Kommunikationsberatung in Ahrensburg.<br />

Neben seinem Spezialgebiet der Dialogkommunikation<br />

ist er vor allem auch als Dozent <strong>und</strong> im Coaching tätig.<br />

Andreas Oberholz<br />

Jahrgang 1957; Ökonom, arbeitet als freier Journalist in Heiligenhaus.<br />

Schwerpunkte: Umwelt-, Politik- <strong>und</strong> Mittelstandsthemen.<br />

Als Blattmacher konzipiert <strong>und</strong> betreut er entsprechende<br />

Printmedien. Bislang fünf Sachbücher.Von 1996 bis<br />

2003 Vorsitzender des Arbeitskreises Umweltpresse.<br />

<strong>transparent</strong> 39<br />

Rosemarie Oswald<br />

Biologin; seit 20 Jahren im Natur- <strong>und</strong> Umweltschutz aktiv.<br />

Wichtige Stationen: WWF, „Ökologische Briefe“, umweltpolitische<br />

Sprecherin von Bündnis90/Die Grünen in Frankfurt,<br />

Leiterin des Umweltamtes in Ludwigshafen. Seit<br />

1.1.2002 Referentin des Umweltdezernates Frankfurt.<br />

Udo Pollmer<br />

Jahrgang 1954; Lebensmittelchemiker, Dozent, Unternehmensberater,<br />

Wissenschaftsjournalist <strong>und</strong> Wissenschaftlicher<br />

Leiter des Europäischen Instituts für Lebensmittel- <strong>und</strong><br />

Ernährungswissenschaften (EU.L.E. e.V.).<br />

Werner Preusker<br />

Jahrgang 1950; Jurist; zunächst Mitarbeiter des Sachverständigenrates<br />

für Umweltfragen, dann des Verbandes der Chemischen<br />

Industrie (Abteilung Technik <strong>und</strong> Umwelt). Seit<br />

1989 Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft PVC <strong>und</strong><br />

Umwelt (AgPU) e.V. in Bonn.

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