<strong>PlusMinus</strong> 2/20<strong>07</strong>Hintergrundfoto:© psychodeer, Photocase.comtionsinhalte leichter und nachhaltigeran die Zielgruppe vermitteln kann, dadie Zugehörigkeit zur sozialen Gruppenormalerweise automatisch für einegrößere Glaubwürdigkeit sorgt. Mitdiesem Ansatz können die vorhergenannten Faktoren, die das tatsächlicheVerhalten in einer bestimmtenSituation mitbestimmen, jedoch nurbedingt beeinflusst werden.Einen anderen Zugangsweg bietet dasPrinzip der Gesundheitsförderung. 7<strong>Die</strong> Prävention versucht, pathogenenEntwicklungen wie AIDS, Sucht oderGewalt vorzubeugen. Das von AaronAntonovsky entwickelte Prinzip derGesundheitsförderung kehrt die Ausgangsfrageum und versucht herauszufinden,warum die meisten Menschentrotz der vielfältigen pathogenenEinflüsse gesund bleiben. Hiersoll also nicht ergründet werden, waskrank macht, um diese Umständedann zu vermeiden, sondern es sollherausgefunden werden, welcheFaktoren dafür verantwortlich sind,dass Menschen trotz krankmachenderEinflüsse gesund bleiben, damit dieseFaktoren verstärkt werden können. Inder HIV/AIDS-Prävention wird dieserAnsatz meist mit dem Begriff des„Empowerment“ umschrieben. Dasbedeutet, dass Menschen dazu befähigtwerden, sozialen, wirtschaftlichenund gesellschaftlichen Widrigkeitenzum Trotz, ihr Wissen in adäquatesVerhalten umzusetzen. Dazumuss das Recht auf Selbstbestimmungund Lebensautonomie, Gerechtigkeitder Güterverteilung und der Abbauvon Vorurteilen und Rollenstereotypengefördert werden. <strong>Die</strong>ser Ansatzkönnte damit wesentlich auf diezuvor genannten Faktoren Einflussnehmen.Eine dritte Möglichkeit ist der Ansatzdes Risiko-Managements und der„Harm Reduction“. D.h. es wird dieTatsache akzeptiert, dass Menschenimmer wieder Risiken eingehen werden,und es sollen ihnen Möglichkeiten andie Hand gegeben werden, das Risikoso klein wie möglich zu halten. In derHIV-Prävention für i.v. DrogengebraucherInnenist dieses Prinzip beispielsweisedurch die Einführung vonSpritzentauschprogrammen etabliert.Bei sexuellen Risikosituationen ist derAnsatz jedoch heftig umstritten.Gerade für Jugendliche in der Entwicklunghat aber das Eingehen vonRisiken, experimentierendes Verhaltenund das „Sich Ausprobieren“elementare Bedeutung. <strong>Die</strong> dabeierlebten Reize und gewonnenen Erfahrungensind wichtig für die Entwicklungeiner eigenverantwortlichenPersönlichkeit. 8 Prävention kann hieransetzen und versuchen, Jugendlicheneine Risikokompetenz zu vermitteln,statt an einer (nicht realisierbaren?)Risikovermeidung festzuhalten.<strong>Die</strong> Zukunft wird zeigen, ob mit diesenAnsätzen (am besten in kombinierterForm) ein besseres Verhältniszwischen Wissen und Verhaltenerreicht werden kann.ad 2. Mythen und FalschinformationenTrotz des an sich guten Wissensstandesbezüglich HIV und AIDS haltensich auch in der jugendlichen Bevölkerunghartnäckig einige Falschinformationenund Unsicherheitenüber die Ansteckungsmöglichkeiten.Beispielsweise glauben immer noch20,2% der österreichischen Teilnehmerder BORDERNET-Studie 1 ,dass HIV beim Küssen übertragenwerden kann. Bei 13,5% besteht auchUnsicherheit darüber, ob in der Saunaoder im Schwimmbad bzw. auf derToilette eine Ansteckung erfolgenkann. Solche Falschinformationenführen zu unbegründeten Ängsten imUmgang mit HIV-positiven Menschenund dadurch zu Ausgrenzung undDiskriminierung. Hier muss untersuchtwerden, warum sich dieseMythen so hartnäckig halten. Aus derBeratungspraxis lässt sich vermuten,dass dies vielleicht Ausdruck einerÜberängstlichkeit ist. So wie vieleJugendliche das Risiko einer HIV-Infektion unterschätzen gibt es auchden Gegenpart, bei dem das Risikoüberschätzt wird bzw. auch inSituationen ein Übertragungsrisikovermutet wird, in denen gar keinesvorhanden ist. Trifft diese Annahmezu, würde auch in diesem Fall dasPrinzip der Gesundheitsförderungnach Antonovsky greifen. Mit Empowermentkönnte der Überängstlichkeitgenauso entgegengewirkt werdenwie einem mangelnden Risikobewusstsein.Eine Person, die sich ihrereigenen Fähigkeiten bewusst ist undVertrauen in sich selbst hat, wirdauch weniger zu irrationalen Ängstenneigen als eine unsichere und deshalbangreifbare Person.1) EU-Projekt zur Epidemiologie sexuell übertragbarerKrankheiten in den Grenzregionen Deutschland/Polen, Italien/Slowenien, Österreich/Slowakien.Siehe dazu auch <strong>PlusMinus</strong> 1/20<strong>07</strong>: Let’s talkabout... STDs. S. 5f.2) Wiener Jugendgesundheitsbericht 2002.www.wien.gv.at/who/jugendgb/2002. S. 2273) ebd. S. 2274) Durex Local Report 2006. Studie zu sexuellenEinstellungen und Verhaltensweisen in Österreich.http://www.durex.com/at/assets/durex_lr2006_at.pdf. S. 145) Wiener Jugendgesundheitsbericht 2002, S. 2276) vgl. z.B.: 4. Bericht zur Lage der Jugend in Österreich.Teil B: Prävention in der außerschulischenJugendarbeit. Wien: Bundesministerium für SozialeSicherheit, Generationen und Konsumentenschutz,2002. S. 33ff7) ebd. S. 10ff8) ebd. S. 264
Jugendsexualität heuteZentrale Ergebnisse der Studie „Lust or trust? Sexuelles Risikoverhalten heterosexueller Jugendlicherund junger Erwachsener in Kärnten von Eva Brunner, Brigitte Jenull-Schiefer, Olivia Kada, Claudia Brunner*Der HintergrundJugendliche und junge Erwachsenezeigen verstärkt gesundheitsgefährdendeVerhaltensweisen wie ungeschütztenGeschlechtsverkehr (Brunner,2006; Vögele, 2006), der in engemZusammenhang mit einer zunehmendenPrävalenz sexuell übertragbarerErkrankungen gesehen wird (Centersfor Disease Control and Prevention,2006). Eine umfassende Betrachtungdes Sexualverhaltens bildet die Grundlage,um das Unterlassen des Kondomgebrauchsbei Jugendlichen undjungen Erwachsenen verstehen undpräventive Interventionen planen zukönnen. Während in Deutschland dieBundeszentrale für gesundheitlicheAufklärung das Sexualverhalten jungerMenschen seit 25 Jahren strukturiertuntersucht (z.B. BZgA, 2006), istdie Datenlage in Österreich eher spärlich;die letzte Österreichische Studie,die sich dem Thema Jugendsexualitätauf breiter Basis angenommen hat, istin den späten 1990er-Jahren zu verorten(Ludwig Boltzmann-Institut fürFrauenforschung, 1997). Aus diesenGründen widmet sich das Projekt„Lust or trust? Sexuelles Risikoverhaltenheterosexueller Jugendlicherund junger Erwachsener“ der Erforschungder Sexualität junger Menschenin Kärnten.Das Projekt „Lust or trust?“Das Projekt erstreckte sich über denZeitraum März 2004 bis Dezember2006 und besteht aus sechsTeilstudien:■ Studie 1: ExpertInneninterviews:Sieben Expertinnen und Experten ausunterschiedlichen BundesländernÖsterreichs wurden zum Stand derSexualprävention sowie der gesellschaftlichenund politischen Bedeutungder Thematik interviewt.■ Studie 2: Fragebogenstudie„Motive für und gegen Kondome“:SchülerInnen und Studierende (N =175; Altersrange: 16 bis 25 Jahre)wurden mit einem Fragebogen zuMotiven für und gegen den Kondomgebrauchbefragt.■ Studie 3: Fragebogenstudie„Emotionen beim ersten und letztenMal“:Mittels Fragebogen wurde das emotionaleErleben beim ersten und kürzestzurückliegenden Geschlechtsver-kehr analysiert (N = 141 Studierende;Altersrange: 18 bis 25 Jahre).■ Studie 4: Kärntner Sexualsurvey:Basierend auf bestehenden Instrumentenaus dem angloamerikanischenRaum wurde theoriegeleitet ein Fragebogenzur Erhebung von Variablenwie etwa Kondomgebrauch, -intention,-einstellung, -selbstwirksamkeitserwartungsowie der Risikowahrnehmungund dem emotionalen Erlebenbeim Geschlechtsverkehr erstellt undpilotiert. 1089 Jugendliche und jungeErwachsene aus allen Bezirken*Dr.rer.nat Eva Brunnerist seit 2003 UniversitätsassistentinamInstitut für Psychologieder Alpen-Adria-UniversitätKlagenfurt. Fragenzum Projekt richten Siebitte aneva.brunner@uniklu.ac.atDr.rer.nat Brigitte Jenull-Schiefer ist seit 2001Universitätsassistentinam Institut für Psychologieder Alpen-Adria-Universität Klagenfurt.Mag.rer.nat Olivia Kadaarbeitete am Projekt„Lust or trust?“ mit undist seit 2006 wissenschaftlicheMitarbeiterinan der FachhochschuleTechnikum Kärnten,Studiengang Gesundheits-und Pflegemanagement.Mag.rer.nat ClaudiaBrunner arbeitete amProjekt „Lust or trust?“mit und ist seit 2006Mitarbeiterin im MiniAmbulatorium Wolfsberg,pro mente jugend.5