Formica exsecta
Formica exsecta
Formica exsecta
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(seit 1999 die 13. Proklamation)
Große Kerbameise (<strong>Formica</strong> (C.) <strong>exsecta</strong>)<br />
© 2010<br />
Lebensraum, Biologie, Verbreitung, Gefährdung<br />
von<br />
Dieter Bretz
Systematische Stellung von <strong>Formica</strong> <strong>exsecta</strong><br />
Stamm: Gliederfüßer (Arthropoda) Wirbeltiere<br />
Unterstamm: Tracheenatmer (Tracheata) Krebse<br />
Klasse: Insekten (Insecta) (Hexapoda) Tausendfüßler<br />
Unterklasse: Geflügelte Insekten (Pterygota) Springschwänze<br />
Ordnung: Hautflügler (Hymenoptera) Käfer<br />
Unterordnung: Wespentailler (Apocrita) Blattwespen<br />
Überfamilie: Stechimmen (Aculeata) Schlupfwesp.<br />
Familie: Ameisen (Formicidae) Bienen<br />
Unterfamilie: Schuppenameisen (Formicinae) Knotenam.<br />
Gattung: Waldameisen (<strong>Formica</strong>) Wegam.<br />
Untergattung: Kerbameisen (Coptoformica)<br />
Art: Große Kerbameise (<strong>Formica</strong> (Coptof.) <strong>exsecta</strong>)
Gattung: Waldameisen (<strong>Formica</strong>)<br />
UG: Waldameisen i.e.S. UG: Kerbameisen UG: Raubameisen UG: Sklavenameisen<br />
(<strong>Formica</strong> s. str.) (Coptoformica) (Raptiformica) (Serviformica)<br />
Art: Art: Art: Art:<br />
F. aquilonia F. bruni F. sanguinea F. cinerea<br />
F. lugubris F. <strong>exsecta</strong> F. cunicularia<br />
F. polyctena F. foreli F. fusca<br />
F. pratensis F. forsslundi F. fuscocinerea<br />
F. rufa F. pressilabris F. lemani<br />
F. truncorum F. lusatica<br />
F. picea<br />
F. rufibarbis<br />
F. selysi
Kerbameisen sind Hügel bauende Waldameisen<br />
. Sie errichten Nesthügel durch Zusammentragen von Bestandsabfall.
Arbeiterin von <strong>Formica</strong> (C.) <strong>exsecta</strong><br />
114 Ameisenarten in Deutschland<br />
(weltweit: 12.629 Ameisenarten)<br />
Stand: 25. 03. 2011 (http://antbase.org)<br />
13 Hügel bauende Waldameisenarten<br />
5 Kerbameisenarten in Deutschland<br />
<strong>Formica</strong> <strong>exsecta</strong>,<br />
verbreitetste Kerbameise<br />
<strong>Formica</strong> bruni, <strong>Formica</strong> foreli,<br />
<strong>Formica</strong> forsslundi, <strong>Formica</strong> pressilabris<br />
Unterscheidung bei 100‐facher Vergr.<br />
Zeichnung: H. HANEMANN
Markante Kennzeichen für Kerbameisen<br />
Starke Einbuchtung am Kopf‐Hinterrand<br />
Tiefe Einkerbung der Schuppe
Lebensraum von <strong>Formica</strong> (C.) <strong>exsecta</strong><br />
Offene bzw. leicht beschattete Habitate
Offene Magerrasen mit einzelnen Gehölzen als Vorzugshabitat<br />
(Grube Messel)
lichte Wälder oder Waldlichtungen (Am Paradies, Müritz‐NP)
Gehölzsäume
montane bis subalpine Weiden und Matten im Gebirge<br />
(Priesbergalm, NP Berchtesgaden)<br />
Foto: R. REISER
Biologie von <strong>Formica</strong> (C.) <strong>exsecta</strong><br />
Kerbameisen sind soziale Insekten.<br />
Arbeitsteilung als Erfolgsrezept
Fast das ganze Jahr ein „Weiberstaat“<br />
Männchen Arbeiterin Weibchen<br />
Macraner Micraner<br />
• Fortpflanzungsfähige Weibchen = Königinnen<br />
• Nicht zur Fortpflanzung fähige Weibchen = Arbeiterinnen (flügellos)<br />
• Männchen (Größendimorphismus)<br />
Foto: E. DEWES
Arbeiterinnen beim Wärmetanken<br />
Foto: L. ZERCHE
Arbeiterinnen bauen und verteidigen das Nest.<br />
Sie sorgen für das richtige Nestklima.
Arbeiterinnen versorgen die Brut.<br />
Larvenpflege
Perfekte Kommunikation<br />
Düfte und Körperkontakte als Kommunikationsmittel<br />
Information der Nahrungsquelle<br />
Alarmsignale<br />
Freund oder Feind?
Die Fühler sind das wichtigste Sinnesorgan<br />
• Tasten<br />
• Riechen<br />
• Schmecken<br />
• Temperatur Messen<br />
• Taktile Verständigung
F. <strong>exsecta</strong>‐Arbeiterinnen sind sehr aggressiv und territorial.
<strong>Formica</strong> <strong>exsecta</strong>‐Nester mit typischer Deckschicht<br />
aus abgebissenen Grashalmstücken<br />
Nesttiefe: 80 – 150 cm<br />
max. Nesthügelgrößen: Saarland: D/H 160/60 cm<br />
Müritz‐NP: D/H 120/36 cm<br />
Priesbergalm: D/H 60/ 50 cm
Thermoregulation –Wärme wird im Hügel gespeichert
Kleines, flaches F. <strong>exsecta</strong>‐Nest im Hochgebirge (Wallis)
Einzelnest (monodomer Kolonietyp)<br />
mit nur einer Königin (monogyn)
Kolonieverband aus mehreren Nestern (polydomer Kolonietyp)<br />
mit mehreren Königinnen (polygyn)<br />
Polydome Kolonien sind häufig in den Alpen und in Mitteleuropa.<br />
Superkolonien mit mehr als 500 Nestern
ca. 50.000 Kerbameisen in großen Nestern<br />
und einige Hundert Königinnen
Aus Frühlingseiern (Ende März) entstehen vorwiegend gefl. Männchen und Weibchen<br />
sowie 5% Arb. in monogynen Nestern und bis zu 50% Arb. in polygynen Nestern.<br />
Das Phänomen des Geschlechtsdimorphismus bei Männchen (Macraner u. Micraner)<br />
ist aus verhaltensphysiologischer und ökologischer Hinsicht noch nicht geklärt.
Schwarmflug an einem Julivormittag<br />
Foto: B. WESENIGK-STURM
Kleines F. <strong>exsecta</strong>‐Nest nach sozialparasitischer Initialgründung<br />
bei <strong>Formica</strong> fusca oder <strong>Formica</strong> lemani
Kerbameisen sind Schlüsselglieder in Ökosystemen<br />
• Kerbameisen sind Jäger und Gejagte<br />
• Kerbameisen und Läuse leben in Symbiose<br />
• Kerbameisen verbreiten Pflanzen<br />
• In Kerbameisennestern leben viele Gäste<br />
Volkreiche Kolonien reduzieren die Dichte anderer Ameisenarten<br />
und räuberischer Gliederfüßer (Arthropoden) signifikant.
Trophobiose<br />
• Honigtau als Hauptenergiequelle<br />
• hygienische Dienste für die Läuse<br />
• andere Honigtaunutzer profitieren<br />
Foto: E. DEWES
Elaiosom<br />
Verbreitung der Samen<br />
von<br />
Ameisenpflanzen<br />
Lerchensporn<br />
eitere Ameisenpflanzen: Veilchen, Schöllkraut, Taubnessel, Wachtelweizen, Ehrenpreis
Kerbameisennester sind geschützte, über längere Zeiträume stabile Lebensräume.<br />
Kerbameisennester bieten Mikrohabitate für eine Unzahl anderer kleiner Arten.
1 mm<br />
Dinarda hagensii<br />
Myrmecophile Käfer bei <strong>Formica</strong> (C.) <strong>exsecta</strong><br />
1 mm<br />
Thiasophila canaliculata<br />
Zwei wirtsspezifische Kurzflügelkäfer (Staphylinidae)<br />
Fotos: L. ZERCHE
Auffinden der <strong>Formica</strong> <strong>exsecta</strong>‐Kolonie<br />
auf der Fahnerschen Höhe/Thüringen durch Käferbelege<br />
Foto: L. ZERCHE
Verbreitung von <strong>Formica</strong> (C.) <strong>exsecta</strong><br />
Foto: R. REISER<br />
• deutschlandweit vorkommend<br />
• von der Ebene bis ins Hochgebirge<br />
• nur zerstreute Fundorte<br />
• regional fehlend
Rezente <strong>Formica</strong> <strong>exsecta</strong>‐Fundorte<br />
in Deutschland (ca. 130)<br />
DIETER BRETZ, 2010;<br />
Karte erstellt unter Mitarbeit von<br />
Dr. PETER BLISS (M.-Vorpommern, Sachsen-Anhalt),<br />
THILO BUSCH (Mecklenburg-Vorpommern),<br />
Prof. Dr. ALFRED BUSCHINGER (Hessen)<br />
Dr. ERHARD DEWES (Saarland),<br />
HUBERT FLEISCHMANN (Bayern),<br />
Dr. GERHARD HELLER (Rheinland-Pfalz),<br />
Dr. WOLFGANG MÜNCH (Baden-Württemberg),<br />
Dr. ROLAND SCHULTZ (Mecklenburg-Vorpommern),<br />
Dr. BERNHARD SEIFERT (M.-Vorpommern, Sachsen),<br />
Dr. UWE SÖRENSEN (Schleswig-Holstein),<br />
FRANK SONNENBURG (Nordrhein-Westfalen),<br />
HOLGER SONNENBURG (Niedersachsen),<br />
BERND WESENIGK-STURM (Brandenburg) und<br />
Dr. LOTHAR ZERCHE (Thüringen)<br />
Standort von Einzelnestern oder kleinen Kolonien<br />
Standort von mehreren nahe gelegenen Einzelnestern<br />
oder mehreren nahe gelegenen kleinen Kolonien<br />
Standort von Kolonien mit 100 – 500 Nestern<br />
Standort von Kolonien mit mehr als 500 Nestern
Verbreitungskarte<br />
<strong>Formica</strong> (C.) <strong>exsecta</strong><br />
(2007)<br />
38 Standorte<br />
288 Nester<br />
BERND WESENIGK-<br />
STURM,<br />
Ameisenschutz aktuell 22,
Volkreiche Superkolonien von <strong>Formica</strong> <strong>exsecta</strong><br />
z.B. Kolonie mit 754 Nestern auf der Schwäb. Alb
34 Standorte<br />
(32 in Südhessen, 2 bei Haiger)<br />
822 Nester<br />
(464 Nester in der Grube Messel)
Gefährdung von <strong>Formica</strong> (C.) <strong>exsecta</strong><br />
Ursachen:<br />
• Eutrophierung von Magerrasen<br />
• Nutzung von Randstrukturen beim Ausbau von Straßen, Radwegen,<br />
Siedlungen<br />
• Umpflügen von stark besiedelten Ackerrändern an Weg‐ und<br />
Waldrändern<br />
• Umwandlung von Stilllegungsflächen in Ackerland<br />
• Waldsukzession auf ehemaligen Truppenübungsplätzen
Spezielle Schutzmaßnahmen für den F. <strong>exsecta</strong>‐Standort bei<br />
Nonnweiler<br />
gefördert durch den saarländischen Umweltminister MÖRSDORF (2001)
Superkolonie (408 Nester) bei Nonnweiler/Saarland<br />
ohne dramatische Standortveränderungen und<br />
ohne ersichtliche Gründe seit 2007 erloschen
Wichtige Aufgaben im Kerbameisenschutz:<br />
• Erfassung der aktuellen Bestände<br />
• Regelmäßige Kontrolle<br />
• Sicherung der Habitat‐Bedingungen<br />
<strong>Formica</strong> <strong>exsecta</strong>‐Kolonie an der A5 bei Griesheim/Darmstadt
Unterschiedlicher Rote‐Liste‐Status für <strong>Formica</strong> (C.) <strong>exsecta</strong>:<br />
RLD nach SEIFERT (2007): 3 (gefährdet)<br />
Hessen (1996): 2 (stark gefährdet)<br />
NRW (2010): 1 (vom Aussterben bedroht)
An die Proklamation Insekt d. J. 2011<br />
geknüpfte Erwartungen:<br />
Erkundung und Sicherung aktueller<br />
Neststandorte von <strong>Formica</strong> (C.) <strong>exsecta</strong><br />
Intensivere Forschung, um die Erkenntnislücken<br />
in Bezug auf Biologie, Ökologie und Dynamik der<br />
Superkolonien von <strong>Formica</strong> (C.) <strong>exsecta</strong> zu<br />
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Auch Kerbameisen sind faszinierend!<br />
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit