forum ware - DGWT - Deutsche Gesellschaft für Warenkunde und ...
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ZUR DISKUSSION GESTELLT 101<br />
Verbraucherorientierte Wissenschaft<br />
In arbeitsteiligen komplexen <strong>Gesellschaft</strong>en wäre es wohl zuviel verlangt, wenn spezifische Akteure auch<br />
noch ihre Aktivitäten evaluieren <strong>und</strong> kritisch reflektieren – natürlich können das Einzelne, aber Organisationen<br />
können das nicht, zumindest nicht systematisch machen.<br />
Evaluation <strong>und</strong> kritische Reflexion ist eine Aufgabe, die sozusagen als Tochter der europäischen Aufklärung,<br />
den gesellschaftsbezogenen Wissenschaften zukommt, <strong>und</strong> die diese auch – mehr oder weniger ausgeprägt<br />
– wahrgenommen haben.<br />
Insofern als man sie läßt. Was heißt, wenn man ihnen Raum gibt <strong>und</strong> Ressourcen erhält.<br />
Bei den gesellschaftsbezogenen Wissenschaften, auch bei den ökonomischen Teildisziplinen, die die Interessen<br />
der Verbraucher im Fokus haben, <strong>und</strong> die nicht über externe Finanzierungsquellen verfügen, wie etwa<br />
die Marketingwissenschaft, scheint dies nun zusehends weniger der Fall zu sein.<br />
Die Forschungsfelder, die erodieren - nicht nur hierzulande übrigens, sondern auch im angloamerikanischen<br />
Raum - sind ja bekannt: Haushaltswissenschaften, Consumer Economics, Family Economics, Wirtschaftssoziologie,<br />
Konsumsoziologie <strong>und</strong> viele andere mehr.<br />
Andererseits haben sich zweifellos Theorie <strong>und</strong> Praxis – um Verbraucherarbeit <strong>und</strong> Verbraucherforschung<br />
(bzw. verbraucherorientierte Forschung) einmal so zu benennen – auseinanderentwickelt. Seit dem Projekt<br />
Forschungsverb<strong>und</strong> „Empirische Verbraucherforschung“ ist diese Brücke, die sich hier ergeben hat, dünner<br />
geworden, wenn nicht gar inhaltlich auseinandergebrochen.<br />
Nicht nur die praktische Verbraucherarbeit, sondern auch die unternehmensorientierten ökonomischen Disziplinen<br />
benötigen wissenschaftliche Auseinandersetzungspartner, das nur so nebenbei gesagt.<br />
Verbraucherarbeit muss Verbraucherforschung / Gr<strong>und</strong>lagenarbeit einfordern<br />
Entscheidend <strong>für</strong> eine zukunftsorientierte am Verbraucherinteressenskonzept, letztlich am Bürgerinteressenskonzept<br />
orientierte Verbraucherpolitik ist aber, <strong>und</strong> das ist <strong>für</strong> mich das Entscheidende, die Kooperation<br />
mit der Wissenschaft.<br />
Die gilt es zu forcieren, <strong>und</strong> hier muß die Verbraucherpolitik sozusagen über ihren eigenen Schatten springen:<br />
sie muß entsprechende Verbraucherforschung verlangen, sie darf sie sich nicht wegnehmen lassen,<br />
sondern sie muß sie – mehr als bisher - im Allgemeininteresse von der Öffentlichen Hand <strong>und</strong> den Universitäten<br />
einfordern, <strong>und</strong> sie muß die in Frage kommenden Disziplinen auch dezidierter zu Politikberatungsaufträgen<br />
<strong>und</strong> wohl auch kritischer Evaluation auffordern.<br />
Es war ja eine Schande <strong>für</strong> die EU-Politik insgesamt, aber auch ein depressiv stimmendes Ergebnis <strong>für</strong> die<br />
europäische Verbraucherarbeit, daß es bspw. bei der Euro-Einführung keine systematische Euro-Einführungsbegleitforschung<br />
gegeben hat.<br />
Wir reden ganz gern davon, daß in dieser geschwindigkeitsbesessenen <strong>und</strong> kurzfristorientierten Zeit weit<br />
mehr an längerfristige Perspektiven gedacht werden müßte.<br />
Nun, mit entsprechender wissenschaftlicher Unterstützung <strong>und</strong> passenden Impulsen könnte sich die praktische<br />
Verbraucherpolitik – ähnlich auch die Umweltpolitik <strong>und</strong> die Sozialpolitik – dann wohl auch mehr – in<br />
längerfristiger gesellschaftlicher Perspektive gesprochen - „trauen“. Ein Weitertransportieren von Ergebnissen<br />
<strong>und</strong> Problemlagen ist politisch häufig leichter vertretbar, als das eigenständige Generieren von Problemperspektiven<br />
ohne eine zusätzliche Absicherung da<strong>für</strong>.<br />
Voraussetzung da<strong>für</strong> ist, daß die Organisationen der Verbraucherarbeit ganz massiv eine entsprechende<br />
Forschung <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>lagenarbeit an den Unis einfordern.<br />
Univ.Prof. Dr. Ing. Karl Kollmann, stv - Abteilungsleiter <strong>für</strong> Konsumentenpolitik Arbeiterkammer Wien<br />
Lehrtätigkeit am Institut <strong>für</strong> Technologie <strong>und</strong> Warenwirtschaftslehre, Wirtschaftsuniversität Wien, karl.kollmann@akwien.at<br />
Literatur:<br />
1. Karl Kollmann: Neuorientierte Verbraucherpolitik. Eine Redimensionierung <strong>für</strong> Theorie <strong>und</strong> Praxis. Wien 1993<br />
2. Karl Kollmann: Verbraucherforschung - Quo Vadis ? in: Hauswirtschaft <strong>und</strong> Wissenschaft 3/1999, S 116-121<br />
3. Karl Kollmann: Verbraucherpolitik in Österreich: Institutionen, Praxis, Theorie. Ein kleiner Rück- <strong>und</strong> Ausblick (im<br />
Erscheinen 2004)<br />
4. Christer Sanne: Public opinion and economic growth, Vortragstext INES-Kongress: Challenges of Sustainable Developement,<br />
Amsterdam 22-25.8.1996<br />
5. Nano, 3sat, Thema Geländewagen; 17. 9. 2003; http://www.3sat.de/nano/cstuecke/50536/index.html<br />
FORUM WARE 31 (2003) NR. 1 - 4