Boropa SpIELZEITMaGaZIn 2010/2011 - Schauspielhaus Bochum
Boropa SpIELZEITMaGaZIn 2010/2011 - Schauspielhaus Bochum
Boropa SpIELZEITMaGaZIn 2010/2011 - Schauspielhaus Bochum
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<strong>Boropa</strong><br />
<strong>SpIELZEITMaGaZIn</strong><br />
<strong>2010</strong>/<strong>2011</strong>
Stadtwerke <strong>Bochum</strong><br />
Wir geben Ihnen die nötige Energie<br />
anders [ agenten, bochum
TiTel: Paul KoeK<br />
illuSTRieRT VoN<br />
PhiliPP lemm<br />
ediToRial<br />
Liebes Publikum,<br />
jedes Theater hat seine eigene Geschichte. oft ist sie verbunden<br />
mit erinnerungen und anekdoten oder einem labyrinth<br />
eigenartiger ecken und Winkel, Stiegen und Flure.<br />
die Geschichte des <strong>Schauspielhaus</strong>es <strong>Bochum</strong> ist vor allem<br />
verbunden mit besonderen menschen, die sich hier in<br />
den letzten Jahrzehnten auf und vor der Bühne trafen und<br />
die nicht selten Theatergeschichte geschrieben haben.<br />
Wie kaum ein anderes Theater in deutschland ist das<br />
<strong>Schauspielhaus</strong> <strong>Bochum</strong> in der Stadt verwurzelt, die selbst<br />
in schwierigen Zeiten alle Kraft in ihr Theater gibt, um den<br />
Künstlern, die dort arbeiten, das Besondere zu ermöglichen.<br />
und wie in kaum einer Stadt hat das <strong>Schauspielhaus</strong><br />
in guten Zeiten immer auch das leben in der Stadt geprägt<br />
und sie durch seine arbeit zu etwas Besonderem gemacht.<br />
<strong>Bochum</strong> und sein Theater gehören von jeher eng zusammen.<br />
Nun gilt es, in dieser gemeinsamen Geschichte das<br />
nächste Kapitel aufzuschlagen, aber auch den nächsten<br />
Schritt zu wagen. in einer Gegend, die sich immer wieder<br />
neu erfindet und die das Zusammenleben von Menschen<br />
aus über 150 Nationen täglich neu regelt und gestaltet,<br />
ist es notwendig, nicht nur in die Vergangenheit, sondern<br />
auch in die Zukunft zu blicken, Visionen und Träume zu<br />
entwerfen und vor allem Verbindungen herzustellen: zwischen<br />
den unterschiedlichen menschen und Kulturen<br />
dieser Region, aber auch zwischen dieser Region und dem<br />
Rest der Welt. die Frage, wie wir in Zukunft zusammenleben<br />
werden, lässt sich dabei weder regional noch national<br />
beantworten. Wir brauchen Gespräche mit menschen aus<br />
vielen ländern und Kulturen, brauchen den weiten Blick,<br />
um über Zukunft nachdenken zu können.<br />
die menschen, die wir zum Neustart des <strong>Schauspielhaus</strong>es<br />
<strong>Bochum</strong> eingeladen haben, kommen deshalb nicht<br />
nur aus dem Ruhrgebiet und aus ganz deutschland, sondern<br />
auch aus Warschau und istanbul, den Niederlanden,<br />
italien und der Schweiz, aus Tunis und der elfenbeinküste.<br />
Sie bringen ihre ganz eigenen Geschichten mit und ihren<br />
besonderen Blick: auf die Zukunft, auf deutschland und<br />
auf das, was sie hier in der Region vorfinden. Gemeinsam<br />
mit dem ensemble des <strong>Schauspielhaus</strong>es <strong>Bochum</strong> werden<br />
sie von dem erzählen, was das Zusammenleben ausmacht.<br />
in <strong>Bochum</strong> wie in europa, gestern, heute und in Zukunft.<br />
das <strong>Schauspielhaus</strong> <strong>Bochum</strong> wird so zu einem ort, an<br />
dem unterschiedliche Künstler und Kulturen aus ganz<br />
europa und darüber hinaus aufeinander treffen, mitsamt<br />
ihren verschiedenen Sprachen und bekannten und unbekannten<br />
Formen Theater zu spielen. Vor allem aber wird<br />
es zu einem ort der Verbindung von <strong>Bochum</strong> und europa.<br />
<strong>Boropa</strong> entsteht, ein neuer ort, ein neues land, mitten im<br />
Ruhrgebiet, mitten im Zentrum der Stadt.<br />
in der ersten ausgabe unseres magazins, das den Namen<br />
dieses neuen landes der Begegnungen und utopien trägt,<br />
möchten wir ihnen die menschen vorstellen, die uns im<br />
kommenden Jahr begleiten werden und mit denen wir<br />
gemeinsam das Theater, die Stadt und <strong>Boropa</strong> entdecken<br />
wollen. dazu gehören sowohl europäische und internationale<br />
Regisseure als auch deutschsprachige Regisseure wie<br />
david Bösch oder Roger Vontobel, die sich fest an das haus<br />
binden werden. außerdem die vielen neuen und so manche<br />
bekannte Gesichter des neuen ensembles sowie eine<br />
ganze Generation junger autoren, die in ihren Stücken<br />
und auftragsarbeiten für das <strong>Schauspielhaus</strong> <strong>Bochum</strong> von<br />
einem land in Bewegung erzählen und die Zeit beschreiben,<br />
in der wir leben.<br />
etwas ganz Besonderes kann das <strong>Schauspielhaus</strong> <strong>Bochum</strong><br />
jedoch nur mit ihnen, dem Publikum, werden. ich lade Sie<br />
herzlich ein, gemeinsam mit uns das Theater mit leben<br />
zu füllen und zusammen ein Stück Zukunft zu erfinden.<br />
herzlichst<br />
ihr anselm Weber
INHAlT<br />
6 Der Spielplan <strong>2010</strong>/<strong>2011</strong><br />
Alle Stücke, alle Regisseure, alle Premierendaten auf<br />
einen Blick.<br />
8 Der Utopist<br />
Der Regisseur und Musiker Paul Koek hat, wie sich das für<br />
einen Niederländer gehört, eigentlich Gärtner gelernt.<br />
Ein Besuch in Holland.<br />
18 renegade in residence<br />
Renegade ist Tanztheater, das von der Straße kommt.<br />
Und außerdem neuer Partner des <strong>Schauspielhaus</strong>es.<br />
24 Schwarzweiß total<br />
Monika Gintersdorfer war auf dem besten Weg, eine ganz<br />
normale Theaterregisseurin zu werden. Gut, dass sie vorher<br />
noch einmal in die Elfenbeinküste gefahren ist.<br />
30 David Bösch<br />
INHAlT<br />
Der zukünftige leitende Regisseur hat das <strong>Schauspielhaus</strong><br />
fotografiert. Ein persönliches Fotoalbum.<br />
36 Ich lebe in einem schizophrenen Land<br />
Fadhel Jaibi kommt aus Tunesien. Ein Gespräch über Mut,<br />
den Präsidenten und einen Blick auf Deutschland.<br />
44 Mittelmeerbewohner<br />
Der algerische Philosoph und Professor für internationale<br />
Beziehungen Mustapha Cherif über das komplizierte Verhältnis<br />
von Orient und Okzident.<br />
48 Life Stream. Ein Brief von Dries Verhoeven<br />
Nachricht vom anderen Ende der Welt.<br />
50 Schuld & Verantwortung<br />
Er ist seit über 40 Jahren in der Politik. Wer, wenn nicht er,<br />
sollte wissen, wie es geht? Ein Gespräch mit Otto Schily.<br />
56 NExt GENEratIoN<br />
Die Zukunft des Ruhrgebiets liegt in den Händen seiner<br />
Bewohner von morgen. Eine Übersicht über das<br />
Kulturhauptstadtprojekt und ein Ausblick von Nuran<br />
David Calis.<br />
62 Das neue Ensemble<br />
Sie spielen für Sie. Abend für Abend. Hier sind ihre Namen<br />
und ihre Gesichter. Das neue Ensemble des <strong>Schauspielhaus</strong>es<br />
<strong>Bochum</strong>.
68 Wie kommt die Welt ins theater?<br />
Theater braucht Autoren, die gute Stücke schreiben.<br />
Fünf von ihnen schreiben für <strong>Bochum</strong>. Ein Treffen.<br />
76 Phantomschmerz<br />
Warum wir seit 100 Jahren um etwas trauern, das schon<br />
immer fort war.<br />
82 Mephistanbul<br />
Reihe 02<br />
Reihe 03<br />
Reihe 04<br />
Reihe 05<br />
Reihe 06<br />
Reihe 07<br />
Reihe 08<br />
Reihe 09<br />
Reihe 10<br />
Reihe 11<br />
Faust ist der deutscheste aller Stoffe.<br />
In Istanbul sieht man das möglicherweise anders.<br />
Ein Gespräch mit dem Regisseur Mahir Günsiray.<br />
Reihe 12<br />
Reihe 13<br />
92 Zeitreise<br />
Ein Spaziergang durch Venedig mit der Schauspielerin und<br />
Regisseurin Katharina Thalbach.<br />
98 auf dem Weg nach amerika<br />
Linker Katholik, konservativer Rebell, klassikaffiner Punk.<br />
Ein Porträt des polnischen Regisseurs Jan Klata.<br />
104 Spielregeln<br />
Die türkische Regisseurin Sahika Tekand über den Unterschied<br />
von Kunst und leben und ihre eigene Methode<br />
Theater zu machen.<br />
108 theater für alle<br />
Das Programm des Jungen <strong>Schauspielhaus</strong>es.<br />
112 <strong>Bochum</strong> für fast umsonst<br />
lisa Nielebock inszeniert einen günstigen Tag in ihrer<br />
lieblingsstadt.<br />
114 Phönix aus der Kohle<br />
Ranjit Hoskote ist Kulturkritiker für die Bombay Times.<br />
Trotzdem fühlt er sich im Ruhrgebiet auf merkwürdige<br />
Weise zu Hause.<br />
116 In <strong>Bochum</strong><br />
2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 25<br />
662 663 54 56 58 60 62 64 66 68 70 72 74 76 78 80<br />
SPERRSITZ<br />
Orte mit besonderer Bedeutung. Mitten in der Stadt oder<br />
an deren Rand. Gesucht und gefunden von Schauspielern<br />
des Ensembles.<br />
28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50<br />
82 84 86 88 90 92 94 96 98 100 102 104 106 108 110 112 114<br />
116 118 120 122 124 126 128 130<br />
150 152 154 156 158 160 162 164 166 168 170 172 174 176<br />
188 190 192 194 196 198 200 202 204 206 208 210 212 214 216<br />
224 226 228 230 232 234 236<br />
260 262 264 266<br />
238<br />
268 270 272 274 276 278<br />
Reihe 14<br />
Reihe 15<br />
298 300 302 304 306 308 310 312 314 316 318<br />
336 338 340 342 344 346 348 350<br />
372 374 376 378 380 382 384 386<br />
23<br />
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124 Freunde<br />
Wie der Freundeskreis des <strong>Schauspielhaus</strong>es <strong>Bochum</strong> nicht<br />
nur für materielle Unterstützung sorgt.<br />
132 134 136 138 140 142 144 146 148 149<br />
178 180 182<br />
240 242 244 246 248 250 252 254 256 258 259<br />
218 220 222<br />
126 Mitarbeiter<br />
Theater ist Teamarbeit. Eine liste aller Beteiligten.<br />
280 282 284 286 288 290 292 294 296<br />
406 408 410 412 414<br />
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Reihe 16<br />
Reihe 01<br />
Reihe 17<br />
Rang 01<br />
Reihe 18<br />
Rang 02<br />
Reihe 19<br />
Rang 03<br />
478 480 482 484 486 488 490 492<br />
512 514 516 518 520 522 524 526<br />
Reihe 20<br />
Loge<br />
Loge<br />
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Rang 04<br />
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Rang 05<br />
Rang 06<br />
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LOGE LINKS<br />
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Der Serviceteil mit allen Informationen zum Theaterbe-<br />
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such. Egal, ob mit 114 oder ohne Abonnement.<br />
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144 Impressum<br />
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INHAlT<br />
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2<br />
24<br />
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BÜHNE<br />
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411<br />
445<br />
479<br />
511<br />
545<br />
3<br />
35<br />
65<br />
Reihe 01<br />
Reihe 02<br />
Reihe 03<br />
Reihe 04<br />
Reihe 05<br />
Reihe 06<br />
Reihe 07<br />
115<br />
157<br />
189<br />
225<br />
265<br />
303<br />
339<br />
373<br />
409<br />
443<br />
477<br />
1<br />
33<br />
155<br />
187<br />
223<br />
263<br />
301<br />
337<br />
371<br />
407<br />
261<br />
299<br />
335<br />
Reihe 08<br />
Reihe 12<br />
Reihe 13<br />
Reihe 14<br />
Reihe 15<br />
Reihe 16<br />
Reihe 17<br />
Reihe 18<br />
Reihe 19<br />
Reihe 20<br />
Loge<br />
Loge<br />
Rang 06<br />
Rang 05<br />
Rang 04<br />
Rang 03<br />
Rang 02<br />
Rang 01<br />
Reihe 09<br />
Reihe 10<br />
Reihe 11
Das ruhrgebiet<br />
riecht nach<br />
erbsensuppe<br />
„Meine Erinnerung an das Ruhrgebiet<br />
ist ein Geruch. Hier roch es in<br />
meiner Kindheit immer nach Erbsensuppe.<br />
Ich weiß nicht, ob das von<br />
der Zeche oder vom Metzger kam.<br />
Auf jeden Fall ist für mich der Duft<br />
von Erbsensuppe seitdem immer der<br />
Geruch des Ruhrgebiets.“ Dies ist<br />
eine der Erinnerungen, die die Regisseurin<br />
Mirjam Strunk aufgezeichnet<br />
hat. Ein Jahr lang zieht sie mit einem<br />
mobilen Archiv durch das Revier<br />
und sucht „Das Gedächtnis des<br />
Ruhrgebiets“. Die gesammelten Erinnerungen<br />
gibt es auf der Bühne des<br />
<strong>Schauspielhaus</strong>es am „Tag der Generationen“<br />
am 19. November <strong>2010</strong> zu<br />
sehen, zu hören – und gegebenenfalls<br />
auch zu riechen.<br />
Die Dokumentation ihrer Suche,<br />
weitere Erinnerungen und die Möglichkeit<br />
zum Mitmachen unter:<br />
www.gedaechtnis-des-ruhrgebiets.de<br />
VERMIScHTES<br />
Verneigung<br />
Das neue Jahrzehnt hat ohne zwei Ikonen des <strong>Bochum</strong>er<br />
Theaters begonnen: Peter Zadek und Tana Schanzara. Beide<br />
sind in den Erinnerungen des <strong>Bochum</strong>er <strong>Schauspielhaus</strong>es<br />
und seiner Besucher tief verwurzelt, beide haben auf<br />
ihre Weise ganze Generationen von Theaterschaffenden<br />
geprägt. Und das nicht nur in <strong>Bochum</strong>. Zeit, dem Andenken<br />
an diese beiden Künstler einen angemessenen Raum<br />
zu geben. Deshalb heißt das TuT ab sofort wieder, wie sein<br />
Gründer Peter Zadek es ebenso schlicht wie anschaulich<br />
genannt hat: „Theater unten“. Und die Speisekammer, das<br />
gastronomische Herz des Hauses in den Kammerspielen,<br />
heißt jetzt „Tanas“. Und soll in Zukunft noch lauter, fröhlicher<br />
und persönlicher schlagen.<br />
4<br />
FOTO: HARALD HOFFMANN.cOM<br />
nachbarschaftshilfe<br />
FOTO: DIANA KüSTER<br />
Der <strong>Bochum</strong>er wohnt<br />
mittendrin und hat fast<br />
alles, was er braucht.<br />
Und falls dann doch<br />
mal was fehlt, ist es<br />
nicht weit zum Nachbarn,<br />
der gerne mit<br />
dem Vermissten aushilft.<br />
Egal, ob man einen Liter<br />
Milch, einen Rasenmäher<br />
oder eine Karte<br />
für die Oper braucht.<br />
Denn ab sofort wird<br />
eine besondere Form<br />
der Nachbarschaftshilfe<br />
von zwei großen<br />
Kulturinstitutionen des<br />
Ruhrgebiets angeboten:<br />
Das <strong>Schauspielhaus</strong> <strong>Bochum</strong><br />
knüpft eine enge<br />
Partnerschaft mit dem<br />
Musiktheater im Revier<br />
in Gelsenkirchen. Wem<br />
in <strong>Bochum</strong> also die<br />
Oper fehlt, bekommt<br />
sie ab sofort unkompliziert<br />
beim Nachbarn<br />
in Gelsenkirchen. Und<br />
wenn die Gelsenkirchener<br />
ins Schauspiel<br />
wollen, helfen die <strong>Bochum</strong>er<br />
gerne aus. Zum<br />
Beispiel durch das neue<br />
städteübergreifende<br />
Revier-Abonnement<br />
beider Häuser (Infos<br />
siehe Seite 137). Weitere<br />
Nachbarschaftspflege<br />
ist geplant.
Mit<br />
coluMbus<br />
Die welt<br />
entDecken<br />
Man muss nicht immer übers Meer<br />
segeln, um neue Welten zu entdecken.<br />
Manchmal reicht der Weg ins<br />
Theater. Und der wird leichter durch<br />
„columbus“, das neue Besucherangebot<br />
des Jungen <strong>Schauspielhaus</strong>es<br />
speziell für Schulklassen des 9.<br />
und 10. Jahrgangs aus <strong>Bochum</strong> und<br />
Umgebung: Wer mit „columbus“<br />
gemeinsam mit seiner Schulklasse<br />
zwei Jahre lang jeweils zweimal ins<br />
Theater geht, bekommt zu seinem<br />
Besuch noch eine Einführung vorher<br />
oder eine Begegnung mit den Theatermachern<br />
im Anschluss dazu. Die<br />
teilnehmenden Klassen müssen also<br />
nur noch entscheiden, welche Stücke<br />
sie sehen wollen, den Rest erledigt<br />
das Theater.<br />
VERMIScHTES<br />
achtung hollänDer!<br />
Im Fußball sind sie unsere leidenschaftlichsten Gegner. Aber wenn wir schnell<br />
ans Meer wollen, sind sie unser beliebtestes Reiseziel. Wir machen blöde Witze<br />
über sie, nicht nur, weil sie angeblich nicht Auto fahren können. Dafür haben<br />
sie eine Königin und die besten Pommes-Variationen der Welt. Ohne Frage, unser<br />
Verhältnis zu den Niederlanden ist ein widersprüchliches. Beruhigend, dass<br />
das umgekehrt nicht anders ist. Und höchste Zeit, einmal genauer hinzuschauen,<br />
was aus unserem nächsten Nachbarland eigentlich alles an ausgezeichneter<br />
Kunst kommt. Das <strong>Schauspielhaus</strong> <strong>Bochum</strong> ist Partner des Programms NL-<br />
RUHR, das zum Kulturhauptstadtjahr viel Hochkarätiges in die Region bringt.<br />
Theater kommt deshalb vor allem nach <strong>Bochum</strong>. Was genau, steht in diesem<br />
Magazin und auf www.nl-ruhr.de.<br />
gastgastgeber<br />
Ein GastGastgeber ist einer, der als Gast kommt, um den Gastgebern zu helfen Gäste zu empfangen.<br />
Praktisch für alle, dass er dafür sein eigenes Gasthaus gleich mitbringt. So kann er in der Fremde den<br />
Fremden leichter aufnehmen. Im Falle des niederländischen Architekten und Aktionskünstlers Hans<br />
Venhuizen heißt das, dass er im Jahr <strong>2010</strong> mit einer Sammlung von alten Wohnwagen, aufblasbaren<br />
Zelten und gestrandeten Rettungsinseln hilfreich durchs Ruhrgebiet eilt. Das Besondere: Alle Objekte<br />
sind von namhaften niederländischen Künstlern und Designern umgebaut und neu gestaltet. Und in<br />
den meisten von ihnen kann man sogar wohnen. Kein Wunder, schließlich ist niemand so erfahren<br />
mit mobilen Heimstätten wie die Holländer. Eine Kostprobe an Gastfreundlichkeit bieten die Gast-<br />
Gastgeber im Oktober <strong>2010</strong> auf dem Platz vor dem <strong>Schauspielhaus</strong>.<br />
5<br />
jetzt wirDs<br />
persönlich<br />
Bei jedem Neueinzug kommen neue Gesichter ins Haus,<br />
neue Namen müssen gelernt werden, neue Gewohnheiten<br />
halten Einzug und vermischen sich mit dem Altbekannten<br />
und Liebgewonnenen. Das gegenseitige Kennenlernen<br />
geht dabei nicht immer ohne Scheu und Fremdheitsgefühle<br />
einher. Damit die Neuen und die Alten, die auf der<br />
Bühne, die hinter der Bühne und die im Zuschauerraum,<br />
schneller persönlich miteinander bekannt werden, stellen<br />
wir uns ab Herbst regelmäßig vor – im Tanas, der Speisekammer<br />
des <strong>Schauspielhaus</strong>es. Wir spielen Musik von unseren<br />
Lieblingsplatten, singen die Lieder unseres Lebens,<br />
lesen die spannendsten, traurigsten und lustigsten Stellen<br />
der Bücher, die uns am meisten bedeuten, wir zeigen Dias<br />
aus alten Tagen und schwärmen von dem Neuem, das wir<br />
erst kürzlich in der Stadt entdeckt haben, so dass aus den<br />
Fremden hoffentlich viele Freunde werden.<br />
OBJEKT: JURGEN BEy / FOTO: JANNES LINDERS
Spielplan <strong>2010</strong>/<strong>2011</strong><br />
Candide oder<br />
der optimiSmuS<br />
von Voltaire<br />
Regie: Paul Koek<br />
Premiere am 23. September <strong>2010</strong><br />
im <strong>Schauspielhaus</strong><br />
Eine Koproduktion mit der Veenfabriek<br />
Leiden, Niederlande<br />
nouvelle pieCe<br />
Renegade in Residence<br />
Choreografie und Regie:<br />
Malou Airaudo<br />
Uraufführung am 24. September <strong>2010</strong><br />
in den Kammerspielen<br />
Eine gemeinsame Produktion von<br />
<strong>Schauspielhaus</strong> <strong>Bochum</strong> und<br />
Pottporus/Renegade, Herne<br />
eleganz iSt kein<br />
verbreChen<br />
von Gintersdorfer/Klaßen<br />
Regie: Monika Gintersdorfer<br />
Uraufführung am 24. September <strong>2010</strong><br />
im Theater unten<br />
der Sturm<br />
von William Shakespeare<br />
Regie: David Bösch<br />
Premiere am 25. September <strong>2010</strong><br />
im <strong>Schauspielhaus</strong><br />
eiSenStein<br />
von Christoph Nußbaumeder<br />
Regie: Anselm Weber<br />
Uraufführung am 26. September <strong>2010</strong><br />
in den Kammerspielen<br />
life Streaming<br />
Eine Weltverbindung<br />
von Dries Verhoeven<br />
Premiere am 1. Oktober <strong>2010</strong> auf dem<br />
Platz vor dem <strong>Schauspielhaus</strong><br />
Eine Produktion von Dries Verhoeven in<br />
Koproduktion mit dem <strong>Schauspielhaus</strong><br />
<strong>Bochum</strong>, dem Festival a/d Werf, Utrecht und<br />
LIFT, London<br />
medea<br />
in einer Bearbeitung<br />
von Jalila Baccar und Fadhel Jaibi<br />
Regie: Fadhel Jaibi<br />
Premiere am 8. Oktober <strong>2010</strong><br />
in den Kammerspielen<br />
die labdakiden<br />
Eine Politsaga – Ödipus, Sieben<br />
gegen Theben und Antigone<br />
von Sophokles und Aischylos<br />
Regie: Roger Vontobel<br />
Premiere am 9. Oktober <strong>2010</strong><br />
im <strong>Schauspielhaus</strong><br />
next generation<br />
daS StuCk<br />
von Nuran David Calis<br />
und Jugendlichen aus dem<br />
ganzen Ruhrgebiet<br />
Regie: Nuran David Calis<br />
Uraufführung am 28. Oktober <strong>2010</strong><br />
in den Kammerspielen<br />
Ein Projekt von <strong>Schauspielhaus</strong> <strong>Bochum</strong>, der<br />
Bundeszentrale für politische Bildung und<br />
der Kulturhauptstadt Europas RUHR.<strong>2010</strong><br />
Jim knopf und<br />
lukaS der<br />
lokomotivfuhrer<br />
Kinder- und Familienstück<br />
von Michael Ende<br />
Regie: Katja Lauken<br />
Premiere am 14. November <strong>2010</strong><br />
im <strong>Schauspielhaus</strong><br />
hoChStapeln<br />
von Jan Neumann<br />
Regie: Jan Neumann<br />
Uraufführung am 2. Dezember <strong>2010</strong><br />
im Theater unten<br />
oft iSt die natur<br />
niCht einmal SChon<br />
Ein romantisches Requiem von<br />
Christoph Frick und Karsten Riedel<br />
Regie: Christoph Frick<br />
Musik: Karsten Riedel<br />
Premiere am 3. Dezember <strong>2010</strong><br />
in den Kammerspielen<br />
fauSt<br />
von Johann Wolfgang von Goethe<br />
Regie: Mahir Günsiray<br />
Premiere am 4. Dezember <strong>2010</strong><br />
im <strong>Schauspielhaus</strong><br />
die ratten<br />
von Gerhart Hauptmann<br />
Regie: David Bösch<br />
Premiere am 28. Januar <strong>2011</strong><br />
in den Kammerspielen<br />
Cyrano<br />
de bergeraC<br />
von Edmond Rostand<br />
Regie: Katharina Thalbach<br />
Premiere am 29. Januar <strong>2011</strong><br />
im <strong>Schauspielhaus</strong><br />
In Zusammenarbeit mit der<br />
Folkwang Universität<br />
kaSimir und<br />
karoline<br />
von Ödön von Horváth<br />
Regie: Lisa Nielebock<br />
Premiere am 19. Februar <strong>2011</strong><br />
im <strong>Schauspielhaus</strong><br />
Jimi bowatSki hat<br />
kein SChamgefuhl<br />
von Dirk Laucke<br />
Regie: Heike M. Götze<br />
Uraufführung am 25. März <strong>2011</strong><br />
in den Kammerspielen<br />
amerika<br />
von Franz Kafka<br />
Regie: Jan Klata<br />
Premiere am 2. April <strong>2011</strong><br />
im <strong>Schauspielhaus</strong><br />
der fall deS<br />
robert k.<br />
von Reto Finger<br />
Regie: Anselm Weber<br />
Uraufführung im Mai <strong>2011</strong><br />
in den Kammerspielen
der aufhaltSame<br />
aufStieg<br />
deS arturo ui<br />
von Bertolt Brecht<br />
Regie: Sahika Tekand<br />
Premiere am 28. Mai <strong>2011</strong><br />
im <strong>Schauspielhaus</strong><br />
die Jungfrau von<br />
orleanS<br />
von Friedrich Schiller<br />
Regie: Roger Vontobel<br />
Premiere im Juni <strong>2011</strong><br />
in den Kammerspielen<br />
next generation<br />
die zukunftShauSer<br />
mit Jugendlichen aus <strong>Bochum</strong>,<br />
Essen, Duisburg, Herne und dem<br />
ganzen Ruhrgebiet<br />
Bei X-Vision in Wattenscheid, in den<br />
Ausbildungswerkstätten des Opel-Werks<br />
<strong>Bochum</strong>, der Ruhr-Universität <strong>Bochum</strong>,<br />
dem Medien-Bunker Marxloh in Duisburg,<br />
in Essen-Altendorf, den Jugendhäusern<br />
des Essener Nordens, der UNESCO-Schule<br />
Essen, bei Pottporus in Herne und mit<br />
einem Erinnerungsmobil zwischen Essen<br />
und <strong>Bochum</strong>.<br />
Ein Projekt von <strong>Schauspielhaus</strong> <strong>Bochum</strong> und<br />
Schauspiel Essen, der Bundeszentrale für<br />
politische Bildung und der Kulturhauptstadt<br />
Europas RUHR.<strong>2010</strong><br />
Partner: Deutschlandradio Kultur<br />
Weiter im Spielplan:<br />
a tribute<br />
to Johnny CaSh<br />
Musikalische Leitung:<br />
Torsten Kindermann und<br />
Karsten Riedel<br />
Regie: Arne Nobel<br />
honigherz<br />
Ein Stück für Kinder ab 2<br />
von Cristina Gottfridsson<br />
Regie: Martina van Boxen<br />
Premiere am 3. Oktober <strong>2010</strong><br />
im Melanchthonsaal<br />
hikikomori<br />
von Holger Schober<br />
Regie: Martina van Boxen<br />
Premiere am 26. November <strong>2010</strong><br />
im Melanchthonsaal<br />
parzival<br />
von Lukas Bärfuss<br />
Regie: Martina van Boxen<br />
Premiere am 18. Februar <strong>2011</strong><br />
in den Kammerspielen<br />
In Zusammenarbeit mit der<br />
Folkwang Universität<br />
Weiter im Spielplan:<br />
die verwirrungen<br />
deS zoglingS<br />
torleSS<br />
von Robert Musil<br />
Regie: Martina van Boxen<br />
Übernahmen<br />
aus dem Repertoire des<br />
Schauspiel Essen:<br />
ubu<br />
von Alfred Jarry/Simon Stephens<br />
Regie: Sebastian Nübling<br />
Eine Koproduktion mit<br />
Toneelgroep Amsterdam<br />
woyzeCk<br />
von Georg Büchner<br />
Regie: David Bösch<br />
don CarloS<br />
von Friedrich Schiller<br />
Regie: Anselm Weber<br />
peer gynt<br />
von Henrik Ibsen<br />
Regie: Roger Vontobel<br />
tranSit<br />
nach dem Roman von<br />
Anna Seghers in einer<br />
Bearbeitung von Reto Finger<br />
Regie: Anselm Weber<br />
nathan der weiSe<br />
von Gotthold Ephraim Lessing<br />
Regie: Lisa Nielebock<br />
effi brieSt<br />
von Theodor Fontane<br />
Regie: Cilli Drexel<br />
und weitere Inszenierungen von<br />
David Bösch, Carola Bühn und<br />
Stephanie Sewella
Paul Koek ist Schlagzeuger, Komponist und Theaterregisseur. Vor<br />
seinem Musikstudium in Den Haag hat er, wie fast alle in seiner<br />
Familie, eine Lehre als Gärtner gemacht und in den Koek’schen<br />
Gewächshäusern Schnittblumen für Europa gezüchtet.<br />
8
PaUL KOEK — DER UTOPIST<br />
DER UTOPIST<br />
TExT: OLaF KRöcK<br />
FOTOS: MycHa ScHEKaLLa<br />
9
Ein Stück Klischee-Holland mit Kühen und Schafen auf<br />
grünen Wiesen und sogar Windmühlen drehen sich.<br />
a ber vom Tourismus wird die Region ignoriert.<br />
10
„ a ls ich die Musik von c age und Varèse zum ersten Mal gehört habe,<br />
war das für mich eine Offenbarung. Das klang wie das Zeug,<br />
das ich selber ausprobiert hatte.“<br />
11
ie ein endloser Trommelwirbel prasselt<br />
der Regen auf das Dach des Gewächshauses.<br />
Es regnet schon den<br />
ganzen Tag und wird noch lange<br />
nicht aufhören. Nass von oben und<br />
unten, Holland eben. Umgeben von<br />
dünnen Wassergräben steht das<br />
Gewächshaus in einem Dorf in der<br />
Nähe von Leiden auf einem der unzähligen<br />
Polder, mit denen die Niederländer<br />
nahezu die Hälfte ihres<br />
Landes dem Meer abgerungen haben.<br />
Im Glashaus sind es tropische<br />
29 Grad bei achtzigprozentiger Luftfeuchtigkeit.<br />
Draußen nähert sich<br />
das Quecksilber dem Gefrierpunkt.<br />
„Diese Temperatur mag ich sehr. Ich<br />
habe viel an solchen Orten gearbeitet.<br />
Meine ganze Kindheit und Jugend<br />
habe ich dort verbracht. In meiner<br />
Familie sind fast alle Gärtner, nur<br />
ich bin letztlich doch das schwarze<br />
Schaf geworden“, sagt Paul Koek und<br />
lacht, während er die beschlagenen<br />
Gläser seiner Hornbrille am Fleecepullover<br />
säubert. „Ein friedlicher<br />
Ort, nicht?“ Er lässt die Stille wirken,<br />
die nur durch ein Radio gestört<br />
wird, das leise Popmusik spielt. „Ich<br />
habe bei der arbeit nie Musik gehört.<br />
Ich habe die Stille genossen. Die ist<br />
hier oft wie eine Meditation. Du<br />
musst welke Blätter zupfen, fängst<br />
vorne an und bewegst dich tagelang<br />
ganz langsam von Pflanze zu Pflanze<br />
durch den Raum.“ Er macht noch<br />
eine Pause. Wieder rauscht nur der<br />
Regen, und es könnte auch ein feiner<br />
Wasserstaub sein, der auf die<br />
fleischigen Blätter der Topfpflanzen<br />
gesprüht wird, die hier zu zehntausenden<br />
gezüchtet werden. Es ist die<br />
Dieffenbachia, vor allem die beliebte<br />
PaUL KOEK — DER UTOPIST<br />
Sorte „Tropical Snow“, die in dieser<br />
holländischen Dschungel-Hitze für<br />
Millionen europäische Wohnzimmer<br />
wächst. Sein Schwager, dem das<br />
Gewächshaus gehört, hat die Züchtungsrechte<br />
für ganz Europa an der<br />
Zimmerpflanze mit ihrer giftigen<br />
Milch, die aus dem brasilianischen<br />
Regenwald kommt.<br />
„Ich hatte ja auch gar keine ahnung<br />
von Musik. Das kam ja alles<br />
erst später. Heute höre ich viel Musik<br />
bei der arbeit, vor allem wenn ich<br />
mich vorbereite. Dann höre ich moderne<br />
Klassik des 20. Jahrhunderts,<br />
Varèse, cage, so was. Es war für mich<br />
fast eine Offenbarung, als ich damals<br />
diese Musik kennen lernte. Ich<br />
hatte ja jahrelang keinen Musikunterricht<br />
und habe mir alles selbst beigebracht.<br />
Und auf einmal waren da<br />
diese Kompositionen, die so klangen<br />
„Vielleicht bin ich hier<br />
geblieben, weil ich das<br />
Mädchen Von nebenan<br />
geheiratet habe.“<br />
wie das Zeug, das ich selbst ausprobiert<br />
hatte.“<br />
Während Paul Koek mir voraus<br />
durch das Gewächshaus geht, stelle<br />
ich ihn mir als jugendlichen Gärtner<br />
vor, der umgeben von Tulpen und<br />
Fresien bei der arbeit mit Klängen<br />
und Rhythmen experimentiert und<br />
noch nicht weiß, dass er einmal ein<br />
bedeutender europäischer Musiktheatermacher<br />
sein wird. Ein seltsam<br />
schönes Bild.<br />
Paul Koek – dessen Name man<br />
übrigens „Kuck“ und nicht „Köck“<br />
ausspricht – ist heute Musiker, Komponist<br />
und Theaterregisseur. Vor seinem<br />
Musikstudium hat er, wie fast<br />
alle in seiner Familie, eine Lehre als<br />
Gärtner gemacht und schließlich in<br />
den Koek’schen Gewächshäusern<br />
gearbeitet. Doch nebenher ging er<br />
heimlich seiner größten Leidenschaft<br />
nach – er spielte Schlagzeug.<br />
als er nach abschluss seiner<br />
Gärtnerlehre auf die Meisterschule<br />
gehen sollte, radelte er an den Berufsschultagen<br />
in den Proberaum<br />
und ließ die Gärtnerklasse ausfallen.<br />
12<br />
Dort spielte er stundenlang alleine<br />
oder mit Band, hörte Musik der aktuellen<br />
Rockmusikgrößen wie Soft<br />
Machine oder Pink Floyd und genoss<br />
die Bewunderung der Mädchen aus<br />
der Nachbarschaft. Bis eines Tages<br />
die Tür aufflog und sein Vater im<br />
Bandraum stand. Ein Schock für den<br />
schulschwänzenden jungen Drummer,<br />
der gerade – umgeben von<br />
Mädchen – Tee trank und Haschisch<br />
rauchte. Der Vater fixierte den Sohn<br />
streng im Kreis der erschrocken<br />
verstummten Teenager. Dann verschwand<br />
er wieder, ohne wirklich<br />
etwas gesagt zu haben.<br />
aus angst vor dem bevorstehenden<br />
Familienkrach kam Paul erst<br />
spät in der Nacht nach Hause. Drei<br />
Tage sprachen Vater und Sohn kein<br />
Wort miteinander. Erst am vierten<br />
Morgen war es der Vater, der seinem<br />
Spross schnörkellos mitteilte,<br />
dass er ihn an der Musikschule von<br />
Leiden angemeldet habe. Und dann<br />
ging alles recht schnell. Paul Koek<br />
war schon zu diesem Zeitpunkt viel<br />
zu gut für die Musikschule. aber er<br />
hatte sich alles selbst beigebracht<br />
und keinerlei Technik gelernt. Sein<br />
Schlagzeug-Lehrer, der auch am Königlichen<br />
Konservatorium von Den<br />
Haag unterrichtete, nahm ihn mit<br />
in die Musikhochschule und von<br />
nun an studierte Koek dort. Früh<br />
morgens und an den Wochenenden<br />
arbeitete er weiterhin als Gärtner,<br />
an den Wochentagen studierte er<br />
Schlagzeug am Konservatorium. Bis<br />
heute ist Paul Koek der renommierten<br />
ausbildungsstätte verbunden.<br />
Er ist Professor und leitet den gerade<br />
von ihm und seinem Dramaturgen<br />
Paul Slangen gegründeten Studiengang<br />
für Musiktheater.<br />
„Mein Vater glaubte mir erst, dass<br />
ich von der Musik leben kann, als er<br />
mich in diesem riesigen Symphonieorchester<br />
im Frack sitzen sah. Und<br />
was habe ich da gespielt? Triangel.<br />
Nach zwei Tagen habe ich meine Orchesterkarriere<br />
für immer beendet“,<br />
grinst er. Dann fügt er erklärend hinzu:<br />
„Die Mentalität dort war nicht<br />
das, was ich von der Musik wollte.<br />
Ich wollte keine Sicherheit, ich wollte<br />
Risiko.“<br />
Wir verlassen die tropische Wärme.<br />
Paul zieht die Gewächshaustür
Paul Koek ist ein Idealist. Er experimentiert immer. Er wählt nie das<br />
sichere Terrain. Und er hat eine Schwäche für visionäre Menschen.<br />
13
hinter sich fest ins Schloss, damit die<br />
wertvolle Wärme nicht entweicht.<br />
Sofort schlägt uns der eisige Regen<br />
ins Gesicht. Wir flüchten in den Wagen,<br />
fahren ein Stück über das „Platte<br />
Land“, wie sie die Gegend hier<br />
„als Meine Kinder noch<br />
Klein waren, haben wir<br />
einige Jahre in eineM gewächshaus<br />
gewohnt.“<br />
nennen. Tatsächlich würde man bis<br />
zum Horizont sehen können, wenn<br />
der Regen nicht wäre. aber auch so<br />
sieht man weit ins Land, sieht grüne<br />
Wiesen, Kühe und Schafe auf den<br />
Feldern und mehrere Windmühlen.<br />
Eine von ihnen dreht sich sogar. Ein<br />
Stück Klischee-Holland, das vom<br />
Tourismus vollkommen ignoriert<br />
wird. „Ich bin aus dieser Gegend eigentlich<br />
nie weg gekommen“, sagt<br />
Koek, während er die Richtung weist.<br />
„Obwohl ich hier natürlich nie mehr<br />
gearbeitet habe und mit den Bands<br />
und Theaterproduktionen auf der<br />
ganzen Welt auf Tour war, habe ich<br />
immer in dem Dorf gelebt, in dem<br />
ich geboren wurde. Und das ist ein<br />
echt hässliches Kaff. Vielleicht bin<br />
ich hier geblieben, weil ich das Mädchen<br />
von nebenan geheiratet habe“,<br />
sagt er und lacht schallend. Es ist<br />
nicht zu erkennen, ob ihm vor Lachen<br />
die Tränen kommen oder ob<br />
sich Regentropfen hinter die vom<br />
Großvater geerbte Brille geschlichen<br />
haben.<br />
Wir kommen an einen See, den<br />
man mit dem Meer verwechseln<br />
könnte, so groß ist er. Und da passt es<br />
doch, dass im Niederländischen das<br />
„Meer“ heißt, was bei uns ein See ist,<br />
und die „Zee“, gesprochen „See“, das<br />
Meer meint. auf dem grauen Wasser<br />
des Braassemermeers schwimmen<br />
nur wenige Boote. Die großen Eisschollen<br />
am Ufer lassen ahnen, dass<br />
man hier vor kurzem tatsächlich<br />
noch Schlittschuh laufen konnte. Es<br />
ist still und schön. Nur das Eis klingt<br />
leise, wie zerbrechendes Glas.<br />
Das kleine Backsteinhaus, das<br />
Paul von seinem Onkel geerbt hat,<br />
liegt direkt am Ufer. Dahinter rei-<br />
PaUL KOEK — DER UTOPIST<br />
hen sich wieder Gewächshäuser aneinander.<br />
„als meine Kinder noch<br />
klein waren, haben wir einige Jahre<br />
in einem Gewächshaus gewohnt. Ich<br />
mochte die Wärme darin, auch im<br />
Sommer. aber als sich dann durch<br />
die feuchte Luft all meine Bücher<br />
auflösten und wir tagelang die Seiten<br />
zusammenkleben mussten und<br />
als die Felle meiner Trommeln Risse<br />
bekamen, sind wir doch in das Haus<br />
gezogen. Es ist natürlich viel kleiner,<br />
aber letztlich war es besser.“ Vier<br />
Kinder hat Koek. Sein Sohn ist auch<br />
IN SEINEM HaUS aM SEE STEHT EIN aLTES<br />
ScHLaGZEUG. DaS BENUTZT ER, WENN ER ES<br />
NIcHT IN DEN PROBERaUM ScHaFFT.<br />
Schlagzeuger. „Ich habe ihn nie unterrichtet“,<br />
stellt er entschieden fest.<br />
„Er spielt viel besser als ich, hatte<br />
eine eigene, erfolgreiche Popband,<br />
aber trotzdem wird er in jedem Interview<br />
immer erstmal auf seinen Vater<br />
angesprochen. Für ihn ist das kein<br />
Problem, aber ich finde es schrecklich.<br />
Ich verstehe schon, was Pasolini<br />
meinte, als er gesagt hat, dass jeder<br />
Sohn erst einmal seinen Vater töten<br />
muss.“ Und dann fragt er gleich im<br />
anschluss: „Hunger?“ Die richtige<br />
Frage zur rechten Zeit. Wir machen<br />
uns auf den Weg, um unsere frierenden<br />
Leiber und knurrenden Mägen<br />
mit einer landestypischen Spezialität<br />
zu besänftigen – mit Pommes, oder<br />
wie sie die Holländer nennen – „Patatjes“.<br />
In der Frittenbude, die ein amerikanisches<br />
Diner mäßig gelungen<br />
imitiert, bestellen wir Pommes Spezial,<br />
also mit Mayonnaise, Ketchup<br />
und gehackten Zwiebeln. auf einem<br />
übergroßen Flachbildfernseher berichtet<br />
derweil ein Nachrichten-Ka-<br />
14<br />
nal über die aktuelle Regierungskrise<br />
im Land. Gleichzeitig laufen in der<br />
unteren Bildzeile die Börsenwerte<br />
globaler Großunternehmen. Koek<br />
stöhnt und sagt mehr zu sich selbst,<br />
dass das jetzt sehr schlimm für sein<br />
Land werden kann. Nach dem Scheitern<br />
der Regierungs-Koalition haben<br />
die Rechten enorme Wählerzuläufe.<br />
Das Land, das so viele Jahre für seine<br />
Politik der Toleranz und Integration<br />
europaweit Standards gesetzt<br />
hat, driftet nach zwei spektakulären,<br />
politisch motivierten Morden nach<br />
rechts. Vor allem die Ermordung<br />
des umstrittenen Filmemachers<br />
Theo van Gogh durch einen religiösen<br />
Fanatiker hat das Land unter<br />
Schock gesetzt. In den Niederlanden,<br />
wo selbst Königin Beatrix über viele<br />
Jahrzehnte keinen aufwendigen Personenschutz<br />
benötigte, ist der Geist<br />
der Toleranz aufs Meer hinausgeweht<br />
und braune Wolken sind über dem<br />
Land aufgezogen. Da wissen auch<br />
die Intellektuellen und Künstler<br />
kein Mittel gegen diese Entwicklung.<br />
„Natürlich haben wir eine echte Kriminalitäts-<br />
und Gewaltproblematik<br />
mit Zugewanderten, vor allem in<br />
den Großstädten. aber die Rezepte,<br />
die dagegen verkündet werden, sind<br />
einfach absurd“, sagt Koek. Es sieht<br />
„Jeder sohn Muss erst<br />
einMal seinen Vater töten.<br />
das Verstehe ich.“<br />
ganz danach aus, als könnten die<br />
Niederlande das erste Land Europas<br />
werden, das einen rechts-nationalen<br />
Ministerpräsidenten bekommt.<br />
„aber gerade deswegen müssen wir<br />
weiterhin das tun, was wir tun.“<br />
Paul Koek ist kein agitator. Er ist<br />
leise und bedächtig in seinen Äußerungen.<br />
auch in seinen Stücken<br />
bringt er keine tagesaktuelle Politik<br />
auf die Bühne. aber seine arbeit ist<br />
nie frei von kritischer auseinandersetzung<br />
mit der Welt. Seit vielen Jahren<br />
setzt er sich mit den Menschen,<br />
die die Welt verändern wollten, und<br />
ihren Konzepten auseinander. Seine<br />
Faszination gilt all jenen, die es gewagt<br />
haben, Utopien zu formulieren.
Es sind die manifestverfassenden<br />
Künstlerinnen und Künstler, die Dadaisten<br />
und Futuristen, die ihn beschäftigen.<br />
So widmete er sich 2009<br />
beispielsweise mit seiner Truppe, der<br />
„Veenfabriek“, dem Gesellschaftstheoretiker<br />
charles Fourier. Der<br />
Franzose, dessen Theorien aus dem<br />
18. Jahrhundert heute nahezu vergessen<br />
sind, hat die Grundlagen<br />
einer Gesellschaftsform gelegt, die<br />
heute als „anarchismus“ eher berüchtigt<br />
als bekannt ist. In einem<br />
Flugzeughangar, auf einem ehemaligen<br />
Militärflughafen nahe dem<br />
Badeort Katwijk, hat Koek mit der<br />
Veenfabriek das Leben Fouriers in<br />
einer großen dadaistischen Musiktheater-aufführung<br />
nachgezeichnet.<br />
Mit einem zwanzigköpfigen Orchester,<br />
mit tanzenden camping-Zelten<br />
und dem von der Veenfabriek gegründeten<br />
ersten Sirenen-Orchester<br />
der Welt. In der gigantischen Halle<br />
– neben der Flugpiste, auf der die<br />
Königin zuweilen landete, aber auch<br />
Slobodan Milošević, als der dem Den<br />
Haager Kriegsverbrechertribunal<br />
überstellt wurde – übersetzte das Ensemble<br />
die Ideen dieses Utopisten in<br />
visionäres Musiktheater.<br />
Paul Koek ist ein Idealist. Er will<br />
etwas mit seinem Theater. Er experimentiert<br />
immer. Er wählt nie das<br />
sichere Terrain. Er forscht, kramt<br />
vergessene Texte aus, baut verloren<br />
gegangene Instrumente nach, wie<br />
die Geräuschtrompeten der Futuristen,<br />
die Intonarumori. Die kombiniert<br />
er dann mit Instrumenten alter<br />
Musik wie des Mittelalters und des<br />
Barock. Dazu spielt er Instrumente,<br />
die man in Spielzeugabteilungen<br />
von Kaufhäusern findet, und mischt<br />
sie mit Sounds aus dem computer.<br />
Diese Musik spielt er zu den bildgewaltigen<br />
aktionen, den verschmitztkomischen<br />
Handlungen und spektakulären<br />
visuellen Effekten seiner<br />
Stücke. Sein Musiktheater ist keine<br />
verschreckende, anstrengende Experimentalkunst.<br />
Es sind schöne,<br />
fremde, emotionale Tonwelten, die<br />
seine Stücke bevölkern.<br />
Zum Theater kam Paul Koek zunächst<br />
als Bühnenmusiker. Dann<br />
begegnete er Mitte der 1980er Jahre<br />
dem Regisseur Johan Simons. Die<br />
beiden waren von Beginn an ein un-<br />
PaUL KOEK — DER UTOPIST<br />
zertrennliches Team, wie Brüder, die<br />
alles voneinander wissen und sich<br />
ohne Worte verstehen. „Wir waren<br />
ständig zusammen unterwegs. Er<br />
wohnte ja schon fast bei mir. Gemeinsam<br />
fuhren wir mit seinem cadillac<br />
durch die Gegend und redeten<br />
pausenlos. Wir dachten uns neue<br />
Projekte aus, suchten Orte, an denen<br />
wir unser nächstes Stück entwickeln<br />
konnten, sprachen über die Proben,<br />
die vor oder hinter uns lagen. Einmal<br />
fuhren wir an einem Schild vorbei,<br />
auf dem stand, dass jemand Zirkus-<br />
DIE BRILLE HaT PaUL IN EINER KISTE SEINES<br />
GROSSVaTERS GEFUNDEN UND NUR NEUE<br />
GLÄSER EINSETZEN LaSSEN.<br />
zelte verkaufe. Das war so was wie ein<br />
Laden für Second-Hand-Zirkuszelte<br />
irgendwo in Nord-Holland. Sofort<br />
steuerte Johan den amerikanischen<br />
Schlitten in die Seitenstraße und wir<br />
verhandelten über eines der Zelte.<br />
Wir kauften es tatsächlich und der<br />
schräge alte Kerl erklärte uns, wie<br />
wir es aufbauen mussten. So zogen<br />
wir mit dem Zirkuszelt übers Land,<br />
um in abgelegenen Gegenden unsere<br />
Stücke zu spielen.“ Wer es nicht besser<br />
weiß, muss annehmen, dass Koek<br />
und Simons eine Zirkustheatertruppe<br />
betrieben haben. Tatsächlich war<br />
es aber die von Simons gegründete<br />
Gruppe „Hollandia“, die in den<br />
1990er Jahren zum bedeutendsten<br />
zeitgenössischen Theaterensemble<br />
der Niederlande wurde und zu den<br />
einflussreichsten Gruppen Europas<br />
zählte. Sie tourten über den ganzen<br />
Kontinent, zeigten ihre Produktionen<br />
auf Festivals weltweit und wurden mit<br />
diversen Preisen ausgezeichnet, so im<br />
Jahr 2000 mit dem Europäischen<br />
Preis für Innovation im Theater.<br />
15<br />
Bei Hollandia gründete Paul Koek,<br />
der ab 1993 der künstlerische Koleiter<br />
des Theaters war, das „Veen Studio“.<br />
„Veen“, das holländische Wort<br />
für Moor und Sumpf, spielt auf die<br />
feuchte Landschaft an, aus der Koek<br />
stammt. Im Veen Studio wurde mit<br />
einem eigenen Ensemble zeitgenössisches<br />
elektronisches Musiktheater<br />
erprobt. Der Musiker, Komponist<br />
und Koregisseur von Hollandia begann<br />
so, das Verhältnis von Theater<br />
und Musik zu untersuchen. auch im<br />
Ruhrgebiet, in <strong>Bochum</strong>, hinterließen<br />
Paul Koek und Johan Simons einen<br />
bleibenden Eindruck mit ihrer Produktion<br />
„Sentimenti“. 2003 inszenierten<br />
sie für die Ruhrtriennale in<br />
der Jahrhunderthalle diese Bühnenfassung<br />
nach dem Roman „Milch<br />
und Kohle“ von Ralf Rothmann mit<br />
Musik von Verdi. Diese arbeit ist bis<br />
heute eine der Inszenierungen, die<br />
für das Ruhrgebietsfestival stilbildend<br />
waren. Sie war zugleich die letzte<br />
arbeit der beiden unter dem Dach<br />
von Hollandia.<br />
Nach der Auflösung der Gruppe<br />
2005 zögerte Paul Koek nicht lange,<br />
„so zogen wir Mit deM<br />
zirKuszelt übers land,<br />
uM in abgelegenen gegenden<br />
unsere stücKe<br />
zu spielen.“<br />
als ihm eine ehemalige Fabrikhalle im<br />
Zentrum von Leiden angeboten wurde,<br />
nur wenige Kilometer von seinem<br />
Haus am See entfernt, um dort seine<br />
arbeit fortzusetzen. Zusammen mit<br />
Ensemblemitgliedern von Hollandia,<br />
allen voran dem Musiker Ton van der<br />
Meer und dem Dramaturgen Paul<br />
Slangen, gründete er die Veenfabriek.<br />
Er ließ die ehemalige Militärdecken-<br />
Fabrik umbauen und machte sie<br />
zum Stammsitz des Musiktheaterensembles.<br />
Heute beherbergt das<br />
Gebäude ein Restaurant, eine Galerie,<br />
ateliers und vor allem die Büros,<br />
Proben- und aufführungsräume der<br />
Gruppe. Dennoch spielt die Veenfabriek<br />
nach niederländischer Theatertradition<br />
überall im Land. In den<br />
großen Städten und in der Provinz.
Und wie schon bei Hollandia entwickeln<br />
die Musiker und Schauspieler<br />
mit Koek auch weiterhin Stücke für<br />
Orte, die kein Theater sind. Eine Produktion<br />
führten sie in verschiedenen<br />
Kaufhäusern des größten Warenhauskonzerns<br />
des Landes auf. Das<br />
Besondere dabei: das Kaufhaus war<br />
während der Vorstellung geöffnet. So<br />
gab es skurrile und tiefgründige Begegnungen<br />
von Theater und Leben,<br />
von Kunst und Konsum. „Ein Künstler<br />
muss immer einen Bezug zur<br />
Wirtschaft haben, sonst verliert er<br />
den Kontakt zur Welt“, zitiert Koek<br />
die amerikanische Musikerin Laurie<br />
anderson. Paul Koek hat die Grande<br />
Dame der elektronischen Popmusik<br />
vor einigen Jahren eingeladen, um<br />
sich das von der Veenfabriek gegründete<br />
Sirenen-Orchester anzuhören.<br />
„Wir haben einen Weg gefunden,<br />
wie man Sirenen, die man vom Feueralarm<br />
kennt, wie ein normales Instrument<br />
spielen kann. Wir haben<br />
also mit den umgebauten Sirenen ein<br />
Orchester gegründet und Songs von<br />
Laurie anderson einstudiert. Ich habe<br />
ihrem agenten geschrieben und sie<br />
zu einem Privatkonzert eingeladen.<br />
Ja, und dann habe ich ihn angerufen<br />
und gefragt, ob sie schon geantwortet<br />
hat. Jeden Tag habe ich angerufen.<br />
Zwei Wochen lang.“ Wen wundert<br />
es, dass die amerikanische Künstlerin<br />
tatsächlich zusagte und zwei Tage<br />
bei der Veenfabriek verbrachte.<br />
Mittlerweile stehen wir im Flugzeughangar,<br />
der weiterhin auf militärischem<br />
Sperrgebiet liegt. Nur gegen<br />
Vorlage des ausweises kommt man<br />
in die zweite arbeitsstätte der Veenfabriek.<br />
Wir gehen in einen kleinen,<br />
beheizten Nebenraum und schauen<br />
auf das Rollfeld, wo keine Flugzeuge<br />
mehr landen. Es hat tatsächlich für<br />
einen augenblick aufgehört zu regnen.<br />
Jetzt macht nur die Kaffeemaschine<br />
röchelnde Geräusche. „Im<br />
Sommer ist es hier sehr schön. Dann<br />
kann man die Hasen beobachten.<br />
Man hat einen weiten Blick, fast bis<br />
zum Meer. Seit der Flughafen nicht<br />
mehr benutzt wird, sieht man, wie<br />
sich die Natur das Gelände langsam<br />
zurückerobert. Das gefällt mir.“ Da<br />
steht er hinter der kleinen Theke in<br />
der Kaffeeküche und trommelt einen<br />
schnellen, komplizierten Rhythmus<br />
mit den Händen auf den Tresen. Und<br />
wieder lacht dieser fröhliche Mensch.<br />
„aber das wird so nicht bleiben. Die<br />
planen hier zwölftausend Wohnungen<br />
zu bauen. Verrückt. alles wird<br />
abgerissen und umgepflügt und wir<br />
müssen weg. Es bleibt kein Platz für<br />
Künstler und ihre Visionen.“ Und<br />
dann flammt gleich wieder eine Vision<br />
in seinen augen auf: „Vielleicht<br />
sollte man mit den Baugeräten ein<br />
riesiges Konzert der Maschinen veranstalten.<br />
Das wäre ein schöner abschluss,<br />
nicht?“<br />
Er wünscht sich mehr Kontinuität<br />
für die arbeit der nächsten Jahre und<br />
will sich mit anderen verbünden. Daher<br />
hat er sich vorgenommen, in den<br />
nächsten drei Jahren mit seinem Ensemble<br />
am <strong>Schauspielhaus</strong> <strong>Bochum</strong><br />
zu arbeiten. „Das wird großartig. Das<br />
Theater ist so schön und es gibt hier<br />
für uns viele Möglichkeiten.“<br />
als Paul Koek zum abschied winkt,<br />
beginnt der Regen auf einen Schlag<br />
heftig auf den Wagen einzuschlagen.<br />
Nur mit der höchsten Stufe des<br />
Scheibenwischers verschaffe ich mir<br />
Durchblick durch die Windschutzscheibe.<br />
Und dann fahre ich weg aus<br />
diesem nassen Land, 230 Kilometer<br />
an einen Ort, an dem das Wetter<br />
nicht besser ist, wo aber bald einer<br />
sein wird, der etwas wagen will.<br />
paul KoeK<br />
wurde 1954 in Roelofarendsveen, einem<br />
Dorf in der Nähe von Leiden, in<br />
den Niederlanden geboren. Er arbeitete<br />
als Schlagzeuger mit Künstlern wie Peter<br />
Greenaway, Heiner Goebbels oder<br />
Bob Wilson. 1987 schloss er sich der<br />
Theatergruppe „Hollandia“ von Johan<br />
Simons an, wo er 1993 künstlerischer<br />
Koleiter wurde.<br />
2005 gründete er sein eigenes Musiktheaterensemble,<br />
die „Veenfabriek“<br />
in Leiden. Seine Arbeiten wurden vielfach<br />
ausgezeichnet. Im Jahre 2009 erhielt<br />
Paul Koek die höchste Kulturauszeichnung<br />
der Niederlande, den Prinz<br />
Bernhard Kulturfond Theaterpreis.<br />
Seine gemeinsam mit Johan Simons<br />
erarbeitete Inszenierung von Horváths<br />
„Kasimir und Karoline“ ist zum Berliner<br />
Theatertreffen <strong>2010</strong> eingeladen.<br />
16<br />
Candide oder<br />
der optimismus<br />
von Voltaire<br />
Premiere am 23. September <strong>2010</strong> im <strong>Schauspielhaus</strong><br />
Ist das hier schon alles oder wartet die beste aller möglichen<br />
Welten noch irgendwo auf uns? Das ist die zentrale<br />
Frage, der Voltaires Roman von 1759 mit bösem Spott auf<br />
die weltverbesserlichen ansichten seiner Zeit nachgeht.<br />
In seinem Roman erzählt er das Leben des unbelehrbaren<br />
Optimisten candide, der am Hofe Westfalens vom Meister<br />
Pangloss unterrichtet wird. Der sagt, dass diese Welt die<br />
beste aller möglichen Welten sei. Doch candide muss diese<br />
Behauptung am eigenen Leib schmerzlich überprüfen:<br />
Unsanft wird er mit einem Tritt in den allerwertesten aus<br />
seinem herzöglichen Paradies verjagt. Trotzdem versucht<br />
er, sich die Worte des Lehrers weiterhin zu Eigen zu machen<br />
und in allem nur das Gute zu sehen – selbst als er in den<br />
Krieg gerät, einen Inquisitionsprozess, das große Erdbeben<br />
von Lissabon, Piratenangriffe und Schiffsuntergänge nur<br />
knapp überlebt. candide irrt in einer aberwitzigen Reise, die<br />
von den unwahrscheinlichsten Zufällen und verblüffendsten<br />
auferstehungen Totgeglaubter geprägt ist, über Meere<br />
und Kontinente. Er ist getrieben von der Hoffnung, seine<br />
geliebte Kunigunde und vor allem die beste aller Welten zu<br />
finden. Paul Koek bearbeitet mit dem <strong>Bochum</strong>er Ensemble<br />
und seiner Musiktheatergruppe diese große philosophische<br />
Erzählung zur Saisoneröffnung für das <strong>Schauspielhaus</strong>.<br />
Regie: Paul Koek<br />
Bühne und Licht: Theun Mosk<br />
Kostüme: Dorothee Curio<br />
Film: David Lammers<br />
Komposition: Anke Brouwer<br />
Sounddesign: Will-Jan Pielage<br />
Dramaturgie: Olaf Kröck, Paul Slangen<br />
Mit: Reinout Bussemaker, Therese Dörr, Joep van der Geest,<br />
Jürgen Hartmann, Raiko Küster, andreas Maier, Veronika<br />
Nickl, Roland Riebeling, yonina Spijker, Jutta Wachowiak,<br />
anke Zillich; Musiker: Lieke arts, Hans van der Meer, Ton<br />
van der Meer, John van Oostrum, antonis Pratsinakis, Katya<br />
Woloshin<br />
Eine Koproduktion mit der<br />
Veenfabriek in Leiden, Niederlande<br />
Gefördert im Fonds Wanderlust der<br />
Kulturstiftung des Bundes<br />
sowie dem Theaterinstitut der Niederlande<br />
im Rahmen von NL-RUHR.<strong>2010</strong>
Wo das geht, geht alles.<br />
www.usb-bochum.de<br />
Sauber: Die Metropole Ruhr ist<br />
Kulturhauptstadt Europas!<br />
Umweltservice<br />
<strong>Bochum</strong><br />
GmbH<br />
Entsorgung<br />
Verwertung<br />
Reinigung<br />
Gewerbeservice<br />
Bürgerservice<br />
Beteiligungen
RENEGADE IN RESIDENCE<br />
['renigeid|in|'rezid ns]<br />
Air•chAir [e |t∫e ]<br />
Der Tänzer steht waagerecht auf<br />
einer Hand oder beiden Händen<br />
(Double Air Chair). Der Ellbogen der<br />
Standhand befindet sich dabei am<br />
Rücken. Wegen des hohen Grades an<br />
Gelenkigkeit einer der schwierigsten<br />
und ästhetischsten Freezes zum Abschluss<br />
eines Sets.<br />
IlluSTRATIoNEN: ANNIkA kEp<br />
18
Air•freeze [e |fr z]<br />
RENEGADE IN RESIDENCE<br />
Der Air Freeze ist im prinzip ein<br />
Handstand auf einem Arm. Die körperlage<br />
kann dabei variieren. Beispielsweise<br />
kann der Rücken zum Boden<br />
zeigen, aber auch, wie in diesem<br />
Fall, die Seite. Beim Air Freeze gibt es<br />
viele Möglichkeiten für Variationen,<br />
da die Beine und ein Arm vollkommen<br />
frei sind.<br />
19
RENEGADE IN RESIDENCE<br />
Six•Step [siks|step]<br />
Basis-Schritt, bestehend aus sechs<br />
Schritten für Footworks und damit<br />
wesentliches Element für jedes Style<br />
Set. Footworks sind Tanzschritte am<br />
Boden, Styles sind kombinationen<br />
aus Footworks und Freezes. Wichtig<br />
bei einem Style sind vor allem die<br />
originalität des Sets und des Stils,<br />
mit dem dieser getanzt wird.<br />
20
RENEGADE IN RESIDENCE<br />
flAt•LINER [flæt|'lain ]<br />
Das Fahren auf einem Fahrrad ist<br />
kein traditionelles Stilmittel des Tanzes,<br />
auch nicht des HipHop oder<br />
Breakdance. Doch richtig gebraucht,<br />
ist auch das BMX-Rad als Teil eines<br />
guten Sets einsetzbar. ob auf einem<br />
Rad oder auf zwei, ob vorwärts oder<br />
rückwärts oder sogar als Teil eines<br />
klassischen pas de deux.<br />
21
RENEGADE IN RESIDENCE<br />
KicK•dowN [kik|da n]<br />
Der kick Down wird benutzt, um<br />
beim Breakdance einen Sixstep oder<br />
einen Ebenenwechsel flüssig einzuleiten.<br />
Dabei wird ein Fuß in die<br />
kniekehle des anderen gestreckten<br />
Beines geführt. Dann erfolgen das<br />
Einknicken im kniegelenk und die<br />
landung auf der Fußsohle des anderen<br />
Fußes, der fest am kniegelenk<br />
bleibt.<br />
22
enegade.<br />
Neues<br />
tanztheater<br />
in <strong>Bochum</strong><br />
Es treffen sich drei B-Boys – Breakdancer<br />
– aus Duisburg und Herne, die<br />
zur Musik Bewegungen machen können,<br />
die sich ein normaler Mensch<br />
nicht einmal vorstellen kann, deren<br />
Bühne aber bisher ausschließlich die<br />
Straße war. Eine klassische Tänzerin<br />
aus Rom, die sonst auf den internationalen<br />
Ballettbühnen Europas<br />
zu Hause ist. Ein junger Modern<br />
Dancer, der direkt von der Folkwang<br />
universität in Essen kommt. und ein<br />
Flatliner – BMX-Radfahrer – mitsamt<br />
seinem Bike aus köln.<br />
Sechs Tänzer, die unterschiedlicher<br />
kaum sein könnten und die<br />
eigentlich, so sollte man meinen,<br />
nicht zusammengehören. In der<br />
Tanztheaterproduktion „Schwarze<br />
katze“ standen sie vor zwei Jahren<br />
trotzdem gemeinsam auf der Bühne<br />
in der <strong>Bochum</strong>er Jahrhunderthalle<br />
und zeigten zu einem gewagten Musikmix<br />
quer durch alle Stilrichtungen<br />
eine neue Form von Tanztheater, die<br />
es so vorher in der Ruhrregion nicht<br />
gegeben hatte. Choreografin des<br />
Abends war Malou Airaudo, langjährige<br />
Solotänzerin in der Compagnie<br />
von pina Bausch. Verantwortlich für<br />
die Mischung und dafür, dass diese<br />
Begegnung überhaupt zustande kam,<br />
war eine Truppe, die unter dem Namen<br />
„Renegade“ seit einigen Jahren<br />
von einem unscheinbaren gemeindezentrumsähnlichen<br />
Haus in Herne<br />
aus die Tanz- und Streetart-Szene der<br />
Region aufmischt.<br />
Die „Abtrünnigen“ (so die wörtliche<br />
Übersetzung) kommen von der<br />
Straße, aber sie durchqueren in ihrer<br />
Arbeit die ganze Stadt. Sie haben es<br />
geschafft, aus den traditionellen<br />
Straßenkünsten wie HipHop, Breakdance<br />
und Graffiti in Verbindung<br />
mit klassischem Tanz und modernem<br />
Tanztheater eine Ästhetik<br />
zu entwickeln, die sich eindeutig<br />
draußen auf der Straße verortet,<br />
aber niemals im Vorstadt-Ghetto gefangen<br />
bleibt. Auf den vielfältigen<br />
Ebenen ihrer künstlerischen Arbeit<br />
verbinden sie immer wieder widersprüchliche<br />
kräfte und Strategien.<br />
Sie mixen Tanz, Musik, Schauspiel<br />
und bildende kunst zu einer neuen,<br />
hochaktuellen Ausdrucksform: ausgebildete<br />
Tänzer arbeiten mit den<br />
besten Streetart-künstlern des Ruhrgebiets,<br />
Deutschlands und Europas.<br />
So verbinden sich nicht nur soziale<br />
Milieus und kulturen, sondern<br />
auch künstlerische Techniken und<br />
Ausdrucksformen, die jenseits einer<br />
Trennlinie von Sub- und Hochkultur<br />
funktionieren. Nicht mehr Bühne<br />
gegen Straße, nicht Migranten-Battle<br />
gegen deutsche leitkultur, nicht<br />
drinnen gegen draußen, sondern<br />
eine neue kreative Mischung führt<br />
zu einer spannungsgeladenen eigenständigen<br />
Ästhetik.<br />
Das <strong>Schauspielhaus</strong> <strong>Bochum</strong> erhält<br />
wieder einen Tanzpartner: Mit Beginn<br />
der neuen Intendanz startet<br />
„Renegade in Residence“. Renegade<br />
nutzt die Räume des <strong>Schauspielhaus</strong>es<br />
in <strong>Bochum</strong>, Choreografen<br />
und Tänzer werden Teil des Hauses<br />
und arbeiten immer wieder auch in<br />
den „klassischen“ produktionen des<br />
Hauses. und einmal im Jahr entsteht<br />
unter der künstlerischen leitung von<br />
Renegade eine gemeinsame produktion<br />
– mit den Tänzern, mit vielen<br />
künstlern aus Europa wie auch mit<br />
dem Ensemble des <strong>Schauspielhaus</strong>es.<br />
Die erste gleich am Eröffnungswochenende<br />
der neuen Saison im<br />
Herbst.<br />
Die neue Zusammenarbeit ist zugleich<br />
Fortsetzung und Weiterentwicklung<br />
einer bereits erprobten<br />
Verbindung: Regisseurin und Choreografin<br />
des neuen Stückes ist Malou<br />
Airaudo.<br />
23<br />
Nouvelle Piece<br />
Renegade in Residence<br />
Uraufführung am 24. September <strong>2010</strong><br />
in den Kammerspielen<br />
Die erste neue Tanztheaterarbeit von Renegade am <strong>Schauspielhaus</strong><br />
<strong>Bochum</strong> entsteht in der Regie und Choreografie<br />
von Malou Airaudo. Auf der Bühne stehen acht Tänzer, die<br />
teils aus dem professionellen Tanz- und HipHop-Bereich,<br />
teils aus dem regionalen und europäischen Streetart-Kontext<br />
stammen.<br />
Das Thema entwickeln Renegade und <strong>Schauspielhaus</strong><br />
<strong>Bochum</strong> gemeinsam. Es wird um Momente des „Dazwischen“<br />
gehen, in denen Neues entsteht oder Altes vergeht:<br />
Ein Bergsteiger im Moment des Absturzes, das Durchqueren<br />
eines Tunnels, Transiterfahrungen, der Augenblick<br />
zwischen Leben und Tod. Momente, in denen das Leben<br />
stillsteht und gleichzeitig an einem vorüberrast, in denen<br />
alles denkbar ist und zugleich alles im nächsten Augenblick<br />
zu Ende sein könnte. Momente, die sich anfüllen mit Erinnerungen,<br />
mit Visionen, mit ungeahnten Möglichkeiten<br />
und Vorstellungen. Momente, in denen sich Bekanntes<br />
mit Unbekanntem verbindet und daraus etwas Explosives<br />
entsteht. Die Tänzer dieser ersten gemeinsamen Produktion<br />
stammen aus Herne und Berlin, aus Duisburg und der<br />
Schweiz, aus Celle und Italien. Sie sind Pantomimen und<br />
B-Boys, klassische Tänzer und Modernisten.<br />
Regie und Choreografie: Malou Airaudo<br />
Eine gemeinsame Produktion von<br />
<strong>Schauspielhaus</strong> <strong>Bochum</strong> und Pottporus/Renegade<br />
Gefördert vom Ministerpräsidenten<br />
des Landes Nordrhein-Westfalen<br />
MAlou AirAudo<br />
wurde 1948 geboren und begann früh ihre Tanzausbildung.<br />
Schon im Alter von acht Jahren lernte sie an der Schule der<br />
Opéra de Marseille und tanzte dort unter der Leitung von<br />
Joseph Lazzini im Ensemble. Über Monte Carlo und Amiens<br />
gelangte sie 1970 nach New York, wo sie nicht nur mit Manuel<br />
Alum arbeitete, sondern auch Pina Bausch traf. So kam<br />
sie 1973 nach Nordrhein-Westfalen in die Compagnie des neu<br />
gegründeten Tanztheaters in Wuppertal und wurde dort eine<br />
der prägenden Solistinnen. Ihr Solo „Le Sacre du Printemps“<br />
ist sicher die berühmteste Arbeit, die aus der Zusammenarbeit<br />
dieser beiden Tanztheater-Ikonen entstand. Später arbeitete<br />
sie in Paris, Lorraine und Genf, pflegt aber seit langem eine<br />
Verbindung zum Ruhrgebiet: Seit 1984 ist sie Professorin für<br />
Zeitgenössischen Tanz an der Folkwang Universität. So kommt<br />
sie nicht als Fremde, sondern als Freundin in die Region, wenn<br />
sie mit Renegade am <strong>Schauspielhaus</strong> <strong>Bochum</strong> arbeitet.
Monika Gintersdorfer & Gadoukou La star — schwarzweiss totaL<br />
schwarzweiß<br />
total<br />
text: arnd weseMann<br />
fotos: christian roLfes<br />
25
ie elfenbeinküste in westafrika wird<br />
von zwei Präsidenten regiert. Vom<br />
echten und einem schattenpräsidenten,<br />
der in der opposition jederzeit<br />
mit Bürgerkrieg drohen kann.<br />
darum ist der echte Präsident sehr<br />
vorsichtig, und das ist gut so. nicht<br />
nur der Präsident, auch der Papst hat<br />
einen Gegenpapst, den schwarzen<br />
Papst. den hält er im keller des Vatikan<br />
gefangen wie einen anti-christ.<br />
sowas erzählt man in abidjan, einer<br />
stadt aus zehn eigenständigen städten,<br />
die von der Lagune am atlantischen<br />
ozean wie eine krabbenschere<br />
ins Land greifen. regiert wird das<br />
Land nicht von hier aus, sondern aus<br />
der Gegenhauptstadt Yamoussoukro.<br />
dort steht die Basilika notre-dame<br />
de Paix, die aussieht wie der Petersdom<br />
in rom. nur ist sie sehr viel<br />
größer, das größte christengebäude<br />
der welt. auch das ist gut so, denn<br />
ob der islam oder das christentum<br />
an der elfenbeinküste zahlenmäßig<br />
stärker ist, ist nicht erwiesen. so liegt<br />
hier alles auf einer fein austarierten<br />
waage. es gibt nicht das Gute ohne<br />
das Böse, den Papst nicht ohne Gegenpapst,<br />
das christentum nicht<br />
ohne islam.<br />
und man hörte ja schon vom<br />
Bürgerkrieg an der elfenbeinküste,<br />
der trotz offiziellem Friedensvertrag<br />
noch nie ganz beendet wurde, weil<br />
frieden ohne krieg nicht existieren<br />
kann. in abidjan gab es noch einen<br />
dritten Präsidenten, der Le prési-<br />
Monika Gintersdorfer & Gadoukou La star — schwarzweiss totaL<br />
dent douk saga hieß. zu Beginn des<br />
Bürgerkriegs hielt sich Le président<br />
douk saga in Paris auf, um dann wie<br />
mit einem kulturellen staatsstreich<br />
von Paris aus mitten in den Bürgerkrieg<br />
hinein in der elfenbeinküste<br />
zu einem Präsidenten der freude<br />
zu werden. franck edmond Yao alias<br />
Gadoukou la star zog mit dem<br />
Präsidenten douk saga und seinen<br />
freunden, dem selbsternannten ivorischen<br />
Jet set, durch die nachtclubs<br />
von Paris als choreograf und supertänzer.<br />
Gadoukou la star ist ein sehr<br />
schöner, sehr kräftiger Mann mit viel<br />
Blingbling. unter den fanfaren eines<br />
dJs bewegt er sich cool, weich im antritt,<br />
als würde er mit unglaublicher<br />
Beschleunigung aus sich selbst hinausspringen<br />
können. Gadoukou la<br />
star kann das Land verlassen, um jederzeit<br />
im triumphzug immer wieder<br />
einzuwandern. ein auswanderer, der<br />
ständig einwandert, ist kein flüchtling,<br />
sondern ein personifizierter Privatjet<br />
zwischen europa und afrika,<br />
den man einen „Bengisten” nennt –<br />
der Botschafter eines Lebensstils, der<br />
in abidjan, in Paris und längst auch<br />
in deutschland „couper décaler”<br />
genannt wird.<br />
Gadoukou la Star iSt<br />
ein Sehr Schöner, Sehr<br />
kräftiGer Mann Mit viel<br />
BlinGBlinG.<br />
„couper” bedeutet abhauen, einen<br />
schnitt machen, „décaler” heißt<br />
umfallen, im sinn von sich durchs<br />
Leben schlagen ohne die Balance<br />
zu verlieren. den guten stil wahren<br />
heißt, präsidialen Glamour zu zeigen<br />
und selber ein Label zu sein durch<br />
hauteng getragene edelmarken –<br />
so liegen ruch und ruhm immer<br />
schön dicht beieinander. die „fouka<br />
fouka”-Geste, ein hämmernder<br />
oberarm, signalisiert kraft durch<br />
form. der dJ des „couper décaler”<br />
betreibt das sampling der unterschicht<br />
mit dem der oberen zehntausend.<br />
es wirkt wie das lautstarke<br />
Verhöhnen der armut und zugleich<br />
als vollkommene karikatur des westlichen<br />
Lebensstils. es ist perfekt in-<br />
27
szenierter starkult, der aus nichts<br />
als eigenwerbung besteht. niemand<br />
will hier nur bescheidene fünfzehn<br />
Minuten berühmt sein. wenigstens<br />
so bekannt wie nivea-creme muss<br />
man sein, so unverwechselbar wie<br />
ein Päckchen Marlboro.<br />
So Bekannt Wie niveacreMe<br />
MuSS Man Sein,<br />
unverWechSelBar Wie<br />
MarlBoro.<br />
in bestem fummel auf einem sofa<br />
lümmelnd zählt Gadoukou la star<br />
geduldig seine investitionen für die<br />
perfekte ivorische inszenierung auf:<br />
Musik komponieren, ein studio mieten,<br />
die Musik „piratisieren” lassen,<br />
sie also umsonst ins internet stellen,<br />
die dJs „bestechen”, damit sie in<br />
den Grand Maquis die titel spielen,<br />
überall für sich spendable reklame<br />
machen und das Glück haben, im<br />
fernsehen aufzutreten, damit endlich<br />
ein großes Konzert stattfinden<br />
kann, das einen teil der unkosten<br />
wieder reinbringt. es ist vor allem<br />
der ruhm, der abfällt, der all das<br />
aufwiegt, worauf europa seine Langeweile<br />
begründet: ausgeglichene<br />
haushalte, unauffällige Gleichheit,<br />
Bürgerruhe, traditionelles Ballett,<br />
zeitgenössische tanzverweigerung.<br />
Ganz abidjan dagegen, so scheint es<br />
mitten in der nacht in den heißen<br />
Vierteln von Yopougon, ist ein gewaltiger<br />
tanzwettbewerb, eine große<br />
feier des ich, ein narzisstisches spiel<br />
wie vor den spiegeln in den Maquis<br />
der rue Princesse. kein einziges Mal<br />
trennen sich dort die tanzenden<br />
Mädchen von ihrer eigenen schönheit.<br />
„spiegel”, sagt franck, „dienen<br />
bei euch zur kontrolle, uns beweisen<br />
sie, dass wir stolz sein können.”<br />
Längst hat Gadoukou la star eine<br />
doppelkarriere als schauspieler in<br />
deutschland, wo er franck edmond<br />
Yao heißt. Monika Gintersdorfer,<br />
die Regisseurin, filmte ihn bei einem<br />
Gastauftritt in einem hamburger<br />
nachtclub. sie kennt die szene in<br />
abidjan wie ihre westentasche. dabei<br />
wäre sie fast eine ganz normale<br />
regisseurin am deutschen stadtthe-<br />
ater geworden, lauter erstaufführungen<br />
junger autoren bis hin zu den<br />
salzburger festspielen, die statt zum<br />
höhepunkt zur endstation dieser<br />
Literatur-inszenierungen wurden.<br />
zum Glück. es folgte ein Jahr mit<br />
hundert aktionen, die den gesicherten<br />
rahmen verließen. in einer aktion<br />
namens „ausziehen” zerschmetterte<br />
sie in hamburg eine wohnung,<br />
lernte beim Brunnengraben an der<br />
alster den bildenden künstler knut<br />
klaßen kennen und verliebte sich an<br />
die elfenbeinküste. seitdem ist sie<br />
Übersetzerin, von theater in tanz,<br />
von afrika in europa, von wahrheit<br />
in wirklichkeit.<br />
Übersetzen heißt: sich einem<br />
wettbewerb stellen, sich von einem<br />
vollkommen trainierten körper, der<br />
überquillt von tanzlust, Bewegungsschärfe,<br />
Variantenwitz, nicht abhängen<br />
zu lassen. und es als europäer<br />
auch mal aushalten zu können, dass<br />
unsere todsünden, eitelkeit, neid,<br />
Gier, sämtlich afrikanische tugenden<br />
sind. Übersetzerin zu sein ist<br />
für Monika Gintersdorfer nicht das<br />
erklären einer afrikanischen kultur,<br />
die mit tanz redet. es gibt stattdessen<br />
in ihrer bekannten serie „Logobi”<br />
eine völlig angstlose konfrontation<br />
der ivorischen tänzer Gotta depri<br />
und franck edmond Yao mit je einem<br />
deutschen Übersetzer, einem schauspieler,<br />
tänzer oder choreografen.<br />
diese Pas de deux werden auf augenhöhe<br />
übersetzt, ohne gleich Gleichheit<br />
zu fordern. es werden schritte<br />
erklärt, ohne Pädagogik. es werden<br />
fremde welten geöffnet, ohne sie<br />
zu besetzen. Übersetzen heißt nicht:<br />
aneignen. sondern im fremden die<br />
Freiheit der eigenen Sprache zu finden.<br />
die der ivorer. und auch die der<br />
deutschen.<br />
arnd WeSeMann ist redakteur<br />
der zeitschrift „tanz”.<br />
28<br />
ElEganz ist<br />
kEin VErbrEchEn<br />
von Gintersdorfer/Klaßen<br />
Premiere am 24. september <strong>2010</strong> im theater unten<br />
dies ist die perfekte show! dieses theater ist reich, ist international,<br />
ist glamourös, virtuos und elegant. das ivorischdeutsche<br />
ensemble entwickelt mit seiner sprache, seinem<br />
Gesang und seinen tanzenden körpern einen funkelnden<br />
abend. hier geht es nicht um die perfekte Länge oder die<br />
perfekte dramaturgie. die schauspieler und tänzer aus<br />
<strong>Bochum</strong> in deutschland in europa und aus abidjan an<br />
der elfenbeinküste in afrika zeigen, welche texte, welche<br />
themen eine „perfekte show“ braucht. es geht in diesem<br />
abend nicht um illusionen, nicht um Parodien oder Verstellungen,<br />
es geht um schillernde Behauptungen und eine<br />
spekulative wirklichkeit. die show wird zu einer Verständigung<br />
zwischen kulturen jenseits der plattgetrampelten<br />
Pfade politischer korrektheit, die uns in unsere eigenen<br />
widersprüche verwickelt, indem sie mit Vorurteilen aufräumt<br />
und sie gleichzeitig zementiert.<br />
Regie: Monika Gintersdorfer<br />
Bühne und Kostüme: Knut Klaßen<br />
Dramaturgie: Olaf Kröck<br />
Mit: friederike Becht, Jean claude dagbo alias dJ Meko,<br />
hauke heumann, franck edmond Yao alias Gadoukou la<br />
star<br />
Monika Gintersdorfer<br />
wurde 1967 geboren. Sie studierte Germanistik und Theater-,<br />
Film- und Fernsehwissenschaft in Köln und Regie in Hamburg.<br />
2000 bis 2004 inszenierte sie am Hamburger <strong>Schauspielhaus</strong>,<br />
an den Münchner Kammerspielen und bei den<br />
Salzburger Festspielen. 2002 erhielt sie für ihre Inszenierung<br />
„Bedbound“ von Enda Walsh den Gertrud-Eysold-Preis. Seit<br />
2005 arbeitet sie regelmäßig mit dem ivorischen Choreografen<br />
und Tänzer Franck Edmond Yao und dem bildenden Künstler<br />
Knut Klaßen. Ihre Produktion „Othello, c’est qui“ wurde mit<br />
dem Jury-Preis des Impulse Festivals 2009 ausgezeichnet. Im<br />
April <strong>2010</strong> veranstaltete sie unter dem Titel „Rue Princesse“<br />
ein ivorisch-deutsches Festival in Abidjan.<br />
franck edMond Yao<br />
aliaS Gadoukou la Star<br />
wurde in Abidjan in der Elfenbeinküste geboren. Dort studierte<br />
er Tanz und Schauspiel. Von 2003 an gewann er in vier<br />
aufeinander folgenden Jahren den African Award als bester<br />
afrikanischer Tänzer in Paris. Seit 2005 arbeitet Franck Edmond<br />
Yao mit Gintersdorfer/Klaßen. 2008 veröffentlichte er<br />
sein Debüt-Album „Couper Décaler“ als Gadoukou la Star<br />
und wurde damit zum Shootingstar der ivorischen Popmusik.<br />
Franck Edmond Yao lebt in Paris und Abidjan.
david Bösch — ein FotoalBuM<br />
david Bösch wird leitender Regisseur am schauspielhaus <strong>Bochum</strong>. in<br />
<strong>Bochum</strong> hatte er mit acht Jahren sein erstes theatererlebnis, allerdings<br />
nicht im schauspielhaus, sondern bei „starlight express“. am<br />
schauspielhaus hat er dann seine erste große inszenierung gemacht,<br />
„zum ersten Mal richtig theater, in einer Guckkastenbühne mit<br />
allem, was dazu gehört“: Romeo und Julia. das war vor sechs Jahren.<br />
inzwischen hat er in essen, hamburg, Zürich, Wien und Berlin gearbeitet.<br />
Jetzt freut er sich darauf, zurückzukehren und richtig anzufangen<br />
an diesem Haus. Erstmal hat er es fotografiert, von innen, in den<br />
ecken, die man als Zuschauer sonst nicht zu Gesicht bekommt.<br />
Fotos und text: david Bösch<br />
30
david Bösch — ein FotoalBuM<br />
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david Bösch — ein FotoalBuM<br />
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david Bösch — ein FotoalBuM<br />
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david Bösch — ein FotoalBuM<br />
34
Der Sturm<br />
von William Shakespeare<br />
Premiere am 25. september <strong>2010</strong> im schauspielhaus<br />
er muss für ordnung sorgen. das ist sein Ziel und dafür ist<br />
er bereit alles zu tun, was in seiner Macht steht. Jahrzehnte<br />
verbringt er auf einer einsamen insel, gemeinsam mit seiner<br />
tochter t Miranda und zwei wilden Kreaturen, die er nur<br />
mühsam zu bändigen vermag. er schmiedet Pläne und verteidigt<br />
Moral und Gesetz in einer feindlichen Welt. dann<br />
kommt der tag, t an dem sein Plan in erfüllung gehen wird.<br />
es beginnt mit einem mächtigen sturm und noch weiß niemand,<br />
wen dieser sturm am ende hinwegfegen wird. als<br />
eine kleine Gruppe Gestrandeter plötzlich hilflos über die<br />
insel irrt, ändert das alles. ihr erscheinen bringt die sensible<br />
ordnung in Prosperos kleiner Welt ins schwanken.<br />
Selber vollkommen hilflos und orientierungslos setzen die<br />
schiffbrüchigen in der hermetischen inselgesellschaft neue<br />
sehnsüchte und Gefühle frei. die beiden wilden Geister,<br />
ariel und caliban, spüren, dass der Moment gekommen<br />
ist, sich zu befreien. Miranda, aufgewachsen an der seite<br />
der beiden Wilden, entdeckt den sanften Ferdinand. es ist<br />
für alle der Moment der Wahrheit, der Regeln außer Kraft<br />
setzt. dass sie spielbälle sind in Prosperos Plan, interessiert<br />
am ende niemanden mehr. Prospero muss sich eingestehen,<br />
dass er die Kontrolle verloren hat. nicht er nimmt<br />
Rache für widerfahrenes unrecht, es sind die anderen, die<br />
sich rächen an ihm und einer ordnung, die die Welt beherrschen<br />
wollte. doch die Welt ist anders, als er dachte.<br />
dieses grausame Märchen von shakespeare, sein letztes<br />
Werk, inszeniert david Bösch zu Beginn der spielzeit in<br />
<strong>Bochum</strong>.<br />
Regie: David Bösch<br />
Bühne: Dirk Thiele<br />
Kostüme: Meentje Nielsen<br />
Dramaturgie: Sabine Reich<br />
Mit: Manfred Böll, Florian lange, nicola Mastroberardino,<br />
Ronny Miersch, Bernd Rademacher, Felix Rech, henrik<br />
schubert, xenia snagowski, daniel stock, Werner strenger,<br />
Klaus Weiss<br />
david bösch<br />
Auch wenn David Bösch in den letzten Jahren viel in Essen am<br />
Schauspiel inszenierte, oder in Wien, Zürich und Frankfurt,<br />
wohnt er in <strong>Bochum</strong>, wo er in den nächsten Jahren wieder regelmäßig<br />
arbeiten wird. Geboren wurde er 1978 in Lübbecke/<br />
NRW, dann studierte er Regie an der Hochschule für Musik<br />
und Theater in Zürich. 2004 brachte er in <strong>Bochum</strong> „Romeo<br />
und Julia“ von Shakespeare auf die Bühne, 2005 eröffnete er<br />
die Intendanz von Anselm Weber am Schauspiel Essen mit seiner<br />
Inszenierung „Ein Sommernachtstraum“, 2006 gewann<br />
er mit „Viel Lärm um nichts“ (Thalia Theater Hamburg) den<br />
„Young Directors Award“ der Salzburger Festspiele. Aber nicht<br />
nur Shakespeare inszeniert er, er bringt Klassiker von Büchner,<br />
Hauptmann, Schiller und Goethe ebenso auf die Bühne<br />
wie zeitgenössische Stücke oder große Opern.<br />
35<br />
Die ratten<br />
von Gerhart Hauptmann<br />
Premiere am 28. Januar <strong>2011</strong> in den Kammerspielen<br />
nichts wünschen sich Frau John und ihr Mann sehnlicher<br />
als ein Kind, seit ihr albertchen drei Monate nach der Geburt<br />
gestorben ist. als Frau John mit der Zeit klar wird, dass<br />
ihre hoffnungen umsonst sind, lässt sie sich auf ein zweifelhaftes<br />
Geschäft ein: sie nutzt die lange abwesenheit ihres<br />
Mannes und kauft sich ein Baby. von v der verzweifelten<br />
hochschwangeren Pauline Piperkarcka, die drauf und dran<br />
war, sich in die spree zu stürzen. so scheint erstmal allen<br />
geholfen. stolz präsentiert Frau John ihrem Mann und der<br />
nachbarschaft das Kind. doch Pauline bekommt Gewissensbisse<br />
und verlangt ihren sohn zurück. da Frau John<br />
das Kind jedoch freiwillig nicht hergeben will, vertauscht<br />
es Pauline heimlich mit dem todkranken Kind der nachbarin.<br />
die tragische Geschichte der verzweifelten Mütter<br />
entwickelt sich zur verwechslungskomödie,v in der schließ-<br />
lich niemand mehr weiß, wer was vor wem geheim hält und<br />
welches Kind zu wem gehört.<br />
eine „Berliner tragikomödie“ t nennt Gerhart hauptmann<br />
sein stück, das er 1909 am höhepunkt seines Ruhmes<br />
fast zwanzig Jahre nach seinem skandaldebüt „vor vor v<br />
sonnenaufgang“ schrieb. hier ist versammelt, was unter<br />
dem titel naturalismus am ende des 19. Jahrhunderts die<br />
theatermittel radikal erneuerte: in einer verkommenen<br />
Mietskaserne, auf deren dachboden der arbeitslose theaterdirektor<br />
hassenreuther seinen Kostümfundus untergebracht<br />
hat, tummeln sich die Ratten und die kleinen<br />
leute, deren lebensdramen hauptmann auf die Bühne<br />
bringt. dass der theologiestudent erich spitta, der unbedingt<br />
schauspieler werden möchte und bei hassenreuther<br />
unterricht nimmt, als eine art alter ego hauptmanns auftritt<br />
und vehement fordert, dass es auf der Bühne genauso<br />
lächerliche Figuren wie im leben geben sollte, hält dem<br />
naturalismus den spiegel vor und erinnert daran, dass<br />
manchmal die dramen des echten lebens die bewegendsten<br />
sind.<br />
Regie: David Bösch<br />
Bühne: Patrick Bannwart
FadheL JaIbI — ICh Lebe In eInem sChIzophrenen Land<br />
Ich lebe<br />
in einem<br />
schizophrenen<br />
Land<br />
IntervIew: thomas Laue und anseLm weber<br />
Fotos: ChrIstIan roLFes<br />
37
adhel Jaibi, anders als viele Regisseure<br />
inszenierst du nur ein Stück im Jahr.<br />
sogar weniger! Ich produziere ein<br />
stück alle drei oder vier Jahre.<br />
Warum brauchst du so lange, um eine<br />
neue Produktion vorzubereiten?<br />
nach der premiere begleite ich zunächst<br />
die aufführungen meiner<br />
stücke, die an vielen orten der welt<br />
gezeigt werden. In jeder neuen arbeit<br />
bringe ich dann junge schauspieler,<br />
die zum ersten mal mit mir arbeiten,<br />
mit schauspielern zusammen,<br />
die mich seit 20 Jahren begleiten.<br />
so wird jede produktion zu einem<br />
neuen, komplizierten abenteuer. Ich<br />
versuche dabei jedes mal, das vorangegangene<br />
stück zu vergessen. mit jedem<br />
neuen thema ändere ich meine<br />
art zu arbeiten.<br />
Fängst du immer wieder bei Null an?<br />
man fängt nie bei null an. es ist immer<br />
eine Kontinuität und ein bruch<br />
zugleich. aber null nicht. auch wenn<br />
ich wollte, könnte ich nicht bei null<br />
anfangen.<br />
FadheL JaIbI — ICh Lebe In eInem sChIzophrenen Land<br />
Warum nicht?<br />
weil ich in meinem Gedächtnis,<br />
meinen Reflexen und dem, was ich<br />
bis jetzt gelernt oder erworben habe,<br />
dinge mit mir herumtrage, die nicht<br />
mehr auszulöschen sind. Ich habe,<br />
wie hoffentlich jeder Künstler, meine<br />
eigene welt, die mich schon sehr<br />
lange begleitet.<br />
Was beschäftigt dich in dieser Welt derzeit<br />
am meisten?<br />
die zukunft meiner tochter. sie ist<br />
einundzwanzig und lebt in paris.<br />
Warum lebt sie nicht in Tunesien?<br />
weil es einerseits notwendig war, sie<br />
ein bisschen von ihren eltern zu lösen.<br />
und weil das Leben in tunesien<br />
einen jungen menschen töten kann.<br />
Wie das?<br />
der horizont dort ist eingeschränkt.<br />
die türen und Fenster dieses Landes<br />
schließen sich immer mehr: die<br />
religiöse und moralische zensur, die<br />
zensur der medien, die zensur des<br />
ausdrucks. Ich möchte, dass meine<br />
Tochter dem entfliehen kann. Aber<br />
wenn ich davon spreche, dass meine<br />
größte sorge die zukunft meiner<br />
tochter ist, dann meine ich auch die<br />
zukunft überhaupt.<br />
Während wir hier reden, sollte zu Hause<br />
in Tunis eigentlich eine neue Produktion<br />
von dir zu sehen sein. Aber die<br />
Premiere am letzten Samstag hat nicht<br />
stattgefunden, weil dein Stück von der<br />
Zensurkommission nicht freigegeben<br />
wurde. Wie geht es nun weiter?<br />
als ich am montag in düsseldorf<br />
am Flughafen auf meine Koffer gewartet<br />
habe, rief mich der minister<br />
„Ich habe meIne eIgene<br />
Welt, dIe mIch, WIe hoffentlIch<br />
jeden Künstler,<br />
schon sehr lange<br />
begleItet.“<br />
an, der letzten donnerstag eine probe<br />
meines stückes gesehen hat. Ich<br />
wartete seit samstag, an dem eigentlich<br />
premiere sein sollte, auf diesen<br />
anruf. als er dann anrief, verlangte<br />
38
Wer unter<br />
bedIngungen<br />
theater macht<br />
WIe der tunesIsche<br />
regIsseur<br />
fadhel jaIbI,<br />
entWIcKelt<br />
vIele PersönlIchKeIten:<br />
er<br />
Ist eIner der<br />
schärfsten<br />
KrItIKer seInes<br />
landes und<br />
zugleIch eInes<br />
seIner WIchtIgstenaushängeschIlder.<br />
In jedem<br />
fall also eIne<br />
staatsangelegenheIt.<br />
eIn<br />
IntervIeW.
der Minister die Textfassung des<br />
stückes. nun ist es so, dass dieser<br />
minister früher selbst regisseur war.<br />
er kennt also die subversive Kraft des<br />
„Ich begreIfe mIch als<br />
unabhängIgen bürger<br />
und nIcht als Künstler.“<br />
bildes und es ist erstaunlich, dass<br />
er, obwohl er die aufführung schon<br />
kennt, jetzt auch noch den Text haben<br />
möchte. nun erwarte ich jeden<br />
moment seine entscheidung. es<br />
kann sein, dass das stück wegen des<br />
themas – es ist eine metapher auf das<br />
Leben in der derzeitigen tunesischen<br />
Gesellschaft – ganz verboten wird,<br />
weil er angst um sich selbst und seine<br />
stellung hat. vielleicht wird der<br />
minister aber auch nur Kürzungen<br />
verlangen, die ich aber nur bereit bin<br />
vorzunehmen, wenn sie nichts an der<br />
essenz des stückes verändern. wenn<br />
er die essenz berühren will, werde ich<br />
nein sagen. dann ist es mir lieber,<br />
dass das stück ganz verboten wird.<br />
dann müsste ich allerdings eine sehr<br />
schwere verantwortung tragen: die<br />
für 20 Familien, die von mir und dieser<br />
produktion abhängig sind.<br />
Würdest du dich unter diesen Arbeitsumständen<br />
als einen mutigen Mann<br />
bezeichnen?<br />
Ich bin nicht in der position, so<br />
etwas von mir zu behaupten. Ich<br />
begreife mich in erster Linie als unabhängigen<br />
bürger und nicht als<br />
Künstler. Ich habe nie Kunst um der<br />
Kunst willen gemacht, ich habe immer<br />
Ideen verteidigt, die dem tunesischen<br />
establishment und der tunesischen<br />
Nomenklatura missfielen. Ich<br />
bin seit vierzig Jahren regisseur und<br />
seltsamerweise hat man nur zweimal<br />
versucht, meine stücke zu verbieten.<br />
einmal unter präsident bourguiba<br />
und jetzt, viel radikaler, unter ben<br />
ali. warum erlaubt man mir in der<br />
regel, die stimme zu erheben? warum<br />
akzeptiert man, dass ich auf eine<br />
subversive art sehr kritisch bin? weil<br />
meine arbeit respektiert wird und<br />
weil behauptet wird, dass ich wichtige<br />
sachen auf intelligentere art und<br />
FadheL JaIbI — ICh Lebe In eInem sChIzophrenen Land<br />
weise sage als andere. und weil ich<br />
für die regierung auch eine art vorzeigekünstler<br />
bin, weil meine stücke<br />
auf der ganzen welt zu sehen sind.<br />
wenn man mir in tokio, in seoul, in<br />
berlin oder London die Frage stellt:<br />
„du lebst doch in einer diktatur?“,<br />
dann sage ich: „Ja“. und dann wird<br />
immer gefragt, ob das stück, das gerade<br />
gespielt wurde, in tunesien zensiert<br />
ist, und ich antworte: „nein“.<br />
man versucht, mich zu vereinnahmen<br />
und durch mich die Illusion zu<br />
erzeugen, dass ich in einer demokratie<br />
lebe. aber ich lebe in einem Land<br />
der schizophrenie: man toleriert im<br />
theater und im Kino durch mich und<br />
andere etwas, das im Fernsehen nie<br />
akzeptiert würde. Im Fernsehen bin<br />
ich seit zehn Jahren verboten. weder<br />
meine stücke noch meine Filme<br />
werden im tunesischen Fernsehen<br />
gezeigt. auch meine Interviews sind<br />
nur im arabischen oder westlichen<br />
Fernsehen zu sehen.<br />
Ist Tunesien in dieser Hinsicht besonders<br />
streng im Vergleich zu anderen<br />
nordafrikanischen Ländern?<br />
was die medien angeht, ist tunesien<br />
ein totalitäres Land. In marokko und<br />
algerien gibt es eine freie presse, wie<br />
wir sie in tunesien nicht haben. aber<br />
„man tolerIert Im theater<br />
und Im KIno durch<br />
mIch und andere etWas,<br />
das Im fernsehen nIe<br />
aKzePtIert Würde.“<br />
in tunesien haben wir eine Freiheit<br />
im tonfall, wie du sie weder in marokko<br />
noch in algerien und noch weniger<br />
in Libyen finden wirst. Aber das<br />
ist eine Freiheit, die sich der einzelne,<br />
das Individuum einräumt, und keine,<br />
die vom system vorgegeben wird.<br />
Wir sind immer im Konflikt mit dem<br />
system. meine Frau Jalila baccar und<br />
ich stehen auf einer roten Liste.<br />
Die Schizophrenie, die du für deine eigene<br />
Arbeit beschreibst, also einerseits auf<br />
einer roten Liste zu stehen und gleichzeitig<br />
aber auch ein Aushängeschild der<br />
Kultur zu sein, was bedeutet die für das<br />
40<br />
Land und für die Menschen, die in diesem<br />
Land leben und die nicht in so einer<br />
ausgestellten Situation sind wie du?<br />
mein Glück ist, dass meine arbeiten<br />
im ausland gezeigt werden. alle anderen<br />
werden auf der stelle erstickt.<br />
Leider haben nur wenige den mut,<br />
durch Kunst das zu sagen, was sie<br />
denken. Fast alle meine Freunde, die<br />
wie ich im ausland studiert haben,<br />
in rom, London oder paris, sind dem<br />
staat hörig, um bestimmte positionen<br />
und posten zu bekleiden. sie<br />
machen formales, oberflächliches<br />
oder historisches theater, um nicht<br />
über die realität zu sprechen. viele<br />
bleiben aus angst auch einfach zu<br />
hause.<br />
In den sechziger und siebziger Jahren<br />
hat Tunesien unter dem ersten unabhängigen<br />
Präsidenten Habib Bourguiba<br />
einen enormen Aufschwung erlebt.<br />
Bourguiba hat sich auch sehr um die<br />
Künstler und Intellektuellen des Landes<br />
gekümmert. Inzwischen ist seit fast 25<br />
Jahren Zine el-Abidine Ben Ali Präsident.<br />
Was hat sich verändert von Bourguiba<br />
zu Ben Ali? Und was hat sich für<br />
dich verändert?<br />
was bourguiba für tunesien getan<br />
hat, ist außergewöhnlich und einmalig<br />
im afrikanischen raum. auf der<br />
ebene der bildung, der Gesundheit,<br />
der Freiheit der Frau und der Kultur.<br />
er hat den Kulturdenkmälern, dem<br />
buchwesen, den medien und vor allem<br />
dem theater ein großes budget<br />
zur verfügung gestellt. er hat überall<br />
Kultur- und Jugendzentren eingerichtet.<br />
aber das alles tat er nur um<br />
seiner selbst willen. Für seine eigene<br />
ehre. aber auf der ebene der Freiheiten<br />
war er ein monster, ein düsterer<br />
diktator, schlimmer als Franco,<br />
schlimmer als Ceaus¸escu. wir waren<br />
zu der zeit noch sehr jung. aber<br />
schon damals versuchte man, uns zu<br />
vereinnahmen, weil unsere stücke<br />
von anfang an im maghreb und im<br />
mittleren orient sehr gefragt waren.<br />
die nomenklatura wollte sich unserer<br />
bedienen, um durch junge Künstler<br />
zu glänzen.<br />
Was hat sich unter Ben Ali dann verändert?<br />
Unter Ben Ali gab es eine exponentielle<br />
entwicklung von allem. das
heißt, es gibt immer mehr Leute auf<br />
dem markt, immer mehr Kunstschaffende,<br />
immer mehr techniker,<br />
schauspieler, im theater wie im Film.<br />
er hat das budget für Kunst nochmal<br />
erhöht, so dass jetzt 1,5 prozent des<br />
staatshaushalts für Kunst ausgegeben<br />
wird. das ist für die arabische<br />
welt äußerst ungewöhnlich.<br />
Heißt das, dass sich die Situation unter<br />
Ben Ali verbessert hat?<br />
nein! absolut nicht! auch bei ben<br />
ali wird dieses Geld für seine eigene<br />
ehre und die ehre seines staates<br />
eingesetzt und manchmal gibt es<br />
dann ein paar Krümel für unabhängige<br />
Künstler, wie wir es sind, in der<br />
hoffnung, etwas davon zurückzuerhalten.<br />
aber ben ali ist ein diktator<br />
und die Freiheiten waren noch nie so<br />
eingeschränkt wie jetzt. durch ben<br />
„es Ist verboten, den<br />
PräsIdenten zu KrItIsIeren.<br />
Ihn und seIne famIlIe,<br />
dIe famIlIe seIner<br />
frau, Ihre brüder und<br />
schWestern, dIe mafIa.“<br />
ali sind wir auf der roten Liste und<br />
dürfen nicht im Fernsehen auftreten.<br />
durch ben ali sind wir zensiert,<br />
noch mehr als unter bourguiba.<br />
Was hat diese Diktatur, die du beschreibst,<br />
für einen Charakter? Ist es<br />
eine religiöse Diktatur, wie wir sie aus<br />
anderen arabischen Ländern kennen?<br />
nein, sie ist fast ausschließlich politischer<br />
natur. es ist verboten, den<br />
präsidenten zu kritisieren. Ihn und<br />
seine Familie, die Familie seiner<br />
Frau, ihre brüder und schwestern,<br />
die Mafia. Es ist verrückt. Ich denke,<br />
dass tunesien das Land auf dieser<br />
welt mit den meisten polizisten ist.<br />
wenn du auf der avenue bourguiba<br />
in tunis spazieren gehst, steht alle<br />
zehn meter ein polizist, in uniform<br />
oder zivil. es herrscht die totale paranoia.<br />
sie glauben, dass es alle zehn<br />
meter ein attentat geben könnte. die<br />
theater, die stadien, die moscheen,<br />
die straßen sind voll von polizisten.<br />
wenn ich 500 zuschauer in einem<br />
FadheL JaIbI — ICh Lebe In eInem sChIzophrenen Land<br />
saal habe, sind mindestens 50 von<br />
ihnen polizisten. es ist völlig wahnsinnig.<br />
es geht so weit, dass die tunesier<br />
selber zu polizisten werden. es ist<br />
eine terrorherrschaft. ben ali hat die<br />
Liga der menschenrechte verboten.<br />
er hat alle parteien der opposition<br />
verboten und die zivilgesellschaft<br />
zerstört.<br />
Welche Auswirkungen hat das auf das<br />
Leben der normalen Menschen, die<br />
eben nicht die Möglichkeit haben, sich<br />
künstlerisch auszudrücken?<br />
es gibt mindesten zwei arten von<br />
tunesiern im Land. viele sind wie<br />
du und ich. sie sind die Kinder von<br />
bourguiba und erben des französisch-<br />
und englischsprachigen<br />
raums. Laizisten und republikaner,<br />
die eigentlich bürger der welt sind.<br />
die an Freiheit, demokratie und<br />
menschenrechte glauben. daneben<br />
existiert ein Land, das religiös und<br />
konservativ ist. dieses Land zieht<br />
sich immer mehr auf sich selbst zurück.<br />
seit dem 11. september und<br />
den diskursen, die dieses datum mit<br />
sich gebracht hat, wegen der medien<br />
und des arabischen Fernsehens, wegen<br />
Israel und der probleme in palästina,<br />
aber auch wegen des westens,<br />
der sich immer mehr verschließt,<br />
gibt es Leute, die sich radikalisieren.<br />
Innerhalb einer einzigen Familie gibt<br />
es so den progressiven vater und<br />
den konservativen sohn. es gibt die<br />
progressive tochter und die konservative<br />
mutter. Innerhalb dieser Familien<br />
herrschen ständig Konflikte.<br />
Die gleichen Konflikte findet man<br />
in der schule, auf der straße und<br />
in den büros. und sogar unter der<br />
herrschenden Klasse. Ich habe das<br />
bei meinem stück „Corps otages“<br />
miterlebt. minister und abgeordnete<br />
aus der gleichen und einzigen partei<br />
stritten sich darum, was mit mir zu<br />
tun sei. sollte man mir mein visum<br />
geben oder mich eher ins Gefängnis<br />
stecken? man braucht mich. die, die<br />
nicht für mich sind, sind nicht unbedingt<br />
gegen mich. das ist schizophren.<br />
Was bedeutet es für dich, in Europa, in<br />
Deutschland zu arbeiten?<br />
Ich denke nicht: ich werde zu hause<br />
unterdrückt, also werde ich es aus-<br />
41<br />
nutzen, im westen zu sein, um endlich<br />
zu sagen, was ich denke. was ich<br />
euch jetzt gerade erzähle, könnte ich<br />
genau so gut in tunesien erzählen.<br />
deshalb spreche ich auch nicht gerne<br />
von mut. Ich wurde nie bedroht<br />
oder verhaftet. reporter werden abgewehrt,<br />
wenn ich komme, und Kameras<br />
werden zerstört, und jedes mal<br />
erwarte ich, dass mir etwas angetan<br />
wird. dass man meine Frau angreift<br />
oder meine tochter entführt. aber<br />
nein, nie passiert etwas. aber ich lebe<br />
trotzdem in dieser paranoia. wenn<br />
ich nach europa komme, ist das für<br />
mich erstmal ein menschliches und<br />
künstlerisches aufatmen. aber die<br />
„medea“, die hier entstehen wird,<br />
wäre die gleiche, wie wenn ich alleine<br />
in tunesien beschlossen hätte,<br />
„medea“ zu produzieren.<br />
Wir haben dich eingeladen, in <strong>Bochum</strong><br />
zu inszenieren, auch weil uns<br />
die Konfrontation mit einem fremden<br />
Blick interessiert. Wie schaust du auf<br />
Deutschland und sein eurozentristisches<br />
Weltbild?<br />
erstmal denke ich, dass ich mit all<br />
meinen eigenarten hierher komme.<br />
Ich entwickele ja selbst eine doppelte<br />
Identität: zur hälfte bin ich araber,<br />
also aus einer muslimischen Kultur,<br />
obwohl ich atheist bin. das ist meine<br />
mediterrane, meine afrikanische<br />
Identität. aber ich bin auch, ob ich<br />
will oder nicht, die Kreuzung von 33<br />
„Wenn Ich 500 zuschauer<br />
In eInem saal habe,<br />
sInd mIndestens 50 von<br />
Ihnen PolIzIsten.“<br />
völkern, die tunesien im Laufe der<br />
Geschichte besetzt haben. zusätzlich<br />
habe ich das Glück, dass ich reisen<br />
kann. mein theater und meine Filme<br />
reisen um die welt. Ich arbeite<br />
überall und lerne dadurch auf der<br />
ganzen welt Künstler kennen. wenn<br />
ich ein stück in europa inszeniere,<br />
tue ich das mit den gleichen ansprüchen,<br />
mit denen ich zu hause inszeniere.<br />
als ich vor fast zehn Jahren in<br />
deutschland „araberlin“ inszeniert<br />
habe, gab es deswegen viele ausein-
andersetzungen. mit den schauspielern,<br />
dem dramaturgen, mit einem<br />
bestimmten publikum und mit einer<br />
bestimmten presse. Ich habe gelernt,<br />
dass es überall totalitäres und konservatives<br />
denken und auch Intoleranz<br />
gibt, in jedem Land. warum das<br />
Ganze? weil „araberlin“ sich getraut<br />
„man braucht mIch. dIe,<br />
dIe nIcht für mIch sInd,<br />
sInd nIcht unbedIngt<br />
gegen mIch. das Ist<br />
schIzoPhren.“<br />
hat, den deutschen zu sagen, dass es<br />
ihnen schwer fällt, sich von ihren alten<br />
rassistischen dämonen zu trennen.<br />
wenn ihr nach einem palästinensischen<br />
terroristen fahndet oder<br />
nach jemandem, den ihr dafür haltet,<br />
vergesst ihr, dass ihr mit baader<br />
meinhof das gleiche gekannt habt.<br />
Ihr urteilt über uns, und wir urteilen<br />
auch. versuchen wir also gemeinsam<br />
durch die Kunst uns ein bisschen<br />
besser zuzuhören. es war eine unglaubliche<br />
erfahrung, in der wir die<br />
Komplexität und die Widersprüche<br />
deutschlands entdeckt haben.<br />
Du lebst in Tunis, hast aber noch ein<br />
Haus an der Küste. Denkst du manchmal<br />
daran, dich dorthin zurückzuziehen<br />
und dich nur noch um deine Olivenbäume<br />
zu kümmern?<br />
nein. nach all der arbeit träume ich<br />
davon, mehr als nur ein wochenende<br />
dort zu verbringen. aber nach<br />
einem wochenende muss ich sofort<br />
die arbeit wieder aufnehmen.<br />
Wer kümmert sich dann um die Olivenbäume?<br />
Ich habe einen Gärtner.<br />
Wenn du also über die Zukunft deiner<br />
Tochter nachdenkst, was glaubst du,<br />
wie diese Zukunft aussieht?<br />
dieses schizophrene Land hat auch<br />
aus mir einen schizophrenen gemacht.<br />
Ich weiß heute selber nicht,<br />
was ich meiner tochter sagen soll:<br />
bleib im westen oder komm zurück<br />
nach tunesien. Ich wäre sehr unglücklich,<br />
wenn sie im westen blei-<br />
ben würde. und ich hätte angst um<br />
sie, wenn sie nach tunesien zurückkehren<br />
würde.<br />
aus dem FranzÖsIsChen von aLmut pape<br />
fadhel jaibi<br />
wurde 1945 geboren. Er hat in den<br />
1960er und 70er Jahren an der Sorbonne<br />
und an der Université Internationale<br />
du Théâtre in Paris studiert.<br />
Anschließend ist er wieder in sein Heimatland<br />
Tunesien zurückgekehrt, wo er<br />
seitdem als Regisseur und Filmemacher<br />
arbeitet. In Tunis leitet er seit 1993 die<br />
Theater- und Filmcompagnie „Familia<br />
Productions“ und gilt als einer der<br />
profiliertesten, aber auch streitbarsten<br />
Künstler des Landes. Seine Inszenierungen,<br />
für die er mit seiner Frau, der<br />
Schauspielerin Jalila Baccar, meist auch<br />
die Texte schreibt, entstehen in der Regel<br />
in einer sehr intensiven und langen<br />
Proben- und Improvisationsphase gemeinsam<br />
mit dem Ensemble. Seine Arbeiten<br />
werden im gesamten arabischen<br />
Raum gezeigt, unter anderem in Beirut,<br />
Damaskus und Kairo. Zunehmend<br />
sind seine Arbeiten auch als Gastspiele<br />
in Europa zu sehen, unter anderem in<br />
Holland, Spanien, Portugal und Frankreich.<br />
„Junun“ entstand 2002 mit dem<br />
Festival Avignon, seine Produktion<br />
„Khamsoun“, eine Auseinandersetzung<br />
mit dem modernen Islam, 2006 als Koproduktion<br />
mit dem Theater l’Odeon in<br />
Paris und war anschließend weltweit<br />
auf Festivals zu sehen.<br />
Im April <strong>2010</strong> sollte in Tunis seine<br />
aktuelle Inszenierung Premiere haben,<br />
zum Zeitpunkt des Gesprächs war sie<br />
aber noch nicht von der tunesischen<br />
Zensurkommission freigegeben.<br />
42
43<br />
Medea<br />
in einer Bearbeitung<br />
von Jalila Baccar und Fadhel Jaibi<br />
premiere am 8. oktober <strong>2010</strong> in den Kammerspielen<br />
wenn wir den namen medea hören, denken wir sofort an<br />
die ganz großen Gefühle und ihre tragischen Folgen: an<br />
Kindsmord und eifersucht, an hass und raserei. schon<br />
deswegen gehört ihre Geschichte bis heute zu den bekanntesten<br />
mythen der griechischen antike. aber medea<br />
ist auch die sehr gegenwärtige Geschichte einer doppelten<br />
Fremdheit: einer jungen Frau, die ihre heimat verlässt, weil<br />
sie sich dort, wo sie lebt, fremd fühlt, und statt zu bleiben,<br />
lieber dem mann folgt, den sie liebt: Jason. und die dort,<br />
wo Jason lebt, wieder fremd ist, als barbarin verschrien<br />
und als ungläubige verunglimpft. Kompliziert wird die<br />
Geschichte dadurch, dass auch Jason doppelt fremd ist: In<br />
medeas heimat gilt er als eindringling, als ungläubiger und<br />
als Fanatiker, der gekommen ist, um die Kultur des Landes<br />
zu zerstören und mit dem Goldenen vlies das heiligste zu<br />
rauben. und zu hause ist er ebenfalls fremd, weil er nicht<br />
alleine zurückkommt, sondern medea mitbringt, die andersartige,<br />
die nicht dazu gehört und so sehr auf den bräuchen<br />
und Kulturen ihres Landes beharrt. alles eine Frage<br />
der perspektive also. der tunesische regisseur Fadhel Jaibi<br />
wagt den versuch eines perspektivwechsels und erzählt mit<br />
einem deutschen ensemble und der autorin Jalila baccar<br />
seine überraschend nahe version einer fremden medea.<br />
Regie: Fadhel Jaibi<br />
Bühne: Kaïs Rostom<br />
Kostüme: Gerhard Gollnhofer<br />
Licht: Yvan Labasse<br />
Dramaturgie: Thomas Laue<br />
mit: dunja dogmani, mandana mansouri, marco massafra,<br />
matthias redlhammer, nadja robiné, stephan ullrich
MITTELMEER<br />
BEWOHNER<br />
MITTELMEERBEWOHNER — MuSTApHA CHERIF<br />
papst Benedikt der XVI. lud Mustapha<br />
Cherif 2006 ein zu einem Gespräch<br />
über das Verhältnis der Religionen<br />
in Europa, als der sogenannte „Clash<br />
of Civilizations“ heiß diskutiert wurde.<br />
„Der Clash der Kulturen“ ist<br />
ein Begriff des uS-amerikanischen<br />
politikwissenschaftlers Samuel phillips<br />
Huntington, der einen dauerhaften<br />
Kampf insbesondere von Christentum<br />
und Islam behauptet.<br />
Dem gegenüber erinnert der algerische<br />
philosoph und Soziologe Mustapha<br />
Cherif an die gemeinsamen<br />
Wurzeln von Okzident und Orient.<br />
Westen und Osten, oder anders gesagt,<br />
der Norden und Süden Europas,<br />
haben sich schon immer in einem<br />
engen und fruchtbaren Austausch<br />
entwickelt. Es waren die Kulturen des<br />
Mittelmeerraumes, die von Andalusien<br />
ausgehend bis in den Maghreb<br />
eine erste Idee von Europa formulierten.<br />
Er ruft auf zu einem Dialog,<br />
der sich erinnert und auf die Suche<br />
begibt nach einer Kultur Europas, die<br />
noch fehlt.<br />
44<br />
TEXT: MuSTApHA CHERIF<br />
Dialog der Kulturen, diese Worte sind so abgenutzt, dass<br />
ihr Gebrauch suspekt erscheint. Bezeichnen sie nicht in<br />
einem Kontext, in dem Zynismus, Grausamkeit, Arroganz<br />
und Doppelzüngigkeit banalisiert werden, den Versuch,<br />
die Hegemonie zu rechtfertigen, deren Gesetz in<br />
der zunehmenden Konzentration des Reichtums und der<br />
Entscheidungsinstrumente besteht? Aber der, der sich als<br />
Mittelmeerbewohner und Erbe des andalusischen Geistes<br />
versteht, kennt den wahren Wert dieses Begriffes, der die<br />
Begegnung der Kulturen, die sich dennoch nicht vereinen,<br />
meint. Heute sind die zwei Welten durchdrungen und verflochten.<br />
Goethe, Hegel und Hölderlin, genau wie Averroès,<br />
Rumi und Ibn Arabi, sie alle wussten, dass der Islam<br />
Teil des Okzidents ist.<br />
Ein Dialog ist immEr auch Ein<br />
Dialog mit sich sElbst.<br />
Es braucht immEr DEn anDErEn, um<br />
DEn EigEnEn horizont zu öffnEn.<br />
So haben sich einstmals die Kulturen und Völker des Orients<br />
und des Okzidents gemischt. Warum sind wir heute<br />
nicht in der Lage, uns unsere Völker als einen Schmelztiegel<br />
vorzustellen, der eine Kultur, noch unbekannt und unvorhersehbar,<br />
hervorbringt? Die Globalisierung birgt die<br />
Chance, Raum für eine gemeinsame Sinngebung zu schaffen.<br />
Ich habe mich dieser Überzeugung verschrieben und<br />
daran glaube ich. Im Angesicht der Hegemonialstrategie<br />
und des Wiedererstarkens fremdenfeindlicher Strömungen<br />
sind Dialog, Annäherung und Öffnung der Kulturen umso<br />
wichtiger. Der Ausweg aus der moralischen Krise führt über<br />
den Dialog. Man spricht nicht miteinander, um dem anderen<br />
sein Gesetz aufzuzwingen. Ein Dialog ist nicht nur<br />
eine Begegnung von Fremden oder Gegnern. Ein Dialog ist<br />
immer auch ein Dialog mit sich selbst. Wir brauchen den<br />
anderen, um den eigenen Horizont zu öffnen.<br />
„DiE WahrhEit DEs glaubEns kann<br />
niEmals im WiDErspruch sEin zur<br />
WahrhEit DEr VErnunft.“<br />
Seit 1993 und schon vor den Attentaten des 11. Septembers<br />
waren die Theorien über den Clash der Kulturen zwischen<br />
der muslimischen Welt und dem Westen Ausdruck der Erfindung<br />
eines neuen Feindes. Sie wurden 1989 nach dem<br />
Fall der Berliner Mauer zur offiziellen Theorie. Die Islamfeindlichkeit<br />
ist eine Täuschung, die schon vor dem Terrorismus<br />
der Schwachen bestand. Das Konzept der „Kultur“
verbirgt die Widersprüche des vorherrschenden Systems<br />
und reduziert die Spannungen auf kulturelle Fragen. Die<br />
Islamfeindlichkeit im Norden und die entsprechenden<br />
Strömungen im Süden stellen angesichts jahrhundertelanger<br />
fruchtbarer Beziehungen verkürzte Sichtweisen<br />
dar. Sie verleugnen die Verbindungen zwischen dem „Griechen“<br />
und dem „Araber“, zwischen dem „Juden“ und dem<br />
„Araber“, zwischen dem „Römer“ und dem „Araber“. Werturteile<br />
werden gebildet, die die Vielfalt negieren und imaginäre<br />
Gegensätze schaffen: Jesus und Mohammed, Orient<br />
und Okzident, Islam und Christentum, Barbaren und<br />
Zivilisierte, rationaler Westen und emotionale Araber.<br />
Der Okzident wurde sowohl jüdisch-islamisch-christlich<br />
als auch griechisch-arabisch geprägt. Der Monotheismus<br />
und der gemeinsame Raum des Mittelmeeres sind<br />
unsere gemeinsamen ursprünge. Man kann den Humanismus,<br />
das heißt die Frage „Was ist der Mensch?“, ohne<br />
den Dialog mit anderen Kulturen nicht verstehen. „Der<br />
Humanismus denkt nicht hoch genug über die ,humanitas’<br />
des Menschen“, so Martin Heidegger. Die Kultur des<br />
Humanismus ist nicht sichtbar. Es geht nicht darum, auf<br />
das Religiöse als eine Lösung zurückzugreifen, sondern<br />
drei punkte zu sehen:<br />
1. Der andere trägt dazu bei, zu verstehen, was „Menschsein“<br />
bedeutet,<br />
2. sich einem gemeinsamen Horizont zu öffnen hat wenig<br />
zu tun mit den Gefahren, denen geschlossene Systeme<br />
Freiheit und Menschenwürde aussetzen und<br />
3. ein Zusammenleben ist möglich.<br />
Wie es Averroès ausdrückt: „Die Wahrheit des Glaubens<br />
kann niemals im Widerspruch sein zur Wahrheit der Vernunft.“<br />
Es dominiert die Täuschung eines Clashs der Kulturen<br />
und sie nährt sich aus der Hegemonie des Nordens und<br />
den subjektiven Reaktionen des Südens. politiker, Intellektuelle<br />
und die Medien drängen dem Norden eine negative<br />
Debatte auf über den Islam, den propheten und die muslimischen<br />
Bürger in den Städten Europas und dem Süden<br />
drängen sie eine Debatte über den Okzident auf. Doch die<br />
zentrale Stellung des Mittelmeerraumes erfordert, dass<br />
man sich nicht nur auf technische projekte beschränkt.<br />
Ohne die politische und kulturelle Dimension ist die partnerschaft<br />
um wesentliche Teile verkürzt.<br />
Europa: hEimgEsucht Vom<br />
gEspEnst DEr rEligion<br />
Der Westen wurde im Grunde seit mehr als zweitausend<br />
Jahren von kulturellen umbrüchen geprägt. Es lohnt, sich<br />
die Säkularisierung, die als prozess von Europa monopolisiert<br />
wurde, zu hinterfragen. Religiösen Dogmatismus<br />
durch den Dogmatismus des Laizismus zu ersetzen, ist keine<br />
Lösung. Es setzen zwar nicht alle Europäer den Islam<br />
mit Fanatismus gleich, aber in weit verbreitetem unwissen<br />
betrachtet man den „Moslem“ als einen Gläubigen, der<br />
sich dem modernen Wertesystem verschließt. Moslems<br />
MITTELMEERBEWOHNER — MuSTApHA CHERIF<br />
Fragen zu stellen, ist legitim. Wir akzeptieren Kritik bezüglich<br />
problematischer Verhaltensweisen, aber keine Verallgemeinerungen.<br />
Das Licht der Aufklärung, das instrumentalisiert wurde,<br />
erleuchtete nicht alle Menschen. Wenn Fragen wie „Wie<br />
lernt man zu leben?“, „Was ist der Mensch?“, „Welchen<br />
Sinn dem Leben geben?“ gestellt werden, verweigert man<br />
uns das Recht, Formen der modernen Kultur zu kritisieren.<br />
Die Europäer fragen nach dem Zustand der muslimischen<br />
Welt: Es gibt Debatten über Reformen, pluralismus und<br />
gute politische Führung. Es ist nicht islamfeindlich, diese<br />
Fragen zu stellen. Aber im Gegensatz zu dem, was Nicht-<br />
Moslems denken könnten, existiert eine Islamfeindlichkeit,<br />
in der es der Moslem ist, der, wie vormals der Jude,<br />
verurteilt wird. Heimgesucht vom Gespenst der Religion<br />
wird Europa von zwei Bewegungen bestimmt: von dem Bemühen,<br />
Integration zu fördern und von einer verkrampften<br />
Haltung gegenüber den muslimischen Mitbürgern, die<br />
ihre Religion überwiegend friedlich ausüben.<br />
Das licht DEr aufklärung<br />
ErlEuchtEtE nicht allE mEnschEn<br />
Es stimmt nicht, dass der gesamte Westen „muslimisch“<br />
mit „fanatisch“ gleichsetzt, aber die propagandisten, um<br />
ihre Defizite und ihre Schande zu verbergen, lassen uns<br />
glauben, dass der Islam eine Quelle der Gewalt sei. Diese<br />
propagandisten „machen“ den Terror und die „Terroristen“<br />
und manipulieren sie, um Angst zu erzeugen und um die<br />
Besetzung und Vormachtstellung zu rechtfertigen. Chaos,<br />
ungerechtigkeit und eine politik wie in palästina, die mit<br />
zweierlei Maß misst, widersprechen den prinzipien, die der<br />
Norden selbst predigt. Im Kontext der brutalen präsenz<br />
fremder Soldaten auf islamischem Boden – 20 Mal zahlreicher<br />
als während der Kreuzzüge, wobei auf einen getöteten<br />
westlichen Soldaten oder einen getöteten Israeli 100 getötete<br />
Moslems kommen, die überwiegend Zivilisten sind –<br />
stellt sich eine Frage: Wie lange noch werden ungerechtigkeit<br />
und Aggression andauern, die im Süden Verzweiflung,<br />
Extremismus und eine Kultur der Wut hervorbringen und<br />
Angst im Norden erzeugen? Anstatt von Zusammenprall<br />
und Teilung zu sprechen, wäre es dringend an der Zeit, gemeinsam<br />
über die ursachen nachzudenken.<br />
Das unverständnis dominiert und die öffentliche Meinung<br />
erschöpft sich darin, nur noch die Gewalt des anderen<br />
zu sehen, obwohl sie nichts weiß über ihre Gründe.<br />
Natürlich nimmt die ganze Welt wahr, zu welchem Extremismus<br />
die fanatische Ausprägung bestimmter „Anhänger“<br />
einer großen Religion wie des Islam führen kann.<br />
Dabei handelt es sich aber um Archaismen. Der Missbrauch<br />
des Namens des Islam ist unentschuldbar und „der<br />
Moslem ist manchmal eine Manifestation gegen seine Religion“,<br />
wie es vor einem Jahrhundert Emir Abdelkader El<br />
Djazairi formulierte. Aber dies ist, wie es Hannah Arendt<br />
unterstrich, oft das Ergebnis von provokationen und ungerechtigkeit:<br />
„In totalitären Regimen wird die provokati-<br />
45
on […] eine Art und Weise, sich gegenüber seinem Nachbarn<br />
zu verhalten; eine Methode, der jeder, trotz guten<br />
Willens, folgen muss.“ Auch wenn die Vorurteile fünfzehn<br />
Jahrhunderte zurückreichen, es ist die Islamfeindlichkeit,<br />
die seit Ende des Kalten Krieges die blinden Reaktionen der<br />
muslimischen Welt ausnutzt und verstärkt.<br />
Die Strategie hinter dem Clash der Kulturen betreibt<br />
Desinformation und erzeugt die Vorstellung, dass Widerstand<br />
gegen Hegemonie und Besatzung einen Akt unzulässiger<br />
Gewalt darstellt. Doch der Einsatz von Gewalt wurzelt<br />
vielmehr in den Bedingungen, die seinen Gebrauch<br />
gestatten – oder untersagen. Im Islam kann die Frage des<br />
Widerstands, wie es der Hl. Augustinus für den Begriff des<br />
gerechten Krieges ausdrückt, nicht außerhalb seines Kontextes<br />
gedacht werden. So kann der Rückgriff auf „Gewalt“<br />
nur erfolgen, wenn der Frieden, das Überleben oder die<br />
Würde beeinträchtigt werden. Dank des Monotheismus<br />
war die Humanisierung der menschlichen Beziehungen<br />
möglich. Die Freiheit hat der Gläubige im 18. Jahrhundert<br />
nicht gefunden, doch die Werte Abrahams sind eine der<br />
Quellen des Humanismus. Das, was probleme bereitet, sind<br />
die Repräsentation der modernen Welt und die Instrumentalisierung<br />
der Religion.<br />
nicht Das EnDE DEr WElt,<br />
abEr Das EnDE EinEr WElt<br />
MITTELMEERBEWOHNER — MuSTApHA CHERIF<br />
Trotz der Emanzipation gegenüber religiösen Autoritäten<br />
und der logischen Trennung zwischen kirchlicher und<br />
staatlicher Autorität wie auch der öffentlichen und privaten<br />
Sphäre erleben wir einen Rückzug des Rechts, die Verdrängung<br />
der prinzipien Abrahams von Gastfreundschaft<br />
und Dialog sowie den Zusammenbruch der Gerechtigkeit.<br />
Das Risiko besteht in der Neutralisierung der beiden Dimensionen<br />
des Menschen: das politische (die Demokratie)<br />
und das Religiöse (die Ethik). Nichts ist politisch, nichts ist<br />
religiös, so sagt man, um dem Nihilismus und der parole<br />
„alles ist Ware“ Raum zu lassen. Diese Sichtweise erzwingt<br />
einen Dialog der Tauben mit katastrophalen Folgen.<br />
Die Sinnfrage hat für die meisten keine Verbindung<br />
mehr zur Religion. Das ist nicht das Ende der Welt, aber<br />
das Ende einer Welt. Das müssen wir verstehen, um etwas<br />
anderes zu finden, das sich der Begrenzung entzieht. Im<br />
Bereich des Wissens besteht der besorgniserregende Aspekt<br />
darin, dass die Möglichkeit des Denkens und des Andersdenkens<br />
in Frage gestellt wird. Das moderne Denken<br />
bevorzugt die Mathematik und ihre Anwendungen auf den<br />
Markt. Zwei paradoxe Sichtweisen der modernen Kultur<br />
besagen, dass die Religion entweder trösten soll, ohne sich<br />
in das Weltgeschehen einzumischen, oder sie ist Entfremdung.<br />
Im Bereich der politik wird die Gesellschaft als ein<br />
produktivkörper wahrgenommen, unterworfen den Interessen<br />
der Kapitaleigner. Diese Entpolitisierung stellt die<br />
Möglichkeit in Frage, ein Volk zu sein, das im Namen der<br />
Freiheit darüber entscheiden kann, einen Gesellschaftsentwurf<br />
nach erfolgter Debatte Realität werden zu lassen.<br />
46<br />
Trotz der Legitimität der Institutionen und des freien<br />
Marktes ist die öffentliche und gemeinsame Suche nach<br />
dem Gerechten, dem Schönen und dem Wahren rund<br />
um das Mittelmeer mit Hypotheken belastet. Diese Sackgassen,<br />
die sich globalisieren und von der politik der zwei<br />
Maße gegenüber den eher passiven Moslems noch vergrößert<br />
werden, macht die Idee des Clashs der Kulturen hinfällig<br />
und die Notwendigkeit einer neuen Kultur, die ein<br />
Zusammenleben ermöglicht, dringend.<br />
notWEnDigkEit EinEr nEuEn kultur<br />
Der Dialog hat drei Ziele: Das erste Ziel ist die wechselseitige<br />
Erkenntnis, verbunden mit der Notwendigkeit, den<br />
anderen und sich selbst zu erkennen. Das zweite Ziel ist<br />
die gemeinsame Suche nach dem Schönen, dem Guten<br />
und dem Wahren, um einen gemeinsamen Begriff und<br />
universelle Normen zu finden. Das dritte Ziel des Dialogs<br />
ist die Tat. Das Ziel ist die Vermehrung guter und gerechter<br />
Handlungen. Wechselseitige Erkenntnis, eine gemeinsame<br />
Sprache und Begriffe sowie Gerechtigkeit sind die drei Ziele<br />
des Dialogs zwischen Orient und Okzident.<br />
Was die muslimische Welt verstehen muss, ist, dass<br />
die Stärke der europäischen Kultur, trotz ihrer probleme,<br />
in der Entschlossenheit besteht, mit der sich die Vernunft<br />
ihren eigenen Grenzen stellt.<br />
Was der Okzident verstehen muss: der Islamismus ist<br />
ein Anti-Islam. Der Moslem jedoch hat immer schon<br />
teilgenommen und kann immer noch teilnehmen an der<br />
Suche nach einer Kultur, die noch fehlt.<br />
mustapha chErif IST pHILOSOpH, pROFESSOR FÜR INTERNATIONALE BE-<br />
ZIEHuNGEN AN DER uNIVERSITé D’ALGER uND, NEBEN VIELEN ANDEREN<br />
puBLIKATIONEN, AuTOR VON „DER ISLAM uND DER WESTEN – BEGEG-<br />
NuNG MIT JACQuES DERRIDA“, WILHELM FINK VERLAG MÜNCHEN 2009.<br />
AuS DEM FRANZÖSISCHEN VON EVA NACKE
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WDR3_AZ_Schausphaus<strong>Bochum</strong>_A4.ind1 1 25.03.<strong>2010</strong> 15:45:44 Uhr<br />
WDR 3 Anzeige <strong>Schauspielhaus</strong> <strong>Bochum</strong>, Jahresprogramm · DIN A4, Beschnitt · 4c · 24. März <strong>2010</strong>
Dries VerhoeVen — nachricht Vom anDeren enDe Der Welt<br />
48<br />
Foto: Zhang huan
hallo <strong>Bochum</strong>,<br />
24. märz <strong>2010</strong><br />
hier kommt eine nachricht vom anderen ende der Welt:<br />
gerade arbeite ich an der Produktion „life streaming“, die wir im oktober an<br />
ihrem theater zeigen werden. ich habe eben mal im internet nachgesehen und<br />
herausgefunden, dass <strong>Bochum</strong> 8212 km von dem ort entfernt ist, an dem ich<br />
im augenblick bin.<br />
in den letzten Jahren habe ich Produktionen entwickelt, die die Distanz definiert<br />
haben, die wir zueinander haben; also die tatsächliche und die emotionale<br />
Distanz, die wir für Menschen empfinden, denen wir zufällig begegnen<br />
– im supermarkt, in der nachbarschaft, in dem haus, in dem wir leben. in „You<br />
are here“ habe ich ein hotel gebaut, das ein model für unsere gesellschaft sein<br />
sollte, in der wir nur 80 cm von unseren nachbarn entfernt schlafen, ohne sie<br />
eigentlich zu kennen. in „life streaming“ werde ich das gegenteil machen. ich<br />
versuche, die Distanz zu den menschen zu bestimmen, die wirklich ganz woanders<br />
leben, denen wir aber über das internet oder die medien zu jeder beliebigen<br />
tagesszeit in unseren Wohnzimmern begegnen können. ich arbeite mit einer<br />
gruppe von zwanzig Darstellern. Die eigentliche Vorstellung wird in einem internet-Café<br />
stattfinden, das wir auf dem Platz vor dem <strong>Schauspielhaus</strong> aufbauen<br />
werden. Jeder Zuschauer wird mit einem Darsteller in direkten Kontakt treten,<br />
der hier am strand sein wird.<br />
ich habe mich entschieden, nicht zu sagen, wo ich genau bin. Der ort liegt<br />
von <strong>Bochum</strong> etwa soweit entfernt wie miami, ist aber auf einem anderen Kontinent.<br />
ich arbeite in einem land, in dem es keine schauspielschule gibt. Die<br />
Vorstellungen, die ich hier bisher gesehen habe, würden wir europäer als Folklore<br />
beschreiben. es ist ein tourismusland, aber in der hauptstadt sind überall<br />
checkpoints des militärs. Die surfer am strand wurden gestern von einem Boot<br />
der marine bewacht. Vor noch nicht all zu langer Zeit waren Bilder einer Katastrophe<br />
aus diesem land auf der ganze Welt zu sehen. es scheint, als würden tourismus<br />
und tod manchmal hand in hand gehen: ich wohne gerade in einem<br />
der beliebtesten städtchen am meer und doch geben sich die leute hier keine<br />
mühe, die vielen gräber vor den touristen zu verstecken. aber wenn man es<br />
nicht selber gesehen hat, versteht man wahrscheinlich nicht, wie friedlich und<br />
schön es hier ist.<br />
Wie und ob ich all diese Eindrücke in die Produktion einfließen lasse, weiß<br />
ich noch nicht. Bis jetzt kann ich nur sagen, dass all dies sehr inspirierend und<br />
verwirrend ist. ich frage mich, wie wir europäer mit tod und Verlust umgehen,<br />
bei der Überdosis von Bildern, mit denen wir täglich in den acht-uhr-nachrichten<br />
konfrontiert werden. und ich frage mich, ob die menschen hier emotional<br />
anders beschaffen sind und uns das die erbärmlichen Bilder, die wir in europa<br />
empfangen, gar nicht vermitteln. schaffen medien wie das internet wirklich<br />
einfachere Verbindungen zwischen den menschen oder sorgt eine höhere Bandbreite<br />
der Datenströme für eine größere Unfähigkeit, wirklich miteinander in<br />
Kontakt zu treten?<br />
Es grüßt herzlich von einem windigen Ort<br />
Dries Verhoeven<br />
aus Dem englischen Von olaF KröcK<br />
49<br />
LIFE STREAMING<br />
Is it really possible to connect to people<br />
at the other side of the world?<br />
Eine Weltverbindung von Dries Verhoeven<br />
Premiere am 1. oktober <strong>2010</strong><br />
auf dem Platz vor dem schauspielhaus<br />
Dries Verhoeven zählt zu den interessantesten jungen europäischen<br />
Künstlern. seine arbeiten bewegen sich zwischen<br />
Dokumentar-theater und bildender Kunst. Der<br />
1973 geborene niederländer entwirft seit 2002 eigene installationen<br />
und experimentelle inszenierungen, die auf<br />
diversen Festivals gezeigt wurden. Sie finden oft im öffentlichen<br />
raum statt. in seinen aufwendigen Produktionen<br />
bekommt der Zuschauer immer eine aktive rolle und wird<br />
in das geschehen verwickelt. und man lässt es erstaunlicherweise<br />
gerne mit sich machen. Verhoeven spielt mit<br />
unserer Wahrnehmung, manipuliert die Besucher seiner<br />
installationen emotional. er kommt uns nahe, balanciert<br />
an der grenze, wo es zu nah werden kann. Dabei ist er aber<br />
nie aggressiv überrumpelnd, immer lässt er raum für den<br />
rückzug. so erlebt man in seinen inszenierungen die Welt<br />
auf eine neue, verwirrende und poetische Weise. 2009<br />
erhielt er für seine hotel-installation „You are here“ den<br />
„Young Directors award“ der salzburger Festspiele. Jetzt<br />
zeigt er seine neue Produktion in Koproduktion mit dem<br />
schauspielhaus <strong>Bochum</strong>, in der sich die Zuschauer live mit<br />
dem anderen ende der Welt verbinden und mit fremden<br />
menschen in direkten Kontakt treten.<br />
Konzept und Regie: Dries Verhoeven<br />
30. September (Voraufführung); 1. (Premiere) bis 3. Oktober<br />
und 7. bis 10. oktober <strong>2010</strong> jeweils um 10.00 uhr,<br />
12.00 uhr und 13.45 uhr für je 20 Personen auf dem Platz<br />
vor dem schauspielhaus.<br />
aufgrund der Zeitverschiebung zum anderen ende der Welt<br />
finden die Vorstellungen am Vormittag statt.<br />
Die Vorstellungen sind in englischer sprache.<br />
Eine Produktion von Dries Verhoeven in Koproduktion mit<br />
dem <strong>Schauspielhaus</strong> <strong>Bochum</strong>, dem Festival a/d Werf (Utrecht)<br />
und LIFT (London)<br />
Mit Unterstützung durch den Fonds Podiumkunsten, Prince<br />
Bernhard Cultural Fund, Hivos-NCDO Cultural Fund, BKVB<br />
and SNS Reaal Fund, VSBfonds und dem Theaterinstitut der<br />
Niederlande im Rahmen von NL-RUHR.<strong>2010</strong>
&OttO Schily — Schuld & VerantwOrtung<br />
Verantwortung<br />
Ein GEspräch übEr politik,<br />
rEcht und EntschEidunGsstärkE mit otto schily<br />
51<br />
Schuld
Er wurdE in bochum GEborEn<br />
und ist sEit übEr viErziG JahrEn<br />
politisch aktiv. Er war<br />
anwalt von Gudrun Ensslin<br />
und GründunGsmitGliEd dEr<br />
GrünEn, spätEr sass Er für diE<br />
spd als bundEsinnEnministEr<br />
auf dEr rEGiErunGsbank. wEr,<br />
wEnn nicht otto schily, soll<br />
dEnn bEschEid wissEn übEr diE<br />
vErstrickunGEn von macht<br />
und vErantwortunG, von EntschEidunGsnot<br />
und schuld?<br />
interView: thOmaS laue und Sabine reich<br />
FOtOS: harry weber<br />
Herr Schily, woher nehmen Sie Ihre<br />
Überzeugungen? Wie kommen Sie dahin,<br />
zu sagen: „Das, was ich tue, ist<br />
richtig.“?<br />
indem ich das Für und wider abwäge.<br />
in der Politik gibt es eine einfache<br />
grundregel für entscheidungen:<br />
„was kann ich durch einen bestimmten<br />
Schritt gewinnen, und was<br />
kann ich verlieren?“ das ist eine abwägung,<br />
die ich immer vornehmen<br />
muss. Sie unterscheidet sich von<br />
der Frage „Kann ich die entscheidung<br />
verantworten, oder kann ich<br />
sie nicht verantworten?“ auch diese<br />
Frage muss ich mir stellen. da kommen<br />
Sie in der Politik nicht selten in<br />
sehr belastende entscheidungssituationen.<br />
Können Sie eine solche Entscheidung<br />
benennen?<br />
als ich ganz neu im amt als innenminister<br />
war, hatten wir es mit einem<br />
erpressungsversuch zu lasten<br />
der bahn zu tun ... da wollte jemand<br />
von der bahn viel geld. dann brachte<br />
er – oder die, die da am werke<br />
waren – einen güterzug zum entgleisen.<br />
Man merkte, das sind Profis,<br />
die verstehen ihr handwerk. und<br />
dann fingen die Erpresser an, sich an<br />
eine ice-Strecke heranzumachen.<br />
OttO Schily — Schuld & VerantwOrtung<br />
die Vorstellung, ein ice-Zug könnte<br />
durch das verbrecherische treiben<br />
der erpresser verunglücken, hat mir<br />
seinerzeit schlaflose Nächte bereitet.<br />
es ist ja nicht einfach, hunderte von<br />
Kilometern der eisenbahnstrecke<br />
zu überwachen. um der erpresser<br />
habhaft zu werden, habe ich mich<br />
seinerzeit entschlossen, Kräfte der<br />
bundespolizei von der grenze abzuziehen.<br />
das war nicht ungefährlich,<br />
aber in der risikoabwägung war es<br />
sicherlich die richtige entscheidung.<br />
dank der ausgezeichneten arbeit der<br />
bundespolizei und des bundeskriminalamtes<br />
konnten wir schließlich<br />
den erpresser – es stellte sich heraus,<br />
dass es ein einzeltäter war – hinter<br />
Schloss und riegel bringen.<br />
eine weitaus schwierigere entscheidung<br />
war die beteiligung deutschlands<br />
am Kosovokrieg. wir kamen<br />
1998 in die regierung und wurden<br />
bereits in den ersten monaten mit<br />
dieser Frage konfrontiert. die entscheidung<br />
über den einsatz im Kosovo<br />
ist mir ungeheuer schwer gefallen.<br />
Sie begleitet mich bis heute und wird<br />
mich bis an mein lebensende begleiten.<br />
merkwürdigerweise ist mir in<br />
erinnerung geblieben, dass durch einen<br />
bombenabwurf auf ein Fernsehgebäude<br />
in belgrad eine Friseuse zu<br />
tode kam. Sie hatte mit dem ganzen<br />
nichts zu tun, hatte mit milošević<br />
nichts zu tun, und sie verlor ihr junges<br />
leben. es sind viele andere umgekommen.<br />
wir bemänteln diese Opfer<br />
als so genannte Kollateralschäden<br />
52<br />
militärischer Operationen. entscheidungen,<br />
die wir in der Politik zu treffen<br />
haben, die lasten schwer auf uns.<br />
weil wir damit Konsequenzen in unsere<br />
Verantwortung aufnehmen, die<br />
mitunter grauenvoll sind.<br />
Stellt sich dann die Frage nach Schuld?<br />
das ist das thema der griechischen<br />
dramen: die unausweichlichkeit<br />
der Schuld. ganz egal, wie Sie handeln,<br />
Sie werden stets schuldig.<br />
Ist es ein Kern von Politik, dass man bereit<br />
ist Schuld auf sich zu laden?<br />
ich würde es eher Verantwortung<br />
nennen. wie gesagt, ich muss mich<br />
entscheiden: will ich die Konsequenzen<br />
verantworten, auch die<br />
negativen Konsequenzen? Vielleicht<br />
kann ich das mit einem medizinischen<br />
Vergleich erläutern. auch bei<br />
einer erkrankung müssen wir eine<br />
entscheidung treffen. anhand einer<br />
gründlichen anamnese gelangt<br />
der arzt im idealfall zu einer klaren<br />
diagnose der Krankheitsursache.<br />
dann müssen sich arzt und Patient<br />
für eine therapie entscheiden. meist<br />
ist es ratsam, zunächst die mildeste<br />
therapie zu wählen, vielleicht durch<br />
Verabreichung homöopathischer<br />
medikamente. ist der Krankheitsprozess<br />
schon weiter fortgeschritten,<br />
helfen möglicherweise nur noch<br />
allopathische Pharmazeutika und<br />
im schlimmsten Fall ist ein chirurgischer<br />
eingriff notwendig. in allen<br />
Fällen müssen Sie aufgrund einer lagebeurteilung<br />
risiken abwägen und<br />
danach ihre entscheidungen treffen.<br />
So ist es auch in der Politik. leider<br />
lässt sich auch in der Politik manchmal<br />
die chirurgie nicht vermeiden.<br />
Das beschreibt eine Position, von der<br />
aus man von außen auf Dinge schaut,<br />
beobachtet, analysiert und dann eingreift<br />
und handelt. Aber das Tragische<br />
in der Tragödie wie in der Politik ist ja,<br />
dass die Menschen nicht außen stehen,<br />
sondern dass die Personen, die handeln,<br />
immer Teil einer Geschichte sind und<br />
deshalb niemals einen distanzierten<br />
Blick haben.<br />
Ja, gut beobachtet. da haben Sie<br />
schon recht. Sie befinden sich<br />
manchmal in einem geschehen,<br />
in dem Sie selber nur noch weni-
ge möglichkeiten haben. ich kann<br />
ein ereignis wie den 11. September<br />
nicht mehr rückgängig machen. ich<br />
bin also vor eine Situation gestellt,<br />
aus der heraus ich handeln muss.<br />
natürlich hätte ich lieber den 11.<br />
September vermieden und die Folgerungen,<br />
die sich daraus ergaben. das<br />
wird übrigens sehr eindrucksvoll von<br />
leo tolstoi in den historischen Zwischenbetrachtungen<br />
seines großen<br />
romans „Krieg und Frieden“ dargestellt.<br />
er beschreibt dort, dass nicht<br />
nur das individuum entscheidet,<br />
sondern dass sich aus einer Vielzahl<br />
von wirkungen ein geschehen entwickelt<br />
und der einzelne mit seinen<br />
individuellen entscheidungen darin<br />
verwoben ist und seinem Schicksal<br />
gewissermaßen nicht entfliehen<br />
kann. Früher hieß es: „männer machen<br />
geschichte“. Vielleicht macht<br />
eher die geschichte die Personen.<br />
Sie beziehen sich auf reale Ereignisse,<br />
die nicht planbar sind, die aber plötzlich<br />
in das Leben treten, nicht nur eines<br />
Politikers, sondern auch einer Gesellschaft.<br />
Hat Realität Sie in Ihren Überzeugungen<br />
verändert?<br />
Jede neue erfahrung eröffnet neue<br />
einsichten. unser leben ist deshalb<br />
ein ständiger lernprozess. ich nehme<br />
für mich in anspruch, dass ich<br />
selbst im fortgeschrittenen alter<br />
noch die augen und Ohren offen<br />
halte. Vielleicht würde ich in der<br />
rückschau manches anders beurteilen<br />
und mich anders verhalten. aber<br />
Sie können ja manche Sachen nicht<br />
vorher wissen. da sind wir genau<br />
bei dem Punkt: Sie werden vor eine<br />
bestimmte Situation gestellt und Sie<br />
müssen rasch entscheiden. wie der<br />
berühmte Pilot, donald Sullivan, der<br />
auf dem hudson notgelandet ist, ein<br />
bewundernswerter mann. er kommt<br />
in eine äußerst bedrohliche lage, es<br />
geht um leben oder tod und er muss<br />
in Sekunden entscheiden. er war gut<br />
trainiert, auch kaltblütig und wusste<br />
mit der maschine umzugehen. und<br />
er war entscheidungsstark. das ist<br />
auch in der Politik wichtig. was übrigens<br />
gerhard Schröder auszeichnet.<br />
das ist ein mann mit außergewöhnlicher<br />
entschiedenheit und willensstärke.<br />
OttO Schily — Schuld & VerantwOrtung<br />
Heißt das, dass es manchmal wichtiger<br />
ist, eine schnelle Entscheidung zu treffen<br />
als gar keine Entscheidung?<br />
gelegentlich ja.<br />
Auch wenn diese Entscheidung möglicherweise<br />
falsch ist?<br />
auch wenn sie mit einem risiko behaftet<br />
ist, ja.<br />
Dann ist Politik in jedem Fall mit Intuition<br />
verbunden, weil man in so einem<br />
kurzen Moment nicht mit der Vernunft<br />
entscheiden kann.<br />
mit intuition, ja. man muss die Situation<br />
erkennen. Sie müssen in<br />
der lage sein, mehrere Sachverhalte<br />
gleichzeitig zu erfassen. wenn Sie es<br />
sehr intellektuell angehen, dann wie<br />
ein Schachspieler, der mindestens<br />
drei Züge im Voraus berechnen kann.<br />
Schach ist bekanntlich ein intuitives<br />
Spiel. deshalb verdirbt uns zum bei-<br />
spiel der computer das Schachspiel,<br />
weil Sie da nur ein flächiges Bild haben.<br />
immer, wenn ich mit dem computer<br />
Schach gespielt habe, habe ich<br />
mein Schachtalent verschlechtert.<br />
Schach ist ein räumliches Spiel und<br />
Sie müssen es räumlich erfassen können.<br />
Sie müssen die intuition haben<br />
und fragen: „wie kann sich das entwickeln?“<br />
auf die Politik übertragen<br />
bedeutet das: Sie brauchen einfach<br />
die Fähigkeit, verschiedene Faktoren<br />
und Koordinaten so wahrzunehmen,<br />
dass Sie daraus eine Orientierung gewinnen.<br />
53<br />
Danach scheint Politik etwas Intuitives,<br />
Schnelles zu sein, auch etwas Dynamisches,<br />
was aus bestimmten Situationen<br />
heraus agiert. Wohingegen doch<br />
Recht etwas Statisches sein muss, das<br />
sich von den Dingen abstrahiert.<br />
ich könnte sagen, das recht kommt<br />
immer a posteriori und die Politik<br />
kommt a priori. das heißt, die Politik<br />
ist vorausschauend, das recht<br />
beurteilt das geschehen aus der retrospektive.<br />
– na ja, eigentlich ist das<br />
nicht ganz korrekt, die rechtsnorm<br />
soll ja gewissermaßen auch eine<br />
handlungsanleitung sein.<br />
Gibt es Zwänge, in denen Sie in Ihrer<br />
Position als Innenminister waren, wo<br />
Sie aus politischen Überlegungen anders<br />
handeln mussten, als Sie als Jurist<br />
und Anwalt gehandelt hätten?<br />
cicero hat von sich gesagt, er habe<br />
unterschiedliche aufgaben innerhalb<br />
staatlicher institutionen und<br />
früher als anwalt wahrgenommen,<br />
und man dürfe nicht Äpfel mit birnen<br />
vergleichen. das gilt auch für<br />
mich. meine tätigkeit als anwalt im<br />
Vergleich zur tätigkeit als innenminister<br />
muss man ebenso in einem<br />
anderen Kontext sehen. ich betone<br />
aber, es gibt eine Kontinuität und<br />
das ist die rechtsstaatsorientierung.<br />
die gilt für den innenminister wie<br />
für den anwalt.<br />
Wie machtbewusst muss ein Politiker<br />
sein?<br />
er muss macht anstreben, selbstverständlich.<br />
Ohne macht kann er keine<br />
Politik gestalten. im demokratischen<br />
rechtsstaat ist machtausübung aber<br />
an legitimation gebunden. wenn Sie<br />
keine legitimation aufbauen, haben<br />
Sie keine Überzeugungskraft und<br />
dann geht es schief.<br />
Als Innenminister mussten Sie immer<br />
wieder Maßnahmen verantworten, die<br />
oftmals um die Frage kreisten, wie weit<br />
der Staat Persönlichkeitsrechte oder<br />
die Rechte des Einzelnen einschränken<br />
darf, um den Staat zu schützen.<br />
da kommen Sie leider in die verquere<br />
Fragestellung, der ich sehr häufig<br />
begegne. dass Sie nämlich einen<br />
gegensatz bilden wollen zwischen<br />
staatlichen Sicherheitsinteressen<br />
und den individualrechten. das,
entschuldigen Sie, wenn ich das jetzt<br />
ein bisschen grob sage, ist ja unsinn.<br />
der Staat schützt ja nicht den<br />
Staat um seiner selbst willen. das<br />
tut vielleicht der totalitäre Staat, der<br />
demokratische Staat tut das nicht.<br />
im demokratischen rechtsstaat ist<br />
artikel 1 des grundgesetztes die<br />
höchste norm, mit der der Staat sich<br />
selbst grenzen setzt, sich selbst an<br />
die Verfassung und an die gesetze<br />
bindet und sich verpflichtet, das Individuum<br />
in seiner eigenmacht, in<br />
seiner autonomie zu respektieren.<br />
das kommt in dem grandiosen Satz<br />
von artikel 1 des grundgesetzes zum<br />
ausdruck: „die würde des menschen<br />
ist unantastbar. Sie zu achten<br />
und zu schützen ist Verpflichtung aller<br />
staatlichen gewalt.“ So steht das<br />
in artikel 1. aber ein Satzbestandteil<br />
in artikel 1 wird oft übersehen. da<br />
steht nämlich nicht nur, der Staat hat<br />
die würde des menschen zu achten,<br />
sondern er hat auch die Pflicht, sie<br />
zu schützen. und darum geht es. der<br />
Staat hat eine Schutzverpflichtung<br />
gegenüber dem einzelnen. das heißt,<br />
er muss durch seine institutionen<br />
dafür sorgen, dass Sie nicht getötet<br />
werden, nicht verletzt werden, nicht<br />
erpresst werden, ihnen nicht ihr hab<br />
und gut weggenommen wird, Frauen<br />
nicht vergewaltigt werden.<br />
nun haben wir eine sehr freie<br />
und sehr offene gesellschaft, mit<br />
einem hohen maß an individuellen<br />
Freiheiten. wir leben heute in einem<br />
europa, das wir einen raum der Freiheit,<br />
der Sicherheit und des rechts<br />
nennen. heute reisen wir durch ganz<br />
europa ohne grenzkontrollen. aber<br />
es gibt leider menschen, die die Freizügigkeit<br />
missbrauchen. Verbrecher,<br />
Verbrecherbanden, organisierte Kriminalität<br />
und terrorismus. und der<br />
Staat darf sich damit nicht abfinden,<br />
etwa mit der behauptung, das sei der<br />
Preis der Freiheit. die Kernaufgabe<br />
des Staates ist daher, für die Sicherheit<br />
der bürgerinnen und bürger zu<br />
sorgen. denn ohne Sicherheit gibt es<br />
keine Freiheit.<br />
Hat sich Politik im Laufe der letzten<br />
40 Jahre, die Sie begleitet haben, verändert?<br />
Ja, sie hat sich verändert, meiner<br />
meinung nach durchaus zum guten.<br />
OttO Schily — Schuld & VerantwOrtung<br />
das verdanken wir nicht zuletzt dem<br />
aufkommen der grünen. am anfang<br />
der bundesrepublik sah es so aus, als<br />
ob wir einen geschlossenen Kreis<br />
von politischen Kräften hätten, in<br />
dem sich nie etwas verändern kann.<br />
dann hat sich aber eine entwicklung<br />
vollzogen, in der neue politische<br />
Kräfte allmählich in den demokratischen<br />
Prozess hineingekommen sind<br />
und etwas verändert haben, auch die<br />
diskussionsweise. bestimmte Fragen<br />
haben einen anderen charakter gewonnen.<br />
Ökologische Fragen zum<br />
beispiel ... insofern bin ich überzeugt,<br />
dass die demokratisierung der<br />
gesellschaft in deutschland vorangekommen<br />
ist und die demokratie<br />
sich deutlich stabilisiert hat. in diesem<br />
Sinne ist auch die neu gewonnene<br />
staatliche einheit deutschlands<br />
eine erfolgsgeschichte. eine erfolgsgeschichte<br />
ist das vor allem deshalb,<br />
weil es gelungen ist, die staatliche<br />
einheit deutschlands mit der integration<br />
in die europäische gemeinschaft<br />
zu verbinden. das ist übrigens,<br />
bei aller Kritik, die ich sonst<br />
an ihm habe, ein unbestreitbarer<br />
historischer Verdienst von helmut<br />
Kohl. er hat die wiedervereinigung<br />
europäisch gestaltet.<br />
Hat sich in diesem Prozess der Politikertypus<br />
verändert? Gibt es die großen<br />
charismatischen Typen noch, oder<br />
brauchen demokratische Gesellschaften<br />
gar keine Helden mehr?<br />
ich scheue mich ein bisschen vor<br />
54<br />
dieser ewigen rückwärtsgewandten,<br />
nostalgischen Sicht. Früher hieß<br />
es, nach herbert wehner, helmut<br />
Schmidt, thomas dehler, Fritz erler,<br />
carlo Schmid und Konrad adenauer<br />
gibt es überhaupt keine Politiker<br />
mehr. helmut Schmidt, gewiss ein<br />
großer Staatsmann, lässt uns in seiner<br />
erhabenheit manchmal spüren,<br />
dass nach ihm nur noch Zwerge<br />
kommen. Sicher ist es wichtig, dass<br />
menschen, die Politik machen, eine<br />
Biografie haben. Willy Brandt hatte<br />
eine Biografie, er hatte auch Narben.<br />
Gerhard Schröder hat eine Biografie.<br />
Sie auch ...<br />
Ich hab auch eine Biografie, auch<br />
narben. ebenso Joschka Fischer, mit<br />
einer wirklich spannenden lebensgeschichte.<br />
demokratie ist sicherlich<br />
immer mit einer gewissen nivellierung<br />
verbunden. aber wissen Sie, das<br />
ist ein auf und ab. es werden auch<br />
wieder neue menschen heranreifen,<br />
und die werden ihre ganz eigenen<br />
spannenden Profile haben.<br />
Was vermissen Sie am meisten?<br />
aus der Politik? gar nichts! ich habe<br />
keine entzugserscheinungen. ich bin<br />
froh, dass ich die sieben Jahre als minister<br />
heil überstanden habe. im Parlament<br />
war ich 26 Jahre, das reicht<br />
völlig aus.<br />
Was ist Ihnen am wichtigsten, wenn<br />
Sie auf Ihre Laufbahn zurückschauen?<br />
die modernisierung der deutschen<br />
und europäischen innenpolitik, die<br />
reform des deutschen Staatsbürgerschaftsrechts<br />
und die gestaltung einer<br />
weltoffenen Zuwanderungs- und<br />
integrationspolitik, aber auch die<br />
Stärkung der Kompetenz der Sozialdemokratie,<br />
für recht und Ordnung<br />
zu sorgen und Sicherheit als Fundament<br />
der Freiheit zu festigen.<br />
Würden Sie sagen, Sie haben Deutschland<br />
verändert?<br />
das glaub ich schon, ja.<br />
Und hat Deutschland Sie verändert?<br />
Ja, natürlich.
Stream of consciousness<br />
der regisseur roger vontobel über<br />
noch ungeordnete Gedanken vor<br />
dem ersten probentag.<br />
die labdakiden. lange vor dem ersten<br />
Probentag. ein berg von einem<br />
Stück. wie beginnen? Zwei textstellen<br />
während der Vorbereitung:<br />
„lass nicht ab, mein Zorn, lass<br />
nicht ab, und ihn, der großes sinnt,<br />
schlage nieder, miss dich mit ihm,<br />
zerfleische ihn selbst mit deinen<br />
händen. du suchst dem alkiden<br />
einen ebenbürtigen?! Keiner ist es,<br />
außer ihm selbst: so führe er fortan<br />
Kriege mit sich selbst! ... nun soll<br />
der Krieg beginnen: hell wird der tag,<br />
und in safranfarbigem aufgang tritt<br />
titan leuchtend hervor.“<br />
das unauswegliche, geradzu unmögliche<br />
in den worten Senecas, die<br />
er als Juno im Prolog seinem Stück<br />
„hercules“ voranstellt, in Kombination<br />
mit folgendem Zitat aus Kleists<br />
Penthesilea:<br />
„wenn du dem wind, der von den<br />
bergen weht, willst horchen, Kannst<br />
du den donnerruf der Königin, gezückter<br />
waffen Klirren, rosse wiehern,<br />
drommeten, tuben, Zimbeln<br />
und Posaunen, des Krieges ganze<br />
eh’rne Stimme hören.“<br />
Zusammen ergeben sie für mich den<br />
drang und die notwendigkeit Fragen<br />
zu stellen – theatral Fragen zu stellen<br />
– an menschen, über menschen,<br />
durch menschen. und vor allem wegen<br />
menschen. denn um menschen<br />
geht es immer in erster linie. um<br />
menschen und ihre geschichte, ihre<br />
Biografie – oder wie es die Griechen<br />
und nach ihnen viele mehr nannten:<br />
Schicksal.<br />
„tun. leiden. lernen“, heißt es in<br />
der „Orestie“, die ich 2008 in essen<br />
inszeniert habe. auch damals antike.<br />
und passend. denn tun tun wir alle,<br />
leiden auch manchmal wegen unseres<br />
tuns, und lernen können wir<br />
daraus, indem wir die Fragen an die<br />
beiden vorherigen tätigkeiten stellen<br />
und sie verknüpfen – und schon sind<br />
wir wieder beim motto der griechen,<br />
der älteren generation von griechen<br />
zumindest.<br />
ach ja, und eigentlich meine lieblingsstelle<br />
aus dem „Philotas“ von<br />
lessing, die muss auch immer irgendwie<br />
noch am anfang mal im<br />
Kopf rumgeistern:<br />
„was wollte ich also sagen? So<br />
einen guten einfall nun, wollte ich<br />
sagen, als das glück oft in das albernste<br />
gehirn wirft, so einen habe<br />
ich jetzo ertappt. bloß ertappt; von<br />
dem meinigen ist nicht das geringste<br />
dazu gekommen. denn hätte mein<br />
Verstand, meine Erfindungskraft einigen<br />
anteil daran, würde ich ihn<br />
nicht gern mit dir überlegen wollen?<br />
aber so kann ich ihn nicht mit dir<br />
überlegen; er verschwindet, wenn ich<br />
ihn mitteile, so zärtlich, so fein ist er,<br />
ich getraue mir ihn nicht in worte zu<br />
kleiden; ich denke ihn nur, wie mich<br />
der Philosoph gott zu denken gelehrt<br />
hat, und aufs höchste könnte ich dir<br />
nur sagen, was er nicht ist.“<br />
So, und dann fangen wir mal an, das<br />
bevorstehende neue Stück zu lesen –<br />
erster Schritt: buchdeckel umklappen<br />
...<br />
roGEr vontobEl<br />
geboren 1977, aufgewachsen in Zürich<br />
und Johannesburg, gehört derzeit zu<br />
den wichtigen Regisseuren seiner Generation.<br />
In seinen Inszenierungen sucht<br />
er immer wieder sehr genau nach einem<br />
eigenen ästhetischen Zugriff für den<br />
vorliegenden, meist literarischen Stoff.<br />
2006 war er zum „Young Directors<br />
Project“ der Salzburger Festspiele eingeladen<br />
und wurde von den Kritikern der<br />
Zeitschrift „Theater heute“ zum Nachwuchsregisseur<br />
des Jahres gewählt. Seit<br />
der Spielzeit 2005/06 arbeitet er regelmäßig<br />
am <strong>Schauspielhaus</strong> Hamburg,<br />
an den Münchner Kammerspielen<br />
und am Schauspiel Essen, wo er „Das<br />
Goldene Vlies“ von Franz Grillparzer,<br />
„Die Orestie“ des Aischylos und zuletzt<br />
Ibsens „Peer Gynt“ inszeniert hat. Ab<br />
der Spielzeit <strong>2010</strong>/<strong>2011</strong> wird er Hausregisseur<br />
am <strong>Schauspielhaus</strong> <strong>Bochum</strong>.<br />
55<br />
Die LabDakiDen<br />
Eine Politsaga – Ödipus,<br />
Sieben gegen Theben und Antigone<br />
von Sophokles und Aischylos<br />
Premiere am 9. Oktober <strong>2010</strong> im <strong>Schauspielhaus</strong><br />
Sie sind die herrscherfamilie thebens, benannt nach ihrem<br />
Stammvater, labdakos. Von generation zu generation<br />
geben sie die macht in der Stadt weiter, aber auch den<br />
blutigen Fluch, der ihre herrschaft keine glückliche sein<br />
lässt: laios, der Sohn des labdakos, wird von seinem Sohn<br />
Ödipus getötet, der dann, die eigene Schuld nicht kennend,<br />
mit seiner mutter iokaste vier Kinder zeugt: antigone und<br />
Ismene, Eteokles und Polyneikes. Kaum ist der Frevel entdeckt,<br />
bringt sich iokaste um und Ödipus geht ins exil. die<br />
nächste generation ist am Zug, doch sie ist nicht erfolgreicher:<br />
Polyneikes und Eteokles verwickeln die Stadt in einen<br />
blutigen bürgerkrieg, an dessen ende beide tot vor den<br />
Stadtmauern liegen. antigone, die Schwester, will einen<br />
von ihnen begraben, was gegen die gesetze ihres Onkels<br />
Kreon verstößt. der ist nun verzweifelt darum bemüht,<br />
recht und Ordnung wiederherzustellen und wenigstens<br />
etwas vom ruf der Familie zu retten. eine wuchtige Sage<br />
über die Kraft und Zerstörung von Politik und die beispielhaften<br />
Verwicklungen einer beispiellosen Familie – erzählt<br />
in drei großen antiken Stücken, inszeniert in einer Fassung<br />
für einen abend.<br />
Regie: Roger Vontobel<br />
Bühne: Claudia Rohner<br />
Kostüme: Nadine Grellinger<br />
Dramaturgie: Anna Haas, Thomas Laue<br />
mit: manuela alphons, matthias eberle, Jonas gruber,<br />
Paul herwig, barbara hirt, dieter hufschmidt, Katharina<br />
linder, dimitrij Schaad, michael Schütz, lena Schwarz,<br />
Philipp weigand<br />
Die Jungfrau von<br />
orLeans<br />
von Friedrich Schiller<br />
Premiere im Juni <strong>2011</strong> in den Kammerspielen<br />
Sie fragt sich nicht, woran sie glauben soll. Sie glaubt. eine<br />
göttliche Stimme hat ihr befohlen, Frankreich von den englischen<br />
invasoren zu befreien. dabei ist Johanna ein mädchen<br />
vom land. unbeirrt folgt sie ihrem göttlichen auftrag<br />
und führt das französische heer, dessen verzagender Führer,<br />
der französische König Karl, kurz vor der Kapitulation<br />
stand, von Sieg zu Sieg. Souverän bewegt sie sich auf dem<br />
männlichen Schlachtfeld von Krieg, macht und Politik.<br />
ihr glaube ist unerschütterlich, doch plötzlich gerät sie<br />
ins Straucheln: im Zweikampf mit dem engländer lionel<br />
verliebt sie sich – in den Feind. Völlig überrascht sieht sich<br />
die scheinbar unbesiegbare Jungfrau mit einer macht konfrontiert,<br />
vor der sie ihre waffen strecken muss. woran soll<br />
sie noch glauben? an ihren „Schlachten gott“, an die<br />
macht der liebe, an sich selbst?<br />
Regie: Roger Vontobel<br />
Bühne: Claudia Rohner
ESSEn – UnESco-SchUlE:<br />
WEltWEItEIGEnhEIm<br />
schülerinnen unD schüler Der<br />
unesco-schule in essen, Die jugenDliche<br />
aus über 40 nationen Zum abitur<br />
führt, bauen auf ihrem schulhof<br />
ein haus Der Zukunft: mit allem, was<br />
sie sich für ein Zusammenleben Der<br />
kulturen wünschen – hausorDnung<br />
inklusiVe. ein weltweiteigenheim. im<br />
sommer wirD es mit einem grossen<br />
fest eingeweiht unD mit leben gefüllt.<br />
DUISBURG – mEDIEn-BUnkER mARxloh<br />
Die film- unD fotoexperten aus Dem<br />
meDien-bunker marxloh graben in<br />
Der Vergangenheit Des staDtteils,<br />
reflektieren ihre gegenwart, besuchen<br />
Die anDeren Zukunftshäuser<br />
unD entwickeln Daraus Visionen für<br />
Die staDt Von morgen. immer mit Der<br />
kamera im anschlag. am enDe stehen<br />
ein film unD ein bilDbanD über marxloh,<br />
Das ruhrgebiet unD Die welt Der<br />
nächsten generation.<br />
next generation — Die neuerfinDung Des ruhrgebiets<br />
ESSEn – mäDchEnBAnD DES noRDEnS<br />
Die popmusikerin, autorin unD performerin<br />
bernaDette la hengst hat im<br />
essener norDen eine mäDchenbanD<br />
gegrünDet. eigene texte werDen geschrieben,<br />
songs komponiert unD<br />
einstuDiert, ein konZertprogramm<br />
entwickelt. auf Der bühne Zeigen sie,<br />
Dass man Die Zukunft Der staDt auch<br />
singen kann. anschliessenD gehen<br />
sie auf tour Durchs ruhrgebiet.<br />
DUISBURG<br />
ESSEn – AltEnDoRf Am BUnkER REchtS<br />
krupp kehrt Zurück unD baut sein<br />
neues hauptquartier am ranDe Von<br />
altenDorf. auch anDere akteure betreiben<br />
hier staDtumbau. Die regisseurin<br />
ines habich hat Zwischen<br />
entweihter kirche, autofrieDhof<br />
unD geisterstrasse Das Zukunftshaus<br />
„am bunker rechts“ gegrünDet. mit<br />
jugenDlichen erkunDet sie Den staDtteil<br />
unD entwickelt ein Dokufiktionales<br />
theaterstück über, in unD für<br />
Die Zukunft Von altenDorf.<br />
56<br />
BochUm – EIn JAhR opEl<br />
Die VerhanDlungen über Die Zukunft<br />
Des opel-werks in bochum sinD Zu<br />
einem internationalen wirtschaftskrimi<br />
geworDen. aber auch bei opel<br />
haben jugenDliche Vor kurZem erst<br />
ihre ausbilDung begonnen, sich Ziele<br />
gesetZt. nun ist ihre berufliche Zukunft<br />
schon am anfang ungewiss.<br />
Die Dokumentarfilmer unD grimmepreisträger<br />
ulrike franke unD michael<br />
loeken Drehen mit ihnen einen film<br />
über ein jahr opel.<br />
ESSEn<br />
hERnE<br />
BochUm<br />
GEDächtnIS DES RUhRGEBIEtS<br />
Zukunft braucht Vergangenheit, auf<br />
Der sie aufbauen kann. auf Der suche<br />
nach Dem geDächtnis Des ruhrgebiets<br />
wanDert mirjam strunk mit ihrem<br />
erinnerungsmobil Durchs ruhrgebiet.<br />
jung unD alt können ihre geschichten<br />
einspeisen: auf erinnerungskarten,<br />
auf ViDeo, per erinnerungshotline<br />
oDer im internet. beim tag Der<br />
generationen am 19. noVember <strong>2010</strong><br />
entfaltet sich Dann Das geDächtnis<br />
Des ruhrgebiets in einer sZenischen<br />
installation im schauspielhaus.
hERnE – REnEGADE:<br />
tAnz von DER StRASSE<br />
renegaDe ist tanZ, Der Von Der<br />
strasse kommt. für next generation<br />
entwickeln sie mit Der new Yorker<br />
choreografin patricia noworol ein<br />
stück tanZtheater mit jugenDlichen<br />
aus herne unD Dem ganZen ruhrgebiet.<br />
eine bewegte sprache Zwischen<br />
streetDance unD Zeitgenössischem<br />
tanZ, Die mehr über Zukunft sagt als<br />
tausenD worte.<br />
DoRtmUnD<br />
BochUm – RUhR-UnIvERSItät<br />
schon lange beschäftigt sich Das<br />
institut für theaterwissenschaft Der<br />
ruhr-uniVersität mit chorischem theater.<br />
nachDem Die stuDierenDen theorie-texte<br />
über generationenkonflikte<br />
gewälZt haben, Verknüpfen sie Diese<br />
erkenntnisse unter Der leitung Von<br />
„kainkollektiV“ mit ihren eigenen erfahrungen<br />
unD stehen im herbst <strong>2010</strong><br />
mit einer eigenen insZenierung auf<br />
Der bühne. natürlich mit chor.<br />
next generation — Die neuerfinDung Des ruhrgebiets<br />
BochUm – x-vISIon:<br />
hIphop In WAttEnSchEID<br />
x-Vision ist gelebte integration unD<br />
gelebter hiphop in wattenscheiD. hier<br />
schreiben, singen, rappen unD tanZen<br />
Die jugenDlichen nicht nur, sonDern<br />
proDuZieren ihre musik selbst. es geht<br />
um ihr leben, Die Zukunft Von wattenscheiD,<br />
ihre eigene unD Die ihrer<br />
musik. am enDe steht ein neues album<br />
unD DaZu – wie es sich gehört – ein<br />
lautes recorD-release-eVent.<br />
nExt GEnERAtIon – DAS Stück<br />
eine gemeinsame theaterproDuktion<br />
VerbinDet Die Zukunftshäuser miteinanDer:<br />
autor unD regisseur nuran Da-<br />
ViD calis ist Das jahr über unterwegs,<br />
um Die geschichten Der jugenDlichen<br />
Zu sammeln. er wirD ihre Vorstellungen<br />
Von Zukunft bünDeln unD<br />
mit beteiligten aus allen häusern im<br />
schauspielhaus bochum auf Die bühne<br />
bringen – als starkes stück theater<br />
Der nächsten generation.<br />
57<br />
nExt GEnERAtIon:<br />
DIE nEUERfInDUnG<br />
DES RUhRGEBIEtS<br />
NEXT GENERATION ist ein Projekt von <strong>Schauspielhaus</strong><br />
<strong>Bochum</strong>, Schauspiel Essen, der Bundeszentrale für politische<br />
Bildung und der Kulturhauptstadt Europas RUHR.<strong>2010</strong>. Gefördert<br />
vom Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen.<br />
Partner: Deutschlandradio Kultur.<br />
Der jugend gehört die Zukunft. familie, beruf, glück und<br />
erfolg – alles liegt vor ihnen, so denkt man. Doch das meiste<br />
liegt auch schwer auf ihren schultern. arbeit und familie,<br />
bildung und herkunft, das sind die säulen, auf denen<br />
ein gelungenes leben aufbaut. Doch selten zuvor waren<br />
diese zentralen bereiche so belastet und infrage gestellt wie<br />
heute. höchste Zeit also, die nächste generation selbst zu<br />
wort kommen zu lassen: wovon träumt sie? was will sie?<br />
welche bedeutung hat unsere herkunft in Zukunft?<br />
Die Zukunft der stadt und die Visionen ihrer jungen<br />
einwohner stehen im mittelpunkt dieses projekts. in zehn<br />
Zukunftshäusern in bochum, essen, Duisburg und herne<br />
erfinden Jugendliche aus sehr unterschiedlichen Stadtteilen<br />
gemeinsam mit filmemachern, musikern, theatermachern<br />
und wissenschaftlern ihre stadt neu. ein jahr<br />
lang erzählen sie sich gegenseitig und uns, was sie bewegt<br />
und wie sie in Zukunft leben möchten. sie erzählen von<br />
sich und ihrem stadtteil, drehen filme, spielen theater,<br />
gründen eine band oder bauen einfach den platz vor ihrer<br />
haustür um. sie diskutieren miteinander über das,<br />
was sie verbindet, und das, was sie trennt. und im herbst<br />
<strong>2010</strong> bringen sie dann ihre ideen mit dem regisseur nuran<br />
David calis auf die bühne der kammerspiele. Zum ersten<br />
mal gemeinsam, über alle grenzen der städte, kulturen<br />
und sprachen hinweg. Denn ob sich aus dem Dickicht der<br />
städte in Zukunft tatsächlich eine lebenswerte metropole<br />
bilden wird, liegt nicht zuletzt in ihren händen. es ist ihre<br />
geschichte: next generation.<br />
Aufführungen und Veranstaltungen in den Zukunftshäusern, im<br />
<strong>Schauspielhaus</strong> <strong>Bochum</strong> sowie in der gesamten Metropole Ruhr.<br />
Alle Infos unter: www.next-generation-<strong>2010</strong>.de
text: nuran DaViD calis<br />
hassan will es wissen. folgende frage<br />
lässt ihn nicht mehr in ruhe schlafen:<br />
warum werden 80 prozent der in<br />
berlin produzierten hiphop-tracks<br />
im ruhrgebiet verkauft und nur 20<br />
prozent in berlin selbst oder im rest<br />
der republik? hassan ist 16, er besucht<br />
das gymnasium in bochum<br />
und Zahlen sind sein Ding. hassan<br />
ist x-Vision beigetreten, einem<br />
von zehn next-generation-Zukunftshäusern<br />
im ruhrgebiet. seins<br />
steht in bochum-wattenscheid. x-<br />
Vision ist eine musikproduktionsfirma.<br />
Und kein Jugendclub, betont<br />
er. hier wird nicht rumgehangen.<br />
DAS GESAmtE hAUS ISt<br />
AUf DER SUchE nAch DER<br />
WAhRhEIt. UnD DIE mUSS<br />
AUch WEhtUn DüRfEn.<br />
Die Zukunftshäuser von next generation<br />
sind kreative thinktanks<br />
mit unterschiedlichen schwerpunkten.<br />
x-Vision ist dabei so etwas<br />
wie die Deathrow recorDs des<br />
ruhrgebiets. ja, sie wollen die antwort<br />
sein auf die eastcoastrapper<br />
aus berlin. wie damals, als<br />
n.w.a. in l.a. die antwort auf erik<br />
b. rakim und grand master flash<br />
in new York war. und ja, hassan<br />
will der 2pac des ruhrgebiets werden.<br />
worüber die berliner so rappen,<br />
das kann er auch: man hat hier denselben<br />
alltag zu bewältigen. also<br />
warum dann nicht auch gleich selber<br />
darüber erzählen? warum nicht<br />
selber Dinge produzieren? warum<br />
immer das konsumieren, was andere<br />
auf die beine stellen? Dann zieht<br />
hassan seinen pullover hoch und auf<br />
seinem unterarm sieht man eine tätowierung:<br />
no pain no gain.<br />
träume verwirklicht man nicht<br />
durch reden. es gilt, Dinge anzupacken.<br />
jetzt, meint hassan. und wenn<br />
er das nicht schafft, hat er immer<br />
noch sein abitur. hassan ist träu-<br />
next generation — Die neuerfinDung Des ruhrgebiets<br />
mer und realist zugleich. ja, sagt er,<br />
das geht hier beides. Das muss. Diese<br />
beiden Dinge machen, dass ich<br />
morgens meinen arsch hoch kriege,<br />
während andere ihr handy noch auf<br />
schlummermodus geschaltet lassen.<br />
stop. kurzes innehalten und die<br />
frage: wird mit der aussage, das<br />
ruhrgebiet sei das new York der Zukunft,<br />
eigentlich der startschuss für<br />
diesen traum gegeben, oder hat man<br />
mit dieser aussage diesen traum<br />
bereits abgeschossen? fakt ist: im<br />
moment gibt es mehr sehnsüchte,<br />
als von allen seiten gestillt werden<br />
können.<br />
Das ist hassan und den jungs und<br />
mädels von x-Vision klar. Das ist allen<br />
Zukunftshäusern klar. aber auch:<br />
jugendzentrum war gestern. aus den<br />
räumen der elendsverwaltung sind<br />
ideen-werkstätten geworden. hier<br />
werden gleise in die Zukunft gelegt.<br />
sie arbeiten. täglich. morgens schule.<br />
abends Zukunftshaus. sie wollen<br />
miteinander gestalten. sie wollen<br />
Dinge, die nicht vereinbar waren,<br />
miteinander vereinen. sie versuchen,<br />
im kleinen ihre welt zu verändern.<br />
sie sind real-utopisten.<br />
Das ruhrgebiet als sanierungsfall.<br />
im Zukunftshaus in Duisburgmarxloh<br />
haben sie eine Videowerkstatt<br />
gegründet und wollen die Dinge<br />
einfangen, wie sie sind. keine imagefilme<br />
nach dem Motto: schaut-wietoll-es-hier-ist.<br />
Das gesamte haus<br />
ist auf der suche nach der wahrheit.<br />
und die muss auch wehtun dürfen.<br />
sie wollen die chronisten dieser<br />
region werden und ihren wandel<br />
dokumentieren: narrativ, subversiv.<br />
Die kids haben immer eine einwegkamera<br />
bei sich und knipsen alles,<br />
was sie vor die linse bekommen. ein<br />
bild lügt nicht, meint einer. sie sind<br />
wahrheitsjäger.<br />
in den letzten jahren und jahrzehnten<br />
wurde hier viel dafür ausgegeben,<br />
Dinge von außen nach innen<br />
zu holen. Dinge, die man brauchte,<br />
oder Dinge, mit denen man versuchte,<br />
das fragile selbstbewusstsein<br />
dieser region zu stärken. aber überall<br />
hier gibt es kreatives potenzial,<br />
das ungenutzt bleibt. Das muss sich<br />
ändern, darin sind sich alle einig.<br />
wenn man mit den leuten in den<br />
Zukunftshäusern redet, merkt man,<br />
58<br />
no pAIn
noGAIn<br />
next generation — Die neuerfinDung Des ruhrgebiets<br />
wie sehr sie an dieser region hängen<br />
und die fehler der Vergangenheit<br />
nicht wiederholen möchten. es geht<br />
nicht um die frage, wie weit das, was<br />
ein anderer hier aufstellt, in die ferne<br />
leuchtet, sondern wie hell das,<br />
was sie tun, in die verwinkeltsten<br />
gesellschaftsschichten ihrer region<br />
strahlt. wie tief haben sich die identitäts-wurzeln<br />
in diesen boden, auf<br />
dem sie stehen, geschlagen? next<br />
generation ist keine party, sondern<br />
eine bestandsaufnahme.<br />
mit diesen gedanken im kopf<br />
streife ich durch das ruhrgebiet und<br />
sehe, wie vieles, was herangeschafft<br />
wurde, diese region im wahrsten sinne<br />
des wortes ausgehöhlt hat. Das<br />
ganze ruhrgebiet ist ein schweizer<br />
käse, das wissen die hier oben sehr<br />
gut. aber nicht nur der boden unter<br />
ihren füßen ist löchrig, sondern<br />
auch vieles über der erde. Die gesellschaft<br />
ist löchrig. Das miteinander<br />
ist löchrig. Das zwischenmenschliche<br />
leben ist ausgehöhlt. Der gesellschaftspakt<br />
in den kommunen<br />
steht kurz vor seiner kündigung. Das<br />
spüren sie täglich, wenn sie merken,<br />
dass sie nicht wirklich miteinander<br />
reden, sich nicht zusammentun.<br />
DAS RUhRGEBIEt ISt EIn<br />
SchWEIzER käSE. nIcht<br />
nUR DER BoDEn UntER<br />
DEn füSSEn ISt löchRIG,<br />
SonDERn AUch vIElES<br />
üBER DER ERDE<br />
Der Verteilungskampf werde härter,<br />
sagen sie bei pottporus, dem<br />
Zukunftshaus in herne. man sei<br />
sich all die jahre eher aus dem weg<br />
gegangen als aufeinander zu. Damit<br />
muss schluss sein. Die Zukunftshäuser<br />
wollen das ändern. man will<br />
nicht nur für sich arbeiten, sondern<br />
miteinander und vor allem: füreinander.<br />
schluss mit dem klein-klein<br />
der eigenen ideen. Dieser ideenwahn<br />
ist der goldene Käfig, aus dem man<br />
nicht mehr rauskommt. stattdessen:<br />
Die kräfte und die ideen bündeln.<br />
ab jetzt. global denken? oder: doch<br />
regional? Vielleicht: regional-global?<br />
wer wagt es, die bewegung von in-<br />
59<br />
nen nach außen zu tragen? wie auch<br />
immer. mit larmoyanten frequenzen,<br />
kitschigen selbstbeweihräucherungen,<br />
heimatlicher folklore und<br />
kochkursen ist schluss. Dieser wind<br />
geht durch alle Zukunftshäuser. Diese<br />
region hat sich niemals vor arbeit<br />
gedrückt. sie sind in 1.000 meter<br />
tiefe gestiegen, um den rest der republik<br />
mit wärme zu versorgen und<br />
die Zeche zu zahlen für einen sinnlosen<br />
2. weltkrieg. und jetzt?<br />
nExt GEnERAtIon ISt kEInE<br />
pARty, SonDERn EInE<br />
BEStAnDSAUfnAhmE.<br />
hier gibt es mit abstand die jüngsten<br />
und zupackendsten menschen<br />
unserer republik. nirgendwo sonst<br />
sieht man migranten und Deutsche<br />
so eng und friedlich nebeneinander<br />
leben. hier brennen keine mülltonnen.<br />
keine polizeiautos. keine<br />
schulen. keine kirchen. keine synagogen.<br />
keine moscheen. während<br />
die schweiz über minarette streitet,<br />
zieht hier ein deutscher maurer die<br />
innenwände einer moschee hoch.<br />
Das sind die leuchttürme, die<br />
in die tiefe leuchten und die dunklen<br />
löcher unserer gesellschaft mit<br />
licht füllen. Das sind geschichten,<br />
die erzählt werden müssen. mit den<br />
mitteln, die zur Verfügung stehen.<br />
Das sind die antworten, die gefunden<br />
werden müssen und die aufhorchen<br />
lassen, wenn man durch die gassen<br />
von marxloh geht, durch herne,<br />
durch wattenscheid. raus aus dem<br />
Zukunftshaus. rein ins leben.<br />
seit jahren sei hier nicht so<br />
was großartiges gebaut worden,<br />
schwärmt der deutsche maurer,<br />
matthias, aus marxloh. und ja: er<br />
ist stolz auf diese moschee, in der<br />
sein kumpel, massoud, der araber,<br />
betet. Die wand der moschee hat er<br />
verputzt. ärger hat er zunächst schon<br />
bekommen, einige haben ihre aufträge<br />
zurückgezogen. ein paar leute<br />
seien richtig angepisst gewesen. aber<br />
da habe er gemerkt, dass die gar kein<br />
problem mit massouds glauben haben,<br />
sondern mit diesem riesending.<br />
so als würde plötzlich einer, der die
WAS WIRD<br />
AUS MIR?<br />
8. FESTIVAL<br />
POLITIK IM FREIEN THEATER<br />
HERBST <strong>2011</strong><br />
www.bpb.de/politikimfreientheater
ganze Zeit einen klapprigen golf gefahren<br />
hat, jetzt einen porsche fahren.<br />
wie kommt das denn? neid sei<br />
das. nicht mehr, nicht weniger. Die<br />
wissen nicht, was gut und richtig<br />
ist, bis einer ihnen sagt, was gut und<br />
was richtig ist. und diese moschee<br />
ist richtig hier. und sonst nirgendwo.<br />
matthias und massoud sind zusammen<br />
aufgewachsen. warum soll<br />
massoud diesen ort hassen, wenn<br />
er hier ein stück seines glaubens<br />
errichtet? er kenne massoud und<br />
massoud scheißt nicht da, wo er isst.<br />
man ist hier zusammen durch dick<br />
und dünn gegangen. jetzt hat matthias<br />
kinder und massoud auch.<br />
WEnn mAn mEnSchEn<br />
WIE pRImAtEn BEhAnDElt,<br />
BEnEhmEn SIE SIch IR-<br />
GEnDWAnn AUch So.<br />
anstatt den krieg zu beschwören,<br />
sollen die kriegsberichterstatter<br />
konkret sagen, wie das miteinander<br />
gehen könnte. sie sollen ihren platz<br />
verlassen und ihr ohr an den beton<br />
legen, den matthias für massoud<br />
hochzogen hat, damit massoud von<br />
außen gut sichtbar seinen glauben<br />
ausleben kann und nicht in einer<br />
garage, in einem heruntergekommenen<br />
hinterhof. wenn man einen<br />
menschen wie einen primaten<br />
behandelt, dann benimmt er sich<br />
irgendwann auch so. was bedeutet<br />
menschsein? Darüber will hassan<br />
rappen in wattenscheid. Darüber,<br />
dass man grenzen überwinden<br />
muss, um zu wachsen. Darüber wollen<br />
jens und asye aus marxloh einen<br />
film machen, in der Videowerkstatt.<br />
so werden träume verwirklicht. so<br />
was schafft eine gemeinsame identität.<br />
indem alle über ihren horizont<br />
springen und Dinge zulassen, an die<br />
man bis jetzt nicht gedacht hat. no<br />
pain no gain.<br />
Die welt da draußen soll sich<br />
nach uns umschauen, meinen sie,<br />
und sehen, wie es gelingt, nicht nur<br />
den traum von der koexistenz der<br />
verschiedenen ethnischen und kulturellen<br />
gruppierungen zu träumen.<br />
sondern wie sie diesen traum mit<br />
herz, hirn und seele täglich anpacken<br />
und gestalten. Das sei die kohle,<br />
die sie jetzt hier rausholen müssen.<br />
Damit werde man die herzen<br />
der welt wärmen.<br />
und für einen moment bekommt<br />
der vage traum kontur: Diese kleinen<br />
Dinge werden die region zu einer<br />
metropole machen. schritt für<br />
schritt. Vielleicht nicht sofort, aber<br />
bald, sehr bald. und die menschen<br />
in dieser region mit ihren Zukunftshäusern<br />
müssen pioniere dieses<br />
traumes werden. es ist schmerzhaft,<br />
Dinge aufzugeben und neue Dinge<br />
anzunehmen. sich verwandeln tut<br />
weh. Das wird alles andere als eine<br />
party. Das wissen sie. aber sie stellen<br />
sich dem schmerz. irgendwann wird<br />
auch Zeit für party sein, aber sie ist<br />
nicht jetzt. auch das wissen sie.<br />
nURAn DAvID cAlIS ist autor, filmemacher<br />
unD regisseur. Das ganZe jahr <strong>2010</strong> ist er in<br />
Der ruhrregion unterwegs unD sammelt<br />
im rahmen Von next generation Die geschichten<br />
unD Die ZukunftsVorstellungen<br />
ihrer jugenD, Die ab oktober auf Der<br />
bühne Der kammerspiele Zu sehen sinD.<br />
NEXT GENERATION hat eine Stimme,<br />
mit der sich die Jugend des Ruhrgebiets<br />
im Jahr <strong>2010</strong> weit über die Grenzen<br />
der Region hinaus Gehör verschafft:<br />
DEUTSCHLANDRADIO KULTUR begleitet<br />
das Projekt als Kooperationspartner.<br />
Regelmäßige Reportagen berichten<br />
von der Entwicklung in den Zukunftshäusern,<br />
gemeinsame Diskussionsveranstaltungen<br />
bündeln die Ergebnisse<br />
und mit der „Deutschlandrundfahrt“<br />
macht der Sender mehrmals im Jahr<br />
mit einem Übertragungswagen in Essen,<br />
<strong>Bochum</strong> und Duisburg Station.<br />
Deutschlandradio Kultur ist in der<br />
Ruhrregion auf folgenden Frequenzen<br />
zu empfangen:<br />
Mülheim auf 93,7 MHz<br />
<strong>Bochum</strong> auf 89,3 MHz<br />
Essen auf 88,3 MHz<br />
61<br />
Next GeNeratioN<br />
das stuck<br />
von Nuran David Calis<br />
und Jugendlichen aus dem ganzen Ruhrgebiet<br />
premiere am 28. oktober <strong>2010</strong> in den kammerspielen<br />
Voraufführung am 27. oktober <strong>2010</strong> im rahmen des<br />
bundesfachkongress interkultur<br />
ein jahr lang haben sie gearbeitet. sie haben ihr leben<br />
transparent gemacht, die lage ihrer stadt analysiert und<br />
große und kleine pläne entworfen. sie haben gelernt zu<br />
tanzen, zu singen, zu spielen und filme zu drehen – und<br />
vor allem haben sie gelernt ihre meinung zu sagen. sie<br />
kommen aus bochum, essen, Duisburg, herne und dem<br />
gesamten ruhrgebiet. aus stadtteilen, die so unterschiedlich<br />
sind wie sie selbst. Vor einem jahr haben sie einander<br />
noch nicht gekannt und nur wenig voneinander gewusst.<br />
Zusammen stehen sie im herbst <strong>2010</strong> auf der bühne der<br />
kammerspiele im bochumer schauspielhaus. es wird ihr<br />
stück sein, das sie hier spielen, und ihre geschichte, die sie<br />
erzählen. alle gemeinsam und über die grenzen der städte<br />
hinweg. Der autor und regisseur nuran David calis wird<br />
die Zukunftshäuser das ganze jahr lang begleiten. unter<br />
seiner leitung gehen sie auf die bühne in bochum. egal<br />
wo sie herkommen, welche sprache sie sprechen und egal,<br />
wo sie in Zukunft leben werden: es wird ihr stück und ihre<br />
Zukunft. ein stück über das panorama einer besonderen<br />
stadtjugend und eine neue geschichte über die Zukunft an<br />
der ruhr.<br />
Regie: Nuran David Calis<br />
Bühne: Irina Schicketanz<br />
Kostüme: Silke Rekort<br />
Musik: Vivan Bhatti<br />
Video: Karnik Gregorian<br />
Alle Infos aus den Zukunftshäusern und<br />
der Blog von Nuran David Calis unter:<br />
www.next-generation-<strong>2010</strong>.de<br />
NEXT GENERATION ist ein Projekt von <strong>Schauspielhaus</strong><br />
<strong>Bochum</strong>, der Bundeszentrale für politische Bildung und der<br />
Kulturhauptstadt Europas RUHR.<strong>2010</strong>. Gefördert vom Ministerpräsidenten<br />
des Landes Nordrhein-Westfalen. Partner:<br />
Deutschlandradio Kultur.
EnsEmblE<br />
maja bEckmann<br />
manuEla alphons<br />
DIETmar bär*<br />
manFrED böll<br />
FrIEDErIkE bEchT<br />
annE-marIE bubkE*
ThErEsE Dörr<br />
paul hErwIg* anDrEas groThgar<br />
maTThIas EbErlE<br />
jonas grubEr*<br />
barbara hIrT<br />
bETTIna EngElharDT<br />
jürgEn harTmann<br />
marTIn horn*
Thomas loIbl* raIko küsTEr<br />
ronny mIErsch<br />
FlorIan langE<br />
marco massaFra<br />
VEronIka nIckl<br />
kaTharIna lInDEr<br />
nIcola masTrobErarDIno<br />
krIsTIna-marIa pETErs
ErnD raDEmachEr<br />
rolanD rIEbElIng<br />
hEIko ruprEchT*<br />
naDja robIné FElIx rEch*<br />
DImITrIj schaaD<br />
maTThIas rEDlhammEr<br />
armIn rohDE*<br />
hEnrIk schubErT
mIchaEl schüTz<br />
xEnIa snagowskI<br />
sTEphan ullrIch*<br />
joEp Van DEr gEEsT* DanIEl sTock<br />
lEna schwarz*<br />
krunoslaV ŠEbrEk<br />
wErnEr sTrEngEr<br />
juTTa wachowIak*
klaus wEIss<br />
Franck EDmonD yao*<br />
ankE zIllIch<br />
*gäsTE<br />
Thomas anzEnhoFEr<br />
rolanD bayEr<br />
sImon brEuEr<br />
rEInouT bussEmakEr<br />
Dunja DogmanI<br />
roElanD FErnhouT<br />
chrIsToph FIngEr<br />
DanIEl FlIEgEr<br />
haukE hEumann<br />
karolIna horsTEr<br />
DIETEr huFschmIDT<br />
holgEr kunkEl<br />
wErnEr lusTIg<br />
anDrEas maIEr<br />
manDana mansourI<br />
haDEwych mInIs<br />
olIVEr möllEr<br />
karIn moog<br />
FrIEDa pITToors<br />
alwIn pulInckx<br />
sIErk raDzEI<br />
alExanDEr rITTEr<br />
Thomas schwEIbErEr<br />
yonIna spIjkEr<br />
hEnrIETTE ThImIg<br />
lEon VoorbErg<br />
phIlIpp wEIganD<br />
juDITh Van DEr wErFF<br />
aljoscha zInFlou<br />
sowIE sTuDIErEnDE DEr Folkwang unIVErsITäT, TänzEr<br />
unD sTrEETarT-künsTlEr Von poTTporus/rEnEgaDE<br />
unD TEIlnEhmEr DEr nExT-gEnEraTIon-zukunFTshäusEr
wIe Kommt dIe weLt Ins tHeAter? — dIe Autoren<br />
Das <strong>Schauspielhaus</strong> <strong>Bochum</strong> war schon<br />
immer auch ein Ort für Uraufführungen<br />
und neue Autoren. Fünf von ihnen<br />
werden in der kommenden Spielzeit<br />
ihre Stücke in <strong>Bochum</strong> zeigen. Sie gehören<br />
alle zur gleichen Generation, was<br />
nicht heißt, dass sie immer das Gleiche<br />
denken. Nicht einmal, dass sie alle immer<br />
das Gleiche tun. Wie unterschiedlich<br />
sie sind, wird <strong>Bochum</strong> bald nicht<br />
nur durch ihre Stücke erfahren, sondern<br />
auch durch viele Veranstaltungen,<br />
in denen sie von sich und ihrer Welt<br />
erzählen werden. Ein erstes Treffen mit<br />
Nuran David Calis, Reto Finger, Dirk<br />
Laucke, Jan Neumann und Christoph<br />
Nußbaumeder.<br />
IntervIew: AnnA HAAs und tHomAs LAue<br />
Fotos: dIAnA Küster<br />
68
Aus welchen Gründen entscheidet man<br />
sich heute dafür, ausgerechnet Theaterautor<br />
zu werden?<br />
Reto Finger: Ich wollte ursprünglich<br />
gar nichts mit theater zu tun haben,<br />
obwohl es in meiner Familie einige<br />
musiker und theaterleute gibt. Ich<br />
habe Jura studiert. mit 25 habe ich<br />
gemerkt, dass mir das nicht reicht.<br />
Ich wollte mich nicht ausschließlich<br />
Christoph Nußbaumeder<br />
geboren 1978 in Eggenfelden/Niederbayern,<br />
lebt seit 11 Jahren in Berlin.<br />
2004 gewann er den Preis des Stückewettbewerbs<br />
der Berliner Schaubühne<br />
für sein Stück „Mit dem Gurkenflieger<br />
in die Südsee“.<br />
Nußbaumeder schreibt in der Tradition<br />
des kritischen Volksstücks, erzählt<br />
von den Verlierern, aber auch von<br />
den Gewinnern unserer Gesellschaft.<br />
Mit wenigen Worten gelingt es ihm,<br />
seine Figuren messerscharf zu charakterisieren.<br />
Nußbaumeders Stücke wurden<br />
an der Schaubühne am Lehniner<br />
Platz Berlin, bei den Ruhrfestspielen<br />
Recklinghausen, am Nationaltheater<br />
Mannheim, am Schauspiel Köln und<br />
am Schauspiel Essen uraufgeführt.<br />
als Jurist mit dem Leben auseinandersetzen.<br />
nun wechsele ich hin und<br />
her: es gibt Phasen, in denen man<br />
das Leben beschreiben kann, und es<br />
gibt Phasen, in denen man es leben<br />
muss. Ich kann deshalb auch nicht<br />
durchgehend intensiv schreiben. Ich<br />
muss immer wieder außerhalb des<br />
theaters arbeiten, um auf neue dinge<br />
zu stoßen, die mich inspirieren.<br />
Jan Neumann: Arbeitest du immer<br />
noch als Jurist?<br />
Reto Finger: Ja, hin und wieder.<br />
Nuran David Calis: Immer, wenn ich<br />
ihn anrufe, höre ich: „Ich verfasse<br />
gerade einen Bericht für einen richter.“<br />
Als ich ihn in Zürich besucht<br />
habe, sind wir durch das Büro irgendeines<br />
staatsanwaltes und haben<br />
Akten gesucht. manchmal findet<br />
man ihn nur noch im Gericht.<br />
Christoph Nußbaumeder: Ich wollte<br />
auch nie zum theater. Aber ich habe<br />
früh geschrieben. verschiedenes:<br />
Kurzprosa, Lyrik, alles mögliche und<br />
plötzlich entstand auch ein theaterstück.<br />
das wurde relativ rasch uraufgeführt<br />
und danach kamen die ersten<br />
stückaufträge. Ich hätte nie gedacht,<br />
dass es eine spezielle szene für dramatik<br />
gibt und dass man davon leben<br />
kann. Ich hatte mir Autoren immer<br />
eher wie Goethe vorgestellt (lacht):<br />
man macht irgendwie alles.<br />
Dirk Laucke: Ich habe szenisches<br />
schreiben studiert, an der udK in<br />
Berlin. mir war es auch nicht so klar,<br />
dass ich theaterautor werden möchte.<br />
Ich habe halt texte t geschrieben,<br />
auch mal ein theaterstück. Ich habe<br />
mich dann mit einem Fragment<br />
beworben und studiert, weil es besser<br />
war als Psychologie, was ich ursprünglich<br />
machen wollte. nach den<br />
ersten erfolgen bin ich dann auch in<br />
diese sogenannte spirale gekommen.<br />
Ich habe aber auch keinen Bock, einen<br />
anderen Beruf zu machen, also<br />
schreibe ich.<br />
Nuran, du bist Regisseur, Autor und<br />
Filmemacher. Was hast du studiert?<br />
Nuran David Calis: regie. In münchen,<br />
an der Falckenberg schule. daher<br />
kenne ich auch Jan neumann.<br />
der war auf der theaterakademie als<br />
schauspielschüler ein Jahrgang über<br />
mir. wir fanden das damals total<br />
krass, dass euer gesamter Jahrgang<br />
ans residenztheater engagiert wurde.<br />
Ihr wart unsere Idole.<br />
Jan Neumann: d a hattet ihr aber komische<br />
Idole.<br />
69<br />
EisEnstE nstE nst in<br />
von Christoph Nußbaumeder<br />
uraufführung am 26. september <strong>2010</strong><br />
in den Kammerspielen<br />
Glücklich sind sie nicht geworden, die schatzschneiders<br />
aus eisenstein. sind von eisenstein nach münchen gegangen,<br />
reicher geworden und mächtiger über die Jahre, aber<br />
das unglück lag wie ein Fluch über dieser Familie. dabei<br />
standen 1945 die sterne gut für den alten Josef schatzschneider:<br />
In den wirren der nachkriegsjahre hat er sich<br />
gut gestellt mit den Alliierten, hat seinen Bruder, der bei<br />
der ss war, durchbringen können und nebenbei noch erna,<br />
die junge Frau, die als Flüchtling zu ihnen kam in den letzten<br />
Kriegstagen. einen unehelichen sohn hat er mit ihr,<br />
glaubt er. der Junge Georg wächst in eisenstein auf, erhält<br />
Josefs Bruder zum stiefvater und wird zum ehrgeizigen und<br />
erfolgreichen unternehmer. Als Georg sich in Gerlinde,<br />
Josefs tochter, t verliebt, muss Josef seine vaterschaftvbeich- ten und das Paar trennen. erna schweigt zu alledem, doch<br />
sie allein und die wahrheit w über Georgs wirklichen vater v<br />
könnten die beiden unglücklichen erlösen. Als sie zu reden<br />
beginnt, ist es zu spät. Georg heiratet Heidi, die jüngere<br />
schwester Gerlindes, die ehe scheitert. erst die dritte Generation<br />
der schatzschneiders ist in der Lage, das schweigen<br />
und die Lügen zu durchbrechen.<br />
e ingebettet in historische und politische ereignisse<br />
erzählt Christoph nußbaumeder die saga einer zerrissenen<br />
Familie, die nicht zu sich findet. So ist es auch die<br />
Geschichte der Bundesrepublik deutschland, die sich nur<br />
langsam aus den schatten und dem schweigen der verganv genheit löst.<br />
Regie: Anselm Weber<br />
Bühne: Patrick Bannwart<br />
Kostüme: Meentje Nielsen<br />
Musik: Cornelius Borgolte<br />
Video: Bibi Abel<br />
Dramaturgie: Thomas Laue, Sabine Reich<br />
mit: dietmar Bär, roland Bayer, maja Beckmann, Annemarie<br />
Bubke, Bettina engelhardt, Andreas Grothgar, Jonas<br />
Gruber, martin Horn, Karolina Horster, Kristina-maria<br />
Peters, sierk radzei, Krunoslav Šebrek
„Das finde ich vollkommen in Ordnung.“<br />
Jan, du hast auch mehrere Berufe oder?<br />
Jan Neumann: nach meinem erstengagement<br />
als schauspieler in münchen<br />
bin ich ans schauspiel Frankfurt<br />
gegangen. dort ging es mir eine<br />
Zeit lang nicht gut. Also habe ich<br />
geschrieben: mein erstes stück, das<br />
ich schon auf der schauspielschule<br />
begonnen hatte. die uraufführung<br />
fand ich so schlimm, dass ich herausfinden<br />
wollte, ob es am Stück lag<br />
oder an der regie. Ich habe die Leitung<br />
in Frankfurt solange bearbeitet,<br />
bis ich es selbst inszenieren durfte.<br />
so wurde ich Autor und regisseur.<br />
Seitdem finde ich es ziemlich irre,<br />
wie dieser „markt“ funktioniert:<br />
man hat das Gefühl, dass jedes<br />
Jahr eine neue Generation erfunden<br />
wird und stellvertretend einer in die<br />
höchsten sphären des Feuilletons geschossen<br />
wird. man weiß genau, dass<br />
da schnell wieder ein neuer name<br />
zwischen den sternen steht. Ich habe<br />
erlebt, dass ich eine gute Kritik in der<br />
„süddeutschen“ hatte, und plötzlich<br />
kamen die Anrufe. Auch von Leuten,<br />
die seit Jahren kaum mit mir geredet<br />
haben. die haben mir plötzlich sachen<br />
angeboten, ohne überhaupt etwas<br />
gesehen zu haben. Ich finde das<br />
interessant, aber auch enttäuschend.<br />
Worüber habt ihr euch zuletzt richtig<br />
geärgert?<br />
Jan Neumann: über die deutsche<br />
Bahn, gerade eben wieder. das klingt<br />
total kleinkariert, aber es ist etwas,<br />
über das ich mich wirklich aufregen<br />
kann. Ich gehe oft in den speisewagen<br />
und ärgere mich darüber, dass es<br />
dort seit Jahren schlechter, aber dafür<br />
immer teurer wird. es geht überall<br />
nur um Gewinnmaximierung und<br />
um nichts anderes mehr. das klingt<br />
wirklich kleinkariert und gewollt politisch!<br />
Aber es ist doch überall so:<br />
Als die deutsche Bank vor kurzem 5<br />
milliarden Gewinn bekannt gegeben<br />
hat, habe ich mich richtig aufgeregt.<br />
Zwei tage vor der nacht, als Frau<br />
merkel und Herr Ackermann dieses<br />
erste rettungspaket für die Banken<br />
geschnürt haben, hat mich ein befreundeter<br />
Banker angerufen und<br />
meinte, er hätte gerade seine Konten<br />
bei der deutschen Bank aufgelöst,<br />
wIe Kommt K d dIe<br />
weLt Lt L Ins tHeAter? Ater? A — dIe Autoren<br />
denn es kursierten Gerüchte, dass<br />
die nächste wochew Pleite geht. Ab-<br />
solute Hysterie. und dann verkünden<br />
die wenige monate später einen<br />
5-millarden-Gewinn! wahnsinn.<br />
was w ich vermisse, ist eine generelle<br />
Form von moral als ein Gegenprogramm<br />
zur Gewinnmaximierung.<br />
Dirk Laucke: Ich denke nicht, dass<br />
man von Bankern eine moralische<br />
Jan Neumann<br />
geboren 1975 in München, lebt in<br />
Berlin. Der Autor, Schauspieler und<br />
Regisseur ist Spezialist für Stückentwicklungen.<br />
Dabei lässt er sich von<br />
einem Schlüsselbegriff leiten, dem er<br />
mit seinem Ensemble in Diskussionen,<br />
Recherchen, Improvisationen und biografischen<br />
Erkundungen nachgeht. So<br />
hat er bereits eine Anzahl spannender<br />
und weithin wahrgenommener Stücke<br />
und Inszenierungen geschaffen: „Kredit“<br />
am Schauspiel Frankfurt, „Fundament“<br />
am Staatstheater Stuttgart und<br />
zuletzt „Gott allein“ am Staatsschauspiel<br />
Dresden. Darüber hinaus inszeniert<br />
Jan Neumann auch die Werke anderer<br />
Autoren und schreibt Stücke, bei<br />
denen er nicht selbst Regie führt und<br />
die am Thalia Theater in Hamburg, am<br />
Düsseldorfer <strong>Schauspielhaus</strong> und am<br />
Schauspiel Essen uraufgeführt wurden.<br />
Position erwarten kann. die machen<br />
ihren Job aus ihrer sicht genau<br />
richtig, auch wenn sie scheiße bauen.<br />
das kann man ihnen nicht vorwerfen,<br />
sie sind schließlich nicht für<br />
Amnesty International engagiert.<br />
Jan Neumann: Aber wenn ich darüber<br />
70<br />
schimpfe, kann ich wenigstens eine<br />
sehnsucht formulieren. es gibt keine<br />
Gesprächskultur mehr, in der die<br />
dinge an- und ausgesprochen werden,<br />
wie sie sind. schon gar nicht in<br />
der Politik. Ich verstehe nicht, wie zum<br />
Beispiel so eine hochkarätige truppe t<br />
wie auf der Klimakonferenz keine<br />
Form der Kommunikation findet.<br />
Christoph Nußbaumeder: Ich glaube,<br />
das ist ein symptom für ganz viele<br />
Bereiche in der Gesellschaft, aber<br />
darüber kann ich mich nicht so<br />
echauffieren! Die Ursachen liegen<br />
ganz woanders.<br />
Jan Neumann: Klar, sind das nur symptome.<br />
die ursache kann ich aber<br />
letztendlich nicht greifen. Ich kann<br />
mich deshalb ehrlicherweise auch<br />
nicht hinstellen und sagen: Kapitalismus<br />
ist scheiße, weg mit dem Kapitalismus.<br />
Nuran David Calis: der Gesellschaftspakt,<br />
den es ja mal gab und zu teit len immer noch gibt, wird nach und<br />
nach ausgehöhlt. unterm strich laufen<br />
die dinge gegen uns und überm<br />
strich soll es so aussehen, als würde<br />
alles für uns getan. Alles ist darauf<br />
bedacht, das system am Laufen zu<br />
halten, dabei wird es im Kern immer<br />
weiter ausgehöhlt.<br />
Also Revolution?<br />
Nuran David Calis: vielleicht utopien.<br />
wo w steuert unsere Gesellschaft<br />
hin?<br />
Dirk Laucke: m ichail Bakunin, ein<br />
Anarchist, meinte, dass die utopie<br />
die Leute verrät, weil sie ein Bild von<br />
einem Paradies schafft, das es gar<br />
nicht gibt. Bakunin ist im Prinzip für<br />
eine permanente entwicklung. das<br />
ist ja vielleicht auch im theater immer<br />
wieder der Fall. die Glücksmomente<br />
der Freiheit beim schreiben<br />
oder Proben sind ja die momente des<br />
Ausprobierens.<br />
Christoph Nußbaumeder: m an kann<br />
von den meisten menschen nicht<br />
erwarten, dass sie permanent revolution<br />
betreiben. man sehnt sich ja<br />
auch nach sicherheit und festen or-
ten. das ist die diskrepanz zwischen<br />
wille und wirklichkeit.<br />
Dirk Laucke: w ir ziehen uns zurück<br />
und horten unseren reichtum!<br />
Jan Neumann: Ich kann doch nicht<br />
glaubhaft den Aufruf zur revolution<br />
hinschreiben. Ich kann auch kein<br />
politisches theater machen, weil ich<br />
mich beim schreiben in viel zu viele<br />
Positionen hineindenken kann. Ich<br />
erzähle lieber von der schwierigkeit,<br />
Position zu beziehen und wie unmöglich<br />
das heute ist.<br />
Reto Finger: es gibt nicht mehr nur<br />
die eine Antwort. das ist ein symptom<br />
unserer Generation. es ist eine<br />
große Herausforderung, davon nicht<br />
paralysiert zu werden. dass ich nicht<br />
nur schreiben darf, wenn ich die Gesamtantwort<br />
habe. Ich muss mich<br />
damit begnügen, die widersprüche<br />
zu ertragen und eine teilantwort t<br />
zu<br />
liefern. wir müssen uns damit abfinden,<br />
dass wir im Gegensatz zu der<br />
Generation vor uns keine monokausalen<br />
Antworten mehr liefern können.<br />
Dirk Laucke: d as finde ich vollkommen<br />
in ordnung.<br />
Christoph Nußbaumeder: die monokausalen<br />
stücke waren auch schlechte<br />
stücke.<br />
Jan Neumann: Zu ihrer Zeit vielleicht<br />
nicht.<br />
Dirk Laucke: was in deutschland in<br />
der tradition,t in der wir stehen, über-<br />
haupt nicht geht, ist menschen von<br />
der Bühne herab modelle vorzusetzen,<br />
wo dann alle zur tat t schreiten<br />
sollen. Ich habe schiss vor Konzepten,<br />
die so einheitlich sind. es gibt ja<br />
nicht nur das linke Konzept. wenn w<br />
allen Leuten klar gemacht wird, dass<br />
deutschland sich abschotten muss<br />
vor einer Bedrohung, die Globalisierung<br />
heißt, dann ist auf jeden Fall<br />
auch das rechte Konzept im Kommen.<br />
e s gibt sehr viele Parallelen in linken<br />
wie rechten Konzepten. daher<br />
habe ich Bedenken vor monokausalen<br />
Antworten. Ich sehe mich lieber<br />
als ein Finger in den wunden. w<br />
Nuran David Calis: mir reicht das<br />
nicht, es einfach nur bei der Kritik zu<br />
belassen oder zu sagen: es gibt so viele<br />
Antworten. eine Antwort reicht,<br />
wenn es deine ist. Ich will meine eine<br />
Antwort schon kundtun. dafür kassiere<br />
ich dann auch gerne Prügel.<br />
Jan Neumann: mir ist es wichtiger,<br />
Fragen zu stellen. oder zu fragen,<br />
welche Fragen nicht gestellt werden.<br />
Würdet ihr alle zustimmen, dass es<br />
eure Aufgabe ist, Dinge kritisch zu beschreiben?<br />
Jan Neumann: ein teil der Aufgabe,<br />
ja. Ansonsten natürlich spaß, unterhaltung,<br />
erzählen.<br />
Dirk Laucke: spaß bedeutet auch,<br />
dass ich spaß habe beim schreiben.<br />
Reto Finger: Ich kann mir gut vorstellen,<br />
dass sich die Probleme so<br />
zuspitzen, dass es irgendwann wieder<br />
denkbar wird, stücke zu schreiben,<br />
die die eine Antwort liefern. unsere<br />
Gesellschaft steuert auf missstände<br />
zu, die ab einem gewissen Punkt einfach<br />
zu beantworten sind. Ich kenne<br />
die situation in deutschland nur aus<br />
der Zeitung. In der schweiz werden<br />
unter dem titel „sparen“ sozialleistungen<br />
abgebaut, was früher oder<br />
später in schweizer städten zu sozialen<br />
unruhen führen wird. vor v zwei<br />
71<br />
HocHstapEln<br />
von Jan Neumann<br />
uraufführung am 2. dezember <strong>2010</strong> im theater unten<br />
„Hochstapeln“ meint nicht nur die klassischen Hochstapler,<br />
millionenbetrüger, Lügner. das experiment wäre,<br />
diesen Begriff auf alle Lebensbereiche auszudehnen. wann w<br />
stapeln wir hoch?<br />
Welche Geschichten, welche Realitäten erfinden wir im<br />
Angesicht der Krise? welche w sicherheiten bleiben, wenn<br />
nichts mehr gedeckt ist? dem Geldwert schon längst kein<br />
sachwert mehr entspricht? und nichts mehr im verhältv nis steht? welche w Behauptungen werden aufgestellt? In der<br />
wirtschaft? der Politik? Im Privatleben? wie erschwindeln<br />
wir uns Geld? Aufmerksamkeit? Liebe? Wie erfinde<br />
ich mich selbst? In meinem Facebook-Profil? In meiner<br />
Beziehung? Im Beruf? Wann beginnen wir zu erfinden?<br />
Hochstapler sind märchenerzähler: „das wichtigste,<br />
wenn sie betrügen wollen, sie müssen ihre Geschichte<br />
einfach und logisch erzählen“, rät Profibetrüger Mark Z.<br />
sie sind Geschichtenerzähler, schauspieler, manipulierer –<br />
wie wir alle.<br />
„Hochstapeln“ ist eine stückentwicklung. Ausgehend<br />
von einem schlüsselbegriff entsteht der theatertext während<br />
der Probenzeit – gemeinsam mit den schauspielern,<br />
vor ort und für die stadt.<br />
Regie: Jan Neumann<br />
Bühne: Thomas Goerge<br />
Kostüme: Nini von Selzam<br />
Dramaturgie: Anna Haas
„Der schonungslose, subjektive Blick.“<br />
wochen w hat in Zürich eine „ reclaim<br />
the street“-Party stattgefunden.<br />
die ist in eine regelrechte straßenschlacht<br />
ausgeartet.<br />
Dirk Laucke: e s gibt zurzeit eine starke<br />
tendenz t zu stücken oder Projekten,<br />
die lokal oder regional sind.<br />
da sehe ich Chancen, dass theater<br />
politisch wird. wenn w ich ein stück<br />
für ein bestimmtes theater schreibe,<br />
stelle ich die Frage, was in der region<br />
gerade so kocht, was da brennt. In<br />
dem moment ist man sehr konkret.<br />
dass diese paar einzelfälle, mit denen<br />
man sich beschäftigt, dann aber<br />
immer für etwas Großes stehen müssen,<br />
finde ich schwierig.<br />
Christoph Nußbaumeder: Aber das ist<br />
doch die Kunst dabei. erstmal der<br />
schonungslose, subjektive Blick. das<br />
ist das Beste, reinste was man machen<br />
kann. wenn w darüber sprachbilder<br />
oder momente entstehen, die<br />
ein Bild für das so genannte Große<br />
sind, dann ist es wunderbar.<br />
Jan Neumann: d irk, du hattest doch<br />
diesen skandal mit den „ultras“ in<br />
Halle? das war lokal, dann überregional<br />
und am ende ein Politikum.<br />
Dirk Laucke: da gab es einige missverständnisse.<br />
„ultras“ war ein Projekt,<br />
das ich in Halle mit Fußballfans<br />
entwickelt und inszeniert habe. die<br />
„ultras“ sind fanatische Fußballfans,<br />
die nicht überall rechts sind. In Halle<br />
allerdings schon. die sagen von<br />
sich, dass sie unpolitisch sind, und<br />
werden in der stadt geduldet. sie tragen<br />
rechte Klamotten, haben rechte<br />
Freunde und ein rechtes weltbild: w<br />
also Chauvinismus, Homophobie,<br />
sexismus, nationalismus, alles was<br />
rechts ist. und trotzdem sagen sie, sie<br />
seien unpolitisch.<br />
d as war die schwierigkeit in der<br />
Arbeit mit ihnen, dass sie sich und<br />
der Öffentlichkeit nicht eingestehen<br />
wollten, dass sie selbst Faschos sind.<br />
Letzten endes konnte man es in der<br />
Inszenierung nicht mehr verbergen.<br />
sie haben sich durch ihr eigenes verv halten verraten.<br />
Jan Neumann: Ist das Bewusstsein im<br />
Laufe der Arbeit gewachsen?<br />
wIe Kommt K d dIe<br />
weLt Lt L Ins tHeAter? Ater? A — dIe Autoren<br />
Dirk Laucke: In der Probenzeit gab<br />
es immer wieder Augenblicke, wo<br />
entweder die ganze Gruppe gedroht<br />
hat abzuspringen oder einzelne ausgestiegen<br />
sind. Aber es gab auch momente,<br />
die emanzipatorisch waren.<br />
wo w sie im theater eine Chance gesehen<br />
haben, die sie vorher nicht hatten.<br />
das ist irgendwann kaputt gegangen,<br />
weil ich dem Chef verboten<br />
habe, bei dem Projekt mitzumachen,<br />
Nuran David Calis<br />
geboren 1976 in Bielefeld, lebt heute<br />
in München. Der Autor, Theater- und<br />
Filmregisseur zeichnet sich durch ein<br />
großes Gespür für die Sprache und das<br />
Lebensgefühl junger Menschen aus.<br />
2008 kam sein erster abendfüllender<br />
Spielfilm „Meine Mutter, mein Bruder<br />
und ich“ in die deutschen Kinos. Seine<br />
viel beachtete Bearbeitung von Wedekinds<br />
„Frühlings Erwachen!“, die am<br />
Schauspiel Hannover uraufgeführt<br />
wurde, hat er ebenfalls selbst verfilmt.<br />
Neben den Überschreibungen litera litera-<br />
rischer Stoffe erarbeitet er Stücke mit<br />
Jugendlichen, darunter „Homestories“<br />
am Schauspiel Essen. Für das <strong>Schauspielhaus</strong><br />
<strong>Bochum</strong> entwickelt und<br />
inszeniert er im Rahmen von NEXT<br />
GENERATION ein Stück mit Jugendlichen<br />
aus <strong>Bochum</strong>, Essen, Duisburg und<br />
Herne (siehe Seite 56).<br />
und ihnen klar geworden ist, dass sie<br />
als rechte wahrgenommen werden.<br />
Jetzt haben wir streit.<br />
Wo seid ihr zu Hause?<br />
Nuran David Calis: In münchen. Ich<br />
liebe diese stadt. schon immer. Ich<br />
72<br />
bin zutiefst FC-Bayern-Fan. Ihr werdet<br />
mich hassen.<br />
Warum München?<br />
Nuran David Calis: Ich bin in Bielefeld<br />
groß geworden. wir sind dort<br />
ins Fußballstadion gegangen: Bayern<br />
gegen Arminia. Ich musste mit den<br />
Kumpels immer in die Fankurve der<br />
Bielefelder.<br />
Aber als ich den rummenigge<br />
gesehen habe, mit diesen krassen<br />
oberschenkeln, da wusste ich einfach,<br />
dass ich mehr münchner und<br />
Bayer bin.<br />
Christoph Nußbaumeder: wobei der<br />
rummenigge aus westfalen w kommt!<br />
Nuran David Calis: die haben ihn<br />
auch immer als verräter v beschimpft.<br />
Spielt Herkunft für euer Schreiben eine<br />
Rolle? Bist du beim Schreiben ein Bayer,<br />
Christoph?<br />
Christoph Nußbaumeder: natürlich<br />
spielt Herkunft eine rolle, wahrscheinlich<br />
das ganze Leben lang.<br />
Gewisse erfahrungen oder Begegnungen<br />
mit menschen aus einer bestimmten<br />
ortschaft oder Landschaft<br />
bringen eine gewisse mentalität mit<br />
sich. das sind eingebrannte Bilder.<br />
Reto Finger: das schärft sich noch<br />
durch den Abstand, wenn man weggeht.<br />
Christoph Nußbaumeder: Klar, und es<br />
ist ambivalent. man mag ganz vieles<br />
nicht und manches eben doch. es<br />
ist ein teil t von einem selbst. man<br />
schreibt ja auch über das, was man<br />
nicht aushält. Gerade das beschäftigt<br />
einen. Ich schreibe ja keine oden.<br />
Du bist Schweizer, Reto. Das war man<br />
früher ja gerne. Ist es in letzter Zeit<br />
schwieriger geworden?<br />
Reto Finger: es gab eine Zeit, wo das<br />
irgendwie süß, nett und schön war.<br />
Jetzt sind auch andere Adjektive dazu<br />
gekommen wie ...<br />
Jan Neumann: ... habgierig … böse …<br />
gehässig …
Nuran David Calis: ... Gangster ...<br />
Bangster.<br />
Reto Finger: m an hat ja nicht die<br />
wahl.w Aber noch bin ich nicht so-<br />
weit, dass ich lieber Franzose oder<br />
deutscher wäre. Ich bin in einem<br />
kleinen dorf, fernab der stadt, im emmental<br />
groß geworden. das spielt für<br />
mein schreiben absolut eine rolle.<br />
Kommst du nicht aus so einer Hippie-<br />
Familie?<br />
Reto Finger: Ich war zum einen mit<br />
meiner mutter auf einem Bauerndorf<br />
in rumendingen und an den<br />
wochenenden w bei meinem vater v in<br />
einer Kommune im Jura. Heimat ist<br />
immer ein guter ort, um essenzielle<br />
dinge rausschälen zu können.<br />
Dirk Laucke: das finde ich auch.<br />
wobei w ich durch Halle an der saale<br />
nicht unbedingt positiv beeinflusst<br />
bin. man kann da von einer Hassliebe<br />
sprechen. es war nun mal eine<br />
sehr konfliktreiche Gegend und das<br />
lässt mich nicht mehr los: diese gesellschaftlichen<br />
umbrüche, die in<br />
meiner Familie stattgefunden haben,<br />
und was ich in meiner Jugend dort<br />
erlebt habe. wenn w ich recherchiere,<br />
fällt mir ein: Ach, ich kenne ja so einen<br />
stasi-mann – wo habe ich den<br />
kennen gelernt? – in Halle. dann<br />
kann ich den ja mal interviewen. so<br />
gesehen ist Halle noch immer meine<br />
Quelle.<br />
Würdest du dich als ostdeutschen Autor<br />
bezeichnen?<br />
Dirk Laucke: das würde ja heißen,<br />
dass ich so einen sonderfall von<br />
ostdeutschland annehme, und das<br />
klingt fast positiv besetzt, als ob ich<br />
das gut finden würde, dass es ein<br />
ost- und ein westdeutschland w<br />
gibt.<br />
Was ist als Erstes da, wenn ihr mit einem<br />
Stück beginnt?<br />
Reto Finger: e ine Atmosphäre, eine<br />
temperatur, t<br />
ein Gefühl dafür, wie es<br />
schmecken muss, wenn es schmecken<br />
würde.<br />
Nuran David Calis: oder ein Film. Ich<br />
lasse beim schreiben extreme Zustände<br />
aufeinander zufahren.<br />
Ich brauche das, um in dialog mit<br />
einem text t zu kommen. dann kann<br />
ich ihn als Inspirationsquelle nehmen<br />
und mich dort im Kern aber frei<br />
bewegen.<br />
Jan Neumann: Für mich stehen am<br />
Anfang ein Gedanke oder eine situation.<br />
etwas, dass ich interessant<br />
Dirk Laucke<br />
geboren 1982 in Schkeuditz in Sachsen,<br />
wuchs in Halle an der Saale auf.<br />
Nach einem abgebrochenen Psychologiestudium<br />
in Leipzig studierte er von<br />
2004 bis 2008 Szenisches Schreiben<br />
an der der Universität der Künste Berlin<br />
(UdK). Für sein Stück „alter ford<br />
escort dunkelblau“ erhielt er 2006 den<br />
Kleist-Förderpreis für junge Dramatik,<br />
2007 wurde er in der Kritikerumfrage<br />
der Zeitschrift „Theater heute“ zum<br />
Nachwuchsautor des Jahres gewählt.<br />
„Laucke hat eine eigene Sprache gefunden,<br />
die Wirklichkeit auf die Bühne zu<br />
bringen. Ausgestattet mit einem feinen<br />
Gespür für Figuren, nimmt er besonders<br />
Randfiguren der Gesellschaft ins Visier“,<br />
hieß es in der Jurybegründung zum Dramatikerpreis<br />
des Kulturkreises der deutschen<br />
Wirtschaft im BDI, mit dem er<br />
<strong>2010</strong> ausgezeichnet wurde. Darüber<br />
hinaus entwickelt Dirk Laucke auch als<br />
Regisseur Theaterprojekte mit Laien, so<br />
zuletzt „Ultras“ mit jugendlichen Fußballfans<br />
am Thalia Theater Halle.<br />
finde und über das ich weiter nachdenken<br />
möchte.<br />
Christoph Nußbaumeder: Bei mir ist<br />
es eine situation oder eine Konstel-<br />
73<br />
Jimi Bowatski<br />
Hat H k kEin<br />
scHamg Hamg H EfüHl<br />
von Dirk Laucke<br />
uraufführung am 25. märz <strong>2011</strong> in den Kammerspielen<br />
Jochen Bowatski lässt sich von allen gerne Jimi nennen,<br />
weil alle Großen Jimi hießen – Hendrix, dean und morrison.<br />
nur sind alle großen Jimis tot und Jochen ist gerade<br />
50 geworden. die Autozuliefer-Fabrik, in der er seit zwanzig<br />
Jahren arbeitet, wird nach Indien verfrachtet und er steht<br />
vor dem Aus. er schnappt sich seinen Kumpel markus<br />
welt, w dessen tochter t und Lebensinhalt sich demnächst<br />
wohl auch mit ihrer mutter, markus’ ex, aus dem radius<br />
seiner ALGII-technischen Residenzpflicht verabschieden<br />
wird. markus’ ex hat einen besseren Job in der schweiz.<br />
da marschieren Jimi und markus ins werk, w um dem Chef<br />
die rechnung zu präsentieren, doch statt den Chef im Büro<br />
erwischen sie seine Frau im Bett mit dem jungen, schicken<br />
Lúc, man kann ihn auch Lutz nennen.<br />
Als der werksleiter w auch noch tot aufgefunden wird,<br />
übernimmt Jimi Bowatski gänzlich die Kontrolle. die Inder<br />
werden am nächsten tag t heimgeschickt, das werk w besetzt.<br />
und Jimi Bowatski wäre kein Jimi Bowatski, wenn das kein<br />
von erfolg gekröntes unternehmen wäre. Jimis Aktion zur<br />
sicherung deutscher Arbeitsplätze wird als modellprojekt<br />
gepriesen. sogar markus’ ex kommt aus der schweiz vorbei,<br />
um mit ihm über seine vaterrolle v zu reden. nur der<br />
gigolomäßige Lúc will sich mit einer richtigen Arbeit nicht<br />
so ganz anfreunden und kriegt seine rechnung präsentiert,<br />
als Jimi Bowatski sein schamgefühl gänzlich verloren hat.<br />
dirk Lauckes neues stück erzählt von echten Helden und<br />
wahren Freunden, die bei jedem schritt auf neue Feindbilder<br />
stoßen, auch wenn stets die alten Abhängigkeiten im<br />
spiel sind.<br />
Regie: Heike M. Götze<br />
HEikE M. GöTzE<br />
wird das neue Stück von Dirk Laucke inszenieren. Bereits<br />
während ihres Studiums an der Zürcher Hochschule<br />
der Künste war Heike M. Götze mit ihren Inszenierungen<br />
zu den Zürcher Festspielen und zum Zürcher<br />
Theaterspektakel eingeladen. Für ihre Diplominszenierung<br />
„Spieltrieb“ nach Juli Zehs gleichnamigem Roman<br />
wurde sie 2008 mit dem Körber-Preis für Junge Regie ausgezeichnet.<br />
Seitdem arbeitet sie regelmäßig am Theater Basel,<br />
am <strong>Schauspielhaus</strong> Zürich und am Schauspiel Hannover.<br />
Am Schauspiel Essen hat sie in der vergangenen Spielzeit<br />
John Osbornes „Blick zurück im Zorn“ inszeniert. Ihre<br />
Inszenierungen zeichnen sich durch eine hohe körperliche,<br />
fast tänzerische Energie aus, verbunden mit absoluter Genauigkeit<br />
im Umgang mit Sprache. Hin und wieder steht sie<br />
auch selbst als Schauspielerin auf der Bühne, so zuletzt am<br />
Schauspiel Hannover als Christian in „Das Fest“ nach dem<br />
Film von Thomas Vinterberg.
Bühne frei für unsere Kunden<br />
Hunderttausende sind Tag für Tag in unseren modernen Bussen und Bahnen<br />
unterwegs. Jeder hat dabei sein eigenes Ziel: Ob zur Schule, zur Arbeit, zum<br />
Einkaufen oder zum <strong>Schauspielhaus</strong>. Steigen Sie ein! - Wir bringen Sie hin.<br />
ServiceTelefon: 0180 3 504030 www.bogestra.de<br />
(0,09 €/Min. aus dem Festnetz, Mobil max. 0,42 €/Min.)<br />
Fotografie: Renate Ritzenhoff
lation und dann gärt das erstmal vor<br />
sich hin. Ich habe ein notizbüchlein<br />
bei mir, da schreibe ich immer mal<br />
was rein. Vieles fliegt einem ja zu.<br />
Dirk Laucke: die Frage ist ja, wie<br />
kommt die welt w auf die Bühne? Bei<br />
mir ist es so, dass ich entweder eigene<br />
erlebnisse übersteigert weiterdenke<br />
oder Begegnungen mit menschen,<br />
die ich hatte. Ich habe einen soldaten<br />
aus Afghanistan kennen gelernt<br />
und mich mit ihm unterhalten.<br />
dann recherchiere ich auch gezielt,<br />
wie bei dem Stasi-Offizier. Ich gehe<br />
zwar nicht in Bibliotheken, aber ich<br />
lese viel. nicht so theaterkram, sondern<br />
eher politisches Zeug.<br />
Nuran David Calis: Ich bin auch nicht<br />
der typ,t der in die Bibliothek recher-<br />
chieren geht. Ich beziehe meine Arbeit<br />
aus dem Alltag und dem echten<br />
Leben. Jeder in meiner Familie oder<br />
der mit mir befreundet ist, muss mit<br />
der Gefahr leben, in einem meiner<br />
stücke zu landen.<br />
Reto Finger: Ja. das wird vom umfeld<br />
gefürchtet.<br />
Was wünscht ihr euch als Autoren vom<br />
Theater?<br />
Reto Finger: Je länger ich schreibe,<br />
desto wichtiger wird es, dass es eine<br />
Kontinuität im Austausch gibt. Auch<br />
um dinge abzubauen, die ich als<br />
nicht förderlich empfinde, wie Buhlen<br />
um vertrauen v oder Angst haben<br />
vor Premieren. In truppentzusam- menzuarbeiten, die eine gewisse Zeit<br />
dauern, finde ich immer wichtiger.<br />
Nuran David Calis: Ich mache theater<br />
aus dem Bewusstsein einer Gang,<br />
einer Bande heraus. wo w ich arbeite,<br />
entscheide ich über Persönlichkeiten:<br />
mit welchen menschen möchte<br />
ich theater machen und was für<br />
eine Geschichte verbindet uns. mit<br />
euch wäre ich überall hingegangen.<br />
die persönliche erfahrung mit einer<br />
theatermannschaft durch dick und<br />
dünn gegangen zu sein und am ende<br />
etwas auf die Beine gestellt zu haben,<br />
wo man nur für sich weiß, dass man<br />
da irgendwie schlauer raus geht, als<br />
man rein gegangen ist.<br />
Christoph Nußbaumeder: d ie Frage<br />
muss ich aufteilen. was w wünscht<br />
man sich während der Arbeit und<br />
was von dem ergebnis? Gibt es da<br />
eine wechselwirkungw mit dem Pub-<br />
likum? Hat es überhaupt eine wirkung?<br />
das andere ist, dass ich auch<br />
einen fruchtbaren Austausch will,<br />
also einen offenen und schonungslosen<br />
– im besten sinne des wortes<br />
– und nicht nur als erfüllungsgehilfe<br />
Reto Finger<br />
geboren 1972 in Bern, aufgewachsen<br />
im Emmental, ist ursprünglich Jurist.<br />
Heute arbeitet er am Bezirksgericht<br />
Zürich, schreibt Theaterstücke und inszeniert.<br />
Für „Kaltes Land“ erhielt er<br />
2005 den Kleist-Förderpreis für junge<br />
Dramatik.<br />
Als Hausautor am Nationalthea<br />
Nationalthea-<br />
ter Mannheim entwickelte er die Reihe<br />
„Fingers Freunde“, die er auch am<br />
<strong>Schauspielhaus</strong> Zürich fortführte. Am<br />
Schauspiel Essen wurde sein Stück „Einer<br />
wie ich würde mich vom Springen<br />
auch nicht abhalten“ (2007) uraufgeführt,<br />
am <strong>Schauspielhaus</strong> Zürich „Vorstellungen<br />
und Instinkte“ (2009).<br />
oder Autorenhaustier texte t abliefere.<br />
Dirk Laucke: Ich finde es spannend,<br />
ob ich in so einer stadt wie <strong>Bochum</strong><br />
einen Blick finden kann, der angemessen<br />
ist. Im moment denke ich,<br />
dass das ruhrgebiet dem osten gar<br />
nicht so fern ist. und ich möchte herausfinden,<br />
ob das stimmt.<br />
75<br />
DEr fall f DEs<br />
roBErt k.<br />
von Reto Finger<br />
uraufführung im mai <strong>2011</strong> in den Kammerspielen<br />
„Lasst mich ein paar worte w an euch richten, ich kam zu<br />
spät, ich komm immer zu spät, wie Max zu sagen pflegt,<br />
aber lasst mich trotzdem, jetzt wo wir alle gegessen und<br />
auch ein wenig getrunken haben, ein paar worte w nur, wie<br />
gesagt, aus gegebenem Anlass: Auf die Blutsverbundenen<br />
und ihre Zugewandten! Auf die, die mich ein zweidrittel<br />
Leben lang begleitet haben. Ich bin selten betrunken genug,<br />
euch dafür zu danken, dabei müsste ich das viel öfters<br />
tun, weil man nur bei Blutsverbundenen und Zugewandten<br />
sicher sein kann, dass es keine meuchelmörder sind,<br />
und je älter man wird, desto wichtiger ist es, dass man einen<br />
Bogen macht um meuchelmörder.“<br />
Robert in „Der Fall des Robert K.“<br />
der unternehmer robert Keller feiert gerne Feste und sich<br />
selbst. Jedes Jahr laden er und seine Gattin Jasmin seinen<br />
Bruder max und dessen Frau sandra für ein langes wow chenende ein. der dritte Bruder, michael, ist nie eingeladen.<br />
er will auch nicht kommen. dass michael in diesem<br />
Jahr entgegen allen erwartungen plötzlich doch auftaucht,<br />
damit hätte robert nicht gerechnet. Als auch noch vera v<br />
auftaucht und behauptet, sie würde dazugehören, obwohl<br />
sie niemand kennt, beginnt die Fassade von roberts welt w<br />
zu bröckeln.<br />
Regie: Anselm Weber
PHANTOMSCHMERZ<br />
TExT: SabinE REich<br />
FOTOS: LaRS hiLLEn<br />
KaRSTEn RiEdEL & chRiSTOph FRicK — phanTOMSchMERz<br />
77<br />
DiE MEiSTEN DENkEN, ROMANTik SEi<br />
DANN vONNöTEN, wENN EiNE FRAu<br />
vERFüHRT ODER EiNE EHE gERETTET wER-<br />
DEN MuSS. DAS iST FAlSCH. wAS STiMMT,<br />
iST, DASS ROMANTik iMMER DANN ZuM<br />
EiNSATZ kOMMT, wENN ES uNgEMüTliCH<br />
wiRD. DiE wElT wiRD kAlT uND<br />
wiR SiTZEN AM küNSTliCHEN kAMiN.<br />
wiR SiND ROMANTikER, SEiT übER HuN-<br />
DERT JAHREN. ZEiT, NiCHT läNgER DEN<br />
MOND ANZuHEulEN uND SiCH ENDliCH<br />
MAl wAS NEuES AuSZuDENkEN.
KaRSTEn RiEdEL<br />
(VORhERiGE SEiTE)<br />
iST pUnK Und<br />
ROManTiKER Und<br />
EinER dER bESTEn<br />
MUSiKER bOch-<br />
UMS. ER TRiFFT aUF<br />
dEn REGiSSEUR<br />
chRiSTOph FRicK<br />
(LinKS).<br />
DER HERbSTwiND<br />
SCHüTTElT DiE liNDE,<br />
wiE gEHT DiE wElT<br />
SO gESCHwiNDE!<br />
D<br />
(JOSEph VOn EichEndORFF, zUM abSchiEd)<br />
KaRSTEn RiEdEL & chRiSTOph FRicK — phanTOMSchMERz<br />
ie Welt ändert sich ständig und manchmal gibt es<br />
Momente, in denen sie besonders schnell zu gehen<br />
scheint. dann meinen wir zu sehen, wie sie rast und sich<br />
verändert so geschwinde. Es gibt Menschen, die glauben,<br />
jedes Mal wenn Steve Jobs mit einem Gerät in der hand<br />
auf einem bildschirm erscheint, verändere sich die Welt.<br />
andere glauben, die Welt verändere sich, wenn junge<br />
Männer ohne Jacken computer auf die Straße tragen und<br />
keine arbeit mehr haben. am 11. September 2001 haben<br />
wir endlos gedehnte lange Sekunden auf das Flugzeug gestarrt,<br />
das auf das haus zuraste. Wir haben zugesehen, wie<br />
die Welt sich veränderte, geschwinde.<br />
dass die Welt sich ändert, behaupten und befürchten<br />
wir nicht erst seit der letzten, aktuellen Krise. Wir hoffen<br />
auf die Erfolge der Wissenschaft, Forschung und Technologie,<br />
die seit Mitte des 19. Jahrhunderts die Gesellschaften<br />
industrialisieren und modernisieren, doch ebenso<br />
lange kursieren katastrophische Szenarien. die zukunft<br />
Europas sah immer schon finster aus und das Abendland<br />
geht unter, nicht erst, seitdem Klimawandel und Globalisierung<br />
debattiert werden.<br />
die stetige, immer rasanter werdende Veränderung der<br />
Welt ist einer der fundamentalen Glaubenssätze des modernen<br />
Europas. Es ist die tiefe Überzeugung der Moderne<br />
selber, die an Veränderung glaubt und sich niemals entscheiden<br />
kann, ob sie sie ersehnt oder fürchtet. in dieser<br />
ambivalenz liegt ein Kern der Moderne: sie begrüßt die<br />
Veränderung der Welt als Triumph, wenn sie sich selber<br />
als agent und Motor der Veränderung beschreibt, doch<br />
79<br />
sie prophezeit den drohenden niedergang und Untergang,<br />
wenn Veränderungsprozesse erlitten und eingeschrieben<br />
werden in Menschen und Ordnungen. beide perspektiven<br />
kennzeichnen das moderne europäische denken bis<br />
heute.<br />
Geschwindigkeit und Veränderung sind Leistungen, auf<br />
die Europa stolz ist: es geht voran. Technologie, Forschung,<br />
Ökonomie, perfekt verzahnt und immer in bewegung. Wir<br />
glauben an den stetigen Wandel, an Fortschritt, Wachstum,<br />
Expansion und innovation.<br />
aus dem Selbstverständnis, stetiger Motor des Wandels<br />
zu sein, bezieht Europa im Kern seinen Stolz und seine hegemoniale<br />
Vormachtstellung in der Welt. Wir waren eben<br />
immer ein bisschen schneller als die anderen.<br />
wiR SiND SO TiEF bETRübT,<br />
wENN wiR AuCH SCHERZEN;<br />
DiE MENSCHEN TOSEN uNTEN,<br />
gEHEN uND REiSEN,<br />
DiE wElT ZiEHT STill uND STRENg<br />
iN iHREN glEiSEN,<br />
EiN FEuCHTER wiND vERlöSCHT<br />
DiE luSTgEN kERZEN.<br />
g<br />
(JOSEph VOn EichEndORFF, SOnETT)<br />
leichzeitig wird die Moderne als tief greifende Erfahrung<br />
von Verlusten beschrieben: der Verlust<br />
von autonomie und Selbstbestimmung scheint massiv,<br />
Menschen und ganze Gesellschaften wirken maschinell<br />
und kalt. Weil nicht das Schöne und Gute, nicht Empfindungen<br />
zählen, sondern die Ware, die Effektivität und die<br />
Leistung. Weil wir zuviel verloren haben: die natur, das<br />
authentische, das Echte und Unmittelbare, die Moral und<br />
den Glauben. Weil wir den boden unter den Füßen verlieren<br />
und wir uns viel zu schnell drehen.<br />
auch gerade jetzt im Moment schauen wir zurück und<br />
konstatieren Verluste und Krisen in allen bereichen: nie<br />
schien die Welt so dem Untergang geweiht, nie so krisengeschüttelt<br />
und finster. Wir bedauern den Verlust sozialer<br />
Sicherheit und familiärer bindung, ökonomischer und politischer<br />
Verbindlichkeit.<br />
aber daran sollten wir uns gewöhnt haben. das ist<br />
nichts neues. Es sind die alten Fragen und die alten bilder,<br />
die uns leiten. Wir sind optimistische Führungspersönlichkeiten<br />
und hoffnungslose Melancholiker in einem<br />
atemzug, selbstbewusste Macher und Romantiker. doch<br />
wir trauern seit vielen Jahren um Verluste, an die wir uns<br />
nicht erinnern können. phantomschmerzen.
wiR wOllEN STillE SiTZEN<br />
uND NiCHT wEiNEN<br />
i<br />
KaRSTEn RiEdEL & chRiSTOph FRicK — phanTOMSchMERz<br />
(JOSEph VOn EichEndORFF, SOnETT)<br />
t‘s the end of the world as we know it“ – davon sind<br />
wir seit dem Fin de Siècle, dem ausgehenden 19. Jahrhundert<br />
überzeugt. Seitdem herrscht Weltschmerz. Jede<br />
aufbegehrende Generation der immer neuen Modernen<br />
findet einen Grund zu trauern. Wir gehen unter, seit mehr<br />
als hundert Jahren. dabei halten wir uns wie Ertrinkende<br />
fest an Konzepten, die die Realität weder damals noch heute<br />
adäquat beschreiben, sondern ästhetisch verklären.<br />
„Modernität“, das war kein begriff der ingenieure oder<br />
Wissenschaftler, die im 19. Jahrhundert Fabriken und<br />
dampfmaschinen bauten. „Moderne“, das ist ein begriff<br />
aus der poetik, der die neue Literatur des Sturm und drang<br />
und der Romantik von den Vorbildern der antike emanzipierte.<br />
die poetische Moderne war ein ästhetisches Konzept<br />
als Gegenentwurf zu einer rasenden Welt. Sie hat den<br />
Stillstand ausgerufen. Sie erfand begriffe und Konzepte, die<br />
anriefen und beschworen, was verloren war oder niemals<br />
existiert hatte. Es stimmte damals so wenig wie heute.<br />
Es ging um „nation“, als der imperialismus erstarkte,<br />
Europa seine Grenzen ausweitete und die Gesellschaften<br />
zum ersten Mal Globalisierung erfuhren. „heimat“ wurde<br />
im Moment der heimatlosigkeit und in einer der „migrationsintensivsten<br />
perioden der neueren Geschichte“<br />
(Jürgen Osterhammel) zum zentralen begriff und nichts<br />
konnte so sehnsuchtsvoll „das abwesende Ganze, die verlorene<br />
Kindheit des Menschen“ (hans Robert Jauß) in einem<br />
Wort anrufen wie die „natur“.<br />
Wir verbinden die Romantik mit schönen Gedichten<br />
über die natur. in dieser deutschen dichtung, die die<br />
Landschaft und den Wald besingt, glauben wir, naturverbundenheit<br />
zu finden, die „wir Modernen“ heute schmerzlich<br />
vermissen. dabei wird übersehen, dass diese deutsche<br />
dichtung auch damals schon Verluste beklagte und ferne<br />
idyllen besang. die gesellschaftlichen Umwälzungen des<br />
19. Jahrhunderts griffen massiv in den Umgang mit den<br />
natürlichen Ressourcen ein. als die Kohle ans Licht gefördert<br />
wurde und eine ganze industrie zum Kochen brachte,<br />
war natur nichts mehr als Rohstoff und Material einer<br />
unablässig wachsenden industrie. in diesem augenblick<br />
erkor die deutsche Empfindsamkeit die „Natur“ zum Labsal<br />
frierender Seelen, die an den Kältewellen der industrialisierung<br />
und Modernisierung litten. Wie vor einem<br />
schönen bild stehen wir bewundernd davor, allein und<br />
frierend. „deswegen ist das Gefühl, womit wir an der natur<br />
hangen, dem Gefühle so nahe verwandt, womit wir das<br />
entflohene Alter der Kindheit und der kindlichen Unschuld<br />
beklagen“, schrieb Schiller 1795. die blümchenmuster auf<br />
den Sitzkissen wärmten innen, als die Welt draußen ungemütlich<br />
und kalt wurde.<br />
80<br />
iN EiNEM küHlEN gRuNDE,<br />
DA gEHT EiN MüHlENRAD,<br />
(...) HöR iCH DAS MüHlRAD gEHEN,<br />
iCH wEiSS NiCHT, wAS iCH will,<br />
iCH MöCHT’ AM liEbSTEN STERbEN,<br />
DA wäR’S AuF EiNMAl STill.<br />
Z<br />
(JOSEph VOn EichEndORFF, LiEd)<br />
wischen idylle und nostalgie, Vision und Verlust<br />
bewegt sich die romantische Literatur und sie ist<br />
damit die erste moderne Literatur. alle Spannungen und<br />
Widersprüche der Moderne finden sich in den Texten der<br />
Romantiker. Sie waren die, die genau hinsahen, als die<br />
Welt, die sie kannten, unterging.<br />
nichts ohne Verfallsdatum, alles relativ: Wer heute<br />
modern ist, ist morgen schon passé. nichts ist so alt wie<br />
das Kleid aus der letzten Saison, nichts so schal wie die<br />
Trends von Gestern. plötzlich und blitzartig wechseln die<br />
Moden, Diskurse und Formen. Es ist diese spezifische Erfahrung<br />
von zeitlichkeit, die sich über das denken legt, die<br />
den Kern der Moderne ausmacht. Von nun an ist alles im<br />
Fluss: Geschichte und Moral, Kunst und Mensch, alles ist<br />
veränderlich und wandelbar, alles der zeit unterworfen. Es<br />
ist immer schon vorbei und wir stehen immer schon auf<br />
schwankendem boden.<br />
doch aus genau dieser Spannung bezieht das moderne<br />
denken seine Kraft und dynamik. Genau deshalb beschreiben<br />
sich moderne Gesellschaften als offene und dynamische<br />
Gesellschaften, die Mobilität und Vielfalt positiv<br />
beschreiben. Genau deshalb verstehen wir identität als<br />
einen vielschichtigen Prozess. Rollen und Biografien sind<br />
in bewegung. Kultur und heimat bestimmen sich nicht<br />
durch herkunft, sondern entstehen aus dem faktischen<br />
Lebensentwurf eines jeden. aus dieser Spannung heraus<br />
bilden sich eine ambivalenz und ein begriff von Freiheit,<br />
die es beide auszuhalten gilt.<br />
das tut manchmal weh. Wie schön es ist, zu leiden,<br />
sehen wir bei Eichendorff. Und manchmal ist es wichtig,<br />
zu leiden und sich über Verluste zu verständigen. Um uns<br />
daran zu erinnern, brauchen wir die ersten Modernen und<br />
ihre Literatur. aber es ist zeit, den Weltschmerz des 19.<br />
Jahrhunderts zu überwinden. Wir leiden immer noch am<br />
selben phantomschmerz und weigern uns einzugestehen,<br />
dass sich die amputation vor mehr als hundert Jahren ereignete.<br />
aber die Welt geht so geschwinde. Sie ändert sich<br />
immer.
kARSTEN RiEDEl & CHRiSTOPH FRiCk<br />
Karsten Riedel wurde 1970 in Wattenscheid geboren. Der<br />
Multiinstrumentalist Riedel, der in seiner Freizeit gerne Laminat<br />
verlegt und Schwarzbier mag, ist seit 1989 selbstständiger<br />
Musiker, Komponist und Produzent. Er war an Hörspielproduktionen<br />
für den WDR beteiligt, arbeitete für diverse Kinofilme<br />
und war und ist mit zahlreichen Bands im In- und<br />
Ausland unterwegs. Bekannt wurde er vor allem als Frontmann<br />
der legendären <strong>Bochum</strong>er Ska-Punk-Truppe „Alpha Boy<br />
School“. Der ehemalige Intendant des <strong>Schauspielhaus</strong>es Matthias<br />
Hartmann holte ihn als Musiker und Komponisten ans<br />
<strong>Bochum</strong>er Theater. Es war Riedels erster Kontakt als Musiker<br />
mit der Theaterbühne. Es entstanden Soundtracks für Produktionen<br />
wie „1979“, „Einordnen, Ausflug, Land der Toten“,<br />
„Der Hauptmann von Köpenick“ oder „Ivanow“.<br />
In Essen lernte Karsten Riedel dann David Bösch kennen,<br />
der gerade von der Regieschule in Zürich kam. Zwischen Riedel<br />
und dem jungen Regisseur entstand eine intensive Arbeitsbeziehung.<br />
Außer in Essen arbeiteten sie am Thalia Theater Hamburg,<br />
am Deutschen Theater Berlin, am <strong>Schauspielhaus</strong> Zürich<br />
und am Wiener Burgtheater zusammen. Riedel, der weiterhin<br />
in <strong>Bochum</strong> lebt, arbeitet heute hauptsächlich im Theater mit<br />
den Regisseuren Matthias Hartmann, Roland Spohr, Niklas<br />
Helbling und eben David Bösch. Daneben entwickelte er auch<br />
verschiedene musikalische Programme mit Mitgliedern des <strong>Bochum</strong>er<br />
Ensembles. In „Oft ist die Natur nicht einmal schön“<br />
trifft Karsten Riedel zum ersten Mal auf den in der Schweiz<br />
lebenden Regisseur Christoph Frick. Der wurde 1960 geboren<br />
und lebt seit vielen Jahren in Basel. Frick braucht keine Stücke,<br />
um Theater zu machen: eine gute Idee, ein Text oder ein<br />
Musikstück reichen ihm, um außergewöhnliche Theaterabende<br />
zu entwickeln. In Basel gründete er 1991 das Theater KLARA,<br />
eine freie Theatertruppe, mit der er kontinuierlich Stücke entwickelte,<br />
die in der Schweiz und im Ausland zu sehen waren<br />
und sind. So spielten sie unter anderem beim Theaterspektakel<br />
Zürich, am Kunstencentrum Vooruit Gent und beim Steirischen<br />
Herbst Graz.<br />
In Luzern arbeitete Frick 1999 erstmals an einem Stadttheater.<br />
In den folgenden Jahren entstanden außerdem Produktionen<br />
am Schauspiel Hannover und am Schauspiel Köln, später<br />
am Theater Freiburg und an den Münchner Kammerspielen.<br />
Frick inszenierte dort Stücke des klassischen Dramenrepertoires<br />
wie „Wilhelm Tell“ und „Peer Gynt“ in Luzern, „Nathan<br />
der Weise“ und „Die Räuber“ in Hannover, „Die Nibelungen“<br />
in Freiburg oder Camus’ „Belagerungszustand“ in<br />
München. Seit kurzem beschäftigt sich Christoph Frick wieder<br />
mit Projekt-Theaterformen im Stadttheater, arbeitet mit Musikern,<br />
Tänzern und nichtprofessionellen Darstellern. Jetzt<br />
entwickelt er einen Abend nach zentralen Motiven der Romantik,<br />
für den Karsten Riedel die Musik schreibt. Es ist das erste<br />
Mal, dass Frick und Riedel zusammenarbeiten. Es entsteht aus<br />
Gedichten der Romantik, mit Reden von Kanzlern und Kommunalpolitikern,<br />
mit Texten von Philosophen und Pop-Poeten<br />
ein romantisch-musikalischer Abend.<br />
81<br />
Oft ist die Natur<br />
Nicht eiNmal schöN<br />
Ein romantisches Requiem<br />
von Christoph Frick und Karsten Riedel<br />
premiere am 3. dezember <strong>2010</strong> in den Kammerspielen<br />
Wenn wir an die Schönheit der natur denken, blüht sie immer,<br />
immer scheint in ihr die Sonne, immer ist es eine sternenklare<br />
Vollmondnacht, die den blick auf das Meer und<br />
die imposanten berge frei gibt. Wir wollen eine Urlaubskatalog-natur,<br />
ein Schöner-Wohnen-paradies, ein drei-<br />
Wetter-Taft-Klima, das unsere gestressten Seelen streichelt,<br />
uns das herz erwärmt und der Frisur nichts anhaben kann.<br />
Sicher soll uns die natur auch Ehrfurcht lehren, aber bitte<br />
ohne uns wirklich nah zu kommen. natur, die sticht, kratzt<br />
und juckt, natur, die unsere Keller überschwemmt und den<br />
dreck in die augen bläst, stört. Wir sind gegen Tsunami-<br />
Wellen, gegen Wirbelstürme, gegen dauerregen, Erdrutsche,<br />
Lawinenabgänge und Gletscherschmelze. Wir wissen,<br />
dass die Klimakatastrophe auf uns lauert und können doch<br />
nichts anderes, als kleine Schritte tun. „Was sind schon<br />
zwei Grad mehr?“, denken wir und sitzen in perfekter Outdoor-ausrüstung<br />
vor einem Lagerfeuer auf dem dafür ausgezeichneten<br />
Rastplatz, essen einen bio-apfel, ignorieren<br />
den duft der Mückenschutzcreme in unserem Gesicht und<br />
stimmen ein schönes Lied aus alten Tagen an. Vielleicht<br />
eines von Eichendorff. Er und die anderen Romantiker<br />
betrauerten lange vor uns in ihren Gedichten und Liedern<br />
die Verwandlung der Welt. Viele folgten ihnen nach: Sid<br />
Vicious, Morrisey von The Smiths, The cure – allesamt Romantiker<br />
pur. bob dylans balladen einer vergangenen zeit.<br />
Rio Reiser, ein deutscher Romantiker. nick cave, sowieso.<br />
Rock pop punk – eine einzige romantische bewegung:<br />
zwischen Wut und Weinerlichkeit, Mut und Melancholie,<br />
Weltschmerz und Wahnsinn bewegen sich die immer neuen<br />
Wilden. das hat mit Joseph von Eichendorff begonnen<br />
und wo es endet, das wissen wir nicht. Vielleicht bei Karsten<br />
Riedel. zusammen mit dem Regisseur christoph Frick<br />
entsteht dieser abend über ein romantisches bild der natur<br />
im zwielicht des Klimawandels.<br />
Regie: Christoph Frick<br />
Musik: Karsten Riedel<br />
Bühne: Thomas Dreißigacker<br />
Dramaturgie: Olaf Kröck, Sabine Reich
MEPHIST
ANBUL
Goethe war nie in<br />
istanbul, der heimat<br />
von mahir<br />
Günsiray. der<br />
Faust-reGisseur im<br />
Gespräch über das<br />
leben am bosporus,<br />
die einsamkeit eines<br />
pinGuins und picknick<br />
in europa.<br />
MAHIr GüNSIrAy — MEPHISTANBUL<br />
INTErVIEW: THoMAS LAUE UND SABINE rEIcH<br />
FoToS: UGUr TASKIN<br />
Wie lebt es sich in Istanbul?<br />
Schwer und gleichzeitig voller Genuss.<br />
Das Leben dort ist einerseits<br />
prall und voller Energie, Spannung<br />
und Gewalt; eine Art Karneval, den<br />
man tagtäglich erlebt. Das gibt einen<br />
enormen Schub für alles, vor<br />
allem für die künstlerische Arbeit.<br />
Andererseits vermisse ich manchmal<br />
die ruhe europäischer Länder wie<br />
Deutschland. Es ist in Istanbul kaum<br />
möglich, mal allein zu sein und sich<br />
selbst zur rechenschaft zu ziehen.<br />
Was ist das für eine Gewalt?<br />
Die Türkei ist ökonomisch an Europa<br />
und Amerika gebunden und<br />
die Menschen sind gezwungen, wie<br />
rennpferde ihrem Leben hinterher zu<br />
jagen. Es ist ein Leben, das zwischen<br />
Geldverdienen und Faulheit pendelt.<br />
So lange du Geld verdienst, existierst<br />
du durch das, was du besitzt. Wenn<br />
nicht, existierst du überhaupt nicht.<br />
Wenn ein Mensch dann wahrgenommen<br />
werden will, muss er entweder<br />
zum Theater gehen – was nicht allzu<br />
verbreitet ist – oder auf die Bosporusbrücke<br />
oder das Dach eines Hauses<br />
steigen und drohen, sich mit einer<br />
Axt die Hand abzuhacken. Bei den<br />
großen Einkommensunterschieden<br />
und den Lücken in den sozialen und<br />
kulturellen Lebensbereichen ist es eigentlich<br />
erstaunlich, dass das Leben<br />
überhaupt funktioniert und es nicht<br />
noch mehr Gewalt gibt. Gleichzeitig<br />
ist Istanbul aber nicht die Türkei.<br />
Worin bestehen die Unterschiede?<br />
Es gibt nicht überall in der Türkei<br />
den gleichen Lebenskampf, das gleiche<br />
Streben, das rennen um die Zeit,<br />
die gleichen Konflikte. Es gibt unterschiedliche<br />
Kulturen, Menschen,<br />
Sprachen, Lebensweisen, sehr unterschiedliche<br />
religiöse, moralische und<br />
philosophische Ansichten.<br />
Das heißt, eine Mischung, die eine große<br />
Metropole ausmacht.<br />
Ja, Istanbul ist eine Metropole, aber<br />
85<br />
man kann Istanbul nicht stellvertretend<br />
für die ganze Türkei sehen. Allein<br />
optisch und geografisch ist es<br />
ein Unterschied, ob man die rötliche<br />
Erde, die Berge und die trockene Kälte<br />
im Südosten betrachtet oder das<br />
Gewirr der Gebäude in Istanbul. An<br />
vielen orten der Türkei bauen Arme<br />
ihre Häuser mit wenig Geld selbst.<br />
Aber weil man sogar das in Istanbul<br />
schnell machen muss, nennt man<br />
sie hier „gece kondu“, was so viel bedeutet<br />
wie „über Nacht gelandet“.<br />
Welche Rolle spielt dabei Religion?<br />
Wir befinden uns in einer Zeit, in der<br />
offen diskutiert wird, was Menschen<br />
überhaupt unter religion verstehen.<br />
Soll religion das Leben bestimmen<br />
oder nicht? Soll sie sich in das Leben<br />
einmischen oder soll man sie<br />
im Privaten ausleben? Wie weit soll<br />
man die religion praktisch umsetzen<br />
oder nicht umsetzen? Man sieht jetzt<br />
in Istanbul viele Frauen mit Kopftuch.<br />
Es heißt, die Kopftuchdebatte<br />
sei schärfer geworden, dabei ist sie<br />
eigentlich nur ins Tageslicht gerückt.<br />
Das Thema gab es schon immer. Weil<br />
Frauen aus einer religiösen Schicht<br />
früher ihr Kopftuch nicht tragen<br />
durften – sei es aus persönlichen,<br />
moralischen oder aus familiären<br />
Gründen – konnten sie nicht in die<br />
Gesellschaft. Jetzt, wo das Thema so<br />
im Zentrum steht, sieht man auch<br />
überall Kopftücher. Sicher hat das<br />
aber auch dazu geführt, dass manche,<br />
die kein Kopftuch getragen haben,<br />
jetzt von den Ehemännern dazu<br />
aufgefordert werden.<br />
Ein anderes Beispiel ist ramadan.<br />
Ich bin Atheist und deshalb hat ramadan<br />
für mich eigentlich keine<br />
Bedeutung. Aber es war mir früher<br />
unangenehm, tagsüber mit einem<br />
Sesamring in der Hand durch die<br />
Stadt zu laufen, weil es eine gewisse<br />
Spannung gab und die Menschen gezeigt<br />
haben, dass es sie stört. Es wäre<br />
falsch zu sagen, dass diese Situation<br />
komplett aufgehoben ist, aber sie hat<br />
sich in vielen Gegenden von Istanbul<br />
aufgelockert. Abgesehen davon, dass<br />
die derzeitige regierungspartei AKP<br />
konservativ, rechtsorientiert, liberal<br />
und islamisch ist, kann man sehen,<br />
dass sie gleichzeitig viel offener ist als<br />
viele Sozialdemokraten und Sozialis-
ten. Wobei zu befürchten ist, dass das<br />
nicht immer so bleiben wird. Wenn<br />
nur ihre Vorstellung vom Islam das<br />
Leben bestimmt, dann wird es nicht<br />
so bleiben können.<br />
Ist das nicht ein Widerspruch? Die Religion<br />
bestimmt viel stärker als früher<br />
das Straßenbild, aber gleichzeitig gibt es<br />
einen größeren Liberalismus?<br />
Die AKP gibt sich momentan äußerst<br />
demokratisch, offen, progressiv.<br />
Sie verkündet, dass sie Meinungen,<br />
Glauben und Sprachen der anderen<br />
respektiert. Und sie hat in der türkischen<br />
Geschichte mit der größten<br />
und mutigsten Arbeit angefangen:<br />
Um das Kurdenproblem zu lösen,<br />
hat sie viele Türen geöffnet. Noch<br />
hat sich nicht viel verändert, aber es<br />
kann sich weiterentwickeln, wenn es<br />
zugelassen wird. Auch das Thema der<br />
Armenier wurde bis heute nie ernsthaft<br />
behandelt. Ich denke nicht, dass<br />
sie all das nur machen, um in die<br />
Europäische Union aufgenommen<br />
zu werden. Sie verfolgen viel größere<br />
Projekte: von all diesen politischen<br />
Themen weg zu kommen, um dann<br />
immer reicher und mächtiger zu<br />
werden. Davor habe ich am meisten<br />
Angst.<br />
Was genau macht dir dabei Angst?<br />
Wenn sie diese Macht erhalten,<br />
fürchte ich mich vor den Dingen, die<br />
die Menschen, die sich mit Politik<br />
befassen, dann tun würden.<br />
Welche?<br />
Zum Beispiel könnten sie denken,<br />
dass Demokratie die Kraft der Mehrheit<br />
ist.<br />
Also hast du Angst vor der Herrschaft<br />
der Mehrheit?<br />
Ich habe Angst vor einer politischen<br />
Gruppierung, die Macht in der Hand<br />
hält und wächst. Und das als Waffe<br />
nutzt. Wenn man Macht bekommen<br />
hat, möchte man diese Macht auch<br />
behalten und erweitern.<br />
Wie geht ein Theater mit so viel Spannung<br />
und Widersprüchen um?<br />
Seit die Türkei im 20. Jahrhundert<br />
moderner und westlicher geworden<br />
ist, ahmt das türkische Theater<br />
das westliche Theater nach. Durch<br />
MAHIr GüNSIrAy — MEPHISTANBUL<br />
Stand-ups oder Boulevardtheater<br />
wird es im Stadt- und Staatstheater,<br />
aber auch in privaten Theaterhäusern<br />
so gemacht. Aus einer gewissen<br />
Sicht passt das Theater eigentlich<br />
nicht zu unserem Leben.<br />
Inwiefern?<br />
Die Türkei ist mit keinem anderen<br />
europäischen Land vergleichbar. Wir<br />
sind in Bildungs-, Gesundheits- und<br />
Kulturangelegenheiten immer noch<br />
sehr rückständig. Für uns Türken<br />
sind die sogenannten Köy-oyunlari,<br />
die traditionellen Dorfstücke oder<br />
Geschichten, die in cafés erzählt<br />
werden, viel unterhaltsamer. Man<br />
sitzt um den Tisch herum, es wird<br />
gegessen, getrunken, gesungen, dann<br />
nimmt jemand die Saz von der Wand<br />
und spielt, man erzählt sich Witze.<br />
Das ist unsere Unterhaltung. Wie<br />
„soll reliGion das leben<br />
bestimmen oder nicht?<br />
soll sie sich in das leben<br />
einmischen oder<br />
soll man sie im privaten<br />
ausleben?“<br />
soll das Theater sich da zurechtfinden?<br />
Welche Art von Theater kann<br />
es mit diesen Menschen machen? Es<br />
kommt deshalb darauf an, was wir<br />
unter Theater verstehen. Solange wir<br />
das tote, langweilige Theater, das wir<br />
vom Westen kopieren, fortführen,<br />
können wir nicht gewinnen: Vorne<br />
brennt das Licht, eine Tür, ein Fenster,<br />
es wird Leben gezeigt. Du sitzt<br />
da und schaust es dir an. Du siehst<br />
Menschen, die sich streiten, die sich<br />
lieben. Egal, wie gut es ist, es kann in<br />
keiner Weise besser und attraktiver<br />
sein, als eine Serie, die man sich zu<br />
Hause im Pyjama auf der couch im<br />
Fernsehen anschaut. Und in allen<br />
Dörfern der Türkei gibt es zwei Fernseher<br />
pro Haushalt und drei Satellitenschüsseln.<br />
Was verleiht dem Theater Bedeutung?<br />
Man muss einen eigenen Weg finden.<br />
Mit unserem Tiyatro oyun Evi<br />
spielen wir, seit es uns gibt, nicht<br />
nur an einem ort, sondern gehen<br />
86<br />
auf Tournee. Manchmal müssen wir<br />
große Kompromisse eingehen, auf<br />
den Großteil unserer Dekoration<br />
oder auch auf das gesamte Bühnenbild<br />
verzichten. Wir haben auf Straßen<br />
gespielt. Wir haben uns nicht<br />
nach den Erwartungen der Zuschauer<br />
gerichtet. Wir haben Genets „Die<br />
Zofen“ in einer Stadt wie Diyarbakir<br />
gespielt, oder auch Kafka am gleichen<br />
ort. In Hakkari haben wir<br />
in einem Kino gespielt. Wir haben<br />
niemals darüber nachgedacht, dass<br />
die Menschen vielleicht nichts von<br />
Genet verstehen. Aber im Gegenteil:<br />
Als wir in Mersin „Die Zofen“<br />
gespielt haben, hat ein 14-jähriger<br />
kleiner kurdischer Junge das Stück<br />
verstanden, der nicht zur Schule gegangen<br />
ist. In Istanbul hat es sich ein<br />
Dramaturg angeschaut und es nicht<br />
verstanden. Aber in Mersin kam der<br />
Junge zu mir und meinte „Hey, ihr<br />
spielt großartig! Eure Performance<br />
ist toll.“ Ich habe ihn gefragt, was er<br />
verstanden hat. Er antwortete: „Du<br />
und der andere schmieden Pläne die<br />
Frau umzubringen, aber sobald sie<br />
kommt, könnt ihr nichts unternehmen.<br />
Wenn sie weg ist, steht ihr nur<br />
so da.“<br />
Mich hat überrascht, dass es in einer<br />
Stadt wie Istanbul, in der über 15 Millionen<br />
Menschen leben, eigentlich keine<br />
Räume für größere Theaterproduktionen<br />
gibt. Wie kommt das?<br />
Ich weiß nicht, wie viele von diesen<br />
15 Millionen Menschen wirklich leben.<br />
Je nachdem was wir unter „leben“<br />
verstehen!<br />
Das musst du genauer erklären.<br />
Während ein Haushalt von 5000<br />
Euro lebt, muss eine Großfamilie<br />
direkt auf der anderen Straßenseite<br />
von nur 100 Euro leben. Wie sollen<br />
wir jetzt berechnen, wie viele Millionen<br />
Menschen „leben“? Früher hatten<br />
wir unser Theater im osten von<br />
Tarlabasi, dem Vergnügungsviertel<br />
von Istanbul. Uns hat nur eine Straße<br />
vom Stadtteil Beyoglu getrennt.<br />
Dort waren Kurden, Armenier, Nigerianer,<br />
Prostituierte, Transvestiten<br />
– und wir. Damals hat claude Leon,<br />
unsere Bühnenbildnerin, umsonst<br />
wöchentliche Workshops für Kinder<br />
angeboten. Die Kinder, die mit
normalen Schuhen gekommen sind,<br />
konnten sich glücklich schätzen,<br />
denn die meisten kamen bei Schnee<br />
in Plastiklatschen ohne Socken.<br />
Wie geht eine Gesellschaft mit solchen<br />
Unterschieden um?<br />
Wie schon gesagt, es ist ein Wunder,<br />
wie das funktionieren kann. Vielleicht<br />
gibt es immer noch Werte, auf<br />
die man hinarbeiten und aus denen<br />
man etwas lernen kann.<br />
Gibt es Werte, die alle verbinden?<br />
Die gibt es, aber das ist ein gefährlicher<br />
Punkt. Es gab eine ähnliche<br />
Situation in Jugoslawien, die wir<br />
Pulverfass nennen. Manchmal habe<br />
ich das Gefühl, dass auch die Türkei<br />
auf einem Pulverfass sitzt. Eine Kleinigkeit<br />
könnte jeden Augenblick eine<br />
Explosion verursachen. Die Werte,<br />
die aus dem traditionellen Bereich<br />
kommen, sind zwar einerseits gut,<br />
können aber auch zugunsten von Faschismus<br />
oder auch Nationalismus<br />
ausgenutzt werden. Und der Mann in<br />
der Türkei braucht Liebe. Nicht nur<br />
in der Gesellschaft, sondern auch<br />
innerhalb der Familie. Er wächst<br />
ohne Geld, mit Gewalt und Druck<br />
auf. Einerseits herrscht Druck von<br />
der Mutter, andererseits vom Vater.<br />
„Der Mann braucht Liebe“ – Welche<br />
Rolle spielt Männlichkeit überhaupt in<br />
der türkischen Gesellschaft?<br />
Der Mann in der Türkei verfügt über<br />
mehr rechte als die Frau. Es ist sehr<br />
einfach und durchaus möglich, dem<br />
mit einem modernen feministischen<br />
Ansatz zu begegnen, aber das löst die<br />
Sache nicht. Es isoliert den Mann<br />
noch mehr.<br />
Halten wir also fest: Der Mann hat<br />
mehr Rechte, aber es scheint ihn nicht<br />
glücklich zu machen. Was verhindert<br />
denn, dass er Liebe bekommt?<br />
Er weiß nicht, was Liebe ist. Frauen<br />
wissen viel besser, was Liebe und<br />
Emotionen sind. Der Mann wächst<br />
damit auf, beides zu unterdrücken.<br />
Aber gleichzeitig sucht er danach?<br />
Natürlich. Er sucht sie, kennt sie<br />
aber nicht. (lacht) Aber ich dachte,<br />
wir reden darüber, wie ich früher am<br />
Set die Mädels geküsst habe.<br />
MAHIr GüNSIrAy — MEPHISTANBUL<br />
Wie war das, als du am Set die Mädels<br />
geküsst hast?<br />
Mit sechs Jahren habe ich meinen<br />
ersten Film gedreht. Ich habe versucht<br />
alle Frauen am Set zu küssen.<br />
Daraufhin hat mir mein Vater verboten<br />
Filme zu drehen.<br />
Dein Vater ist ein sehr bekannter Filmschauspieler<br />
gewesen. Wie hat das deine<br />
Arbeit beeinflusst?<br />
Bis ich sieben oder acht Jahre alt war,<br />
gab es eine Zeit, in der mein Vater<br />
ein großer Star war. Eines Tages hat<br />
ein wichtiger Schauspieler, der ein<br />
sehr guter Freund meines Vaters war,<br />
Selbstmord begangen. Die Produzenten<br />
haben ihm sein Geld nicht<br />
gegeben und deshalb geriet er in eine<br />
schlimme Phase und nahm sich das<br />
Leben. Daraufhin hat mein Vater<br />
eine Pressekonferenz veranstaltet<br />
und das Kino komplett aufgegeben.<br />
obwohl er einer der Großverdiener<br />
des türkischen Kinos war, hatte er<br />
„meinen ersten bühnenauFtritt<br />
hatte ich in einer<br />
Gelben leGGinGs im<br />
Garten des archäolo-<br />
Gischen museums.“<br />
plötzlich nichts mehr in der Hand.<br />
Er hat immer sehr spendabel gelebt.<br />
Ich selbst bin bei meiner oma unter<br />
wirtschaftlich eingeschränkten Verhältnissen<br />
aufgewachsen. Es kann<br />
sein, dass die Einsamkeit in meiner<br />
Kindheit mich dazu verleitet hat,<br />
Schauspieler zu werden. obwohl ich<br />
ein gesundes und temperamentvolles<br />
Kind war, hatte ich die Einsamkeit<br />
eines Pinguins in mir. Die Stücke, die<br />
ich in meinem Zimmer allein gespielt<br />
habe, waren wohl der Ursprung.<br />
Und wie bist du zum Film gekommen?<br />
Hat dich dein Vater mitgebracht? Oder<br />
hast du das gegen den Willen deines Vaters<br />
getan?<br />
Mit sechs Jahren ist es natürlich<br />
durch meinen Vater passiert. Aber ich<br />
bin mit 17 von zu Hause ausgezogen.<br />
Ich habe als DJ gearbeitet, als Bagboy<br />
in der Kleidungsbranche, habe eine<br />
Ausbildung zum Hotelfachmann<br />
89<br />
absolviert und Lexika vermarktet.<br />
Eines Nachts kam ein Mann in die<br />
Bar, in der ich als DJ aufgelegt habe.<br />
Er fragte, ob wir mal sprechen könnten.<br />
„Sie sind doch der Sohn von<br />
orhan Günsiray, wir würden gerne<br />
einen Film mit Ihnen drehen“, sagte<br />
er. Am nächsten Tag war ich in der<br />
Produktionsfirma und habe meinen<br />
zweiten Film gedreht. Danach habe<br />
ich gedacht, dass ich Schauspiel lernen<br />
muss. Bevor ich aufs Konservatorium<br />
gegangen bin, habe ich mit<br />
Ballett angefangen und gemodelt.<br />
Ich stand für eine berühmte Marke<br />
auf dem Laufsteg und meinen ersten<br />
Bühnenauftritt hatte ich in einer<br />
gelben Leggings mit Frauen im Arm<br />
im Garten des Archäologischen Museums.<br />
Bist du Schauspieler geworden, obwohl<br />
dein Vater so berühmt war, oder weil<br />
dein Vater so berühmt und selbst ein erfolgreicher<br />
Schauspieler war?<br />
Wenn ich Schauspieler werde, kann<br />
ich die Mädels besser erobern, habe<br />
ich mir gedacht. (lacht)<br />
Wie blickt man von Istanbul aus auf<br />
Europa? Fühlt man sich dort Europa<br />
zugehörig?<br />
Es gab in der Türkei immer ein gewisses<br />
Interesse und Fortschritte bezogen<br />
auf Europa. Das geht bis zurück<br />
ins osmanische reich. Die Türken<br />
sind sowieso nie zur ruhe gekommen,<br />
sie wollten immer überall hin.<br />
Wenn Europa heute die Türen öffnen<br />
würde, dann würden aus der Türkei<br />
alle mit Sack und Pack auf den Autos<br />
nach Europa fahren. Aus reiner<br />
Neugier. Auch ich würde garantiert<br />
kommen, um an einer Autobahn zu<br />
picknicken.<br />
Glaubst du also, dass es so kommen<br />
wird, sobald die Türkei zu Europa gehört?<br />
Dass es eine Wanderung von der<br />
Türkei weg geben wird?<br />
Nein, denn bevor die Menschen in<br />
unserem Land nicht verschwinden,<br />
können wir nicht in die Europäische<br />
Union. So lange aber diese Menschen<br />
existieren, werden die Türen<br />
geschlossen bleiben.<br />
Was verbindest du mit Deutschland?<br />
Ich mag die ruhe, die hier herrscht.
Manchmal kann es auch langweilig<br />
sein, dass alles so ordentlich ist. Aber<br />
andererseits bleibt auch viel Zeit übrig,<br />
um nachzudenken, weil du dich<br />
nicht permanent mit anderen Dingen<br />
beschäftigen musst. In Istanbul<br />
hast du keine Zeit zum Nachdenken.<br />
Du musst ständig etwas machen und<br />
kämpfen. Wann kommt der Bus?<br />
Kommt der Bus oder nicht? In welche<br />
Straße muss ich abbiegen? Bekomme<br />
ich ein Taxi oder nicht? Wird<br />
es einen Umweg fahren? In welchem<br />
Supermarkt kann man olivenöl zu<br />
welchem Preis kaufen? In einem<br />
Geschäft kannst du Toast für 9 Lira<br />
kaufen, in dem Laden gegenüber bekommst<br />
du ihn für 1 Lira. Selbst in<br />
einem Supermarkt kann man nicht<br />
in ruhe einkaufen gehen.<br />
Mit dem ruhrgebiet verbinde<br />
ich aber auch die Zeit, in der ich<br />
als Schauspieler mit roberto ciulli<br />
zusammen gearbeitet habe und die<br />
mein Leben verändert hat. Denn ich<br />
habe gemerkt, dass alles, was ich bis<br />
dahin über Schauspielerei und Theater<br />
wusste, nur Müll war. Das war<br />
1994 und wie ein naives Kind habe<br />
ich mich danach wieder mit Schauspiel<br />
und Theater auseinandergesetzt.<br />
Seitdem habe ich immer davon<br />
geträumt, eines Tages wieder am<br />
Theater an der ruhr als Schauspieler<br />
oder regisseur zu arbeiten. Dazu ist<br />
es nicht gekommen, aber dafür verwirkliche<br />
ich jetzt in demselben Gebiet<br />
einen ähnlichen Traum.<br />
Ich freue mich auf die Zusammenarbeit<br />
mit deutschen Schauspielern<br />
am <strong>Schauspielhaus</strong> <strong>Bochum</strong>.<br />
Was hat das für dich bedeutet, als dein<br />
Vater das Schauspiel aufgegeben hat?<br />
War das auch für dich ein entscheidender<br />
Schnitt im Leben?<br />
Ich habe erst viel später realisiert,<br />
dass er aufgehört hat. Aber er war von<br />
Anfang an dagegen, dass ich Schauspieler<br />
werde. Wir hatten schon immer<br />
ein sehr schlechtes Verhältnis<br />
zueinander. Als ich im Konservatorium<br />
angefangen habe, sollte er ein<br />
Formular für mich unterschreiben.<br />
Aber er hat es nicht getan und ich<br />
musste es mir von meinem opa unterschreiben<br />
lassen. Er sagte „Wenn<br />
du diese Schule besuchst, wirst du<br />
unglücklich und ein Kommunist!“<br />
Und ich bin beides geworden.<br />
Soll man also besser auf seinen Vater<br />
hören?<br />
Nein. Ich bin sehr glücklich darüber,<br />
unglücklich zu sein.<br />
AUS DEM TürKIScHEN VoN SELEN KArA<br />
mahir Günsiray<br />
wurde in Istanbul geboren. Er stammt<br />
aus einer bekannten türkischen Schauspielerfamilie.<br />
Nach seinem Abschluss<br />
an einer Schauspielschule in der Türkei<br />
machte er seinen Masterabschluss in<br />
Regie an der Universität Leeds, Großbritannien<br />
und studierte an der Fakultät<br />
für bildende Künste an der Mimar<br />
Sinan Universität Istanbul. Er lehrte<br />
Bewegung, Improvisation, Schauspiel<br />
und Regie an den Fakultäten für Theater<br />
und darstellende Künste an verschiedenen<br />
Universitäten. 1986 begann er als<br />
Schauspieler am türkischen Staatstheater<br />
zu arbeiten und gründete 1996 in<br />
Istanbul die freie Theatergruppe Tiyatro<br />
Oyunevi, mit der er als Regisseur zahlreiche<br />
Stücke und Romanbearbeitungen<br />
inszenierte, in denen er teilweise auch<br />
selber mitspielte. Darunter “Mann ist<br />
Mann” von Brecht, “Die Zofen” von<br />
Genet und “Don Quixote” von Cervantes.<br />
Seine letzte Produktion “Waiting...”<br />
entstand als Koproduktion mit<br />
dem internationalen Seas-Festival und<br />
wird in verschiedenen europäischen<br />
Hafenstädten gezeigt.<br />
90<br />
Faust<br />
von Johann Wolfgang von Goethe<br />
Premiere am 4. Dezember <strong>2010</strong> im <strong>Schauspielhaus</strong><br />
Seine Suche nach Glück und Erkenntnis hat ihn weltbekannt<br />
gemacht: Wie kaum eine andere Figur der Weltliteratur<br />
stellt Goethes Faust die großen letzten Fragen nach<br />
Gut und Böse, nach dem Wesen der religion, nach Wahrheit,<br />
Grund und Sinn des Menschseins und nach Liebe.<br />
Und weil ein Menschenleben allein nicht ausreicht, um all<br />
das zu ergründen, was „die Welt im Innersten zusammenhält“,<br />
verbündet sich dieser Glückssucher mit dem Teufel<br />
selbst – und bleibt dabei doch nur ein rädchen im Spiel der<br />
Großen und Höchsten, und bei deren zynischer Wette Gegenstand<br />
und Einsatz zugleich. Mit seinem Faust entwirft<br />
Goethe aber auch die deutscheste aller literarischen Figuren,<br />
die tief in der deutschen Geistesgeschichte verwurzelt<br />
ist. Im ersten Teil seines Lebenswerkes schickt er Faust als<br />
den Prototyp des zweifelnden Intellektuellen auf die reise<br />
durch eine Welt der Verführung, immer auf der Suche nach<br />
dem einem, dem glücklichen Lebensmoment. Im späteren,<br />
zweiten Teil lässt er Faust dann selbst eine Welt erschaffen<br />
und daran scheitern, voller utopischer Hoffnung alle Gegensätze<br />
auszusöhnen und zu einem klassischen Lebensideal<br />
zusammenzuführen.<br />
Der Istanbuler regisseur Mahir Günsiray verbindet beide<br />
Teile und blickt vom südlichsten rand Europas auf den<br />
Goetheschen Kosmos und seinen Protagonisten. Nicht<br />
auszuschließen, dass sein Faust ganz andere Fragen hat<br />
oder andere Antworten auf die bekannten Fragen findet.<br />
oder einfach nur nach Süden wandert.<br />
Regie: Mahir Günsiray<br />
Bühne: Claude Leon<br />
Kostüme: Meentje Nielsen<br />
Dramaturgie: Thomas Laue
Katharina thalbach — Zeitreise<br />
Zeitreise<br />
text: sabine reich<br />
Fotos: leonie Droste unD steFania tosi<br />
92
1 ezio toffolutti, geboren 1944 in Venedig, ist bühnenbildner,<br />
Kostümbildner, regisseur und Maler.<br />
2 Ulrich Tukur, deutscher Schauspieler<br />
3 coline serreau, französische Filmemacherin<br />
und Drehbuchautorin. ihr Film „Drei Männer<br />
und ein baby“ (1986) wurde ein internationaler<br />
Erfolg wie auch ihr Bühnenstück „Hase Hase“, das<br />
benno besson 1986 mit Katharina thalbach in der<br />
hauptrolle inszenierte. sie arbeitete und lebte viele<br />
Jahre mit benno besson zusammen, mit dem sie<br />
drei Kinder hat.<br />
4 benno besson, schweizer schauspieler, regisseur<br />
und theaterleiter. er ist der Vater von Katharina<br />
thalbach, ihre Mutter war die schauspielerin<br />
sabine thalbach.<br />
5 ostberlin, das Gebiet berlins, das nach der teilung<br />
der stadt durch die siegermächte des Zweiten<br />
Weltkrieges 1945 den sowjetischen Sektor bildete.<br />
Faktisch Hauptstadt der Deutschen Demokratischen<br />
Republik von 1949 bis 1990.<br />
Katharina thalbach — Zeitreise<br />
ein spaziergang mit Katharina Thalbach durch Venedig,<br />
bei dem man sich zwar verlaufen kann, aber immer weiterkommt.<br />
„in Venedig fällt einem immer was<br />
ein“, sagt Katharina thalbach, als<br />
sie mich für die Vorbereitungen zu<br />
ihrer inszenierung des „cyrano de<br />
bergerac“ nach Venedig einlädt. Katharina<br />
thalbach in Venedig? berlin,<br />
das ist doch ihre stadt. in berlin ist<br />
sie geboren, in berlin lebt sie. Mit<br />
fünfzehn steht sie das erste Mal auf<br />
der bühne des berliner ensembles,<br />
ist dort elevin und schauspielerin,<br />
1976 wechselt sie von ost nach West,<br />
spielt und inszeniert auf den bühnen<br />
der stadt, spielt brecht und hauptmann.<br />
sie dreht mit schlöndorff „Die<br />
blechtrommel“ und mit haußmann<br />
„sonnenallee“. eine sehr deutsche<br />
Biografie, denkt man, und ein Stück<br />
deutscher theatergeschichte. Doch<br />
ein teil ihrer Geschichte findet seit<br />
Jahren in Venedig statt, der rest in<br />
ganz europa. „einmal im Jahr bin ich<br />
hier in Venedig“, erzählt sie. „Früher<br />
war ich in Venedig, weil mein Vater<br />
hier lebte. oft bin ich aber hier, um<br />
ezio toffolutti 1 zu sehen. Ich kenne<br />
viele leute, die hier leben: Meine<br />
halbschwester lebt hier, ulrich tukur<br />
2 zum beispiel, und dort ist das<br />
haus von coline serreau 3 .“<br />
ihr Vater benno besson 4 stammt<br />
aus der französischen Schweiz, kam<br />
aus Zürich nach ostberlin 5 , um am<br />
berliner ensemble an der seite von<br />
brecht theater zu machen. er führte<br />
erfolgreich regie, verließ jedoch nach<br />
Konflikten das Berliner Ensemble,<br />
wechselte ans Deutsche theater und<br />
übernahm 1974 die Leitung der Volksbühne<br />
berlin, die unter seiner intendanz<br />
zur wichtigsten bühne der DDr<br />
wurde. 1978 verließ er die DDr, ging<br />
nach Paris und inszenierte anschließend<br />
in ganz europa. an seiner seite<br />
93<br />
arbeitete immer wieder der venezianische<br />
Kostüm- und bühnenbildner<br />
ezio toffolutti. auch ihn interessierte<br />
das politische theater brechts, dafür<br />
tauschte er 1971 das sonnige Venedig<br />
gegen ostberlin. „Grau war es,<br />
sehr grau“, erinnert sich ezio an seine<br />
ersten Jahre in Deutschland, „aber<br />
das theater war sehr aufregend.“<br />
heute entstehen in seinem atelier<br />
in Venedig die bühne und Kostüme<br />
für „cyrano de bergerac“. seit vie-<br />
„TheaTer haT miT Vergnügen<br />
zu Tun. es ging<br />
um die grosse Forderung,<br />
TheaTer Für alle<br />
zu machen.“<br />
len Jahren schon arbeitet Katharina<br />
thalbach mit ezio und beschreibt ihr<br />
Verhältnis als ein sehr besonderes.<br />
„ezio und ich haben eine gemeinsame<br />
sprache und natürlich eine gemeinsame<br />
Geschichte. Wir müssen<br />
uns nicht mehr erklären. Ezio hat die<br />
DDR kennen gelernt, besonders auch<br />
die theaterwelt in der DDr, daher<br />
weiß er, was meine Wurzeln sind. in<br />
Venedig habe ich seine Wurzeln kennen<br />
gelernt. inzwischen sind das unsere<br />
Wurzeln, weil ich seit 25 Jahren<br />
immer mit Venedig zu tun habe. Das<br />
ist eine symbiose geworden.“<br />
sie erinnert sich an die erste Zeit,<br />
als Ezio nach Berlin kam und kaum<br />
ein Wort Deutsch konnte. Er begann<br />
als hospitant und machte schnell<br />
Karriere.<br />
„Ich kenne Ezio, seit ich 17 Jahre<br />
alt bin. Todschick! Das war mein
erster Eindruck, als Ezio damals nach<br />
Ostberlin kam. Er sah todschick aus.<br />
Das war die Zeit der taillierten hemden<br />
damals. Für mich war ezio, um<br />
es mal ganz ehrlich zu sagen, die große<br />
weite Welt. ein Venezianer in berlin<br />
– das kann man sich ja vorstellen,<br />
dass das einigermaßen aufsehen erregte.<br />
Er konnte total anders Spagetti<br />
kochen. Die haben zum ersten Mal<br />
geschmeckt!“<br />
Das alles erzählt sie auf dem Weg<br />
ins „cinema toffolutti“, der neuesten<br />
Erfindung von Ezio: ein altes, leer<br />
stehendes Kino dient ihm seit einem<br />
Jahr als atelier und ausstellungsraum.<br />
einstmals befand sich in den<br />
räumen ein Parteibüro der Kommunistischen<br />
Partei, danach eines der<br />
Faschisten, dann wurde es zu einem<br />
Kino, bevor es viele Jahre leer stand.<br />
„ein Venezianer in osTberlin<br />
– das erregTe einigermassen<br />
auFsehen!“<br />
„heute müssen wir ein Vaporetto<br />
nehmen, um ins Atelier zu kommen,<br />
aber früher hatte ezio eine eigene<br />
Gondel, die er selber restaurierte.<br />
Damit ruderte er uns oft nach Giudecca<br />
6 .“<br />
Der Venezianer toffolutti und der<br />
schweizer besson haben im ostberlin<br />
der siebziger Jahre eine eigene art<br />
von Theatersprache entwickelt, die<br />
ein Stück Commedia dell’Arte nach<br />
Preußen brachte. „bennos theaterverständnis<br />
war ein sehr ungewöhnliches,<br />
auch in der DDr. aus der<br />
französischen Schweiz kommend,<br />
Katharina thalbach — Zeitreise<br />
war er mit einer ganz anderen art<br />
von theater groß geworden. seine<br />
lehrzeit begann in Paris, geprägt von<br />
Arbeiten wie ‚Kinder des Olymp’ 7 .<br />
Mit den leuten, die diesen Film<br />
machten, hat er gearbeitet. Diese<br />
Qualität schätzte auch brecht sehr<br />
an benno. er war aber nicht nur der<br />
pedantische brechtschüler, sondern<br />
bei ihm hatte theater auch etwas<br />
mit Vergnügen zu tun. Das habe ich<br />
von Benno gelernt. Nie trockenes<br />
lehrtheater. ob das nun brecht<br />
oder Shakespeare ist, egal. Es ging<br />
um die große Forderung, theater für<br />
alle zu machen. es war ja nun mal<br />
schwierig damals und man wollte<br />
ein politischer spiegel sein. Von der<br />
bühne wurde die öffentliche Meinung<br />
verkündet und vom Publikum<br />
verstanden. es war eine ganz eigene<br />
Art von Volkstheater. Benno hat zum<br />
Beispiel diese Spektakel erfunden<br />
und in allen räumen und Gängen<br />
theater gespielt. Das war neu, als wir<br />
jung waren. Wir haben Stücke innerhalb<br />
von einer Woche auf die bühne<br />
gebracht, von jungen autoren, deren<br />
Texte wir so auf Brauchbarkeit<br />
überprüften. Das waren autoren wie<br />
thomas brasch 8 , aber auch heiner<br />
Müller 9 . Das Feuilleton war sowieso<br />
wurscht, was das Publikum dachte,<br />
das war viel interessanter. Diese haltung<br />
hat uns geprägt. benno hat sehr<br />
viele leute zugelassen und gefördert,<br />
Künstler wie zum beispiel Karge/<br />
langhoff 10 . Das hatte alles mit einer<br />
großen Großzügigkeit zu tun, aber<br />
vor allem mit einem Riesenspaß! Das<br />
haben wir sicher mitgenommen.“<br />
Katharina thalbach verließ, wie<br />
auch ihr Vater und viele andere, ende<br />
der siebziger Jahre die DDr. unter ih-<br />
94<br />
6 Giudecca: Die langgestreckte, südlich von<br />
Venedig gelegene Insel befindet sich gegenüber dem<br />
„Zattere” und ist von Venedig durch den canale<br />
della Giudecca getrennt. Die Giudecca ist heute<br />
überwiegend von arbeitern und einfacheren leuten<br />
bewohnt, erfreut sich mittlerweile aber wachsender<br />
beliebtheit bei der internationalen Prominenz.<br />
7 „Kinder des Olymp“, französischer Spielfilm,<br />
gedreht 1943 bis 1945 von Marcel carné, Drehbuch<br />
Jacques Prévert. Der Film gilt als herausragendes<br />
Beispiel des poetischen Realismus in Frankreich.<br />
8 thomas brasch, deutscher schriftsteller, Dramatiker,<br />
Drehbuchautor, Regisseur und Lyriker. Er<br />
war 1976 Mitunterzeichner der resolution gegen<br />
die ausbürgerung von Wolf biermann und verließ<br />
daraufhin zusammen mit Katharina thalbach und<br />
ihrer tochter anna thalbach die DDr. er erhielt für<br />
seine Filme und texte zahlreiche auszeichnungen<br />
und Preise. Er starb 2001 in Berlin. Thomas Brasch<br />
war der lebensgefährte von Katharina thalbach.<br />
9 heiner Müller, deutscher schriftsteller, 1929-<br />
1995, wichtiger autor der DDr, schrieb theaterstücke<br />
und führte selber Regie.<br />
10 Matthias langhoff und Manfred Karge, theaterregisseure
Foto: eManuel hauPtMann<br />
11 christoph Waltz, österreichischer schauspieler,<br />
der <strong>2010</strong> den Oscar für seine Rolle des Hans Landa<br />
in dem Film „inglourious basterds“ von Quentin<br />
tarantino erhielt.<br />
12 „Macbeth“ von William Shakespeare, erste<br />
regiearbeit von Katharina thalbach 1987 in der<br />
Werkstattbühne des Berliner Schillertheaters.<br />
Katharina thalbach — Zeitreise<br />
nen auch die beiden regisseure Matthias<br />
langhoff und Manfred Karge,<br />
die in den frühen 1970ern bei Benno<br />
Besson an der Volksbühne inszenierten,<br />
wo sie mit regisseuren und<br />
autoren wie Fritz Marquardt, heiner<br />
Müller und anderen namhaften<br />
DDR-Künstlern die berühmte Volksbühnenära<br />
nach 1945 prägten. 1977,<br />
nach dem Weggang des intendanten<br />
benno besson, arbeiteten und lebten<br />
Karge/langhoff im Westen. in bochum,<br />
wo sie unter der leitung von<br />
claus Peymann regelmäßig inszenierten,<br />
brachten sie die arbeiten<br />
von vielen Künstlern aus der DDr<br />
auf die bühne und machten sie in<br />
Westdeutschland bekannt, so zum<br />
beispiel thomas brasch mit seinem<br />
Stück „Lieber Georg ...“ (Uraufführung<br />
1980) sowie Heiner Müller<br />
(1983, „Verkommenes Ufer ...“).<br />
Zusammen mit thomas brasch<br />
lebte Katharina thalbach in Westberlin<br />
und verlor ezio toffolutti für einige<br />
Zeit aus den augen. „Die nächste<br />
große begegnung war dann wieder<br />
in Zürich, als Benno dort ‚Hamlet’<br />
inszenierte, mit christoph Waltz 11<br />
als hamlet und mir als ophelia. Das<br />
war 1983. So kamen wieder die Tücher<br />
von ezio auf die bühne. Dann<br />
haben wir das erste Mal hier in Venedig<br />
zusammen gearbeitet, um ‚Macbeth’<br />
12 vorzubereiten. Das war meine<br />
erste regiearbeit und ich brauchte<br />
jemanden, der mit einem kleinen<br />
Etat etwas Besonderes bauen konnte.<br />
Für mich kam nur Ezio in Frage. Als<br />
Venezianer arbeitet ezio eigentlich<br />
immer mit schiffsprinzipien. er erklärte<br />
uns, dass die ersten Techniker<br />
im Barocktheater Matrosen gewesen<br />
waren. Die theatermaschine mit ih-<br />
95<br />
ren schnellen Wechseln ist gemacht<br />
wie ein schiff mit vielen segeln. so<br />
wie die Matrosen die segel setzten<br />
mit stoff und seilen, so hat ezio auf<br />
der bühne räume gewechselt und<br />
verändert. Mit ‚Macbeth’ wurden<br />
wir zu Gastspielen in ganz europa<br />
eingeladen.“<br />
seitdem arbeitet Katharina thalbach<br />
europaweit als schauspielerin<br />
und regisseurin: sie steht auf der<br />
bühne in Paris und Zürich, inszeniert<br />
„Die Fledermaus“ am teatro<br />
sao carlos in lissabon, spielt in internationalen<br />
Filmproduktionen,<br />
doch Venedig bleibt eine ganz wichtige<br />
station. „Venedig ist die lebendigste<br />
stadt der Welt. Du hast eine<br />
besondere beziehung dort zu dem<br />
raum, in dem du bist. in Venedig<br />
arbeitet man anders als in anderen<br />
„ich habe mich auF meiner<br />
ersTen reise nach<br />
Venedig wirKlich ge-<br />
FürchTeT Vor der sTadT.<br />
man FühlT sich hier wie<br />
in einem zeiTTunnel, zurücKVerseTzT<br />
in die geschichTe.“<br />
städten. Das liegt an vielen Dingen,<br />
aber auch an der Lagune. Es gibt keine<br />
stadt auf der Welt, wo die natur<br />
zweimal am tag die stadt verändert:<br />
es gibt hier ebbe und Flut. Die lagune<br />
ist lebendig. auch die häuser leben,<br />
sind ständig in bewegung. Das<br />
Wasser wechselt durch das salz die<br />
Farbe, das Licht und die Perspektive<br />
ändern sich. Diese stadt ist gebaut
wie ein organismus, ist ein lebendiger<br />
Körper und ein labyrinth.“<br />
Das stimmt – gerade jetzt haben<br />
wir uns verlaufen. Für 2,50 € kaufen<br />
wir einen stadtplan, auf dem<br />
wir den namen der straße, in der<br />
wir ezios Wohnung vermuten, nicht<br />
finden. Irgendwie in diese Richtung,<br />
hier kann kein Weg der falsche sein<br />
und wen interessiert schon das Ziel,<br />
wenn es an jeder Ecke Schönes aus<br />
allen Jahrhunderten, Zeiten und<br />
Epochen zu entdecken gibt. Sich verlaufen,<br />
komplett die Orientierung<br />
verlieren, auf schwankendem Boden<br />
stehen und dann doch weiterkommen,<br />
wohin auch immer, ist eine<br />
sehr typische erfahrung in Venedig.<br />
Dass weiß auch Katharina thalbach.<br />
„Meine erste touristenreise ging<br />
nach Venedig und endete irgendwann<br />
nachts im canale Grande. Das<br />
war eine sehr bedeutsame erste reise,<br />
weil ich mich wirklich gefürchtet<br />
habe vor dieser stadt. Man fühlt sich
hier wie in einem Zeittunnel, wird<br />
zurückversetzt in die Geschichte. Damals<br />
war die stadt noch viel ruhiger,<br />
es gab nur einen Maskenladen am<br />
Markusplatz. Wenn wir jetzt wieder<br />
ein Vaporetto nehmen und von Giudecca<br />
nach Venedig fahren, kommen<br />
wir direkt zu San Marco. Die<br />
Seufzerbrücke ist zur Zeit gar nicht<br />
mehr zu sehen, die ist eingemauert<br />
hinter riesigen Bulgari-Plakaten.“<br />
Was kann schon ein Bulgari-Plakat<br />
der Schönheit Venedigs anhaben?<br />
Die alte Stadt zuckt die Achseln<br />
und lacht. Wir haben uns wunderbar<br />
verlaufen und ezios Wohnung<br />
gefunden. Darin wartet auf uns das<br />
Modell für die bühne von „cyrano<br />
de bergerac“. in wenigen Monaten<br />
schon beginnen die Proben. Der<br />
schauspieler armin rohde wird als<br />
cyrano seine eigene reise antreten,<br />
nicht nach Venedig, aber zum Mond<br />
vielleicht. Venezianische Wechsel<br />
garantiert.<br />
KaTharina Thalbach<br />
„Kathi ist die Bühne. Wenn sie auf der<br />
Bühne ist, passiert etwas“, sagt Ezio<br />
Toffolutti über Katharina Thalbach.<br />
Sie ist Schauspielerin, dreht Filme<br />
und steht auf der Bühne, ist aber auch<br />
seit vielen Jahren Theater- und Opernregisseurin.<br />
Im Westen wurde sie 1979<br />
durch den Film „Die Blechtrommel“<br />
von Volker Schlöndorff berühmt, in der<br />
DDR war sie schon lange ein Star. Sie<br />
wurde 1954 in Ostberlin geboren und<br />
ist die Tochter des Regisseurs Benno<br />
Besson und der Schauspielerin Sabine<br />
Thalbach. Sie war Elevin am Berliner<br />
Ensemble bei Helene Weigel und debütierte<br />
mit 15 Jahren als Hure Betty in<br />
„Die Dreigroschenoper“. Bis 1976 folgten<br />
weitere erfolgreiche Auftritte an den<br />
großen Ostberliner Bühnen und verschiedene<br />
Rollen in zehn DEFA-Filmen.<br />
Im Jahr 1976 siedelte Katharina Thalbach<br />
nach Westberlin über. Sie arbeitete<br />
weiterhin am Theater mit den Regisseuren<br />
Thomas Brasch, Jürgen Flimm,<br />
Benno Besson, Hans Neuenfels, Jérôme<br />
Savary und Leander Haußmann, mit<br />
dem sie 1999 den Film „Sonnenallee“<br />
drehte. Ihr Debüt als Regisseurin<br />
gab sie 1987 mit Shakespeares „Macbeth“<br />
in Berlin am Schillertheater, wo<br />
sie viele Jahre engagiert war. Zu ihren<br />
Inszenierungen gehörte auch „Der<br />
Hauptmann von Köpenick“ am Maxim<br />
Gorki Theater mit Harald Juhnke in der<br />
Hauptrolle. Ihre letzten Operninszenierungen<br />
waren 2008 „Rotter“ an der<br />
Oper Köln und 2009 „Der Barbier von<br />
Sevilla“ an der Deutschen Oper Berlin.<br />
Für ihre Arbeiten erhielt sie zahlreiche<br />
Film- und Theaterpreise.<br />
97<br />
Cyrano<br />
de BergeraC<br />
von Edmond Rostand<br />
Premiere am 29. Januar <strong>2011</strong> im <strong>Schauspielhaus</strong><br />
Ein Unzeitgemäßer war er, ein Freigeist und Erfinder, ein<br />
Poet und ein großer utopist. cyrano de bergerac lebte von<br />
1619 bis 1655. in seinen schriften reiste er zur sonne und<br />
zum Mond und wusste genau, dass der Mond eine Welt<br />
unter vielen ist, so wie die erde, die sich bewegt und um die<br />
Sonne kreist. Das war vermessen und mutig in einer Zeit,<br />
in der Galileo widerrufen musste und die scheiterhaufen<br />
noch schwelten. Keine Regel respektierte er und kein<br />
Gesetz, am wenigsten das der Kirche. scharf waren sein<br />
Degen und sein Verstand, sein Witz und sein Geist. Wen<br />
wundert es, dass dieses heiße herz sich mit allen anlegte,<br />
mehr Feinde als Vertraute hatte und aller Wahrscheinlichkeit<br />
nach einem Anschlag zum Opfer fiel. Seine Schriften<br />
verschwanden und wir wissen nicht viel mehr über ihn als<br />
das, was Edmond Rostand in seinem Stück „Cyrano de Bergerac“<br />
1897 über ihn verewigt hat. Ob es Roxanne wirklich<br />
gab, das wissen wir nicht, aber wir glauben ganz sicher an<br />
die reinheit und tiefe seiner liebe zu ihr, die er verschwieg<br />
ein leben lang. im namen seines Freundes fand er die<br />
schönsten Worte der liebe, schrieb die leidenschaftlichsten<br />
briefe und gestand doch niemals, dass es sein eigenes<br />
herz war, das sprach. noch eines wissen wir: er hatte eine<br />
große nase. armin rohde spielt den cyrano de bergerac in<br />
der regie von Katharina thalbach.<br />
Regie: Katharina Thalbach<br />
Bühne und Kostüme: Ezio Toffolutti<br />
Musik: Emanuel Hauptmann<br />
Dramaturgie: Sabine Reich<br />
In Zusammenarbeit mit der Folkwang Universität
Jan Klata<br />
auf dem weg nach ameriKa
Polen macht seine<br />
theatermacher zu<br />
stars, die auf der<br />
strasse erKannt<br />
werden. der<br />
theaterKritiKer<br />
roman PawŁowsKi,<br />
der für die grösste<br />
tageszeitung des<br />
landes schreibt,<br />
PortrÄtiert einen<br />
von ihnen und zeigt,<br />
warum das theater<br />
des regisseurs Jan<br />
Klata zwischen PoP,<br />
Poesie und PolitiK für<br />
aufregung weit über<br />
den zuschauerraum<br />
hinaus sorgt.<br />
TExT: ROMAN PAWłOWSKI<br />
FOTOS: cHRISTIAN ROlFES<br />
JAN KlATA — AUF DEM WEG NAcH AMERIKA<br />
Linker Katholik, konservativer Rebell,<br />
klassikaffiner Punk – nicht nur<br />
Talent und eine bildmächtige Fantasie,<br />
auch seine widersprüchliche<br />
Persönlichkeit machen Jan Klata zu<br />
einem der interessantesten Regisseure<br />
des europäischen Gegenwartstheaters.<br />
Klata ist das Kind einer von Paradoxien<br />
geprägten Zeit. Seine Generation<br />
sah bekennende Marxisten, mit<br />
Michael Gorbatschow an der Spitze,<br />
den Kommunismus zu Grabe tragen.<br />
Sie erlebte mit, wie einstige Parteigenossen<br />
und ehemalige Dissidenten<br />
Hand in Hand ein neues System unter<br />
marktliberalen Vorzeichen errichteten.<br />
Und sie debütierte zu einem<br />
Zeitpunkt, an dem islamistische Fanatiker<br />
die Geschichte, die 1989 zum<br />
Stillstand gekommen schien, wieder<br />
ins Rollen brachten.<br />
Wer wie Klata in einem Schmelztiegel<br />
widersprüchlicher Ideen, Traditionen<br />
und Ideologien aufwuchs,<br />
ist meist vor allem eines: kritisch. Er<br />
traut weder den Sympathisanten des<br />
Ancien Régime, noch den Propheten<br />
der schönen neuen Welt. Er steht<br />
den Sozialutopien des vergangenen<br />
Jahrhunderts ebenso skeptisch gegenüber<br />
wie den liberalen und neoliberalen<br />
Dogmen des neuen. Er sucht<br />
eigene Wege durch eine von Spannungen<br />
und Konflikten geprägte globalisierte<br />
Welt – auf eigene Faust und<br />
auf eigenes Risiko.<br />
Genau so ist auch Jan Klatas Theater.<br />
Schon mit seinem Regiedebüt<br />
stellte er den polnischen Status quo<br />
in Frage, der auf Abmachungen zwischen<br />
Vertretern der einstigen Opposition<br />
und den zu Postkommunisten<br />
gewendeten Repräsentanten der alten<br />
volksrepublikanischen Nomenklatura<br />
beruhte. In Wałbrzych, einer<br />
abgewirtschafteten Bergbaustadt in<br />
der niederschlesischen Provinz, versetzte<br />
er 2003 Gogols „Revisor“ ins<br />
kommunistische Polen der 1970er<br />
Jahre. Die nach dem damaligen Premier<br />
Gierek benannte Epoche, eine<br />
Zeit des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen<br />
Fortschritts und der<br />
Öffnung nach Westen, aber auch<br />
der Korruption und des politischen<br />
Zynismus, diente Klata als Zerrspiegel<br />
für das von politischen Affären,<br />
Arbeitslosigkeit und Korruption ge-<br />
100<br />
plagte Polen der Gegenwart.<br />
Spätere Inszenierungen führten<br />
die radikale Kritik an den Verhältnissen<br />
im postkommunistischen Polen<br />
fort. Seine schlicht „H.“ betitelte<br />
Hamlet-Version in der Danziger<br />
Werft 2004 war eine Abrechnung<br />
mit den politischen Eliten des landes,<br />
denen nach 1989 im Kampf um<br />
Macht und Pfründe das Ethos der<br />
gesellschaftlichen Solidarität abhanden<br />
gekommen war. Schon der<br />
Spielort symbolisierte den Verfall:<br />
Eine heruntergekommene Halle in<br />
der ehemaligen lenin-Werft, der<br />
Wiege der „Solidarnos´ć“ und einem<br />
der ersten Opfer der kapitalistischen<br />
Marktwirtschaft.<br />
Den Regisseur Jan Klata interessiert<br />
aber keineswegs nur die Gegenwart,<br />
er setzt sich auch mit der Vergangenheit<br />
auseinander. In seiner<br />
Fassung von Stanisław Ignacy Witkiewiczs<br />
„Fizdejkos Tochter“ legte er die<br />
latenten, anlässlich des polnischen<br />
EU-Beitritts wieder aufgebrochenen<br />
Ängste und Psychosen von Polen<br />
und Deutschen offen. Die Deutschen<br />
zeigte Klata als Technokraten,<br />
denen immer noch die Gespenster<br />
von Auschwitz nachspuken. Die Polen<br />
wiederum präsentierte er dem<br />
deutschen Stereotyp entsprechend<br />
als betrunkene Arbeitslose, die ihre<br />
Habseligkeiten in Plastiktüten mit<br />
sich herumschleppen. „Transfer!“,<br />
eine auf Erzählungen polnischer und<br />
deutscher Opfer der Vertreibungen<br />
um 1945 basierende Theaterdokumentation,<br />
zeigte dagegen die Perspektive<br />
einer Versöhnung auf, in<br />
der das leid des anderen anerkannt<br />
wird, ohne die historischen Fakten<br />
und die Differenz der Erfahrungen<br />
zu leugnen.<br />
Mit der Zeit erweiterte Klata die<br />
Kampfzone und wandte sich globalen<br />
Themen zu. Er befasste sich mit dem<br />
Krieg gegen den Terrorismus und den<br />
Mechanismen der Erzeugung von<br />
Furcht, er kritisierte die Mediendemokratie,<br />
in der Medien und Meinungsforschungsinstitute<br />
die Macht<br />
übernommen haben, er fragte nach<br />
dem Sinn von Revolutionen in einer<br />
postpolitischen Welt, die keine<br />
Klassenkonflikte mehr kennt. Und<br />
mitten in der Finanzkrise analysierte<br />
er 2009 in „Das gelobte land“ die
kranke „Geiz ist geil“-Mentalität des<br />
neoliberalen Kapitalismus.<br />
Das treffendste Bild der postmodernen<br />
Welt zeichnete Klata in<br />
seiner Inszenierung von Stanisława<br />
Przybyszewskas epischem Drama<br />
„Die Sache Danton“. Er verlegte die<br />
Handlung in einen Slum unserer<br />
Zeit, ließ die Revolutionäre aber in<br />
Kostümen des 18. Jahrhunderts auftreten.<br />
Zwischen Hütten aus Pappe<br />
und Wellblech wirkte Robespierres<br />
und Dantons verbissenes Ringen um<br />
die Führerschaft grotesk, die Revolution<br />
wurde zur Farce. Eindrücklicher<br />
lässt sich ein Abgesang auf die Ideale<br />
der französischen Revolution kaum<br />
gestalten.<br />
Klata entwickelt seine Kapitalismus-<br />
und Utopiekritik aus der<br />
Position des bekennenden und engagierten<br />
Katholiken. Sein Danziger<br />
Hamlet zog auf Polonius’ Frage „Was<br />
leset Ihr, mein Prinz?“ ein Gotteslob<br />
aus der Tasche und zitierte aus den<br />
Zehn Geboten. Als gläubiger Katholik<br />
– einer von sehr wenigen in<br />
der gegenwärtigen Theaterlandschaft<br />
– steht er gleichwohl dem in Polen<br />
weit verbreiteten religiösen Fanatismus<br />
äußerst kritisch gegenüber. Das<br />
zeigt seine Adaption von André Gides<br />
Roman „Die Verliese des Vatikan“,<br />
in der er religiösen Fanatismus und<br />
westlichen Nihilismus konfrontierte.<br />
Auf der einen Seite standen die Hörer<br />
des ultrakatholischen Senders Radio<br />
Maryja, die sich in einer Festung der<br />
Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit<br />
verschanzten, auf der anderen<br />
Seite Jugendliche, die durch Popkultur<br />
und antikirchliche Einstellungen<br />
geprägt wurden. Klata ließ sie ihren<br />
Streit musikalisch austragen: Die einen<br />
sangen ein Madonnenlied, die<br />
anderen antworteten mit „Sympathy<br />
for the Devil“ von den Rolling<br />
Stones.<br />
Der politischen Radikalität Klatas<br />
entspricht die Radikalität seiner Theatersprache.<br />
Jan Klata ist ein DJ auf<br />
dem Regiestuhl: Er scratcht Inszenierungen,<br />
indem er klassischen Stücken<br />
Gossensprache untermischt,<br />
er loopt Repliken, um den Effekt<br />
stillstehender Zeit zu erreichen, er<br />
sampelt die unterschiedlichsten Texte<br />
und lässt etwas Neues daraus entstehen.<br />
Eine Schlüsselrolle in seinen<br />
JAN KlATA — AUF DEM WEG NAcH AMERIKA<br />
Inszenierungen spielen Musikzitate:<br />
In „Die Sache Danton“ sind es „Revolution<br />
No. 9“ von den Beatles und<br />
„Talkin’ bout a Revolution“ von Tracy<br />
chapman, in „Schuster.am.Tor“ ist<br />
es „london calling“ von The clash,<br />
und in „Das gelobte land“ ist „In the<br />
Air Tonight“ von Phil collins zu hören.<br />
Die symbolische Bedeutung dieser<br />
und anderer Zitate ist von einem<br />
popkulturell sozialisierten Publikum<br />
leicht zu erfassen.<br />
Manche Zuschauer irritiert die<br />
Brutalität von Klatas Inszenierungen,<br />
die direkt und plakativ daherkommen<br />
wie Parolen an Häuserwänden.<br />
Wer nur einen angenehmen Abend<br />
im Theater verbringen möchte, für<br />
den sind sie nichts. Doch genau so<br />
muss Theater sein: unbequem und<br />
beunruhigend. Nur so lebt es. Nur so<br />
hat es einen Sinn.<br />
Roman PawŁowski IST THEATERKRITIKER<br />
UND REDAKTEUR DER „GAZETA WyBORcZA“,<br />
DER GRÖSSTEN üBERREGIONAlEN TAGESZEI-<br />
TUNG POlENS.<br />
AUS DEM POlNIScHEN VON<br />
BERNHARD HARTMANN<br />
Jan Klata<br />
wurde 1973 geboren und studierte<br />
Regie an der Warschauer Theaterakademie<br />
und später an der staatlichen<br />
Theaterschule Krakau. Er assistierte<br />
polnischen Theatergrößen wie<br />
Jerzy Grzegorzewski oder Krystian<br />
Lupa. Seine erste Inszenierung von<br />
Nikolai Gogols „Revisor“ wurde als<br />
wichtigstes Debüt des Jahres 2003 gefeiert.<br />
Seither inszeniert Jan Klata an<br />
den bedeutendsten Bühnen Polens, in<br />
Warschau, Krakau und Wrocław. Seine<br />
Inszenierungen waren auf diversen<br />
Festivals im Ausland zu sehen, so unter<br />
anderem am HAU Berlin, beim Festival<br />
d’Automne in Paris oder beim Internationalen<br />
Festival Buenos Aires. 2006<br />
inszenierte Jan Klata in Graz erstmals<br />
im deutschsprachigen Raum und 2009<br />
am Düsseldorfer <strong>Schauspielhaus</strong> zum<br />
ersten mal in Deutschland. Seine Inszenierungen<br />
wurden mit zahlreichen<br />
bedeutenden polnischen Theaterpreisen<br />
ausgezeichnet.<br />
102<br />
AmerikA<br />
von Franz Kafka<br />
Premiere am 2. April <strong>2011</strong> im <strong>Schauspielhaus</strong><br />
„Wir wollen nicht das Neuste lesen – wir wollen das Beste,<br />
das Bunteste, das Amüsanteste lesen. Ja, also Amerika“,<br />
schrieb Kurt Tucholsky in einer Kritik zur Veröffentlichung<br />
des Romanfragments „Amerika“ von Franz Kafka. Das unvollendete<br />
Werk erzählt die Geschichte von Karl Rossmann,<br />
der von seinen Eltern nach Amerika geschickt wird und<br />
nun fern der Heimat lernen muss, erwachsen zu sein. Kafkas<br />
Erzählung ist mit all dem ausgestattet, was die literatur<br />
des Prager Versicherungsangestellten so unverwechselbar<br />
macht. Der 16-jährige Immigrant Rossmann bemüht sich<br />
nach Kräften, die Regeln in der neuen Welt zu verstehen<br />
und zu befolgen. Doch er strauchelt ständig in dieser komplizierten,<br />
verwirrenden Welt. Erst sind es die unverständlichen<br />
und ungerechten Gesetze des mächtigen, reichen<br />
Onkels, dann die kriminelle, ausbeuterische Energie der<br />
zwielichtigen Wandergesellen, später die Durchtriebenheit<br />
der älteren liftboys im Hotel Occidental, die ihm das leben<br />
schwer machen. Doch Karl verliert nicht seine Zuversicht.<br />
Die durchaus komische Geschichte hat viele Momente, in<br />
denen die Sache auch gut gehen könnte, wenn beispielsweise<br />
die Oberköchin des grotesken Hotels Karl Obdach<br />
und Arbeit verschafft. Und auch Glück scheint möglich in<br />
diesem überfordernden Fantasie-Amerika: Karl stellt sich<br />
zu den Engeln mit den Trompeten in die Reihe, um beim<br />
großen Naturtheater von Oklahoma auf eine Anstellung<br />
zu hoffen.<br />
Regie: Jan Klata<br />
Bühne und Kostüme: Justyna Łagowska,<br />
Mirek Kaczmarek<br />
Choreografie: Maćko Prusak<br />
Dramaturgie: Olaf Kröck
104
SAHIKA TEKAND — SPIELREGELN<br />
SPIELREGELN<br />
TExT: SAHIKA TEKAND<br />
FoToS: UgUR TaSkin<br />
Ich bin eine Spielemacherin: Obwohl ich eigentlich die<br />
Verwandlung des Lebens in ein reines Spiel ablehne, versuche<br />
ich als Künstlerin eine Form zu entwickeln, die sich<br />
der Verwechslung des Spiels mit dem Leben widersetzt.<br />
Mein Theater konzentriert sich auf das Spiel.<br />
Zurzeit behandeln wir alle unser Leben als ein Spiel, ein<br />
Spiel, in das wir nicht eingreifen können, das uns keine<br />
Wahl zu lassen scheint. Leben und Spiel werden von den<br />
aktuellen Strömungen in der Kunst negiert. Wir wissen<br />
nicht, was real und was virtuell ist. Leben und Spiel verschwimmen<br />
zunehmend. Dagegen steht für mich das Theater.<br />
Das Theater, das von der Realität des augenblicklichen<br />
Momentes erzählt. Theater ist nicht Leben, sondern strikt<br />
etwas anderes.<br />
Als ich in den frühen achtziger Jahren Schauspiel studierte,<br />
waren die Veränderungen, die in der Welt geschahen,<br />
so schnell und intensiv, dass sie beinah überall greifbar<br />
wurden. In diesen Jahren interessierte mich besonders<br />
die Frage, wie Performance-Kunst aussehen könnte. Als<br />
Künstlerin fragte ich mich, wie man zeitgenössisches Theater<br />
machen könne, das die Realität des augenblicklichen<br />
Momentes in sich aufnimmt, ohne seine eigene künstliche<br />
Form zu verschleiern. Ich wollte das Theater zu einer<br />
aktuellen, zeitgenössischen Kunstform machen.<br />
So habe ich eine Form entwickelt, die ich „Darstellende<br />
Aufführungs- und Schauspielmethode“ nenne. Meine<br />
Methode entstand als Auseinandersetzung und Kritik an<br />
den formalen Theatermitteln und an einer Tendenz in den<br />
Künsten, das Leben zunehmend zu ästhetisieren. Gerade<br />
das Theater, das mit einem kritischen Anspruch formuliert<br />
wurde, gab eine naturalistische und sehr idealistische Abbildung<br />
der Welt wieder. Ich aber war auf der Suche nach<br />
einem Theater, das einem zeitgenössischen Publikum und<br />
seiner Sichtweise entsprach und das dennoch der Realität<br />
des Aktuellen gerecht wurde. So gründete ich meine eigene<br />
Ausbildungsstätte „Studio“, aus der heraus sehr schnell<br />
ein eigenes Ensemble entstand: Die „Studio Oyunculari“<br />
(„Studio Spieler“), eine unabhängige Company, die ohne<br />
finanzielle Unterstützung arbeitet und mit der ich auf<br />
der Suche nach neuen Arbeitsweisen und Theaterformen<br />
bin. Wir arbeiten seit nahezu zwanzig Jahren in derselben<br />
Spielstätte. Das ist kein einfacher Ort, aber oft inspirieren<br />
Schwierigkeiten unsere Kreativität. Wir haben dort eine<br />
Bühne mit 45 Sitzen und ein kleines Studio, in dem unsere<br />
Workshops stattfinden. Dort unterrichte ich Schauspieler,<br />
Autoren und junge Regisseure in meiner Arbeitsweise.<br />
Dort spielen wir aber auch unsere Produktionen. Unsere<br />
großen Arbeiten seit dem Ende der neunziger Jahre bringen<br />
wir jedoch auf anderen Bühnen heraus.<br />
„Spieler“ ist der wichtigste Begriff in meiner Arbeit.<br />
Damit ist hier nicht „Schauspieler“ gemeint, sondern<br />
„Spiel-Spieler“. Schauspiel und Virtuosität sind nur das<br />
Handwerk, mit dem wir unser Spiel spielen. In meinen Inszenierungen<br />
fühlt sich der Spieler weder in die Psyche der<br />
Rolle hinein und durchwandert die Labyrinthe des Unbewussten<br />
noch steht er als epischer Erzähler neben seiner<br />
Rolle. Dem „Spiel-Spieler“ und seiner Rolle ist es erlaubt<br />
und möglich, sich in unzähligen Schichten zu überlagern.<br />
Sie sind gleichzeitig anwesend und erkennbar. In all ihrer<br />
Sichtbarkeit und Realität existieren die Theaterfigur und<br />
der Spieler in einem Augenblick. Sie erzählen und begründen<br />
sich gegenseitig.<br />
Das Spiel fordert vom Spieler Ehrlichkeit im Hinblick<br />
auf die realen Risiken und Herausforderungen des Augenblicks.<br />
Die Glaubwürdigkeit des Spielers erwächst in dem,<br />
was er tut, unter den Bedingungen, die der Regisseur ihm<br />
bietet. Das Publikum ist überzeugt, dass diese Handlung<br />
nur so und nicht anders unter den gestellten Bedingungen<br />
möglich sein konnte. Es geht nicht darum, das Publikum<br />
etwas glauben zu lassen, sondern es zu überzeugen, indem<br />
es die Bedingungen der Inszenierung und die Sprache der<br />
Ästhetik versteht. In diesem realen Augenblick vollzieht<br />
105
sich mit den künstlerischen Auslösern, die diese bestimmte<br />
Situation bedingen, in diesem bestimmten Raum und<br />
Moment diese Handlung und das ist einzigartig.<br />
Der Chor ist eine gute Möglichkeit, das Spiel auf der<br />
Bühne voranzutreiben und die Herausforderungen für<br />
die Spieler zu gestalten. Der Chor erfordert eine extreme<br />
Spannung in der Gruppe. Die Harmonie und Synchronizität,<br />
die in der chorischen Arbeit nötig sind, erfordern viel<br />
von den Spielern, besonders wenn sie ohne Chorführer<br />
arbeiten. Dabei verwandeln sie sich jedes Mal in Seiltänzer<br />
ohne Netz. Diese Herausforderung und Spannung der<br />
chorischen Arbeit bringt eine besondere Freude in die Inszenierung.<br />
Der Text auf der Bühne ist ebenso Teil des Spiels. Es gibt<br />
immer einen konflikt zwischen Text und Theater, auch<br />
wenn der Regisseur mit einer großen Verantwortung für<br />
den Autor arbeitet. Der Text ist immer schon fertig. Er hat<br />
seine Zeit gehabt, seine Entwicklung genommen. Er gehört<br />
zur Vergangenheit. Aber zur Bühne gehört der Moment, der<br />
sich vor einem Publikum ereignet und sich immer wieder<br />
neu erfindet. also gibt es eine wichtige Spannung zwischen<br />
diesen beiden Ebenen im Theater. Was geschrieben werden<br />
kann, muss geschrieben werden. Was gesagt werden kann,<br />
muss gesagt werden, und was getan werden kann, muss getan<br />
werden. Die Bühne ist der Ort zu handeln. Hier wird<br />
getan.<br />
Ich gehöre zu den glücklichen Personen, die die Möglichkeit<br />
hatten, zu spielen, zu schreiben, Regie zu führen<br />
und das alles gleichzeitig. Das hat mir immer viel Freude<br />
bereitet. Aber die allergrößte Freude ist für mich die Zeit,<br />
in der ich das Spiel erfinde, das später auf der Bühne zu<br />
sehen sein wird.<br />
aUS Dem engLiSchen von SaBine Reich<br />
Sahika TEkand<br />
ist in Istanbul eine bekannte Schauspielerin und Theatermacherin<br />
und wurde 1959 in Izmir geboren. 1984 schloss sie ihre<br />
Ausbildung zur Schauspielerin im Fachbereich Schauspielkunst<br />
der Fakultät der Darstellenden Künste an der 9 Eylül Universität<br />
in Izmir ab, an der sie zwei Jahre später zur Dr. phil.<br />
promovierte. Im selben Jahr begann sie ihre Karriere als Theater-<br />
und Filmschauspielerin und stand u.a. in Bertolt Brechts<br />
„Das Leben des Galilei“ auf der Bühne. Daneben trat sie mit<br />
selbst erarbeiteten Performances in Kunstgalerien auf. 1988<br />
gründete sie „Studio“, eine Ausbildungsstätte für Schauspieler<br />
und Künstler, an der sie ihre eigene Methode lehrt, die auch in<br />
ihren Inszenierungen zur Anwendung kommt. Um sie zu realisieren,<br />
schuf sie 1990 die Theatergruppe „Studio Oyunculari“.<br />
Mit „Studio Oyunculari“ hat sie zunächst eine Reihe von<br />
Produktionen fremder Texte erarbeitet, z.B. 1992/93 Becketts<br />
„Glückliche Tage“. Ab 1996 inszenierte sie dann vor allem ihre<br />
eigenen Stücke: „Die Verwandlung zu Nashörnern” (nach Ionesco),<br />
2000 „(Spiel)er”, 2002-06 ihre „Ödipus-Trilogie” –<br />
„Wo ist Ödipus?”, „Ödipus im Exil” und „Eurydikes Schrei”<br />
– und 2008 „Furcht vor der Finsternis”.<br />
106<br />
Der<br />
aufhaltsame<br />
aufstieg Des<br />
arturo ui<br />
von Bertolt Brecht<br />
Premiere am 28. Mai <strong>2011</strong> im <strong>Schauspielhaus</strong><br />
aufhaltsam war er, der aufstieg des arturo Ui, und konnte<br />
dennoch nicht verhindert werden. Ein kleiner Gangster in<br />
schwierigen Zeiten, nicht mehr und nicht weniger ist er.<br />
Die Konjunkturkrise ist groß und die Wirtschaft verunsichert.<br />
Er nutzt die schlechten Zeiten, für sich. Korruption,<br />
Mord und Terror sind die Mittel, mit denen er die Stadt und<br />
die Händler in seine Hände bringt. Niemand stellt sich ihm<br />
entgegen, nichts kann ihm Einhalt gebieten. Warum? Weil<br />
sie ihm glauben? Weil er sie überzeugt? Ihnen aus der Seele<br />
spricht? Weil er die Show beherrscht, am besten von allen?<br />
An wen denken wir heute, wenn wir Brechts Parabelstück<br />
aus dem Jahr 1958 lesen? An Berlusconi-Superstar oder an<br />
Hitler, dessen Karriere Brecht modellhaft nachzeichnet?<br />
Es ist nicht Hitler, der gewinnt, es sind die anderen in der<br />
Stadt und in der Politik, die verlieren. Sie verlieren ihre<br />
Glaubwürdigkeit und ihre Identität, ihre Ideen und Visionen.<br />
Es war nicht seine Stärke, sondern ihre Schwäche, die<br />
Hitler nicht aufhalten konnte. Die türkische Regisseurin<br />
Sahika Tekand wird diese berühmte Arbeit Brechts inszenieren.<br />
In ihrem Theater in Istanbul hat sie eine Form für<br />
chorisches Theater entwickelt, die sie nun im Dialog mit<br />
Brecht weiterführen wird.<br />
Regie: Sahika Tekand<br />
Bühne: Esat Tekand<br />
Dramaturgie: Sabine Reich
Fotos: Diana Küster
theater für alle:<br />
Junges schauspielhaus<br />
Das Junge schauspielhaus unter der Leitung von Martina van Boxen steht für ein theater für Kinder, Jugendliche und auch<br />
erwachsene, das sowohl durch soziale als auch künstlerische ansprüche geprägt ist; das sich besinnt auf seine kulturellen<br />
Möglichkeiten schule des sehens zu sein, Kommunikation in Gang zu setzen und Mut zum Leben zu machen.<br />
Das Junge schauspielhaus ist ein ort der Begegnung, Kommunikation und Kreativität für Kinder und Jugendliche aus allen<br />
sozialen schichten. Hier bekommen sie, von Künstlern wie theaterpädagogen begleitet, die Gelegenheit, sich auszuprobieren,<br />
zu entfalten, ihre Kreativität zu nutzen und damit Wege und Handlungsstrategien für ihr Leben zu entdecken.<br />
Theaterpädagogisches Angebot<br />
Das Junge schauspielhaus bietet eine Vielzahl an Workshops,<br />
Jugendclubs und regiewerkstätten für Kinder und<br />
Jugendliche in den Bereichen theater, tanz, Musik, Medien<br />
und Literatur an. es werden klassische und moderne<br />
theaterstücke erarbeitet sowie themenorientierte eigenproduktionen<br />
entwickelt. Das angebot wird komplettiert<br />
durch theaterpädagogische Vor- und nachbereitungen der<br />
Produktionen des schauspielhauses, Fortbildungen für<br />
Pädagogen und ein vielfältiges angebot im Bereich theater<br />
und schule, wie zum Beispiel unsere neuen Projekte<br />
„schulen in Bewegung“ oder „Columbus“:<br />
Schulen in Bewegung<br />
80 schülerinnen aus fünf <strong>Bochum</strong>er schulen entwickeln<br />
zusammen mit Künstlern ein theaterprojekt. Das Besondere<br />
daran: die schüler kommen nicht nur aus fünf unterschiedlichen<br />
schulen, sondern auch aus fünf unterschiedlichen<br />
schulformen: Förderschule, Hauptschule,<br />
realschule, Gymnasium und Gesamtschule. „schulen in<br />
Bewegung“ – der name ist Programm. sowohl die schulen<br />
als auch die schüler werden angeregt, sich in Bewegung zu<br />
setzen: indem die schüler an einer schule arbeiten, die sie<br />
nicht kennen, indem die Lehrer der verschiedenen schulformen<br />
miteinander an ein und dem selben Projekt arbeiten,<br />
indem alle Beteiligten mit ihren Vorurteilen über die<br />
jeweils anderen – Die Hauptschüler, Die Gymnasiasten<br />
etc. – konfrontiert und herausgefordert werden, diese in<br />
der Praxis und im Kontakt zu überprüfen.<br />
Gefördert vom Ministerpräsidenten des Landes<br />
Nordrhein-Westfalen<br />
JunGes sCHausPieLHaus — tHeater Für aLLe<br />
Columbus<br />
„Columbus“ – so heißt das neue angebot des schauspielhauses<br />
<strong>Bochum</strong> in Kooperation mit der schulaufsicht <strong>Bochum</strong>.<br />
es wendet sich an alle schulklassen, Kurse und arbeitsgemeinschaften<br />
des 9. und 10. Jahrgangs aus <strong>Bochum</strong><br />
und der region <strong>Bochum</strong>.<br />
„Columbus“ steht für neugier, aufbruch, die Lust am entdecken<br />
und ist eine einladung an schülerinnen und schüler,<br />
ab der kommenden spielzeit gemeinsam zwei Jahre<br />
lang das <strong>Bochum</strong>er schauspielhaus kennen zu lernen und<br />
in Besitz zu nehmen.<br />
Kernstück des Projekts „Columbus“ sind zwei Vorstellungsbesuche<br />
der teilnehmer pro schuljahr, die von einführungen<br />
durch die theaterpädagogen und Dramaturgen oder<br />
durch Nachbesprechungen flankiert werden, bei denen es<br />
Gelegenheit gibt, nachzufragen, zu kritisieren und sich ein<br />
Bild von der entstehung der inszenierung zu machen.<br />
Wir machen den teilnehmenden Klassen monatlich Vorschläge,<br />
welche stücke aus unserem Gesamtspielplan für<br />
„Columbus“ besonders geeignet sind und für die die teilnehmer<br />
Kartenkontingente abrufen können.<br />
anmeldeschluss für „Columbus“ im Klassenverband ist<br />
der 10. september <strong>2010</strong>.<br />
Weitere informationen und anmeldung bei:<br />
Junges schauspielhaus<br />
Martina van Boxen<br />
tel.: 0234 / 33 33 -54 28 oder -55 28<br />
Fax: 0234 / 33 33 54 24<br />
e-Mail: jungesschauspielhaus@bochum.de<br />
109
Kindertheater des Monats<br />
in der Gastspielreihe „Kindertheater des Monats“ zeigen<br />
wir über die spielzeit verteilt sechs ausgewählte Produktionen<br />
von theatern aus ganz Deutschland. Die eingeladenen<br />
stücke präsentieren die ganze Bandbreite an hochwertigem<br />
theater für Kinder von 3 bis 13 Jahren in einer Mischung<br />
aus schauspiel, Figuren- und objekttheater.<br />
In Kooperation mit dem Kultursekretariat NRW<br />
Patenkarten<br />
Der Freundeskreis des schauspielhauses und das Junge<br />
schauspielhaus suchen Menschen, die Geld für Kinder<br />
und Jugendliche spenden, deren eltern sich den Besuch<br />
des schauspielhauses nicht leisten können. auch die teilnahme<br />
an Workshops und Jugendclubs werden dadurch<br />
finanziert. Ab einer Spende von 50 Euro werden Spendenbescheinigungen<br />
ausgestellt.<br />
Kontakt: Hans Joachim salmen<br />
tel.: 0234 / 47 35 93<br />
e-Mail: hajosalmen@aol.com<br />
Wenn sie Patenkarten in anspruch nehmen möchten, rufen<br />
sie uns im Jungen schauspielhaus an:<br />
tel.: 0234 / 33 33 54 28<br />
Wir helfen ihnen schnell und unbürokratisch!<br />
Förderverein<br />
ob als Förderer oder als aktives Mitglied: Jeder, der die<br />
theaterarbeit mit Kindern und Jugendlichen am schauspielhaus<br />
<strong>Bochum</strong> unterstützen möchte, ist in diesem<br />
Verein willkommen. natürlich freuen wir uns auch über<br />
spenden, für die wir auch gerne spendenbescheinigungen<br />
ausstellen.<br />
Kontakt: ulricke Hasselbring<br />
tel.: 0234 / 58 11 48<br />
Das detaillierte Programm des Jungen <strong>Schauspielhaus</strong>es, weiterreichende<br />
Informationen und Ansprechpartner entnehmen<br />
Sie bitte der Broschüre, die ab September <strong>2010</strong> ausliegt, sowie<br />
www.schauspielhausbochum.de/jungesschauspielhaus<br />
110<br />
Jim Knopf und<br />
LuKas der<br />
LoKomotivführer<br />
Kinder- und Familienstück von Michael Ende<br />
Premiere am 14. november <strong>2010</strong> im schauspielhaus<br />
Mitten im tiefen weiten Meer liegt die winzige insel Lummerland.<br />
Hier leben Lukas der Lokomotivführer mit seiner<br />
Lokomotive emma und natürlich König alfons der Viertelvor-Zwölfte<br />
mit seinen beiden untertanen Frau Waas und<br />
Herr Ärmel.<br />
eines tages bringt der Postbote ein Paket nach Lummerland,<br />
adressiert an Frau Malzahn (oder so ähnlich).<br />
Doch es gibt keine Frau Malzahn in Lummerland. Die<br />
einzige Frau auf Lummerland ist Frau Waas. also ist das<br />
Paket vielleicht für sie, beschließt König alfons der Viertelvor-Zwölfte<br />
und gibt ihr seine königliche erlaubnis, es zu<br />
öffnen. Was für eine überraschung, als sie darin ein Baby<br />
finden. Der Junge wird von den Inselbewohnern adoptiert<br />
und Jim Knopf genannt. als aus Jim schon fast ein halber<br />
untertan geworden ist, beschließt König alfons, dass die<br />
gute alte emma auf Grund der drohenden Bevölkerungsexplosion<br />
abgeschafft werden muss. Das können Lukas<br />
und sein bester Freund Jim nicht zulassen und so machen<br />
sie sich mit emma bei nacht und nebel auf den Weg in<br />
die weite Welt. ihre reise führt sie übers Meer bis ins ferne<br />
Mandala, durch den tausend-Wunder-Wald und das tal<br />
der Dämmerung in die Wüste und schließlich durch den<br />
Mund des todes ins Land der tausend Vulkane und in die<br />
Drachenstadt zu Frau Malzahn.<br />
in diesem Jahr feiert Michael endes roman seinen 50. Geburtstag.<br />
Bis heute begeistern die abenteuer von Jim Knopf<br />
und Lukas dem Lokomotivführer, dem kleinen Ping Pong,<br />
dem scheinriesen Herrn tur tur, dem Halbdrachen nepomuk<br />
und dem goldenen Drachen der Weisheit nicht nur<br />
Kinder.<br />
Regie: Katja Lauken<br />
Bühne: Kathrine von Hellermann<br />
Dramaturgie: Anna Haas<br />
Katja LauKen<br />
wurde 1970 in Wuppertal geboren und wuchs in Hamburg<br />
auf. Nach ihrem Studium in Köln war sie Regieassistentin<br />
am <strong>Schauspielhaus</strong> <strong>Bochum</strong>. Dort zeigte sie 2002 ihre<br />
erste eigene Inszenierung: „Die Präsidentinnen“ von Werner<br />
Schwab. In den folgenden Jahren arbeitete sie als freie<br />
Regisseurin am Theater Aachen, am Theater Oberhausen<br />
und am Schauspiel Essen. Für ihre Inszenierung von „Die<br />
Schaukel“ in Oberhausen wurde sie 2006 mit dem Haupt-<br />
und Publikumspreis des Kinder- und Jugendtheatertreffens<br />
NRW ausgezeichnet. 2007 erhielt sie den NRW-Künstlerinnenpreis.
honigherz<br />
Ein Stück für Kinder ab 2 Jahren<br />
von Cristina Gottfridsson<br />
Premiere am 3. oktober <strong>2010</strong> im Melanchthonsaal<br />
Knuddel und schnute, Musik und Zeichensprache, Äpfel<br />
und Kerne – und schon entsteht starkes theater für die allerjüngsten.<br />
Da braucht es gar nicht viele Worte. schnute<br />
zum Beispiel kann sowieso nicht sprechen, aber wozu auch:<br />
mit Musik kann er uns doch viel mehr erzählen. und Knuddel<br />
spricht zwar, aber ohne ihre Gesten und Bewegungen<br />
würden wir sie vielleicht nur halb so gut verstehen. aber<br />
wie verstehen sich die beiden eigentlich untereinander?<br />
Zuerst gar nicht, sie sind vor allem erschrocken voreinander,<br />
ängstlich. aber auch neugierig. und sie erleben, dass<br />
man ein gemeinsames Problem am besten auch gemeinsam<br />
löst. Dann ist am ende nicht nur das Problem weg,<br />
sondern auch das Leben um die schöne erfahrung reicher,<br />
gemeinsam etwas geschafft zu haben. und die Früchte der<br />
gemeinsamen anstrengung schmecken gut, ganz in echt.<br />
Mit „Honigherz“ hat die schwedin Cristina Gottfridsson<br />
ein wunderschönes kleines stück theater geschrieben, geeignet<br />
für Kinder ab 2 Jahren.<br />
Regie: Martina van Boxen<br />
Bühne: Michael Habelitz<br />
Kostüme: Cathleen Kaschperk<br />
hiKiKomori<br />
von Holger Schober<br />
für Jugendliche ab 13 Jahren<br />
Premiere am 26. november <strong>2010</strong> im Melanchthonsaal<br />
H sitzt in seinem Zimmer. schon lange. sehr lange. allein.<br />
niemand darf hereinkommen, auch Mutter und schwester<br />
kommen nicht mehr an ihn ran. irgendwann hat H einfach<br />
vergessen, wo die tür ist. sich entschieden, nicht mehr<br />
mitzumachen, ganz bei sich zu bleiben. Von dort aus über<br />
die Welt nachzudenken und manches an ihr so klarer zu<br />
sehen. im Chat trifft er eines tages rosebud. sie scheint<br />
ihn zu verstehen. Könnte sie sogar das rothaarige Mädchen<br />
sein, an das er sich erinnert, wenn er an früher denkt? oder<br />
ist rosebud die letzte Chance für seine schwester zu ihm<br />
durchzudringen? Menschen wie H, die sich einschließen,<br />
manchmal über Jahre, und den Kontakt zu ihren Mitmenschen<br />
abbrechen, nennt man Hikikomori – ein Phänomen,<br />
das in Japan nach schätzungen bis zu einer Million junger<br />
Menschen betrifft. Krankheit oder Protest gegen die verqueren<br />
erwartungen der Gesellschaft?<br />
Regie: Martina van Boxen<br />
Bühne und Video: Michael Habelitz<br />
Kostüme: Cathleen Kaschperk<br />
parzivaL<br />
von Lukas Bärfuss<br />
nach dem Versroman<br />
von Wolfram von Eschenbach<br />
für Jugendliche ab 14 Jahren und Erwachsene<br />
Premiere am 18. Februar <strong>2011</strong> in den Kammerspielen<br />
Parzival weiß von nichts. nicht einmal seinen namen. seiner<br />
Mutter fragt er Löcher in den Bauch. Doch sie erklärt<br />
ihm nichts. sie will ihn vor der Welt bewahren. einer Welt<br />
des übergangs, in der jede Gewissheit verloren ist, regeln<br />
nur behauptet und Werte vorgetäuscht werden. Deshalb<br />
hat sie ihn in der einöde großgezogen. aber Parzival will die<br />
Welt sehen, möchte ein ritter werden. er zieht los, trifft<br />
bald schon auf artus und die ritter der tafelrunde – und<br />
stellt die dümmsten Fragen. Doch der dumme Junge ist<br />
stark, erschlägt den roten ritter und legt sich seine rüstung<br />
an. ein alter Mann unterrichtet ihn. sagt ihm, was<br />
er tun soll und was nicht: Vor allem soll er nicht mehr<br />
fragen. und Parzival gehorcht. er kommt an einen ort,<br />
den es nicht gibt, den man nicht suchen darf, und trifft<br />
auf den kranken, schmerzverzerrten König anfortas. Parzival<br />
wundert sich, doch Fragen stellt er keine mehr. er hat<br />
die Gralsburg nicht erkannt. am nächsten Morgen ist sie<br />
verschwunden. Warum hat er anfortas nicht nach dem<br />
Grund seiner Leiden gefragt, schimpft ihn ein Knecht, er<br />
hätte alle erlösen können. Parzival ist verwirrt, verzweifelt.<br />
er will zurück. sucht nach der Gralsburg. Doch die ist wie<br />
vom erdboden verschluckt. erst als er nicht mehr sucht<br />
und jeden ehrgeiz verloren hat, taucht sie wieder vor ihm<br />
auf und Parzival stellt die rettende Frage.<br />
Regie: Martina van Boxen<br />
In Zusammenarbeit mit der Folkwang Universität<br />
Martina van Boxen<br />
geboren 1960, ist Schauspielerin und Regisseurin. Seit<br />
der Spielzeit 2005/06 leitet sie das Junge <strong>Schauspielhaus</strong><br />
<strong>Bochum</strong>. Zunächst studierte sie Visuelle Kommunikation<br />
in Düsseldorf, dann Schauspiel an der Hochschule für<br />
Musik und Theater in Hannover. Nach Gastengagements<br />
an verschiedenen Theatern wurde sie 1992 künstlerische<br />
Leiterin und Geschäftsführerin der Theaterwerkstatt<br />
Hannover. Schnell wurde sie in der freien Theaterszene<br />
auch über Hannover hinaus bekannt. Ihre Inszenierungen<br />
wurden zu zahlreichen Festivals eingeladen, sie erhielt den<br />
„Traumspiel“-Festivalpreis (1994), den Niedersächsischen<br />
Theaterpreis (2000) sowie den Publikumspreis des Kinder-<br />
und Jugendtheatertreffens NRW 2007 in Oberhausen.<br />
111
Der beste Kaffee der Stadt:<br />
Fräulein Coffea<br />
Ein klEinEs fEinEs nEuEs café, glEich<br />
hintEr dEm schauspiElhaus (oskarhoffmann-strassE<br />
34). diE bEidEn<br />
frauEn habEn bis vor kurzEm in dEr<br />
EvE-bar im schauspiElhaus hintEr<br />
dEr thEkE gEstandEn und jEtzt ihr<br />
EigEnEs café EröffnEt. fräulEin<br />
coffEa ist bio, sElbstgEmacht und<br />
pErsönlich und hat bErEits EinE<br />
auszEichnung für das „bEstE frühstück<br />
im ruhrgEbiEt“ bEkommEn. Umsonst einkaufen<br />
kann man jEdEn sonntag von 17-19<br />
uhr im kostnixladEn in dEr josEphstrassE<br />
2. allEs für allE, und zwar<br />
umsonst! diE ErstE rEgEl dEs ladEns<br />
lautEt: ihr bEzahlt nicht für das,<br />
was ihr braucht. im caféraum gibt<br />
Es jEdEn 1. und 3. sonntag im monat<br />
auch noch Ein gratismEnü.<br />
Den Ausblick genießen:<br />
Auf der Erzbahnschwinge im Westpark<br />
oder vom Bismarckturm im<br />
Stadtpark<br />
Einfach mal auf diE ErzbahnschwingE<br />
stEllEn – im frischEn<br />
wind, obEn, draussEn, abschaltEn,<br />
sich bEwEgEn … auf dEr trassE kann<br />
man kilomEtErlang radEln odEr<br />
wandErn, bis nach zollvErEin,<br />
wEnn man möchtE. dEn schönstEn<br />
ausblick dEr stadt biEtEt dEr bismarckturm<br />
im stadtpark. wEr mag,<br />
kann auch minigolf spiElEn, glEich<br />
nEbEn dEr „milchbudE“, und am<br />
wochEnEndE ist auf dEm angrEnzEndEn<br />
spiElplatz diE höllE los.<br />
lisa niElEbock — bochum für fast umsonst<br />
Kunstgenuss gratis:<br />
Offene Künstlerateliers im Freien<br />
Kunst Territorium - FKT<br />
das EhEmaligE lagErhaus in dEr<br />
diEkampstrassE 44 biEtEt bochumEr<br />
künstlErn raum für atEliErs,<br />
ausstEllungEn und pErformancEs<br />
allEr art. rEgElmässig gibt Es tollE<br />
vErnissagEn. allEin das hundErtjährigE<br />
backstEingEbäudE ist schon<br />
EinE EntdEckung! Eintritt frEi!<br />
80er-Jahre Schimanski-Feeling<br />
beim Bier im Haus Fey<br />
haus fEy (hofstEdEr strassE 17)<br />
ist EinE klassischE Eck-knEipE.<br />
Einrichtung und publikum habEn<br />
sich sEit übEr drEissig jahrEn<br />
kaum vErändErt. flippEr und musikbox<br />
wErdEn immEr noch mit<br />
mark-stückEn gEfüttErt und dEr<br />
biErgartEn ist EinEr dEr schönstEn<br />
in ganz bochum. das biEr kostEt<br />
1,20 Euro!<br />
Spanien in <strong>Bochum</strong><br />
wEr gErnE wEin trinkt, für dEn<br />
gibt Es im una más (hans-böcklErstrassE<br />
34) das glas für 1,70 Euro –<br />
und dazu richtig lEckErE tapas. dEr<br />
ladEn ist Einfach, warm und köstlich,<br />
man kann zu viElEn kommEn<br />
odEr EinEn gutEn abEnd zu zwEit<br />
vErbringEn.
Besuch beim UBU-Mann<br />
allE nEnnEn ihn nur dEn ubumann.<br />
sEin antiquariat in dEr univErsitätsstrassE<br />
26 ist das grösstE<br />
in bochum. mit rund 100.000<br />
büchErn lädt das zwEistöckigE<br />
antiquariat zum stundEnlangEn<br />
blättErn, schmökErn, lEsEn, abschaltEn<br />
und vErsinkEn Ein –<br />
fachkundigE bEratung inklusivE.<br />
dEnn nur EinEr wEiss ganz gEnau,<br />
wElchE schätzE diEsE buchhandlung<br />
birgt: dEr ubu-mann.<br />
illustration: thomas wEllmann<br />
Kasimir und<br />
Karoline<br />
von Ödön von Horváth<br />
premiere am 19. februar <strong>2011</strong> im schauspielhaus<br />
kasimir ist chauffeur. gestern wurde er entlassen, morgen<br />
muss er aufs arbeitsamt, aber heute geht er aufs oktoberfest<br />
– mit karoline, seiner braut. die will sich amüsieren,<br />
Eis essen, mit der achterbahn fahren. doch das<br />
ist ein teurer spaß. kasimir hat angst, dass karoline ihn<br />
verlassen wird. jetzt wo er arbeitslos ist. das lässt er sie<br />
spüren, jähzornig wie er ist. Er hat noch ein kapital von<br />
rund vier mark: „heut sauf ich mich an und dann häng<br />
ich mich auf“, beschließt er. auch karoline stürzt sich ins<br />
vergnügen. sie lernt den angestellten Egon schürzinger<br />
kennen und durch ihn seinen chef, kommerzienrat rauch<br />
und landgerichtsrat speer, einen feinen herrn aus norddeutschland.<br />
„das leben ist hart und eine frau, die wo was<br />
erreichen will, muss einen einflussreichen Mann immer<br />
bei seinem gefühlsleben packen“, meint karoline und fällt<br />
dabei heftig auf die nase. kasimir sucht inzwischen trost<br />
bei dem merkel franz seiner Erna.<br />
„und die liebe höret nimmer auf“, heißt es im untertitel<br />
zu horváths stück. doch was ist ein mensch wert,<br />
wenn er keine arbeit mehr hat? und was kann die liebe da<br />
ausrichten? „jeder intelligente mensch ist ein pessimist“,<br />
meint kasimir und das leben gibt ihm am Ende dummerweise<br />
recht.<br />
„Es ist die ballade vom arbeitslosen chauffeur kasimir<br />
und seiner braut“, schreibt ödön von horváth, „eine ballade<br />
voll stiller trauer, gemildert durch humor, das heißt<br />
durch die alltägliche Erkenntnis: sterben müssen wir alle!“<br />
Regie: Lisa Nielebock<br />
Bühne und Kostüme: Sascha Gross<br />
Dramaturgie: Anna Haas<br />
Lisa NieLebock<br />
wurde 1978 in Tübingen geboren und ist in <strong>Bochum</strong> keine Unbekannte:<br />
Seit 2005 lebt sie in <strong>Bochum</strong> und inszeniert regelmäßig<br />
am <strong>Schauspielhaus</strong>. Zu ihren herausragenden Arbeiten<br />
gehört „Penthesilea“ von Heinrich von Kleist. Bereits für ihre<br />
Diplominszenierung „Elektra“ von Hugo von Hofmannsthal/<br />
Aischylos an der Folkwang Hochschule Essen wurde sie 2004<br />
mit dem „Folkwangpreis“ und beim „Körber Studio Junge Regie“<br />
ausgezeichnet. Mit „Phaidras Liebe“ von Sarah Kane war<br />
sie zum Festival „Radikal jung“ am Münchner Volkstheater<br />
eingeladen. Neben ihren Inszenierungen am <strong>Schauspielhaus</strong><br />
<strong>Bochum</strong> führte sie auch am Nationaltheater Mannheim und<br />
am Schauspiel Essen Regie.
Phönix aus<br />
der Kohle<br />
Sein Vater arbeitete für<br />
einen groSSen Stahlkonzern.<br />
alS kind war<br />
daS ruhrgebiet, daS er<br />
nur Von fotoS kannte,<br />
für ihn ein idyll, ein<br />
arkadien, daS weit weg<br />
in unerreichbarer ferne<br />
lag. Später hat er eS<br />
mehrere male beSucht –<br />
alS touriSt. der in bombay<br />
lebende indiSche<br />
JournaliSt und lyriker<br />
ranJit hoSkote über die<br />
lektionen einer untergegangenen<br />
welt.<br />
TExT: RANJIT HOSKOTE<br />
Die Industrie verschwindet, Ruinen<br />
bleiben. Es herrscht Stille, doch diese<br />
ist ein nicht weniger starker Ausdruck<br />
des menschlichen Geistes als die Fabrikhallen,<br />
Schornsteine und Raffinerien,<br />
die einst im Rhythmus des<br />
Fließbands surrten und dröhnten.<br />
Ich laufe durch die Kokerei Hansa in<br />
Dortmund, im Herzen des Ruhrgebiets.<br />
Wo auch immer ich hinblicke,<br />
entdecke ich wiedererwachende Natur,<br />
die sich zurückerobert, was der<br />
Mensch ihr nahm. Hier und da gibt<br />
es Protest.<br />
Doch der Wald kehrt nach langen<br />
Jahren des unterirdischen Exils triumphierend<br />
zurück. Gras bedeckt die<br />
ausgetretenen Pfade einer Kühlanlage<br />
mit einem groben Teppich. Gestrüpp<br />
RANJIT HOSKOTE — PHÖNIx AUS DER KOHLE<br />
bricht aus Scharnieren und Säulen<br />
hervor und erringt die Herrschaft<br />
über Werkzeuglager. Kletterpflanzen<br />
ranken sich zu Vorhängen, die ehemalige<br />
Fertigungsstätten vor neugierigen<br />
Blicken schützen. Die Anzeigenadel<br />
eines Druckventils wehrt<br />
sich hartnäckig gegen den Verfall.<br />
Ein verlassener Kohlewaggon steht<br />
wie ein Fels in der Brandung der Zeit.<br />
Rostige Rauchabzüge vor verhangenem<br />
Himmel. Schrott – Kettenräder,<br />
Triebwerke, Riemen, Erzkübel – leistet<br />
schweigend, doch nachdrücklich<br />
Widerstand gegen das Kommando<br />
der Windböen. Noch lange nachdem<br />
die Kokereiarbeiter die letzte Schicht<br />
gefahren, ihre Blaumänner ausgezogen<br />
und den Heimweg angetreten<br />
haben, liegt der Geruch geschmolzenen<br />
Teers auf den Mauern und in der<br />
Luft.<br />
Relikte erinnern an die Jahrhunderte,<br />
in denen die Fabriken, Minen<br />
und Kohleverarbeitungsanlagen im<br />
Ruhrgebiet lebendig waren und von<br />
der Arbeit, dem Lärm, der Hoffnung<br />
und den Träumen tausender Männer<br />
und Frauen widerhallten, die in der<br />
Ferne des Baltikums, an der Atlantikküste,<br />
im östlichen Mittelmeerraum,<br />
ja selbst in der Pazifikregion den Ruf<br />
der Täler am Nordrhein vernommen<br />
hatten und ihm gefolgt waren.<br />
Der Regen spielt Verstecken mit<br />
uns. Es herrscht Frieden, so lange<br />
wir im Auto sitzen. Sobald wir aussteigen,<br />
lockt er uns jedoch in einen<br />
Hinterhalt. Wir passieren Dortmund,<br />
<strong>Bochum</strong> und Essen. Überall<br />
prägen stillgelegte Zechen das Bild<br />
der Landschaft. Bahndämme werden<br />
114<br />
von Birkenwäldern überwuchert. Auf<br />
Fabrikgeländen wachsen Pappeln<br />
und Linden, hinter denen das Panorama<br />
der Kühltürme zu verschwinden<br />
beginnt. Der Phoenix hat sich<br />
gut in Position gebracht: Er ist jetzt<br />
das Wappentier der Region.<br />
Die Industrie ging, und es kam<br />
die virtuelle Ökonomie: IT, internationale<br />
Finanzdienste und der<br />
Heritage-Tourismus des postindustriellen<br />
Zeitalters besetzten die geräumten<br />
Brachen. Vor ein paar Jahren<br />
führten mich Freunde zu einem<br />
Aussichtspunkt, von dem wir auf ein<br />
riesiges Gelände blickten. Es war ein<br />
Schlachtfeld, übersäht von Wunden,<br />
die die Schaufelräder und Raupenketten<br />
geschlagen hatten. Hier hatte<br />
sich einst das größte Stahlwerk Dortmunds<br />
befunden. Nach der Demontage<br />
wurde es in Einzelteilen in eine<br />
chinesische Billiglohnprovinz verschifft.<br />
Künftige Generationen werden<br />
am alten Standort durch einen<br />
Park schlendern und neben einem<br />
künstlichen See relaxen. Nicht wenig<br />
symbolträchtig trägt der neue Komplex<br />
den Namen der großen Ikone<br />
der Wiederauferstehung: Phoenix.<br />
eS war, alS hätte ich einen<br />
riSS im koSmiSchen<br />
gewebe Von zeit und<br />
raum entdeckt.<br />
Als ich in den 1970er Jahren in Goa<br />
und Bombay aufwuchs, waren Dortmund,<br />
<strong>Bochum</strong> und Essen die ersten<br />
Ortsnamen, die ich hörte. Mein<br />
Vater arbeitete für Tata, eines der<br />
größten indischen Unternehmen,<br />
Hersteller von Autos, Baumaschinen<br />
und Stahl.<br />
Zu meinen frühesten Erinnerungen<br />
gehören Fotos von riesigen Fabriken<br />
und Produktionsanlagen im<br />
Ruhrgebiet, zu dem der Tata-Konzern<br />
enge Beziehungen pflegte. Als ich<br />
2003 zum ersten Mal nach Dortmund<br />
kam, um einen Urlaub bei<br />
meinem Freund, dem Dichter und<br />
Übersetzer Jürgen Brôcan, zu verbringen,<br />
erschienen mir die Architektur<br />
und die Topografie der Stadt ungeheuer<br />
vertraut. Es war, als hätte ich
einen Riss im kosmischen Gewebe<br />
von Zeit und Raum entdeckt, als sei<br />
ich zurückgekehrt an einen Ort, der<br />
zumindest in meiner Fantasie Teil<br />
meiner Kindheit war, der irgendwie<br />
zu mir gehörte.<br />
Nie werde ich die Begeisterung<br />
vergessen, die ich empfand, als ich<br />
bei der Einfahrt meines ICE in den<br />
Bahnhof den kolossalen Turm der<br />
Dortmunder Union Brauerei erkannte.<br />
Auf den Fotografien meines Vaters<br />
hatte ich ihn immer als Wächter über<br />
die Stadt wahrgenommen. Sein krönendes<br />
Neon-„U“ war der Kompass,<br />
an dem man sich orientierte. Als ich<br />
vor sieben Jahren an dem dunkelroten<br />
Ziegelbau hinaufblickte, rührten<br />
mich die Spuren jahrzehntelanger<br />
Vernachlässigung und Verwitterung<br />
zu Tränen. Als Zentrum eines Technoparks<br />
unseres E-Zeitalters wieder<br />
hergestellt, soll ihm in diesem Jahr<br />
neues Leben eingehaucht werden.<br />
Das Ruhrgebiet, das ich als Junge<br />
aus der Ferne liebte, ist anders in der<br />
Erinnerung meiner Freunde aus der<br />
Region. Für mich verkörpert es die<br />
heroische Energie der Industrie, die<br />
der grünen, postindustriellen Heiterkeit<br />
der Moderne weichen musste.<br />
Obwohl ich oft genug hier war,<br />
um zu wissen, dass nicht immer Ruhe<br />
herrschte in Arkadien, dass die Straßen<br />
so manches Mal gelb waren von<br />
den Bannern der protestierenden Arbeiter,<br />
die um ihren Job fürchteten,<br />
weil die Unternehmen die Produktion<br />
in die Betriebe im Süden der Welt<br />
verlagerten.<br />
Die Erinnerung meiner etwa<br />
gleichaltrigen Freunde aus Unna,<br />
Hamm, Bielefeld und Gelsenkirchen<br />
ist hingegen weniger erfüllt von Souvenirs<br />
einer Idylle. Ihre Bilder ähneln<br />
eher einem phantasmagorischen<br />
Gemälde von Hieronymus Bosch. Sie<br />
erzählen mir vom Himmel, der um<br />
Mitternacht Feuer fing. Sie sprechen<br />
von ihren Großmüttern, die sagten,<br />
das Glühen des geschmolzenen Eisens<br />
wäre ihr wahrer Sonnenaufgang.<br />
Noch heute rümpfen sie die<br />
Nase, wenn sie an den Geruch des<br />
Hopfens denken, der in der Nähe<br />
der Brauereien in der Luft hing. Und<br />
noch immer hören sie das Rumpeln<br />
des Zuges, der das Roheisen gemächlich<br />
vom einen Ende des riesigen<br />
RANJIT HOSKOTE — PHÖNIx AUS DER KOHLE<br />
Industriereviers zum anderen transportierte,<br />
obwohl die Gleise, auf<br />
denen er fuhr, längst geborsten sind<br />
und Blumenfelder da wachsen, wo<br />
sie einst ihr Bett hatten.<br />
Schnallt euch an, ihr<br />
Sterblichen!<br />
die reiSe in daS leben<br />
nach dem tod beginnt!<br />
Stapelweise Geranien und Azaleen.<br />
Wir sind durch den Nieselregen gefahren,<br />
erreichen nun ein anderes<br />
Denkmal, das eine andere Geschichte<br />
erzählt: <strong>Bochum</strong> Hauptfriedhof.<br />
Hinter einem Palisadenzaun an der<br />
Immanuel-Kant-Straße, durch einen<br />
Vorhang von Trauerweiden spähend,<br />
versuche ich, den hohen, den viel zu<br />
hohen Gebäudekomplex zu erkennen.<br />
Wir passieren ein schwarzes<br />
Tor, das von zweifelhaften Helden<br />
gehütet wird, die Schwerter, Schilde<br />
und ein kaum maskiertes Hakenkreuz<br />
tragen. Wir laufen durch den<br />
Eingangsbereich, der einem Lichtschacht<br />
ähnelt, doch es ist Dunkelheit,<br />
die aus großer Höhe über uns<br />
hereinbricht. Einen kurzen Moment<br />
lang sind wir wie blinde Fische auf<br />
dem tiefsten Grund des Ozeans, bevor<br />
uns das perlmuttfarbene Licht<br />
erreicht und befreit.<br />
Nun stehen wir in der düsteren<br />
Halle der Geister, die von den hohen,<br />
dunklen Fenstern, schmalen Schlitze<br />
in den Wänden, die scheinen, als<br />
seien sie in Erfüllung des Befehls<br />
eines Burgvogts in einem Paradies<br />
im Belagerungszustand entstanden,<br />
kaum erhellt wird. In den 1930er<br />
und 1940er Jahren machten Menschen<br />
auf ihrem langen Weg nach<br />
Walhalla hier gezwungenermaßen<br />
Station und wurden Zeugen der Inszenierung.<br />
Fackeln brennen an den<br />
Mauern, spiegeln sich in den Metallsternen,<br />
hinter dem Altar. Die Totenbahre<br />
wird von unten hochgefahren.<br />
Schnallt euch an, ihr Sterblichen!<br />
Die Walküren sind hier! Die Reise<br />
in das Leben nach dem Tod beginnt.<br />
Im Rücken der Trauernden steht ein<br />
Mann, ein Beobachter, ein Zuhörer,<br />
ein Chronist, in einer versteckten<br />
115<br />
Zelle: Weniger ein Mensch als eine<br />
Membran, die die bebende Unruhe<br />
auf die auf hohen Stühlen thronenden<br />
Herrengeister überträgt, die<br />
das Land überwachen und den Weg<br />
der anderen in Kriegsgebiete, Besatzungszonen,<br />
Arbeits- und Todeslager<br />
lenken.<br />
Eine Familie, Trauernde, nähert<br />
sich vom Friedhof kommend.<br />
Schwarz gekleidet, doch nicht mehr<br />
dem Anlass entsprechend schweigend.<br />
Die Ewigkeit entlässt sie aus<br />
ihrem Griff. Sie schauen auf ihre<br />
Uhren, klappen Handys auf, rufen<br />
ein Taxi und kehren zu ihrem restlichen<br />
Tagewerk zurück. Niemand<br />
nimmt von den Gespenstern der Nazizeit<br />
Notiz.<br />
Der Friedhof selbst widerlegt aufs<br />
Beste die Idee von der (r)einrassigen<br />
Nation; Ein Volk, Ein Reich: Zwischen<br />
den moosbewachsenen Namen<br />
auf den Grabsteinen taugt die<br />
Doktrin nicht mehr. Bauermann<br />
ruht neben Czerwinka, Schindler<br />
liegt neben Koslowski. Sie bezeugen<br />
den ethnischen Mix der Migranten,<br />
die das Ruhrgebiet aufgebaut haben<br />
– Rheinländer und Polen, Slowaken<br />
und Balten, später Griechen, Türken,<br />
Italiener, Portugiesen und Koreaner.<br />
Bezeichnenderweise befand sich das<br />
größte Gefängnis der Gestapo im<br />
Dritten Reich im Ruhrgebiet: Die<br />
Dissidenten unter den Arbeitern der<br />
Region leisteten in den 1930er und<br />
1940er Jahren permanenten Widerstand<br />
gegen das NS-Regime.<br />
Heute schweigen die Zechen und<br />
Fabriken im Ruhrgebiet. Doch ihre<br />
Lektion haben sie der Welt hinterlassen:<br />
Starke Gemeinschaften entstehen<br />
nicht da, wo wir kulturelle<br />
Monotonie durch Repression und<br />
Repressalien durchsetzen, sondern wo<br />
wir das Andere zulassen und unterschiedliche<br />
Stärken bündeln.<br />
ranJit hoSkote, GEBOREN 1969 IN BOMBAy,<br />
IST KULTURKRITIKER FÜR DIE BOMBAy TIMES<br />
UND THE HINDU, DICHTER UND SEKRETäR DES<br />
INDISCHEN PEN. ER ZäHLT ZU EINER GRUPPE<br />
ENGLISCH SCHREIBENDER AUTOREN, DIE IN<br />
INDIEN ALS „DIE ZWEITE GENERATION DER<br />
POSTKOLONIALEN DICHTER INDIENS“ BE-<br />
ZEICHNET WIRD.<br />
AUS DEM ENGLISCHEN VON<br />
LILIAN-ASTRID GEESE
IN BOCHUM — DIETMAr Bär<br />
116<br />
Laufen, lesen und schreiben<br />
habe ich in meiner Heimatstadt<br />
Dortmund gelernt –<br />
aber das Theaterspielen in<br />
<strong>Bochum</strong>!<br />
Stolz trug man das Trikot der<br />
„Westfälischen Schauspielschule <strong>Bochum</strong>“<br />
von 1982-85 und ging damals<br />
schon gerne ins Café Treibsand.<br />
Als „Müsli“ noch ein Schimpfwort<br />
sein konnte, war das Spezial-Müsli<br />
im Treibsand (mit der legendären<br />
Hausmischung aus dem<br />
„Arche“ Bioladen!) das leckerste in<br />
der Stadt – und das teuerste.<br />
Auch sonst ließ es sich im Treibsand<br />
fabelhaft frühstücken, der<br />
altersmilde Blick des Anfang Zwanzigjährigen<br />
ruhte auf allen Abiturientinnen<br />
des benachbarten Gymnasiums,<br />
die hier im Außengehege ihre<br />
Freistunden abfeierten, nachmittags<br />
konnte man hier die eigene Freizeit<br />
zwischen den Unterrichtsblöcken<br />
der Schauspielschule bei einem ausgezeichneten<br />
Milchkaffee verbringen<br />
und abends beim frischen Fiege<br />
zusammen mit den Mitschülern<br />
Probleme der Menschendarstellung<br />
diskutieren. Es war schon ein großes<br />
BAföG-Grab, das Café Treibsand,<br />
aber ein Platz zum Wohlfühlen,<br />
sommers wie winters, drinnen und<br />
draußen. Das Schöne für mich ist,<br />
es hat sein Flair behalten, sodass<br />
man sich seine Erinnerungen, seine<br />
eigene Nostalgie hier jederzeit beim<br />
Müsli, Bier oder Milchkaffee wieder<br />
abholen kann. Auf dass es noch lange<br />
so bleibe – Glück auf!<br />
Dietmar Bär kOMMT AUS DOrTMUND UND<br />
STUDIErTE vON 1982 BIS 1985 AN DEr WEST-<br />
FäLISCHEN SCHAUSPIELSCHULE BOCHUM.<br />
ANSCHLIESSEND SAMMELTE Er SEINE ErSTEN<br />
BüHNENErFAHrUNGEN AM SCHAUSPIELHAUS.
IN BOCHUM<br />
IN BOCHUM<br />
Sie wurden in der Gegend<br />
geboren, sie wurden hier<br />
ausgebildet, sie spielten<br />
schon vor Jahren am Schau-<br />
spielhaus und kehren jetzt<br />
zurück, oder sie sind zum<br />
ersten mal hier. Sechs ensemblemitglieder<br />
zeigen uns<br />
einen besonderen Ort der<br />
Stadt.<br />
FOTOS: NILS-HENDrIk ZüNDOrF<br />
117
IN BOCHUM — MATTHIAS rEDLHAMMEr<br />
118<br />
Das alte Fährhaus an der<br />
ruhr. Auf der anderen<br />
Seite droht die Burg<br />
Blankenstein.<br />
Man traf sich hier, trank, redete<br />
und schaute auf den Fluss. Am<br />
Schluss die Frage: Wer kann noch<br />
fahren?<br />
kann man wieder mal machen,<br />
aber Oje, Urs, Uwe, Helmut, Wolfgang,<br />
Wolfi, Silvester, Tana, Anneliese,<br />
Eleonore, Lore und Lacky fehlen.<br />
Ich denke an Euch.<br />
matthiaS reDlhammer STUDIErTE vON<br />
1979 BIS 1981 SCHAUSPIEL IN BOCHUM UND<br />
WAr ANSCHLIESSEND vON 1981 BIS 1992 EN-<br />
SEMBLEMITGLIED DES SCHAUSPIELHAUSES BO-<br />
CHUM. NACH JAHrEN DES FrEIEN ArBEITENS<br />
kEHrT Er NUN ZUrüCk NACH BOCHUM INS<br />
FESTENGAGEMENT.
IN BOCHUM — NICOLA MASTrOBErArDINO<br />
119<br />
IIch habe schon fünf Jahre reviererfahrung<br />
und bin somit<br />
kein Neuling im Pott, aber<br />
meine Wurzeln liegen eindeutig<br />
weiter südlich, nämlich in der<br />
Schweiz. Bis auf meine Familie und<br />
meine Freunde fehlt es mir hier an<br />
nichts: Berge sind überbewertet, bei<br />
dm gibt’s Ovomaltine-Schokolade,<br />
Edeka verkauft rivella, das Schweizer<br />
Nationalgetränk, und in Sachen<br />
Schnee steht Deutschland, zumindest<br />
in diesem Winter, der Schweiz<br />
in nichts nach.<br />
Dennoch muss ich sagen, als ich<br />
im Oktober 2009 nach <strong>Bochum</strong> gezogen<br />
bin und mir die Stadt genauer<br />
anschauen wollte, präsentierte sich<br />
mir die „Blume im revier“ eher als<br />
kakteenart; kalt, im Hotel Eden am<br />
ring wuchs Moos auf dem Boden,<br />
der Weihnachtsmarkt nervte, wie<br />
in Essen, bereits nach sehr kurzer<br />
Zeit und Burger king war zu (pleite<br />
oder aber auch Asbest wie im Hotel<br />
Eden)!<br />
Doch mittlerweile kenne ich <strong>Bochum</strong><br />
besser, das Weitmarer Holz<br />
mit den Wildschweinen, die belgischen<br />
Pommes im Bermudadreieck<br />
und das englische Frühstück im<br />
konkret. vor Honeyhair, der Frisierbar<br />
bei mir um die Ecke, stehen jetzt<br />
die Stühle draußen, und im Westpark<br />
blühen Gänseblumen und mit ihnen<br />
die „Blume im revier“.<br />
Nur bei Burger king sind noch<br />
immer die Schotten dicht. Macht<br />
nix, hol ich mir halt ne Apfelpfanne<br />
im Glas-Café auf der kortumstraße<br />
und schlendere damit noch mal am<br />
Hotel Eden vorbei.<br />
NicOla maStrOBerarDiNO kAM AUS DEr<br />
SCHWEIZ BErEITS IM JAHr 2005 INS rUHrGE-<br />
BIET. NACH FüNF JAHrEN ESSEN LEBT Er NUN<br />
SEIT HErBST 2009 IN BOCHUM, WO Er AB SOM-<br />
MEr ENSEMBLEMITGLIED IST.
IN BOCHUM — MAJA BECkMANN<br />
120<br />
Wisst ihr eigentlich<br />
warum die U35<br />
„U35“ heißt? Weil<br />
sie genau 35 Minuten<br />
braucht, um Herne und <strong>Bochum</strong><br />
zu verbinden.<br />
Ich bin früher oft mit meiner<br />
Oma U-Bahn gefahren, aber immer<br />
nur von Herne nach Herne, zum Entenfüttern.<br />
Da kannte ich <strong>Bochum</strong><br />
noch gar nicht, war aber schwer<br />
enttäuscht darüber, dass die Untergrundbahn<br />
nicht meiner vorstellung<br />
einer Geisterbahn entsprach.<br />
Irgendwann wagte ich mich dann bis<br />
zum Engelbert-Brunnen. In die große<br />
Großstadt <strong>Bochum</strong>, die Stadt der<br />
Punks, Dealer und Diskotheken. Im<br />
Sommer schüchtern meinen Döner<br />
am Brunnen gegessen, Obdachlose<br />
ängstlich fasziniert beobachtend, um<br />
mich rum kinder barfuß im Brunnen<br />
spielend. Der Müll schaukelt<br />
an der Wasseroberfläche wie kleine<br />
Schiffe. Ein bisschen Italien und Ankara.<br />
Dann der erste Milchkaffee im<br />
Café konkret. riesen Schale für fünf<br />
Mark. Wieder zurück zum Brunnen<br />
und warten, wo die anderen bleiben.<br />
Aber die U35 heißt auch „U35“, weil<br />
man immer 35 Minuten warten<br />
muss, bis man wieder zu Hause ist.<br />
Ich vermisse den Brunnen, wo ist<br />
der überhaupt? Und warum heißt<br />
der Engelbert-Brunnen immer noch<br />
Engelbert-Brunnen? Ist scheiß-egal,<br />
ich warte immer noch da. Nur für<br />
fünf Mark einen kaffe zu kriegen ist<br />
schwer.<br />
Meine Oma ist schon gestorben,<br />
aber wenn die U35 irgendwann bis<br />
nach köln gebaut würde, bin ich<br />
mir sicher, meine Oma würde die<br />
Fahrt mit mir machen. Sie würde das<br />
Abenteuer wagen, über 35 Minuten<br />
hinaus! Und wenn ich mal genug<br />
Geld habe, dann bau ich einen neuen<br />
Brunnen, mit einem echten Engelbert.<br />
PS: Die U35 hält nicht am Engelbert-Brunnen.<br />
Für alle, die von<br />
Herne nach <strong>Bochum</strong> fahren wollen:<br />
mich anrufen oder Hauptbahnhof<br />
aussteigen und richtung Innenstadt<br />
laufen. Dann kommt man zum Engelbert-Brunnen.<br />
maJa BeckmaNN kOMMT AUS DEM rUHr-<br />
GEBIET UND IST SEIT 2001 ENSEMBLEMITGLIED<br />
AM SCHAUSPIELHAUS BOCHUM.
IN BOCHUM — kATHArINA LINDEr<br />
121<br />
vor zwanzig Jahren habe<br />
ich schon mal in <strong>Bochum</strong><br />
angefangen. Da habe ich<br />
in der villa Wahnsinn<br />
gewohnt und habe mir wenig Gedanken<br />
über die Stadt gemacht. Eigentlich<br />
nur über das Theater. Jetzt<br />
komme ich mit meiner Familie. Deshalb<br />
ist die Annäherung an <strong>Bochum</strong><br />
ganz anders. Wir suchen eine schöne<br />
Wohnung, eine Schule haben wir<br />
schon gefunden. Ich bin noch nie an<br />
ein Theater gegangen, wo so viele, die<br />
dort arbeiten, kinder haben. Fühlbare<br />
verantwortung für die Zeit, die<br />
kommt, für das, was kommen soll.<br />
Wie werden wir leben? Wie wollen<br />
wir leben? Was können wir mit dem<br />
Theater bewirken?<br />
kathariNa liNDer SPIELTE vON 1990 BIS 1995<br />
AM SCHAUSPIELHAUS UND kEHrT NACH ENGA-<br />
GEMENTS IN BErLIN UND FrANkFUrT ZUrüCk<br />
NACH BOCHUM.
IN BOCHUM — ANDrEAS GrOTHGAr<br />
122<br />
Die Eisenbahnüberführung<br />
königsallee. Wenn<br />
man mit dem Zug von<br />
Essen aus durch <strong>Bochum</strong><br />
fährt, sieht man ganz kurz<br />
das <strong>Schauspielhaus</strong> auf der rechten<br />
Seite. Ein ganz kurzes Bild. Eine<br />
Trutzburg, Würde und Tradition, ein<br />
festes Haus. Die Fahnen auf dem<br />
Dach. Ein erhabener Anblick. Ich<br />
hatte immer den Eindruck, in <strong>Bochum</strong><br />
ist das Theater das größte und<br />
wichtigste Gebäude der Stadt. Später<br />
hab ich immer danach Ausschau gehalten,<br />
bin manchmal sogar extra<br />
an ein freies Fenster gegangen, um<br />
es zu sehen. Ein kollege, der länger<br />
in <strong>Bochum</strong> engagiert war, erzählte<br />
mir, ihm gehe es genauso. Er hat die<br />
Zeit in <strong>Bochum</strong> geliebt. Da er viel<br />
mit der Bahn unterwegs ist, fährt<br />
er oft durch <strong>Bochum</strong>. Er steht jedes<br />
Mal auf und guckt, und wenn er das<br />
Haus sieht, kommen ihm manchmal<br />
die Tränen. Ich glaube, ich verstehe,<br />
was er meint.<br />
aNDreaS GrOthGar LEBT UND ArBEITET<br />
SEIT 2005 IM rUHrGEBIET. IM SOMMEr <strong>2010</strong><br />
WECHSELT Er ANS SCHAUSPIELHAUS, WO Er<br />
NACH STATIONEN WIE ESSEN, HAMBUrG UND<br />
MüNCHEN ZUM ErSTEN MAL SPIELEN WIrD.
FREUnDESKREIS<br />
Freunde<br />
Das <strong>Schauspielhaus</strong> <strong>Bochum</strong> ist eine Institution, von der<br />
wegweisende Impulse für die Entwicklung der deutschen<br />
Theatergeschichte ausgingen. Seit seiner Gründung 1919<br />
durch Saladin Schmitt sind hier Dramatiker entdeckt und<br />
gefördert worden, hat sich mancher Regiestil entwickelt,<br />
haben hier Schauspieler ihre Karriere begonnen oder sich<br />
künstlerisch weiterentwickelt, die zu den Großen des<br />
deutschsprachigen Theaters zählen. So hat dieses Haus<br />
eine Bedeutung gewonnen, die weit über die Grenzen der<br />
Stadt hinausragt. Das verlangt ideelle und materielle Unterstützung.<br />
Um das zu leisten, hat sich 1994 der Freundeskreis <strong>Schauspielhaus</strong><br />
<strong>Bochum</strong> gegründet. Seine Mitglieder wollen nicht<br />
nur dem Haus die angemessene Unterstützung zukommen<br />
lassen, sie wollen auch durch vielfältige Aktionen mit dazu<br />
beitragen, dieses Theater und seine Mitarbeiter noch besser<br />
kennen zu lernen, um die Identifikationsbereitschaft<br />
zu erhöhen.<br />
Wie kann das gelingen?<br />
Gespräche mit Regisseuren, Dramaturgen, Schauspielern<br />
und anderen Mitarbeitern des Hauses tragen dazu bei,<br />
Theater besser zu verstehen. Freundeskreismitglieder können<br />
vielleicht auch schon durch Probenteilnahme erfahren,<br />
was einer Premiere voran geht. Führungen durchs Haus<br />
oder einzelne Abteilungen helfen, die Produktionsprozesse<br />
besser zu verstehen.<br />
124<br />
Die Freundeskreismitglieder wählen auch die Schauspieler,<br />
die für den <strong>Bochum</strong>er Theaterpreis nominiert werden,<br />
der seit 2006 in zwei Kategorien verliehen wird.<br />
Der Freundeskreis unterstützt aus seinen und eingeworbenen<br />
Einnahmen durch Patenkarten auch junge Menschen,<br />
die sich aus finanziellen Gründen einen Theaterbesuch<br />
nicht erlauben können.<br />
Als Dankeschön für ihren Einsatz für das <strong>Schauspielhaus</strong><br />
wird den Freundeskreismitgliedern auch ein früherer<br />
Vorverkaufstermin gewährt. Sie können ihre Karten bereits<br />
einen Tag vor den Wahl-Abonnenten beziehen.<br />
Die Freundeskreismitglieder kommen nicht nur aus <strong>Bochum</strong>,<br />
sondern auch aus anderen Städten der Region, ja,<br />
sogar aus Berlin, wie unser prominentestes Mitglied Otto<br />
Sander.<br />
Es lohnt sich, Mitglied im Freundeskreis des <strong>Schauspielhaus</strong>es<br />
<strong>Bochum</strong> zu werden. Wollen Sie nicht auch dabei<br />
sein?<br />
Hans Joachim Salmen – Vorsitzender des Freundeskreises<br />
Heinrich-König-Str. 73<br />
44795 <strong>Bochum</strong><br />
Tel.: 0234 / 47 35 93<br />
E-Mail: hajosalmen@aol.com
Ruhrstadt <strong>Bochum</strong><br />
Roman Polanskis Meisterwerk<br />
im Metronom Theater · CentrO Oberhausen<br />
Kostenlos - K 26157 November 2008<br />
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Kultur verlinkt!
MiTarBeiTer<br />
TheaTerleiTung<br />
intendant Anselm Weber<br />
Kaufmännischer Direktor<br />
Rolf D. Suhl<br />
Persönliche Mitarbeiterin<br />
der intendanz Tonia Tilch<br />
Persönliche referentin des<br />
Kaufmännischen Direktors<br />
Anne Rockenfeller<br />
Verwaltungsleitung Brigitte Käding<br />
KünsTlerisches<br />
BeTrieBsBüro<br />
Künstlerischer Betriebsdirektor<br />
Stephan Wasenauer<br />
chefdisponentin und leiterin<br />
des Künstlerischen Betriebsbüros<br />
Jutta van Asselt<br />
Mitarbeiterin Christina Lutz<br />
DraMaTurgie<br />
chefdramaturg Thomas Laue<br />
Dramaturgen Anna Haas,<br />
Olaf Kröck, Sabine Reich,<br />
Paul Slangen (Gast)<br />
Dramaturgieassistent<br />
Sascha Kölzow<br />
KoMMuniKaTion<br />
leitung und Presse- und<br />
Öffentlichkeitsarbeit<br />
Christine Hoenmanns<br />
Marketing und Öffentlichkeitsarbeit<br />
Janna Balke<br />
Grafik Stephanie Weber<br />
Fotografen Thomas Aurin, Arno<br />
Declair, Diana Küster<br />
Junges schausPielhaus<br />
leitung Martina van Boxen<br />
Theaterpädagogin Sandra Anklam<br />
regie<br />
Malou Airaudo, David Bösch (leitender<br />
Regisseur), Carola Bühn, Nuran<br />
David Calis, Cilli Drexel, Christoph<br />
Frick, Monika Gintersdorfer, Heike<br />
M. Götze, Mahir Günsiray, Fadhel Jaibi,<br />
Jan Klata, Paul Koek, Katja Lauken,<br />
Jan Neumann, Lisa Nielebock, Arne<br />
Nobel, Sebastian Nübling, Stephanie<br />
Sewella †, Sahika Tekand, Katharina<br />
Thalbach, Martina van Boxen, Dries<br />
Verhoeven, Roger Vontobel (Hausregisseur),<br />
Anselm Weber<br />
MITARBEITER<br />
Bühnen- unD<br />
KosTüMBilDner<br />
Patrick Bannwart, Irina Bartels,<br />
Raimund Bauer, Julia Borchert,<br />
Dorothee Curio, Thomas Dreißigacker,<br />
Muriel Gerstner, Thomas Goerge,<br />
Gerhard Gollnhofer, Nadine<br />
Grellinger, Sascha Gross, Michael<br />
Habelitz, Mirek Kaczmarek, Cathleen<br />
Kaschperk, Knut Klaßen, Justyna<br />
Lagowska, Claude Leon, Theun<br />
Mosk, Christina Mrosek, Meentje<br />
Nielsen, Silke Rekort, Isabell Robson,<br />
Claudia Rohner, Kaï Rostom,<br />
Irina Schicketanz, Kathrin Schlecht,<br />
Nini von Selzam, Ansgar Silies, Julia<br />
Ströder, Esat Tekand, Dirk Thiele,<br />
Ezio Toffolutti, Carla Johanna von<br />
Gehren, Kathrine von Hellermann<br />
MusiK<br />
Henning Beckmann, Vivan Bhatti,<br />
Anke Brouwer, Cornelius Borgolte,<br />
Jean Claude Dagbo, Emanuel<br />
Hauptmann, Torsten Kindermann,<br />
Daniel Friedel Murena, Will-Jan<br />
Pielage (Sounddesign), Karsten<br />
Riedel, Roderik Vanderstraeten, Lars<br />
Wittershagen<br />
MusiKer<br />
Lieke Arts, Jean Claude Dagbo,<br />
Gregor Hengesbach, Andreas Jansen,<br />
Torsten Kindermann, Ingmar<br />
Kurenbach, Antonis Pratsinakis,<br />
Karsten Riedel, Hans van der Meer,<br />
Ton van der Meer, Roderik Vanderstraeten,<br />
John van Oostrum, Jan<br />
Sebastian Weichsel, Katya Woloshin<br />
ViDeo<br />
Bibi Abel, Karnik Gregorian,<br />
Michael Habelitz, David Lammers,<br />
Ansgar Silies<br />
regieassisTenz<br />
Barbara Hauck, Jasna Miletić,<br />
Christina Pfrötschner; Monika Gies<br />
(Gast), Christian Jäger (Gast)<br />
Bühnen- unD<br />
KosTüMBilDassisTenz<br />
Henriette Barniske, Sarah Bernardy,<br />
Mara Klimek, Bettina Knaack,<br />
Nadine Richter, Carla Johanna von<br />
Gehren<br />
126<br />
sPrecherziehung unD<br />
sTiMMBilDung<br />
Prof. Peter-Georg Bärtsch,<br />
Eva Pieper<br />
choreograFie<br />
Klaus Figge (Kampfszenen),<br />
Malou Airaudo, Maćko Prusak,<br />
Renegade<br />
insPizienz<br />
Christina Baston, Gerd Beiderbeck,<br />
Christiane Laux, Alexander Störzel,<br />
Ulrike Schaper<br />
souFFleusen<br />
Sybille Hadulla-Kleinschmidt,<br />
Jutta Schneider, Fee Sachse, Isabell<br />
Weiland<br />
sTaTisTerie<br />
Beatrix Feldmann<br />
Technische leiTung<br />
Technischer Direktor Hajo Krause<br />
sekretariat Marion Treckmann<br />
assistenz des Technischen<br />
Direktors Alexandra Kaiser<br />
Produktions- und Werkstättenleiter<br />
Oliver Kroll<br />
Produktionsbüro Christian Acht,<br />
Michael Friebele<br />
Bühnentechnische leitung<br />
Franz Schenkel<br />
Bühnenobermeister<br />
Michael Mikolajczak<br />
Bühnenmeister Andreas Dudzik,<br />
Uwe Marx, NN<br />
BühnenTechniK<br />
Thomas Arndt, Verena di Battista,<br />
Michael Doering, Christian<br />
Drolshagen, Holger Dünnebacke,<br />
Frank Engel, Klaus Fabri, Andreas<br />
Fernau, Erwin Fiebrandt, Jan Flügge,<br />
Reinhard Frese, Dietmar Görtzen,<br />
Jörg Hommann, Anatolij Kalencuk,<br />
Andreas Korfmann, Detlef Kornath,<br />
Frank Koslowski, Frank Kuhlmeier,<br />
Abdelkader Lashab, Hans-Georg<br />
Ludwiczak, Alfred Lübbehusen, Lucian<br />
Martin, Manfred Mollenhauer,<br />
Maik Rohnke, Saskia Sawatzki,<br />
Nafiz Sayki, Peter Schaffrinna, Olaf<br />
Schmeink, Jürgen Schnurbusch,<br />
Martin Sievering, Patrick Steinkamp,<br />
Christian Szyska, Ali Tugrul,<br />
Uwe Wagner, Thomas Wessling,<br />
Dirk Wils, Thomas Wrobel
BeleuchTung<br />
leitung und lichtgestaltung<br />
Andreas Bartsch, Bernd Felder<br />
assistenz der leitung NN<br />
Beleuchtungsoberinspektor<br />
Bernd Kühne<br />
Beleuchtungsmeister Denny Klein<br />
Beleuchter Timo Berghaus, Armin<br />
Bönnemann, Fiorenzo Bonazza,<br />
Hans Dzwigoll, Norbert Eggers,<br />
Christoph Jacob, Detlev Jon, Gerd<br />
Jordan, Kay Kämper, Waldemar Lehmann,<br />
Frank Lukaschewski, Ulrich<br />
Meist, Axel Middeke, Alfred Rapp,<br />
Max Reinhardt, Marek Schoder,<br />
Thomas Sikora, Michael Stumpf,<br />
Paul Wallraff, Michael Zoll<br />
VeransTalTungs-<br />
TechniKer<br />
Frank Engel, Michael Hopp, Sven<br />
Klauswald, Daniel Lüder<br />
auszubildende Moritz Macho,<br />
Demian Meier, Christian Mertens,<br />
Marie-Claire Pauli<br />
Technische leiTung<br />
TheaTer unTen<br />
Alexandr Gershman<br />
Ton/ViDeo<br />
leitung Christoph Bonk,<br />
Andreas König<br />
Tontechniker Andreas Eich, Karl<br />
Haase, Jürgen Jaeger, Frederic Mingo<br />
Video Matthias Fleskes, NN<br />
Malersaal<br />
leitung Gudrun Schönbeck-Wach<br />
Theatermaler Markus Loer,<br />
Anja Mauruschat, Silke Kost<br />
Theatermalerin/Kascheurin<br />
Miriam Sasserath<br />
näherin Heike Ringelband<br />
Maler Jörg Palmberg<br />
auszubildende Maike Prause<br />
PolsTerei<br />
Dekorateurin Julia Wagner<br />
schlosserei<br />
leitung Olaf Schug<br />
schlosser Michael Bitzkowski,<br />
Jörg Borrmann, Michael Holle,<br />
Thomas Marx, Joachim Stroka<br />
MITARBEITER<br />
schreinerei<br />
leitung Jürgen Brucks<br />
schreiner Vitalij Grauberger,<br />
Andreas Rauth, Britta Sabanovic,<br />
Ursula Schemme, Oliver Sievers<br />
schneiDerei<br />
Kostümdirektorin Britta Brodda<br />
gewandmeisterin Damen<br />
Cornelia Fischer<br />
gewandmeister herren<br />
Dieter Zunke<br />
Damenschneiderei Anne Burkhardt,<br />
Anke Flüs, Claudia Hellwig,<br />
Anita Pyrkosch, Ellen Salewsky,<br />
Doris Schaefer, Petra Woytke<br />
herrenschneiderei Hannah Brüggemann,<br />
Erich Ciecior, Monika Drost,<br />
Jörg Liebisch, Andrea Poglajen-<br />
Loetters, Christel Sareyka, Nicole<br />
Wippich, Robert Zydek<br />
ankleiderinnen Oumlaid Strenger,<br />
Silvia Stemmer<br />
schuhmacher<br />
Ralf Oberste-Beulmann<br />
Putzmacherin Andrea Räckers<br />
Fundusverwalter Guido Hußmann<br />
MasKe<br />
chefmaskenbildnerin Elke Böttcher<br />
stellvertretender chefmaskenbildner<br />
Georg Herzog<br />
Maskenbildner Tanja Bade, Christian<br />
Bernecker, Katharina Bondzin,<br />
Parwin Fakir, Birte Greiwe, Monika<br />
Jankowski, Stefanie Lingener, Barbara<br />
Lork, Ursula Menßen, Henryk<br />
Minkiewicz, Jana Müller, Astrid<br />
Schenkel, Ursula Schürer<br />
auszubildende Svenja Hartnack<br />
requisiTe<br />
leitung Kornelia Helisch<br />
requisiteure Jessica Cosse, Andrea<br />
Figger, Astrid Freyer, Sonja Klisch,<br />
Juliane Görtzen, Wolfgang Vogt,<br />
Janneta Turska<br />
VerWalTung<br />
leitung Brigitte Käding<br />
sekretariat Christiane Koscholleck<br />
Personalabteilung<br />
Elke Günthner<br />
Mitarbeiter Natalie Dammer,<br />
Petra Halfmeier, Sabine Sallamon,<br />
Dirk Welschehold, Linda Wuttke<br />
rechnungsabteilung<br />
Ute Hellwig<br />
127<br />
Mitarbeiter Jan Herder,<br />
Sandy Bäcker, Sabine Blome,<br />
Detlev Massmann<br />
eDV Michael Kowalczyk<br />
haus- und gebäudeverwaltung<br />
Dominik Hübschen<br />
urheberrechte, Werbung, gastspiele<br />
Ulrike Klimach<br />
PersonalraT<br />
Vorsitzende Linda Timmermann<br />
TheaTerKasse/aBoBüro<br />
leitung Karin Bünten<br />
Mitarbeiterinnen Christina Brand,<br />
Renate Dehnhardt, Eylem Durus,<br />
Heike Glöckner, Ellen Heiermann,<br />
Daniela Koscholleck, Petra Krolikowski,<br />
Ute Kruse, Christel Müller,<br />
Brigitte Siepa, Ursula Steingaß, Tülin<br />
Ucur, Susanne Wuttke<br />
einlass/garDeroBe<br />
leitung Oliver Blum<br />
Vorarbeiterinnen Renate<br />
Münch-Gallasch, Regina Koch<br />
Mitarbeiterinnen Dragina Barzik,<br />
Rosel Christa Bönnemann, Ute<br />
Grutsch, Carola Gurok, Rita Held,<br />
Christiane Kunick, Heide Lobschat,<br />
Birgit Uschkurat<br />
hausDiensT<br />
Manfred Bartnick, Oliver Bußmann,<br />
Udo Hermes, Johannes Raser, Helge<br />
Werthschütz<br />
PForTe<br />
Rosel Christa Bönnemann, Cornelia<br />
Kiszka, Wolfgang Kroner, Cornelia<br />
Skusa, Barbara Sonnak<br />
nachtpförtner Bernhardt Jeloneck,<br />
Wolfgang Welt<br />
TransPorTarBeiTer<br />
Ulrich Brozio, Udo Giehl, Bernhard<br />
Kampik, Torben Schmidt<br />
Kraftfahrer Willy Doering, Jürgen<br />
Gönder, Christian Kückelheim<br />
gasTronoMie<br />
leitung Helge van Dornick,<br />
Jochen Stein<br />
Verwaltung Julian Schmitz<br />
leitung Tanas Fabian Strelow<br />
Küche André Thurm<br />
eve Bar Lena van Dornick<br />
Kantine Elken Krüger,<br />
Angelika Stanek
KArtenverKAuf<br />
Wir spielen mit<br />
Ihrem Leben.<br />
Abend für Abend.<br />
0234 / 33 33 55 55<br />
128
Theaterkasse<br />
Oskar-Hoffmann-Straße 26 / ecke Hans-Schalla Platz<br />
44789 <strong>Bochum</strong><br />
MO – fr 10.00 – 18.00 uhr<br />
SA 10.00 – 14.00 uhr,<br />
18.00 uhr bis Öffnung der Abendkasse<br />
SO 17.00 – 18.00 uhr<br />
(Abendkasse <strong>Schauspielhaus</strong>)<br />
tel.: 0234 / 33 33 55 55<br />
fax: 0234 / 33 33 55 12<br />
e-Mail: tickets@schauspielhausbochum.de<br />
KArtenverKAuf<br />
Kartenverkauf<br />
0234 / 33 33 55 55<br />
www.schauspielhausbochum.de<br />
vom 5. Juli bis zum 15. August <strong>2010</strong> und an feiertagen ist<br />
die theaterkasse geschlossen.<br />
Vorverkauf an der Ruhr-Universität <strong>Bochum</strong><br />
Auf dem Campus der ruhr-universität sind wir montags<br />
bis freitags von 10.00 – 14.00 uhr für Sie da! An unserem<br />
verkaufs- und Infostand im Mensafoyer erhalten Sie während<br />
der vorlesungszeit Karten für alle vorstellungen.<br />
Abendkasse<br />
Ab einer Stunde vor vorstellungsbeginn.<br />
Bitte haben Sie verständnis dafür, dass wir an der Abendkasse<br />
nur Karten für die Abendvorstellungen verkaufen.<br />
Kartenkauf über das Internet<br />
www.schauspielhausbochum.de<br />
Sichern Sie sich rund um die uhr Ihre eintrittskarten für<br />
den nächsten theaterbesuch! Beim Kartenkauf über unseren<br />
Online-Spielplan zahlen Sie mit Ihrer Kreditkarte und<br />
drucken sich Ihre Karten anschließend über das „Print-at-<br />
Home“-System bequem zu Hause aus.<br />
Über das Internet gekaufte Karten können nicht zurückerstattet<br />
oder umgetauscht werden.<br />
129<br />
Schriftliche Kartenbestellung<br />
Legen Sie bei schriftlichen Kartenbestellungen bitte einen<br />
verrechnungscheck oder einen Wahl-Abo-Gutschein bei.<br />
Gerne rufen wir Sie für eine Zahlung mit Kreditkarte zurück.<br />
Die eintrittskarten werden Ihnen kostenfrei zugesandt.<br />
Abonnenten werden bevorzugt berücksichtigt.<br />
Postanschrift:<br />
theaterkasse<br />
<strong>Schauspielhaus</strong> <strong>Bochum</strong><br />
Königsallee 15<br />
44789 <strong>Bochum</strong><br />
Vorverkaufsbeginn<br />
Der freie verkauf für veranstaltungen des <strong>Schauspielhaus</strong>es<br />
<strong>Bochum</strong> beginnt am 1. Mittwoch des vormonats. Inhaber<br />
eines Wahl-Abonnements können ab dem 1. Montag<br />
des vormonats ihre Wahl-Abo-Gutscheine einlösen.<br />
Kartenreservierung<br />
Holen Sie Ihre reservierten Karten bitte innerhalb von 14<br />
tagen ab. nicht abgeholte Karten gehen zurück in den freien<br />
verkauf. Wir bitten um verständnis, dass nur bezahlte<br />
Karten an der Abendkasse hinterlegt werden können.<br />
Bezahlung<br />
Bar, mit eC- oder Kreditkarte an der theater- und Abendkasse.<br />
Mit Kreditkarte über den Online-Spielplan unter<br />
www.schauspielhausbochum.de.<br />
Geschenkgutscheine<br />
verschenken Sie theater! Gutscheine für theatervorstellungen<br />
erhalten Sie das ganze Jahr über an unserer theaterkasse.<br />
Wir beraten Sie gern! Die Gutscheine sind ab<br />
Kauf zwei Jahre lang gültig und gelten für alle Spielstätten<br />
des <strong>Schauspielhaus</strong>es <strong>Bochum</strong>.
Preise<br />
<strong>Schauspielhaus</strong><br />
& Kammerspiele<br />
Preisgruppe 1<br />
Preisgruppe 2<br />
Preisgruppe 3<br />
Preisgruppe 4<br />
Theater unten<br />
freie Platzwahl<br />
Jugendvorstellungen<br />
freie Platzwahl<br />
Kindervorstellungen<br />
& Jugendclubs<br />
Kinder- und<br />
Familienstück<br />
„Jim Knopf und<br />
Lukas der<br />
Lokomotivführer“<br />
Preisgruppe 1 - 4<br />
Repertoire<br />
23,10 €<br />
17,60 €<br />
12,10 €<br />
8,80 €<br />
Repertoire<br />
9,35 €<br />
Repertoire<br />
9,00 €<br />
Repertoire<br />
9,00 €<br />
PreISe<br />
ermäßigt<br />
ermäßigt<br />
ermäßigt<br />
ermäßigt<br />
130<br />
12,10 €<br />
8,80 €<br />
6,60 €<br />
5,50 €<br />
6,60 €<br />
5,00 €<br />
freie Platzwahl 8,00 € 4,00 €<br />
5,00 €<br />
Premierenzuschlag: Auf alle Karten und Wahl-Abo-Gutscheine<br />
4,00 €.<br />
Ermäßigung: für Schüler und Studenten (bis zum 29.<br />
Lebensjahr), Azubis, Wehr- und ersatzdienstleistende,<br />
Schwerbehinderte (ab 80%) und Inhaber eines vergünstigungsausweises.<br />
Volle Hütte: Achten Sie auf die Aktion „volle-Hütte“ in unserem<br />
Spielplan und zahlen Sie bei der ausgesuchten vorstellung<br />
in den Preisgruppen 1 - 3 nur 10,00 €!<br />
Last-Minute-Tickets: 5,50 €. erhältlich an der Abendkasse<br />
ab 20 Minuten vor vorstellungsbeginn für Schüler und<br />
Studenten (bis zum 29. Lebensjahr), Azubis und Wehr-<br />
und ersatzdienstleistende.<br />
Servicegebühr: Alle Preise inklusive 10% Servicegebühr.
und großem<br />
theater<br />
wir<br />
kochen mit<br />
leidenschaft<br />
für sie!<br />
Tanas<br />
die speisekammer im schauspielhaus bochum
Sitzplan <strong>Schauspielhaus</strong><br />
Reihe 02<br />
Reihe 03<br />
Reihe 04<br />
Reihe 05<br />
Reihe 06<br />
Reihe 07<br />
Reihe 08<br />
Reihe 09<br />
Reihe 10<br />
Reihe 11<br />
Reihe 12<br />
Reihe 13<br />
Reihe 14<br />
Reihe 15<br />
2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 25<br />
662 663 54 56 58 60 62 64 66 68 70 72 74 76 78 80<br />
28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50<br />
82 84 86 88 90 92 94 96 98 100 102 104 106 108 110 112 114<br />
116 118 120 122 124 126 128 130<br />
150 152 154 156 158 160 162 164 166 168 170 172 174 176<br />
188 190 192 194 196 198 200 202 204 206 208 210 212 214 216<br />
224 226 228 230 232 234 236 238<br />
260 262 264 266 268 270 272 274 276 278<br />
Reihe 16<br />
Reihe 01<br />
298 300 302 304 306 308 310 312 314 316 318<br />
336 338 340 342 344 346 348 350<br />
372 374 376 378 380 382 384 386<br />
132 134 136 138 140 142 144 146 148 149<br />
178 180 182<br />
240 242 244 246 248 250 252 254 256 258 259<br />
218 220 222<br />
280 282 284 286 288 290 292 294 296<br />
406 408 410 412 414 416 418 420<br />
442 444 446 448 450 452 454 456 458 460 462 464 466 468 470 472 474 476<br />
Reihe 17<br />
Rang 01<br />
Reihe 18<br />
Rang 02<br />
Reihe 19<br />
Rang 03<br />
478 480 482 484 486 488 490 492<br />
512 514 516 518 520 522 524 526<br />
Reihe 20<br />
Loge<br />
Loge<br />
2<br />
Rang 04<br />
320 322 324 326 328 330 332<br />
352 354 356 358 360 362 364 366 368<br />
388 390 392 394 396 398 400 402 404<br />
422 424 426 428 430 432 434 436 438 440<br />
544 546 548 550 552 554 556 558 560 562 564 566 568 570 572 574<br />
576 578 580 582 584 586 588 590 592<br />
4<br />
34<br />
Rang 05<br />
Rang 06<br />
6<br />
36<br />
608 610 612 614 616 618 620 622<br />
8<br />
38<br />
64<br />
636<br />
3<br />
10<br />
40<br />
66<br />
92<br />
118<br />
638<br />
5<br />
12<br />
42<br />
68<br />
94<br />
120<br />
640<br />
2<br />
14<br />
44<br />
70<br />
96<br />
122<br />
142<br />
642<br />
4<br />
16<br />
46<br />
72<br />
98<br />
124<br />
144<br />
494 496 498 500 502 504 506 508 510<br />
528 530 532 534 536 538 540 542 543<br />
644<br />
1<br />
18<br />
48<br />
74<br />
100<br />
126<br />
146<br />
646<br />
5<br />
20<br />
50<br />
76<br />
102<br />
148<br />
594 596 598 600 602 604 606<br />
648<br />
LOGE LINKS<br />
3<br />
22<br />
52<br />
78<br />
128<br />
624 626 628 630 632 634<br />
650<br />
4<br />
104<br />
130<br />
150<br />
652<br />
2<br />
24<br />
54<br />
80<br />
106<br />
132<br />
152<br />
654<br />
26<br />
56<br />
82<br />
108<br />
134<br />
154<br />
656<br />
1<br />
28<br />
58<br />
84<br />
110<br />
136<br />
156<br />
658<br />
30<br />
60<br />
86<br />
112<br />
138<br />
158<br />
SItZPLAn<br />
BÜHNE<br />
SPERRSITZ<br />
660<br />
23<br />
52<br />
81<br />
113<br />
147<br />
184<br />
221<br />
257<br />
297<br />
334<br />
370<br />
405<br />
441<br />
475<br />
509<br />
541<br />
575<br />
633<br />
661<br />
RANG<br />
32<br />
62<br />
88<br />
114<br />
140<br />
160<br />
31<br />
63<br />
90<br />
116<br />
139<br />
161<br />
132<br />
21<br />
51<br />
79<br />
111<br />
145<br />
186<br />
219<br />
255<br />
295<br />
333<br />
369<br />
403<br />
439<br />
473<br />
507<br />
539<br />
573<br />
631<br />
659<br />
29<br />
61<br />
91<br />
115<br />
137<br />
159<br />
19<br />
49<br />
77<br />
109<br />
143<br />
185<br />
217<br />
253<br />
293<br />
331<br />
367<br />
401<br />
437<br />
471<br />
505<br />
537<br />
571<br />
27<br />
59<br />
89<br />
113<br />
135<br />
157<br />
17<br />
47<br />
75<br />
107<br />
141<br />
183<br />
215<br />
251<br />
291<br />
329<br />
365<br />
399<br />
435<br />
469<br />
503<br />
535<br />
569<br />
25<br />
57<br />
87<br />
111<br />
133<br />
155<br />
15<br />
45<br />
73<br />
105<br />
139<br />
181<br />
213<br />
249<br />
289<br />
327<br />
363<br />
397<br />
433<br />
467<br />
501<br />
533<br />
567<br />
23<br />
55<br />
85<br />
109<br />
131<br />
153<br />
13<br />
43<br />
71<br />
103<br />
137<br />
179<br />
211<br />
247<br />
287<br />
325<br />
361<br />
395<br />
431<br />
465<br />
499<br />
531<br />
565<br />
53<br />
83<br />
107<br />
129<br />
151<br />
11<br />
41<br />
69<br />
101<br />
135<br />
177<br />
209<br />
245<br />
285<br />
323<br />
359<br />
393<br />
429<br />
463<br />
497<br />
529<br />
563<br />
21<br />
81<br />
105<br />
127<br />
149<br />
9<br />
39<br />
67<br />
99<br />
133<br />
175<br />
207<br />
243<br />
283<br />
321<br />
357<br />
391<br />
427<br />
461<br />
495<br />
527<br />
561<br />
19<br />
51<br />
7<br />
37<br />
65<br />
97<br />
131<br />
173<br />
205<br />
241<br />
281<br />
319<br />
355<br />
389<br />
425<br />
459<br />
493<br />
525<br />
559<br />
3<br />
17<br />
49<br />
79<br />
103<br />
125<br />
147<br />
5<br />
35<br />
63<br />
95<br />
129<br />
171<br />
203<br />
239<br />
279<br />
317<br />
353<br />
387<br />
423<br />
457<br />
491<br />
523<br />
557<br />
587<br />
5<br />
15<br />
47<br />
77<br />
101<br />
123<br />
145<br />
3<br />
33<br />
61<br />
93<br />
127<br />
169<br />
201<br />
237<br />
277<br />
315<br />
351<br />
385<br />
421<br />
455<br />
489<br />
521<br />
555<br />
585<br />
613<br />
639<br />
2<br />
13<br />
45<br />
75<br />
99<br />
121<br />
143<br />
1<br />
31<br />
59<br />
91<br />
125<br />
167<br />
199<br />
235<br />
275<br />
313<br />
349<br />
383<br />
419<br />
453<br />
487<br />
519<br />
553<br />
583<br />
611<br />
637<br />
4<br />
11<br />
43<br />
73<br />
97<br />
119<br />
141<br />
29<br />
57<br />
89<br />
123<br />
165<br />
197<br />
233<br />
273<br />
311<br />
347<br />
381<br />
417<br />
451<br />
485<br />
517<br />
551<br />
581<br />
609<br />
635<br />
LOGE RECHTS<br />
1<br />
9<br />
41<br />
71<br />
95<br />
117<br />
27<br />
55<br />
87<br />
121<br />
163<br />
195<br />
231<br />
271<br />
309<br />
345<br />
379<br />
415<br />
449<br />
483<br />
515<br />
549<br />
579<br />
607<br />
7<br />
39<br />
69<br />
93<br />
53<br />
85<br />
119<br />
161<br />
193<br />
229<br />
269<br />
307<br />
343<br />
377<br />
413<br />
447<br />
481<br />
513<br />
547<br />
577<br />
5<br />
37<br />
67<br />
83<br />
117<br />
159<br />
191<br />
227<br />
267<br />
305<br />
341<br />
375<br />
411<br />
445<br />
479<br />
511<br />
545<br />
Reihe 20<br />
Loge<br />
Loge<br />
3<br />
35<br />
65<br />
Rang 06<br />
Reihe 01<br />
Reihe 02<br />
Reihe 03<br />
Reihe 04<br />
Reihe 05<br />
Reihe 06<br />
Reihe 07<br />
Reihe 08<br />
115<br />
157<br />
189<br />
225<br />
265<br />
303<br />
339<br />
373<br />
409<br />
443<br />
477<br />
1<br />
33<br />
155<br />
187<br />
223<br />
263<br />
301<br />
337<br />
371<br />
407<br />
261<br />
299<br />
335<br />
Reihe 12<br />
Reihe 13<br />
Reihe 14<br />
Reihe 15<br />
Reihe 16<br />
Reihe 17<br />
Reihe 18<br />
Reihe 19<br />
Rang 05<br />
Rang 04<br />
Rang 03<br />
Rang 02<br />
Rang 01<br />
Reihe 09<br />
Reihe 10<br />
Reihe 11
Sitzplan Kammerspiele<br />
Reihe 01<br />
Reihe 02<br />
Reihe 03<br />
Reihe 04<br />
Reihe 01<br />
Reihe 05<br />
Reihe 02<br />
Reihe 06<br />
Reihe 03<br />
Reihe 04 Reihe 07<br />
Reihe 05 Reihe 08<br />
Reihe 06 Reihe 09<br />
Reihe 10<br />
Reihe 07<br />
Reihe 11<br />
Reihe 08<br />
Reihe 09<br />
Reihe 10<br />
Reihe 11<br />
Reihe 12<br />
Reihe 13<br />
2 4 6 8 10 12 14 16 18 20<br />
22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 41<br />
42 44 46 48 50 52 54 56 58 60 62<br />
64 66 68 70 72 74 76 78 80 82 84 86<br />
88 90 92 94 96 98 100 102 104 106 108 110<br />
112 114 116 118 120 122 124 126 128 130 132 134 135<br />
136 138 140 142 144 146 148 150 152 154 156 158 160<br />
162 164 166 168 170 172 174 176 178 180 182 184 186 188<br />
190 192 194 196 198 200 202 204 206 208 210 212 214 216<br />
218 220 222 224 226 228 230 232 234 236 238 240 242 244 245<br />
246 248 250 252 254 256 258 260<br />
276 278 280 282 284 286<br />
218 220<br />
288<br />
222 224<br />
290<br />
226 228<br />
292<br />
230 232<br />
294<br />
234<br />
296<br />
236<br />
298<br />
238 240<br />
300<br />
242<br />
302<br />
244<br />
304<br />
245<br />
Reihe 12<br />
Reihe 13<br />
Reihe 14<br />
Reihe 15<br />
Reihe 16<br />
2 4 6 8 10 12 14 16 18 20<br />
22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 41<br />
42 44 46 48 50 52 54 56 58 60 62<br />
64 66 68 70 72 74 76 78 80 82 84 86<br />
88 90 92 94 96 98 100 102 104 106 108 110<br />
112 114 116 118 120 122 124 126 128 130 132 134 135<br />
136 138 140 142 144 146 148 150 152 154 156 158 160<br />
162 164 166 168 170 172 174 176 178 180 182 184 186 188<br />
190 192 194 196 198 200 202 204 206 208 210 212 214 216<br />
262 264 266 268 270 272 274<br />
306 308 310 312 314 316 318 320 322 324 326 328 330 332<br />
246 248 250 252 254 256 258 260<br />
276 278 280 282 284 286 288 290 292 294 296 298 300 302 304<br />
Reihe 14<br />
Reihe 15<br />
Reihe 16<br />
262 264 266 268 270 272 274<br />
334 336 338 340 342 344 346 348 350 352 354 356 358<br />
360 362 364 366 368 370 372 374 376 378 380 382<br />
306 308 310 312 314 316 318 320 322 324 326 328 330 332<br />
386 388 390 392 394 396 398 400 402 404 406 408<br />
334 336 338 340 342 344 346 348 350 352 354 356 358<br />
360 362 364 366 368 370 372 374 376 378 380 382<br />
386 388 390 392 394 396 398 400 402 404 406 408<br />
BÜHNE<br />
BÜHNE<br />
384<br />
359<br />
410<br />
19<br />
63<br />
109<br />
161<br />
215<br />
275<br />
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Reihe 01<br />
365<br />
65<br />
113<br />
167<br />
223<br />
283<br />
Reihe 02<br />
337<br />
389<br />
Reihe 03<br />
87<br />
139<br />
193<br />
253<br />
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249 247<br />
309<br />
277<br />
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281<br />
309<br />
337<br />
365<br />
283<br />
311<br />
339<br />
367<br />
313<br />
391<br />
Reihe 01<br />
Reihe 02<br />
389<br />
Reihe 03<br />
Reihe 04<br />
387<br />
Reihe 05<br />
Reihe 06<br />
Reihe 07<br />
363<br />
Reihe 04<br />
111<br />
165<br />
Reihe 08<br />
221<br />
Reihe 09<br />
281<br />
335<br />
387<br />
Reihe 05<br />
137<br />
191<br />
251<br />
Reihe 10<br />
307<br />
361<br />
Reihe 06<br />
163<br />
219<br />
279<br />
Reihe 11<br />
189<br />
217<br />
249 247<br />
333<br />
Reihe 12<br />
Reihe 13<br />
Reihe 14<br />
Reihe 15<br />
Reihe 16<br />
Reihe 07<br />
305<br />
Reihe 08<br />
277<br />
Reihe 09<br />
Reihe 10<br />
Reihe 11<br />
Reihe 12<br />
Reihe 13<br />
Reihe 14<br />
Reihe 15<br />
Reihe 16<br />
PREISGRUPPEN<br />
Preisgruppe 1<br />
PREISGRUPPEN<br />
Preisgruppe 2<br />
Preisgruppe 1<br />
Preisgruppe 3<br />
Preisgruppe 2<br />
Preisgruppe 4<br />
2 Rollstuhlplätze<br />
Preisgruppe 3<br />
Preisgruppe 4<br />
2 Rollstuhlplätze
Abonnements<br />
mehr ausgehen, mehr erleben, mehr Theater! mit einem<br />
abonnement des schauspielhauses bochum können sie<br />
bares Geld sparen oder sich selbst einen kleinen Kulturstupser<br />
geben.<br />
Für alle individualisten, die sich ihren spielplan selbst<br />
zusammenstellen möchten, bieten wir weiterhin unsere<br />
beliebten wahl-abos mit Gutscheinsystem an. Neu hinzu<br />
kommen ab sofort sechs Fest-abo-angebote, mit denen<br />
wir die planung ihres Theaterbesuchs zu einer entspannten<br />
angelegenheit werden lassen: sie entscheiden sich<br />
nur einmal und haben anschließend Terminsicherheit<br />
über die gesamte spielzeit sowie lieblingsplatz-Garantie<br />
auch bei ausverkauften Vorstellungen. Neben zwei exklusiven<br />
premieren-abos und drei wochentag-abos haben<br />
wir dabei auch ein besonderes Kombi-abo mit dem<br />
musiktheater im Revier Gelsenkirchen im Gepäck.<br />
schauen sie sich um – unser abo-Team berät sie gern!<br />
Abo-Büro<br />
Oskar-Hoffmann-Straße 26 / ecke Hans-Schalla Platz<br />
44789 <strong>Bochum</strong><br />
MO – fr 10.00 – 18.00 uhr<br />
SA 10.00 – 14.00 uhr<br />
tel.: 0234 / 33 33 55 - 40 oder -49<br />
fax: 0234 / 32 55 957<br />
e-Mail: abo@schauspielhausbochum.de<br />
ABOnneMentS<br />
vom 5. Juli bis zum 15. August <strong>2010</strong> ist das Abo-Büro<br />
MO – fr von 10.00 – 16.00 uhr geöffnet.<br />
134<br />
wahl-aboNNemeNTs<br />
Unsere Klassiker für alle, die flexibel bleiben möchten!<br />
mit den Gutscheinen eines wahl-abos haben sie die<br />
große Freiheit – gehen sie alleine, zu zweit, nehmen sie<br />
Freunde oder Verwandte zu einem gemeinsamen Theaterbesuch<br />
mit und entscheiden sie selbst, wann sie welche<br />
inszenierung sehen möchten. ihre Kartenwünsche<br />
nehmen wir bereits zwei Tage vor beginn des freien Verkaufs<br />
entgegen.<br />
Wahl-Abo mit 10 Gutscheinen<br />
erwerben Sie zehn Wahl-Abo-Gutscheine bei freier Stück-<br />
und terminwahl und sparen Sie dabei je nach Preisgruppe<br />
bis zu 30%. Sie können pro vorstellung beliebig viele<br />
Gutscheine einlösen. Bei Premieren zahlen Sie nur den allgemeinen<br />
Premierenzuschlag von 4,00 €. Die Gutscheine<br />
gelten für die laufende Spielzeit.<br />
Wahl-Abo<br />
Preisgruppe 1<br />
Preisgruppe 2<br />
Preisgruppe 3<br />
Preisgruppe 4<br />
Kombi-Wahl-Abo<br />
Preisgruppe 1<br />
Preisgruppe 2<br />
Preisgruppe 3<br />
Preisgruppe 4<br />
10 Gutscheine<br />
165,00 €<br />
126,50 €<br />
82,50 €<br />
60,50 €<br />
6 x Theater +<br />
4 x Konzert<br />
178,20 €<br />
135,10 €<br />
97,30 €<br />
75,20 €<br />
ermäßigt<br />
82,50 €<br />
66,00 €<br />
60,50 €<br />
55,00 €<br />
Kombi-Wahl-Abo „Theater und Konzert“<br />
mit 10 Gutscheinen<br />
Das kombinierte theater- und Konzert-Abo bietet geballte<br />
<strong>Bochum</strong>er Kulturkraft! Sehen Sie sechs vorstellungen des<br />
<strong>Schauspielhaus</strong>es <strong>Bochum</strong> und hören Sie vier Konzerte<br />
der <strong>Bochum</strong>er Symphoniker. Bei den theatervorstellungen<br />
haben Sie freie Platz- und Stückwahl, die Gutscheine für<br />
die Konzerte gelten für die Konzertreihen „Symphoniekonzert“<br />
(DO und fr) und „Symphonie Spezial“.<br />
ermäßigt<br />
89,10 €<br />
69,30 €<br />
60,50 €<br />
52,80 €
Neu: FesT-aboNNemeNTs<br />
ABOnneMentS<br />
lassen sie lange schlangen an der Vorverkaufskasse hinter<br />
sich, sichern sie sich ihren lieblingsplatz und erleben<br />
sie die höhepunkte der saison – kurzum: Freuen sie sich<br />
mit unseren neuen Fest-abos auf entspannte Theaterbesuche<br />
im schauspielhaus bochum!<br />
wenn sie sich für eines unserer sechs angebote entscheiden,<br />
genießen sie planungssicherheit über die<br />
gesamte spielzeit und sparen gleichzeitig bis zu 25% gegenüber<br />
den regulären eintrittspreisen. und wenn<br />
ihnen trotzdem mal was dazwischen kommt, können sie<br />
ihren abo-ausweis einfach an ihren Nachbarn oder die<br />
nette Kollegin weiterreichen oder alternativ bis zu zwei<br />
der vorgesehenen abo-Vorstellungen gegen andere Vorstellungstermine<br />
des stücks in der laufenden spielzeit<br />
umtauschen.<br />
135<br />
Premieren-Abonnements<br />
Spüren Sie die besondere Atmosphäre und Spannung<br />
eines Premierenabends und gehören Sie zu den ersten<br />
Zuschauern, die unsere neuen Inszenierungen sehen!<br />
unsere Premieren-Abos bieten Ihnen acht ausgesuchte<br />
Höhepunkte der theatersaison und einen festen Sitzplatz<br />
(inklusive Premierenzuschlag).<br />
Premieren-Abo 1: <strong>Schauspielhaus</strong><br />
Candide oder der optimismus<br />
der sturm<br />
die Labdakiden<br />
Faust<br />
Cyrano de bergeraC<br />
kasimir und karoLine<br />
amerika<br />
der auFhaLtsame auFstieg<br />
des arturo ui<br />
Premieren-Abo 2:<br />
<strong>Schauspielhaus</strong> & Kammerspiele<br />
der sturm<br />
eisenstein<br />
die Labdakiden<br />
oFt ist die natur<br />
niCht einmaL sChön<br />
Cyrano de bergeraC<br />
Jimi bowatski hat<br />
kein sChamgeFühL<br />
der auFhaLtsame auFstieg<br />
des arturo ui<br />
die JungFrau von orLeans<br />
Premieren-Abos<br />
Preisgruppe 1<br />
Preisgruppe 2<br />
Preisgruppe 3<br />
Preisgruppe 4<br />
DO 23. September <strong>2010</strong><br />
SA 25. September <strong>2010</strong><br />
SA 9. Oktober <strong>2010</strong><br />
SA 4. Dezember <strong>2010</strong><br />
SA 29. Januar <strong>2011</strong><br />
SA 19. februar <strong>2011</strong><br />
SA 2. April <strong>2011</strong><br />
SA 28. Mai <strong>2011</strong><br />
SA 25. September <strong>2010</strong><br />
SO 26. September <strong>2010</strong><br />
SA 9. Oktober <strong>2010</strong><br />
fr 3. Dezember <strong>2010</strong><br />
SA 29. Januar <strong>2011</strong><br />
fr 25. März <strong>2011</strong><br />
SA 28. Mai <strong>2011</strong><br />
im Juni <strong>2011</strong><br />
8 Premieren<br />
208,00 €<br />
164,00 €<br />
120,00 €<br />
98,00 €
Werktags-Abonnements<br />
Machen Sie den Mittwoch oder den freitag zu Ihrem theatertag<br />
und sehen Sie von Ihrem festen Lieblingsplatz aus<br />
acht neuinszenierungen der laufenden Saison in <strong>Schauspielhaus</strong><br />
und Kammerspielen. Ihre Plätze sind Ihnen sicher<br />
– bei einer ermäßigung von bis zu 25%.<br />
Werktags-Abo 1: Mittwoch<br />
medea<br />
Faust<br />
Candide oder der optimismus<br />
oFt ist die natur<br />
niCht einmaL sChön<br />
kasimir und karoLine<br />
der sturm<br />
der FaLL des robert k.<br />
die Labdakiden<br />
Werktags-Abo 2: Freitag<br />
die Labdakiden<br />
eisenstein<br />
der sturm<br />
Faust<br />
Jimi bowatski hat<br />
kein sChamgeFühL<br />
amerika<br />
Cyrano de bergeraC<br />
die JungFrau von orLeans<br />
Werktags-Abo<br />
Preisgruppe 1<br />
Preisgruppe 2<br />
Preisgruppe 3<br />
Preisgruppe 4<br />
5 x <strong>Schauspielhaus</strong> +<br />
3 x Kammerspiele<br />
145,20 €<br />
110,00 €<br />
74,80 €<br />
52,80 €<br />
ABOnneMentS<br />
MI 20. Oktober <strong>2010</strong><br />
MI 8. Dezember <strong>2010</strong><br />
MI 12. Januar <strong>2011</strong><br />
MI 2. februar <strong>2011</strong><br />
MI 16. März <strong>2011</strong><br />
MI 20. April <strong>2011</strong><br />
MI 18. Mai <strong>2011</strong><br />
MI 29. Juni <strong>2011</strong><br />
fr 15. Oktober <strong>2010</strong><br />
fr 17. Dezember <strong>2010</strong><br />
fr 14. Januar <strong>2011</strong><br />
fr 4. März <strong>2011</strong><br />
fr 1. April <strong>2011</strong><br />
fr 29. April <strong>2011</strong><br />
fr 3. Juni <strong>2011</strong><br />
fr 15. Juli <strong>2011</strong><br />
ermäßigt<br />
110,00 €<br />
83,60 €<br />
57,20 €<br />
44,00 €<br />
136<br />
Sonntagnachmittags-Abonnement<br />
Der vorstellungsbesuch am Abend ist Ihnen und Ihrer familie<br />
zu spät? Dann kommen Sie doch einfach Sonntagnachmittag<br />
ins theater! An fünf ausgewählten terminen<br />
sehen Sie jeweils um 17.00 uhr eine unserer neuinszenierungen<br />
in <strong>Schauspielhaus</strong> und Kammerspielen. Dabei<br />
sparen Sie bis zu 45% gegenüber den regulären eintrittspreisen<br />
und können Ihr Wochenende ganz entspannt ausklingen<br />
lassen.<br />
Candide oder der optimismus<br />
eisenstein<br />
Faust<br />
Cyrano de bergeraC<br />
die JungFrau von orLeans<br />
Sonntags-<br />
Abo<br />
Preisgruppe 1<br />
Preisgruppe 2<br />
Preisgruppe 3<br />
Preisgruppe 4<br />
3 x <strong>Schauspielhaus</strong> +<br />
2 x Kammerspiele<br />
63,80 €<br />
47,30 €<br />
33,00 €<br />
27,50 €<br />
SO 31. Oktober <strong>2010</strong><br />
SO 9. Januar <strong>2010</strong><br />
SO 6. februar <strong>2010</strong><br />
SO 17. April <strong>2011</strong><br />
SO 3. Juli <strong>2011</strong><br />
ermäßigt<br />
27,50 €<br />
27,50 €<br />
27,50 €<br />
27,50 €
6 Richtige: Das Revier-Abo<br />
für Schauspiel-Liebhaber, die auch gern in die Oper gehen,<br />
haben wir ein besonderes vorstellungspaket für Sie<br />
geschnürt, mit dem wir die alte verbundenheit mit dem<br />
Musiktheater im Revier Gelsenkirchen wieder aufleben<br />
lassen. Kommen Sie bei dem neuen städteübergreifenden<br />
fest-Abo jeweils donnerstags zu drei theatervorstellungen<br />
ins <strong>Schauspielhaus</strong> <strong>Bochum</strong> und zu drei Opern ins Musiktheater<br />
im revier.<br />
ge: meFisto<br />
bo: Candide oder<br />
der optimismus<br />
ge: anatevka<br />
bo: der sturm<br />
ge: Zar und Zimmermann<br />
bo: Cyrano de bergeraC<br />
6 Richtige:<br />
Das Revier-Abo<br />
Preisgruppe 1<br />
Preisgruppe 2<br />
Preisgruppe 3<br />
Preisgruppe 4<br />
DO 11. november <strong>2010</strong><br />
DO 3. februar <strong>2011</strong><br />
DO 3. März <strong>2011</strong><br />
DO 14. April <strong>2011</strong><br />
DO 12. Mai <strong>2011</strong><br />
DO 30. Juni <strong>2011</strong><br />
3 x <strong>Schauspielhaus</strong> +<br />
3 x Musiktheater im Revier<br />
140,00 €<br />
120,00 €<br />
100,00 €<br />
-<br />
ABOnneMentS<br />
Abo-Bedingungen<br />
Vertrag<br />
Mit der Bestellung eines Abonnements und der Zusendung<br />
der Abo-Unterlagen wird ein rechtsgültiger Vertrag zwischen<br />
Ihnen und dem <strong>Schauspielhaus</strong> <strong>Bochum</strong> geschlossen. Bitte<br />
teilen Sie uns Änderungen Ihrer Adresse oder Telefonnummer<br />
mit, damit der Monatsspielplan und andere Informationen Sie<br />
ohne Verzögerung erreichen.<br />
Bezahlung<br />
Bar, mit EC- oder Kreditkarte im Abo-Büro. Für eine besonders<br />
komfortable Abwicklung bieten wir unseren Abonnenten das<br />
Lastschrifteinzugsverfahren an.<br />
Fristen<br />
Ihr Abonnement verlängert sich automatisch um eine weitere<br />
Spielzeit, sofern der Vertrag nicht von einem der beiden Vertragspartner<br />
bis spätestens 15. Juni der laufenden Spielzeit<br />
schriftlich gekündigt wird.<br />
Hinweise<br />
Das <strong>Schauspielhaus</strong> <strong>Bochum</strong> behält sich vor, bei Premieren<br />
und bei Vorstellungen mit großer Nachfrage pro Wahl-Abo nur<br />
zwei Gutscheine einzulösen. Wahl-Abo-Gutscheine sind nicht<br />
in die folgende Spielzeit übertragbar, ein Ersatz bei Verlust der<br />
Gutscheine ist nicht möglich.<br />
Im Rahmen der Fest-Abo-Bestellung wird das <strong>Schauspielhaus</strong><br />
<strong>Bochum</strong> alles unternehmen, die durch den Abonnenten<br />
getroffene Platzwahl einzuhalten. Es hat aus künstlerischen<br />
und/oder organisatorischen Gründen allerdings das Recht,<br />
kurzfristig Platzänderungen oder Änderungen der Spielstätte<br />
vorzunehmen, Abonnement-Vorstellungen auf einen anderen<br />
Termin zu verlegen oder das vorgesehene Programm zu ändern.<br />
Bei Ausfall einer Vorstellung durch Streik oder höhere Gewalt<br />
hat der Abonnent keinen Anspruch auf eine Ersatzleistung.<br />
Dies gilt ebenso bei Versäumnis einer Vorstellung.<br />
Es gelten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des<br />
<strong>Schauspielhaus</strong>es <strong>Bochum</strong>.<br />
Änderungen vorbehalten.<br />
137
iNFos<br />
InfOS unD AnreISe<br />
Ihr Besuch im<br />
<strong>Schauspielhaus</strong><br />
<strong>Bochum</strong><br />
„<strong>Boropa</strong>“ – Das Magazin<br />
unser Spielzeit-Magazin informiert Sie über die geplanten<br />
Premieren der Saison und erscheint einmal jährlich zur<br />
vorstellung des kommenden Spielplans im frühjahr.<br />
Spielplan<br />
Der Monatspielplan mit allen terminen des <strong>Schauspielhaus</strong>es<br />
<strong>Bochum</strong> erscheint zu Beginn des vormonats und<br />
liegt an der theaterkasse, in unseren Spielstätten und an<br />
vielen weiteren Orten in <strong>Bochum</strong> und umgebung für Sie<br />
aus. Auf Wunsch schicken wir Ihnen den Monatsspielplan<br />
auch zu. Eine Download-Version finden Sie im Internet<br />
unter www.schauspielhausbochum.de<br />
Theaterzeitung<br />
Die neue theaterzeitung von <strong>Schauspielhaus</strong> <strong>Bochum</strong> und<br />
dem Musiktheater im revier Gelsenkirchen liegt ab Herbst<br />
<strong>2010</strong> monatlich als Beilage der WAZ bei und natürlich<br />
auch an der theaterkasse.<br />
Website<br />
Auf www.schauspielhausbochum.de finden Sie aktuelle<br />
Änderungen und alle Infos zum <strong>Schauspielhaus</strong> <strong>Bochum</strong>,<br />
zum Spielplan, den Schauspielern, regisseuren und ihren<br />
Inszenierungen. Hier können Sie auch online Ihre Karten<br />
für die vorstellungen kaufen.<br />
Programmhefte<br />
Die Programmhefte unserer aktuellen Inszenierungen<br />
sind zu den vorstellungen und nach der Premiere auch an<br />
der theaterkasse erhältlich.<br />
138<br />
aNReise<br />
ESSEN<br />
Dorstener Str.<br />
Alleestraße<br />
BAHN<br />
A40<br />
BOCHUM<br />
S<br />
Haltestelle<br />
Ehrenfeld<br />
Hattinger Str.<br />
Mit dem Auto<br />
Das <strong>Bochum</strong>er <strong>Schauspielhaus</strong> befindet sich in der südlichen<br />
<strong>Bochum</strong>er Innenstadt und ist von den Autobahnen<br />
A40 und A43 in wenigen Minuten zu erreichen.<br />
eine detaillierte Anfahrtsbeschreibung finden Sie unter<br />
www.schauspielhausbochum.de.<br />
Die Zieladresse für Ihr navigationsgerät:<br />
Königsallee 15, 44789 <strong>Bochum</strong><br />
Westring<br />
Herner Str.<br />
Anschlusssstelle<br />
<strong>Bochum</strong>-Zentrum<br />
Südring<br />
Der Melanchthonsaal liegt ebenfalls an der Königsallee<br />
und ist nur wenige Meter vom <strong>Schauspielhaus</strong> entfernt:<br />
Königsallee 40, 44789 <strong>Bochum</strong><br />
Parken<br />
Parkhaus am <strong>Schauspielhaus</strong> (P9, Zufahrt Königsallee)<br />
zum Pauschalpreis von 3,00 euro.<br />
Mit Bus und Bahn<br />
Zur Haltestelle „<strong>Schauspielhaus</strong>“ gelangen Sie mit den<br />
Buslinien SB 37, Ce 31, 353, 354 und 365, den nachtexpresslinien<br />
ne 4 und ne 5 sowie den u-Bahnlinien 308<br />
und 318. Alle Linien fahren über den <strong>Bochum</strong>er Hauptbahnhof.<br />
Planung über www.vrr.de.<br />
Barrierefreiheit<br />
Im <strong>Schauspielhaus</strong> stehen Ihnen zwei rollstuhlplätze zur<br />
verfügung (3. reihe, links außen). Wir bitten um rechtzeitige<br />
reservierung. um barrierefrei zu Ihren Plätzen zu<br />
gelangen, nutzen Sie bitte die rampe am Haupteingang.<br />
Behindertengerechte WC-Anlagen befinden sich im Erdgeschoss<br />
links. Leider sind die weiteren Spielstätten bislang<br />
noch nicht barrierefrei erreichbar. Gemeinsam mit den<br />
Politikern und der verwaltung der Stadt <strong>Bochum</strong> arbeiten<br />
wir an einer verbesserung der Zugangsmöglichkeiten.<br />
Bergstr.<br />
INNENSTADT<br />
Königsallee<br />
U<br />
Ostring<br />
Universitätsstr.<br />
Oskar-Hoffmann-Str.<br />
HBF<br />
U<br />
SCHAUSPIELHAUS<br />
BOCHUM<br />
A40<br />
BAHN<br />
BAHN<br />
Wittener Str.<br />
Stadionring<br />
Castroper Str.<br />
DORTMUND
GasTRoNomie<br />
Tanas<br />
Die Speisekammer im <strong>Schauspielhaus</strong> <strong>Bochum</strong><br />
Öffnungszeiten:<br />
MO – fr 12.00 – 14.30 uhr (Mittagstisch)<br />
MO – SA 18.00 – 1.00 uhr<br />
SO 17.00 – 1.00 uhr<br />
Abends geschlossen, wenn sowohl im <strong>Schauspielhaus</strong>, im<br />
theater unten als auch in den Kammerspielen keine vorstellung<br />
stattfindet.<br />
reservierungen:<br />
tel.: 0234 / 33 33 54 44<br />
Eve Bar<br />
Cocktail Lounge<br />
Öffnungszeiten:<br />
DO – SA 21.00 – 3.00 uhr<br />
und vor feiertagen<br />
www.evebar.de<br />
Foyers<br />
Wir bieten Ihnen an drei tresen vor vorstellungsbeginn<br />
und in der Pause kleine Snacks sowie eine breit gefächerte<br />
Getränkeauswahl an.<br />
TheaTeRFühRuNGeN<br />
Werfen Sie einen interessanten Blick hinter die Kulissen!<br />
Die kostenlosen Führungen finden in der Regel einmal im<br />
Monat an einem Sonntag statt, termine entnehmen Sie<br />
bitte unserem Monatsspielplan.<br />
Anmeldung bei Beatrix feldmann:<br />
MO – DO 10.00 – 12.00 uhr<br />
tel.: 0234 / 33 33 55 48<br />
e-Mail: bfeldmann@bochum.de<br />
Zu GasT iN bochum<br />
Informationen über die Stadt <strong>Bochum</strong>, Übernachtungsmöglichkeiten,<br />
Stadtführungen und viele weitere Angebote<br />
rund um Ihren Aufenthalt in <strong>Bochum</strong> erhalten Sie bei der<br />
<strong>Bochum</strong> touristinfo, Huestraße 9, 44787 <strong>Bochum</strong><br />
tel.: 01805 / 26 02 34 (14ct/Min. aus dem dt. festnetz)<br />
e-Mail: info@bochum-tourismus.de<br />
www.bochum-tourismus.de<br />
FRaGeN, aNReGuNGeN, KRiTiK?<br />
Wir freuen uns über Ihre nachrichten und Ihr feedback.<br />
e-Mail: schauspielhaus@bochum.de<br />
139<br />
Vorhang auf<br />
für Reiselust.<br />
Was die hohe Kunst des Bühnenschauspiels<br />
mit Reisen verbindet? Beide erfreuen den<br />
Geist und bereichern die Seele. Deshalb<br />
arbeiten wir ständig an aufregenden Inszenierungen<br />
für Ihre Reiselust. Ganz gleich, wie<br />
Ihre Wünsche und Ansprüche an individuellen<br />
Urlaub sind. Als Vollsortimenter können Sie<br />
bei uns jede Reise, jede Airline und jeden<br />
Veranstalter buchen. Beliebt sind unsere<br />
Honeymoon-Angebote mit Romantik pur<br />
und Erlebnissen, die zu Herzen gehen.<br />
Und wie man Geschäftsreisende mit einem<br />
perfekten Service glücklich macht, wissen<br />
unsere eingespielten Teams aus langer<br />
Erfahrung. Welche Traumziele und Traumstrände<br />
auf unserem tagesaktuellen Reiseplan<br />
stehen, rezitieren wir gerne in einem<br />
persönlichen Gespräch. Besuchen Sie uns<br />
und genießen Sie eine ganz persönliche<br />
Beratung. Von Menschen, die sich fürs<br />
Reisen begeistern.<br />
Kortumstraße 37<br />
44787 <strong>Bochum</strong><br />
Tel. 02 34-9 61 80 0<br />
Fax 02 34-9 61 80 30<br />
info@lcc-bochum.de<br />
www.lcc-bochum.de<br />
Reiselust spürbar nah.
Kontakt<br />
schauspielhaus bochum<br />
Anstalt des öffentlichen rechts<br />
Königsallee 15<br />
44789 <strong>Bochum</strong><br />
tel.: 0234 / 33 33 -0 (Zentrale)<br />
Theaterkasse<br />
Oskar-Hoffmann-Straße 26 / ecke Hans-Schalla Platz<br />
44789 <strong>Bochum</strong><br />
tel.: 0234 / 33 33 55 55<br />
fax: 0234 / 33 33 55 12<br />
e-Mail: tickets@schauspielhausbochum.de<br />
Abo-Büro<br />
Oskar-Hoffmann-Straße 26 / ecke Hans-Schalla Platz<br />
44789 <strong>Bochum</strong><br />
tel.: 0234 / 33 33 55 -40 oder -49<br />
fax: 0234 / 32 55 957<br />
e-Mail: abo@schauspielhausbochum.de<br />
Intendanz<br />
Anselm Weber<br />
Persönliche Mitarbeiterin: Tonia Tilch<br />
tel.: 0234 / 33 33 55 20<br />
fax: 0234 / 33 33 55 21<br />
e-Mail: ttilch@bochum.de<br />
Kaufmännischer Direktor<br />
Rolf D. Suhl<br />
Persönliche referentin: Anne Rockenfeller<br />
tel.: 0234 / 33 33 55 30<br />
fax: 0234 / 33 33 55 21<br />
e-Mail: arockenfeller@bochum.de<br />
KOntAKt<br />
140<br />
Kommunikation<br />
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit:<br />
Christine Hoenmanns<br />
tel.: 0234 / 33 33 55 23<br />
fax: 0234 / 33 33 54 37<br />
e-Mail: choenmanns@bochum.de<br />
Marketing und Öffentlichkeitsarbeit:<br />
Janna Balke<br />
tel.: 0234 / 33 33 54 35<br />
fax: 0234 / 33 33 54 37<br />
e-Mail: jbalke@bochum.de<br />
Dramaturgie<br />
Assistenz: Sascha Kölzow<br />
tel.: 0234 / 33 33 54 38<br />
fax: 0234 / 33 33 55 19<br />
e-Mail: schauspielhaus@bochum.de<br />
Junges <strong>Schauspielhaus</strong><br />
Martina van Boxen, Sandra Anklam<br />
tel.: 0234 / 33 33 -54 28 oder -55 28<br />
fax: 0234 / 33 33 54 24<br />
e-Mail: jungesschauspielhaus@bochum.de
DAS JUNGE<br />
OPERNHAUS<br />
IM REVIER
www.boropa.de<br />
Willkommen in<br />
Weltexperimen
der<br />
tiermaschine
IMpRESSUM<br />
IMpRESSUM<br />
Herausgeber:<br />
<strong>Schauspielhaus</strong> <strong>Bochum</strong> AöR<br />
Intendant:<br />
Anselm Weber<br />
KaufmännIscHer dIreKtor:<br />
Rolf D. Suhl<br />
redaKtIon:<br />
Thomas Laue (verantwortlich), Anna Haas, Sascha Kölzow,<br />
Olaf Kröck, Sabine Reich (Dramaturgie <strong>Schauspielhaus</strong><br />
<strong>Bochum</strong>); Janna Balke, Christine Hoenmanns (Kommunikation<br />
<strong>Schauspielhaus</strong> <strong>Bochum</strong>)<br />
autoren:<br />
David Bösch, Nuran David Calis, Mustapha Cherif, Ranjit<br />
Hoskote, Roman Pawłowski, Sahika Tekand, Roger Vontobel,<br />
Dries Verhoeven, Arnd Wesemann<br />
fotos und IllustratIonen:<br />
siehe rechts<br />
WeItere fotos:<br />
David Bösch, Leonie Droste, Emanuel Hauptmann, Harald<br />
Hoffmann, Zhang Huan, Andrea Huber, Birgit Hupfeld,<br />
Rainer Kzonsek, Jannes Linders, Catrin Mackowski,<br />
Martin Steffen, Stefania Tosi<br />
redaKtIonsadresse:<br />
<strong>Schauspielhaus</strong> <strong>Bochum</strong>, Kommunikation,<br />
Königsallee 15, 44789 <strong>Bochum</strong>; www.boropa.de<br />
anzeIgen:<br />
Rolf D. Suhl, Janna Balke (jbalke@bochum.de,<br />
Tel.: 0234 / 33 33 54 35)<br />
desIgn:<br />
Scheer Werbeagentur, www.scheer.tv<br />
creatIVe dIrector:<br />
Stefan Scheer<br />
layout:<br />
Svenja Blasberg, Christian Frenssen, Mycha Schekalla<br />
lItHografIe:<br />
purpur<br />
Wolfgang Herrig e. K.<br />
drucK:<br />
NEEF + STUMME premium printing GmbH & Co. KG<br />
ausgabe 1<br />
auflage 30.000<br />
erscHeInungstermIn:<br />
21. Mai <strong>2010</strong><br />
redaKtIonsscHluss:<br />
12. April <strong>2010</strong><br />
Spielplanänderungen vorbehalten<br />
144<br />
fotografen, grafIKer und<br />
Illustratoren dIeser ausgabe:<br />
svenja blasberg<br />
glaubt wirklich daran, dass die Welt mit<br />
gutem Magazindesign ein besserer Ort<br />
werden kann.<br />
lars Hillen<br />
fotografiert schöne Menschen und macht<br />
aus ihnen Ikonen einer längst vergessenen<br />
Zukunft.<br />
annika Kep<br />
zeichnet mit liebevoller Feder die unerhörtesten<br />
Dinge (die man leider nicht überall<br />
abdrucken kann).<br />
diana Küster<br />
ist Fotografin, macht neben Theaterfotografie<br />
auch Stand-, Dokumentar-, und Porträtfotografie.<br />
Philipp lemm<br />
war in einem früheren Leben Tätowierer.<br />
Heute ist er Illustrator. Und in seinem<br />
nächsten Leben wird er Tierschützer.<br />
christian rolfes<br />
hat sehr selten schlechte Laune. Das überträgt<br />
sich auf seine Models, Bilder und<br />
schließlich deren Betrachter.<br />
mycha schekalla<br />
fotografiert mit den seltsamsten Kameras<br />
der Welt. Und wenn das nicht reicht, baut<br />
er sie auch selbst.<br />
ugur taskin<br />
kommt aus Essen und befasst sich in seinen<br />
Arbeiten unter anderem mit visueller Kultur.<br />
Harry Weber<br />
ist Fotograf und leidenschaftlicher <strong>Bochum</strong>er<br />
auf geheimer Mission in Berlin.<br />
thomas Wellmann<br />
zeichnet einen Strich und versetzt die Welt<br />
ins Staunen.<br />
nils-Hendrik zündorf<br />
fotografiert Orte so, wie Andere Menschen<br />
fotografieren und andersrum.
www.<strong>Boropa</strong>.dE