BlickWinkel - GeWoBa
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Architek-Tour<br />
Foto: Sobotta-Photo, fotolia<br />
Der blanke Hans<br />
muss draußen bleiben<br />
Katastrophale Sturmfluten bedrohen die Nordsee-Küste schon<br />
seit Menschengedenken und bringen große Verluste an Land<br />
und mitunter auch Leben mit sich. Mit dem Bau von immer<br />
besser werdenden Deichen lernten die Anwohner im Laufe<br />
der Jahrhunderte, die Küstenlinie zu sichern und die Naturgewalten<br />
einigermaßen im Zaum zu halten. Ein anderes Problem<br />
stellten ins Meer mündende Flüsse dar, durch die die Fluten<br />
weiterhin ins Landesinnere vordringen konnten. Also mussten<br />
auch hier die Ufer auf vielen Kilometern eingedeicht und gepflegt<br />
werden. An der Eider entschied man sich aber ab den<br />
1950er-Jahren, einen anderen Weg zu gehen.<br />
Praktische Abkürzung<br />
Statt die veralteten 60 Kilometer Deichlinie, die die Eiderufer<br />
eingrenzten, noch weiterhin aufwändig zu modernisieren und in<br />
Schuss zu halten, wollte man den Fluten einen überdimensionalen<br />
Riegel vorschieben, der schon an der Mündung dafür sorgen<br />
sollte, dass der Wasserpegel im Inland nicht zu sehr ansteigt: das<br />
Eidersperrwerk. Oder genauer gesagt: die Eiderabdämmung.<br />
Die Planungen für dieses Mammut-Projekt begannen schon 1957,<br />
als man zunächst Vorschläge sammelte, an welcher Stelle und auf<br />
welche Art man es durchführen könnte. Letzten Endes entschied<br />
man sich für die Variante „Hundeknöll-Vollerwiek“; zwischen<br />
diesen beiden Orten sollte es entstehen. Die Entwürfe und Modellversuche<br />
nahmen noch einmal einige Zeit in Anspruch, denn<br />
schließlich sollte dieses Bollwerk ja auch einer extremen Flut<br />
trotzen können.<br />
Das Eidersperrwerk bei Tönning<br />
Harter Kampf<br />
1967 konnten die Bauarbeiten schließlich beginnen. 48.000 m 3<br />
Beton, 7.000 m 3 Spannbeton, 6.000 t Beton- und Spannstahl,<br />
15.800 lfd. m Stahlpfähle, 18.000 m 2 Spundwände und 95.000 t<br />
Felsbruchstein wurden benötigt, um das Projekt zu verwirklichen.<br />
Die Arbeiten erwiesen sich alles andere als einfach, denn die kräftigen<br />
Fluss- und Tidenströmungen in der Mündung erschwerten<br />
jeden Schritt. Bei jeder Tide fließen rund 30 Millionen Kubikmeter<br />
Wasser durch die Sieltore des Sperrwerks. So stiegen dann auch<br />
die Kosten immer weiter an und summierten sich schließlich auf<br />
über 170 Millionen D-Mark.<br />
1973 konnte die Eiderabdämmung fertig<br />
gestellt werden und ihren regelnden<br />
Betrieb aufnehmen. Bald schon<br />
zeigten sich aber erste Probleme, mit<br />
denen so niemand gerechnet hatte:<br />
Die neuen Strömungsverhältnisse gruben<br />
ein 30 Meter tiefes Loch direkt vor<br />
der Anlage, das in den 80er-Jahren mit<br />
20.000 Sandsäcken aufgefüllt werden<br />
musste. Diese Auskolkungen (strömungsbedingte<br />
Auswaschungen) sind<br />
hier auch heute noch ein großes Problem,<br />
das ständig mit kostspieligen<br />
Maßnahmen überwacht und behoben<br />
werden muss.<br />
Gesamt-Bauwerk<br />
Genau genommen besteht die Eiderabdämmung<br />
aus mehreren Bauwerken,<br />
die zusammenarbeiten. Ein Teil<br />
davon ist der Eiderdamm, geteilt in<br />
einen nördlichen und einen südlichen<br />
Abschnitt. Dort stellt er die lückenlose<br />
Anbindung des Sperrwerkes zum<br />
Deichsystem der Nordsee her. Denn<br />
was nützt eine Flutsperre in der Eidermündung,<br />
wenn das Wasser einfach an<br />
den Seiten vorbeischwappen kann?!<br />
Der zentrale und für den Betrachter<br />
auch augenfälligste Teil ist das<br />
Sielbauwerk, durch das heute die<br />
Wassermassen von Eider und<br />
Nordsee fließen oder eben<br />
auch abgeschottet werden.<br />
Der massive Betonbau hat<br />
fünf Öffnungen mit 40 Metern Durchflussweite<br />
und jeweils zwei Toren:<br />
eines zur Seeseite und eines zur Flussseite.<br />
Jedes Tor hat eine Staufläche<br />
von 400 m 2 und ist 250 t schwer. Sie<br />
werden ölhydraulisch mit einer Geschwindigkeit<br />
bis zu 0,66 Metern pro<br />
Minute bewegt.<br />
Auch die Sohle des Siels musste besonders<br />
massiv befestigt werden, um<br />
Strömungsabtragungen zu vermeiden.<br />
Zwischen den Tor-Reihen befindet sich<br />
ein Autotunnel, so dass das Sielbauwerk<br />
gleichzeitig auch als Eiderquerung<br />
dient. Für den Schiffsverkehr<br />
wurde nördlich des Siels zusätzlich<br />
eine Schleuse gebaut.<br />
In beide Richtungen<br />
Das Eidersperrwerk dient nicht nur<br />
zum Schutz, sondern auch zur gezielten<br />
Entwässerung des Binnenlandes,<br />
denn die Eider behält trotz der<br />
auflaufenden Flut – bei geschlossenen<br />
Sieltoren – ihr Fließgefälle vom Inland zur<br />
Küste. Überflüssiges Wasser aus dem Binnenland<br />
(z.B. durch Regenfälle) kann dadurch bis<br />
zum geschlossenen Sperrwerk vorfließen. Bei der<br />
nächsten Ebbe werden die Sieltore wieder geöffnet<br />
und das Wasser fließt in die Nordsee ab.<br />
Obwohl das Sperrwerk mit seiner Funktion merklich<br />
und teilweise auch nachteilig ins Öko-System<br />
der Region eingreift, überwiegen die positiven<br />
Aspekte, denn es hat bisher bei über 60 zum Teil<br />
sehr schweren Sturmfluten seine Fähigkeiten unter<br />
Beweis gestellt.<br />
12 GEWOBA Nord · <strong>BlickWinkel</strong> · April 2010 GEWOBA Nord · <strong>BlickWinkel</strong> · April 2010 13<br />
Architek-Tour<br />
Foto: Eidersperrwerk