BlickWinkel - GeWoBa
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Geschichte und Kultur<br />
Auf den Spuren des<br />
Das Theodor-Storm-Museum<br />
in Husum zeigt viele<br />
Facetten des Dichters.<br />
Foto oben:<br />
Das »Poetenstübchen«.<br />
Rechte Seite:<br />
Das Museum in der Wasserreihe.<br />
Die Theoror-Storm-Büste am<br />
Husumer Schloss.<br />
22 GEWOBA Nord · <strong>BlickWinkel</strong> · April 2010<br />
Schimmelreiters<br />
So mancher Künstler steht im Schatten eines einziges Werks – unabhängig davon,<br />
wie umfassend sein tatsächliches Oeuvre ist. Wer etwa an den spanischen<br />
Dichter Cervantes denkt, hat unwillkürlich den armen, stolzen Ritter Don Quichotte<br />
vor Augen. Und im Fall von Arthur Conan Doyle fühlt man sich natürlich<br />
sofort an die Figur des Sherlock Holmes erinnert. Ähnlich verhält es sich bei Theodor<br />
Storm: Sein »Schimmelreiter« Hauke Haien ist längst über eine literarische<br />
Figur hinausgewachsen und kann als eine Art friesisches Nationalheiligtum<br />
angesehen werden. So ehrenvoll dies für seinen Schöpfer auch ist, so überdeckt<br />
dieser Ruhm nicht nur das übrige Schaffen Storms – er rückt den Schriftsteller<br />
auch zu sehr in die Nähe eines Heimatdichters.<br />
Im Herzen ein Revolutionär<br />
Wer sich ein genaues Bild vom bedeutenden Lyriker und Novellisten Theodor<br />
Storm (1817 – 1888) machen will, kommt um einen Besuch des gleichnamigen<br />
Museums in Husum kaum herum. Das Giebelhaus, in dem der Literat mit seiner<br />
Familie 14 Jahre lang selbst gewohnt hat, versammelt eine Vielzahl an Dokumenten,<br />
Handschriften, Utensilien und historischen Möbelstücken, die einen<br />
differenzierten Einblick in das Leben und Wirken des Künstlers geben.<br />
Zunächst aber lohnt ein Blick auf die gesellschaftlichen Umwälzungen, die<br />
Deutschland Anfang bis Mitte des 19. Jahrhunderts erschüttert haben. Storm<br />
wächst in einer konfliktbeladenen Zeit heran: auf der einen Seite die Anhänger<br />
der Monarchie, die nach Napoleons endgültiger Niederlage die alten Hierarchien<br />
in Deutschland wiederherstellen wollen; auf der anderen Seite ein Bürgertum,<br />
das sich zunehmend seiner Bedeutung und somit auch seiner Rechte bewusst<br />
wird und entsprechend an der Gestaltung Deutschlands partizipieren will.<br />
Foto: Storm-Archiv<br />
Foto: D. Haack, Tourismus und Stadtmarketing Husum GmbH<br />
Storms Herz schlägt für die »Bewegung«, die sich der verkrusteten Strukturen<br />
entledigen möchte. Als er sein heimatliches Friesland durch die dänische Krone<br />
bedroht sieht, macht er sich für die Unabhängigkeit Schleswigs stark – eine<br />
Überzeugung, die er mit beruflichen Einschränkungen bezahlen muss. Und als<br />
Angestellter des Kreisgerichts in Potsdam, wohin er 1853 berufen wird, reibt<br />
sich der bekennende Republikaner sehr am konservativen Umfeld.<br />
Storm fast hautnah<br />
Im Storm-Museum findet der Besucher reichlich Gelegenheit, dem Schriftsteller<br />
näher zu kommen. Als Einstimmung ein Gang in das Poetenstübchen, in dem<br />
Storm unter anderem den »Pole Poppenspäler« geschrieben hat. Hier wie auch<br />
in den angrenzenden Räumen findet der Gast dieselben Möbel vor, mit denen<br />
sich bereits der Literat umgeben hat.<br />
Im Rahmen der Dauerausstellung »Theodor Storm – Leben und Werk« präsentiert<br />
das Museum zahlreiche Objekte, die das Storm-Archiv in den letzten 50<br />
Jahren zusammengetragen hat und die nun erstmalig der Öffentlichkeit vorgestellt<br />
werden. Anders als bei früheren Ausstellungen konnte auf Leihgaben der<br />
Landesbibliothek Kiel und anderer Archive weitgehend verzichtet werden.<br />
Trotz des misslichen Umstands, dass die zweite Lebenshälfte von Storm deutlich<br />
besser dokumentiert ist als die früheren Jahre, liefern die rund 150 Gegenstände<br />
und Bilder einen differenzierten Querschnitt durch die Vita des Schriftstellers.<br />
Insgesamt acht Vitrinen repräsentieren acht Lebensabschnitte des Dichters. Sie<br />
enthalten neben Fotografien auch Bücher, Handschriften und Gebrauchsgegenstände,<br />
zu denen auch das silberne Tintenfass zählt, das Storm bei der Niederschrift<br />
des »Schimmelreiter« benutzt hat.<br />
Die Geburt des Hauke Haien<br />
Wer an Hintergründen zur Entstehung des berühmtesten Werks von Storm interessiert<br />
ist, wird die Ausstellung »Der Schimmelreiter« zu schätzen wissen. Sie<br />
zeigt bemerkenswerte Exponate rund um das Alterswerk, wobei eine Entwurfshandschrift<br />
zu den Perlen der Sammlung zu rechnen ist.<br />
Beinahe 50 Jahre müssen vergehen, ehe der bereits betagte Schriftsteller sich<br />
an die Umsetzung einer Idee macht, zu der er als junger Mann 1838 durch eine<br />
Erzählung inspiriert wird. Die Geschichte thematisiert das Schicksal eines Deichgeschworenen,<br />
der bei einem Dammbruch zu Tode kommt und fortan als reitendes<br />
Gespenst vor drohenden Gefahren warnt. Die Figur des Hauke Haien stellt<br />
diese Episode in einen großen, literarischen Rahmen mit enormer Symbolkraft.<br />
Theodor-Storm-Museum<br />
Geschichte und Kultur<br />
Wasserreihe 31<br />
25813 Husum<br />
Sommer-Öffnungszeiten:<br />
Di – Fr 10 – 17 Uhr<br />
Sa 11 – 17 Uhr, So und Mo 14 – 17 Uhr<br />
Wer an noch genaueren Studien zu Leben und<br />
Werk von Theodor Storm interessiert ist, sollte das<br />
Storm-Archiv aufsuchen – es schließt sich direkt<br />
an den Garten zum Museum an. Das Archiv enthält<br />
wertvolle Handschriften, die Entwürfe, Manuskripte<br />
sowie Briefe und Familienpapiere umfassen.<br />
Des Weiteren befindet sich dort eine 6.000 Bände<br />
umfassende Bibliothek, die sämtliche Veröffentlichungen<br />
von und über Storm integriert. Abgerundet<br />
wird die beeindruckende Sammlung von rund 10.000<br />
Fotografien und 6.000 Dias sowie einer Mediathek<br />
und Kunstsammlung.<br />
GEWOBA Nord · <strong>BlickWinkel</strong> · April 2010 23