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75 Jahre Quäkerhaus in Bad Pyrmont - Quäker-Hilfe

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sich zuerst als „Freunde des Quäkertums“5,benannten sich 1924 <strong>in</strong> Kassel <strong>in</strong>„Bund der deutschen Freunde“6 um undgründeten 1925 <strong>in</strong> Eisenach7 unsere heutige<strong>Jahre</strong>sversammlung. Die Motive dafürwaren vielfältig. E<strong>in</strong>ige me<strong>in</strong>ten, manbrauche e<strong>in</strong>en Zusammenschluss,um dasGeme<strong>in</strong>schaftslebenzu pflegen und leichtergefunden werdenzu können. Traugottvon Stackelberg setztdagegen, man braucheke<strong>in</strong>e deutscheGesellschaft, ebensowenigwie man e<strong>in</strong>eenglische oder amerikanischebrauche. Essolle nur e<strong>in</strong>e Gesellschaftfür die ganzeWelt geben8. ProfessorSchulze-Gaevernitzaus M<strong>in</strong>den vertratdie Ansicht: „Esgeht den Quäkernnicht um e<strong>in</strong>e große Geme<strong>in</strong>de; sie werbennicht für sich, sondern für ihre Idee:Sie möchten der Welt bessere Katholikenund bessere Protestanten geben.“9Da es noch ke<strong>in</strong> Quäkerhaus gab, fandenweitere <strong>Jahre</strong>sversammlungen 1926<strong>in</strong> Hamburg, 1927 <strong>in</strong> Magdeburg, 1928 <strong>in</strong>Bückeburg, 1929 <strong>in</strong> Coburg, 1930 <strong>in</strong> Wernigerodeund 1931 <strong>in</strong> Hellerau statt.Von der <strong>Jahre</strong>sversammlung 1928 <strong>in</strong>Bückeburg aus fuhren zwei Busse „mitamerikanischen Jungquäkern und 30anderen Freunden nach <strong>Pyrmont</strong>, wo siedas frühere Andachtshaus der Quäkerund den dortigen Friedhof besuchten.“10Es sei nur e<strong>in</strong> flüchtigerBesuch gewesen,me<strong>in</strong>te der damaligeSchreiber der<strong>Jahre</strong>sversammlung,Hans Albrecht, zehn<strong>Jahre</strong> später, aber erund Joan Mary Fry„versuchten, e<strong>in</strong>erplötzlichen E<strong>in</strong>gebungfolgend, festzustellen,was es mitdem alten Hause aufsich habe und obe<strong>in</strong>e Rückkaufmöglichkeitbestünde. Inden zwei Stunden, diedafür zur Verfügungstanden, wandertensie durch die Straßender Stadt, von Tür zu Tür, von Amtsstubezu Amtsstube, ja sie fuhren sogar nachFriedensthal, um volle Klarheit zu bekommen.Die Folge war e<strong>in</strong> Briefwechselmit dem Eigentümer des Hauses undGrundstücks. Das Endergebnis: „Lassetalle Hoffnung fahren!“ Vier <strong>Jahre</strong> später,im April 1932, erfuhr Emma Raeydt, die„letzte Überlebende der Friedensthal5 „ Antwort auf den Aufruf der Gesellschaft der Freunde (Quäker ) <strong>in</strong> London.“ MITTEILUNGEN September 19236 „Botschaft der Wilhelmhöher Versammlung der deutschen Freunde des Quäkertums“, MITTEILUNGEN Sept. 1923 Seite 737 Protokoll der Versammlung der deutschen Mitglieder der Gesellschaft der Freunde 1925, MITTEILUNGEN Aug. 1925, Seite 113 f8 MITTEILUNGEN März/April 1925, Seite 499 MONATSHEFTE DER DEUTSCHEN FREUNDE, September 1928, Seite 21910 DER QUÄKER, September 1938, Seite 282, Hans Albrecht: „Vor zehn <strong>Jahre</strong>n“Freunde“, wie Brendy Bailey <strong>in</strong> ihremBuch schreibt11, dass das Haus auf Abbruchverkauft worden sei. Die Nonnenwollten es los werden, um ihren Gartenzu erweitern. Emma kaufte dem Käuferspontan das Material für 300 RM wiederab. „Hätte sie das nicht getan, so stündees jetzt als alte Scheune irgendwoauf dem Felde.“12 Haus und Grundstück,heißt es 1932 <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Artikel, hattenzuletzt dem benachbarten katholischenStift gehört.Pläne für e<strong>in</strong>eNeuerrichtung des QuäkerhausesIm Juli 1932 erschien im QUÄKER e<strong>in</strong> Artikelunter der Überschrift „Brauchen wir <strong>in</strong>Deutschland e<strong>in</strong> Versammlungshaus?“13.Der Verfasser (H.L.) me<strong>in</strong>te, „die Not derZeit“ – <strong>in</strong>folge der Weltwirtschaftskrisehatte die Arbeitslosigkeit <strong>in</strong> dem Jahr mitüber 6 Millionen ihren höchsten Standerreicht - „ist groß und wächst täglichmehr... Ist es da nötig, <strong>in</strong> solcher Zeit desMangels Häuser zu bauen... ist es richtig,Geld auszugeben für Ste<strong>in</strong>e, anstatt fürBrot, Geld zu verbrauchen für e<strong>in</strong> totesHaus, statt für den lebenden Menschen?“Er setzte dem entgegen: „Wir brauchene<strong>in</strong> Heim, <strong>in</strong> dem wir vor allen D<strong>in</strong>gen unsselbst gegenseitig immer mehr kennenlernen können... Die größte Not der Zeitliegt nicht im Mangel an äußeren D<strong>in</strong>gen,sondern <strong>in</strong> der absoluten seelischen Verirrungund Vere<strong>in</strong>samung. Die Menschensehnen sich, oft ganz unbewusst, heutemehr den je, nach e<strong>in</strong>er Kraft, die ihnen11 Brendy Bailey: A Quaker Couple <strong>in</strong> Nazi Germany, 1994, Seite 30 f12 Hans Albrecht „Vor zehn <strong>Jahre</strong>n“, DER QUÄKER, September 1938, Seite 28213 DER QUÄKER, Juli 1932, S. 178, „Brauchen wir <strong>in</strong> Deutschland e<strong>in</strong> Versammlungshaus?“14 Dok. MS, vgl. Archiv: Beglaubigte Abschrift des Vertrages vom 22. Oktober 1932Halt gibt... Wenn alle Freunde mehr undmehr auch zu dieser E<strong>in</strong>sicht kommen,dass wir e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same Arbeitsstättegeistiger Schulung, e<strong>in</strong> Heim seelischerErneuerung brauchen, dann werden sieden Bau auch <strong>in</strong> der heutigen Zeit nichtnur verstehen, sondern sich auch für ihne<strong>in</strong>setzen... So kann das Geld, für e<strong>in</strong>entoten Bau ausgegeben, gewiss zu derlebendigsten Kraft, die uns heute imKampf mit dem Leben nötig ist, nämlichzum geistigen Rüstzeug werden.“Am 3. September 1932 unterzeichneteHans Albrecht für den Treuhändervere<strong>in</strong><strong>in</strong> Hannover e<strong>in</strong>en Erbbauvertrag, <strong>in</strong>dem steht, dass der nicht bebaute Teildes Grundstücks mit Hecken, Bäumenund Sträuchern parkartig unterhaltenwerden solle, da „später das gesamteGrundstück dem Kurpark angegliedertwerden muss“. Er solle auch dem Kurverkehrunbeschränkt zur Verfügungstehen. Im § 4 des Vertrages heißt es:„Der Erbbauberechtigte hat die auf demGrundstück errichteten und noch zuerrichtenden Bauwerke und Anlagen aufse<strong>in</strong>e Kosten <strong>in</strong> ordnungsgemässem Zustandzu erhalten.“144<strong>75</strong> <strong>Jahre</strong> Quäkerhaus <strong>Bad</strong> <strong>Pyrmont</strong>, Juli 2008<strong>75</strong> <strong>Jahre</strong> Quäkerhaus <strong>Bad</strong> <strong>Pyrmont</strong>, Juli 20085


Der Arbeitsausschuss beschließtAnfang April 1932, das 1500 qm großeEckgrundstück neben dem Friedhof zupachten. Im Protokoll heißt es, das Haussolle <strong>in</strong> der alten Form mit dem altenMaterial „unter H<strong>in</strong>zufügung der nötigenRäumlichkeiten, auch Küche undEsssaal im Kellergeschoss, neu errichtetwerden. Der Versammlungsraum solle300 Personen Platz bieten, um dort die<strong>Jahre</strong>sversammlungen abzuhalten. DieWiederbenutzung ist für das äußere und<strong>in</strong>nere Wachstum der Deutschen <strong>Jahre</strong>sversammlungvon großerBedeutung ... weil wir hier andie alte Geschichte der deutschenQuäkertradition anknüpfenund hierdurch e<strong>in</strong>wirkliches Zentrum und e<strong>in</strong>eHeimat für unsere Bewegunggeschaffen wird. DasHaus soll e<strong>in</strong> Mittelpunkt fürviele verwandte Bewegungenwerden und wird somit zu der Ausbreitungunserer Botschaft <strong>in</strong> Deutschlandwesentlich beitragen“15.Als „Entschädigung für den Rücktrittan e<strong>in</strong>em Gartenpachtvertrag“16 besche<strong>in</strong>igtder Besitzer des Grundstücks, PaulHoffmann, Anfang Mai 1932 den Erhaltvon <strong>75</strong> Reichsmark.Während der <strong>Jahre</strong>sversammlung imAugust 1932, die im Kurhaus abgehaltenwurde, fand das Richtfest statt. Insgesamt200 Freunde aus zwölf Nationenwaren anwesend. Die Richtkrone trugdie Fahnen aller Länder, ausdenen Freunde anwesendwaren. Das sei „der Beweisfür die geistige E<strong>in</strong>heit desgesamten Quäkertums undmacht das Haus schon <strong>in</strong>se<strong>in</strong>em Entstehen zu e<strong>in</strong>em<strong>in</strong>ternationalen Mittelpunktunserer Arbeit.17„Das Haus sieht aus, als obes neu wäre. Aber es ist dasalte Haus, nur e<strong>in</strong> wenig unsernheutigen Bedürfnissenangepasst. Se<strong>in</strong>e Abmessungens<strong>in</strong>d unverändert.In den Wänden stecken die alten Balken;wer auf den Boden geht, sieht das alteGebälk. Die Raume<strong>in</strong>teilung des Hauptgeschossesist dieselbe. Der große Raumist unverändert. Es s<strong>in</strong>d die alten Ziegel,die das Dach decken.“18Wie wurde der Bau f<strong>in</strong>anziert? AusEngland kamen 1933 und 1934 Spenden<strong>in</strong> Höhe von 23 000 Reichsmark (RM), ausden USA rund 1 000 RM, aus Deutschland2 500 RM. Kle<strong>in</strong>ere Spenden kamen ausder Schweiz, Norwegen und Paläst<strong>in</strong>a.Die E<strong>in</strong>nahmen betrugen 1932 bis 1934<strong>in</strong>sgesamt 46 330 RM, denen Ausgabenfür Bau, E<strong>in</strong>richtung u. s. w. <strong>in</strong> Höhe von45 443 RM gegenüber standen.19Als das Haus im Sommer 1933 e<strong>in</strong>geweihtwird, fehlen die „französischenFreunde, die ihre unermüdliche Hilfsarbeitfür die Flüchtl<strong>in</strong>ge am Kommenh<strong>in</strong>dert“, schreibt der QUÄKER.20 Vielleichtwaren dieses bereits Menschen,die vor dem NS-Regime geflohen waren.Leonhard und Mary Friedrich zogen 1933eilends nach <strong>Pyrmont</strong> als deutlich wurde,dass die Hitlerjugend das Gebäudefür eigene Zwecke nutzen wollte, undübernahmen die Betreuung des Hauses,kurz bevor im nun neuen Quäkerhaus dieerste <strong>Jahre</strong>sversammlung mit 150 Teilnehmendenanf<strong>in</strong>g. 21E<strong>in</strong> längerer Artikel im QUÄKER vonAnfang 1934 zeigt vier Abbildungen, dieauch als Postkarten erhältlich gewesense<strong>in</strong> sollen. „In diesem Jahr haben wirzum ersten Mal Küche und Essraum <strong>in</strong>15 Dok.MS (vgl.Archiv) - 16 Siehe Abbildung Seite... - 17 Dok.MS (vgl.Archiv)18 DER QUÄKER 1939, Seite 281 ff, Hans Albrecht: „Vor zehn <strong>Jahre</strong>n“.19 Dok. MS (vgl. Archiv) Versammlungshaus <strong>Pyrmont</strong>, 31. Dezember 193420 DER QUÄKER Sept. /Okt. 1933, Seite 227 - 21 Brendy Bailey a. a. O., Seite 54 - 21 Brendy Bailey a.a.O. Seite 546<strong>75</strong> <strong>Jahre</strong> Quäkerhaus <strong>Bad</strong> <strong>Pyrmont</strong>, Juli 2008<strong>75</strong> <strong>Jahre</strong> Quäkerhaus <strong>Bad</strong> <strong>Pyrmont</strong>, Juli 20087


22 DER QUÄKER, Sept./Okt. 1934, Seite 251 - 23 Brenda Bailey a. a. O., Seite 54 - 24 Dok.MS, Archiv25 Dok. MS (vgl. Archiv) Kostenanschlag 22. April 19408<strong>75</strong> <strong>Jahre</strong> Quäkerhaus <strong>Bad</strong> <strong>Pyrmont</strong>, Juli 2008unserem Hause für die Nebenmahlzeiten<strong>in</strong> Benutzung genommen, obwohl<strong>in</strong> der Küche nur erst e<strong>in</strong> alter kle<strong>in</strong>erGasherd steht und <strong>in</strong> dem Essraum nochder Fußboden und sonst noch viele E<strong>in</strong>richtungsgegenständefehlen. Das Hausist dadurch wirklich unser Haus geworden.“221935 wurde das zehnjährige Bestehender Deutschen <strong>Jahre</strong>sversammlung mit220 Teilnehmern aus dem In- und Auslandgefeiert. Nie zuvor hattensich hier so viele Freundeversammelt.23Das Quäkerhausim Weltkrieg1940 wurde als erste baulicheVeränderung e<strong>in</strong> Kohlenkellerangefügt24. Nachdemim Mai 1942 LeonhardFriedrich <strong>in</strong> das KZ Buchenwaldgebracht worden war,durchsuchte die Gestapo dasHaus und versiegelte es. Am nächstenTag kam die Polizei, um Mary Friedrichanzuklagen, die Verdunklungsvorschriftenverletzt zu haben. Die Gestapo hattenach der Durchsuchung des Hauses vergessen,das Licht auszumachen!Die folgenden Andachten wurden imHaus von Helene Glauner abgehalten.Insgesamt siebenmal durchsuchte <strong>in</strong>dem Jahr die Gestapo das Quäkerhaussowie das Haus der Friedrichs, unzähligeMale später erneut.Im März 1943 requiriertedie Gestapo dann tatsächlichdas Quäkerhaus für dieHitler-Jugend.E<strong>in</strong>e Akte lässt <strong>in</strong> Mosaikste<strong>in</strong>endie Vorgänge der<strong>Jahre</strong> 1943 bis 1945 erkennen.25Der Landrat Seebohmschreibt Ende März 1943,dem Antrag auf Beisetzungvon zwei Urnen von verstorbenenFrankfurtern auf demQuäkerfriedhof <strong>in</strong> <strong>Pyrmont</strong>könne nicht stattgegebenwerden, dadieser von der Gestapobeschlagnahmtworden sei. Es könnedaher nicht im S<strong>in</strong>neder Angehörigense<strong>in</strong>, dass die Verstorbenendort beerdigtwürden.Bereits Mitte April1943 ist davondie Rede, dass dasQuäkerhaus an die Sicherheitspolizeizur Abhaltung von Lehrgängen vermietetwerden sollte. Die Hitler-Jugendsei nicht mehr im Hause, da sich „dieJungens <strong>in</strong> dem Hause doch nicht soverhalten haben, wie man es erwartenkonnte.“ Mary Friedrich schrieb wiederholt<strong>in</strong> ihr Tagebuch, dass Fensterscheibendes Hauses zerstört worden seien.Als sie mit Hans Albrecht und e<strong>in</strong>emRechtsanwalt das Quäkerhaus <strong>in</strong>spizierte,fand er dieses <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em schrecklichenZustand. Den Garten desQuäkerhauses betreute sie durchgehendweiterh<strong>in</strong>, erlebte aber ständig neuenVandalismus im Haus und im Garten.Anfang Mai 1944 schreibt Hans Albrecht,dass das Haus zu Schulungskursenfür Fürsorger<strong>in</strong>nen verwendet werdensolle. Zwei Monate später fragt er se<strong>in</strong>enNotar, wer für „den nicht unerheblichenSchaden an unserm Hause“ ersatzpflichtigsei. Das Haus solle dem Roten Kreuzübergeben werden. Dazu sei es notwendig,den bis dah<strong>in</strong> entstandenenSchaden festzustellen, da das Haus unterDenkmalschutz stehe..Anfang August wird gefordert,„den dauernden Beschädigungen amQuäkerhaus entgegen zu wirken.“ DerHitler-Jugend wurde der Zutritt zumGelände verboten. Die beiden unterenZimmer sollten zum Schutz des Hausesvon e<strong>in</strong>em älteren Ehepaar aus Hannover,das dort ausgebombt worden war,bewohnt werden. Hans Albrecht berichtetedem Bürgermeister, dass das Haus„von den verschiedensten Gruppen zuallen möglichen Zwecken benutzt“ wordensei. Es sei aber nicht beschlagnahmt,sondern nur ‚sichergestellt‘ worden. Erverlangte Klarheit, wer über die Benutzungdes Hauses verfüge.Im Oktober 1944 sollte das Haus „alsHilfskrankenhaus und die Küchene<strong>in</strong>richtungfür Zwecke der Geme<strong>in</strong>schaftsverpflegungverwandt werden - „vom1. November 1944 bis Kriegsende,“ wiees im Mietvertrag heißt.Anfang Januar 1945 heißt es, das Haussei der „Volkswohlfahrt für die Unterbr<strong>in</strong>gungvon Kranken und Siechen bis aufweiteres zugewiesen“ worden. Im März,berichtet Mary Friedrich, kamen zweiBusse mit 90 Menschen, viele von ihnentaub und bl<strong>in</strong>d. Ke<strong>in</strong>erlei Vorbereitungen<strong>75</strong> <strong>Jahre</strong> Quäkerhaus <strong>Bad</strong> <strong>Pyrmont</strong>, Juli 20089


waren getroffen worden. Es gab ke<strong>in</strong> Gas,ke<strong>in</strong> Licht, das Wasser war abgeschaltetund so konnten die Toiletten nichtbenutzt werden.26 Mary trug viele EimerTr<strong>in</strong>kwasser von ihrem Haus zumQuäkerhaus und half den alten Menschen,ihre Notdurft im Garten zu verrichten.Nach e<strong>in</strong>igen Tagen waren nurnoch 28 Gäste im Haus. Zu den Schäden,deren Erstattung beantragt worden war,auch zur Beschlagnahmung von Privateigentum,schreibt die Gestapo AnfangMärz, dass „die Vorgänge <strong>in</strong> der AngelegenheitLeonhard Friedrich <strong>in</strong> Hannoverdurch Fe<strong>in</strong>de<strong>in</strong>wirkung vernichtet worden“seien.Das Quäkerhaus nach dem WeltkriegIm Rathaus war man kurz vor dem E<strong>in</strong>treffender Amerikaner unentschlossen,was geschehen sollte. Die SS wollte nichtaufgeben, der oberste Arzt der Stadt,Dr. Glaser, setzte sich für Übergabe derStadt e<strong>in</strong>, um diese zur Lazarett-Zonezu machen. Schließlich fand <strong>in</strong> letzterM<strong>in</strong>ute e<strong>in</strong> Obergefreier am 5. April denMut und fuhr mit se<strong>in</strong>em Fahrrad denAmerikanern mit e<strong>in</strong>er weißen Flaggeentgegen und rief „We surrender“.Wenige M<strong>in</strong>uten später erreichten dieAmerikaner den Brunnenplatz und wurdendort von Dr. Glaser empfangen.E<strong>in</strong>ige Tage später sollten im Quäkerhausamerikanische Soldaten e<strong>in</strong>quartiertwerden und alle im Haus Lebendenwurden aufgefordert, es zu verlassen.Mary spricht mit dem amerikanischenKommandanten und bittet darum, dassdas Haus wieder den Quäkern überlassenwird. Dieser stimmt zu und me<strong>in</strong>t,es entspräche amerikanischer Praxis,dass religiöse Zentren wieder für Gottesdienstebenutzt werden sollten.Am 25.April 1945 bitten die Freundeden Bürgermeister, „die unbenutztenRäume – den Speisesaal und die beidenBüroräume - zur Ausübung ihrerAndachten und zur Neuaufstellung ihrerBibliothek zu überlassen.“Am 15. April 1945 kamen die Freundezu e<strong>in</strong>er ersten Andacht im Quäkerhauszusammen. Seit Ende Mai 1942 hattendiese dort nicht mehr stattf<strong>in</strong>den können,waren aber, wie erwähnt, durchgehend<strong>in</strong> Privathäusern abgehaltenworden. Mary konnte im Mai vieleBücher, Büromaterialien und 30 Stühle,die 1942 beschlagnahmt wordenwaren, aus der Stadthalle abholen. AmPf<strong>in</strong>gstsonntag verlassen die letztenE<strong>in</strong>quartierten das Quäkerhaus undals Mary nach der Andacht aus demQuäkerhaus trittt, kommt ihr Leonhardentgegen, nach dreijähriger Haft im KZBuchenwald. Brenda Bailey berichtet <strong>in</strong>der Biogaphie ihrer Eltern27 im Detail,was er dort erlebt hatte. Erst gut 20 <strong>Jahre</strong>später verlassen beide <strong>Pyrmont</strong>, um<strong>in</strong> England ihrer Tochter näher zuse<strong>in</strong>.Spätere Veränderungen am Haus.1965 ergab sich aus e<strong>in</strong>em von demFreund Friedemann Schulz entworfenenAnbau die heutige Gestalt des Quäkerhauses.160 000 DM wurden für denAnbau benötigt, die zur Hälfte durche<strong>in</strong>en Hausverkauf <strong>in</strong> Lüneburg gedecktwerden konnten.28 Zur Grundste<strong>in</strong>legungam 21. September 1965 sprachOtto Buch<strong>in</strong>ger. Er verwies <strong>in</strong> se<strong>in</strong>erAnsprache auf den ursprünglichen Bau26 Brenda Bailey a.a.O., Seite 21527 Brenda Bailey a. a. O. - 28 DER QUÄKER, Dezember 1965, Seite 290ff10<strong>75</strong> <strong>Jahre</strong> Quäkerhaus <strong>Bad</strong> <strong>Pyrmont</strong>, Juli 2008<strong>75</strong> <strong>Jahre</strong> Quäkerhaus <strong>Bad</strong> <strong>Pyrmont</strong>, Juli 200811


von 1800 und den Neubau von 1932 undgedachte der ausländischen Freunde, dieam Leben der <strong>Pyrmont</strong>er Gruppe e<strong>in</strong>stteilgenommen haben: John Pemberton(1795), Stephen Grellet, Richard Cary,der 1933 starb. Er und John Pembertons<strong>in</strong>d auf dem Friedhof <strong>in</strong> <strong>Pyrmont</strong>begraben worden. Und er gedachte derWiederbegründer des Quäkerhauses:Hans Albrecht, Emma Raeydt, Joan MaryFry und Leonhard Friedrich. Er er<strong>in</strong>nerteauch an Carl Sever<strong>in</strong>g, den preußischenInnenm<strong>in</strong>ister, der das Grundstück auspreußischem Staatseigentum zur Verfügunggestellt hatte.. Anwesend warenu. a. auch Brenda Bailey und Paul Österreicher.Zu e<strong>in</strong>er entscheidenden Änderungkommt es <strong>in</strong> den neunziger <strong>Jahre</strong>n. DiePacht des Grundstücks näherte sichdem Ende und dank e<strong>in</strong>er großzügigenSpende e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>zigen Freund<strong>in</strong> ausdem Frankfurter Raum war es möglich,das Grundstück zu erwerben. In diesemZusammenhang wurde auch der vor deralten Mauer liegende Parkplatz für unszurückgewonnen und umgewandelt.Dem folgte, dass mit neuem Schwungan e<strong>in</strong>e Renovierung, vor allem im Inneren,gedacht werden konnte, die nachmehreren für alle offenen Beratungenvom Hausausschuss weitsichtig realisiertwurde. E<strong>in</strong> Archivraum über dem Bürowurde geschaffen, der Toilettenbereichsaniert, e<strong>in</strong> Lagerraum für die Küchee<strong>in</strong>gerichtet und der Treppenabgangneu gestaltet. Die Seitenbänke und dasvertraute Gestühl im Andachtsraum – anK<strong>in</strong>ositze er<strong>in</strong>nernd – konnte durch e<strong>in</strong>emoderne Bestuhlung ersetzt werden.29Das Quäkerhaus hat <strong>in</strong> den <strong>75</strong> <strong>Jahre</strong>nseit se<strong>in</strong>em Wiederaufbau e<strong>in</strong>e sehr vielfältigeNutzung erfahren. Es diente alsEselstall, als Treffpunkt der Hitler-Jugend,als Hilfskrankenhaus und immer wiederals Versammlungshaus der Freunde.Schon 1934 hieß es, das Haus sei wirklichdas Haus der Freunde geworden. Mitdem daneben liegenden alten Friedhofist es auch heute für uns <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er modernenGestaltung und E<strong>in</strong>richtung und mitse<strong>in</strong>em schönen Gartengrundstück wirklichunser Ort, e<strong>in</strong> vertrauter Ort, den wirlieben.Fotoh<strong>in</strong>weise:Seite 2: das alte Quäkerhaus im 19.Jahrhundert – Seite 3: Kalenderblatt von der E<strong>in</strong>weihungdes Quäkerhauses (fantasievolle Darstellung der E<strong>in</strong>weihung um 1800) –Seite 5: Bild vom Richtfest des Neubaus 1932 – Seite 6 Der Neubau des Quäkerhauses1933 – Seite 8 oben: Rückseite des Quäkerhauses vor dem Anbau von 1965 –Seite 9: Grundste<strong>in</strong>legung für den Anbau – Seite 10: Das Quäkerhaus heute –Seite 11: Andachtskreis im großen Saal29 Siehe Protokoll des Arbeitsausschusses vom November 1993Layout, Satz und Druckvorbereitung: Uwe Schiller12<strong>75</strong> <strong>Jahre</strong> Quäkerhaus <strong>Bad</strong> <strong>Pyrmont</strong>, Juli 2008

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