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plietsch - Innovatives Niedersachsen

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<strong>plietsch</strong>*<br />

<strong>Innovatives</strong> aus <strong>Niedersachsen</strong>. Das Magazin. 2-2012<br />

Maritime Wirtschaft<br />

Auf zu<br />

neuen Ufern<br />

Neuland<br />

Schiffe, die<br />

Wellen brechen<br />

Kleine Welt<br />

Von Nordenham<br />

die Welt verkabeln


StApellAUf<br />

Der Horizont ist weit …<br />

… für den kleinen Matrosen vom titelbild. Unbeirrt macht er sich auf große fahrt – so wie es die <strong>Niedersachsen</strong><br />

schon seit Jahrhunderten tun. Als 1772 im Steinhuder Meer das erste U-Boot auf tauchstation<br />

ging, war das Wasser nur 1,35 Meter flach. heute braucht es ein paar Meter mehr, damit die gigantischen<br />

Containerschiffe in den hafen einlaufen können. Wieder haben die <strong>Niedersachsen</strong> Weitsicht<br />

gezeigt. Mit Deutschlands erstem tiefwasserhafen, dem Jade-Weser-port in Wilhelmshaven, machen sie<br />

den großen pötten das Anlegen leicht und eröffnen der logistikbranche neue perspektiven.<br />

Möglichst tief auf den Meeresgrund gehen auch die Seekabelverleger aus Nordenham und die Benthosökologen<br />

vom Senckenberg-institut am Meer. Die einen fasziniert die idee, mit tausenden Kilometern<br />

Glasfaserkabeln die Menschen auf der Welt zu verbinden. Den anderen hat es Cyclopterus lumpus –<br />

der Seehase – angetan. Und Sie, mögen Sie eigentlich Quietscheenten? Dann plätschern Sie doch mal in<br />

dieser Ausgabe!<br />

ihre Redaktion <strong>plietsch</strong>*<br />

iNhAlt<br />

lAND UND leUte<br />

Kopf UND ZAhl<br />

lANDeSKUNDe<br />

NeUlAND<br />

GRoSSe fAhRt<br />

tiefGANG<br />

02 | <strong>plietsch</strong> | 2-2012<br />

Maßgeschneidert<br />

Die Segelmacherei Beilken näht Garderobe fürs Boot<br />

Interessante Nummern<br />

Und die Köpfe dahinter<br />

Sturmerprobt und wasserfest<br />

Wie <strong>Niedersachsen</strong> mit Deichen und Schiffen die Elemente bezwingen<br />

Schwimmt oben<br />

Die Werft Abeking & Rasmussen ist erfolgreich dank neuer Schiffstechnik<br />

Einen Takt schneller<br />

Auf See und im Hafen steigt der Rationalisierungsdruck<br />

Wenn Riesen einlaufen<br />

In Europas Containerhäfen wird es eng – ein Vergleich<br />

10<br />

18<br />

04<br />

06<br />

07<br />

08


Dem weht kein Wind, der keinen<br />

hafen hat, nach dem er segelt.<br />

* <strong>plietsch</strong>: plattdeutsch für pfiffig, clever, aufgeweckt<br />

KleiNe Welt<br />

Weite Welt<br />

tiefe WASSeR<br />

NeUeR KURS<br />

ZUKUNftSRAUSCheN<br />

feRNWeh<br />

Von Nordenham die Welt verbinden<br />

Amil Gupta verkauft Seekabel für die Telekommunikation<br />

Müllmänner auf See<br />

Schiffsabfallsysteme von Deerberg halten die Weltmeere sauber<br />

Watt denn?<br />

Eine Meeresbiologin erforscht das Leben am Nordseegrund<br />

Seebären mit Bachelorabschluss<br />

Nautikabsolventen sind gefragt wie nie<br />

Ein Haus zum Mitnehmen<br />

Ein Architekt entwirft Häuser aus Seecontainern<br />

20<br />

21<br />

22<br />

Wo sich Meeresforscher, Kadetten und Touristen tummeln<br />

Gewinnen Sie ein Wochenende in Wilhelmshaven<br />

(Michel de Montaigne)<br />

23<br />

24<br />

26<br />

2-2012 | <strong>plietsch</strong> | 03


lAND & leUte<br />

Gütesegel<br />

Bei Beilken werden Segel nach Maß genäht.<br />

Segelmacherei – das klingt nach Seefahrer- und Handwerkstradition.<br />

Bei Material, Design und Zuschnitt ist statt Romantik längst Hightech<br />

gefragt. Doch danach folgt auch heute noch viel Handarbeit:<br />

mit Nadel, Faden und viel Geduld.<br />

„Nähen sollte man können“, sagt Christin Egbers und streicht mit<br />

den Fingern vorsichtig über die langen Tuchbahnen. Sie muss dabei<br />

in die Hocke gehen, denn das Material, das sie verarbeitet, liegt<br />

nicht auf dem Schneidertisch, sondern auf dem Boden einer großen<br />

Halle. Die junge Frau ist angehende Segelmacherin, sie fertigt neue<br />

Garderobe für eine Jacht. Damit diese am Ende perfekt sitzt, steht<br />

zu Beginn die Frage danach, wo sie getragen wird: beim Regattaoder<br />

Fahrtensegeln, auf einer Jacht oder einer Jolle, beim Mannschafts-<br />

oder Einhandsegeln.<br />

„Jeder Segler kommt mit seinen eigenen Vorstellungen. Wir müssen<br />

genau herausfinden, was er braucht, und bestimmen danach die<br />

Tuchqualität, Form und Größe des Segels“, weiß Egbers. Dem Wochenendsegler<br />

mit Zehn-Meter-Jacht reicht vielleicht Dacron – ein<br />

gewebtes Polyestertuch. Deutlich mehr Tempo macht man mit einem<br />

leichten Membransegel aus Kohlefasern. Ist der Schiffsmast<br />

elastisch, darf das Tuch wiederum nicht zu fest sein. Wenn der<br />

Grundschnitt – dreieckiges Großsegel, bauchiges Vorsegel oder eine<br />

der vielen anderen Segelformen – feststeht, wird am Schiff Maß genommen.<br />

Wie lang und breit ist das Schiff, welche Form hat es, wie<br />

hoch ist der Mast, wie ist das Segel befestigt? Mit all diesen Informationen<br />

konstruiert ein Designer am Computer das Profil des neu-<br />

04 | <strong>plietsch</strong> | 2-2012<br />

en Segels. Ein Laserplotter schneidet das Tuch zu – nicht am Stück,<br />

sondern in einzelnen Bahnen, damit das Segel später die nötige<br />

Wölbung bekommt.<br />

Nun kommt es auf höchste handwerkliche Präzision an. Die Segelmacherin<br />

verbindet die Einzelstücke mit Doppelklebeband, näht mit<br />

der Maschine darüber, kontrolliert die Maße, umsäumt das Ganze,<br />

arbeitet Ringe, Ösen, Reffs und Lattentaschen ein. Im Schnitt ist ein<br />

Segel nach 20 bis 30 Stunden Handarbeit fertig. „Am schönsten ist<br />

es, das Boot selbst mit dem neuen Gewand segeln zu sehen. Aber<br />

wir freuen uns auch sehr, wenn uns Eigner Bilder mit einem Dankeschön<br />

schicken“, erzählt Christin Egbers. Feedback bekommen sie<br />

und ihre Kollegen viel: „Das ist der Unterschied zum Mechaniker in<br />

der Autowerkstatt. Meine Arbeit ist viel persönlicher.“<br />

Beilken ist Deutschlands größte Segelmacherei. Das Unternehmen<br />

in lemwerder an der Unterweser wurde 1919 gegründet<br />

und ist seit 2007 im Besitz von Jörg Müller-Arnecke;<br />

er baute die firma nach der insolvenz wieder auf und verschaffte<br />

ihr durch hochwertige Segel einen herausragenden<br />

Ruf. Bei Umfragen der Zeitschrift „Yacht“ schneidet Beilken<br />

regelmäßig als beste deutsche Segelmacherei ab. heute fertigen<br />

15 Mitarbeiter rund 1.000 Segel pro Jahr. 10.000 Kunden<br />

stehen in der Datei – alle potenzielle Käufer, denn Segel müssen<br />

regelmäßig erneuert werden.<br />

www.beilken.de


� passt! Christin egbers, Segelmacherin<br />

im dritten lehrjahr, vermisst das<br />

neue Karbonsegel.<br />

ort des Geschehens: lemwerder,<br />

Segelmacherei Beilken<br />

2-2012 | <strong>plietsch</strong> | 05


Kopf & ZAhl<br />

Das patent: eine Maschine, die bis zu 2,5 Meter hohe Wellen erzeugt. Sie nehmen es mit der Zerstörungskraft von<br />

Tsunamis auf. Die hydraulische Maschine ist Teil des „Großen Wellenkanals“ in Hannover, der allein durch seine Maße<br />

– 330 Meter Länge, 7 Meter Tiefe und 5 Meter Breite – weltweit einzigartig ist. Neuerdings sind dank eines 3-D-<br />

Generators Wellen aus unterschiedlichen Richtungen möglich. Sie werden von 72 Motoren, die verschiedene Wellenblätter<br />

antreiben, erzeugt.<br />

Der Kopf dahinter: Stefan Schimmels, Leiter des „Großen Wellenkanals“. Gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern<br />

prüft der Küsteningenieur die Stabilität von Wellenbrechern, Offshore-Anlagen und Deichen.<br />

www.fi.uni-hannover.de/gwk.html<br />

10 Schiffbrüchige auf einen Streich retten<br />

Das produkt: ein Rettungssystem für den Einsatz auf dem offenen Meer, das einfach zu bedienen und kreislaufschonend<br />

für die Geretteten ist. Auf hoher See sind professionelle Seenotretter der Küstenwache manchmal fern.<br />

Die RLS-Rettungstechnologie GbR hat genau für solche Situationen ein engmaschiges Rettungsnetz entwickelt, das<br />

vom Aussehen an eine Wäschespinne erinnert. Bis zu zehn Menschen können pro Stunde gleichzeitig gerettet werden.<br />

Der RLS Rescue Star klappt sich automatisch auf, sobald der Bordkran ihn zu Wasser lässt. Ähnlich wie bei einer<br />

Rettungsinsel können die entkräfteten Personen hineinkrabbeln. Sie werden dann mit Hilfe des Krans direkt an Bord<br />

gebracht. Danach kann das System Platz sparend an Reling oder Deckaufbauten gelagert werden.<br />

Der Kopf dahinter: Prof. Michael Schwindt ist Initiator der RLS-Forschung und Erfinder der RLS-Rettungsgeräte.<br />

1989 als Hochschulprojekt begonnen, firmiert das Forschungsprogramm seit 2008 als RLS-Rettungstechnologie GbR.<br />

www.rls-rettungstechnologie.de<br />

2,5 Meter hohe künstliche Wellen<br />

06 | <strong>plietsch</strong> | 2-2012<br />

160.000 Tigergarnelen<br />

Die Vision: Garnelen auf dem platten Land züchten. Auf die Idee kam ein Landwirt aus Affinghausen, weil er sich<br />

darüber ärgerte, dass die Abwärme seiner Biogasanlage ungenutzt verpuffte. Inspiriert durch eine Fernsehkochsendung<br />

und einen Garnelenexperten aus den USA, wandelte er seine Traktorenhalle in eine gigantische Zuchtanlage<br />

um. Mehr als 160.000 weiße Tigergarnelen wachsen gleichzeitig in den 30 Grad warmen<br />

Schwimmbecken ganz ohne Antibiotika heran. Nach einem halben Jahr sind sie ausgewachsen<br />

und werden an Restaurants und Privatleute verkauft.<br />

Der Kopf dahinter: Heinrich Schäfer. Gemeinsam mit seinem Sohn Marco hat er in<br />

der niedersächsischen 900-Seelengemeinde Deutschlands erste und einzige Garnelenzucht<br />

gegründet.<br />

www.garnelenhof.de


Denkste!<br />

Die <strong>Niedersachsen</strong> leben hinterm Deich.<br />

1.143 Kilometer Deiche schützen acht Millionen<br />

<strong>Niedersachsen</strong> vor den üblen Launen der Nordsee.<br />

Bis zu neun Meter hoch sind die Wälle. Ihre Form<br />

ist wohl überlegt. Forscher am Franzius-Institut<br />

für Wasserbau- und Küsteningenieurwesen in<br />

Hannover simulieren die Folgen von Tsunamis und<br />

Sturmfluten im Wellenkanal. Die Ergebnisse sind<br />

nicht nur in Indien oder Japan gefragt. Sie haben<br />

auch die Deiche an der Nordsee sturmfest ge-<br />

macht: Da konnte selbst die Rekordflut von 2006<br />

nicht viel anrichten.<br />

Trotz aller Gefahren – das Meer zieht die Menschen von jeher in seinen Bann. So auch Didrik<br />

Pining. Der Hildesheimer verdingte sich als Seefahrer beim dänischen König. 1473 wurde ihm eine<br />

stattliche Flotte unterstellt, um “nye insulen und lande” zu entdecken. Pining erreichte Island und<br />

Grönland, möglicherweise sogar Neufundland und Labrador. Damit hätte er seinen Fuß zuerst auf<br />

das amerikanische Festland gesetzt – 20 Jahre vor Christoph Kolumbus.<br />

lANDeSKUNDe<br />

Auch im Landesinneren trieb es die <strong>Niedersachsen</strong> zu maritimen Höchstleistungen. Auf dem Stein-<br />

huder Meer ließ Jakob Chrysostomus Praetorius 1772 den „Steinhuder Hecht“ zu Wasser – das<br />

erste in Deutschland gebaute U-Boot. Zwölf Minuten ging die fischförmige Eichenholzkonstruktion<br />

auf Tauchstation. Ihr Untergang war nahezu ausgeschlossen: Das Steinhuder Meer ist im Durch-<br />

schnitt 1,35 Meter tief. Seinen famosen Ruf verdankt der niedersächsische Schiffbau den Werften:<br />

Seit 1907 lässt Abeking & Rasmussen eine Traumjacht nach der anderen vom Stapel. Und mit der<br />

340 Meter langen “Disney Fantasy” hat die Meyer Werft kürzlich das größte je in Deutschland<br />

gebaute Kreuzfahrtschiff ausgeliefert. Insgesamt arbeiten 40.000 <strong>Niedersachsen</strong> für die maritime<br />

Wirtschaft. Mit 39 Häfen hat <strong>Niedersachsen</strong> mehr Zugänge zum Meer als jedes andere Bundesland.<br />

„Bist du vom Lande, so geh nicht aufs Meer“, heißt es trocken. Viele tapfere <strong>Niedersachsen</strong> haben<br />

diese Warnung in den Wind geschlagen. Einer soll im 12. Jahrhundert bei Verden an der Aller das<br />

Licht der Welt erblickt haben: Klaus Störtebeker, der alte Haudegen. Auch vor der Küste Nieder-<br />

sachsens verbreitete er Angst und Schrecken. Vielleicht wäre er besser hinterm Deich geblieben ...<br />

2-2012 | <strong>plietsch</strong> | 07


VoRReiteR<br />

NeUlAND<br />

Weltraumrakete? Wellenbrecher!<br />

Wer in Deutschland Schiffe baut, muss ideen haben. Meint auch Karsten fach,<br />

Vertriebschef der Abeking & Rasmussen Werft (A & R) in lemwerder.<br />

Was ist die höchste Kunst beim Schiffbau? Das kommt auf die<br />

Wünsche des Eigners an. Soll das Schiff besonders schön oder soll<br />

es schnell sein? Darin liegt die besondere Herausforderung – Wünsche<br />

zu erfüllen.<br />

Was für Schiffe bauen Sie? Wir bauen traditionell große Jachten ab<br />

50 Metern. Ein weiteres Standbein sind Marineschiffe wie Minensucher<br />

und Patrouillenboote. Und wir bauen Spezialschiffe für Lotsen,<br />

gerne auch für Polizei, Seenotrettung oder auch Windparkschiffe –<br />

Versorgungsschiffe und Crewtransporter – alles Nischenmärkte.<br />

Wie verkauft man eigentlich luxusjachten?<br />

Das ist ein hochsensibler Markt, bei dem Diskretion oberstes Gebot<br />

ist. Wir kennen natürlich die Eigner, Vertreter und Broker. Wir sind<br />

ständig mit ihnen im Gespräch.<br />

Von A & R heißt es, die Marke sei der Rolls-Royce unter den<br />

Jachten. Sehen Sie das auch so? So ganz glücklich bin ich mit dem<br />

Vergleich nicht. Beide Marken sind edel, aber wir sind innovativer.<br />

Wo ist A & R denn innovativ? Wir haben Anfang der 90er-Jahre<br />

die SWATH-Technologie weiterentwickelt. Die Idee ist zwar hundert<br />

Jahre alt. Aber die Schiffe waren wenig erfolgreich. A & R hat das<br />

analysiert und das Prinzip hydrodynamisch und strukturell optimiert,<br />

auch mit Hilfe erfahrener Experten. In diesem Fall hat uns ein österreichisch-amerikanischer<br />

Professor, der auf Hawaii lebt, sehr geholfen.<br />

Was ist das Besondere an den SWAth-Schiffen? Die Verdrängung<br />

liegt unterhalb der Wasserlinie, dadurch haben die Wellen keinen<br />

Angriffspunkt. SWATH-Schiffe haben unglaublich gute Seegangseigenschaften,<br />

aber man kann nur begrenzt Gewicht zuladen.<br />

Die Technologie eignet sich besonders für Nischen wie Lotsentender,<br />

Crewtransfer- oder Forschungsschiffe. In der SWATH-Technologie<br />

sind wir jetzt führend.<br />

A & R<br />

08 | <strong>plietsch</strong> | 2-2012<br />

Wie kommen Sie auf neue ideen? Man muss sehen, dass man sich<br />

die Ideen der Mitarbeiter anhört. Wir gucken permanent rum, wir hören<br />

uns im Vertrieb um, sitzen mit der Technik zusammen, tauschen<br />

uns aus. Unsere Geschäftsleitung ist ebenfalls sehr ideenreich.<br />

Woran tüfteln Sie zurzeit? Im Augenblick bauen wir gerade einen<br />

neuen Schiffstyp auf eigene Rechnung. Unsere Eignerfamilie denkt<br />

sehr langfristig und nimmt hier auch Geld in die Hand. Es handelt sich<br />

um ein SWASH-Schiff als Weiterentwicklung der SWATH-Technologie.<br />

Wie sieht das aus? Statt zwei Rümpfen hat es nur eine Röhre und<br />

Ausleger, damit es nicht umkippt. Diese einfache Form soll Kosten sparen<br />

und ermöglicht kleinere Schiffe. So ein Ding mit 20 Metern Länge<br />

bauen wir gerade. Es kann alles werden, ein Lotsenversetzboot, ein<br />

Crewtransporter, ein Zollkreuzer, ein Polizeiboot oder, oder ...<br />

Klingt vielseitig. Wir haben den SWATH-Schiffstyp auch für Minensucheinsätze<br />

geplant. Wir loten das für alle Märkte aus. Wir haben<br />

sogar eine neue SWATH-Jacht entworfen.<br />

Wie erleben Sie den Standort <strong>Niedersachsen</strong>? Die Lage weit unten<br />

an der Weser ist zwar nicht so günstig, aber wir arbeiten gut<br />

mit der Gemeinde Lemwerder zusammen. Wir müssen zusehen, innovative<br />

Menschen anzuziehen. Da haben wir immer die Ohren auf.<br />

Wir kooperieren auch mit den Schulen vor Ort. Einige Oberschüler<br />

kommen einmal die Woche zu uns, die haben sogar ihren eigenen<br />

Spind, sie feilen, schrauben, montieren – einige wollen dann später<br />

Bootsbau lernen.<br />

hat A & R noch träume? Die Werft soll so lange wie möglich existieren.<br />

Der inzwischen verstorbene Hermann Schädla soll einmal gesagt<br />

haben: Ich bin verantwortlich für mehr als 400 Familien in der<br />

Umgebung, und dieser Verantwortung stelle ich mich. Da geht es um<br />

langfristige Dinge.<br />

ihr Ruf ist legendär: Seit 1907 baut die Werft Abeking & Rasmussen Boote, Jachten und Schiffe in<br />

lemwerder. A & R steht für höchste Qualität und handwerkliche perfektion. Zunächst bei Segeljachten<br />

und Jollen, nach dem Krieg ebenso bei Minensuchern und heute auch bei offshoreschiffen.<br />

A & R baut drei bis vier Schiffe pro Jahr, mit Bauzeiten von anderthalb bis drei Jahren. Die luxusmotorjachten<br />

messen über 50 Meter. Über die preise erfährt man nichts; geschätzt liegen sie bei<br />

rund einer Million euro pro Meter. 430 Mitarbeiter beschäftigt die Werft, davon 44 Auszubildende.<br />

A & R ist im privaten Besitz, Mehrheitseigner ist die familie Schädla.


� obenauf: Karsten fach, Vorstand für<br />

Vertrieb, Marketing und produktentwicklung<br />

bei Abeking & Rasmussen,<br />

auf dem Rumpf eines neuartigen<br />

SWASh-Schiffes<br />

ort des Geschehens: lemwerder an<br />

der Weser<br />

2-2012 | <strong>plietsch</strong> | 09


GRoSSe fAhRt<br />

� Mit Ausblick: thomas Moderaus<br />

Arbeitsplatz liegt hoch über dem<br />

hafen.<br />

ort des Geschehens: hamburg,<br />

Containerbrücke am eurokai<br />

10 | <strong>plietsch</strong> | 2-2012<br />

Der Mann


mit der Katze<br />

90 prozent aller Güter werden übers<br />

Meer verfrachtet. Von Romantik auf<br />

See jedoch keine Spur – immer straffer<br />

spannt sich die transportkette:<br />

vom Reeder über den hafenbetreiber<br />

und die hafenarbeiter bis zu denjenigen,<br />

die die Ware aufbereiten und<br />

zum Kunden bringen.<br />

2-2012 | <strong>plietsch</strong> | 11<br />


�<br />

GRoSSe fAhRt<br />

Die „Katze“ faucht leise, schnurrt los und stoppt. „Luke 5, innen“,<br />

knarrt es aus dem Funkgerät. Thomas Moderau schaut konzentriert<br />

durch den Glasboden seiner Blechkabine, bewegt den Steuerknüppel<br />

neben sich, und schon schwebt 45 Meter unter ihm eine Stahlkiste<br />

an langen Trossen durch die Luft. „Surr“ macht es wieder, die<br />

Katze saust zurück und kommt nach einem Zwischenhalt auf halber<br />

Strecke über einer markierten Fläche zum Stehen. Wieder der Steuerknüppel,<br />

die Stahlbox bewegt sich nach unten und wird punktgenau<br />

auf dem aufgemalten Rechteck abgestellt. „Zweieinhalb Minuten<br />

kalkuliert mein Chef für das Ganze, 30 Kisten schaffe ich in der<br />

Stunde“, sagt Moderau. Der Mittvierziger ist Hafenarbeiter am Containerterminal<br />

von Eurogate und die Katze, die er fährt, ist das Führerhaus<br />

einer so genannten Containerbrücke im Hamburger Hafen –<br />

eines riesigen Krans, mit dem die Container von Bord der Frachter<br />

an Land und umgekehrt gehievt werden. Vor 26 Jahren hat er mit<br />

dieser Arbeit angefangen. Seitdem sind die Brücken immer höher,<br />

die Schiffe immer größer und die Liegezeiten immer kürzer geworden.<br />

Früher galt ein Schiff mit 800 Containern an Bord als groß.<br />

Heute haben sich Moderau und seine Kollegen die „Uranus“, einen<br />

Frachter der neuesten Generation der China Shipping Line vorgenommen.<br />

14.000 Container stehen dort in 22 Reihen unter und auf<br />

Deck, bis zu 20 übereinander. Einen oder anderthalb Tage dauert es<br />

nur noch, bis die Fracht eines solchen Megacarriers umgeschlagen<br />

ist. Dafür sind fünf Containerbrücken rund um die Uhr im Einsatz<br />

mit jeweils einem Team mit vier Mann. Einer sagt an, welche Kiste<br />

gerade dran ist, einer beobachtet an Bord, dass alles richtig läuft, einer<br />

entfernt die Sicherungsbolzen und einer fährt die Katze. Alle<br />

zwei Stunden wechselt jeder im Team die Position. Die Mannschaft<br />

an Bord ist derweil nicht zu sehen; keine Rede mehr davon, dass die<br />

Matrosen an Land gehen, ein Wort mit den Kollegen im Hafen<br />

wechseln oder die Stadt kennen lernen.<br />

Immer schneller dreht sich das Rad in der globalen Wirtschaft und<br />

mit ihr der Seeverkehr. Rund 90 Prozent des weltweiten Warenhandels<br />

werden per Schiff abgewickelt, ein großer Teil per Container.<br />

Sechs Millionen dieser Behälter sollen auf den großen Seefahrtsstra-<br />

� torsten Reichert, leiter obst- und Gemüselogistik bei Nordfrost, will den fruchtimport von Belgien zurückholen.<br />

ort des Geschehens: Kühlhaus von Nordfrost<br />

12 | <strong>plietsch</strong> | 2-2012


ßen der Welt täglich unterwegs sein – und es werden immer mehr.<br />

Allein im vergangenen Jahr ist die Zahl der transportierten Seecontainer<br />

um 6,5 Prozent gewachsen. In den genormten, universell einsetzbaren<br />

Transportboxen wird nahezu alles verpackt, was Industrie<br />

und Verbraucher benötigen: Maschinen- und Autoteile werden von<br />

Deutschland nach Asien geschickt, niederländische Fernseher nach<br />

Afrika und Südamerika. Ganze Nobelkarossen aus Italien und sogar<br />

Jachten machen sich in den Stahlkisten auf den Weg zu den wohlhabenden<br />

Eignern in der Welt. Auch umgekehrt führt der Weg<br />

übers Meer. China, Exportweltmeister und Fabrik Europas, verschifft<br />

Hemden und Spielzeug ebenso wie Geräte und Bauteile. Selbst Steine<br />

und Zement werden neuerdings in den praktischen Standardbehältnissen<br />

versandt.<br />

frische früchte im Container<br />

Ursprünglich war das anders, wie das Beispiel Obst zeigt. Ananas,<br />

Bananen und Orangen wurden lange Jahre mit konventio-<br />

� linienmanager thilo heinrich hat den neuen Jade-Weser-port auf dem Zettel.<br />

ort des Geschehens: hamburg, Reederei Maersk<br />

nellen Kühlschiffen befördert. „Doch in den 1980er-Jahren begann<br />

auch im Fruchthandel die Containerisierung. Sie setzt sich<br />

immer mehr durch“, weiß Torsten Reichert, Leiter Obst- und Gemüselogistik<br />

bei Nordfrost. 3,4 Millionen Tonnen Frischobst importiert<br />

Deutschland aus Afrika, Neuseeland, Asien und Amerika.<br />

Davon kommen derzeit 50 Prozent per Kühlcontainer, bis 2015<br />

werde der Anteil auf 75 Prozent und bis 2020 auf mindestens<br />

90 Prozent wachsen, prognostiziert Reichert. „Das heißt, dass<br />

sich ohne nennenswerte Steigerung des Konsums der Containertransport<br />

fast verdoppelt“, rechnet er vor. Mit den Boxen ist man<br />

flexibler. Man muss nicht immer warten, bis ein ganzes Schiff gefüllt<br />

ist, sondern kann schnell reagieren, wenn in Deutschland<br />

gefragte Zitronen in Argentinien gerade günstig zu haben sind.<br />

Man kann auch mal kleine Mengen ordern, importieren und sie<br />

schnell nach München bringen. Dies hat außerdem den Vorteil,<br />

dass nicht mehr nur die ganz Großen der Branche bestimmen,<br />

sondern der kleine Obstbauer in Übersee und ein einheimischer<br />

Importeur die Chance haben, das Geschäft selbst zu machen.<br />

2-2012 | <strong>plietsch</strong> | 13<br />


�<br />

GRoSSe fAhRt<br />

Was Reichert ärgert, ist, dass Orangen und Zitronen weitgehend<br />

über Rotterdam und Antwerpen in die deutschen Ladenregale gelangen.<br />

Das war zu Zeiten der Kühlschiffe noch anders: Die liefen<br />

Hamburg und Bremerhaven an. Beide Häfen haben nach Reicherts<br />

Einschätzung jedoch auf den Trend zum Container im Fruchthandel<br />

verspätet reagiert. „Dazu kam, dass sich die Anforderungen im Lebensmitteleinzelhandel<br />

verändert haben: Immer mehr läuft just in<br />

time, die Zeitfenster zwischen Bestellung und Auslieferung sind immer<br />

kleiner geworden, die Lkws sind nur noch zum Teil beladen und<br />

müssen zwei, drei oder vier Abladestellen anfahren.“ Das hätten die<br />

Logistiker in den Häfen nicht umgesetzt – und so seien die Warenströme<br />

weggeflossen nach Holland und Belgien, bedauert er. Von<br />

dort will sie der Manager mit jahrzehntelanger Erfahrung im Fruchthandel<br />

zurückholen. Die Gelegenheit ist günstig. Denn demnächst<br />

eröffnet in Wilhelmshaven ein ganz neuer Containerhafen mit all<br />

der Hafen- und Hinterlandlogistik für den Warenumschlag und die<br />

Weiterverarbeitung. Die Wege zwischen Schiffsanlegestelle und<br />

dem angrenzenden Gewerbegebiet, in dem sich Dienstleister wie<br />

Nordfrost ansiedeln können, sind kurz. Es gibt einen direkten Bahnund<br />

Autobahnanschluss, der Zoll und andere Behörden für die Imund<br />

Exportkontrolle sind vor Ort, Lkws werden vollautomatisch abgefertigt.<br />

Nordfrost, bislang auf Tiefkühlware spezialisiert, hat sich<br />

entschieden, im neuen Jade-Weser-Port ein neues Geschäftsfeld mit<br />

frischen Früchten aufzubauen. Dafür errichtet die Firma direkt im<br />

Hafen auf 20.000 Quadratmetern ein Umschlagszentrum unter anderem<br />

für den Obstimport. „Nachdem die Container nach drei, vier<br />

Wochen auf See am Kai abgeladen worden sind, fahren wir sie die<br />

wenigen Hundert Meter bis zu uns und docken sie direkt am Tor<br />

zum Gebäude an. In der Kühlzone laden wir die Paletten aus, kontrollieren<br />

die Qualität der Ware und lagern sie“, erläutert Reichert<br />

den rationalisierten Ablauf. Dort bleibt sie, bis sie der Einzelhändler<br />

auf Anforderung geliefert bekommt – die Orangen in Netze à sechs<br />

Stück umkonfektioniert, die Äpfel im offenen Karton, wenn gewünscht<br />

mit Etikett und persönlichem Aufkleber. 15.000 Industriepaletten<br />

mit Äpfeln, Orangen oder Zitronen kann Nordfrost in unterschiedlichen<br />

Klimazonen von null bis zwölf Grad lagern und<br />

verarbeiten. Am Anfang rechnet das Unternehmen mit 1.000 Containern<br />

à 20 Tonnen Obst im Monat. Das wären 240.000 Tonnen<br />

Ananas und Co. im Jahr. Nordfrost versteht sich als Bindeglied zwischen<br />

dem Obstproduzenten und dem Verkäufer. Das Unternehmen<br />

nimmt dem Handel die Sorge ab, immer qualitativ hochwertige Ware<br />

in der richtigen Menge zum richtigen Zeitpunkt verfügbar zu haben.<br />

Damit Obstlogistiker wie Nordfrost ihre Honigpomelos und Bekleidungsgeschäfte<br />

wie Hennes und Mauritz ihre Hemden rechtzeitig<br />

aus China bekommen, verkehren die Containerschiffe nach Fahrplan.<br />

34 wöchentliche Liniendienste betreibt allein Maersk Line, die<br />

weltweit größte Containerreederei aus Dänemark, zwischen Europa<br />

14 | <strong>plietsch</strong> | 2-2012<br />

und den anderen vier Kontinenten. Donnerstags zum Beispiel verlässt<br />

die Linie AE 2 Schanghai in Richtung Antwerpen über Malaysia,<br />

Le Havre, Rotterdam, Bremerhaven und Hamburg. AE 6 verkehrt<br />

montags von Schanghai über Sri Lanka nach Felixtowe, Bremerhaven<br />

und Rotterdam. 32 beziehungsweise 34 Tage dauert die Überfahrt<br />

einschließlich Umschlag, auf Abfahrt und Ankunft ist Verlass.<br />

„Pünktlichkeit ist einer der entscheidenden Faktoren im Wettbewerb<br />

um die Container, aber auch effiziente Abwicklung im Hafen<br />

und der Umweltaspekt“, weiß Thilo Heinrich, der bei Maersk<br />

Deutschland für die Linienplanung verantwortlich ist. Je größer die<br />

Schiffe, desto günstiger ist die Ökobilanz – und natürlich die Rentabilität<br />

für die Reederei. Denn seit Jahren tobt ein Preiskampf zwischen<br />

den Containerreedereien um die Frachtgebühren. 3.500 US-<br />

Dollar plus Hafenhandling kostet derzeit der Transport eines 40 Fuß-<br />

Containers auf der Strecke Asien – Europa bei Maersk; darin sind<br />

allein 1.700 Dollar für den Treibstoff enthalten. Vor zwei Jahren lag<br />

der Preis noch bei 4.500 Dollar, bei deutlich niedrigerem Ölpreis.<br />

Wer dabei verdienen will, muss an jeder Schraube drehen.<br />

Schiffe, so groß wie ein hochhaus<br />

Eine der Stellschrauben ist das Fassungsvermögen der Schiffe. 85<br />

Prozent der neu georderten Frachter gehören zur siebten Generation<br />

von Containerschiffen mit 398 Metern Länge und einem Ladungsvermögen<br />

von 14.000 20 Fuß-Standardcontainern beziehungsweise<br />

TEU (Twenty Foot Equivalent Unit). Maersk stapelt noch<br />

höher und hat 20 Schiffe der so genannten Triple E-Klasse bestellt.<br />

Sie bringt es auf 400 Meter Länge und 18.000 TEU und soll ab<br />

Sommer 2013 in Dienst gestellt werden. Vor allem zwischen Asien<br />

und Europa bewegen sich diese Giganten; doch sie haben seit Jahren<br />

Schwierigkeiten, in Deutschland anzulegen. Bereits die fünfte<br />

Generation hatte einen Tiefgang von 14 Metern; doch damit können<br />

die Schiffe Hamburg und Bremerhaven nur bei Flut und auch<br />

dann nicht voll beladen erreichen. Die Triple E-Klasse mit ihren 16,7<br />

Metern Tiefgang bliebe ganz stecken.<br />

Der wachsende Containermarkt und die Entwicklung bei den Schiffen<br />

haben Eurogate, Europas größten Terminalbetreiber, und die<br />

Reederei Maersk veranlasst, sich in Wilhelmshaven zu engagieren.<br />

Dort haben die Länder <strong>Niedersachsen</strong> und Bremen den Jade-Weser-<br />

Port gebaut, einen Tiefwasserhafen, der die Umschlagkapazität für<br />

Container in Deutschland zunächst um 2,7 Millionen TEU vergrößert<br />

und vor allem ohne Hindernisse für Großcontainerschiffe ist: Die<br />

Fahrrinne ist 18 Meter tief, unabhängig von den Gezeiten. Von der<br />

offenen See bis zum Hafen müssen die Kapitäne nur 23 Seemeilen<br />

bewältigen – ein weiterer Vorteil, wenn es auf Geschwindigkeit ankommt.<br />

Am 1,7 Kilometer langen Kai warten im Endausbau 16<br />

Containerbrücken darauf, die Fracht so schnell wie möglich zu lö-


schen. Mit 83 Metern Höhe sind sie noch gigantischer als die Brücke,<br />

auf der Thomas Moderau im Hamburger Hafen unterwegs ist.<br />

Die Ausleger sind 73 Meter breit und reichen über 25 Containerreihen<br />

– derzeit gibt es weltweit keine größeren Abfertigungskräne.<br />

Am Anfang ein wöchentlicher liniendienst<br />

Terminalbetreiber am Jade-Weser-Port wird eine Eurogate Tochter<br />

sein, die Container Terminal Wilhelmshaven GmbH & Co. KG.<br />

Mikkel Andersen ist zuständig für den reibungslosen Ablauf im neuen<br />

Hafen. „Seit zwei Jahren schulen wir die Leute, die später die<br />

Brücken bedienen, die Container mit dem Vancarrier zum Stellplatz<br />

fahren und die Checker, die an Bord das Be- und Entladen kontrollieren“,<br />

berichtet er. Alles in allem wird der Terminal mit 400 Mitarbeitern<br />

starten, später sollen es 1.000 werden. 8.000 Container<br />

müssen sie am Tag bewegen, wenn der Hafen seine volle Umschlagkapazität<br />

ausschöpft.<br />

Doch bis es so weit ist, haben die Hafenarbeiter noch eine<br />

Schonfrist. Die Reederei Maersk, die über ihre Schwestergesellschaft<br />

APM Terminal International mit 30 Prozent am Wilhelmshavener<br />

Terminal beteiligt ist, plant die neue Adresse gerade in<br />

ihre Routen ein. „Wir wissen, dass wir Wilhelmshaven anfahren<br />

werden. Am Anfang wird es wahrscheinlich erst einmal ein<br />

Dienst pro Woche sein“, erklärt Thilo Heinrich. Ob das die Linie<br />

AE 2 und AE 6, eine der anderen Europa-Asien-Routen oder ein<br />

Lateinamerikadienst sein wird, hängt davon ab, welcher Kunde<br />

bedient werden will. „Wir haben verschiedene Szenarien durchgespielt.<br />

Vermutlich wird der erste Linienverkehr vor allem für<br />

den Export aus Deutschland eingerichtet. Dazu kommen so genannte<br />

Feederdienste für den seeseitigen Umschlag – kleinere<br />

Frachter, auf die Güter umgeladen und Richtung Baltikum, Skandinavien,<br />

Island und Russland transportiert werden“, so der Linienmanager.<br />

Es kann also gut sein, dass in Kürze zerlegte Autos<br />

von BMW und Daimler im Container von Wilhelmshaven nach<br />

China verschifft werden.<br />

� CtW-Geschäftsführer Mikkel Andersen ist herr über 16 Containerbrücken und 20.000 Container-Stellplätze.<br />

ort des Geschehens: Wilhelmshaven, Containerterminal im Jade-Weser-port<br />

2-2012 | <strong>plietsch</strong> | 15<br />


GRoSSe fAhRt<br />

� Unternehmen wie die großen deutschen Autohersteller, Evonik, Adidas,<br />

Karstadt, Hennes und Mauritz, Continental, Red Bull füllen einen<br />

großen Teil der Maersk-Schiffe auf dem Weg von und nach<br />

Deutschland. Zu welchen Konditionen und zu welchem Preis handeln<br />

sie selbst aus, denn die großen Auftraggeber sind direkte Kontraktpartner<br />

von Maersk. Anders sieht das bei denjenigen aus, die<br />

kleine Chargen befördert haben wollen, wie zum Beispiel die afrikanischen<br />

Obstbauern und die Importeure, die Nordfrost in Wilhelmshaven<br />

beliefern. Sie müssen sich an einen Spediteur wenden, der<br />

Kleinmengen zu einer Containerfracht zusammenstellt und die Stellfläche<br />

bei einer Reederei bucht. 40 Prozent der Schiffskapazität bei<br />

Maersk werden so vergeben. Die Preise dafür sind davon abhängig,<br />

über wie viele Container pro Jahr eine Spedition verhandelt.<br />

Deshalb kommt es Nordfrost-Manager Reichert sehr auf die optimale<br />

Logistik im Hafen an. „Von neun Euro, die der Lebensmitteleinzelhandel<br />

für Früchte einnimmt, sind vier bis fünf Euro reine Logistik-<br />

Ananas auf Weltreise<br />

Wenn die Ananas schließlich<br />

in unserem Einkaufswagen<br />

liegt, hat sie eine mehr als<br />

10.000 Kilometer lange Reise<br />

hinter sich.<br />

16 | <strong>plietsch</strong> | 2-2012<br />

Ziel<br />

Per Lkw oder Bahn gelangt<br />

die Ananas in den Supermarkt.<br />

Vom Schiff ins Kühlhaus. Hier wird<br />

die Ananas zwischengelagert und in<br />

kleinere Gebinde umgepackt.<br />

kosten: für den Schiffstransport, das Abladen der Fracht, die<br />

Zollabfertigung und die Beförderung zu uns als Dienstleister.“<br />

Thomas Moderau in seiner Katze ist es ziemlich gleich, wie die Güter<br />

in die Stahlboxen auf der „Uranus“ gelangt sind. Er muss sich<br />

beeilen, denn schon fährt seine Brücke nach links zur nächsten Luke.<br />

Ein weiterer Stapel Container will ausgeladen werden. Auf seinem<br />

Arbeitsplatz in 45 Metern Höhe könnte er einen großartigen<br />

Blick über den Hafen, die Elbe und bis zur Stadt genießen. Doch dafür<br />

hat er im Moment keine Zeit. Er weiß auch nicht, was er gerade<br />

im Container durch die Luft befördert – ob Ferraris oder Bananen<br />

drin sind.<br />

www.jadeweserport.de<br />

www.eurogate.de<br />

www.nordfrost.de<br />

www.maerskline.com<br />

Start<br />

Anfang einer langen Fahrt:<br />

Die Ananas wird z. B. in Costa Rica geeerntet ...<br />

... in Obstkisten, auf<br />

Paletten und weiter<br />

in Kühlcontainer<br />

verladen.<br />

Weiter geht es per Containerschiff<br />

nach Europa.<br />

Während der bis zu vier<br />

Wochen dauernden Reise<br />

reifen die Früchte weiter.


Da bekommt<br />

jedes Schiff<br />

feuchte Bullaugen!<br />

Willkommen im neuen<br />

JadeWeserPort.<br />

<strong>Niedersachsen</strong> hat Deutschlands<br />

einzigen Tiefwasserhafen.<br />

Im neu gebauten JadeWeserPort Wilhelmshaven<br />

begrüßen wir die größten Containerschiffe der Welt.<br />

Und das ist nur einer der Gründe, warum unser<br />

Land der Heimathafen der globalen Wirtschaft ist.<br />

www.innovatives.niedersachsen.de<br />

Sie kennen unsere Pferde. Erleben Sie unsere Stärken.


tiefGANG<br />

Größer, schneller, tiefer<br />

Containerschiffe werden immer größer *<br />

Der Trend geht zum Großcontainerschiff. Sie senken die Kosten für<br />

Bau, Betrieb und Schweröl pro befördertem Container und belasten<br />

die Umwelt weniger.<br />

2011: 85 Prozent der georderten Schiffe sind Megacarrier<br />

über 10.000 TEU.<br />

2013/14: Maersk stellt 20 Schiffe der 8. Generation<br />

mit 18.000 TEU in Dienst.<br />

6. Generation (1999) 8.000 TEU<br />

Länge: 345 m / Breite: 43 m / tiefgang: 14,50 m<br />

7. Generation (2006) 14.000 TEU<br />

Länge: 398 m / Breite: 56 m / tiefgang: 16,00 m<br />

8. Generation (2013) 18.000 TEU<br />

Länge: 400 m / Breite: 59 m / tiefgang: 16,70 m<br />

* Quelle: ISL<br />

Die wichtigsten Containerhäfen<br />

der Nordrange<br />

Seegüterumschlag<br />

in tonnen (2011)<br />

Wendebereich im hafen<br />

Autobahnanschluss<br />

Bahnanschluss<br />

Vorhandene<br />

Gewerbeflächen<br />

Geplante Ausbaumaßnahmen<br />

18 | <strong>plietsch</strong> | 2-2012<br />

Rotterdam<br />

(tiefwasser)<br />

588,1 Millionen<br />

800 Meter<br />

direkt<br />

direkt<br />

4.500 Hektar<br />

Neubau Maasvlakte 2 bis 2013<br />

mit 1.000 Hektar Gewerbegebiet<br />

direkt am tiefen Fahrwasser<br />

Stille Wasser sind tief **<br />

Die Containerschiffe der 7. und 8. Generation mit bis zu 16,7 Metern<br />

Tiefgang können voll beladen und unabhängig von Ebbe und<br />

Flut nur noch Rotterdam und den neuen Jade-Weser-Port erreichen.<br />

Bremerhaven<br />

12,5 m 2)<br />

Jade-Weser-port<br />

18,0 m<br />

Jade-Weser-port<br />

(tiefwasser)<br />

noch nicht<br />

in Betrieb<br />

700 Meter<br />

1) Bei Flut für Schiffe bis 15,1 Meter Tiefgang geeignet.<br />

2) Bei Flut für Schiffe bis 14,5 Meter Tiefgang geeignet.<br />

3) Deurganckdok für Schiffe über 16 Meter Tiefgang geeignet.<br />

Antwerpen<br />

187,2 Millionen<br />

600 Meter<br />

im Deurganckdok<br />

** Quellen: Port of Rotterdam Authority; Jade-Weser-Port Realisierungsgesellschaft; Gemeentelijk Havensbedrijf Antwerpen; Hamburg Port Authority; Bremen Ports<br />

direkt<br />

direkt<br />

160 Hektar<br />

Logistics Zone II: Das 400 Hektar<br />

große Areal wird mittelfristig<br />

Teil des Jade-Weser-Ports.<br />

Containerschiff<br />

8. Generation<br />

5 m<br />

10 m<br />

15 m<br />

20 m<br />

25 m<br />

direkt<br />

direkt<br />

553 Hektar<br />

hamburg: 12,8 m 1)<br />

Antwerpen: 13,1 m 3)<br />

Rotterdam:<br />

24,0 m<br />

Zone Saeftinghe von zirca<br />

1.000 Hektar Gewerbefläche.<br />

Zweite Schleuse am linken<br />

Schelde-Ufer. Liefheushock<br />

Eisenbahntunnel.


entfernung vom hafen bis zur offenen See **<br />

Angabe in Seemeilen ( 1 sm = 1,852 km)<br />

hamburg<br />

132,2 Millionen<br />

480 Meter<br />

direkt<br />

hafen<br />

immer mehr Container kommen per Schiff **<br />

Entwicklung des Containerumschlages in Mio. TEU.<br />

TEU = 20 Fuß-Container (Twenty-foot Equivalent Unit)<br />

Anschluss über Hafenbahn an<br />

das Schienennetz der DB<br />

2.800 Hektar, nur kleinere<br />

Teilstücke frei<br />

Elbevertiefung für Schiffe mit<br />

bis zu 14,5 Meter Tiefgang gezeitenunabhängig.<br />

Ausbau<br />

Wendebereich auf 600 Meter.<br />

Das Central Terminal Steinwerder<br />

wird als neues Terminalgelände<br />

entwickelt.<br />

Romantik war gestern: Vorbei sind die Zeiten, als Schiffe eine Woche lang<br />

im hafen lagen. im Containerverkehr zählt jede Minute: auf See, bei der<br />

Anfahrt zum hafen und beim Umschlag.<br />

Rotterdam: 7 sm<br />

Jade-Weser-Port: 23 sm<br />

Bremerhaven: 31 sm<br />

Antwerpen: 43 sm<br />

Hamburg: 70 sm<br />

Bremerhaven<br />

80,6 Millionen (Bremerhaven,<br />

Bremen)<br />

In der Außenweser vor dem<br />

Containerterminal, 2.600 mal<br />

600 Meter<br />

7 km<br />

Anschluss über Hafenbahn an<br />

das Schienennetz der DB<br />

518 Hektar, davon 85 Hektar<br />

frei<br />

Weservertiefung für Schiffe bis<br />

zu 13,5 Meter Tiefgang gezeitenunabhängig.<br />

Neubau Offshore-Terminal<br />

direkt an der<br />

Weser. Erweiterungsmaßnahmen<br />

für die Hafeneisenbahn.<br />

Kreuzungsfreie Anbindung an<br />

die BAB A 27.<br />

Bremen/<br />

Bremerhaven<br />

1990: 1,2 | 2000: 2,8<br />

2011: 5,9<br />

Antwerpen<br />

1990: 1,5 | 2000: 4,1<br />

2011: 8,7<br />

offene See<br />

hamburg<br />

1990: 2,0 | 2000: 4,3<br />

2011: 9,0<br />

Rotterdam<br />

1990: 3,6 | 2000: 6,3<br />

2011: 11,9<br />

2-2012 | <strong>plietsch</strong> | 19


KleiNe Welt<br />

tiefseestrippenzieher<br />

20 | <strong>plietsch</strong> | 2-2012<br />

� Anil Gupta, gebürtiger inder,<br />

verbindet von Nordenham aus<br />

Menschen auf der ganzen<br />

Welt.<br />

ort des Geschehens:<br />

Nordenham, Norddeutsche<br />

Seekabelwerke<br />

Als Vertriebsmanager für telekommunikationsseekabel verbinden<br />

Sie Menschen auf der ganzen Welt. hat ihr Job auch in ihrem<br />

fall geholfen? Allein zwischen Asien und Europa wurden in den letzten<br />

fünf Jahren Zehntausende Kilometer Glasfaserkabel verlegt. Dank<br />

Videotelefonie habe ich das Gefühl, dass meine Familie ganz nah bei<br />

mir ist, obwohl uns mehr als 6.000 Kilometer trennen.<br />

Wie sind Sie eigentlich nach <strong>Niedersachsen</strong> gekommen? Über das<br />

Greencard Programm der Bundesregierung. Ursprünglich wollte ich in<br />

die USA oder nach England.<br />

hatten Sie anfangs probleme, sich auszudrücken? Ich konnte kein<br />

Wort Deutsch. Da war ich froh, dass die meisten meiner Geschäftsbeziehungen<br />

im Ausland liegen.<br />

Was hält Sie nach elf Jahren in <strong>Niedersachsen</strong>? Der Job macht<br />

Spaß, auch die Kollegen und Bürger der Stadt sind sehr herzlich. Mein<br />

ältester Sohn hat mittlerweile die deutsche Staatsbürgerschaft und geht<br />

in die dritte Klasse. Er hat schon sehr gut Deutsch gelernt und kann sogar<br />

Plattdeutsch verstehen. Mein Jüngster besucht jetzt den Kindergarten<br />

und kann sich in kurzen Sätzen auf Deutsch ausdrücken.<br />

Was genau machen Sie bei NSW? Ich bin Vertriebsmanager für Telekommunikationsseekabel<br />

und zuständig für Asien sowie teilweise Europa.<br />

Meine Aufgabe ist es, Geschäftsbeziehungen zu entwickeln und die<br />

Kunden bis zum Vertragsschluss zu begleiten.<br />

ein Beispiel? 2008-2010 habe ich ein 100 Millionen-Dollar-Projekt für<br />

die Telekom Indonesia betreut. Ziel war es, die 14.000 Inseln mit Kabeln<br />

zu verbinden.<br />

haben Sie ihre lebensweise in <strong>Niedersachsen</strong> verändert? Ich war<br />

zu hundert Prozent Vegetarier. Mittlerweile esse ich gerne Fisch und<br />

Hühnchen. Es ist mir aber nicht erlaubt, Rindfleisch zu essen. Das verbietet<br />

die Religion.<br />

www.nsw.com


Müll, ahoi!<br />

Deerberg Systems kümmert sich um die Abfälle der Kreuzfahrtindustrie.<br />

Ein Kreuzfahrtschiff ist eine kleine Stadt. Die Flaggschiffe<br />

der Branche bieten Platz für mehr als 3.000 Passagiere.<br />

Und das bedeutet jede Menge Müll: im Schnitt 15 Tonnen<br />

am Tag plus 1.200 Tonnen Abwasser. Nur wohin damit?<br />

Auf dem Atlantik kreuzt nicht jede Woche die Müllabfuhr<br />

auf, und über Bord werfen geht auch nicht. Die Lösung<br />

kommt aus <strong>Niedersachsen</strong>. Deerberg Systems in Oldenburg<br />

ist Weltmarktführer bei Entsorgungssystemen für die<br />

Seefahrt. Die Anlagen des Unternehmens befinden sich<br />

auf den Jachten der Superreichen genauso wie auf den<br />

Flugzeugträgern der britischen Marine. Fast 1.000 Schiffe<br />

hat Deerberg bislang ausgestattet.<br />

Deerberg bietet Komplettsysteme an: Brauchwasser und<br />

ölhaltiges Wasser wird mit Filteranlagen aufbereitet, Altglas,<br />

Papier, Dosen werden zerkleinert und fürs Recycling<br />

gesammelt. Für Speisereste gibt es ein Leitungssystem,<br />

das den Müll aus den einzelnen Küchen der Kreuzfahrtschiffe<br />

zu den Aufbereitungsanlagen im Schiffsrumpf<br />

Weite Welt<br />

� ort: oldenburg und die sieben Weltmeere<br />

leitet. Restmüll und Speisereste landen schließlich in hocheffizienten<br />

Verbrennungsanlagen. Am Ende bleiben davon<br />

zwei bis drei Prozent in Form von Asche übrig. Wenn die<br />

Schiffe in fernen Gewässern unterwegs sind, wo die Länder<br />

kein Recycling kennen, werden auch mal Papier & Co<br />

verbrannt. „Es geht nicht anders, die Schiffe haben nur<br />

begrenzt Platz. Und es ist immer noch besser, wenn man<br />

den Müll nach deutschen Umweltstandards verbrennt, als<br />

ihn dort abzugeben“, erklärt Ingo Eden, Marketingmanager<br />

bei Deerberg Systems.<br />

Der neuste Clou: ein Konverter, der den Müll quasi zusammenkocht.<br />

„Er ist eine Alternative zum Verbrennen,<br />

die Gewichtsreduktion im Ofen ist aber deutlich höher“,<br />

erklärt Eden. Und die Oldenburger haben noch viel vor.<br />

Nach den Kreuzfahrtriesen wollen sie jetzt auch Forschungsschiffe<br />

in der Antarktis ausstatten. Schließlich produzieren<br />

auch Wissenschaftler am Südpol reichlich Müll.<br />

www.deerberg-systems.com<br />

2-2012 | <strong>plietsch</strong> | 21


tiefe WASSeR<br />

� ort des Geschehens: Wattenmeer vor Wilhelmshaven<br />

frau Kröncke, was fasziniert Sie an Krebsen<br />

und Würmern? Mit zehn Jahren wollte<br />

ich Meeresbiologin werden. Ich hatte die Filme<br />

von Jacques Cousteau gesehen. Ich habe<br />

Meeresbiologie und Fischereiwirtschaft studiert.<br />

So kam ich zur Benthosökologie.<br />

Was macht eine Benthosökologin? Ich<br />

untersuche die Wechselwirkungen zwischen<br />

den Lebensgemeinschaften in und auf dem<br />

Meeresboden. Dazu gehören hauptsächlich<br />

wirbellose Tiere – Würmer, Krebse, Muscheln<br />

– und Plattfische.<br />

in welchen tiefen forschen Sie? Von null<br />

Meter im Watt bis zu 5.000 Metern im Südatlantik.<br />

Wir forschen weltweit.<br />

Wie verändern sich die lebensgemeinschaften<br />

am Grund der Nordsee? Durch<br />

den Klimawandel und die erhöhte Wassertemperatur<br />

nehmen die heimischen wärme-<br />

22 | <strong>plietsch</strong> | 2-2012<br />

Auf den<br />

Grund gehen<br />

liebenden Arten zu und die nördlichen ab.<br />

Von Schiffen werden Bioinvasoren eingeschleppt.<br />

Insgesamt wurden zirka 150 neue<br />

Arten in der Nordsee nachgewiesen. Auffällig<br />

ist die Pazifische Auster, die sich seit Ende<br />

der 90er-Jahre im Wattenmeer ausbreitet<br />

und die Miesmuschelbänke verdrängt. Die<br />

Miesmuschel integriert sich jetzt in die Austernriffe,<br />

das heißt: Beide Muschelarten vertragen<br />

sich inzwischen.<br />

Wird die Anpassungsfähigkeit der Natur<br />

unterschätzt? Die Probleme bestehen<br />

in menschlicher Sicht. Die Fischer sagen: Wir<br />

können die Miesmuscheln nicht mehr richtig<br />

befischen, die Riffe machen unsere Netze<br />

kaputt. Der Naturschützer sagt: Es soll alles<br />

so bleiben wie es ist. Aber selbst, wenn<br />

man die Austern wegfischen würde, dann<br />

reichte ein Eimer Austern, um das Watt wieder<br />

zu besiedeln. Die Ökosysteme ändern<br />

sich. Die Natur hat damit kein Problem.<br />

� ingrid Kröncke, fachgebietsleiterinMeeresbiologie<br />

beim<br />

Senckenberg am<br />

Meer, erforscht die<br />

lebensgemeinschaften<br />

am Boden der<br />

Nordsee.<br />

Wie wichtig ist die Benthosgemeinschaft<br />

für die Nordsee? Sie bildet die<br />

Nahrungsgrundlage für viele Fischarten wie<br />

Kabeljau oder Schellfisch. Benthosorganismen<br />

wandeln sedimentiertes organisches<br />

Material wieder in Nährstoffe um. Sie<br />

durchwühlen und belüften das Sediment.<br />

Das sind die Klärwerke der Nordsee, ohne<br />

sie würden die Meeresböden umkippen.<br />

Seepocke, Zigarettenspitzenwurm? Wer<br />

kommt auf solche Namen? Die sehen tatsächlich<br />

so aus, das ist ihre Morphologie.<br />

Wir selbst arbeiten mit lateinischen Namen,<br />

diese Trivialnamen sind zum Teil grauenhaft.<br />

Verraten Sie uns ihr lieblingstier? Der<br />

Seehase, Cyclopterus lumpus. Ein herrlicher<br />

Fisch, der seine Brustflosse zu Saugnäpfen<br />

umgebildet hat. Bezaubernd. Einfach süß!<br />

www.senckenberg.de


iengang Nautik_II<br />

� ort des Geschehens:<br />

hochschulen<br />

für Nautik in leer<br />

und elsfleth<br />

Chef an Bord<br />

Das problem: Der weltweite Warenaustausch über See<br />

wächst unvermindert und mit ihm die Welthandelsflotte.<br />

Während die Tonnage steigt, gehen an Bord die<br />

Führungskräfte aus. In der EU werden in den nächsten<br />

zehn Jahren 30.000 Schiffsoffiziere gebraucht.<br />

Die lösung: Seefahrt studieren. In Deutschland gibt es<br />

fünf Hochschulen mit dem Studiengang Nautik, gleich<br />

zwei davon sind in <strong>Niedersachsen</strong> beheimatet: Im ostfriesischen<br />

Leer und in Elsfleth an der Unterweser können<br />

seetaugliche Frauen und Männer den Bachelorabschluss<br />

in Nautik machen. Beide Hochschulen haben<br />

eine lange Tradition; die meisten Nautikabsolventen hat<br />

die Jade Hochschule an ihrem Standort Elsfleth.<br />

Das Studium: Um die großen Pötte sicher über die<br />

Weltmeere zu steuern, lernt man im Studium Navigieren<br />

und Manövrieren, maritimes Englisch und Meteorologie.<br />

Außerdem gehören Kenntnisse über die Stabilität<br />

von Schiffen, über Gefahrgüter und Ladungstechnik<br />

bis hin zum Seehandelsrecht zur Ausbildung. Vor<br />

der Theorie steht ein Praxissemester, in dem die Stu-<br />

NeUeR KURS<br />

dierenden auf einem Schiff ihre Wahl überprüfen können.<br />

Nach acht Semestern gibt es den Bachelorabschluss<br />

und das Befähigungszeugnis für die weltweite<br />

Seeschifffahrt. Bis zu den vier Streifen an der Uniform<br />

dauert es dann noch mindestens zwei Jahre: Vor dem<br />

Kapitänspatent müssen die Junioren als Dritte, Zweite<br />

und dann als Erste Offiziere Erfahrung auf großer<br />

Fahrt sammeln.<br />

Die Chancen: Nautische Offiziere mit deutschem Abschluss<br />

werden dringend gesucht. Allein auf den<br />

3.716 deutschen Handelsschiffen ist mehr als die<br />

Hälfte des Führungspersonals älter als 50 Jahre. Wem<br />

nicht der Sinn nach Öltanker oder Containerriesen<br />

steht, kann seinen Weg auch in der boomenden<br />

Kreuzfahrtbranche, auf Forschungsschiffen, in der<br />

Jachtindustrie oder als Lotse machen. Frauen sind übrigens<br />

in der Seefahrt im Kommen: In Elsfleth sind<br />

bereits 18 Prozent der Studierenden weiblich.<br />

www.jade-hs.de<br />

www.hs-emden-leer.de<br />

α0�<br />

α30�<br />

30�<br />

0�<br />

2-2012 | <strong>plietsch</strong> | 23


ZUKUNftSRAUSCheN<br />

24 | <strong>plietsch</strong> | 2-2012<br />

� Schmuckkästchen: Matthias<br />

Salinger in seinem zum Büro<br />

umgebauten Seecontainer<br />

ort des Geschehens:<br />

oldenburg


Living in a box<br />

Der oldenburger Architekt Matthias Salinger baut häuser aus Seecontainern.<br />

Normalerweise werden in Seecontainern Waren von<br />

einem Ort der Welt zum anderen transportiert. Der<br />

Oldenburger Architekt Matthias Salinger hat in einer<br />

solchen Kiste sein Büro bezogen. Das Haus besteht<br />

aus drei übereinander gestapelten und miteinander<br />

verbundenen Containern – inklusive Einbauküche,<br />

Bad und fünf hübschen Balkons.<br />

„Die Menschen wechseln immer häufiger Jobs und<br />

Wohnort. Häuser aus Stein passen da nicht mehr in<br />

die Zeit.“ Salingers Zukunftsvision und Geschäftsidee:<br />

ein Haus zum Mitnehmen. Und was eignet sich dazu<br />

am besten? Seecontainer. „Die haben Standardmaße,<br />

12,19 Meter lang, 2,45 Meter breit, und passen so<br />

auf jeden Lkw und auf jedes Schiff.“ In der Regel verwendet<br />

Salinger neuwertige Container, die maximal<br />

eine Tour hinter sich haben. Die Kisten sind schnell<br />

umgebaut, benötigen wenig Platz und eignen sich so<br />

auch für kleine Flächen. Die Grundstücke braucht<br />

man auch nicht mehr zu kaufen, pachten reicht. Die<br />

Wohnwürfel kann man zudem kombinieren, entweder<br />

übereinander, nebeneinander, aber auch als Anbau<br />

an bestehende Gebäude.<br />

Salingers Konzept ist ganz auf Flexibilität ausgerichtet:<br />

Wasser- und Stromanschlüsse liegen außerhalb,<br />

wie bei einem Wohnwagen. Statt mit aufwändig verlegten<br />

Leitungen, funktionieren die Lichtschalter per<br />

Funksignal. Eine Photovoltaikanlage auf dem Dach<br />

produziert Ökostrom, der auch zum Heizen genutzt<br />

werden kann. Ein weiterer Vorteil: Die Kisten sind gut<br />

isoliert. Salinger verwendet Zellulose als Dämmmaterial,<br />

also kleine Papierschnitzelchen. „Wir erfüllen die<br />

aktuellen Energiestandards“, betont er.<br />

Ganz neu ist die Idee allerdings nicht, räumt Salinger<br />

ein. „Viele Architekten haben schon mit Containern<br />

experimentiert. Aber das sind immer nur Einzelprojekte.“<br />

Mit seiner Firma „Salinger – Create your Cubes“<br />

will der Unternehmer die Würfel jetzt als flexible<br />

Wohnalternative groß vermarkten. Mit Handwerkern<br />

aus der Region hat er ein eigenes Produktionsunternehmen<br />

gegründet.<br />

Erste Wohn- und Gewerbecontainer von Salinger stehen<br />

bereits, selbst aus Saudi-Arabien gab es schon eine<br />

Anfrage. Und wie teuer ist der Spaß? „Eine einfache<br />

Ausstattung gibt es für rund 30.000 Euro. Wir<br />

sehen uns aber eher als exklusiven Anbieter. Nach<br />

oben gibt es keine Grenzen.“<br />

www.create-your-cubes.info<br />

2-2012 | <strong>plietsch</strong> | 25


feRNWeh<br />

Die Brücke am Kai<br />

Sind Sie <strong>plietsch</strong>? Gewinnen Sie ein Wochenende an der Nordsee. Dort, wo sich Meeresforscher,<br />

Kadetten und touristen tummeln. in Wilhelmshaven!<br />

Die stählerne Kaiser-Wilhelm-Brücke ist bis heute das markanteste<br />

Wahrzeichen der Stadt. Mit 159 Metern Spannbreite ist sie die<br />

größte Drehbrücke Deutschlands. Sie verbindet gleich mehrere Attraktionen:<br />

Das Marinemuseum mit Jagdboot, Zerstörer und einem<br />

richtigen U-Boot, in das sich jedes Jahr Zigtausend Besucher hineinzwängen.<br />

Gegenüber befindet sich das UNESCO-Weltnaturerbe<br />

Wattenmeer-Besucherzentrum. Hier ist nicht nur das Skelett eines<br />

vor Baltrum gestrandeten Pottwals zu bestaunen. Man erfährt auch<br />

viel über das Leben, die Gezeiten und Gefahren im Watt. An den<br />

Gestaden des Jadebusen kann man auch selbst im Watt wandern<br />

und stapfen – Wilhelmshaven wird nicht umsonst „Schlicktown“<br />

genannt. Zum Glück kommt täglich die Flut. Dann lässt sich die<br />

iMpReSSUM<br />

Nordsee an der mediterranen Südpromenade blicken und lädt für<br />

vier, fünf Stunden zum Baden ein. Wer anschließend über die Promenade<br />

schlendert, wird von Jugendstilbauten überrascht, die einzigartig<br />

sind an der deutschen Nordseeküste. Aber Wilhelmshaven<br />

bietet noch mehr Superlative: Die größten Containerschiffe der Welt<br />

werden schon bald in den neuen Jade-Weser-Port einlaufen. Und<br />

für alle, die es beschaulicher mögen: Die „Grüne Stadt am Meer“<br />

beherbergt auch Deutschlands kleinsten botanischen Garten!<br />

ihr Gewinn:<br />

Unter allen richtigen Einsendungen verlosen wir ein Verwöhnwochenende<br />

für zwei Personen mit zwei Übernachtungen im maritim-<br />

herausgeber: <strong>Innovatives</strong> <strong>Niedersachsen</strong> GmbH, Kurt-Schumacher-Str. 24, 30159 Hannover, Geschäftsführer Dr.-Ing. Stefan Franzke, E-Mail: info@nds.de.<br />

V.i.S.d.P. Barbara Mussack Autorinnen und Autoren: Eva-Maria Rexing, Vanessa Barth, Thomas van Laak, Jörn Lotze Bildquellen: Alle Fotos von Frank<br />

Schinski außer S. 6: RLS-Rettungstechnologie, Universität Hannover, S. 7: Fotolia, S. 16: Fotolia, S. 21: Deerberg Systems, S. 23: Illustration Michael Salow,<br />

S. 26 Wilhelmshaven Touristik & Freizeit GmbH Konzeption und layout: van Laak MEDIEN, mann + maus GmbH & Co. KG Druck: C.W. Niemeyer,<br />

Hameln Auflage: 480.000, gedruckt auf PEFC-zertifiziertem Papier<br />

26 | <strong>plietsch</strong> | 2-2012


elegant eingerichteten Doppelzimmer inklusive reichhaltigem Frühstücksbuffet<br />

im Hotel am Stadtpark **** sowie einen Eintrittsgutschein<br />

für zwei Personen für das Küstenmuseum in Wilhelmshaven.<br />

Entspannen Sie sich außerdem im Schwimmbad, im Fitnessbereich<br />

und der finnischen Sauna. Der Gutschein gilt bis zum 31.12.2013,<br />

auf Anfrage und nach Verfügbarkeit – nur nach vorheriger Reservierung.<br />

So geht`s:<br />

Senden Sie die Lösung mit Ihrer Anschrift und Rufnummer<br />

per E-Mail bis zum 31.8.2012 an: gewinnspiel@nds.de<br />

1. Aus welchem Stoff werden gute Segel gemacht ?<br />

V Darcroom<br />

W Dacron<br />

X Dragon<br />

2. Wie hieß das erste in Deutschland gebaute U-Boot?<br />

G U 1<br />

h Kieler Karpfen<br />

i Steinhuder Hecht<br />

3. Was ist ein Cyclopterus lumpus?<br />

K Seepferdchen<br />

l Seehase<br />

M Angsthase<br />

4. Welche häfen haben den größten tiefgang?<br />

f Baltrum und Helgoland<br />

G Hamburg und Bremerhaven<br />

h Rotterdam und Wilhelmshaven (Jade-Weser-Port)<br />

Mein lösungswort:<br />

1 2 3 4 5 6 7<br />

UNteRStÜtZeR VoN iNNoVAtiVeS NieDeRSAChSeN<br />

5. Wie lange ist eine Ananas mit dem Containerschiff<br />

unterwegs, bis sie bei uns eintrifft?<br />

D Bis zu 4 Tage<br />

e Bis zu 4 Wochen<br />

f Bis zu 4 Jahre<br />

6. Woran tüftelt Abeking & Rasmussen zur Zeit?<br />

K Weltraumrakete<br />

l SWASH-Schiff<br />

M WATCH-Tower<br />

7. Nach wem wurde Wilhelmshaven benannt?<br />

l Friedrich-Wilhelm<br />

M Wilhelm II.<br />

N Wilhelm Tell<br />

Gewinner des Preisrätsels in <strong>plietsch</strong> 1-2012 sind: Helena Barenbräucker<br />

(Holzwickede), Jacqueline Sahm-Rosbund (Argenbühl-Göttlishofen), Hildegard<br />

Burgild (Eschershausen), Sven-Alexis Fischer (Braunschweig). Herzlichen<br />

Glückwunsch!<br />

2-2012 | <strong>plietsch</strong> | 27


Plietsch.<br />

28 Seiten Schleichwerbung<br />

für <strong>Niedersachsen</strong>.<br />

Mehr Innovationen.<br />

Andere werben in Hochglanzmagazinen, wir<br />

drucken lieber unser eigenes. Mit 28 Seiten voll<br />

spannender Artikel über <strong>Niedersachsen</strong>. Denn<br />

wer viel erfindet, hat auch viel zu erzählen.<br />

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