BILDSTEIN
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BILDSTEIN
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Statue<br />
Speckstein, Iran,<br />
Ende<br />
6. Jahrtausend<br />
v. Chr.<br />
Louvre, Paris<br />
Foto: Jastrow 2006<br />
Von jeher hat der weiche, seifige Speckstein den Menschen<br />
fasziniert. Das beweisen bis 5000 Jahre alte Funde,<br />
die rund um die Welt gemacht wurden. Kultische und<br />
ku¨nstlerische Gegensta¨nde wie Schmuck, Grabbeilagen,<br />
Figuren, Gebrauchsgegensta¨nde wie Rollsiegel, Schminkgefa¨sse,<br />
Gussformen, O¨llampen, Becher, Pfannen, O¨fen<br />
wurden daraus geschaffen.<br />
Fu¨r das bildhauerische Gestalten eignet sich am besten<br />
der weichere Stein, etwa aus Indien, China, Thailand, Australien,<br />
A¨gypten, der ehemaligen Sowjetunion, Brasilien<br />
und Kanada.<br />
Die ha¨ufigsten Farben sind weiss, violett, rosa, gru¨n, grau,<br />
schwarz, braun und blau. Diese Farben kommen in vielen<br />
Abstufungen vor, zudem gibt es mehrfarbig marmorierte<br />
Sorten.<br />
In rohem oder halbpoliertem Zustand wirkt Speckstein<br />
staubig und grau. Farbe und individuelle Maserung zeigen<br />
sich erst, wenn der Stein poliert ist. In dieser Hinsicht<br />
a¨hnelt Speckstein dem Marmor.<br />
Die einzelnen Schichten des Steins sind, wie beim Graphit,<br />
leicht gegeneinander verschiebbar, woraus sich die leichte<br />
Bearbeitbarkeit erkla¨rt. Eine grosse Dichte und ein<br />
hohes spezifisches Gewicht �3g/cm 3 � fu¨hren dazu, dass<br />
<strong>BILDSTEIN</strong><br />
Speckstein in Kunst und Gebrauch<br />
Speckstein - ein Wunderstein?<br />
Schminkpalette in aufklappbarem,<br />
mit Ritzdekor versehenem Etui<br />
Speckstein, sumerisch, um 3000 vor Chr.<br />
Deutsches Historisches Museum,Berlin<br />
Sammlung Schwarzkopf<br />
Foto: Werner Lieberknecht<br />
Speckstein zeichnet sich durch eine Reihe bemerkenswerter<br />
Eigenschaften aus, die ihn zu einem sehr vielseitig einsetzbaren<br />
Material machen.<br />
Er<br />
speichert Wa¨rme,<br />
ist hitze- und frostbesta¨ndig,<br />
wirkt antistatisch,<br />
widersteht Basen und Sa¨uren,<br />
verursacht keinen Widerhall,<br />
ist leicht formbar,<br />
zeigt verschiedene Muster und Fa¨rbungen.<br />
Spinnwirteln, mit unterschiedlichen<br />
Querschnitten, 9./10. Jhd.<br />
Fundort: Haithabu<br />
Foto: Die Specksteinfunde<br />
aus Haithabu, 1979<br />
Großer, zweistufiger<br />
Giltsteinofen,<br />
bemalt, mit Wappen<br />
Hospenthal,<br />
Kanton Uri/Schweiz,<br />
Müllerhaus, dat. 1690<br />
Foto: B. Furrer<br />
man Speckstein leicht gla¨tten und polieren kann. Speckstein spielt auch heute eine gewichtige Rolle in Hand-<br />
Gestieltes<br />
Specksteingefäß<br />
aus einem<br />
wikingerzeitlichen<br />
Grabfund von<br />
Kvestad, Norwegen<br />
sowie trogförmiges<br />
Specksteingefäß<br />
aus einem Grab<br />
des 10. Jahrhunderts<br />
von Söndre Finstad,<br />
Norwegen.<br />
Museum Oslo<br />
Foto: Die Specksteinfunde<br />
aus Haithabu, 1979<br />
Kiugak Ashoona<br />
Cape Dorset, Nunavut<br />
Territory, Canada<br />
Iglu zerstörender Riese,<br />
1999<br />
Foto: Ansgar Walk<br />
Independence Hall,<br />
Philadelphia/USA<br />
Foto: Dan Smith<br />
Sockel und Fassungen<br />
aus „Steatit" für die<br />
Elekrotechnik<br />
werk und Technik, sowie in Industrie und Architektur.<br />
Er<br />
dient als Baumaterial,<br />
ist Hauptbestandteil keramischer Massen bei der<br />
Herstellung hochwertiger Produkte, zum Beispiel<br />
in der Elektrokeramik,<br />
findet Absatz in der Fliesenindustrie und<br />
bei Feuerfestprodukten,<br />
dient feinstgemahlen als Fliesshilfsmittel,<br />
wird in der Lebensmittel-, Kosmetik- und Pharma-<br />
Industrie verwendet,<br />
dient als Fu¨llstoff in der Papier- und<br />
Farbmittelindustrie,<br />
wird in seiner Eigenschaft als Trennmittel in<br />
pulverisierter Form in der Kabel- und Gummiproduktion<br />
gebraucht,<br />
findet Verwendung in der Glas,- Farben- und<br />
Papierindustrie sowie in der Autoindustrie,<br />
gilt als Heilmittel,<br />
eignet sich gut als Ersatzstoff fu¨r wertvollere<br />
Materialien,<br />
findet weltweit Einsatz in der Bildhauerei.
Ninsun,<br />
Mutter des Gilgamesch,<br />
Neo-sumerisch.<br />
Louvre, Paris<br />
Foto: Jastrow, 2005<br />
Lampe, Steatit<br />
Nishapur/Persien, 10./11. Jhd.<br />
Metropolitan Museum of Art (MET 40.170.121)<br />
Foto: MET<br />
<strong>BILDSTEIN</strong><br />
Speckstein in Kunst und Gebrauch<br />
Speckstein - ein Werkstoff der Kulturen<br />
Johannes Chrysostomus<br />
Steatit und Gold,<br />
Konstantinopel, 1. Hälfte 11. Jhd.<br />
Louvre, Paris<br />
Foto: Jastrow, 2005<br />
Die weltweit zahlreichen Funde aus vor- und fru¨hgeschichtlicher<br />
Zeit weisen darauf hin, dass Speckstein<br />
neben Holz, Horn, Bernstein und Alabaster eines der a¨ltesten<br />
verwendeten Materialien ist.<br />
Speckstein ermo¨glicht ein problemloses Gla¨tten und Polieren.<br />
Erst dann ist der leicht fettige Glanz und die marmorgleiche<br />
Struktur des Materials deutlich. Unverwechselbare<br />
Besonderheiten sind sein Aussehen, die Weichheit<br />
und die leichte Bearbeitungsweise des Steins.<br />
Gefa¨sse und Kultobjekte aus Speckstein waren bereits in<br />
der sumerischen und a¨ga¨ischen Kultur in Gebrauch. In<br />
A¨gypten stammen a¨lteste Zeugnisse fu¨r die Verarbeitung<br />
von Steatit - glasierte Perlen - aus dem 5. Jahrtausend vor<br />
Christus.<br />
Entsprechen den Fundorten in Nordamerika und Kanada,<br />
Indien und Afrika �z.B. Zimbabwe und Sierra Leone� ist<br />
belegt, das die Specksteinschnitzerei ihren festen Platz in<br />
der Handwerkskunst hatte. Auch in Peru, Marokko,<br />
Syrien und dem Ural zeigen Funde die grosse Bedeutung,<br />
die Speckstein in la¨ngst vergangenen Zeiten hatte.<br />
Besonders beliebt waren Specksteinarbeiten in China. Er<br />
lo¨ste spa¨testens seit dem 14. Jahrhundert die Benutzung<br />
der viel teureren Jade ab.<br />
Specksteinbearbeitung<br />
oben li.u.re.: Kourna/Ägypten, 1974<br />
unten li.: China, 2005<br />
Fotos: Karl Heinz Arnold<br />
unten re.: Specksteindreher,<br />
Wallis/Schweiz, um 1980<br />
aus: La pierre ollaire, 1996<br />
Sitzende Figur, Königin (Smenkhkare?)<br />
Steatit, Ägypten,<br />
18. Dynastie, zw. 1379 und 1362 v. Chr.<br />
Louvre, Paris<br />
Foto: Insecula.com<br />
Im no¨rdlichen Europa fand man Gebrauchsgegensta¨nde<br />
wie Beschwersteine, Gewichte, Senker fu¨r Fischereigera¨te,<br />
Gussformen fu¨r Bronze- und Silberbarren sowie Schmuckstu¨cke.<br />
Allein die mehr als 3400 Einzelfunde aus der fru¨hmittelalterlichen<br />
Wikingersiedlung Haithabu belegen ein<br />
weit verzweigtes Netz von Konsumenten skandinavischer<br />
Specksteinproduktion und die wichtige Bedeutung des<br />
Steins als Wirtschafts- und Handelsgut.<br />
Bis auf das westliche Alpengebiet, wo Specksteingefa¨sse<br />
bis in das 20. Jahrhundert in Gebrauch waren, ist in Europa<br />
die Verwendung des Steins als Material fu¨r Gebrauchsgegensta¨nde<br />
und kunstgewerbliche Objekte seltener.<br />
In der Blu¨tezeit des �Art Deco� erlangte<br />
Speckstein auch in Europa<br />
in Kunst und Kunsthandwerk gro¨ssere<br />
Wertscha¨tzung, suchte diese<br />
neue Stilrichtung nach innovativen<br />
Materialien fu¨r ihre neuen<br />
dekorativen �vor allem geometri-<br />
schen und linearen� Formen.<br />
Die in der Ausstellung gezeigten<br />
Stierkopfrhyton<br />
Neuer Palast Knossos, spätminoisch, 16. Jhd. v. Chr.<br />
Stierkopfrhyton aus Steatit mit Augen aus Bergkristall,<br />
eines der berühmtesten Kunstwerke<br />
der minoischen Kultur<br />
Archäologisches Museum Heraklion, Kreta<br />
Foto: Bildarchiv Steffens<br />
Anhänger in Form eines Schmetterlings<br />
Email und Steatit, England, um 1900<br />
Privatsammlung, England<br />
Foto: The Bridgeman Art Library<br />
Objekte zeigen einen Querschnitt aus verschiedenen Kontinenten<br />
und einem Zeitraum von den fru¨hen Hochkulturen<br />
bis in die heutige Zeit. Die a¨ltesten Stu¨cke sind<br />
dabei ein Ko¨nigsrollsiegel aus Anatolien �Djemdet Nasr-<br />
Zeit� um 3000 v. Chr, ein spa¨t-sumerischer Votivkopf, 18.<br />
- 15. Jahrhundert v. Chr. sowie a¨gyptische Skaraba¨en um<br />
1600 v. Chr.<br />
Einen Schwerpunkt der Pra¨sentation bildet das ferno¨stliche<br />
Kunsthandwerk des 17. bis 19. Jahrhunderts mit Buddha-<br />
Figuren, Teeka¨nnchen, diversen Kleinplastiken sowie<br />
reichhaltig gestalteten Vasen, die in China vor den Hausalta¨ren<br />
aufgestellt wurden. Sie dienten zum allta¨glichen<br />
Gebrauch, zur Zierde oder zur kultischen und religio¨sen<br />
Erbauung.<br />
Gezeigt werden Schutzgottheiten und Glu¨cksgeister,<br />
Mittler- und Helfergestalten, die als solche zur Besetzung<br />
des Hausalta¨rchens, das kaum in einem chinesischen Haus<br />
fehlte, geho¨rten.
<strong>BILDSTEIN</strong><br />
Speckstein in Kunst und Gebrauch<br />
Speckstein trotzt als Baustein Wind und Wetter<br />
Specksteinskulptur am Haupteingang der<br />
Pohjola Versicherungsgesellschaft,<br />
Helsinki/Finnland<br />
Foto: Bernard Epstein<br />
Das Gebäude wurde 1901 errichtet,<br />
Hilde Florin entwarf die Skulpturen.<br />
Wallfahrtskirche „Guter Jesus" von Congonhas/Brasilien, fertiggestellt 1772<br />
Weltkulturerbe seit 1985<br />
Foto: Bildarchiv Steffens/Rudolf Bauer<br />
Lebensgross, aus Speckstein geschnitten, stehen zwölf Apostel am Rande einer Terrasse,<br />
von der man weit ins Land blicken kann. Diese zwölf grossen, mit scheinbar dramatischer Bewegung<br />
ausgestatteten Figuren, verkörpern eines der besten Kunstwerke der damaligen Epoche.<br />
Sie wurden von Aleijadinho zwischen 1800 und 1805 geschaffen. Antonio Francisco Lisboa (1730-1814),<br />
genannt Aleijadinho, war der berühmteste Baumeister und Bildhauer des brasilianischen Barock.<br />
Sein Werk ist in mehreren Kolonialstädten des Bundesstaates Minas Gerais erhalten.<br />
Independence Hall, Philadelphia/USA<br />
Foto: Dan Smith<br />
Beweis für die Haltbarkeit von Speckstein als<br />
Baumaterial ist auch die Independence Hall<br />
in Philadelphia. Sie wurde 1736 - 1741 errichtet.<br />
Hier sind Fenstergewände, Brüstungselemente,<br />
Eckquader, Zahnleiste und Uhrgehäuse aus Speckstein.<br />
Kirchenportal aus Speckstein, um 1670<br />
Pfarrkirche Münster, Wallis/Schweiz<br />
Foto: Marco Werlen<br />
Medaillon an der Front von Sao Francisco,<br />
Ouro Preto/Brasilien<br />
Foto: David Davis<br />
In dem Medaillon ist das Wunder<br />
von Alverne (Verzückung des Hl.<br />
Franziskus) in Speckstein eingeschnitzt.<br />
Die Kirche wurde 1766-1794 errichtet und<br />
beeindruckt mit ihrem reichen Fassadenschmuck<br />
aus Speckstein, der neben dem<br />
Itacolomy-Granit ein häufig verwendeter<br />
Baustoff in Ouro Preto ist.<br />
Kathedrale von Nidoros,<br />
Trondheim/Norwegen<br />
Foto: Steve Ladman<br />
Im norwegischen Trondheim<br />
steht die älteste Specksteinkirche<br />
der Welt.<br />
Seit dem 12. Jahrhundert<br />
trotzen die Wände, Portale und<br />
Skulpturen der Kathedrale<br />
dem rauhen Seeklima.<br />
Sie ist trotz ihres beträchtlichen<br />
Alters noch immer<br />
hervorragend erhalten.<br />
Wegen seiner enormen Widerstandsfa¨higkeit wird Speckstein<br />
schon seit Jahrhunderten als Baumaterial eingesetzt.<br />
Er eignet sich vor allem daher, weil er leicht zu bearbeiten<br />
und gleichzeitig besonders besta¨ndig gegen Wind,<br />
Wetter sowie andere Umwelteinflu¨sse ist.<br />
Hervorragende Beispiele fu¨r „Specksteinarchitektur“ bietet<br />
Norwegen. Die mittelalterliche Kathedrale von Nidoros<br />
in Trondheim, die Kathedrale von Stavanger sowie die<br />
St. Mary`s Kirche in Bergen zeugen davon.<br />
Weitere Beispiele finden sich auf dem amerikanischen<br />
Kontinent. In der barocken Bauplastik Brasiliens �Barockkirchen<br />
des Bundesstaates Minas Gerais� spielt er eine bedeutende<br />
Rolle.<br />
Speckstein wurde und wird auch benutzt um Ha¨user zu<br />
verscho¨nern, er kommt zum Beispiel als Bodenbelag oder<br />
zur Verkleidung von Innenwa¨nden und Fassaden zum<br />
Einsatz.<br />
Cristusstatue auf dem Corcovado<br />
in Rio de Janeiro/Brasilien<br />
Foto: Bildarchiv Steffens/Rudolf Bauer<br />
Die 30 m hohe und 1.145 Tonnen wiegende Statue<br />
wurde von Heitor Silva Costa entworfen.<br />
Der französische Bildhauer Paul Landowski<br />
brauchte 5 Jahre bis zum Abschluss seiner Arbeit<br />
im Jahre 1931. Als Baumaterial verwendete man<br />
Beton mit einer Schicht Speckstein.
Speckstein mit einem ho¨heren Anteil an Magnesit und<br />
Penninit, wie dieser zum Beispiel in Nordkarelien sowie in<br />
Norwegen und Schweden vorkommt, verfu¨gt u¨ber eine<br />
hohe Wa¨rme- und Ka¨ltespeicherfa¨higkeit. Aus diesen ha¨rteren<br />
Sorten der no¨rdlichen Hemispha¨re werden auch<br />
heute noch O¨fen und Kochgeschirre gebaut.<br />
Seine gute Feuerfestigkeit und das hohe Wa¨rmespeichervermo¨gen<br />
haben den Vorteil, dass - im Gegensatz zu anderen<br />
Gesteinen, die bei starker Hitzeeinwirkung zerspringen<br />
- Speckstein Jahrzehnte unbeschadet u¨berdauert<br />
und beispielsweise Speisen, einmal erhitzt und gegart,<br />
mehrere Stunden warm bleiben. Diese Eigenschaften<br />
machten den Speckstein zum begehrten Rohstoff fu¨r<br />
O¨fen, Lampen und Kochgeschirr. Archa¨ologische Funde<br />
bezeugen die Verarbeitung des Steins zu Kasserollen,<br />
Essesteinen und Gussformen.<br />
Angesichts des Vorteils eines Specksteinofens - er gibt die<br />
Wa¨rme langsam und gleichma¨ssig ab - kommt es heute in<br />
Zeiten eines neuen Energiebewusstseins zu einer Renaissance<br />
dieser Ofenbauart.<br />
Die Firma TULIKIVI ist neben weiteren Anbietern heute<br />
der weltweit gro¨sste Verarbeiter von Speckstein und Hersteller<br />
von industriell gefertigten Speichero¨fen. Der<br />
Speckstein wird in der hu¨geligen Landschaft von Ostfinnland<br />
in Juuka, Suomussalmi und Kuhmo abgebaut. Das<br />
Unternehmen bescha¨ftigt mehr als 600 Fachleute der<br />
Steinbranche.<br />
Aus einem aktuellen Prospekt<br />
der Firma TULIKIVI, Finnland<br />
Specksteinofen „VALKIA“<br />
Foto: TULIKIVI, www.tulikivi.com<br />
<strong>BILDSTEIN</strong><br />
Speckstein in Kunst und Gebrauch<br />
Feuer wärmt den Stein<br />
Verkauf von Specksteinpfannen<br />
Foto: Eidg. Archiv fu¨r Denkmalpflege, Bern<br />
Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts gehörten auf dem Markt in Locarno<br />
Specksteinpfannen zum alltäglichen Angebot.<br />
Barrengussformen, 9./10. Jh.<br />
Fundort: Haithabu<br />
Foto: Die Specksteinfunde aus Haithabu, 1979.<br />
Auch in den franzo¨sischen, schweizerischen, o¨sterreichischen<br />
und italienischen Alpengebieten wurde der sa¨ureund<br />
feuerfeste Werkstoff vor allem fu¨r To¨pfe, O¨fen, Gussformen<br />
und Schmelztiegel sehr gescha¨tzt.<br />
Selbst in einer Liste ro¨mischer Handwerksberufe findet<br />
man den �Specksteindreher�, welcher gedrehte bzw.<br />
gedrechselte Gefa¨sse aus Speckstein anfertigte, die als feuerfestes<br />
Kochgeschirr dienten. Ein Importartikel aus dem<br />
alpinen Raum waren aus Speckstein �Lavez� gedrechselte<br />
Kochto¨pfe, Deckel und Backplatten, die vor allem fu¨r das<br />
3. und 4. Jahrhundert �Augusta Raurica, Kanton Basel�<br />
nachgewiesen sind.<br />
Specksteinpfannen wurden noch bis ins 20. Jahrhundert<br />
hinein zum langsamen Garen auf dem Kohleherd verwendet.<br />
Die modernen Lebensgewohnheiten fu¨hrten zum Niedergang<br />
dieses jahrhundertealten Handwerks.<br />
Stube im Val d`Illiez,Wallis/Schweiz, um 1950<br />
Links: Giltsteinofen, dat. 1824<br />
Foto: Peter Ammon/AURA<br />
Beim Walliser Ofen handelt es sich um einen großen, zwei- bis dreistöckigen Hinterladerofen,<br />
der von außen, von der Küche her, beheizt wurde. Zu seiner Herstellung verwendet man Speckstein,<br />
im deutschsprachigen Oberwallis „Giltstein“, in Zermatt wohl wegen seiner Weichheit „Lindflüe“,<br />
im französisch sprechenden Unterwallis „pierre ollaire“ genannt.<br />
Giltstein ist ein Gemisch aus Serpentin, Talk und Asbest. Serpentin ist das Ausgangsmaterial.<br />
Je mehr Talk enthalten ist, umso leichter ist der Stein zu bearbeiten. Beim Erhitzen wird er etwas<br />
härter, ohne jedoch zu reißen oder zu springen, was ihm eine Feuersicherheit verleiht,<br />
die ihn für den Ofenbau in den sonnengebräunten Holzhäusern des Wallis prädestiniert.
<strong>BILDSTEIN</strong><br />
Speckstein in Kunst und Gebrauch<br />
Aus Speckstein wird High-Tec<br />
Speckstein la¨sst sich durch einen Brand bei 1300°C unter<br />
Beibehaltung seiner Form in ein hartes und widerstandsfa¨higes<br />
Material u¨berfu¨hren. Im Mittelalter fertigte man<br />
auf diese Weise zum Beispiel Kanonenkugeln, spa¨ter auch<br />
Flintenkugeln. Fu¨r das 18. Jahrhundert sind Specksteinformen<br />
fu¨r den Zinn-, Messing- und Silberguss belegt. Insgesamt<br />
war jedoch in der vorindustriellen Zeit die Nutzung<br />
von Speckstein fu¨r handwerklich/technische Anwendungen<br />
gering.<br />
Kleine Teile mit großer Zukunft<br />
Erst mit der Einfu¨hrung der Gasbeleuchtung �erstmals in<br />
England, 1807� bekam Speckstein gro¨ssere Bedeutung,<br />
nachdem man, infolge einer Anregung von Justus von<br />
Liebig, erkannt hatte, dass sich dieses Material hervorragend<br />
fu¨r die Herstellung von Gasbrennern eignet. Da bei<br />
der Brennerherstellung nur ein relativ geringer Teil des<br />
Ausgangsmaterials verwertet wurde, hatten sich betra¨chtliche<br />
Vorra¨te an pulverfo¨rmigem Speckstein angesammelt.<br />
Durch Zusatz von geringen Mengen Ton und<br />
Feldspat gelang es, die Abfa¨lle<br />
nach keramischen Gesichtspunkten<br />
zu verarbeiten.<br />
Das neue Material erhielt<br />
den aus dem Griechischen<br />
stammenden Namen<br />
fu¨r Speckstein: Steatit.<br />
Elektro- und<br />
Steatitindustrie im<br />
Aufschwung<br />
Bald kehrten sich die Verha¨ltnisse<br />
um, indem man<br />
Speckstein bewusst zerkleinerte,<br />
um Steatit daraus<br />
herzustellen. Einen gewaltigen<br />
Aufschwung nahm<br />
na¨mlich die Fertigung von<br />
Steatit in den 1920er Jah-<br />
Werbeseite der<br />
Steatit-Magnesia Aktiengesellschaft, 1936<br />
aus: www.xs4all.nl/˜aobauer/steatit-magnesia.htm<br />
ren, als man seine positiven Eigenschaften fu¨r die Elektrotechnik<br />
entdeckte und wenig spa¨ter im Bariumsteatit<br />
einen Werkstoff fand, der bei Hochfrequenz nur sehr geringe<br />
Verluste aufwies. Gu¨nstig fu¨r die zunehmende Verbreitung<br />
erwies sich auch die Mo¨glichkeit, Steatitteile im<br />
Trockenpressverfahren �z.B. Oskar Sembach, 1903� herzustellen<br />
und damit eine gute Masshaltigkeit zu erzielen.<br />
Steatit setzte sich als Isolationsmaterial in der Elektrotechnik<br />
durch. Verwendet wurden die Steatitteile zum<br />
Beispiel in Lichtschaltern, Verteilerdosen, Lampenfassungen,<br />
Klingelkno¨pfen sowie in der Hochfrequenz- und<br />
Fernmeldetechnik.<br />
Specksteinverarbeitung<br />
zu Schweißerkreide, um 1930<br />
Johanneszeche<br />
bei Göpfersgrün/Fichtelgebirge<br />
Foto: Bergbauverein Johanneszeche e.V.<br />
Das Nu¨rnberger Land entwickelte sich zum Zentrum der<br />
Steatitproduktion. Einen hochwertigen Speckstein bezog<br />
man aus Go¨pfersgru¨n, einem kleinen Ort in der Na¨he von<br />
Wunsiedel/Fichtelgebirge, mit zunehmender Produktion<br />
auch aus Indien und Australien. Gro¨sster Lieferant heute<br />
ist �Talc de Lucenac�, eine Mine in Australien. Bayern ist<br />
heute ein weltweit fu¨hrendes Zentrum fu¨r die Produktion<br />
Technischer Keramik. Noch heute befinden sich hier fu¨nf<br />
traditionsreiche Unternehmen, die Bauteile aus Steatit<br />
sowie aus den neueren Oxid- und Nicht-Oxid-Keramiken<br />
produzieren.<br />
Preisliste, um 1935<br />
aus: Jubila¨umsschrift Sembach<br />
Technische Keramik 1904-2004<br />
Heute sind typische Anwendungen Lampensockel,<br />
Reglersockel, Isolierko¨rper fu¨r KFZ-Scheinwerferbirnen,<br />
Isolierperlen, NH-Sicherungen, Geha¨useteile und Grundplatten.<br />
Verwendung findet dieses Material auch in den<br />
Reglersockeln der Ceran-Kochfelder.<br />
Fabrikgebäude (Teilansicht),<br />
vor 1936<br />
aus: Jubila¨umsschrift Sembach<br />
Technische Keramik 1904-2004
<strong>BILDSTEIN</strong><br />
Speckstein in Kunst und Gebrauch<br />
Steinbildhauerei in Zimbabwe<br />
Die zimbabwische Steinskulptur ist eine singula¨re Erscheinung<br />
im Kontext der afrikanischen Kunst. Eine vergleichbare<br />
Kunst hat es in keinem anderen afrikanischen<br />
Land gegeben. Singula¨r ist diese Kunst auch insofern, als<br />
sie praktisch aus dem Nichts, also aus keiner Tradition<br />
heraus entstand.<br />
In der Vergangenheit gab es eine Tendenz, die Arbeiten<br />
der Bildhauer Zimbabwes als die einer einzigen kulturellen<br />
Gruppe anzusehen und sie als Shona zu bezeichnen.<br />
Dies mag zu Beginn der Bildhauerbewegung dem Zweck<br />
der Kennzeichnung gedient haben. Etliche bedeutende<br />
Ku¨nstler geho¨ren in Wirklichkeit jedoch nicht dem Stamm<br />
der Shona an.<br />
Es waren die besonderen Umsta¨nde der Geschichte des<br />
Landes, die zu diesem Aufstieg beigetragen haben. In den<br />
1950er Jahren wurde Su¨drhodesien, wie Zimbabwe damals<br />
hiess, zur Bu¨hne eines vergleichsweise liberalen multirassischen<br />
Experiments, zumindest in kultureller Hinsicht.<br />
In der Hauptstadt Harare wurden eine Universita¨t<br />
sowie eine Nationalgalerie gegru¨ndet. Der erste Direktor<br />
der neuen Nationalgalerie wurde der Brite Frank<br />
McEwen. Seine Rolle bei der Entwicklung der �neuen<br />
Kunstrichtung� kann nicht u¨berscha¨tzt werden. Er hatte<br />
in den 1930er Jahren in Paris erfahren, welche Impulse<br />
von der ethnischen afrikanischen Kunst fu¨r die moderne<br />
europa¨ische Malerei und Plastik ausgingen. Sein Interesse<br />
war, zu den Wurzeln selbst zu gehen, die kreativen<br />
Potenzen Afrikas aufzuspu¨ren und in dem aufgeschlossenen<br />
Klima Rhodesiens die Entwicklung der einheimischen,<br />
wie er dachte, unverfa¨lschten Kunst zu fo¨rdern.<br />
Edward Chiwawa<br />
wurde 1935 in Zimbabwe geboren. Seit 1970 arbeitet<br />
er als Steinbildhauer zunächst in Tengenenge und dann in Harare.<br />
Er gilt als einer der erfolgreichsten<br />
noch lebenden Bildhauer der ersten Generation.<br />
Ausstellungen:<br />
Heritage Exhibition, National Art Gallery, Harare, 1986-1989<br />
Institut für Auslandsbeziehungen, Stuttgart, 1989<br />
International Small Sculptures, Budapest, 1986<br />
Millesgarden Museum, Stockholm, 1990<br />
Gruppenausstellungen in<br />
England, Australien, Deutschland,<br />
Italien, Frankreich, Holland, Amerika<br />
seit 1998<br />
Foto: shona-art.com<br />
Geschnitzter Vogel,<br />
Steatit<br />
Zimbabwe, 13.-15. Jh.<br />
Privatsammlung, England<br />
Foto:<br />
The Bridgeman Art Library<br />
Tatsa¨chlich gab es schon eine Art Steinbildhauerei in<br />
Zimbabwe und zwar die realistische Darstellung wilder<br />
Tiere, meistens in weichem Speckstein. Eine kleine<br />
Gruppe lo¨ste sich von dieser, fu¨r die Touristen gedachten<br />
Produktion. Massgeblich angeregt und gefo¨rdert von<br />
McEwen entwickelte sich zu Beginn der 1960er Jahre eine<br />
Szene junger talentierter afrikanischer Steinbildhauer. Zu<br />
den ersten geho¨rten Yoram Mariga, John Takawira,<br />
Henry Munyaradzi, Nicolas Mukomberanwa und Joseph<br />
Ndandarika. Sie alle wurden spa¨ter die fu¨hrenden Repra¨sentanten<br />
der neuen Bewegung. McEwen verlangte von<br />
den noch jungen Ku¨nstlern, Kunst um der Kunst willen zu<br />
machen und sich von ihren inneren Bildern und den<br />
Mythen ihres Volkes, der Shona, inspirieren zu lassen. Der<br />
Begriff der �Shona Sculpture� war geboren. 1965 wurden<br />
die ersten Arbeiten im Ausland gezeigt. 1968 waren<br />
Arbeiten in einer Ausstellung des New Yorker Museum of<br />
Modern Art zu sehen. Mit der Sonderausstellung im<br />
Pariser Muse´e Rodin �1971� erfolgte die internationale<br />
Anerkennung. In ihren Motiven waren diese fru¨hen<br />
Arbeiten durchaus afrikanisch. In oft anthropomorphen<br />
Figuren versinnbildlichten sie den Glauben an die<br />
urspru¨ngliche Einheit von Mensch und Tier.<br />
Auch an anderen Orten wurde die Kreativita¨t gefo¨rdert.<br />
1966 gru¨ndete Tom Blomefield im Nordosten Zimbabwes,<br />
die vo¨llig andersartige Ku¨nstlergemeinschaft Tengenenge,<br />
welche von hohen Bergen und eindrucksvollen<br />
Felsen aus hartem, bearbeitbarem Serpentin umgeben ist.<br />
Am 11.11.1965 erkla¨rte Ian Smith einseitig die Unabha¨ngigkeit<br />
Rhodesiens, dies fu¨hrte zu internationalen Sanktionen.<br />
Blomefield war es nicht mehr mo¨glich, seinen Arbeitern,<br />
von denen viele aus Malawi, Mozambique, Sambia<br />
und Angola kamen, eine feste Arbeit zu geben. Er riet<br />
ihnen von der Farmarbeit zur Kunst zu wechseln. Mit<br />
a¨hnlichen Regeln wie McEwen, ermutigte Blomefield die<br />
werdenden Ku¨nstler ihre Seele zu suchen und das zu gestalten,<br />
was dabei zum Vorschein kam. Es ist sein Verdienst,<br />
dass so ausserordentliche Talente wie Lemon Moses,<br />
Bernard Matemera, Josiah Manzi, Wazi Maicolo,<br />
Amali Malola, Henry Munyaradzi und Sylvester Mubayi<br />
zu ihrem Ausdruck fanden.<br />
nach: Volker Wild. Skulpturen aus Zimbabwe<br />
aus: www.privatsammlung-wild.de
Eskimofamilie,<br />
der Mann schnitzend,<br />
die Frau bei Näharbeiten<br />
aus:<br />
National Geographic Magazin,<br />
Volume 31 �1917�, S. 564<br />
<strong>BILDSTEIN</strong><br />
Speckstein in Kunst und Gebrauch<br />
Zeitgenössische kanadische Inuit-Kunst<br />
Die heute als charakteristisch bekannte Bildhauerkunst<br />
�Steinschnitzerei� der Inuit nahm ihren Anfang erst gegen<br />
Ende der 1940er Jahre zu der Zeit, als die Inuit versta¨rkt<br />
aus ihren traditionellen Camps in feste Siedlungen zogen.<br />
Diese neue Kunstform, die schon bald als �Eskimokunst�<br />
bekannt wurde, kann zwar im Versta¨ndnis der westlichen<br />
Kultur als �Kunst� bezeichnet werden, in der Sprache der<br />
Inuit �der kanadischen Eskimos�, gibt es dafu¨r jedoch<br />
keine Begrifflichkeit. �Kunst� in ihrem Sinne ist gewo¨hnlich<br />
ein Vorgang, der sich eher auf die Ta¨tigkeit des �Herstellens�<br />
als auf das fertige Produkt selbst bezieht.<br />
Schnitzarbeiten waren in der traditionellen Kultur der<br />
Inuit weit verbreitet. Als Material fu¨r die mit kunstvollen<br />
Dekorationen versehenen Gegensta¨nde des ta¨glichen<br />
Lebens, dienten u.a. Elfenbein aus den Za¨hnen von Walross<br />
und Narwal, Karibu-Geweih und Moschusochsenhorn.<br />
Den einfach zu bearbeitenden Speckstein verwendete<br />
man am Lagerplatz vor Ort, vor allem fu¨r Kochto¨pfe<br />
und fu¨r die flachen Schalen der Tranlampen. Die zur Herstellung<br />
notwendigen Fertigkeiten und die verwendeten<br />
Muster, dieser in unserem Versta¨ndnis �funktionsbezogenen<br />
Kunst�, wurden von Generation zu Generation weitergegeben.<br />
Zwar fu¨hrte die Anpassung an die neuen Lebensbedingungen<br />
zu Verwerfungen im traditionellen Sozialgefu¨ge der<br />
Inuit, etwas Aussergewo¨hnliches jedoch hat das Aufeinandertreffen<br />
der traditionellen Inuit-Kultur mit der westlichen<br />
Industriekultur bewirkt: einen ku¨nstlerischen Aufbruch<br />
von ungeahnter Kraft, gerade zu jener Zeit, als die<br />
Identita¨t der Inuit am meisten bedroht war.<br />
Eine besondere Rolle bei der eruptiven Entwicklung<br />
ku¨nstlerischen Gestaltens spielte Cape Dorset am Su¨dwestrand<br />
der Baffininsel, mit einer grossen Anzahl von<br />
Ku¨nstlern, welche die zeitgeno¨ssische Inuit-Skulptur wesentlich<br />
beeinflusst haben. Den Grundstock hierzu legten<br />
James und Alma Houston, die sich 1951 hier niederliessen<br />
und das kreative Potenzial der Inuit erkannten. Sie fo¨rderten<br />
das Gestalten von ausdrucksstarken Skulpturen<br />
und spa¨ter auch die Anwendung europa¨ischer Steindrucktechniken.<br />
Daneben haben sich Baker-Lake und die Keewatin-Region<br />
sowie Pangnirtung �Region Nunavut� zu wichtigen Zentren<br />
entwickelt. Ausser diesen grossen Kunstzentren gibt<br />
es viele weitere Siedlungen, wo namhafte Inuit-Ku¨nstler<br />
arbeiten.<br />
Je nach Region ist der Stein unterschiedlich hart und farbig,<br />
der traditionelle weiche Speckstein, eine weisse/<br />
graue/graugru¨ne Variante kommt vor allem im Su¨dosten<br />
Nunavuts vor. Von dort stammen die meisten fein ausgearbeiteten<br />
Tier- und Menschenfiguren, oft schwarz eingefa¨rbt<br />
und poliert. Im Nordwesten findet man meist den<br />
harten, fast granita¨hnlichen Stein, hier entstanden die<br />
grob behauenen, eher abstrakten Skulpturen. Heute ist<br />
Stein aller Ha¨rten und Schattierungen das Material der<br />
Ku¨nstler. Moderne Maschinen wie Elektromeissel und<br />
Schleifgera¨te machen heute aber auch grosse, fein geformte<br />
Figuren mo¨glich.<br />
A¨ltere Stu¨cke und Werke beru¨hmter Meister erzielen hohe<br />
Sammlerpreise. Um Ka¨ufer vor illegalen Kopien zu schu¨tzen,<br />
hat die kanadische Regierung ein Echtheitszertifikat<br />
eingefu¨hrt.<br />
Neben diesen hochwertigen Einzelstu¨cken gibt es auch<br />
eine Produktion weniger bedeutender, meist kleinerer<br />
Objekte, die vergleichbar der heutigen �Volkskunst� aus<br />
Asien, Su¨damerika, Afrika, Europa und Russland weitgehend<br />
fu¨r den Touristen-Markt hergestellt werden.<br />
nach: George Swinton. Sculpture of the Inuit, 1994.<br />
sowie: www.dfait-maeci.gc.ca<br />
Inuit-Steinschnitzer in seiner Arbeitshütte<br />
Napatsi Ashoona, Cape Dorset, 1999<br />
Foto: Ansgar Walk
Die Freizeitgruppe<br />
in der Werkstatt-Galerie 37<br />
Stiftung Blindenanstalt<br />
Frankfurt am Main, 2006<br />
Foto: Heike-Marei Hess<br />
Speckstein eignet sich fu¨r den ersten Einstieg in das dreidimensionale<br />
Gestalten und nimmt in der Kunstpa¨dagogik,<br />
Kunsttherapie und Rehabilitation einen festen Platz ein.<br />
Speckstein ist kostengu¨nstig, la¨sst sich leicht beschaffen<br />
und mit einfachen Werkzeugen bearbeiten. Die Vielfalt in<br />
Farbe und Maserung, die seidige Gla¨tte der Oberfla¨che und<br />
die Weichheit des Staubes animieren<br />
zum Beru¨hren und Bearbeiten.<br />
Besondere Bedeutung<br />
erlangt Speckstein in der kunstpa¨dagogischen<br />
Arbeit mit sehgescha¨digten<br />
Menschen, wie sie<br />
seit 1989 in der Werkstatt-<br />
Galerie 37 der Stiftung Blindenanstalt<br />
Frankfurt am Main realisiert<br />
wird.<br />
Obwohl sich Skulpturen in ihrer Materialita¨t und Ko¨rperlichkeit<br />
anbieten, auch tastend erfahren zu werden, wurde<br />
blinden und sehbehinderten Menschen bis in die erste<br />
Ha¨lfte des 20. Jahrhunderts die Fa¨higkeit zum Erleben eines<br />
Kunstwerkes und zur eigenen scho¨pferischen Leistung<br />
abgesprochen. Erst seit den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts<br />
wird �Bildhaftes Gestalten� an Blindenschulen<br />
unterrichtet.<br />
Im Freizeitbereich realisiert<br />
die Stiftung Blindenanstalt<br />
mit der Werkstatt-<br />
Galerie 37 ein bundesweit<br />
einmaliges Angebot, das<br />
blinden und sehbehinderten<br />
Menschen die Entwicklung<br />
ihrer kreativen<br />
und gestalterischen Fa¨higkeiten<br />
und Interessen ermo¨glicht.<br />
Die Specksteinarbeiten<br />
der Werkstattmitglieder<br />
im Alter zwischen<br />
29 und 83 Jahren umfassen<br />
ein breites Spektrum<br />
von Schmuckanha¨ngern<br />
und Gebrauchsgegensta¨nden<br />
bis hin zu figu¨r-<br />
<strong>BILDSTEIN</strong><br />
Speckstein in Kunst und Gebrauch<br />
Die Werkstatt-Galerie 37<br />
Mitglied der Werkstatt-Galerie 37<br />
bei der Gestaltung eines Engels<br />
Stiftung Blindenanstalt<br />
Frankfurt am Main, 2006<br />
Foto: Heike-Marei Hess<br />
Besuch der Ausstellung „Von Köpfen und Körpern“<br />
Museum Giersch, Frankfurt am Main, 2006<br />
Stiftung Blindenanstalt Frankfurt am Main, 2006<br />
Foto: Heike-Marei Hess<br />
lichen und abstrakten Formen. Anregungen fu¨r die Gestaltung<br />
liefern neben eigenen Ideen, die Naturform des<br />
Steines, in der Galerie ausgestellte Skulpturen der Werkstattmitglieder,<br />
Modelle sowie Museumsbesuche.<br />
Bei Bedarf werden mittels Hilfslinien - tastbarer Rillen -<br />
die Proportionen festgelegt und so die Orientierung am<br />
Stein erleichtert. Entlang der Hilfslinien werden Teilformen<br />
und Details herausgearbeitet. Die Oberfla¨che kann<br />
glatt poliert oder nachtra¨glich strukturiert werden. Das<br />
Material Speckstein ermo¨glicht eine langsame und<br />
schrittweise Entwicklung der Skulptur, bietet jedoch so<br />
viel Widerstand, dass sich das Objekt beim Ertasten nicht<br />
verformt. Mit ruhigen wiederholten Tastvorga¨ngen ko¨nnen<br />
Form- und Strukturvera¨nderungen genau nachvollzogen<br />
werden. Bei gro¨sseren Objekten, deren Gesamtgestalt<br />
sukzessive erfasst werden muss, erfordert dieser Prozess<br />
ein hohes Mass an Konzentration und ein gutes ra¨umliches<br />
Vorstellungsvermo¨gen.<br />
Mitglied der Werkstatt-Galerie 37 bei der Gestaltung einer Maske<br />
Stiftung Blindenanstalt Frankfurt am Main, 2006<br />
Foto: Heike-Marei Hess<br />
Der Tastvorgang ist ein ho¨chst komplexer Prozess, in dem<br />
Haut- und Bewegungssinne zusammenwirken �haptische<br />
Wahrnehmung�. Die Haut, mit einer Fla¨che von knapp 2 m 2<br />
unser gro¨sstes Sinnesorgan, verfu¨gt u¨ber verschiedene<br />
Rezeptoren, die Druck, Wa¨rme, Ka¨lte, Vibration, Schmerz,<br />
Kitzel usw. empfangen. Bewegungsrezeptoren in Muskeln,<br />
Sehnen und Gelenken vermitteln die Bewegung und<br />
Stellung der Gliedmassen.<br />
Rehabilitand bei der Gestaltung eines Hasen<br />
Stiftung Blindenanstalt Frankfurt am Main, 2006<br />
Foto: Heike-Marei Hess<br />
Entscheidenden Einfluss auf<br />
die Arbeitsweise hat der Zeitpunkt<br />
der Erblindung. Wo fu¨r<br />
spa¨t erblindete Menschen, besonders<br />
wenn sie sich die<br />
Fa¨higkeit zur Visualisierung<br />
bewahrt haben, die Meinung<br />
und Korrektur Sehender durchaus<br />
von Bedeutung ist, haben<br />
geburts- und fru¨herblindete<br />
Menschen eher die Mo¨glichkeit, rein aus der Erfahrungswelt<br />
des haptischen Erlebens zu gestalten.