Stadtspiegel 10 11 2010 - der Stadt Eisenhüttenstadt
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durch seine Verbindung mit<br />
Emma, geborene Stutius, einer<br />
“Arierin“. Emma Fellert, so<br />
wird berichtet, wollten<br />
Nachbarn während <strong>der</strong><br />
Evakuierung mitnehmen, aber<br />
nicht ihren jüdischen Ehemann.<br />
Der Zigarrenhändler<br />
Max Berger, Sanitäter im<br />
Volkssturm - so erzählte er<br />
später dem Journalisten<br />
Alexan<strong>der</strong> Stöcker - habe<br />
Fellert angeboten, ihm eine<br />
Rot-Kreuz-Uniform zu<br />
beschaffen, damit er “heil<br />
durchkommt.” Fellert lehnte<br />
ab. Aus Angst?<br />
Wegen seines unerlaubten<br />
Aufenthaltes im frontnahen<br />
Gebiet und in dem zur Festung<br />
erklärten Fürstenberg war<br />
Siegfried Fellert offenbar nicht<br />
mehr geschützt.<br />
Es war Winter und ein Heizen<br />
<strong>der</strong> Wohnung unerlässlich,<br />
wollte man nicht erfrieren. Der<br />
rauchende Schornstein soll das<br />
Ehepaar verraten haben. Er<br />
veranlasste einen Polizisten<br />
<strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> o<strong>der</strong> die Feldgendarmerie,<br />
in das von den Fellerts<br />
bewohnte Haus einzudringen<br />
und das Ehepaar festzunehmen.<br />
Sicherlich wurden sie<br />
erst zum Gefechtsstand<br />
gebracht, <strong>der</strong> sich in <strong>der</strong><br />
Molkerei befand. (Sie stand in<br />
<strong>der</strong> heutigen Beeskower<br />
Straße, eine <strong>der</strong>zeit unbebaute<br />
Fläche zwischen dem Umspannwerk<br />
und <strong>der</strong> Tankstelle.)<br />
Ob Siegfried Fellert gleich<br />
als Jude erkannt wurde o<strong>der</strong><br />
erst durch Hinweise von<br />
Angehörigen <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong>verwaltung,<br />
ist nicht bekannt. Es gab<br />
allerdings 1947 einen Gerichtsprozess,<br />
bei dem die Tochter<br />
verstarb während <strong>der</strong> Haft.<br />
Nach 1990 wurde Rogsch<br />
Zwillingsschachtschleuse um 1935 Repros: G. Fromm<br />
des stellvertretenden Bürgermeisters<br />
angeklagt wurde. Ihr<br />
wurde zur Last gelegt, bei <strong>der</strong><br />
Identifizierung von Siegfried<br />
Fellert mitgewirkt zu haben.<br />
Da sie 1945 noch nicht<br />
volljährig war, erhielt sie<br />
lediglich eine Jugendstrafe.<br />
Wenn es Verantwortliche <strong>der</strong><br />
<strong>Stadt</strong> gegeben haben soll, die<br />
dem <strong>Stadt</strong>kommandanten<br />
Fellerts jüdische Herkunft<br />
mitgeteilt haben, dann waren<br />
diese für die deutsche Justiz<br />
nicht greifbar, da sie sich zu<br />
dieser Zeit in Speziallagern <strong>der</strong><br />
sowjetischen Besatzungsmacht<br />
befanden. Während <strong>der</strong> NS-<br />
Bürgermeister Georg Mertsch<br />
im Lager verstarb, wurde sein<br />
Vertreter im Wohlfahrts- und<br />
Einwohnermeldeamt, Erich<br />
Rogsch, während <strong>der</strong> sogenannten<br />
Waldheim-Prozesse<br />
1950 zu einer mehrjährigen<br />
Zuchthausstrafe verurteilt und<br />
postum rehabilitiert, so seine<br />
Tochter Gertraud, verehelichte<br />
Pöhl. Da sie bei ihrem Vater<br />
blieb, wurde sie 1948 im<br />
Zusammenhang mit dem Tode<br />
<strong>der</strong> Fellerts in einem Prozess<br />
zu einer halbjährigen Jugendstrafe<br />
verurteilt und nach<br />
einem viertel Jahr entlassen.<br />
Das und von ihrer Rehabilitierung<br />
berichtete mir Gertraud<br />
Pöhl nach 1990.<br />
Wegen des illegalen Aufenthaltes<br />
im Kampfgebiet wurde<br />
dem Ehepaar Fellert <strong>der</strong><br />
Prozess gemacht. Erschwerend<br />
kam für Siegfried Fellert hinzu,<br />
dass er nach <strong>der</strong> Definition <strong>der</strong><br />
Nürnberger Rassegesetze, Jude<br />
war. Vielleicht hat Fellert dies<br />
gar verheimlicht durch die<br />
Entfernung des Judensterns?<br />
Der rauchende Schornstein<br />
konnte gar als Signalgebung<br />
und damit als Feindbegünstigung<br />
o<strong>der</strong> Spionage ausgelegt<br />
werden. Es heißt, Emma<br />
Fellert hätte sich retten<br />
können, hätte sie einer<br />
Scheidung zugestimmt. Da sie<br />
sich geweigert habe, wurden<br />
beide durch ein Standgericht<br />
zum Tode verurteilt und am 13.<br />
02. 1945 auf dem Stalag-<br />
Gelände erschossen. Ihre<br />
Leichen wurden auf dem<br />
Friedhof für sowjetische<br />
Kriegsgefangene, westlich des<br />
Kanals, beerdigt. Später hat<br />
man sie exhumiert und in<br />
würdiger Form auf dem<br />
jüdischen Friedhof zur letzten<br />
Ruhe gebettet. Siegfried Fellert<br />
wurde 56, seine Frau Emma 50<br />
Jahre alt.<br />
Acht Tote auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />
Seite <strong>der</strong> Front<br />
Zur gleichen Zeit wie das<br />
Ehepaar Fellert getötet wurde,<br />
starben auch an<strong>der</strong>e Zivil-<br />
Personen eines gewaltsamen<br />
Todes, aber auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />
Seite <strong>der</strong> Front. Doch darüber<br />
fiel in <strong>der</strong> Öffentlichkeit und in<br />
diesem Zusammenhang<br />
bislang k e i n Wort. Warum?<br />
Zum Hergang: Bereits Mitte<br />
Februar 1945 hatten die<br />
Sowjets am Kraftwerk einen<br />
Brückenkopf gebildet und<br />
waren zeitweise bis zum<br />
Friedensplatz und bis zum<br />
Bahnhof vorgedrungen. Sie<br />
wurden zwar mit <strong>der</strong> Sammlung<br />
deutscher Kräfte zurückgedrängt,<br />
aber nicht gänzlich<br />
aus Fürstenberg vertrieben.<br />
Der sowjetische Brückenkopf<br />
stabilisierte sich auf <strong>der</strong> Höhe