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<strong>Willkommen</strong> <strong>zur</strong> <strong>vielseitigsten</strong> <strong>Bildungsreise</strong> <strong>Ihres</strong> <strong>Lebens</strong>.<br />

Leseprobe


Inhalt<br />

Der neue Kindler ▸<br />

Der Aufbau ▸<br />

Die Leseproben aus aller Welt ▸<br />

_Simone de Beauvoir<br />

_Tahar Ben Jelloun<br />

_Friedrich August von Hayek<br />

_Thomas Mokopu Mofolo<br />

_Pablo Neruda<br />

Die Online-Datenbank ▸<br />

Die Produktversionen ▸<br />

Impressum<br />

Seite<br />

2/3<br />

4/5<br />

6 – 25<br />

26/27<br />

28


Das neue Kindlers Literatur Lexikon. Die wichtigsten Werke aller Zeiten.<br />

Überreicht durch:


Die wichtigsten Werke aller Zeiten.<br />

Das neue Kindlers Literatur Lexikon erscheint am 4. September 2009 – und lädt alle Kulturinteressierten<br />

dazu ein, die wichtigsten literarischen Werke aller Zeiten, aller Regionen und aller Kulturen zu entdecken.<br />

Die völlig neu bearbeitete Auflage umfasst rund 13.000 Werke, die die Kulturgeschichte nachhaltig geprägt<br />

haben: von den ersten schriftlichen Zeugnissen der Menschheit bis <strong>zur</strong> Gegenwart, von der Belletristik bis<br />

<strong>zur</strong> Sachliteratur.<br />

◂ 02 ▸


In 18 Bänden um die Welt.<br />

Rund 1.500 Autoren und 75 Fachberater um Professor Heinz Ludwig Arnold haben über mehrere Jahre<br />

hinweg an der Neuauflage des renommierten Werklexikons gearbeitet. Dabei wurde noch mehr als zuvor<br />

die Vielfalt der Literaturen der Welt berücksichtigt. Ebenso wurde unter anderem die Auswahl der<br />

bedeutendsten Werke der Sachliteratur wesentlich erweitert – die Werke stammen aus zahlreichen<br />

Bereichen: Naturwissenschaften, Mathematik, Sozialwissenschaft, Recht, Politik, Wirtschaft, Geschichte,<br />

Psychologie, Ethnologie, Technik, Medizin, Musik, Bildende Kunst, Architektur, Ästhetik, Kunsttheorie.<br />

Im Zuge der Neubearbeitung sind weitere wertvolle Neuerungen hinzugekommen:<br />

▸ die biografischen Kurzinformationen<br />

▸ die Gliederung der Werke eines Autors in chronologischer Reihenfolge<br />

▸ weitere spezielle Artikel zu den einzelnen Werkgruppen eines Autors wie Romane, Lyrik, Dramen<br />

Last but not least: Das neue Kindlers Literatur Lexikon gibt es nun erstmals auch als Online-Datenbank mit<br />

zahlreichen Filter- und Suchfunktionen.<br />

◂ 03 ▸


Der Aufbau.<br />

Bei der Neuauflage des Werklexikons wurde ein besonderes<br />

Augenmerk auf den Schaffensprozess der Autoren gelegt. In<br />

diesem Sinne zeichnet der neue Kindler den Weg der einzelnen<br />

Autoren auf einzigartige Weise nach: Zum einen enthält<br />

das Werklexikon rund 8.000 sogenannte Biogramme. Hier<br />

sind die wesentlichen biografischen Informationen kurz und<br />

knapp erfasst. Zum anderen wurden die Werke eines Autors in<br />

chronologischer Reihenfolge geordnet. Dies ermöglicht einen<br />

hervorragenden Einblick in die Entwicklung des Gesamtwerks<br />

eines Autors.<br />

Zudem gibt es bei umfangreichen Gesamtwerken spezielle<br />

Artikel zu den einzelnen Werkgruppen eines Autors wie<br />

Romane, Lyrik, Dramen. Diese Artikel tragen ebenso dazu bei,<br />

dass interessante Zusammenhänge zwischen den einzelnen<br />

Werken rasch erfasst werden können.<br />

Grundsätzlich gilt: Die Artikel sind wissenschaftlich fundiert<br />

und zugleich sehr anschaulich geschrieben. Schließlich be-<br />

steht im neuen Kindlers Literatur Lexikon die Kunst darin,<br />

komplexes Fachwissen in eine einfache, verständliche Form<br />

zu bringen. Die Lektüre soll dem interessierten Kulturlieb-<br />

haber wie dem ausgewiesenen Experten ein erkenntnisreiches<br />

Vergnügen bereiten.<br />

◂ 04 ▸<br />

Autor: Vorname<br />

Autor: Name<br />

Geburts- und Sterbedaten<br />

Namensvarianten<br />

eigentlicher Name<br />

Pseudonym<br />

Biogramm<br />

Werkausgabe<br />

Ausgabe in deutscher Übersetzung<br />

Literatur zum Autor<br />

Werkgruppenartikel<br />

Werksprache<br />

Querverweise auf andere Artikel


▸Daniil<br />

Charms<br />

� geb. 30.12.1905 St. Petersburg (Russland)<br />

� gest. 2.2.1942 Leningrad (St. Petersburg, Russland)<br />

▸<br />

▸(auch:<br />

Daniil Kharms, Daniil Harms; d. i. Daniil Ivanovič<br />

Juvačëv; Ps. Pisatel’ Kolpakov Čarms, Karl Ivanovič<br />

Sˇusterling, A. Susˇko) – 1924 Besuch eines Elektrotechnikums;<br />

1925 Gründung der Dichtergruppe Levyj flang<br />

▸(Linke<br />

Flanke); Filmstudium; Beiträge zu Lyriksammlungen;<br />

1927 Mitbegründer der Gruppe OBE˙RIU (Vereinigung<br />

der realen Kunst), 1928 Mitarbeiter der Kinderzeitschriften<br />

Ëzˇ und Čizˇ; 1931 Verurteilung zum<br />

Straflager wegen Beteiligung an einer antisowjetischen<br />

Vereinigung, 1933 Verbannung nach Kursk; nach Rückkehr<br />

Kurzgeschichten, Theaterstücke und Gedichte;<br />

1941 erneut verhaftet; 1942 Hungertod im Gefängnis.<br />

▸�<br />

Ausg.: Polnoe sobranie sočinenij, 4 Bde, 1997–2001.<br />

▸�<br />

Übers.: Alle Fälle: das unvollständige Gesamtwerk in zeitlicher<br />

Folge, P. Urban, 1995.<br />

▸�<br />

Lit.: G. Lehmann: Fallen und Verschwinden. D.C. Leben und<br />

Werk, 2005.<br />

▸<br />

▸<br />

▸<br />

Das lyrische Werk<br />

▸(russ.)<br />

– Mit Ausnahme seiner Werke für Kinder wurden<br />

zu Lebzeiten des Dichters in offiziellen Lyriksammlungen<br />

nur zwei Gedichte publiziert: »Slučaj na zˇeleznoj doroge«,<br />

1926 (Vorfall auf der Bahnlinie), und »Stich<br />

Petra-Jasˇkina-Kommunista«, 1927 (Der Vers des Kommunisten<br />

Pëtr Jasˇkin). Zu groß war die Diskrepanz zwischen<br />

Charms’ avantgardistischer Poetik und der offiziellen<br />

Kulturpolitik. Seine literarischen Aktionen, die<br />

▸<br />

er mit seinen Dichterfreunden A. Ä Vvedenskij, N. Ä Za-<br />

▸<br />

realen Kunst), un<br />

Happenings in Klu<br />

Arbeiterwohnheim<br />

die herkömmliche<br />

gegenseitige Abgre<br />

Trennung von Akt<br />

›Provokationen‹ la<br />

als Collage untersc<br />

Grunde. Bestimme<br />

in und zu Kunst ve<br />

schöpferische Freih<br />

ten nicht eingesch<br />

schiebung, Verkeh<br />

schen Verfahren un<br />

Gestaltungsprinzip<br />

frontation einer R<br />

Wechselbeziehunge<br />

tungsbeziehungen<br />

Charms’ Texte b<br />

sche Anordnung, a<br />

sche Gedichte gibt<br />

phischen Chiffren (<br />

1931) versehen sind<br />

Kunstgriffe bei: den<br />

mus, den reinen un<br />

ziationen und Allit<br />

schen Formen aus<br />

die festgelegte synta<br />

durchbricht. Aufge<br />

gering gehalten die<br />

Stringenz und das<br />

aufgebrochen. Dur<br />

Dichter eine Aktivi<br />

einer im Kunstwerk


Die Leseproben aus aller Welt.<br />

▸ Pablo Neruda<br />

◂ 06 ▸<br />

▸ Tahar B


▸ Friedrich August von Hayek<br />

▸ Simone de Beauvoir<br />

r Ben Jelloun<br />

▸ Thomas Mokopu Mofolo<br />

◂ 07 ▸


� Simone de Beauvoir<br />

Simone de Beauvoir<br />

� geb. 9.1.1908 Paris (Frankreich)<br />

� gest. 14.4.1986 Paris (Frankreich)<br />

Herkunft aus streng katholischer Familie; Studium der<br />

Literatur und Mathematik an der École Normale Supérieure;<br />

1926–1929 Philosophiestudium an der Sorbonne;<br />

eine der ersten Philosophielehrerinnen Frankreichs; <strong>Lebens</strong>gefährtin<br />

Jean-Paul Ä Sartres; nach 1945 führende<br />

Intellektuelle Frankreichs; politisches Engagement im<br />

Algerien- und Vietnamkrieg sowie für die Straffreiheit<br />

der Abtreibung; Herausgeberin der Zeitschrift Les temps<br />

modernes; Autorin philosophischer Werke, Romane und<br />

umfangreicher autobiographischer Schriften; Begründerin<br />

der feministischen Theorie.<br />

� Lit.: C. Card: The Oxford Companion to S. de B., 2003. � E.R.<br />

Groszholz: The Legacy of S. de B., 2004.<br />

L’invitée<br />

(frz.; Sie kam und blieb, 1953, E. Rechel-Mertens) – Der<br />

1943 erschienene erste Roman der Autorin reflektiert in<br />

der <strong>Lebens</strong>auffassung der Protagonisten und ihrem existenziellen<br />

Freiheitsbewusstsein deutlicher als spätere<br />

Werke den Einfluss der Existenzphilosophie Jean-Paul<br />

Ä Sartres. In der Handlung des Romans spiegelt sich<br />

auch das Milieu der intellektuellen Boheme in Paris zu<br />

Beginn des Zweiten Weltkriegs, das Ambiente Sartres<br />

und Beauvoirs.<br />

Die Beziehung zwischen dem Schauspieler und Regisseur<br />

Pierre Labrousse und der Schriftstellerin Françoise<br />

Miquel entspricht den Vorstellungen Beauvoirs<br />

vom idealen Zusammenleben der Geschlechter. Pierres<br />

und Françoises Liebe ist auf die gegenseitige Anerkennung<br />

der Person und ihrer Freiheit gegründet und bewährt<br />

sich in rückhaltloser Aufrichtigkeit. In dieses<br />

Verhältnis zweier einander ebenbürtiger Menschen<br />

drängt sich störend die von Françoise in ihre Pariser<br />

Wohnung aufgenommene Xavière Pages. Widerspruchsvoll,<br />

zwischen Missmut und strahlender Laune,<br />

Hilflosigkeit und Trotz schwankend, enthüllt sich allmählich,<br />

dass ein schrankenloser Egoismus die bestimmende<br />

Triebfeder ihres Verhaltens ist. Sie versteht es,<br />

Pierres Eitelkeit zu reizen, ihn zu faszinieren und zu täuschen.<br />

Ehe er sie durchschaut und sich von ihr distanziert,<br />

sieht sich Françoise in die Rolle einer Rivalin<br />

gedrängt, die sich eines intriganten und eitlen Wesens<br />

nicht anders erwehren kann, als es mit seinen eigenen<br />

Mitteln zu schlagen. Bestürzt nimmt Françoise an sich<br />

selbst Regungen der Eifersucht und Triumphgefühle<br />

wahr, die sie auf den Einfluss Xavières <strong>zur</strong>ückführt. Aus<br />

dem Hass, der sie schließlich überwältigt, zieht sie die<br />

äußerste Konsequenz: Sie tötet Xavière mit Gas.<br />

Dank ihrer überdurchschnittlichen Befähigung zu<br />

kritischer Reflexion gelingt es Françoise, den Mord<br />

nachträglich zu rechtfertigen, ihn als Akt der Freiheit zu<br />

interpretieren, der sie mit sich selbst versöhnt. Sie<br />

bedient sich ihres analytischen Denkvermögens mit<br />

höchster Intensität und beurteilt jede Phase des Geschehens<br />

unter dem Gesichtspunkt der psychologischen und<br />

philosophischen Relevanz. Diese Neigung <strong>zur</strong> Reflexion,<br />

die sich durch ein dem Roman vorangestelltes Zitat aus<br />

Ä Hegels Phänomenologie des Geistes (1807) ankündigt,<br />

verselbständigt sich stellenweise und mindert die Spannung,<br />

die sich ansonsten dem klaren, konzisen Stil verdankt,<br />

der dramatische Kraft entwickeln und z. B. in<br />

rasch aufeinander folgenden elliptischen Sätzen einen<br />

inneren Schock oder eine heftige Erregung der Figuren<br />

rhythmisch nachzeichnet.<br />

� Lit.: M.N. Evans: Murdering ›L’invitée‹. Gender and Fictional<br />

Narrative, in: French Studies 72, 1986, 67–86. � G. Shepherd: S. de<br />

B.’s Fiction, 2003. KLL<br />

Le deuxième sexe<br />

(frz.; Das andere Geschlecht. Sitte und Sexus der Frau,<br />

1951, E. Rechel-Mertens, F. Montfort) – Die 1949 erschienene<br />

philosophische Untersuchung tritt für die Gleichberechtigung<br />

der Frau ein. Auf Biologie, Psychiatrie und<br />

Psychoanalyse gestützt, versucht die Autorin zunächst,<br />

die Besonderheit der weiblichen Physis und Psyche zu<br />

charakterisieren, um dann, anhand reichhaltigen Materials<br />

aus Soziologie, Geschichte und Literatur, jenes Bild<br />

der Frau zu analysieren, das jenseits von Verachtung<br />

oder Verherrlichung in Mythos und Gesetzgebung Jahrhunderte<br />

lang konstant geblieben sei.<br />

In der gesamten überschaubaren Geschichte der<br />

Menschheit sei die Frau als das »Andere« bestimmt worden.<br />

Der Mann gelte als das Absolute, das Subjekt, das<br />

Wesentliche – sie nur als seine Ergänzung, als das Objekt<br />

und das Unwesentliche, das nicht durch sich selbst bestehe.<br />

Aber nicht die Natur habe die Frau zu dieser Unselbständigkeit<br />

verdammt. Die Frau als das »schlechthin<br />

Andere« sei ein Produkt der Zivilisation im weitesten<br />

Sinne; ihr Los sei ihr vom Manne zudiktiert worden.<br />

Selbständige, freiheitliche Frauen seien Ausnahmen in<br />

der Geschichte. Die Frauenemanzipation, die um die<br />

Wende zum 20. Jh. einsetzte, sei auf halbem Wege stehen<br />

geblieben, der historische Materialismus, der als erste<br />

philosophische Richtung der Frau Gleichberechtigung<br />

und damit einen würdigen Platz in der Gesellschaft als<br />

selbstverständlich zuerkannt habe, sei praktisch nicht<br />

verwirklicht worden.<br />

Im zweiten Teil behandelt Beauvoir eingehend die<br />

psychische und physische Entwicklung und die spezifischen<br />

sozialen Probleme der Frau. Sie setzt sich kritisch


mit der traditionellen Mädchenerziehung auseinander<br />

und entwirft Alternativen für eine künftige Pädagogik,<br />

die sie als Voraussetzung und Grundlage einer echten<br />

Emanzipation ansieht.<br />

Beauvoir behauptet nicht, dass die <strong>Lebens</strong>- und<br />

Denkweisen von Mann und Frau je identisch werden<br />

könnten. Unterschiede bestehen und sollen bestehen.<br />

Aber die Frau solle die gleiche Würde besitzen und die<br />

gleiche Achtung genießen wie der Mann. Sie soll ein<br />

freies, selbständiges Wesen werden, ein Subjekt, das dem<br />

Mann ebenbürtig zu begegnen vermag. Die Autorin vertritt<br />

mit Nachdruck den Standpunkt, dass eine solche<br />

Entwicklung nicht nur die Frau, sondern in vieler Hinsicht<br />

auch den Mann befreien und soziale Probleme beseitigen<br />

werde, die aus dem hierarchischen Verhältnis<br />

von Mann und Frau entstanden sind.<br />

Das Werk ist viel diskutiert und angegriffen worden,<br />

teils der praktischen Lösungen wegen, die Beauvoir<br />

vorschlägt – sie fordert neben der vollen beruflichen<br />

Gleichberechtigung Geburtenkontrolle und legale Abtreibung<br />

und tritt für eine freie Verbindung der Geschlechter<br />

ein –, teils wegen der rückhaltlosen Offenheit,<br />

mit der sie sexuelle Probleme behandelt.<br />

Man hat Beauvoir vorgeworfen, ihr Buch sei von<br />

Männerhass diktiert und hinter ihrer empörten Absage<br />

an das lediglich duldende Wesen der Frau Komplexe gesucht.<br />

Aber so radikal und engagiert das Buch in seinen<br />

Absichten und Zielen sein mag, es beruht auf sachlicher<br />

Grundlagenforschung und leitet seine Folgerungen in<br />

erster Linie von Ä Sartres Existenzphilosophie ab, in<br />

der Freiheit, Verantwortung und Tätigkeit die obersten<br />

Werte sind. Das Werk ist eine der geistigen Grundlagen<br />

der feministischen Theorie und der Gender Studies geworden.<br />

� Lit.: S. Heinämaa: Toward a Phenomenology of Sexual Difference,<br />

2003. � Y.B. Raynova: S. de B. 50 Jahre nach dem Anderen<br />

Geschlecht, 2004. Anneliese Botond<br />

Les Mandarins<br />

(frz.; Die Mandarins von Paris, 1955, R. Ücker-Lutz,<br />

F. Montfort) – Dem 1954 erschienenen Schlüsselroman<br />

kommt große Bedeutung für die ideologische Auseinandersetzung<br />

zwischen der freien Linken mit dem Kommunismus,<br />

zwischen Existenzialismus und Marxismus<br />

im Nachkriegsfrankreich zu.<br />

Geschildert wird das Leben französischer Linksintellektueller<br />

am Ende des Zweiten Weltkriegs. Jean-Paul<br />

Ä Sartre, Albert Ä Camus, Arthur Ä Koestler und Simone<br />

de Beauvoir selbst lassen sich in den Hauptfiguren Robert<br />

Dubreuilh, Henri Perron, Victor Scriasine und<br />

Anne Dubreuilh wiedererkennen. Was die Gruppe der<br />

Linksintellektuellen um ihre geistigen Führer, die ›Man-<br />

Simone de Beauvoir �<br />

darins‹, zunächst zusammenhält, ist das gemeinsame<br />

Erlebnis der Résistance. Nach der Befreiung zerfällt die<br />

Gemeinsamkeit jedoch; Unterschiede in der politischen<br />

Auffassung und der Weltanschauung treten hervor. Die<br />

Hoffnung auf eine gesellschaftliche und politische Neuordnung<br />

unter Führung der Intellektuellen bleibt unerfüllt,<br />

weil sie nicht <strong>zur</strong> Einigkeit fähig sind. Roberts<br />

Versuch, die Intellektuellen in einer politischen Organisation<br />

zu versammeln, misslingt. Henris Zeitung<br />

»Espoir« (Hoffnung, fiktiver Name für das Résistanceblatt<br />

Combat) gerät unter fremden Einfluss. Die beabsichtigte<br />

Verwirklichung einer echten Volksfrontregierung<br />

wird durch Differenzen zwischen Henri und Robert<br />

zunichte gemacht. Henri, dem es um persönliche<br />

und politische Unabhängigkeit geht, möchte einen Bericht<br />

über stalinistische Arbeitslager veröffentlichen,<br />

weil er glaubt, dass die Wahrheit grundsätzlich aufgedeckt<br />

werden müsse. Robert dagegen will die Tatsachen<br />

verschweigen, um die Aufspaltung der Linken und eine<br />

Förderung des Antikommunismus zu verhindern. Gegen<br />

Ende des Romans finden Robert und Henri noch<br />

einmal zu gemeinsamer politischer Aktion. Sie hoffen,<br />

mit Hilfe einer neuen Zeitung den verlorenen Einfluss<br />

<strong>zur</strong>ückzugewinnen.<br />

Beauvoir arbeitet mit polyperspektivischen Erzähltechniken.<br />

Anne berichtet in Ichform, tritt aber in der<br />

Erzählung auch in der dritten Person auf. Dabei werden<br />

häufig neue Aspekte desselben Ereignisses enthüllt. Die<br />

Form der kombinierten Ich- und Er-Erzählung steht<br />

auch in engem Zusammenhang mit der intellektuellen,<br />

analytischen Grundhaltung des Romans. Die gedankliche<br />

Durchdringung erzählter Ereignisse ist zumindest<br />

ebenso wichtig wie die Handlung selbst – ein Strukturelement,<br />

das zugleich die intellektuellen Protagonisten<br />

in ihrem Wesen kennzeichnet: Sie alle leiden an dem<br />

Konflikt zwischen Denken und Handeln, einem Problem,<br />

das immer wieder zum Thema ihrer Gespräche<br />

wird. Entsprechend sind die Figuren konturiert: Henri<br />

führt den Kampf um seine persönliche Unabhängigkeit<br />

und die seiner Zeitung bis zum Bruch mit dem Freund<br />

Robert, aber aus Liebe zu einer Schauspielerin deckt er<br />

einen Nazikollaborateur, setzt sich der Gefahr der Erpressung<br />

aus und muss sich zeitweilig aus der Öffentlichkeit<br />

<strong>zur</strong>ückziehen. Annes und Roberts Tochter Nadine<br />

tröstet sich über den Tod ihres Verlobten mit<br />

zahllosen Amouren; Anne versucht, sich durch die Beziehung<br />

zu einem Amerikaner, den sie mehrmals in<br />

den USA besucht, von ihrem bisherigen Leben zu lösen,<br />

ohne allerdings wirklich an eine Befreiung zu glauben.<br />

Bürgerliche Werte werden hier nicht mehr in Frage<br />

gestellt; die Intellektuellen haben sie für sich schon<br />

außer Kraft gesetzt. Aber auch im existenzialistischen<br />

Wertesystem entdeckt Beauvoir Widersprüche, die in<br />

der inneren Determinierung ihrer Protagonisten grün-


� Simone de Beauvoir<br />

den. Unabhängigkeit und Verfallensein, Freiheit und<br />

Bindung, Sexualität und Liebe, Wahrheit und Lüge, Aufbegehren<br />

und Unterwerfung sind untrennbar miteinander<br />

verbunden. Nur Robert, der seine Widersprüche<br />

gelöst zu haben scheint, stellt eine Ausnahme dar.<br />

Beauvoirs Figuren wirken weniger konstruiert als<br />

jene Sartres. Erzählung und Reflexion fügen sich spielerisch<br />

ineinander, selbst analytische Gedankenschärfe<br />

ist mit Charme verbunden. Allerdings wirken die weiblichen<br />

Figuren stärker überzeichnet als die männlichen.<br />

Unbarmherzig werden die Selbsttäuschungen von Henris<br />

Geliebter Paule aufgedeckt und der Lächerlichkeit<br />

preisgegeben. Für ihre pathologische Unterwürfigkeit<br />

gegenüber Henri findet sich immer noch eine Steigerung.<br />

Da Anne, das Alter Ego der Autorin, Paule mit einer<br />

an Hass grenzenden Leidenschaft verfolgt, wird sie<br />

zu einer der einprägsamsten Gestalten.<br />

Auf breiter Ebene wird das intellektuelle Leben des<br />

Pariser Existenzialistenzirkels vorgeführt. So wird auch<br />

schon der 1952 während der Arbeit am Roman vollzogene<br />

Bruch zwischen Ä Camus und Sartre behandelt,<br />

doch alternativ <strong>zur</strong> Realität lässt es Beauvoir hier zu einer<br />

Versöhnung kommen. Der Roman ist geprägt von<br />

dem Grundgedanken der existenzialistischen Philosophie<br />

Sartres, dass der Mensch jederzeit wählen könne<br />

und dass er mit seinem Leben einen Entwurf von sich<br />

selbst gebe. Hier dokumentiert Les mandarins besonders<br />

deutlich die für den Existenzialismus typische enge<br />

Verbindung zwischen Philosophie und Kunst.<br />

� Lit.: L. Vouldie: Mme S. de B. et ses ›Mandarins‹, 1955. � B. Larsson:<br />

La réception des ›Mandarins‹. Le roman de S. de B. face à la<br />

critique littéraire en France, 1988. Knut Nievers / KLL<br />

Mémoires d’une jeune fille rangée<br />

(frz.; Memoiren einer Tochter aus gutem Hause, 1960,<br />

E. Rechel-Mertens) – In dem 1958 erschienenen autobiographischen<br />

Werk erzählt die Autorin mit der ihr eigenen<br />

intellektuellen Redlichkeit aus ihrer Kindheit und<br />

Jugend bis zum Ende ihres mit 20 Jahren abgeschlossenen<br />

Philosophiestudiums. Ihre Lösung aus den Konventionen<br />

und Tabus des bürgerlich-katholischen Elternhauses<br />

stellt einen Modellfall ›existenzialistischer‹<br />

Selbstbefreiung dar. Im Gegensatz <strong>zur</strong> jüngeren Schwester<br />

Poupette, die der Konfrontation mit der elterlichen<br />

Ordnung leichten Sinns aus dem Weg geht, durchläuft<br />

Simone einen geistigen Entwicklungsprozess, der sie<br />

immer klarer hinter die Vorurteile und Unstimmigkeiten<br />

ihrer Umgebung blicken lässt.<br />

Die frühe Versenkung in die von der bigotten Mutter<br />

und dem patriotischen Vater sorgfältig zensierte Literatur<br />

entführt ihren unzufriedenen, ungeleiteten Geist in<br />

weltferne Bezirke. Mit neun Jahren will das Mädchen<br />

Nonne werden, mit zwölf hat sie den Glauben endgültig<br />

verloren und durchschaut, dass »alles in allem vornehmlich<br />

Frauen <strong>zur</strong> Kirche gingen«. Mit 15 steht der Entschluss<br />

fest, Schriftstellerin zu werden. Im Gymnasium<br />

und auf der Sorbonne schreitet sie zielbewusst von Prüfung<br />

zu Prüfung, von Diplom zu Diplom. Im letzten Studienjahr<br />

lernt sie Jean-Paul Ä Sartre kennen, den sie als<br />

einen ihr überlegenen Geist betrachtet. Er vermag ihr<br />

die ersehnte philosophische Begründung für die mühselig<br />

errungene Freiheit zu geben. Neben Sartre sind es<br />

vor allem vier andere Menschen, deren unterschiedliche<br />

Haltung zum Problem der persönlichen Freiheit für Simones<br />

Entwicklung große Bedeutung gewinnt: Zaza,<br />

die die Befreiung aus der Enge der bürgerlichen Welt<br />

nicht wagt und sich dem Zynismus und der Selbstzerstörung<br />

überlässt; Stépha, die aufgrund ihres liebenswerten,<br />

natürlichen Wesens und ihrer realistischen<br />

Weltsicht einer solchen Befreiung nicht bedarf; Jacques,<br />

der zu unsicher und zu verklärt ist, um Simones Streben<br />

Sicherheit geben zu können; Herbaud, dessen labile,<br />

aber warmherzig-intellektuelle Art Simones Denken<br />

und Fühlen zu einer gewissen Harmonie verhilft.<br />

Beauvoirs Geschichte der Abkehr vom bürgerlichen<br />

Wertesystem verbindet sich von Anfang an mit dem<br />

Problem der Frauenemanzipation. So unzweifelhaft die<br />

Autorin mit der Idee der Gleichberechtigung in ihren<br />

theoretischen Schriften Epoche gemacht hat – gerade<br />

hier, wo sie sich schrittweise verwirklicht, erweist sie<br />

sich mit ihrer rationalen Begabtheit am Leistungsideal<br />

des Mannes orientiert, dem sie mit fast streberhaftem<br />

Ehrgeiz nacheifert. Die sinnliche Intelligenz, die etwa<br />

Stépha repräsentiert, ist nicht ihre Stärke und nicht ihr<br />

Glück. Wie problematisch ihr Verhältnis zum weiblichen<br />

Körper ist, zeigt ihre prinzipielle Abneigung gegen<br />

die Mutterschaft, durch die sie sich in ihrer geistigen<br />

Selbstachtung verletzt sieht.<br />

Beauvoirs Stil besitzt, insbesondere bei der Schilderung<br />

der Unwahrhaftigkeiten und Missstände der spätbourgeoisen<br />

Epoche, den luziden Charme unbestechlicher<br />

Rationalität. Das »unbesonnene Abenteuer«, von<br />

sich selbst zu sprechen, hat sie mit den beiden Bänden La<br />

force de l’âge, 1960 (In den besten Jahren, 1961), und La<br />

force des choses, 1963 (Der Lauf der Dinge, 1970), später<br />

fortgesetzt bis <strong>zur</strong> Beschreibung der Befreiung Frankreichs<br />

von der deutschen Besatzung 1944 und bis zum<br />

Ende des Algerienkriegs. In den geschilderten Phasen<br />

»geht es eher um die Verwirklichung als um die Formung<br />

meines Charakters«. Neben der Beschreibung und<br />

Analyse der eigenen Entwicklung treten nun, da sie inzwischen<br />

als Gefährtin Sartres und Schriftstellerin selbst<br />

im öffentlichen Leben steht, die Berichte über das politische<br />

und literarische Geschehen in den Vordergrund –<br />

aufschlussreich für das Verständnis ihres Romanwerks<br />

und gleichzeitig ein wichtiges Stück Zeitgeschichte. Be-


sonders über Sartre, sein politisches Engagement (das<br />

wechselhafte Verhältnis zum Kommunismus), sein Denken<br />

und die Methode seiner literarischen Produktion<br />

werden Informationen gegeben, die von größtem Interesse<br />

für das Verständnis seines Werks sind.<br />

� Lit.: C. Monteil: S. de B. Le mouvement des femmes, 1995.<br />

Richard Mellein<br />

La vieillesse<br />

(frz.; Das Alter, 1972, A. Aigner-Dünnwald; R. Henry) –<br />

Der 1970 erschienene Essay versteht sich als Dokumentation<br />

eines unpopulären und mit Vorurteilen behafteten<br />

Themas. Schon vor seiner Abfassung hatte Simone<br />

de Beauvoir sich in literarischer Form mit der individuellen<br />

Problematik des physischen Verfalls und des Leidens<br />

am Alterungsprozess befasst. In Une mort très<br />

douce, 1964 (Ein sanfter Tod), schildert sie den dramatischen<br />

Kampf ihrer Mutter gegen das Sterben. Der Novellenband<br />

La femme rompue, 1967 (Eine gebrochene<br />

Frau), umkreist das Thema des Älterwerdens aus der<br />

Perspektive der Frau. Im Epilog ihres Memoirenbandes<br />

La force des choses, 1963 (Der Lauf der Dinge), verdichtet<br />

die Autorin die eigenen Empfindungen angesichts dieses<br />

näher rückenden <strong>Lebens</strong>abschnitts.<br />

Die empörte öffentliche Reaktion auf dieses persönliche<br />

Bekenntnis wurde zum Anlass für eine systematische<br />

Auseinandersetzung mit dem Alter, das hier nun als<br />

soziales und politisches Phänomen behandelt wird. Den<br />

Phrasen von einer angeblichen Würde, etwa »der heiteren<br />

Gelassenheit des Alters«, mit denen die Gesellschaft<br />

das für sie heikle Thema zu beschönigen sucht, tritt Simone<br />

de Beauvoir mit dem Vorsatz entgegen, »die Verschwörung<br />

des Schweigens zu brechen«. Weil das Alter<br />

mit einem gesellschaftlichen Tabu belegt sei, lasse es sich<br />

»nur in seiner Gesamtheit erfassen; es ist nicht nur eine<br />

biologische, sondern eine kulturelle Tatsache«.<br />

Aufbau und methodischer Zugriff setzen La vieillesse<br />

in Beziehung zu ihrem bahnbrechenden Essay Le deuxième<br />

sexe, 1949 (Das andere Geschlecht). La vieillesse ist<br />

nach dessen Muster in zwei Teile gegliedert. Der erste<br />

Teil, »Von außen betrachtet«, behandelt objektive und<br />

kulturhistorische Fakten des Alters: Simone de Beauvoir<br />

referiert statistische Daten und Forschungsergebnisse<br />

aus Biologie, Gerontologie, Ethnologie, Geschichte und<br />

empirischer Sozialforschung. Das Kapitel über die <strong>Lebens</strong>bedingungen<br />

des alten Menschen im Lauf der Geschichte<br />

und seine Stellung in der Literatur umfasst die<br />

sogenannten primitiven Gesellschaften ebenso wie die<br />

historischen von der Antike bis <strong>zur</strong> Gegenwart. Neben<br />

die Darstellung physiologischer Faktoren des Alterungsprozesses<br />

tritt also im ersten Abschnitt des Essays<br />

eine Sozialgeschichte des Alters.<br />

Simone de Beauvoir �<br />

Auf die soziale Situation des alten Menschen konzentriert<br />

sich auch sein zweiter Teil. Hier stellt Simone<br />

de Beauvoir den objektiven Fakten die unmittelbar gelebte<br />

Erfahrung der körperlichen und seelischen Verfassung<br />

aus der Sicht der Betroffenen gegenüber. Sie<br />

schöpft aus einem überreichen Fundus persönlicher<br />

Aussagen zum Thema Alter und lässt vorwiegend<br />

Schriftsteller zu Wort kommen, aber auch Künstler, Politiker,<br />

frühgriechische Philosophen und zeitgenössische<br />

Intellektuelle. Sodann entwirft sie ein Panorama<br />

der individuellen Konfrontation mit dem Alter. Die<br />

Dokumente sind nach thematischen Gesichtspunkten<br />

zusammengestellt: z. B. »Bewältigung des Alters«, »Zeit,<br />

Aktivität«, »Alter und Alltag«. Als Repräsentanten des<br />

Alters porträtiert die Autorin unter anderen Ä Michelangelo,<br />

Ä Balzac, Verdi, Ä Einstein, Clemenceau, Ä Goethe,<br />

Ä Freud, Ä Aristoteles, Ä Flaubert und Ä Churchill,<br />

deren Aussagen bzw. Schicksale sie mit nüchternen,<br />

zuweilen auch melancholischen Kommentaren versieht<br />

und unter Hinweis auf gesellschaftliche Verhältnisse<br />

kommentiert.<br />

Um der Fatalität des Alters zu entgehen, sieht Beauvoir<br />

zwei Lösungen. Im existenzialistischen Sinn empfiehlt<br />

sie dem Individuum »weiterhin Ziele zu verfolgen,<br />

die unserem Leben einen Sinn verleihen: das hingebungsvolle<br />

Tätigsein für einzelne, für Gruppen oder für<br />

eine Sache«. Der andere Lösungsvorschlag ist an die Gesellschaft<br />

gerichtet, deren »Alterspolitik ein Skandal«<br />

sei. Die Leistungsgesellschaft beschleunige nämlich den<br />

Alterungsprozess durch Ausbeutung und verweigere<br />

schließlich noch die materielle Absicherung nach Beendigung<br />

des Berufslebens. Folglich betrifft die sozialpolitische<br />

Lösung »das ganze System, und die Forderung<br />

kann nur radikal sein: das Leben verändern«. Auch die<br />

sozialistischen Länder, denen im Anhang ein eigenes<br />

Kapitel gewidmet wird, seien noch weit vom Soll-Zustand<br />

entfernt, der auf die Formel gebracht wird, dass<br />

»ein Mensch auch im Alter ein Mensch bleiben kann. In<br />

der idealen Gesellschaft [...] würde, so kann man hoffen,<br />

das Alter gewissermaßen gar nicht existieren«.<br />

La vieillesse hatte nicht eine ähnlich große Resonanz<br />

wie Le deuxième sexe. Zwar begrüßte die Kritik das Werk<br />

als außerordentlich kenntnis- und lehrreiche Studie, bezweifelte<br />

aber, dass das Buch über akademische Kreise<br />

hinaus wirken werde. Die angebotenen Lösungsvorschläge<br />

wurden als zu vage <strong>zur</strong>ückgewiesen. Der Existenzialphilosophie<br />

verpflichtet, hat Simone de Beauvoir<br />

den Essay mit marxistischen Tendenzen unterlegt, was<br />

ihr den Vorwurf eingetragen hat, eher den Widerspruch<br />

zweier Weltanschauungen zu verdeutlichen, als programmatische<br />

Ansätze diesseits der Grenze von Sozialutopien<br />

zu leisten. Unbestritten bleibt jedoch das Verdienst<br />

der Autorin, ein vernachlässigtes und verdrängtes<br />

Thema aufgegriffen zu haben.


� Tahar Ben Jelloun<br />

� Lit.: R. Schottlaender: Das Alter – ein Thema von S. de B., in:<br />

Sinn und Form 38, 1986, 1215–1229. � B. Ladimer: Colette, B., and<br />

Duras. Age and Women Writers, 1999.<br />

Hanne Hauenstein-Pöppel<br />

Tout compte fait<br />

(frz.; Alles in allem, 1974, E. Rechel-Mertens) – In dem<br />

1972 erschienenen autobiographischen Werk hält die<br />

Autorin ein letztes Mal Rückschau auf ihr eigenes Leben<br />

und führt den Leser dabei durch die Jahre 1963 bis 1971.<br />

Entgegen ihrer früheren Praxis folgt sie in diesem vierten<br />

Memoirenband nicht mehr der Chronologie, sondern<br />

ordnet das Erlebte bestimmten Themenkreisen zu:<br />

Freunde, Literatur und Kunst, Reisen, Politik. Bereits in<br />

der Anlage sprengt das Werk den Rahmen eines intimen<br />

Journals.<br />

Zuweilen gibt dieser <strong>Lebens</strong>bericht offen Auskunft<br />

über Privates, zeigt in der aufmerksamen Beschreibung<br />

des geistig-politischen Geschehens der 1960er Jahre aber<br />

auch ein Stück miterlebter Zeitgeschichte. So berichtet<br />

Beauvoir über Reisen in die Sowjetunion, die sie an der<br />

Seite Ä Sartres unternahm, den Empfang einer Schriftstellerdelegation<br />

bei Chrusˇčëv, ihre Aufenthalte in der Tschechoslowakei<br />

und den ›Prager Frühling‹. Sie schildert das<br />

Schicksal Vietnams sowie ihre und Sartres Teilnahme am<br />

Russell-Tribunal. Es folgen Reiseberichte über Ägypten<br />

und Israel, den Besuch der Flüchtlingslager im Gaza-<br />

Streifen, Aufzeichnungen über den Sechs-Tage-Krieg und<br />

summarische Stellungnahmen zu den für sie enttäuschenden<br />

Entwicklungen etwa in Kuba und Algerien.<br />

Sie lässt die Ereignisse des Pariser Mai 1968 Revue<br />

passieren und die von ihr und Sartre unterstützten Aktionen<br />

der linksgerichteten Intellektuellen. Trotz der Ereignisfülle<br />

versucht die Autorin – alles in allem – Bilanz<br />

zu ziehen, auch dort, wo sie über ihr Verhältnis <strong>zur</strong> Literatur,<br />

ihre Träume, ihre Beziehung zu Freunden, ihre<br />

schriftstellerische Arbeit berichtet: »Ich bin keine virtuose<br />

Schriftstellerin gewesen. Ich habe nicht – wie Virginia<br />

Ä Woolf, wie Ä Proust oder Ä Joyce – das schillernde<br />

Spiel der Empfindungen wieder zum Leben erweckt.<br />

[...] Aber das ist auch nicht meine Absicht gewesen. Ich<br />

wollte mich existent machen für die anderen, indem ich<br />

ihnen auf die unmittelbarste Weise mitteilte, wie ich<br />

mein eigenes Leben empfand.«<br />

Als Grundlinie ihres <strong>Lebens</strong> erkennt sie in diesem<br />

Buch eine ungebrochene Kontinuität: »Vor allem zwei<br />

Dinge haben meinem Dasein seine Einheit verliehen:<br />

der Platz, den Sartre niemals aufgehört hat in ihm einzunehmen.<br />

Und die Treue, mit der ich immer an meinem<br />

ursprünglichen Projekt festgehalten habe: Erkennen<br />

und Schreiben.«<br />

� Lit.: S. Bainbrigge: Writing against Death. The Autobiographies<br />

of S. de B., 2005. Hanne Hauenstein-Pöppel<br />

Tahar Ben Jelloun<br />

� geb. 1.12.1944 Fès (Marokko)<br />

1963–1966 Philosophiestudium in Rabat; nach den Studentenrevolten<br />

1966–1968 Militärstraflager; 1968 Philosophielehrer,<br />

erste Veröffentlichungen; 1970 Versetzung<br />

nach Casablanca; 1971 Psychologiestudium in Paris; ab<br />

1975 freier Journalist und Schriftsteller; mit seinem umfangreichen<br />

Werk bedeutendster Vertreter der französischsprachigen<br />

maghrebinischen Literatur.<br />

� Lit.: R. Spiller: T.B.J. Schreiben zwischen den Kulturen, 2000.<br />

La prière de l’absent<br />

(frz.; Das Gebet an den Abwesenden, 1990, H.L. Teweleit)<br />

– Der 1984 erschienene Roman stützt sich auf<br />

die mündliche Überlieferung, die in den Ländern des<br />

Maghreb noch sehr lebendig ist. Der Leser erfährt die<br />

Geschichte des ehrwürdigen Scheichs Ma-al-Aynayn,<br />

eines berühmten Helden des marokkanischen Widerstands<br />

(1830–1910), der sich im Süden des Landes ausgezeichnet<br />

hat. Abd-el-Krim, der sagenhafte Held aus<br />

dem Rifgebirge im Norden, ist eine weitere Gestalt, über<br />

die zahlreiche Erzählungen im Umlauf sind. Darüber hinaus<br />

versteht es Ben Jelloun auch in diesem Roman, religiöse<br />

und abergläubische Vorstellungen zu verarbeiten<br />

und sie mit den uralten Riten zu verknüpfen, die in Marokko<br />

jede alltägliche Handlung begleiten.<br />

Schon der Titel des Buchs umschreibt die orthodoxe<br />

Tradition des Islam. Nach dem feierlichen Freitagsgebet<br />

bittet jemand die Versammlung der Gläubigen, für die<br />

Seele eines Abwesenden zu sprechen, eines Menschen,<br />

der spurlos verschwunden ist: ein kurzes Gebet, ein Augenblick<br />

der Erinnerung vor dem allgemeinen Vergessen.<br />

Die Handlung spielt in Fès im Jahr 1944. Der Leser<br />

wird Zeuge der Geburt eines Kindes, bei der das marokkanische<br />

Ritual beachtet wird: Während der Wehen<br />

werden zum Wohle der Mutter und des Kindes Gebete<br />

gesprochen und Heilige angerufen. Der Vater hat »Geld<br />

und Zucker einem Hirten von Sefrou gegeben, um sich<br />

ein Schaf reservieren zu lassen, für das Opfer <strong>zur</strong> Namensgebung<br />

[...]; der ältere Bruder hat sich darum gekümmert,<br />

Olivenöl in ausreichendem Maße bereit zu<br />

halten; der jüngere Bruder hat einen Sack Mehl und fünf<br />

Zuckerhüte besorgt.« (Zucker symbolisiert ein gutes Leben,<br />

und die Zahl 5 schützt vor dem bösen Blick.) Als das<br />

Kind <strong>zur</strong> Welt kommt, lässt die Hebamme einen Tropfen<br />

einer durchgeschnittenen grünen Zitrone in jedes Auge<br />

fallen, denn das Kind soll klug und einsichtig werden.<br />

Dann steckt sie den Zeigefinger in seinen Mund und<br />

prüft, ob es nicht mit einem Zahn geboren wurde, was<br />

ein schlechtes Omen wäre. Schließlich präpariert sie<br />

eine Mischung aus einer getrockneten und gemahlenen


grünen Pflanze, Öl und Zitrone, die die Nachwehen der<br />

Mutter abkürzen soll. Sieben Tage nach der Geburt findet<br />

das Schafopfer statt, um das Kind vor allem Übel zu<br />

bewahren, während man zahlreiche Gebete spricht und<br />

ihm einen Namen gibt. Damit ist das Kind bereit, ein Leben<br />

als Mensch zu beginnen.<br />

Das Neugeborene in Ben Jellouns Roman indes wird<br />

auf dem Friedhof von Fès ausgesetzt und von Yamna, einer<br />

ehemaligen Prostituierten, nun Bettlerin, und den<br />

Landstreichern Sindibad und Body aufgenommen. Mit<br />

dem Kind ziehen sie von Norden nach Süden durch Marokko<br />

und gelangen, wie auf einer Pilgerschaft, über<br />

Städte und Dörfer, zum Grab des Scheichs Ma-al-Aynayn:<br />

»Wie alle Scheichs war Ma-al-Aynayn ein Prophet<br />

mit Säbel und Feder. Als Mann des Südens, Sohn der<br />

Dünen, hatte er gelernt, die Majestät der Wüste und des<br />

Himmels zu achten. Er war Teil ihrer Stille und Würde.«<br />

Jeden Abend erzählt Yamna dem Kind die Geschichte<br />

von dem ehrwürdigen Scheich, nicht nur damit es einschläft,<br />

sondern auch, um seine Phantasie an<strong>zur</strong>egen.<br />

Wie bedeutsam Erzählungen für das tägliche Leben<br />

im Roman sind, wird daran deutlich, dass er ganz im<br />

Zeichen des mythischen Scheichs steht. Männer und<br />

Frauen tragen bestimmte Ereignisse immer wieder vor<br />

und halten so die mündliche Überlieferung ihrer nationalen<br />

Vergangenheit wach. Die Tradition, der Glaube,<br />

die Legenden führen zu einem mystischen Sprachrhythmus<br />

bei der Schilderung einer eigenartigen Reise, auf die<br />

sich nicht Helden, sondern Gestalten des täglichen <strong>Lebens</strong><br />

begeben, die mittellos sind und es im Leben schwer<br />

haben. Ihnen ist der tiefere Sinn der Symbolik vertraut,<br />

mit dem jedes Wort verbunden ist, aus dem uralte Weisheit<br />

spricht. Der Roman ist auch insofern ein gutes Beispiel<br />

für Ben Jellouns Schreibweise, als er hier wie in<br />

vielen seiner Texte diese Mythen geschickt mit der Romanhandlung<br />

verbindet.<br />

� Lit.: R. Belfikh: Approche sémiotique du voyage entre le réel et<br />

l’imaginaire dans deux romans marocains. ›La prière de l’absent‹<br />

de T.B.J. et ›Légende et vie d’Agoun’chich‹ de Mohammed Khair-<br />

Eddine, 1993. � C. Martini-Valat: Être, histoire et sacré dans ›Une<br />

enquête au pays de Driss Chraïbi‹ et ›La prière de l’absent‹ de<br />

T.B.J., 1995. Lucette Heller-Goldenberg<br />

L’enfant de sable<br />

(frz.; Sohn ihres Vaters, 1986, C. Kayser) – Wie ein orientalisches<br />

Märchen ist der 1985 erschienene Roman in<br />

Erzählabschnitte unterteilt: So machen es die Erzähler<br />

auf den Plätzen des Maghreb, die Zuhörer um sich scharen<br />

und von ihnen auch Geld bekommen wollen. Pro<br />

Tag erzählen sie eine Episode und laden darauf ihre Hörer<br />

ein, am nächsten Tag wiederzukommen, wenn sie die<br />

Fortsetzung erfahren wollen.<br />

Tahar Ben Jelloun �<br />

In L’enfant de sable, das ganz im Zeichen der moslemischen,<br />

vom Mann bestimmten Zivilisation steht, lässt<br />

Ben Jelloun einen dieser Märchenerzähler auf dem Platz<br />

Djemaa el Fna in Marrakesch von einer marokkanischen<br />

Familie erzählen, die bereits mit sieben Töchtern ›geschlagen‹<br />

ist. Ein Vater, der nur Töchter hat, schämt sich<br />

vor seinen Mitbürgern. Statt Feste zu sein, waren die sieben<br />

Geburten für ihn ein Grund <strong>zur</strong> Trauer. Um seine<br />

Ehre wiederherzustellen und seinen Besitz zu retten, der<br />

ohne männliche Nachkommenschaft an die bereits gierig<br />

darauf wartenden Brüder fallen würde, beschließt<br />

der Vater, das nächste Kind der Öffentlichkeit auf jeden<br />

Fall als Jungen zu präsentieren und erklärt seiner Frau:<br />

»Ich habe beschlossen, dass die achte Geburt ein Fest<br />

wird, das größte Fest, das sieben Tage und sieben Nächte<br />

dauern soll. Du wirst Mutter, eine wahre Mutter sein,<br />

eine Prinzessin; denn du wirst einen Jungen <strong>zur</strong> Welt<br />

bringen. Das neugeborene Kind soll ein Mann werden,<br />

Ahmed heißen, selbst wenn es ein Mädchen wird [...].<br />

Dieses Kind ist als Mann willkommen, und es wird<br />

durch seine Gegenwart Licht in dieses trübe Haus bringen.«<br />

Wie vorausgesehen, kommt tatsächlich wieder ein<br />

Mädchen <strong>zur</strong> Welt, das als Junge in die menschliche Gemeinschaft<br />

aufgenommen wird. Außer der Mutter und<br />

der alten Hebamme kennt niemand den wahren Sachverhalt.<br />

Als ›Ahmed‹ ins Pubertätsalter kommt, beschließt<br />

›er‹ – diesmal aus eigenem Antrieb – weiter wie<br />

ein Mann zu leben und den Schein zu wahren, wie es<br />

sein Vater gewollt hat. Dieses Abenteuer treibt er selbst<br />

nach dem Tod des Vaters noch so weit, dass er Fatima,<br />

ein hinkendes und epileptisches Mädchen heiratet, das<br />

wie er unter dem gespannten Verhältnis zwischen Seele<br />

und Körper zu leiden hat. Zuletzt schließt er sich einer<br />

Truppe von Seiltänzern in einem kleinen Wanderzirkus<br />

an.<br />

Am Ende lässt der Erzähler seine Zuhörer im Stich,<br />

nachdem er sie mehrere Tage um sich geschart hatte. So<br />

treten andere an seine Stelle und erzählen – jeder auf<br />

seine Art – das Ende dieser eigenartigen Geschichte; verschiedene<br />

Lösungsansätze werden diskutiert, bis sich<br />

auf einmal eine alte Frau in den Kreis der Erzähler einreiht:<br />

Fatouma – ›der Sohn ihres Vaters‹.<br />

Exemplarisch verweist der Roman auf das Problem<br />

der Identität des Menschen in der Auseinandersetzung<br />

mit seiner Geschlechtlichkeit. Die Sensibilität dieser<br />

feinfühligen psychologischen Analyse wird von der Tragik<br />

und Grausamkeit eines gierigen Verlangens überschattet,<br />

immer tiefer in die Geheimnisse des <strong>Lebens</strong><br />

vorzudringen. Hierfür bedient sich Ben Jelloun einer<br />

nichtlinearen Erzählweise, die dem Vortragsstil des<br />

Märchenverkünders einen großen Platz einräumt. Besonders<br />

deutlich wird dies in der Verwendung von Zauberformeln,<br />

die lyrisch die Erzählung unterbrechen. Der


� Tahar Ben Jelloun<br />

Erzähler lässt sich von seinem Publikum leiten, das den<br />

Rhythmus des mündlichen Vortrags kennt und die Heiligen<br />

mit magischen Formeln anruft. Der manchmal etwas<br />

naive, fast triviale, aber stimmungsvolle und emphatische<br />

Vortragston wird jedoch durch eine komplizierte,<br />

›moderne‹ Erzählhaltung ergänzt. Im ständigen<br />

Wechsel der Perspektiven und Stilebenen liegt der besondere<br />

Reiz dieses Romans.<br />

� Lit.: S. Tamm: Secret du secret dans le silence du rêve dans le<br />

rêve, 1998. � L. Mayer: Positionen <strong>zur</strong> französischsprachigen Literatur<br />

des Maghreb, 2000. � M. Chossat: Ernaux, Redonnet, Bâ et<br />

B.J., 2002. Lucette Heller-Goldenberg<br />

La nuit sacrée<br />

(frz.; Die Nacht der Unschuld, 1988, E. Moldenhauer) –<br />

Der 1987 erschienene Roman erreichte in Frankreich<br />

eine außergewöhnliche Popularität. Er knüpft an den<br />

Roman L’enfant de sable, 1985 (Sohn ihres Vaters, 1989),<br />

an, der damit endet, dass der Haupterzähler auf dem<br />

Platz Djemaa El Fna in Marrakesch, dem Platz der<br />

Gaukler und Märchenerzähler, die Geschichte von dem<br />

»Kind aus Sand und Wind« abbricht und davongeht.<br />

Eine alte Frau, Mutter Fadila, beobachtet diesen Märchenerzähler,<br />

wie er ihre eigene Geschichte den Zuhörern<br />

begreiflich machen will. Er gibt jedoch auf, und sie<br />

selbst übernimmt nunmehr das Erzählen.<br />

In der 27. Nacht des Fastenmonats Ramadan stirbt<br />

der Vater der Erzählerin. Im Ä Koran wird diese Nacht<br />

»Die Nacht des Schicksals« genannt, da in ihr dem Propheten<br />

Mohammed der Beginn des Korans offenbart<br />

wurde. Für die Erzählerin ist es die »Heilige Nacht«, die<br />

Nacht der Befreiung und des Übergangs von einem Sein<br />

in ein anderes, denn in der Stunde seines Todes bereut<br />

der Vater, dass er sie 20 Jahre lang als Jungen ausgegeben<br />

hat, um seine Ehre und sein Erbe zu retten. Er gibt ihr<br />

endlich die Freiheit, eine Frau zu sein und sich statt<br />

›Ahmed‹ nunmehr ›Zahra‹ (Blume der Blumen, Abendstern)<br />

zu nennen.<br />

Noch während der Beerdigung des Vaters flieht<br />

Zahra in eine Phantasiewelt: Von einem Scheich wird sie<br />

auf einem weißen Pferd in ein unterirdisches Reich voller<br />

Kinder getragen, die sich selbst regieren, wie in dem<br />

klassisch-arabischen Gedicht »Risalat al-gufran« (Der<br />

Traktat der Vergebung) des syrischen Dichters Abu�<br />

l-˛Ala�’ al-Ä Ma˛arrīs (973–1057). Danach kehrt sie in die<br />

Realität <strong>zur</strong>ück, vergräbt alle Zeichen ihrer falschen<br />

Männlichkeit, wie den Personalausweis, die Fotos von<br />

ihrer (fingierten) Beschneidung und ihrer Hochzeit mit<br />

der epileptischen Cousine Fatima, sowie ihre männliche<br />

Kleidung. Befreit und ohne Maske geht sie nun auf Wanderschaft,<br />

nur um sogleich im Wald von einem Unbekannten<br />

vergewaltigt zu werden. Im öffentlichen Bad<br />

der nächstgelegenen Stadt sucht sie Zuflucht und Reinigung<br />

und wird von der korpulenten Badeaufseherin<br />

nach Hause eingeladen, um deren blindem Bruder Gesellschaft<br />

zu leisten.<br />

Die Schwester, allegorisch »Die Sitzende« genannt,<br />

umhegt ihren Bruder wie eine Mutter oder Geliebte und<br />

nennt ihn »Konsul« einer imaginären Botschaft. Er ist<br />

jedoch Lehrer und unterweist Kinder im Koran, den er<br />

als Poesie schätzt, aber als politische Waffe ausdrücklich<br />

ablehnt. Auch er lebt zeitweise in einer Phantasiewelt: Er<br />

erzählt von einem »außergewöhnlichen Land« mit einer<br />

Bibliothek der Meisterwerke, die jeweils von einer schönen<br />

Frau erzählt und dargestellt würden. Nach und nach<br />

übernimmt Zahra die Betreuung des Blinden, auch bei<br />

seinen Gängen ins Bordell. Eines Tages schickt sie die<br />

Prostituierte, die er nach ihren Beschreibungen auswählt,<br />

weg und stellt sich ihm selbst <strong>zur</strong> Verfügung. In<br />

dieser Liebe findet sie vorübergehend eine feste Identität.<br />

Doch die Schwester des Blinden wird misstrauisch,<br />

informiert sich bei Zahras Familie und erfährt, dass<br />

Zahra dort als Mann galt und die Brüder ihres Vaters um<br />

das Erbe betrogen habe (da nach islamischem Gesetz<br />

zwei Drittel des Vermögens eines Mannes ohne Söhne<br />

an seine Brüder fallen). Bald darauf taucht ein habgieriger<br />

Onkel auf, um sein Erbteil <strong>zur</strong>ückzufordern und<br />

die Ehre seiner verstorbenen Tochter Fatima, Zahras<br />

›Frau‹, zu retten. Zahra erschießt ihn und wird zu 15 Jahren<br />

Haft verurteilt.<br />

Im Gefängnis suchen sie fünf ihrer inzwischen fanatisch<br />

islamisierten, hasserfüllten Schwestern auf und rächen<br />

sich für die 20-jährige Usurpation einer männlichen<br />

Herrschaft im Haus, indem sie sie beschneiden und<br />

ihr auf ägyptisch-sudanesische Art die Vagina zunähen.<br />

Zahras Fieber- und Höllenvisionen sind eine neue Variante<br />

des Poetisch-Phantastischen und Brutal-Surrealen<br />

in dieser Geschichte. Wieder genesen, nimmt sie im<br />

Gefängnis als öffentlicher Schreiber erneut eine männliche<br />

Rolle an. Schließlich wird sie vorzeitig entlassen<br />

und fährt in Männerkleidung zielstrebig mit dem Bus<br />

nach Süden, der Erfüllung ihres Schicksals entgegen. In<br />

einem weißen ›Marabut‹ (einem islamischen Heiligen)<br />

erkennt sie den Blinden, der inzwischen zu einem<br />

berühmten Wunderheiler geworden ist. Durch seinen<br />

Tastsinn identifiziert er sie in der Reihe der männlichen<br />

Bittsteller und heißt sie willkommen. So gelangt die Erzählerin<br />

nach der Dunkelheit der menschlichen Beziehungen<br />

und der des Gefängnisses in das ›weiße Reich<br />

des Todes‹.<br />

Eine mögliche Deutung ihrer ungesicherten Identität,<br />

ihres ständigen Schwankens zwischen Frau- und<br />

Mann-Sein, gibt sie selbst. Wenn sie im Gefängnis mit<br />

den Verwaltern kollaboriert oder wenn sie für die Mitgefangenen<br />

schreibt oder ihnen vorliest, benutzt sie<br />

die männliche Kleidung als Amts- und Berufskleidung,


nicht mehr als Maskierung. Für diesen Wechsel findet<br />

sie einen aufschlussreichen Vergleich: »Ich bewegte<br />

mich zwischen den beiden Lagern wie in zwei Sprachen.«<br />

Im ständigen Zwiespalt zwischen zwei oder sogar<br />

drei Sprachen, Kulturen, Welten und Religionen haben<br />

die Maghrebiner ihre kulturelle ›Unschuld‹ verloren, zu<br />

Hause und vor allem im Ausland als ›Gastarbeiter‹ und<br />

Intellektuelle.<br />

Der Autor selbst weist aber auch darauf hin, dass<br />

La nuit sacrée einen Selbstfindungsprozess zeige, »eine<br />

Identitätssuche, in der sich die gesellschaftliche Wirklichkeit<br />

der Mittelmeerländer widerspiegelt, wo die Frau<br />

einerseits eine äußerst wichtige Rolle spielt, ihre Rechte<br />

andererseits aber noch nicht anerkannt werden«.<br />

� Lit.: S. Tamm: Secret du secret dans le silence du rêve dans le<br />

rêve. Traumerzählungen in den Romanen ›L’enfant de sable‹ und<br />

›La nuit sacrée‹ von T.B.J., 1998. � L. Mayer: Positionen <strong>zur</strong> französischsprachigen<br />

Literatur des Maghreb, 2000. � M. Chossat: Ernaux,<br />

Redonnet, Bâ et B.J., 2002. Ingrid Schwamborn<br />

Friedrich August von Hayek<br />

� geb. 8.5.1899 Wien (Österreich)<br />

� gest. 23.3.1992 Freiburg i. Br. (Deutschland)<br />

1918–1921 Studium der Rechtswissenschaften und 1921–<br />

1923 der Staatswissenschaften an der Universität Wien;<br />

1923 Promotion; ab 1923 Teilnahme am ›Privatseminar‹<br />

Ludwig von Ä Mises’; mit ihm 1927 Gründung des<br />

Österreichischen Konjunkturforschungsinstituts; 1931–<br />

1950 Professor an der London School of Economics; Widersacher<br />

von John Maynard Ä Keynes, Kritiker des Sozialismus;<br />

1950 Professor an der University of Chicago<br />

und 1962 an der Universität Freiburg i. Br.; 1974 Nobelpreis<br />

für Wirtschaftswissenschaften (gemeinsam mit<br />

Gunnar Ä Myrdal).<br />

� Ausg.: The Collected Works of F.A.H., Hg. William W. Bartley,<br />

1990 ff.<br />

� Übers.: Gesammelte Schriften in deutscher Sprache, Hg.<br />

A. Bosch/M.E. Streit/V. Vanberg, 2001 ff.<br />

� Lit.: B. Caldwell: H.’s Challenge. An Intellectual Biography of<br />

F.A.H., 2004.<br />

The Road to Serfdom<br />

(engl.; Der Weg <strong>zur</strong> Knechtschaft, 1944, E. Röpke) – Hayeks<br />

politisches, während seiner Zeit im englischen Exil<br />

entstandenes Frühwerk aus dem Jahr 1944, das ganz wesentlich<br />

zu seinem publizistischen und ideologischen<br />

Ruhm beigetragen hat, ist den »Sozialisten in allen Parteien«<br />

gewidmet. Seine Kernthese besagt, dass jede Form<br />

Friedrich August von Hayek �<br />

von Staatsinterventionismus und Kollektivismus notwendigerweise<br />

<strong>zur</strong> Zerstörung der Freiheit und Marktwirtschaft<br />

– nach Hayeks Ansicht: der Grundlagen der<br />

liberalen westlichen Zivilisation – führt. Mit dem Werk<br />

wurde Hayek – neben Robert Ä Nozick – zum ideologischen<br />

Bezugspunkt des Libertarianismus und all jener<br />

politischen und gesellschaftlichen Kräfte, die dem in der<br />

zweiten Hälfte des 20. Jh.s lange Zeit dominanten Ä Keynesianismus<br />

und der Expansion des Wohlfahrtsstaates<br />

kritisch gegenüberstanden. Hayek vertrat damit lange<br />

Zeit eine Minderheitenposition, die erst mit der ökonomischen<br />

Stagnation der 1970er Jahre und 1979 mit dem<br />

Regierungsantritt Margaret Thatchers in Großbritannien<br />

und ihrer durch Hayeks Denken inspirierten Politik<br />

der Inflationsbekämpfung, Steuersenkung, der Entmachtung<br />

der Gewerkschaften, der Privatisierung öffentlicher<br />

Dienstleistungen und einer breit angelegten<br />

Deregulierung aus dem Schatten des lange währenden<br />

öffentlichen Desinteresses trat. Außer dem US-amerikanischen<br />

Präsidenten Ronald Reagan zeigten sich in<br />

der praktischen Politik der Bundesrepublik der CSU-Politiker<br />

Franz Joseph Strauß und – nach ihrem Bruch mit<br />

der SPD 1983 – der wirtschaftsliberale Flügel der FDP beeinflusst<br />

vom Denken Hayeks. Nach dem Ende des Ost-<br />

West-Konflikts orientierten sich eine Reihe von Staaten<br />

Ost- und Mitteleuropas in ihrer Wirtschaftspolitik an<br />

den Idealen Hayeks.<br />

Hayeks Werk kann als Alarmruf verstanden werden,<br />

der vor den Bedrohungen der Freiheit durch totalitäre<br />

Strömungen aller Art warnen wollte. Das Buch, dessen<br />

Sprache sich durch Klarheit, scharfe Logik, Mut und<br />

zum Teil schneidende Ironie und Provokation auszeichnet,<br />

beginnt als Kritik des Nationalsozialismus, den<br />

Hayek als Variante des Sozialismus begreift. Auch wenn<br />

Hayek durchaus ideologische Unterschiede zwischen<br />

dem sowjetischen Kommunismus und dem Nationalsozialismus<br />

erkennt, seien sich beide doch darin gleich,<br />

dass beide Totalitarismen das Ziel sozialer Gerechtigkeit<br />

oder sozialer Gleichheit durch wirtschaftliche Steuerung<br />

erreichen wollten. Doch ein auf »gewaltsamer« und »ineffektiver«<br />

Planwirtschaft und Intervention des Staates<br />

in die Wirtschaft beruhendes sozialistisches Staatswesen,<br />

sei es kommunistischer oder nationalsozialistischer<br />

Prägung, ist nach Hayeks Auffassung mit der Aufrechterhaltung<br />

menschlicher Freiheit unvereinbar.<br />

Diesem Verdikt liegt ein Freiheitsverständnis zugrunde,<br />

das unter Freiheit in erster Linie einen Zustand<br />

versteht, der durch die weitgehende Abwesenheit von<br />

fremdem Zwang gekennzeichnet ist. Ein sozialistisches<br />

System aber könne gar nicht anders, als jedem Individuum<br />

den ihm ›gehörigen‹ Platz in der Gesellschaft zuzuweisen,<br />

wenn es den Wirtschaftsprozess mit Aussicht<br />

auf Erfolg planen wolle. Indem es dies aber tue, übe das<br />

sozialistische System Zwang auf das Individuum aus, das


� Thomas Mokopu Mofolo<br />

sich nun nicht mehr, wie in einem marktwirtschaftlichen<br />

System, seine gesellschaftliche Position, im Idealfall<br />

durch Eigeninitiative, selbst erkämpfen könne. Damit<br />

jedoch zwinge das sozialistische System dem Individuum<br />

seine Vorstellung vom guten und richtigen<br />

Leben auf und beschneide die individuellen Sphären der<br />

Freiheit. Hier wird die Anschlussfähigkeit von Hayeks<br />

Vorstellung des freien Individuums an Robert Nozicks<br />

Ideal des Minimalstaates deutlich, in dem die Freiheit<br />

des Individuums gewahrt ist.<br />

Auch wenn sich Hayek, bedingt durch den Krieg,<br />

noch sehr ausführlich und gewichtig mit dem Nationalsozialismus<br />

auseinandersetzt, weist sein Buch doch über<br />

die Konfliktlinien der Kriegszeit hinaus. Hayek entwirft<br />

bereits die Konturen der Nachkriegskonstellation: Sie<br />

wird bestimmt von dem Konflikt zwischen einem am<br />

Schutz individueller Freiheiten und der Marktwirtschaft<br />

orientierten Libertarianismus, in dem – so Hayek in seinen<br />

späteren Schriften, etwa in The Constitution of Liberty,<br />

1960 (Die Verfassung der Freiheit) – dem Staat<br />

einzig der Schutz des Eigentums und die Durchsetzung<br />

privat geschlossener Verträge zukomme, und dem<br />

Staatssozialismus und seinen ideologischen ›Verwandten‹<br />

in Sozialdemokratie und Sozialiberalismus. Für diesen<br />

Konflikt – auch vor dem Hintergrund des damaligen<br />

Liebäugelns englischer Intellektueller und Politiker mit<br />

Sozialismus und Planwirtschaft – will Hayek den Betrachter<br />

sensibilisieren und darauf aufmerksam machen,<br />

dass alle Arten von Sozialismus, Kollektivismus<br />

und Planwirtschaft im Widerspruch zu den liberalen<br />

Individualrechten, insbesondere der individuellen Freiheit<br />

und der Rechtsstaatlichkeit, stehen. Die Umsetzung<br />

jeglicher Wirtschaftsplanung führe <strong>zur</strong> Unterdrückung<br />

der Individuen, wie die Gewaltherrschaft in den totalitären<br />

Staaten seiner Zeit zeige – außer in Deutschland<br />

und Italien vor allem in der Sowjetunion.<br />

� Lit.: R. Kley: H.’s Social and Political Thought, 1994. � A. Gamble:<br />

H. The Iron Cage of Liberty, 1996. � C. Zeitler: Spontane Ordnung,<br />

Freiheit und Recht. Zur politischen Philosophie von<br />

F.A.v.H., 2 1996. � H.J. Hennecke: F.A.v.H. Die Tradition der Freiheit,<br />

2000. Helge Batt / Barbara Waldkirch<br />

Thomas Mokopu Mofolo<br />

� geb. 22.12.1876 Khojane/Mafeteng (Lesotho)<br />

� gest. 8.9.1948 Teyateyaneng (Lesotho)<br />

Missionsschulerziehung; 1898 Lehrerdiplom; Schreinerlehre;<br />

ab 1904 Verlagsangestellter in Morija; dort Kontakte<br />

mit Missionaren; Forschungen zu historischen<br />

Traditionen der Sotho; ab 1912 Arbeitsvermittler für<br />

Minenarbeiter, Kleinunternehmer, Lokalpolitiker, zeit-<br />

weise in Südafrika lebend; nach Gehirnschlag 1940 hinfällig;<br />

Pionier der modernen Süd-Sotho-Literatur;<br />

Erweiterung der Stoffe der oralen Sotho-Tradition<br />

um psychologische, philosophische und christliche<br />

Aspekte.<br />

� Lit.: D.P. Kunene: T.M. and the Emergence of Written Sesotho<br />

Prose, 1989. � L.S. Molemi: The Image of Christianity in Sesotho<br />

Literature, 1989, 21–81.<br />

Moeti oa bochabela<br />

(südsotho; Der Reisende nach dem Osten) – Das 1907 erschienene,<br />

zum Teil autobiographische Werk des jungen<br />

Autors stellt die Mythologie und die traditionellen Sitten<br />

und Gebräuche der Basotho den Glaubenssätzen des<br />

von den Weißen eingeführten Christentums gegenüber.<br />

Die Verwendung des allegorischen Grundmotivs der<br />

Pilgerfahrt ist wohl John Ä Bunyans Erbauungsbuch The<br />

Pilgrim’s Progress (1678) nachempfunden, das Mofolo in<br />

Englisch und Südsotho vorlag.<br />

Die Geschichte ist als Reise aus der ›Dunkelheit‹ des<br />

vorchristlichen Afrika ins ›Licht‹ des Christentums konzipiert.<br />

Der Hirtenjunge Fekisi, vor Ankunft der Weißen<br />

in Lesotho geboren und von seinen Eltern streng erzogen,<br />

führt ein musterhaftes Leben: Er schützt die anderen<br />

Hirten, setzt sich immer wieder für sie ein und<br />

genießt ihren Respekt. Von den anderen Dorfbewohnern<br />

unterscheiden ihn zwei Eigenschaften: die moralische<br />

Entrüstung, die er beim Anblick des ›lasterhaften‹<br />

<strong>Lebens</strong> seiner Landsleute empfindet, und sein Bemühen,<br />

die Rätsel der Natur zu ergründen: Woher kommen Regen<br />

und Wolken? Wer hat die Welt erschaffen? Was ist<br />

der Sinn des <strong>Lebens</strong>? Als Antwort erzählen ihm die<br />

Dorfältesten die Geschichte vom Ungeheuer Kgolumolumo:<br />

wie es die Menschen verschlang, bis es der Sohn<br />

der einzig überlebenden Frau erschlug; wie dieser aber<br />

selbst vom undankbaren Volk ermordet wurde. Ob ihrer<br />

Boshaftigkeit habe sich auch Gott von den Menschen<br />

<strong>zur</strong>ückgezogen und wohne nun in Ntsoanatsatsi, »dem<br />

Ort, wo die Sonne herkommt«, und – der Basotho-Mythologie<br />

nach – zugleich dem Ursprungsort des Volkes<br />

selbst.<br />

Als Fekisi während einer Sonnenfinsternis Gott um<br />

Hilfe anfleht, sagt ihm eine Stimme, er solle Gott suchen,<br />

bis er ihn finde. Die Richtung wird ihm durch einen<br />

Traum gewiesen, in dem er den Ort Ntsoanatsatsi<br />

sieht; darüber schwebt eine schöne, menschenähnliche<br />

Erscheinung. Fekisi beschließt, sofort in den Osten aufzubrechen<br />

und verabschiedet sich durch das Singen von<br />

Lobliedern auf seine Viehherden. Auf der Suche nach<br />

Gott muss er vielerlei Proben bestehen: Er rettet das<br />

Opfer eines Mordversuchs, leidet in der Wildnis unter<br />

Hunger und Durst und muss sich vor wilden Tieren in


Sicherheit bringen. In einem Zustand physischer Erschöpfung<br />

erreicht er die Küste. Dort wird er von drei<br />

Weißen aufgegriffen, denen er von seiner Suche nach<br />

Gott erzählt. Diese berichten vom christlichen Glauben<br />

und von ihrer Heimat im Osten, wo Menschen in Frieden<br />

leben und keinen Herrscher außer Gott kennen. Fekisi<br />

begibt sich mit ihnen auf die Reise und findet dort<br />

eine bewundernswerte Gesellschaft vor, nicht aber den<br />

Ntsoanatsatsi seiner Vision. Er bittet Gott um ein Zeichen,<br />

ob seine Suche nun zu Ende sei. Bei einem Gottesdienst<br />

erscheint ihm Christus und verkündigt ihm, er,<br />

der Gott über alles geliebt und um seinetwillen sein<br />

Land verlassen habe, werde ins Reich Gottes aufgenommen.<br />

Fekisi stirbt vor dem Altar.<br />

Die Missionare, die Mofolo zum Schreiben ermutigt<br />

hatten, waren mit dem Werk hochzufrieden. Auch die<br />

ersten Rezensenten lobten die an Bunyan erinnernde Allegorie<br />

und Dialogführung und sprachen von »der literarischen<br />

Hoffnung Afrikas«. In ihrer Gegenüberstellung<br />

von Sotho-Tradition und Christentum bleibt Mofolos<br />

Werk allerdings problematisch. Obwohl seine<br />

Schilderung der Sitten einer afrikanischen Gesellschaft<br />

äußerst negativ ausfällt, lässt er durch die Reden der<br />

Dorfältesten, den Mythos von Kgolumolumo und nicht<br />

zuletzt durch die Bemühungen Fekisis selbst auch bei<br />

den Sotho den Wunsch nach Ordnung und Tugend unabhängig<br />

vom christlichen Glauben durchblicken. Die<br />

Suche nach Ntsoanatsatsi deutet ebenfalls in diese Richtung.<br />

Der Roman ist daher als Versuch einer synkretistischen<br />

Fusion des Gedankenguts der Sotho und des<br />

christlichen Glaubens gedeutet worden. Dagegen<br />

spricht jedoch die zunehmende Bedeutung christlicher<br />

Symbolik im Roman. Fekisis Verurteilung des Bösen<br />

schließt nicht nur Immoralität, sondern auch legitime<br />

Traditionen der Sotho ein. Seine Suche nach Ntsoanatsatsi<br />

entwickelt sich, besonders nach dem Treffen mit<br />

den Weißen, immer mehr <strong>zur</strong> Sehnsucht nach dem<br />

Ä biblischen Eden, und er stirbt ganz im Zeichen christlicher<br />

Erlösung. So gesehen, bestätigt der Roman die<br />

historischen Erfahrungen der Sotho, verrät aber auch<br />

das Dilemma eines christlich erzogenen Mosotho in der<br />

geistigen Auseinandersetzung seiner Zeit.<br />

� Übers.: The Traveller of the East, H. Ashton, 1934 [engl.].<br />

� Lit.: A. Werner: A Mosuto Novelist, in: International Review of<br />

Missions 14, 1925, 428–436. � D.P. Kunene: Ntsoanatsatsi / Eden.<br />

Superimposed Images in T.M.’s ›Moeti oa bochabela‹, in: English<br />

in Africa 13, 1986, 1, 13–39. � I. Hofmeyr: The Portable Bunyan,<br />

2004, 151–172. � A. Ricard: Un ouvrage d’imagination absolument<br />

original. ›Moeti oa bochabela‹ de T.M. Premier roman africain,<br />

in: Interfaces between the Oral and the Written, Hg. A.R./F. Veit-<br />

Wild, Bd. 2, 2005, 87–98. Geoffrey V. Davis<br />

Pitseng<br />

Thomas Mokopu Mofolo �<br />

(südsotho; Pitseng, 1973, P. Sulzer) – Der 1910 erschienene<br />

Roman spielt im Tal von Pitseng, einer rückständigen<br />

Gegend in Lesotho. Herr Katse, ein aufgrund<br />

seiner Bescheidenheit beliebter Lehrer und Pastor, hat es<br />

sich <strong>zur</strong> Aufgabe gemacht, den Bewohnern dieses Tals<br />

das Evangelium zu verkünden. Bald wird er auf die außergewöhnliche<br />

Begabung von zweien seiner Schüler<br />

aufmerksam. Es handelt sich um den Jungen Alfred<br />

Phakwe und das Mädchen Aria Sebaka. Insgeheim<br />

wünscht Herr Katse, dass die beiden einander später<br />

heiraten. Während Alfred <strong>zur</strong> weiteren Ausbildung nach<br />

Kapstadt geschickt wird, bleibt Aria zu Hause und betätigt<br />

sich als Aushilfe in der Schule. Die Heirat der beiden<br />

bildet den Höhepunkt des Werks.<br />

Das Hauptgewicht des Romans liegt weniger auf der<br />

Handlung als vielmehr auf der Charakterschilderung<br />

der ›einfachen‹ Leute, die im abgeschiedenen Tal von<br />

Pitseng leben. Die drei Hauptfiguren entsprechen Mofolos<br />

Vorstellung von idealen Menschen. Der tiefreligiöse<br />

Herr Katse ist eine Personifizierung des Guten. Die<br />

Liebe zwischen Alfred und Aria bildet den Kern des<br />

Romans – in ihr zeigen sich Mäßigung, Selbstbeherrschung,<br />

Zurückhaltung und Geduld. Der Einfluss von<br />

Herrn Katse auf die beiden jungen Menschen ist unverkennbar.<br />

Alfred weist alles, was ihn vom vorgesetzten<br />

Ziel ablenkt, strikt <strong>zur</strong>ück. Jede Heuchelei in der Liebe<br />

ist ihm zuwider, und er überwindet jede Versuchung, die<br />

ihm begegnet, bis er in Aria seine wahre Liebe findet.<br />

Auch die feinfühlige Aria hat gelernt, ihre Empfindungen<br />

zu beherrschen, und sie bewahrt ihre Liebe für den<br />

Mann auf, den sie heiratet. Mofolo deutet damit zugleich<br />

an, dass für ihn die Ehe ein Sinnbild der Beziehung<br />

zwischen der Kirche und Christus ist.<br />

Dirk Ziervogel<br />

Chaka<br />

(südsotho; Chaka Zulu, 1988, P. Sulzer) – Das 1926 erschienene<br />

Werk, von dem Afrikanisten A.S. Gérard als<br />

»der vielleicht erste wichtige afrikanische Beitrag <strong>zur</strong><br />

Weltliteratur« bezeichnet, hat sich nicht nur als Bestseller<br />

aus den in einer afrikanischen Sprache geschriebenen<br />

Literaturen des südlichen Afrikas behaupten können;<br />

es ist – besonders seit Erscheinen einer neuen<br />

englischen Übersetzung durch D.P. Kunene (1981) – zunehmend<br />

Gegenstand wissenschaftlicher Beschäftigung<br />

geworden.<br />

In seinem Roman breitet Mofolo eine groß angelegte,<br />

fiktionale Neudeutung des <strong>Lebens</strong> des Zulu-Häuptlings<br />

Chaka (ca. 1783/1787–1828) aus, dessen Reich weite<br />

Teile des Gebietes zwischen dem Limpopo (der jetzigen


� Thomas Mokopu Mofolo<br />

Grenze Südafrikas zu Simbabwe) und der Kapprovinz<br />

umfasste. Mofolos Sicht auf Chaka ist nicht nur die des<br />

Afrikaners, sondern auch vor allem die eines Mosotho,<br />

also eines Vertreters einer derjenigen Ethnien, die am<br />

meisten unter Chakas Kriegshandlungen zu leiden hatten.<br />

Obwohl es nicht in seiner Absicht lag, ein in allen<br />

Einzelheiten wahrheitsgemäßes Porträt Chakas zu verfassen<br />

– er entfernt sich in wesentlichen Punkten von<br />

der geschichtlichen Überlieferung – legte Mofolo großen<br />

Wert auf eine möglichst realitätsgetreue Schilderung<br />

der Sitten und Gebräuche der Zulu und begab sich<br />

mehrmals zu Forschungszwecken nach Natal.<br />

Das spätestens Anfang 1910 vollendete Werk konnte<br />

erst 1926 veröffentlicht werden. Die lange Verzögerung<br />

war wohl nicht zuletzt auf Einwände seitens der französischen<br />

protestantischen Missionare <strong>zur</strong>ückzuführen,<br />

die die Druckerei von Morija betrieben. Sie sahen in<br />

Mofolos Meisterwerk eine allzu wohlwollende Darlegung<br />

heidnischen Aberglaubens. Möglicherweise gab es<br />

daneben auch literarische Vorbehalte gegen die (nicht<br />

mehr existierende) Erstfassung des Romans, denn den<br />

Berichten von Mofolo Mofolo, dem Sohn des Autors,<br />

lässt sich entnehmen, dass der Veröffentlichung eine<br />

vielleicht umgearbeitete, jedenfalls aber gekürzte Zweitfassung<br />

des Manuskripts zugrunde gelegt wurde. Spätere<br />

Interpreten des Romans verglichen die erschütternde<br />

Darstellung des Bösen, des Missbrauchs der<br />

Macht durch einen absoluten Herrscher, mit Ä Shakespeares<br />

Macbeth und Ä Goethes Faust.<br />

Senzangakhona, Häuptling des kleinen Stammes der<br />

Mazulu, will erneut heiraten, da keine seiner Frauen ihm<br />

bisher den erwünschten männlichen Erben beschert hat.<br />

So veranstaltet er ein Fest, bei dem er die junge Nandi<br />

kennenlernt. Er verführt sie auf dem Heimweg, und sie<br />

wird schwanger, was als Verstoß gegen die Stammessitten<br />

gilt und üblicherweise mit dem Tod der Frau bezahlt<br />

werden muss. Um die Schmach zu verheimlichen, heiratet<br />

er Nandi; später bringt sie Chaka <strong>zur</strong> Welt. Auf<br />

Drängen seiner älteren Frauen, die inzwischen auch eigene<br />

Söhne geboren haben und deswegen um die Erbfolge<br />

besorgt sind, lässt Senzangakhona Nandi verbannen<br />

und Chaka enterben.<br />

Als Hirtenjunge wird Chaka von den anderen Jungen,<br />

die die Feindschaft des Stammes gegen ihn wittern,<br />

drangsaliert und verstoßen. Um Chaka Mut und Kampflust<br />

einzuflößen, bedient sich Nandi der Künste einer<br />

für ihre Zauberkräfte bekannten Ärztin. Der Erfolg zeigt<br />

sich, als Chaka noch als Junge einen Löwen besiegt und<br />

ein Mädchen aus den Fängen einer Hyäne rettet. Durch<br />

derartig heldenhafte Taten zieht er den Neid anderer auf<br />

sich, die sich wegen seines Mutes schämen müssen. Der<br />

Ruhm des jungen Mannes erreicht König Dingiswayo,<br />

dem Senzangakhona Chaka nicht vorgestellt hatte, da er<br />

die Aufdeckung der eigenen Sünde befürchtet.<br />

Als Chaka sich eines Tages am Fluss wäscht, erscheint<br />

ihm der »König des tiefen Teiches« in Gestalt einer<br />

riesigen Wasserschlange und verkündet, Chaka<br />

werde mächtiger Herrscher über viele Nationen sein.<br />

Kurz darauf stirbt die Ärztin, versichert aber, dass ihr<br />

eigener Lehrer sich Chakas annehmen werde. Als Senzangakhona<br />

nach einem blutigen Streit zwischen Chaka<br />

und seinen Rivalen in die Ermordung des eigenen Sohnes<br />

einwilligt, ergreift dieser die Flucht. Unterwegs<br />

zieht er die Bilanz seiner bisherigen Erfahrungen: Aufgrund<br />

erlittenen Unrechts erkennt er, dass nur der<br />

Starke, nicht der, der im Recht ist, siegen kann, und er<br />

bekennt sich <strong>zur</strong> uneingeschränkten Selbstbehauptung.<br />

Vor ihm erscheint nun der geweissagte Isanusi (dessen<br />

Name in Zulu ›Medizinmann‹ bedeutet) und bietet ihm<br />

Hilfe bei der Wiedererlangung seines königlichen Erbes<br />

an. Chaka aber will mehr: Er trachtet nach der Herrschaft<br />

über alle. Isanusi bereitet eine Arzneimixtur, um<br />

Chakas Stärkung zu vervollkommnen; er schnitzt einen<br />

Speer mit einem kurzen Griff, der ihm militärische<br />

Siege ermöglichen soll, und er lehrt ihn, dass absolute<br />

Macht nur durch gnadenloses Blutvergießen erlangt<br />

werden kann. Aus dem Treffen mit Isanusi geht Chaka<br />

gestärkt und verändert hervor: Sein Aufstieg kann beginnen.<br />

Am Hofe Dingiswayos, dem Ziel seiner Flucht, angekommen,<br />

besiegt er dessen Erbfeind Zwide und wird<br />

zum Befehlshaber der Armee ernannt. Er verliebt sich in<br />

die Schwester des Königs, Noliwa, und er tritt die Nachfolge<br />

des eigenen, inzwischen verstorbenen Vaters Senzangakhona<br />

an, nachdem er den Halbbruder Mfokazana<br />

beseitigt hat. Zu Chaka gesellen sich zwei Gesandte von<br />

Isanusi, Malunga und Ndlebe, die ihm stets behilflich<br />

sind. Sie sind es auch, die heimlich den Tod König Dingiswayos<br />

arrangieren, damit Chaka seinen Platz einnehmen<br />

kann. In dem Moment, da Chaka den Höhepunkt<br />

seiner Laufbahn erreicht, tritt Isanusi erneut auf und<br />

stellt Chaka die entscheidende Frage, ob er mit dem Erreichten<br />

zufrieden sei oder ob es ihn nach einem weit<br />

größeren Königreich gelüste, als es je gegeben habe. Ein<br />

solches Reich sei aber nur zu erlangen, wenn das Essen<br />

seiner Krieger mit dem Blut eines Menschen getränkt<br />

werde, den Chaka über alles liebe – und den er mit eigener<br />

Hand erschlagen müsse. Isanusi gewährt Chaka<br />

einen Tag Bedenkzeit.<br />

Die Mitteilung, wie Chaka sich entschieden hat, zögert<br />

Mofolo geschickt hinaus, indem er ein Kapitel über<br />

die von Chaka eingeführten Reformmaßnahmen einschaltet:<br />

die Gründung einer Hauptstadt, die Abschaffung<br />

der Beschneidung, das Verbot der Ehe für Krieger,<br />

die Bewaffnung mit kurzschaftigen Speeren sowie die<br />

Einführung neuer Grußformeln. Die Ermordung der<br />

eigenen Frau Noliwa besiegelt Chakas Absage an die<br />

Menschlichkeit. Fortan führt er einen Feldzug gegen an-


dere, auch friedliebende Stämme; er lässt vermeintliche<br />

Feiglinge in der eigenen Armee hinrichten; zuletzt verfällt<br />

er einer Blutrünstigkeit, die auch vor der Ermordung<br />

der eigenen Mutter nicht Halt macht. Sein Volk<br />

wendet sich von ihm ab. Von Albträumen heimgesucht,<br />

ahnt er den kommenden Tod. In dem Augenblick, wo<br />

seine Halbbrüder ihn erschlagen, erscheint Isanusi zum<br />

letzten Mal, um seinen Lohn zu verlangen. Im Sterben<br />

prophezeit Chaka, dass seine Mörder die Nachfolge<br />

nicht werden antreten können, denn »der weiße Mann<br />

wird kommen, und er wird über euch herrschen und ihr<br />

werdet seine Diener sein«.<br />

Der Roman ist durch die ambivalente Stellung des<br />

Verfassers zwischen zwei verschiedenen Kulturen charakterisiert.<br />

Formal wie ideologisch mischt er afrikanische<br />

und europäische Traditionen: Mofolo bedient sich<br />

der europäischen Form des Romans, um eine psychologisch<br />

komplexe Studie über Ursprung und Wesen des<br />

Bösen und seine besondere Ausprägung in der Figur<br />

Chakas zu entwerfen. Gleichzeitig verwendet er Stilelemente<br />

traditioneller afrikanischer Erzählkunst – Preisgedichte,<br />

Sprichwörter, Legenden und Volkserzählungen<br />

sowie einen oft moralisierenden Erzählerkommentar<br />

–, um das Bild des Herrschers zu komplettieren. Um<br />

dieses dichterische Konzept zu realisieren, wird überlieferte<br />

Geschichte in erheblichem Maße fiktionalisiert;<br />

Handlungselemente (etwa die Ermordung der Mutter)<br />

wie auch Personen (Noliwa, Isanusi) sind frei erfunden.<br />

Mit einem genialen Kunstgriff inszeniert Mofolo<br />

Chakas inneren Konflikt: Er lässt die traditionelle afrikanische<br />

Figur des Sehers in der Gestalt Isanusis auftreten,<br />

die Chakas Ehrgeiz personifiziert. Als mephistophelischer<br />

Versucher stellt dieser Chaka vor eine Wahl<br />

zwischen Gut und Böse in eigener, freier Verantwortung<br />

– ganz im Sinne einer christlichen Ethik. Von der<br />

Kritik wurde das Werk als einzigartiges Beispiel eines<br />

gelungenen Synkretismus von afrikanischer Tradition<br />

und Christentum bewertet – aber auch als gescheiterter<br />

Versuch, widerstreitende Ideologien miteinander zu<br />

vereinbaren.<br />

� Lit.: A. Gérard: Four African Literatures, 1971, 108–132. � A. Gérard:<br />

Rereading ›Chaka‹, in: English in Africa 13, 1986, 1, 1–12. �<br />

P. Sulzer: Edition, Interpretation und Nachwirkung von T.M.s<br />

›Chaka‹, in: Komparatistische Hefte 15/16, 1987, 37–48. � C.F. Swanepoel:<br />

T.M.s ›Chaka‹ and the Oral Legacy, in: Semper aliquid<br />

novi. Littérature comparée et littératures d’Afrique, Hg. J. Riesz/<br />

A. Ricard, 1990, 287–295. � C.A. Bodunde: Literary Portraits of<br />

Chaka: T.M. and Mazisi Kunene, in: African Studies Monographs<br />

14, 1993, 1, 13–22. � K. Ayivor: T.M.M.’s ›Inverted Epic Hero‹. A<br />

Reading of Mofolo’s ›Chaka‹ as an African Epic Folktale, in: Research<br />

in African Literatures 28, 1997, 1, 49–77.<br />

Geoffrey V. Davis<br />

Pablo Neruda<br />

� geb. 12.7.1904 Parral (Chile)<br />

� gest. 23.9.1973 Santiago (Chile)<br />

Pablo Neruda �<br />

(d. i. Neftalí Ricardo Reyes Basoalto) – Französischstudium;<br />

1927–1943 im diplomatischen Dienst in Asien, Europa<br />

und Lateinamerika; Lehramt in Französisch; befreundet<br />

mit den Autoren der spanischen 1927er-Generation<br />

(Ä García Lorca, R. Ä Alberti); Parlamentssitz für<br />

die chilenische KP, Präsidentschaftskandidat der KP;<br />

Botschafter in Paris bis 1973; starb wenige Tage nach<br />

dem Pinochet-Putsch an Krebs; bei durchaus heterogenem<br />

Œuvre fruchtbarster und bekanntester Lyriker Lateinamerikas.<br />

� Ausg.: Obras completas, 5 Bde, 1999–2002.<br />

� Übers.: Das lyrische Werk, 3 Bde, K. Garscha, 1984–1986.<br />

� Lit.: A. Gatell: N., 1971. � L.E. Roses: P.N., 1986. � M. Agosín:<br />

P.N., 1986. � V. Teitelboim: N. Ein <strong>Lebens</strong>weg, 1987. � H.C. Woodbridge:<br />

P.N. An Annotated Bibliography, 1988. � D. Schidlowski:<br />

P.N. y su tiempo, 2006.<br />

Das lyrische Werk<br />

(span.) – Die lyrische Entwicklung des Autors vollzieht<br />

sich in drei Phasen, wobei das Einbrechen der politischen<br />

Dimension in seine Dichtung, bzw. das Zurücktreten<br />

dieses Aspekts, die jeweiligen Zäsuren markiert.<br />

Das Frühwerk lehnt sich noch an einer an den Ausläufern<br />

des lateinamerikanischen Modernismo orientierten<br />

›poésie pure‹ an und ist thematisch von einer<br />

strikten Innerlichkeit beherrscht. Das gilt für Crepusculario,<br />

1923 (Abend- und Morgendämmerung), wie für<br />

die Veinte poemas de amor y una canción desesperada,<br />

1924 (Zwanzig Liebesgedichte und ein Lied der Verzweiflung,<br />

1958, E. Arendt).<br />

Tentativa del hombre infinito, 1926 (Versuch des<br />

unendlichen Menschen), weist Einflüsse europäischer<br />

Avantgarde-Bewegungen der Zeit, vor allem des französischen<br />

Surrealismus auf. Die darin vorgeführte Absage<br />

an jegliche Formzwänge bleibt ein einmaliges<br />

Experiment, auf das der Dichter in seinem gesamten<br />

Werk nicht wieder <strong>zur</strong>ückkommen wird.<br />

El hondero entusiasta, 1933 (Der rasende Schleuderer),<br />

ist nach Nerudas eigener Aussage Dokument einer<br />

überschwänglichen, glühenden Jugend. Im Hauptwerk<br />

der frühen Phase, Residencia en la tierra, 1933, erweitert<br />

1935 (Aufenthalt auf Erden, 1960, E. Arendt), verdichtet<br />

sich die Metaphorik zu einer erdrückenden Atmosphäre<br />

von Düsternis, Ekel, Zersetzung und Tod. Hier hat Neruda<br />

trotz verschiedenster Einflüsse seinen persönlichen<br />

Stil entwickelt, den im Wesentlichen eine Bildersprache<br />

von großer Originalität und suggestiver Kraft<br />

ausmacht. Die Residencia-Gedichte, entstanden in einer


� Pablo Neruda<br />

Zeit schlimmster Vereinsamung, als der Dichter sich als<br />

Konsul in Ostasien aufhielt, begründeten seine internationale<br />

Anerkennung. Er selbst distanzierte sich Jahre<br />

später teilweise von diesem Werk wegen der »entsetzlichen<br />

Angst« und des »Pessimismus«, der darin zum Tragen<br />

komme, stellte dessen wesentliche Bedeutung für<br />

sein Gesamtwerk aber nie in Frage.<br />

In Spanien, wo Neruda von den Lyrikern der Generation<br />

von 1927 – unter ihnen F. Ä García Lorca, R. Ä Alberti,<br />

V. Ä Aleixandre – gefeiert wurde, vollzog sich in<br />

zwei Schritten eine grundlegende Veränderung in seinem<br />

Leben und Werk. Durchaus im Einklang mit den<br />

sich international abzeichnenden Tendenzen engagierter<br />

Kunst, problematisiert er schon in dem Manifest<br />

»Para una poesía sin pureza« (Für eine ›poésie impure‹)<br />

die ›poésie pure‹. Er plädiert für eine »unreine Dichtung«,<br />

»von Handarbeit abgenützt wie von einer Säure,<br />

von Schweiß und Dunst durchzogen, von dem Geruch<br />

nach Urin und nach Lilie«. España en el corazón, 1937<br />

(Spanien im Herzen, 1954, E. Arendt/S. Hermlin), ist das<br />

Zeugnis von Nerudas Wandlung zum engagierten Dichter,<br />

die sich mit dem Ausbruch des Spanischen Bürgerkriegs<br />

im Jahre 1936 abzeichnet: »Ihr fragt, warum seine<br />

Dichtung / uns nichts von der Erde erzählt, von den<br />

Blättern, / den großen Vulkanen seines Heimatlandes? //<br />

Kommt, seht das Blut in den Straßen, / kommt, seht / das<br />

Blut in den Straßen, / kommt, seht doch das Blut / in den<br />

Straßen!«<br />

Canto general, 1950 (Der große Gesang, 1953,<br />

E. Arendt), markiert einen zweiten wesentlichen Schritt,<br />

den mit Neruda ungefähr zeitgleich fast alle großen Autoren<br />

Lateinamerikas vollzogen: In dem Maße, in dem<br />

sich die Frage nach der Identität des Subkontinents<br />

stellt, erfolgt die Rückbesinnung und damit die Entdeckung<br />

autochthon-amerikanischen Erbes. So ist der<br />

Canto general Nerudas Beitrag <strong>zur</strong> Glorifizierung der<br />

kulturellen Vielfalt Lateinamerikas. Los versos del capitán,<br />

1952 (deutsche Übersetzung enthalten in: Liebesgedichte,<br />

1977, F. Vogelgsang), eine zunächst anonym veröffentlichte<br />

Sammlung von Liebesgedichten an Nerudas<br />

dritte Ehefrau Matilde Urrutia, knüpft in reiferem und<br />

eher heiterem Ton an die frühe Liebeslyrik der Veinte<br />

poemas an.<br />

In den fast 600 Gedichte umfassenden Odas elementales,<br />

1954 (Elementare Oden, 1957, E. Arendt), Nuevas<br />

odas elementales, 1955 (Neue Elementare Oden, 1961,<br />

E. Arendt), und dem Tercer libro de las odas, 1957 (Drittes<br />

Buch der Oden, 1961, E. Arendt), erneuerte der Dichter<br />

seinen politischen Ansatz. In der von der Kritik<br />

zwiespältig aufgenommenen Sammlung Las uvas y<br />

el viento, 1954 (Die Trauben und der Wind, 1986,<br />

E. Arendt), erreichte dieses Engagement einen problematischen<br />

Höhepunkt in Nerudas Parteinahme für die<br />

stalinistische Ideologie. Es ist die Dichtung, die sich den<br />

Forderungen des Sozialistischen Realismus am stärksten<br />

annähert und ›Agitprop‹-Qualitäten erreicht. Erst die<br />

Enthüllungen der Gräuel nach Stalins Tod leitete bei Neruda<br />

ein Nach- und Umdenken ein, das sich schon in<br />

Tercer libro de las odas andeutet.<br />

Estravagario, 1958 (Extravaganzenbrevier, 1967, E. u.<br />

K. Arendt), markiert eine Phase der Reflexion und<br />

der Rückkehr <strong>zur</strong> lyrischen Selbstreflexion, wenngleich<br />

nicht in dem extremen Maße wie im Frühwerk und ohne<br />

dessen prophetischen Akzent. Anstelle des Politischen<br />

wird nun Autobiographisches, Erinnertes thematisiert,<br />

ebenso die Natur. Der Ton ist nun auch wieder dunkler,<br />

zugleich skeptisch und resignativ. Vor ausgeprägtem<br />

Pessimismus schützen den Dichter Humor und Selbstironie.<br />

In den ›Oden‹ der Navegaciones y regresos, 1959 (Seefahrt<br />

und Rückkehr, 1987, M. López), treten zweckfreie<br />

Gegenstände wie nutzloses Strandgut in den Vordergrund.<br />

Die durchgängige Schifffahrts- und Meeresmetaphorik<br />

verbindet die einzelnen Gedichte. Es folgen<br />

weitere vier Gedichtbände zu unterschiedlichen Themen:<br />

Canción de gesta, 1959 (Heldenepos), eine nach<br />

dem Muster altspanischer Epen geschriebene Huldigung<br />

an die Kubanischen Revolutionäre. Noch die Cien<br />

sonetos de amor, 1960 (Hundert Liebessonette), machen<br />

deutlich, dass – wie in Los versos del capitán – die Liebe<br />

bei Neruda eine über das rein Persönliche hinausgehende<br />

Bedeutung erhält, wie ein Sonett aus dieser seiner<br />

dritten großen Liebesdichtung deutlich macht: »In deiner<br />

Umarmung umarme ich, was existiert, / den Sand,<br />

die Zeit, des Regens Baum, // und alles lebt, auf dass ich<br />

lebe.«<br />

Es folgten die Bände Las piedras de Chile, 1961 (Chiles<br />

Steine), Cantos ceremoniales, 1961 (Zeremonielle Gesänge),<br />

dem Andenken der Geliebten Simón Ä Bolívars<br />

gewidmet, und schließlich Plenos poderes, 1962 (Vollmachten),<br />

das die Küstenstadt Valparaíso besingt. Der<br />

umfangreiche Zyklus Memorial de Isla Negra, 1964 (Memorial<br />

von Isla Negra, 1972, E. Arendt), ist das Hauptwerk<br />

aus Nerudas später Phase. Im 60. <strong>Lebens</strong>jahr veröffentlicht,<br />

sind diese Gedichte eine Art lyrischer Memoiren,<br />

retrospektiv und größtenteils einer biographischen<br />

Chronologie folgend. Der erste Band dieser für<br />

Neruda typischen reimlosen Dichtung mit freien Strophenformen,<br />

»Donde nace la lluvia« (»Wo der Regen geboren<br />

wird«), schildert Kindheit und Jugend im Süden<br />

Chiles. Der Dichter beschreibt eine raue Kindheit, kein<br />

verlorenes Paradies, und seine erste Begegnung mit der<br />

Poesie: »ich schrieb die erste verschwommene Zeile nieder,<br />

/ unklar, gestaltlos, pure / Nichtigkeit, / reine Weisheit<br />

/ eines, der nichts begreift, / und auf einmal sah ich /<br />

enthülst / und offen / den Himmel, / Planeten, / wogende<br />

Pflanzungen / das Dunkel durchlöchert, / durchsiebt<br />

/ von Pfeilen, Feuer und Blumen« (»La poesía«,


»Die Dichtung«). Der zweite Band, »La luna en el laberinto«<br />

(»Der Mond im Labyrinth«), setzt ein mit dem<br />

Umzug in die Hauptstadt Santiago, den wechselnden<br />

Liebesbeziehungen des jungen Bohemiens, und spiegelt<br />

die bitteren Jahre in Ostasien wider. Der dritte Band, »El<br />

fuego cruel« (»Das grausame Feuer«), hat die Jahre in<br />

Spanien zum Gegenstand. Die Chronologie endet hier<br />

mit den Erfahrungen des Exils 1952. Band vier, »El cazador<br />

de raíces« (»Der Wurzeljäger«), erforscht die Geographie<br />

der Heimat, die Wälder, Berge, Flüsse Chiles.<br />

»Sonata crítica« (»Kritische Sonate«), fünfter und letzter<br />

Band, ist eine selbstkritische Auseinandersetzung mit<br />

den politischen Überzeugungen der Vergangenheit, speziell<br />

dem Stalinismus, und eine Überprüfung eigener<br />

poetologischer Maximen. Der Dichter bekennt sich zu<br />

seinen Irrtümern und sagt sich los von allen Dogmen<br />

und starren Anweisungen an die Kunst.<br />

Nach Memorial publizierte Neruda noch acht weitere<br />

Lyrikbände, die seine Hauptthemen behandeln: Liebe<br />

(La barcarola, 1967, Gondellied), Natur/Materie (Arte de<br />

pájaros, 1969, Vogelkunde; Una casa en la arena, 1969,<br />

Ein Haus in den Dünen; Las piedras del cielo, 1970, Die<br />

Steine des Himmels; Geografía infructuosa, 1972, Unfruchtbare<br />

Geographie), Politik/Zeitgeschehen (Fin del<br />

mundo, 1969, Weltende; Aún, 1969, Noch; La espada encendida,<br />

1970, Das flammende Schwert) sowie philosophische/poetologische<br />

Reflexion (Las manos del día,<br />

1968; Die Hände des Tages, 1987, M. López). In den elf<br />

Büchern von Fin del mundo – wieder eine Dichtung<br />

mit epischem Charakter – rechnet der Dichter mit dem<br />

20. Jh. ab. Er zieht eine düstere Bilanz: »Ständig war es in<br />

Todesnot, / ständig lag es im Sterben, / leuchtend am<br />

Morgen und am Abend blutig, / regnend am Vormittag,<br />

weinte es am Abend.« Hoffnungsvoll blickt er besonders<br />

auf Lateinamerika mit seinen aufkeimenden politischen<br />

und intellektuellen Kräften.<br />

Mit Incitación al nixoncidio y alabanza de la revolución<br />

chilena, 1973 (Anstiftung zum Mord an Nixon und<br />

Lob der chilenischen Revolution), schrieb Neruda, bis<br />

zu seinem Tod engagierter Kämpfer auf Seiten des<br />

sozialistischen Präsidenten Allende, sein letztes polemisch-satirisches<br />

Buch, dessen extremer politischer<br />

Überhang eine literarische Beurteilung nicht sinnvoll<br />

erscheinen lässt. In acht 1974 postum veröffentlichten<br />

Werken tritt das Rückschauende, Besinnliche zusehends<br />

in den Vordergrund, ebenso die Themen Einsamkeit,<br />

Alter und Tod (Jardín de invierno, Wintergarten; Elegía,<br />

Elegie; El mar y las campanas, Das Meer und die Glocken;<br />

Defectos escogidos, Ausgewählte Mängel). 2000<br />

greift nochmals die Themen von Fin del mundo auf, formuliert<br />

die Thesen jedoch zunehmend schärfer. El corazón<br />

amarillo (Das gelbe Herz) zielt mit seinen Wortspielen<br />

ins Scherzhafte, Improvisierte, El libro de las<br />

preguntas (Das Buch der Fragen) nähert sich der Apho-<br />

Pablo Neruda �<br />

ristik an und La rosa separada (Die abgeschnittene<br />

Rose) beschäftigt sich in den Wechselgesängen »Die<br />

Menschen« und »Die Insel« mit den monumentalen<br />

Kulturerscheinungen der Osterinsel in der Konfrontation<br />

mit dem Massentourismus.<br />

Neruda nannte seine lyrische Hinterlassenschaft ein<br />

»zähes Skelett aus Worten«. Die Höhen und Tiefen seines<br />

reichen <strong>Lebens</strong> fanden darin ihren Niederschlag. Indem<br />

er sein Werk mitunter dem politischen Tagesgeschehen<br />

unterordnete, setzte er seine Dichtung der<br />

Gefahr des Irrtums und der ideologischen Verblendung<br />

aus und erlag ihr in einigen Fällen wohl auch. Für einige<br />

Kritiker ist Neruda das Paradebeispiel eines an der Politik<br />

gescheiterten Autors. Die Gedichte der ›politischen<br />

Phase‹ lassen sich aber als zeitgebundene Ausschnitte in<br />

ein heterogenes Gesamtwerk integrieren, das auch ausgeprägten<br />

Qualitätsschwankungen ausgesetzt war. So<br />

findet in diesem Œuvre alles Raum, die ›ewigen Themen‹<br />

Liebe, Natur, Einsamkeit, Tod, wie auch die konkreten<br />

Themen des in sein historisches Umfeld eingebetteten<br />

Menschen. Eine Trennung der beiden Bereiche<br />

war für die Dichterpersönlichkeit Neruda undenkbar.<br />

Damit stand er in einer besonderen lateinamerikanischen<br />

Tradition, die ihren Poeten von jeher eine über das<br />

Literarische hinausgehende, gesellschaftliche Funktion<br />

zumisst. Trotz des Wandels seiner ideologischen wie<br />

poetologischen Positionen hielt Neruda an seinem Plädoyer<br />

für eine parteiliche Dichtung fest und forderte für<br />

den Dichter, der seine soziale Verpflichtung anerkennt,<br />

einen »Platz auf der Straße«.<br />

Nerudas Wirkung auf die zeitgenössischen und<br />

nachfolgenden Generationen von lateinamerikanischen,<br />

vor allem chilenischen Lyrikern äußerte sich häufig<br />

auch als Opposition gegen die ideologischen wie<br />

ästhetischen Vorgaben, die er als übermächtig empfundene<br />

Dichterpersönlichkeit hinterlassen hatte. Viele Lyriker<br />

nahmen Gegenpositionen zu seiner allumfassenden<br />

›Heilslehre‹ und seinem zeitweiligen Sendungsbewusstsein<br />

ein. Auch der vergleichsweise ›erhabene‹ Ton<br />

seiner Dichtung gab Anlass zu Gegenentwürfen, so z. B.<br />

Nicanor Ä Parras ›antipoesía‹ (Antipoesie). Auch und<br />

gerade das Leben des chilenischen Poeten in seiner Ambivalenz<br />

zwischen Liebesabenteuern und politischem<br />

Engagement wurde zum Gegenstand poetischer Reflexion<br />

in Literatur und Film, etwa bei Ä Skármeta.<br />

� Ausg.: Obras de P.N., 1982.<br />

� Lit.: R. de Costa: Poetry of P.N., 1979. � F. Caucci: Les voix<br />

d’Éros, 1988. � L. Rosales: La poesía de N., 1990. � T. Fischer: Das<br />

Werk von P.N. im zeitlichen Wandel, 1999. � N. Tello: P.N., 2000. �<br />

J.V. Stackelberg: N., 2002. � A. Feinstein: P.N., 2004.<br />

Elisabeth Graf-Riemann


� Pablo Neruda<br />

Canto general<br />

(span.; Der große Gesang, 1953, E. Arendt) – Die umfangreiche,<br />

bereits 1938 begonnene, wohl bekannteste Gedichtsammlung<br />

Lateinamerikas erschien 1950. Der<br />

15-teilige, nach der Art von episch-lyrischen ›Gesängen‹<br />

gegliederte Zyklus umfasst über 300 Einzelgedichte und<br />

bildet zusammen mit den drei Bänden der Residencia en<br />

la tierra, 1960 (Aufenthalt auf Erden, 2004, E. Arendt/<br />

S. Hermlin), das Hauptwerk eines Autors, der, vor dem<br />

Hintergrund seiner spezifischen <strong>Lebens</strong>erfahrung und<br />

unter dem mehr oder weniger großen Einfluss europäischer<br />

Vorbilder, zumal der französischen Symbolisten<br />

und Surrealisten, mit dunklen, intensiven, wuchernden<br />

Bildhäufungen beginnend, sich im Laufe seiner Entwicklung<br />

bewusst entschloss, in seinen »neuen Gedichten<br />

immer einfacher, jeden Tag einfacher zu werden«.<br />

Die eigentlichen Ergebnisse dieser Tendenz <strong>zur</strong> ›Vereinfachung‹<br />

aus politischen Gründen, die, in direktem Zusammenhang<br />

mit der Aneignung der kommunistischen<br />

Ideologie, schon im Canto general deutliche Spuren hinterließ,<br />

werden jedoch erst in den späteren Gedichtbänden<br />

sichtbar.<br />

Der Canto general vereinigt die unterschiedlichsten<br />

Züge und Motive. Er will als nationales lyrisches Epos<br />

die altamerikanischen Hochkulturen – die aztekische,<br />

toltekische und die der Inkas – beschwören. Im berühmten<br />

zweiten Gesang – »Alturas de Macchu Picchu« (»Die<br />

Höhen von Macchu Picchu«) – wird angesichts dieses<br />

großartigen Bauwerks der Inkas das Schicksal der präkolumbianischen<br />

Indianer wachgerufen. Buch III (»Die<br />

Konquistadoren«) behandelt ihre Entdeckung und Zerstörung<br />

durch die spanischen Eroberer Ä Cortés, Pedro<br />

de Valdivia und Pizarro zu Beginn des 16. Jh.s. Der weitere<br />

Verlauf ist der Versuch, die Geschichte des südamerikanischen<br />

Kontinents neu zu erwecken und sich anzueignen.<br />

Buch IV (»Die Befreier«) handelt von der<br />

Abschüttelung der spanischen Kolonialherrschaft und<br />

dem Aufstieg <strong>zur</strong> eigenstaatlichen Selbständigkeit, dargestellt<br />

an den Gestalten einiger legendärer Führer, wie<br />

San Martín, Juárez, Ä Martí, Zapata und Sandino. Die<br />

folgenden Bücher (»Amerika, ich rufe deinen Namen<br />

nicht vergeblich« und »Der große Gesang Chiles«) nehmen<br />

sozialkritisch und anklagend Motive aus der Periode<br />

des rapiden sozialen Aufstiegs unter dem Einfluss<br />

der Vereinigten Staaten auf. Die Bücher X und XI (»Der<br />

Flüchtling«; »Die Blumen von Punitaqui«) enthalten vor<br />

allem autobiographische Episoden, in denen Nerudas<br />

enge Verbundenheit mit seiner Heimatprovinz Arauco<br />

im südlichen Chile deutlich wird.<br />

Trotz des epischen Duktus bleibt der Charakter als<br />

Sammlung von Einzelgedichten erhalten. Charakteristisch<br />

für viele Gedichte ist ein Grundton, den man<br />

als distanzierte Ergriffenheit bezeichnen könnte. Diese<br />

mitfühlende Teilnahme am Elend einer seit Jahrhunderten<br />

versklavten Bevölkerung erhebt sich häufig zu einem<br />

hymnischen Pathos der Weltbrüderlichkeit, in dem der<br />

große Atem der Langzeilen seines Geistesverwandten<br />

Walt Ä Whitman spürbar zu sein scheint. Der ganze südamerikanische<br />

Kontinent wird Thema und Gegenstand<br />

einer weitausgreifenden Kosmogonie, die Pflanzen,<br />

Tiere, Fische und Menschen, Wälder, Seen und Gebirge<br />

in einer ungestümen, herrischen Bilderflut ergreift.<br />

� Lit.: E. Siefer: Epische Stilelemente im ›Canto general‹ von P.N.,<br />

1970. � F. Riess: The World and the Stone. Language and Imagery<br />

in N.’s ›Canto general‹, 1972. � J. Villegas: Estructuras míticas y arquetipos<br />

en el ›Canto general‹ de N., 1976. � M.M. Solá: Poesía y<br />

política en P.N. Análisis del ›Canto general‹, 1980. � J. Franco: Des<br />

avant-gardes à l’engagement, 2000.<br />

Hans-Horst Henschen<br />

Odas elementales<br />

(span.; Elementare Oden, 1957, E. Arendt) – Die Gedichtsammlung<br />

erschien 1954, 1955 folgten die Nuevas odas<br />

elementales (Neue elementare Oden, 1961, E. Arendt),<br />

und 1957 das Tercer libro de las odas (Drittes Buch der<br />

Oden, 1961, E. Arendt). Hier behandelt der Dichter vielfältige<br />

Sachverhalte und Themen der menschlichen Daseinswirklichkeit.<br />

Es ist sozusagen ein ausführliches<br />

Welt- und Umweltverzeichnis darin angelegt, häufig als<br />

aufzählende, registrierende Inventaraufnahme in der<br />

Art Walt Ä Whitmans (1819–1892), aber ohne dessen<br />

hymnisches Pathos. Der Ton der Ode, der gegenüber<br />

dem der Hymne »ruhiger, geordneter, rationaler« zu<br />

sein pflegt, ist bei Neruda gedämpft zu der kühlen Sachlichkeit<br />

moderner konkreter Lyrik, zeigt also nicht oder<br />

selten den Ernst und die Bewegtheit der Stimmung, die<br />

Würde und Erhabenheit der Anschauungen und des<br />

Ausdrucks, die seit Ä Horaz für die Ode bezeichnend waren.<br />

Auch die Form der Ode wird von Neruda aufgelöst.<br />

Seine Gedichte bestehen aus strophisch ungegliederten,<br />

reimlosen Zeilen verschiedener Länge in beliebigem<br />

Wechsel, in denen sich häufig neun- und elfsilbige oder<br />

auch kürzere Verse, oft auch keine bestimmten Versmaße<br />

erkennen lassen. So bleibt <strong>zur</strong> Rechtfertigung der<br />

Bezeichnung Oden im Wesentlichen das inhaltliche Kriterium,<br />

dass der Gegenstand dieser lyrischen Form außerhalb<br />

des dichterischen Subjekts liegen, dem menschlichen<br />

Bereich zugehören, aber nicht in die transzendentale<br />

Sphäre hinaufreichen soll.<br />

In dem schon im Canto general angekündigten Bestreben<br />

»einfacher, jeden Tag einfacher zu werden«,<br />

wendet sich Neruda in seiner Odendichtung den alltäglichen<br />

Dingen zu: der Zwiebel, der Seife, dem Anzug.<br />

Das dichterische Subjekt tritt in den Hintergrund, während<br />

die Dingwelt in klarem, nicht selten heiterem Ton<br />

besungen wird: »Es gefällt mir / die Schere, / die Tassen /


ete ich an / und die Metallringe, / die Suppenschüsseln<br />

/ und natürlich, selbstverständlich, / den Hut.« Aus solchen<br />

Versen spricht auch ein gewisser Mut <strong>zur</strong> Banalität,<br />

eine gewollte Naivität, die in der Kargheit des Ausdrucks,<br />

der Einfachheit der Sprache ein Äquivalent findet.<br />

Das Zurücktreten der Reflexion, die Verhaltenheit<br />

der Diktion, die Bescheidenheit der beschreibenden<br />

Geste gegenüber der Wahrheit des Gegenstands charakterisieren<br />

diese Odendichtung, in deren besten Gedichten<br />

die widerspruchsvolle Dichterpersönlichkeit Nerudas<br />

– aktuell und rückwärtsgewandt, prophetisch und<br />

beschaulich, verbittert und liebevoll, solidarisch gesinnt<br />

und individualistisch, drastisch und poetisch – in ständigem<br />

Wechsel gegenwärtig ist.<br />

In Nerudas gesamtem Schaffen stellen die Oden allerdings<br />

den Augenblick der Einkehr dar. Gefühlsaufruhr<br />

und Verkündigungsdrang sind <strong>zur</strong>ückgedrängt.<br />

Nun breitet sich vor den Augen des Dichters die fest umrissene<br />

Welt des Gegebenen aus, die Unverrückbarkeit<br />

des Geschehens, die Vollendung der in zeitlosen Formen<br />

verharrenden Dinge. An die Stelle des Zweifels, der<br />

Apokalyptik und prophetischen Utopie ist das Zeigen<br />

und Nennen der Sachen durch sachnahe Wörter und<br />

Bilder getreten. Zwar wird Nerudas politisches Engagement<br />

manchmal deutlich, aber daneben herrscht Vagantenseligkeit,<br />

die sich bald den großen kosmischen Wundern<br />

zuwendet, bald rührend die kleinen unbeachteten<br />

Dinge anspricht. Solche Gedichte sind Beispiele einer<br />

im Ausdruck kargen, doch tief empfundenen Naturlyrik,<br />

in der das Gefühl allgemeiner Brüderlichkeit und<br />

Ding- und Wesensverwandtschaft, das Gleichgewicht<br />

zwischen Stimmung und Reflexion und die verhaltene<br />

Schwingung des lyrischen Ichs sich zu einem Loblied auf<br />

die Schöpfung verdichten, in dem zuweilen ein ferner<br />

Nachklang aus dem Sonnengesang des heiligen Franz<br />

von Assisi (Ä Francesco d’Assisi) hörbar zu sein scheint.<br />

� Lit.: W. Holzinger: Poetic Subject and Form in the ›Odas elementales‹,<br />

in: Revista Hispánica Moderna 36, 1970/1971, 41–49. �<br />

J. Concha: El mundo y las cosas en las ›Odas elementales‹, in: Mapocho<br />

2, 1995, 9–26. Aurelio Fuentes Rojo<br />

Confieso que he vivido<br />

(span.; Ich bekenne, ich habe gelebt, 1974, C. Meyer-Clason)<br />

– Die 1974 erschienenen Memoiren wurden von<br />

Matilde Urrutia und Miguel Otero Silva herausgegeben<br />

und in zwölf Hefte gegliedert, von denen zehn in chronologisch<br />

lockerer Abfolge Erinnerungen an die wichtigsten<br />

Etappen im Leben und Schaffen Nerudas beschreiben,<br />

während die beiden letzten, thematisch angeordnet,<br />

vorwiegend Überlegungen <strong>zur</strong> Dichtung und<br />

Geschichte enthalten. Confieso que he vivido vereint vor<br />

allem im ersten Teil eine Reihe von Texten, die bereits ab<br />

Pablo Neruda �<br />

den 1950er Jahren in Vorträgen, in einer Artikelserie der<br />

brasilianischen Zeitung O Cruzeiro Internacional und in<br />

Teilen von Nerudas Poesie als kontinuierliche Versuche<br />

lyrischer und autobiographischer Retrospektive geschrieben<br />

wurden und unter denen der Gedichtband<br />

Memorial de Isla Negra, 1964 (Memorial von Isla Negra,<br />

1974), einen Höhepunkt dichterischer Selbsterkundung<br />

bildet. Von diesen »Memoiren des Dichters« will Neruda<br />

die »Memoiren des Memoirenschreibers« klar unterschieden<br />

wissen. Die Originalität besteht gerade in dem<br />

ständigen spielerischen Infragestellen solcher Grenzen.<br />

Nerudas Vorhaben, von seinem Leben als »dem Leben<br />

des Dichters« zu erzählen, bleibt allerdings unabgeschlossen.<br />

Das Buch bricht als Chronik der chilenischen<br />

Ereignisse kurz vor seinem Tod ab.<br />

Diese fragmentarische Offenheit ist zugleich ein Gestaltungsprinzip,<br />

mit dem der Vergesslichkeit und launenhaften<br />

Erinnerungslust des Erzählers ebenso wie der<br />

ständigen, alles Endgültige und Dogmatische in Frage<br />

stellenden Beweglichkeit des <strong>Lebens</strong> selbst entsprochen<br />

werden soll. Die Memoiren sind nicht das Bekenntnis eines<br />

bisher in der Dichtung verborgen gehaltenen Intimlebens.<br />

Im Gegensatz zu seinen Gedichten finden sich<br />

hier nur wenige Hinweise auf seine Liebeserlebnisse,<br />

auch ein Nachdenken über den Tod fehlt fast völlig.<br />

Die Erinnerungen übergehen die oft zermürbende<br />

Alltagsdimension des <strong>Lebens</strong>, viele seiner unauffälligen<br />

Gefährten in der Privatsphäre der poetischen Arbeit<br />

oder in der Routine politischer Tätigkeit bleiben unerwähnt.<br />

Auch sein Einsatz für die Kommunistische Partei<br />

Chiles und die Weltfriedensbewegung werden mehr auf<br />

der Ebene der erzählbaren, exotischen Anekdote wiedergegeben<br />

und schöpfen den Erlebnisreichtum Nerudas<br />

nicht annähernd aus. Unvollständig ist die Reihe der<br />

Kurzporträts von Dichterfreunden, obwohl im Falle der<br />

Spanier F. Ä García Lorca, M. Ä Hernández und R. Ä Alberti<br />

von unübertrefflicher Intensität.<br />

Neruda befragt im Kern seiner Memoiren nochmals<br />

zwei für seine Dichtung grundlegende Schlüsselerlebnisse:<br />

die Wurzeln seiner Identität in der Kindheit und die<br />

Selbstentdeckung in der Geschichte als erwachender junger<br />

Poeten-Bohemien, isolierter Diplomatenrebell, erschütterter<br />

Ankläger der spanischen Tragödie, politisch<br />

organisierter Streiter für eine immer tiefere Verwurzelung<br />

von Humanismus »im Trachten des Menschen«.<br />

Diese Anklage verdeutlicht bereits das entscheidende<br />

Schreibmotiv von Confieso que he vivido. Neruda versucht<br />

nicht, seine Privatsphäre auszuloten, sondern noch<br />

einmal umfassend jenes eigentümliche Kontaktverhältnis<br />

zwischen Umwelt und Bewusstsein nachzuvollziehen,<br />

das seine Poesie zeitlebens bestimmte. In einer Mischung<br />

von <strong>Lebens</strong>chronik und suggestivem Beschwören der<br />

Schlüsselerfahrungen spürt er den »früh geschlossenen<br />

Pakt mit dem Raum« in seiner Kindheit auf, (…)<br />

das allmäh-


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