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Blickpunkt - Kreuzbund Diözesanverband Köln

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22<br />

Interview mit Paul<br />

Paul Ritzki ist 71 Jahre alt, lebt<br />

in Bonn und ist seit vielen Jahren<br />

Mitglied im <strong>Kreuzbund</strong> Bonn. Paul<br />

ist alkoholkrank und hat sich bereit<br />

erklärt, aus seinem Leben zu<br />

erzählen. Ich kenne Paul schon<br />

einige Jahre als zuverlässigen,<br />

hilfsbereiten und engagierten<br />

Weggefährten.<br />

Andrea: Paul, wie bist Du zum<br />

<strong>Kreuzbund</strong> gekommen?<br />

Paul: 1986 habe ich meine erste<br />

Entgiftung gemacht und anschließend<br />

eine 6-monatige Langzeittherapie.<br />

Das war mein erster<br />

Versuch mit dem Alkohol abzuschließen.<br />

1989 machte ich bei der Caritas<br />

in Bonn eine ambulante Therapie.<br />

Dort sprach mich Hiltrud Frohning<br />

an, die den <strong>Kreuzbund</strong> bereits<br />

kannte und lud mich ein, doch<br />

einmal mitzukommen. Damals<br />

gab es nur eine <strong>Kreuzbund</strong>gruppe<br />

in Bonn, sie nannte sich „<strong>Kreuzbund</strong>gruppe<br />

Bonn 1“. Die damalige<br />

Gruppenleiterin hieß Helmi<br />

Grünspeck, ein „<strong>Kreuzbund</strong>-Urgestein“<br />

und Mitbegründerin des<br />

<strong>Kreuzbund</strong> Bonn.<br />

Es ging in meinem Leben auf und<br />

ab mit Rückfällen, Entgiftungen,<br />

Therapie und Selbsthilfe. Private<br />

Schicksalsschläge kamen hinzu,<br />

meine Frau verstarb mit 44 Jahren<br />

und ich blieb mit meiner Tochter<br />

und den Pflegekindern allein zurück.<br />

Das war schon richtig heftig,<br />

ich musste eine Zeit lang so<br />

viel und hart arbeiten, dass ich<br />

mich, meine Krankheit und auch<br />

die Gruppe völlig vernachlässigt<br />

habe. Natürlich bekam ich dann<br />

auch die Quittung: im Jahr 2000<br />

<strong>Blickpunkt</strong> - Ausgabe 2/2011<br />

Reportagen<br />

ein heftiger Rückfall mit Angst-<br />

und Sprachstörungen während<br />

des Entzugs. Das war der Punkt,<br />

an dem ich nicht mehr konnte. Ich<br />

musste etwas verändern, sonst<br />

säße ich wahrscheinlich heute<br />

nicht hier. Ich habe drei Jahre gebraucht,<br />

um ernsthaft und dauerhaft<br />

trocken zu werden. Dabei hat<br />

mir der <strong>Kreuzbund</strong> sehr geholfen.<br />

Was mir sehr gut getan hat, war<br />

die Helferschulung. Das hat mir<br />

noch mehr Stabilität gegeben und<br />

ich konnte mich auch persönlich<br />

weiterentwickeln.<br />

Andrea: Was ist Dir schwer gefallen?<br />

Paul: In die Gruppe zu gehen, war<br />

für mich nicht schwierig, denn<br />

Gruppenerfahrung hatte ich ja<br />

schon lange und die positive Wirkung<br />

der Gruppe kannte ich auch.<br />

Schwer ist mir gefallen, mir selbst<br />

einzugestehen, dass ich alkoholkrank<br />

bin.<br />

Andrea: Was hat Dir geholfen?<br />

Paul: Die Ehrlichkeit der Gruppe,<br />

die mir den Spiegel vorgehalten<br />

hat und mir die Wahrheit ins Gesicht<br />

gesagt hat, obwohl ich sie<br />

nicht hören wollte. Manchmal war<br />

ich traurig oder wütend, wenn ich<br />

aus der Gruppe kam, aber letztendlich<br />

stimmte fast alles, was<br />

mir die anderen gesagt haben.<br />

Andrea: Wie war das mit Deiner<br />

Familie? Wie haben sie sich verhalten,<br />

in der nassen und in der<br />

trockenen Zeit?<br />

Paul: Ja, wie gesagt, meine Frau<br />

Ulla ist mit 44 Jahren verstorben,<br />

und ich musste sehen, wie es mit<br />

3 Kindern weitergeht. Das war auf<br />

jeden Fall ein schwerer Schlag<br />

und für mich ein Anlaß, mehr zu<br />

trinken. Die Älteste, meine leibliche<br />

Tochter, ist sehr schnell ausgezogen.<br />

Sie wollte meine Trinkerei<br />

nicht jeden Tag ertragen.<br />

Die anderen beiden Pflegekinder<br />

sind geblieben; sie haben sich irgendwie<br />

mit der Situation arrangiert.<br />

Letztendlich sind sie alle ihrer<br />

Wege gegangen. Heute habe<br />

ich wieder regelmäßig Kontakt zu<br />

meiner Tochter. Zu meinen Pflegekindern<br />

habe ich sporadisch<br />

Kontakt – bis auf den Jüngsten,<br />

der heute noch bei mir lebt.<br />

Andrea: Lohnt es sich trocken zu<br />

leben? Was ist heute anders?<br />

Paul: Es lohnt sich auf jeden Fall.<br />

Ich habe einen klaren Kopf und<br />

kann mein Leben selbst bestimmen.<br />

Meine Lebensqualität ist<br />

gestiegen, nicht nur weil ich jetzt<br />

gesünder lebe, sondern auch weil<br />

ich mich und meine Umwelt wie-

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