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Redakteurin im ZDF Im Frühjahr 1962 erreichte mich die Anfrage, ob ...

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<strong>Redakteurin</strong> <strong>im</strong> <strong>ZDF</strong><br />

<strong>Im</strong> <strong>Frühjahr</strong> <strong>1962</strong> <strong>erreichte</strong> <strong>mich</strong> <strong>die</strong> <strong>Anfrage</strong>, <strong>ob</strong> ich Lust hätte, für das neu<br />

gegründete <strong>ZDF</strong> in einem Angestelltenverhältnis als sozialpolitische Korrespondentin<br />

in Bonn zu arbeiten. Das war sehr verlockend, denn <strong>die</strong> Freiheit, <strong>die</strong><br />

ich, wie beschrieben, genoss, hatte auch ihre unerfreulichen Seiten. Es stand<br />

mir kein Büro zur Verfügung, und um mit den Redaktionen <strong>im</strong> Lande zu telefonieren,<br />

musste ich <strong>die</strong> Gebühren entweder selbst bezahlen oder aber <strong>die</strong> oft<br />

hochnäsigen Sekretärinnen der Rundfunkanstalten <strong>im</strong> Bonner Pressehaus bitten,<br />

<strong>mich</strong> telefonieren zu lassen, was mir langsam auf <strong>die</strong> Nerven ging. So sagte<br />

ich nach langer Beratung mit Mann und Tochter zu. Aber höchstens für zwei<br />

Jahre!<br />

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Das Salär lag zudem erheblich unter dem, was ich als »Freie« ver<strong>die</strong>nt hatte.<br />

Aber ich wollte es doch einmal wissen, wie es mir be<strong>im</strong> Fernsehen ergehen werde.<br />

Mit mir wechselten mehrere Kollegen, <strong>die</strong> bisher in den Rundfunkanstalten<br />

in Bonn tätig waren; das <strong>ZDF</strong> hatte alle nur erreichbaren Korrespondenten ihren<br />

bisherigen Arbeitgebern abgeworben.<br />

So begann ich <strong>im</strong> Herbst <strong>1962</strong> meine Arbeit für das Fernsehen unter dem<br />

gnadenlosen Motto »Und bist du noch so fleißig, es bleibt stets bei einsdreißig«<br />

– gemeint sind <strong>die</strong> Minuten und Sekunden für <strong>die</strong> Länge eines Korrespondentenberichts.<br />

Zur Vertragsverhandlung wurde ich nach Mainz zitiert,<br />

wo ein Herr Westermann <strong>mich</strong> interviewte. Eigentlich wollte er nur wissen,<br />

<strong>ob</strong> ich bereit sei, Angestellte des <strong>ZDF</strong> zu werden. Meine Zweifel, <strong>ob</strong> ich denn<br />

für Filmarbeit überhaupt geeignet sei, und meine Frage: »Sie wissen doch gar<br />

nicht, wie ich auf dem Bildschirm aussehe. Wollen Sie nicht wenigstens eine<br />

Pr<strong>ob</strong>eaufnahme mit mir machen?«, wischte er mit einer Handbewegung vom<br />

Tisch. Ihm kam es offenbar nur darauf an, so schnell wie möglich eine halbwegs<br />

brauchbare Truppe für Bonn zusammenzustellen.<br />

Unser Studio befand sich in einer Villa <strong>im</strong> Regierungsviertel. Sie musste<br />

zunächst total unterminiert werden, um <strong>die</strong> Technik <strong>im</strong> neuen Kellergeschoss<br />

unterzubringen. Das Haus war ein Bau mit anderthalb Stockwerken. Zu ebener<br />

Erde hatte man aus den ehemaligen Wohnräumen alle entbehrlichen Wände<br />

entfernt, um daraus ein Studio zu zaubern. <strong>Im</strong> Dachgeschoss mit lauter schrägen<br />

Wänden saßen Studioleiter Rudi Woller und Gerd Schroers in je einem<br />

kleinen Büro und Karl-Heinz Schwab in dem sogenannten »Dichterstübchen«,<br />

dem ehemaligen Bad. In einem geräumigen Dachz<strong>im</strong>mer waren <strong>die</strong> Redakteure<br />

Klaus Altmann, R<strong>ob</strong>ert Stengl, unsere Redaktionsassistentin Ria Ley und ich<br />

untergebracht. So zu arbeiten war zwar ungemein kommunikativ, doch man<br />

musste schon ein Meister der Konzentration sein, um unter <strong>die</strong>sen Umständen<br />

etwas Vernünftiges zu Papier bringen zu können.<br />

Die Bedingungen, unter denen wir produzierten, erforderten echten Pioniergeist.<br />

Zunächst wurde nur gepr<strong>ob</strong>t, denn <strong>die</strong> meisten von uns hatten noch<br />

nie vor einer Kamera gestanden, und keiner wusste, wie ein Drehbuch geschrieben<br />

wird. Um Interviews zu üben, luden wir unbekannte Hinterbänkler aus<br />

dem Bundestag ein und machten mit ihnen für <strong>die</strong> »Blindenanstalt«, wie wir<br />

das nannten, Interviews – unter der Vorspiegelung, sie würden, wenn wir erst<br />

einmal senden, bevorzugt auf den Schirm kommen, was natürlich nie geschah.<br />

Die Produktion der Sendungen vollzog sich unter abenteuerlichen Provisorien.<br />

Echte Kulissen oder auch nur Hintergründe hatten wir nicht. Gefilmt<br />

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Auf dem Schreibtisch <strong>die</strong> tägliche Pflichtlektüre, Mitte der Sechzigerjahre<br />

wurden <strong>die</strong> Kommentare und Gespräche <strong>im</strong> Studio vor einer Wand aus einer<br />

Art Butterbrotpapier, das mit je einem Besenstiel <strong>ob</strong>en und unten fixiert war.<br />

Das Kopierwerk befand sich drei Straßen weiter in der Adenauerallee, der<br />

Schneideraum – ebenfalls in einer kleinen Villa untergebracht – in der Nähe,<br />

sodass <strong>die</strong> Produktionszeit sich beträchtlich in <strong>die</strong> Länge zog. Besonders<br />

schwierig wurde es, wenn es zum Beispiel um ein Ereignis am Nachmittag <strong>im</strong><br />

Bundeswirtschaftsministerium ging. Der Rushhour-Stau reichte von der Kaserne<br />

<strong>im</strong> Bonner Stadtteil Duisdorf bis zum Studio. Es war eigentlich ein reines<br />

Wunder, dass solche Produktionsbedingungen nur selten zu ernsthaften<br />

Pannen führten.<br />

Die traten allerdings hin und wieder doch auf. So hatte ich einmal mit dem<br />

damaligen Präsidenten der Deutschen Bundesbank Karl Blessing ein langes Interview<br />

gemacht – mit zwei Kameras. Das ergab zwei Filmrollen. Das Unglück<br />

wollte es, dass der Cutterin der gesamte Film von einer der Rollen »durchfiel«,<br />

wie es <strong>im</strong> Jargon der Fernsehleute heißt. Jeder, der einmal in einem Schneideraum<br />

gesessen hat, weiß um <strong>die</strong> Katastrophe. Mit vereinten Kräften machten<br />

wir uns daran, einen Beitrag zusammenzuflicken, der noch vertretbar war, denn<br />

wir konnten ja ein Zehn-Minuten-Interview nicht nur mit der Totale senden.<br />

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Fides Krause-Brewer an der Schreibmaschine, 1986<br />

Weil wir bei der Notflickerei Negativ und Positiv mischen mussten, hatte der<br />

Präsident den Scheitel mal rechts, mal links.<br />

Als der 1. April 1963, der Sendebeginn des <strong>ZDF</strong>, näher kam, war uns allen<br />

mulmig zumute. Wir meinten, für <strong>die</strong> ersten zwei Tage würden wir wohl<br />

genug Programm zur Verfügung haben, danach müssten wir »Schwarzblende<br />

ziehen«, wie das heißt, wenn es nichts mehr zu senden gibt – was ja aber nie<br />

vorgekommen ist.<br />

Da mein Vertrag bereits ab September <strong>1962</strong> lief und ich das Gefühl hatte,<br />

ich könne doch nicht ohne jede Leistung Geld kassieren, drehte ich einen<br />

Film mit dem Namen »Dorf zu verschenken«. Ich hatte <strong>im</strong> <strong>Frühjahr</strong> in meinen<br />

Fe rien eine Autofahrt durch <strong>die</strong> Provence gemacht, dabei auf den Höhen<br />

zwischen Sisteron und Grasse verlassene Dörfer gesehen und gehört, dass sie<br />

für ein paar Mark oder sogar geschenkt an Interessenten zu vergeben seien,<br />

allerdings mit der Auflage, sie wieder bewohnbar zu machen. Das bedeutete vor<br />

allem, dort Wasser und Strom zu installieren.<br />

So zog ich als völliger Filmneuling mit einem Kamerateam los, und wir<br />

filmten, was <strong>im</strong>mer uns interessant erschien. Darunter war zum Beispiel eine<br />

Szene mit einem kleinen französischen Bäuerlein, das Trüffel produzierte, das<br />

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heißt, er besaß ein Schwein, das <strong>die</strong>se teuren Pilze auffand. So zogen wir morgens<br />

um sechs Uhr mit ihm und seinem Schwein auf einem kleinen Brückenwagen<br />

in den nahen Eichenwald. Dem Bauer schwante aber wohl nichts Gutes,<br />

sein Schwein schnüffelte eifrig, fand aber keine Trüffel, sondern nur ein paar<br />

Kartoffeln, <strong>die</strong> sein Herr ihm he<strong>im</strong>lich vorwarf. <strong>Im</strong> Film machte sich das aber<br />

recht glaubwürdig.<br />

So reisten wir von Schauplatz zu Schauplatz, machten hier und da ein<br />

Interview mit einem Bürgermeister, besichtigten eine große Parfümfabrik in<br />

Grasse und endeten schließlich in Nizza. Das Team wurde wohl wegen meiner<br />

völligen Unkenntnis <strong>im</strong> Metier des Filmemachens von einem hauseigenen<br />

Regisseur begleitet, der nun aus dem Material einen Film zusammenschneiden<br />

sollte. Das Ergebnis war entsetzlich. Der Film bestand <strong>im</strong> Wesentlichen aus<br />

Aufnahmen von Straßen und einigen Bergen; alle hübschen Szenen wie eben<br />

<strong>die</strong> Pilzsuche hatte der Regisseur herausgeschnitten, sodass der in Mainz zuständige<br />

Redakteur Gerd Dambmann befand, der Film sei unsendbar – es sei<br />

denn, ich wollte versuchen, aus dem Urmaterial, das Gott sei Dank erhalten<br />

geblieben war, noch einmal einen neuen Film zusammenzusetzen. Das gelang<br />

mit Hilfe einer höchst erfahrenen, älteren Cutterin, sodass das Werk schließlich<br />

tatsächlich gesendet werden konnte. Sehr ruhmreich war <strong>die</strong>ses Debüt für<br />

<strong>mich</strong> nicht, aber ich habe dabei viel gelernt, sowohl über <strong>die</strong> Filmarbeit als solche<br />

wie auch über den Umgang mit Kameraleuten. […]<br />

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