Übersetzungswissenschaftliches Propädeutikum - Translation ...
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ab, den eine Ubersetzerin sozusagen "in ihrem Repertoire" hat, d.h.<br />
davon, ob es sich bei der gewünschten Übersetzung um einen literarischen<br />
oder um einen wissenschaftlich-fachlichen Text, um einen<br />
sachbezogenen oder einen sogenannten Gebrauchstext, z.B. um eine<br />
Anweisung, eine Urkunde oder ein Zeugnis handelt.<br />
Wir gehen in Kapitel 3 I auf die Text- und Lbersetzungstypologie<br />
von Katharina Reiß 121983) ein und werden Stärken und<br />
Schwächen dieses Ansatzes besprechen. Dabei interessiert uns vor<br />
allem der Bezug von einer postulierten Textfunktion zu ihrer Manifestation<br />
im konkreten Text. Wir werden uns anhand von verschiedenen<br />
exemplarischen Realisierungen der Reiß'schen Texttypen<br />
fragen, welche Aspekle fur eine bestimmte Textfunktion möglicherweise<br />
typisch sind. Zwar ist der Texttyp eine Beschreibungskategorie,<br />
die ganzheitlich am Text ansetzt, aber der Übersetzer hat<br />
bei seinen Einzelentscheidungen, also auf mikrostruktureller<br />
Ebene, auch immer wieder den Typ des Textes als Ganzes zu berücksichtigen.<br />
Leider stehen empirische Untersuchungen zu den<br />
Textmerkmalen, über die sich ein bestimmter Texttyp/Textsorte<br />
systematisch definiert, weitgehend aus. Erst wenn mikrostrukturell<br />
ein Inventar von Merkmalen zur Verfugung steht, die interkulturell<br />
fur bestimmte Texttypen/Textsorten typisch sind und auf die sich<br />
der Übersetzer bei seinen Einzelentscheidungen berufen kann, läßt<br />
sich sagen, wie sich mikro- und makrostrukturelle Perspektiven<br />
sinnvoll ergänzen.<br />
Die relevante Literatur zum Thema ist Bühler eß82:25tr.),<br />
Coseriu (1981:66ff), Reiß 121983) und Reiß/Vermeer (1984)<br />
Textverständnis und Textkohärenz<br />
Unabdingbare Voraussetzung fur eine Übersetzung ist das Verstehen<br />
des Originals. Dabei bezieht sich dieses Verstehen sowohl auf<br />
kleinere Sinneinheiten als auch auf den gesamten Text. Kleinere<br />
Sinneinheiten lassen sich i.d.R. unter Rückgriff auf Wörterbücher<br />
oder Informantenbefragung relativ leicht erschließen. Schwieriger<br />
dagegen ist die Erschließung des ganzheitlichen Textsinns (vgl.<br />
Coseriu l98l:111ff.), der zum einen je nach Weltwissen von verschiedenen<br />
Lesern auf unterschiedliche Art verstanden werden<br />
kann. Zum anderen kann aber auch ein individueller Leser ein und<br />
denselben Text im Laufe seines Lebens immer wieder anders verstehen.<br />
So wird z.B. von Kafkas Werken gesagt, es gäbe 200 verschiedene<br />
Lesarten bzw. Interpretationen. Man braucht nur das<br />
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