treffpunkt campus - Hochschule Magdeburg-Stendal
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8 <strong>treffpunkt</strong> <strong>campus</strong><br />
april 2008<br />
Steven Bentrop – ein blinder Student an der <strong>Hochschule</strong><br />
Immer an der Rasenkante entlang<br />
Ein Mensch nimmt seine Umwelt<br />
zum größten Teil mit den Augen<br />
wahr. Was aber ist, wenn eben<br />
dieses Organ nicht zur Verfügung<br />
steht? Wie orientieren?<br />
Der blinde Student<br />
Steven Bentrop meistert<br />
dieses Aufgabe perfekt<br />
und kann seinem<br />
fehlenden Augenlicht<br />
auch positive Dinge<br />
abgewinnen.<br />
Der 22-Jährige studiert im<br />
zweiten Semester Soziale<br />
Arbeit an der <strong>Hochschule</strong><br />
<strong>Magdeburg</strong>-<strong>Stendal</strong>. Die Wahl<br />
wurde von zwei Faktoren bestimmt,<br />
zum ersten hat bereits<br />
eine blinde Studentin an der<br />
<strong>Hochschule</strong> studiert und ihm diese<br />
empfohlen und zum zweiten waren es,<br />
wie bei vielen anderen auch, die nicht<br />
vorhandenen Studiengebühren.<br />
Steven ist von Geburt an blind und<br />
läuft seit zehn Jahren mit dem<br />
Blindenstock. „Überhaupt ist<br />
e s für Blinde einfacher, sich orien-<br />
tieren zu lernen, als wenn<br />
Men- schen erst im Laufe ihres<br />
Lebens erblinden“, so Steven.<br />
Die Orien- tierung auf dem<br />
Campus klapp- te aber auch<br />
nicht von heute auf morgen.<br />
Jedes Jahr sieht man planlose<br />
Erstsemester auf der<br />
Suche nach Seminar- räumen<br />
und Gebäuden auf dem<br />
Campus. Steven hat in der<br />
Anfangszeit einfach nach<br />
dem Weg gefragt und stieß<br />
auf hilfsbereite Kommilitonen,<br />
die ihn dann oft direkt zu seinem Ziel führten. Mitterweile<br />
kennt sich Steven bestens auf dem Campus aus. Dafür<br />
sorgte auch ein Mobilitätstraining auf dem Gelände. Ein<br />
Ausbilder erarbeitete mit ihm zusammen systematisch die<br />
Topographie des Campus am Herrenkrug. Um die Karte in<br />
seinem Kopf umsetzen zu können, verwendet Steven seinen<br />
Blindenstock und vertraut auf sein Gehör.<br />
„Wenn ich zur Mensa gehe, den langen Weg an Haus 1<br />
entlang, dann höre ich auf die Schallveränderung durch<br />
die Fahrradunterstellplätze und weiß, dass ich fast da bin.“<br />
Mit einer ähnlichen Methode schafft es Steven sogar, große<br />
Stevens Laptop mit der Blindenschrift-Anzeige<br />
Bastian Ehl (2)<br />
Kreuzungen ohne akustische Ampeln alleine zu überqueren.<br />
„Wenn die Autos hinter Dir losfahren, kannst Du gehen.<br />
Wenn die Autos quer fahren, würde ich stehen bleiben.“<br />
Steven besucht die gleichen Seminare wie seine Kommilitonen.<br />
Um dem Stoff folgen zu können, hat Steven einen Laptop<br />
mit einem angeschlossenen Gerät, das die jeweils aktive<br />
Textzeile in einem Textdokument in Punktschrift überträgt<br />
und ertastbar macht. Zusätzlich verfügt der Laptop auch über<br />
eine Sprachausgabe. „Wichtig ist, dass der Dozent einfach<br />
viel redet“, so Steven: „Bildern in Präsentationen lasse ich<br />
mir einfach erklären.“<br />
Nach seinem Bachelor-Abschluss möchte Steven in der Familien-<br />
oder Drogenberatung arbeiten. „Das ist einfach der<br />
Bereich, in dem du auf das Visuelle nicht angewiesen bist.<br />
Je nach Aussehen steckst du jeden Menschen direkt in eine<br />
Schublade. Ohne das Visuelle ist es leichter, unbefangen auf<br />
Menschen zuzugehen.“<br />
Im Alltag abseits der <strong>Hochschule</strong> stößt Steven immer wieder<br />
auf Probleme und skurrile Situationen. Seine Lieblingsgeschichte<br />
handelt von einer Frau, die die Frage ihres Kindes<br />
nach Stevens Blindenstock mit der Antwort quittierte, dass<br />
sei ein Spazierstock. Er stellte die Frau zur Rede und verlangte,<br />
dass sie ihrem Kind erklärte, was es wirklich sei,<br />
denn die Frau behauptete, ihr Kind würde das nicht verstehen.<br />
Um solchem Unverständnis oder Problemen im Umgang<br />
mit Blinden gezielt entgegenzuwirken, gibt Steven<br />
zusammen mit einem Freund Kurse in Grundschulen. Er<br />
erklärt Kindern, wie es ist, als Blinder zu leben. „Kinder<br />
gehen da einfach noch unvoreingenommen und<br />
mit Neugier ran.“<br />
Umtriebig wie Steven ist, hat er auch schon bewirkt, dass der<br />
Campus noch blindenfreundlicher wurde. Die Rondelle bei<br />
Haus 1 stellen für Blinde eine große Herausforderung dar, da<br />
bis vor kurzem die Ausgänge nicht klar markiert waren. Dank<br />
seiner Initiative wurden jetzt Blindensteine angebracht, die<br />
die Orientierung enorm erleichtern.<br />
Bastian Ehl