Prisma 65 - Freie Waldorfschule Schopfheim
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14 • Aus dem Unterricht<br />
Franziskus-Epoche (2. Kl.)<br />
Im Jahre 1182 wird dem Kaufmann<br />
und Tuchhändler Pietro Bernadone in<br />
Assisi (Italien) ein Sohn geboren. Schon<br />
um seine Geburt ranken sich Legenden.<br />
So wird erzählt, dass die Geburt sich<br />
verzögerte. Da klopfte eines Abends ein<br />
alter Mann an und sagte, dass das Kind<br />
nicht auf vornehmen Leinen, sondern<br />
auf einem Strohbett geboren werden will.<br />
Die Mutter begab sich alsbald in das<br />
Unterhaus, wo die Bediensteten wohnten<br />
und kurze Zeit später wurde ihr auf<br />
einem Strohbett ein Knabe geboren. Sie<br />
nannte ihn Giovanni, als jedoch der Vater<br />
von der Geschäftsreise heim kam und<br />
von der Geburt des Sohnes erfuhr, so<br />
nannte er ihn Franziskus, nach seinem<br />
geliebten Frankreich. Diesen Namen<br />
behielt er Zeit seines Lebens. Franziskus<br />
wuchs heran. Er war ein lieber, fröhlicher<br />
und geselliger Junge. In seinem Herzen<br />
spürte er schon, dass er einmal etwas<br />
Besonderes werden würde, vielleicht ein<br />
Ritter, der mit Drachen kämpfte und<br />
gefangene Jungfrauen befreite ...?<br />
Dass es ganz anders kommen sollte<br />
und wie auch das Leben des Franziskus<br />
weiterging, haben die 2.Klässler in der<br />
Franziskusepoche gehört, gemalt und<br />
aufgeschrieben. Fünf Wochen lang haben<br />
wir uns mit Franziskus beschäftigt. Auch<br />
haben wir den Sonnengesang, den er<br />
kurz vor seinem Tode dichtete, in deutscher<br />
und altitalienischer Sprache gelernt.<br />
Und nun soll ein Franziskusspiel die<br />
Geschichte nochmals für uns lebendig<br />
werden lassen.<br />
Warum eine Franziskusepoche<br />
in der zweiten Klasse ?<br />
Franziskus lebte ein Leben, in dem er<br />
allem Reichtum entsagte und als Bettler<br />
durch die Lande zog. Nur so fühlte er<br />
sich dem Göttlich-Geistigen nahe. Er<br />
fühlte sich dadurch mit der Schöpfung<br />
Gottes verbunden.<br />
Versucht man sich in dieses Lebensmotiv<br />
hineinzufühlen und es nicht als<br />
Bestreben eines religiösen Fanatikers<br />
abzutun, so kann man vielleicht nachempfinden,<br />
dass diese Sehnsucht nach<br />
dem reinen und dadurch geistigen Leben<br />
– jenseits von allem Reichtum (ich<br />
könnte auch sagen Konsum) – etwas ist,<br />
was viele Menschen auch heute bewegt.<br />
Gibt es nicht eine Möglichkeit zu neuer<br />
Bescheidenheit, um dem Kern des<br />
Lebens wieder näher zu kommen...?<br />
Franziskus hat uns da ein Urmotiv<br />
vorgelebt, welches, so glaube ich, gerade<br />
gegenwärtig in den Menschen als Sehnsucht<br />
schlummert und zukünftig vielleicht<br />
neue Bedeutung erlangen wird.<br />
Franziskus hat sich durch die Art,<br />
wie er lebte, intensiv und gleichzeitig auf<br />
kindliche Art mit der ganzen Schöpfung<br />
verbunden. Er lebt damit in seiner<br />
Biographie etwas, was den Kindern bis<br />
zum 9ten Lebensjahr hin noch selbstverständlich<br />
ist. Auch sie fühlen sich<br />
noch unmittelbar mit der Welt verbunden.<br />
Nur ganz leise beginnt sich schon eine<br />
innere Distanz zu regen.<br />
Franziskus spricht mit den Vögeln<br />
und sie scharen sich um ihn herum. Er<br />
versöhnt sich mit Bruder Wolf, der ihm<br />
die Pfote reicht und die Fische werden<br />
für ihn zum Floß, das ihn nicht nur an<br />
das andere Ufer bringt, sondern auch<br />
seine Füße heilt. Die Verbundenheit mit<br />
der Schöpfung bringt Franziskus am<br />
stärksten in dem einzigen von ihm überlieferten<br />
Lied, dem Sonnengesang, zum<br />
Ausdruck. Er spricht dort von Schwester<br />
Sonne, Bruder Mond und Geschwister<br />
Sterne, von Mutter Erde, Bruder Wind<br />
und Bruder Feuer. Diese Worte des<br />
Franziskus haben fast eine heilende<br />
Kraft für uns Erwachsene. Zweitklässler<br />
können sie unmittelbar nachempfinden.<br />
Franziskus spricht eigentlich die Sprache<br />
der Kinder.<br />
Der Schwerpunkt im Erzählen für<br />
die Kinder lag daher nicht in biographischen<br />
Aspekten, sondern vielmehr in der<br />
Art und Weise, wie Franziskus in tiefer<br />
Verbundenheit mit der Schöpfung lebte.<br />
Seine Begegnungen mit Menschen und<br />
Tieren, mit Sonne, Wind und Feuer, die<br />
in den vielen überlieferten Legenden<br />
zum Ausdruck kommen, standen immer<br />
im Mittelpunkt.<br />
Andrea Timm-Brandt<br />
<strong>Prisma</strong> (64) <strong>Prisma</strong> (64) Aus dem Unterricht • 15<br />
Drei freie Nacherzählungen der Geschichte<br />
von Franziskus und dem Wind<br />
Ausschnitte aus dem<br />
Sonnengesang des Franziskus