Freibeuter-Liebe - Werner Ablass
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<strong>Freibeuter</strong>-<strong>Liebe</strong><br />
Du möchtest, daß ich deine Wunden heile,<br />
erwartest Salbe und Pflaster,<br />
sanft streichelnde Hände,<br />
Erleichterung, glückseliges Lächeln?<br />
Ich muss deine Erwartung enttäuschen,<br />
denn ich bin wie ein Herbststurm,<br />
blase ungestüm die Blätter von deinen Ästen,<br />
entkleide dich all deiner Pracht,<br />
mache dich schutzlos und nackt.<br />
Ich bin wie der Winter,<br />
bringe Frost, Kälte, Eis,<br />
führe in die Erstarrung,<br />
bringe den Tod.<br />
Ich liebe ebenso wie ich hasse,<br />
Quacksalber vor allem,<br />
unter Weißkitteln verborgene Kurpfuscher,<br />
Dilettanten, deren Meisterschaft darin besteht,<br />
meisterlich mit Meisterworten jonglieren zu können.<br />
Geh zu ihnen, wenn du Erleuchterung suchst,<br />
ich vermag nur, dir deine Werte zu nehmen.<br />
Denn ich bin Räuber, Plünderer, Dieb, <strong>Freibeuter</strong>, Pirat -<br />
ich schaufle mit Wonne dein Grab und beerdige dich,<br />
ohne ein Wort des Trostes zu spenden.
Mein Ansinnen ist der Tod, nicht das Leben,<br />
ist Verwüstung, nicht Aufbau,<br />
ist Zerstörung, nicht Fortschritt.<br />
Ist Entwurzelung, nicht Veredelung.<br />
Hoffnung ist ein Trugbild der Scharlatane und Gaukler,<br />
Hoffnungslosigkeit ist das Tor zum Nichts,<br />
im Nichts gibt es keine Hoffnung,<br />
im Nichts ist nur grenzenlose Leere.<br />
Ich liebe, wie <strong>Freibeuter</strong> lieben,<br />
daher rede ich nicht über Glückseligkeit,<br />
auch nicht über ewige Wonne und Freude,<br />
ich führe dich in die Leere, in der es weder Sinn gibt<br />
noch irgendeine Bedeutung.<br />
Gleichgültig ist mir, ob ich lebe oder sterbe,<br />
denn ich bin schon gestorben,<br />
und mein Spiel ist zu Ende,<br />
und ich kann nun sein, was ich immer war:<br />
Grenzenlose Leere.<br />
Nur um DAS zu erkennen, spielte ich mit,<br />
all die Äonen unter virtueller Sonne,<br />
abenteuerlich war’s, ohne Frage,<br />
ebenso viele Wonnen wie Schmerzen jedoch.<br />
Aus der Traum,<br />
unwiederbringlich,<br />
was sich noch abspielt, erscheint mir wie ein eiernder<br />
Kreisel, dessen endgültiges Umfallen absehbar ist.
Meine Welt ist jenseits von Gut und Böse,<br />
jenseits von Glück und Trauer,<br />
jenseits von Ich und Nicht-Ich,<br />
jenseits von Eitelkeit und Bescheidenheit.<br />
Zieht’s dich dahin, wo ich bin?<br />
Spürst du ein Aufflackern nahezu erloschener Glut?<br />
Fühlst du das Sterben dein Los ist?<br />
Dann komm mit mir – ich bin bereits hinter dem<br />
Vorhang.<br />
Bist du ein Zauderer?<br />
Macht dir Angst, worüber ich spreche?<br />
Fehlt dir der Mut?<br />
Fühlst du gar Abscheu?<br />
So bleibt dir nur weiter zu wandern im Tale des Trostes<br />
und der Trostlosigkeit,<br />
um all die Abenteuer und Schmerzen, die dir bestimmt<br />
sind von Anbeginn her, zu durchleben.<br />
Nur wem das Ende der Wanderschaft bestimmt ist,<br />
vermag mich zu lieben,<br />
selbst dann noch, und insbesondere dann,<br />
wenn ich ihn beraube und ins Grab bringe.