Ammenmärchen - Credit Suisse - Deutschland

Fotos: W. M. Weber/TV-yesterday (Titel), Pia Zanetti ((Editorial)
Wer schützt uns vor den Aliens?
Die Spezies Mensch hasst nichts so sehr
wie unliebsame Überraschungen. Zu diesem
Schluss könnte kommen, wer aus einer
fernen Galaxie mit seiner Raumkapsel in der
Schweiz strandet. «Der Erdenbürger der
Spezies ‹Homo Helveticus›», würde der
Untertassenpilot in sein Logbuch schreiben,
«legt Wert auf umfassenden Schutz. Krankheit,
Unfall, Auto, Hausrat, Reisen, ja
sogar der Tod: Alles ist mit der passenden
Police versehen.» Leicht spöttisch das Fazit
des galaktischen Globetrotters: «Bei so
viel Unlust am Risiko werden die Menschen
wohl nie in unsere Galaxie vorstossen.»
Reichlich konstruiert? Schon möglich,
doch nicht etwa deshalb, weil es Ausserirdische
gar nicht gibt (woher wollen Sie
das so genau wissen?). Der Denkfehler liegt
woanders: Angenommen, eine höher entwickelte
Spezies hätte tatsächlich den Weg
zu uns gefunden, dann ist es wahrscheinlich,
dass die grünen Männchen mindestens so
gut ausgebaute Absicherungsmechanismen
kennen wie wir. Denn ohne Sicherheit
keine Entwicklung. Das stimmte schon zur
Zeit von Kolumbus, der zwar ein echter
Pionier gewesen sein mag. Der Handel mit
Übersee begann aber erst dann richtig
zu boomen, als die Reeder ihre Flotten versichern
konnten.
Genau wie beim Alkohol ist es auch bei
der Sicherheit oft eine Frage des Masses,
denn dem berühmten Restrisiko kommt
man nie ganz bei. Sicherheit in der S-Bahn?
Wünschenswert, doch spätestens, wenn
mehr Bahnpolizisten als Passagiere unterwegs
sind, macht das Zugfahren nicht
mehr richtig Spass. Schwierig wirds, wenn
eine Sicherheit mit einer anderen kollidiert.
Etwa bei der Frage, wie viel Datenschutz
man preisgeben muss, um erfolgreich die
Jagd auf Terroristen aufzunehmen.
Apropos: Wie steht es mit dem Schutz
vor Ausserirdischen? Kein Problem. Die
Police dazu ist schon längst auf dem Markt.
Andreas Thomann
EDITORIAL
Credit Suisse Bulletin 4-04 3