Bulletin 3/09 "Norden" - Credit Suisse eMagazine - Deutschland
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Seit 18 5 das Magazin der <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> Nummer 3 Aug./Sept. 0<br />
Norden<br />
Grönland Mit Gerry Hofstetter auf Lichtkunst-Expedition<br />
Elfen in Island Sie prägen das Leben der Nordländer<br />
Hans-Ulrich Meister Interview mit dem CEO Schweiz<br />
Mikrofi nanz Das sagen fünf internationale Experten<br />
KMU-Studie Folgt auf die Krise die Rohstoffklemme?<br />
Nobelpreisträger Krugman Über die Finanzkrise<br />
bulletin plus Anlegen
EXPEDITIONSKREUZFAHRTEN IN DIE ARKTIS<br />
M/V PRINCE ALBERT II<br />
Norwegen & Spitzbergen intensiv<br />
9. Juli ‒ 19. Juli 2010<br />
Tromsø ‒ Magerøy Island ‒ Skarsvag (Nordkap) ‒<br />
Bear Island ‒ Svalbard ‒ Longyearbyen<br />
Von Norwegen nimmt die M/V Prince Albert II Kurs auf das Nordkap und die Bäreninsel<br />
bis zu den Gletschern, Fjorden und Eisbären Svalbards mit der Hauptinsel Spitzbergen.<br />
Erleben Sie die Natur hautnah ‒ auf Zodiak-Ausflügen oder Wanderungen durch die grüne<br />
Tundra dieser einzigartigen Inselgruppe.<br />
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Island, Grönland und kanadische Arktis<br />
7. September – 25. September 2010<br />
Reykjavik – Vestmannaey Island – Skjoldungen – Prins Christian Sund –<br />
Qaqortoq – Hvalsey – Arsuk Brae – Iqaluit – Akpatok Island – Saqlek Fjord –<br />
Battle Habour – L’anse aux Meadows (Neufundland) – Twillingate – St. John’s<br />
Gewaltige Gletscher, die mächtige Eisberge kalben. Einsame Inuit-Siedlungen, deren<br />
Bewohner der rauen Natur trotzen. Eine reiche maritime Tierwelt mit imposanten Walen,<br />
agilen Robben und vielleicht sogar einem Eisbären. All das begleitet Sie auf einer<br />
einzigartigen Reise durch Grönland und die kanadische Arktis.<br />
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Preisträger<br />
Editorial 3<br />
Der Norden hat viele Gesichter. Spricht man mit einem Argentinier über den<br />
Norden, so schwärmt er vom subtropischen Regenwald bei den IguaçuWasserfällen,<br />
von den staubigen Hochebenen der Anden, von den SaguaroKakteen<br />
bei den QuilmesRuinen und von der Hitze der Salzwüste Salinas Grandes del<br />
Noroeste. Verkehrte Welt: Argentiniens Norden widerspiegelt ziemlich treffend<br />
die Assoziationen eines Europäers zum Süden, womit sich hier durchaus eine<br />
spannende Geschichte fürs bulletin ergeben hätte. Doch für einmal haben wir nicht<br />
versucht, den Schwerpunkt mit möglichst überraschenden Ansätzen und Perspektiven<br />
zu füllen, sondern haben das Thema Norden geografisch sehr eng gefasst.<br />
Unsere Geschichten sind fast ausschliesslich jenseits des nördlichen Polarkreises<br />
angesiedelt, also dort, wo die Sonne im Sommer zeitweilig nie mehr ganz hinter<br />
dem Horizont verschwindet. Wir definierten Norden für dieses Heft als geografischen<br />
Orientierungs und Endpunkt.<br />
Dazu sprachen wir mit dem Entdecker und Unternehmer Frederik Paulsen, der<br />
schon mehrmals an dem Punkt war, wo es kein Osten, kein Westen und selbst kein<br />
Norden mehr gibt, sondern nur noch Süden: dem Nordpol. Dann begleiteten wir<br />
den Schweizer Lichtkünstler Gerry Hofstetter auf seiner Expedition zum Gletscher<br />
bei Ilulissat auf Grönland, wo er spektakuläre Bilder auf Eisberge projizierte,<br />
um damit auf die Problematik des Klimawandels aufmerksam zu machen. Norden<br />
ist auch Lebensraum. Wir haben die Ureinwohner der nördlichen Polarregionen,<br />
die Inuit, im kanadischen Territorium Nunavut besucht, wo sie einen Weg zwischen<br />
Wildnis, Tradition und Moderne suchen. Und dann sind da noch die nordischen<br />
Fabelwesen. Im Zweifelsfall wollen mehr als 80 Prozent der eigenwilligen Isländer<br />
die Existenz von Elfen lieber nicht verleugnen…<br />
«Die Faszination Norden lässt sich nicht umschreiben, sie muss erlebt sein»,<br />
sagt Frederik Paulsen. Wir haben es trotzdem versucht. Geniessen Sie in<br />
der Hitze des Sommers mit dem neuen bulletin das Vordringen in die entrückte,<br />
faszinierende Welt des Nordens.<br />
Zum Schluss noch eine gute Nachricht aus der Redaktion: Ende Juni wurde das<br />
bulletin beim 10. Kongress des Forum Best Corporate Publishing in Berlin gleich<br />
zweimal mit Silber ausgezeichnet: in den Kategorien «Finanzen und Versicherungen»<br />
und «Internationale Kommunikation». Angesichts des hochdotierten, internationalen<br />
Teilnehmerfelds von 600 Magazinen freut uns die Ehre sehr.<br />
Daniel Huber, Chefredaktor bulletin
www.wenger.ch<br />
www.wenger.ch
Coverfoto: Frank Schwarzbach, Michael Kessler | Foto: Photodisc<br />
Norden Im Sommer besitzt der Hohe Norden eine<br />
geradezu magische Anziehungskraft. Seine Weite und<br />
Stille bietet Erholung, aber auch Abenteuer und zu<br />
entdeckende landschaftliche, kulturelle und menschliche<br />
Geheimnisse.<br />
6 _ Orientierung Der Norden spielt nicht nur geografi sch,<br />
sondern auch kulturell eine wegweisende Rolle.<br />
8 _ Arktis-Territorium Im kanadischen Nunavut führen<br />
die Inuit ein Leben zwischen Moderne und eisiger Wildnis.<br />
14 _ Lichtkunst Der Schweizer Gerry Hofstetter beleuchtet<br />
in Grönland Eisberge und will damit die Welt wachrütteln.<br />
22 _ Fabelwesen Die Elfen haben Island fest in ihrer Hand.<br />
Sie sind äusserst friedfertig, wenn man sie nicht stört …<br />
26 _ Entdecker Frederik Paulsen stösst mit einer russischen<br />
Tauchkapsel zum Meeresgrund des Nordpols vor.<br />
Der Forest Stewardship Council (FSC) setzt mit zehn Prinzipien und Kriterien den Standard für eine umwelt- und<br />
sozialver trägliche Waldbewirtschaftung. Schweizer Papier (Z-Offset, mit 30% FSC-Anteil), aus europäischem Zellstoff,<br />
hergestellt von der ISO-14001-zertifi zierten Ziegler Papier AG, Grellingen.<br />
<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
Inhalt 5<br />
30 _ Hans-Ulrich Meister Der CEO Schweiz über<br />
den Heimmarkt und die Nähe zum Kunden<br />
34_ Kunstsommer Anregende Ausstellungen<br />
in Lugano, Martigny und Zug<br />
36 _ Immobilienleasing Wenn für expandierende<br />
Schweizer Firmen Eigentum zu teuer ist<br />
37 _ Gstaad Palace Preis für ein Flaggschiff der<br />
viertwichtigsten Exportbranche der Schweiz<br />
38 _ Popstar der Ökonomen Der Schwede Kjell<br />
Nordström referierte am Swiss Export Day<br />
39 _ Schach Der älteste Schachclub der Welt<br />
lädt zehn Champions nach Zürich ein<br />
40 _ Salzburger Festspiele Sänger aus dem<br />
Norden und gezielte Nachwuchsförderung<br />
42 _ Maria Stuart Die neue Intendantin des<br />
Zürcher Schauspielhauses inszeniert Schiller<br />
43 _ Ilulissat Werk des Fotografen Joël Tettamanti<br />
für Zürcher Geschäftsstelle<br />
44 _ Mikrofi nanz Ein Expertengespräch über<br />
Möglichkeiten und Grenzen der Mikrofi nanz<br />
48 _ Uetlihof 2000 neue Arbeitsplätze in<br />
energieschonendem Erweiterungsbau<br />
49_ IKRK Informationskampagne 150 Jahre nach<br />
der Schlacht bei Solferino<br />
Wirtschaft<br />
52 _ KMU-Studie Viele Unternehmen erwarten<br />
nach der Krise eine Rohstoffklemme<br />
57 _ Marketing Die «Mobile Werbung» steht<br />
vor dem grossen Durchbruch<br />
60 _ Infl ation Warum wir sie brauchen und die<br />
neue Rolle der Zentralbanken<br />
62 _ Amerika Schaffen die USA die Rückkehr<br />
zur globalen Wirtschaftsmacht ?<br />
Invest<br />
65 _ Aktuelle Analysen und Trends<br />
Leader<br />
70 _ Paul Krugman Das exklusive Interview<br />
mit dem Nobelpreisträger für Wirtschaft<br />
Service<br />
43 _ Impressum<br />
69 _ Wissenswert<br />
> bulletin plus «Anlegen»<br />
Das Heft im Heft auf Seite 51<br />
Ihr Link zu unserem Know-how: www.credit-suisse.com/bulletin
Norden<br />
Der Norden fasziniert die Menschen seit Urzeiten. Er ist mehr als nur eine der<br />
vier Himmelsrichtungen auf dem Kompass. Denn schon bevor die erste Kompass nadel<br />
nach Norden ausschlägt, spielte die Richtung in vielen alten Kulturen, von Ägypten<br />
bis China, eine wichtige Rolle. Auch prägt der Norden schon früh die Kartenkunde.
Foto: Frank Schwarzbach, Michael Kessler<br />
Text: Dorothée Enskog<br />
Eines der sieben Weltwunder der Antike, die Grosse Pyramide<br />
von Giseh, ist genau zum Nordpol ausgerichtet. Es wird angenommen,<br />
dass die alten Ägypter die Sterne im Kleinen und Grossen<br />
Wagen beobachteten, um die exakte Richtung zu berechnen.<br />
Sie assoziierten Norden mit der Ewigkeit und dem Jenseits, wohin<br />
der Geist des Pharaos nach seinem Tod reisen würde. Auch<br />
die alten Griechen verehrten den Norden, und der Olympus –<br />
als meistangebeteter Berg, auf dem die wichtigsten Götter der<br />
griechischen Mythologie ihren Sitz hatten – war Sinnbild für den<br />
Norden. Im dynastischen China glaubte man, dass die Herrscher<br />
ihre Kraft vom Drachengott am himmlischen Nordpol<br />
erlangten. In der nordischen Mythologie leitete sich der Name<br />
von Njord, Gott des Meeres und des Wassers, vom Wort für<br />
Norden ab. Aber der Norden ist nicht nur in alten Kulturen<br />
von Bedeutung, sondern auch in der Kartografie. In altgermanischen<br />
Dialekten bedeutete Norden «links der aufgehenden<br />
Sonne».<br />
Kartenausrichtung: Norden ist häufig oben<br />
Die ersten Karten tauchten bereits in prähistorischer Zeit<br />
auf. Sie waren weniger geometrischer als vielmehr konzeptioneller<br />
Art und stellten Gebirgszüge, Seen oder Flüsse<br />
mit Ufersiedlungen dar. Die erste Weltkarte erschien rund<br />
500 vor Christus und zeigte die babylonische Vorstellung<br />
des Kosmos – eine flache, runde Welt mit der Stadt Babylon<br />
als Zentrum. Die Orientierung dieser Karte beruht auf<br />
den vorherrschenden Winden – zuoberst Nordwesten – und<br />
entspricht nicht der heute bekannten senkrechten Projektion<br />
mit den vier Himmelsrichtungen Norden, Westen, Süden und<br />
Osten. Die Konvention, wonach der Norden in Karten oben<br />
liegt und der Osten rechts, geht auf den griechischen Astronomen<br />
Ptolemäus zurück, der im 2. Jahrhundert im ägyptischen<br />
Alexandria lebte und arbeitete. Aber weil Europa damals als Hochburg<br />
des Christentums galt, wurden die (europäischen) Karten<br />
von religiösen Themen beherrscht. In diesen mittelalterlichen<br />
Weltkarten, auch TOKarten genannt (TO für terrae orbis, Erdkreis),<br />
befand sich Osten oben, während Jerusalem, das damals<br />
nahe der Mitte der bekannten Welt lag, den Mittelpunkt bildete.<br />
Zu Beginn der Renaissance sollten neue Entdeckungen die Form<br />
der bekannten Welt verändern, sodass die Kartografen beim Anfertigen<br />
von Karten erneut die ptolemäische Ausrichtung mit<br />
Norden zuoberst übernahmen. Laut weiteren Konventionen, die<br />
in der Kartografie mit der Zeit Allgemeingültigkeit erlangten,<br />
wurden Gewässer blau, Landmassen braun und Vegetation grün<br />
dargestellt. Die erste echte Weltkarte, die 1507 entstand und<br />
bis heute als «Universalis Cosmographia» bekannt ist, wird dem<br />
deutschen Kartografen Martin Waldseemüller zugeschrieben.<br />
Trotz ihres Alters entspricht sie erstaunlich genau der Darstellung<br />
unserer modernen Weltkarten.<br />
Kartenausrichtung in anderen Kulturen<br />
Viele nichteuropäische Kulturen gaben die Himmelsrichtungen<br />
ebenfalls mit Nord, Ost, West und Süd an, fügten jedoch oftmals<br />
eine fünfte Richtung hinzu – die Mitte. Im dynastischen China war<br />
die Mitte beispielsweise gleichbedeutend mit China selbst. Den<br />
anderen vier Himmelsrichtungen ordnete man bestimmte Farben,<br />
Einstieg Norden<br />
Jahreszeiten, Elemente und Tiersymbole zu. Dem Norden entsprachen<br />
Schwarz, Winter, Wasser und die Schildkröte. Auch im<br />
traditionellen Glauben vieler Eingeborenenvölker in Nord, Mittel<br />
und Südamerika existierten fünf Himmelsrichtungen. Jede Richtung,<br />
ausgenommen die Mitte, wurde mit einer typischen Farbe<br />
von Mais assoziiert. Amerikas Urvölker ordneten diese Farben<br />
unterschiedlich zu. Bei den Azteken beispielsweise entsprach<br />
Norden der Farbe Schwarz, bei den Cherokee war es Blau. Andere<br />
Kulturen verwendeten anstelle der Kompassrichtungen andere<br />
Bezeichnungen. Auf Hawaii wurden die Richtungen mit «meerwärts»<br />
beziehungsweise «meerseitig» (makai) und «bergwärts» beziehungsweise<br />
«landeinwärts» (mauka) angegeben, im alten Ägypten als<br />
«stromaufwärts» oder «stromabwärts».<br />
Geografischer vs. magnetischer Norden<br />
Erwähnenswert ist auch, dass der geografische und der magnetische<br />
Nordpol nicht identisch sind. Der geografische Norden, besser bekannt<br />
als Nordpol, ist ein fester Punkt, der sich auf unseren modernen Karten<br />
bei 0 oder 360 Grad befindet und an dem alle Längengrade zusammentreffen.<br />
Diese Linien, die unsere Zeitzonen abgrenzen, liegen am<br />
Nordpol so nahe beisammen, dass die arktische Region ihre eigene<br />
Zeitzone hat, falls die Lokalzeit aus irgendeinem Grund bestimmt werden<br />
muss. Der Nordpol, auch als «wahrer Norden» bezeichnet, ist der nördlichste<br />
Punkt der Erdoberfläche. Das heisst, wenn ein Betrachter exakt<br />
an diesem Punkt steht, befinden sich alle anderen Punkte südlich von<br />
ihm. Der magnetische Nordpol liegt jedoch mehrere Hundert Kilometer<br />
südlich des Nordpols, nordwestlich der kanadischen Insel Sverdrup. Dieser<br />
Punkt wandert langsam über die kanadische Arktis. Nach Berechnungen<br />
des Geologischen Dienstes von Kanada verschiebt sich der magnetische<br />
Norden zurzeit jedes Jahr um durchschnittlich 40 Kilometer in nordwestlicher<br />
Richtung. Da sich diese Geschwindigkeit seit einem Jahrhundert<br />
erhöht hat, könnte der magnetische Nordpol langfristig die kanadische<br />
Arktis Richtung Sibirien verlassen. Die Nadel eines herkömmlichen<br />
magnetischen Kompasses zeigt auf diesen sich ständig bewegenden<br />
Punkt hin. Deshalb mussten Seefahrer, die magnetische Kompasse<br />
benutzten, lernen, mit dem Unterschied zwischen dem geografischen<br />
und dem magnetischen Norden umzugehen.<br />
GPS basiert auf «Heading-up»-Orientierung<br />
Das vom amerikanischen Verteidigungsministerium entwickelte Global<br />
Positioning System (GPS), das seit 1995 in Gebrauch ist, macht den<br />
Einsatz magnetischer Kompasse überflüssig. Auch stellt es die konventionelle<br />
Nordausrichtung von Karten infrage. Die GPSTechnologie<br />
basiert auf Satelliten und Bodenstationen, um geografische Positionen<br />
meter oder zentimetergenau zu berechnen. Die meisten dieser tragbaren<br />
Navigationssysteme arbeiten wahlweise mit der «Headingup»<br />
Orientierung, auch als momentane Fahrtrichtung bekannt. Das bedeutet,<br />
dass eine auf dem GPSEmpfänger angezeigte Karte die Reiserichtung<br />
automatisch der Fortbewegung des Nutzers anpasst, sodass<br />
die Reiserichtung stets auf den Zielpunkt zeigt, um Hinweise auf Richtungsänderungen<br />
zu liefern. Der GPSEmpfänger ist heutzutage eines<br />
der schnellsten und bequemsten Hilfsmittel, um zu jeder Tages und<br />
Nachtzeit und sogar bei schlechtem Wetter den wahren Norden zu<br />
bestimmen und somit historische Orientierungshilfen oder instrumente<br />
wie Sonne, Sterne und Kompass zu ersetzen. Sollten jedoch die Batterien<br />
des GPS zur Neige gehen oder das Gerät sonst defekt sein,<br />
wäre man mit einer Karte und einem magnetischen Kompass, der stets<br />
nach Norden zeigt, noch immer besser bedient. <<br />
<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 3/<strong>09</strong>
Zwischen<br />
arktischer Wildnis<br />
und Moderne<br />
Mit der Schaffung des Arktis-Territoriums Nunavut besiegelte die kanadische<br />
Regierung vor zehn Jahren das Ende des Kolonialismus. Es ist ein kaltes Laboratorium,<br />
das die Moderne mit der Tradition der Inuit verbinden will.<br />
Selbst in Iqaluit, der Hauptstadt des Territoriums, gehört die Jagd zum Leben der Inuit.<br />
Zwei Jäger bereiten sich vor, mit ihrem Boot auf die Frobisher Bay hinauszufahren.<br />
Fotos: Muster Mustermann | Muster Mustermann
Fotos Seiten 8 –13: Gerd Braune<br />
Text: Gerd Braune, aus Iqaluit, Nunavut<br />
Auf Andrew BeveridgeTagornaks Arbeitsplatz stehen mehrere Computer.<br />
Der 27jährige Inuk arbeitet bei der Qikiqtaaluk Information Technology<br />
Corporation in Iqaluit, der Hauptstadt des Territoriums Nunavut, als<br />
Computertechniker. Wenn er in den Sommermonaten Zeit hat, fährt er mit<br />
Freunden oder älteren Inuit zum Fischen hinaus auf die Frobisher Bay. Oder<br />
er geht in die Tundra auf Karibujagd. Dies ist das traditionelle Leben der<br />
Inuit, der Ureinwohner der Arktis, und eine willkommene Abwechslung vom<br />
Berufsalltag. «Wir haben die neuen Technologien, aber auch unsere<br />
Traditionen», sagt Andrew.<br />
Nunavut besteht seit nunmehr zehn Jahren. Am 1. April 1999<br />
trat das Gesetz in Kraft, das das Gebiet Nunavuts aus den<br />
damaligen NordwestTerritorien herauslöste und ihm den<br />
Status eines eigenen Territoriums mit eigener Regierung gab.<br />
In der InuitSprache Inuktitut bedeutet Nunavut «Unser Land».<br />
85 Prozent der Bewohner des Territoriums sind Inuit. Mit der<br />
Schaffung von Nunavut ging ihr Traum in Erfüllung. Endlich konnten<br />
die Ureinwohner der Arktis bei der Verwaltung ihres traditionellen<br />
Gebietes mitentscheiden.<br />
Wieder erstarkter Inuit-Stolz<br />
«Unsere Kinder werden glücklicherweise nie erfahren, was es<br />
heisst, unter den Bedingungen des Kolonialismus aufzuwachsen.<br />
Unsere Väter erlebten eine Zeit, in der ihnen ihre Unabhängigkeit<br />
und ihre Menschenrechte weggenommen wurden», sagt der<br />
heute 62jährige John Amagoalik. Er gilt vielen als der «Vater<br />
von Nunavut», weil er massgeblich an den Verhandlungen mit<br />
der Regierung über die Landrechte und das Gesetz über<br />
Nunavut beteiligt war. «Es gab eine Zeit, als viele meiner Generation<br />
nicht stolz auf ihre InuitIdentität waren, aber auch nicht<br />
sicher waren, ob sie kanadische Staatsbürger sein wollten. Jetzt<br />
sehen wir das Wiedererstarken des InuitStolzes und wir sind<br />
loyale Kanadier.» Aber nach zehn Jahren Nunavut wissen die<br />
Inuit auch, dass ihre Träume von einem starken, wirtschaftlich<br />
auf eigenen Füssen stehenden Territorium mit gesunden Kommunen<br />
nur langsam in Erfüllung gehen. Amagoalik führt die<br />
Enttäuschung mancher Inuit auf die hohen Erwartungen zurück.<br />
«Die Menschen müssen verstehen, dass es Zeit braucht, um die<br />
Fehlentwicklungen der Vergangenheit zu korrigieren. Ich glaube,<br />
dass wir jetzt die Realität akzeptieren.»<br />
Eva Aariak ist seit November vergangenen Jahres Premier<br />
und damit Regierungschefin von Nunavut. In Iqaluit hatte die<br />
InukFrau aus Arctic Bay in der Hohen Arktis ein Geschäft<br />
geführt, zuvor hatte sie das Amt des Sprachenbeauftragten<br />
bekleidete und geholfen, Inuktitut als lebendige Amtssprache zu<br />
etablieren. «Ich bin es leid, dass Nunavut anhand unserer Probleme,<br />
Misserfolge und Sorgen beschrieben wird», sagt die<br />
Politikerin, die als Halsschmuck gerne ein Collier mit einem kleinen<br />
goldenen Ulu trägt, dem traditionellen gebogenen Messer, mit<br />
dem InuitFrauen Fleisch und Fett von den Häuten erlegter Tiere<br />
abschaben. «Wir müssen uns der Probleme und Grenzen bewusst<br />
sein, uns aber auch auf unsere Stärken konzentrieren.»<br />
Jüngste Bevölkerung Kanadas<br />
Nunavut befindet sich in einer Aufholjagd gegenüber Kanada.<br />
Es hat die jüngste Bevölkerung Kanadas – und die am schnellsten<br />
wachsende. Das Bevölkerungswachstum von zehn Prozent ist ><br />
Nord-<br />
Pazifik<br />
Alaska<br />
Kanada<br />
Arktischer<br />
Ozean<br />
Vereinigte Staaten<br />
Kitikmeot<br />
Inuit Norden<br />
Das Territorium Nunavut Nunavut ist ein zwei Millionen<br />
Quadratkilometer grosses Territorium in der kanadischen<br />
Ost-Arktis, das vor zehn Jahren durch Teilung der Nordwest-Territorien<br />
entstand. Die 2 Gemeinden sind nur mit<br />
Flugzeug oder Schiff zu erreichen. Strassenverbindungen<br />
gibt es nicht. Die Hauptstadt Iqaluit («die Fischreiche»)<br />
hat 6000 Einwohner. Insgesamt leben 30 000 Menschen<br />
in Nunavut, das ein Fünftel der Grösse Kanadas hat und<br />
mehr als fünfmal so gross ist wie die Bundesrepublik<br />
<strong>Deutschland</strong>. Dem Nunavut-Gesetz war das «Nunavut<br />
Land Claims Agreement» zwischen den Inuit und der<br />
Regierung in Ottawa vorausgegangen, das die Landansprüche<br />
der Inuit regelte: 1 3 erhielten die Inuit Kontrolle<br />
über 356 000 Quadratkilometer Land. Hier können<br />
sie bestimmen, was auf ihrem Land geschieht. Darin<br />
enthalten sind 38 000 Quadratkilometer, auf denen sie<br />
nicht nur die «überirdischen» Nutzungsrechte haben,<br />
sondern auch Anspruch auf die Bodenschätze.<br />
Grönland<br />
Baffin<br />
Bay<br />
Qikiqtaaluk (Baffin)<br />
Iqaluit<br />
Kivalliq<br />
Nunavut<br />
Hudson<br />
Bay<br />
Pangnirtung<br />
Frobisher<br />
Bay<br />
Nord-<br />
Atlantik<br />
<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 3/<strong>09</strong>
10 Norden Inuit<br />
Resolute, 300 Einwohner, ist die zweitnördlichste Gemeinde Kanadas. Sie liegt an der Südküste von Cornwallis Island an der legendären<br />
Nordwest-Passage durch den arktischen Archipel. Resolute ist der Ausgangspunkt für Expeditionen auf Ellesmere Island und zum Nordpol.<br />
bulletin 3/<strong>09</strong> <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong>
doppelt so hoch wie im restlichen Kanada. 53 Prozent der Bewohner<br />
Nunavuts sind 25 Jahre alt oder jünger, in GesamtKanada<br />
sind es 31 Prozent. Damit ist die Schaffung von Arbeitsplätzen ein<br />
Hauptanliegen der Politik. Die Arbeitslosigkeit ist mit 15 Prozent<br />
doppelt so hoch wie in Kanada. Die Qualifikation junger Menschen<br />
ist deutlich schlechter. Von den 20 bis 24jährigen Nunavummiut,<br />
wie die Bewohner Nunavuts heissen, haben 65 Prozent keinen<br />
HighSchoolAbschluss. Schule war über Generationen hinweg<br />
Symbol für aufgezwungene westliche Lebens und Denkweise.<br />
Die Lehrer kamen aus dem Süden. Die sozialen Probleme sind<br />
gewaltig: Die Wohnungsnot ist dramatisch, Lungenerkrankungen<br />
treten doppelt so häufig auf wie im restlichen Kanada, gefördert<br />
durch das Leben in überfüllten Wohnungen und den nahezu<br />
ungebrochenen Zigarettenkonsum auch junger Menschen. Die<br />
Kindersterblichkeit ist höher und die Lebenserwartung geringer.<br />
Drogen und Alkohol sind in manchen Kommunen ein drängendes<br />
Problem. Eine Katastrophe ist die Suizidrate, bei der Nunavut<br />
weltweit mit an der Spitze liegt. Psychologen sehen dies auch<br />
als Folge des Kulturschocks beim schnellen Übergang von einer<br />
Nomadengesellschaft hin zur Moderne.<br />
Inuktitut als gelebte Ureinwohnersprache<br />
Aber die Erfolge sind ebenfalls sichtbar. Immer mehr Lehrkräfte<br />
an den Schulen kommen aus dem InuitVolk, in Grundschulen<br />
unterrichten fast ausschliesslich Inuit. Die Zahl derer, die mit Diplom<br />
abschliessen, hat sich in zehn Jahren verdoppelt, auch wenn<br />
sie weiter unter dem Landesdurchschnitt liegt. Unternehmen in<br />
Nunavut bilden junge Menschen aus. Juristen, Krankenschwestern<br />
und Verwaltungsmitarbeiter kommen aus dem InuitVolk. Sandra<br />
Omik hatte in Pond Inlet als Mitarbeiterin eines von der Regierung<br />
in die Hohe Arktis entsandten Rechtsanwalts begonnen, jetzt ist<br />
sie nach Abschluss der Law School selbst Juristin. «Als ich die<br />
Inuit Norden 11<br />
Gelegenheit erhielt, die Rechtsschule zu besuchen, war ich sehr<br />
überrascht. Mir war nur eines klar: Dies bedeutet den Besuch einer<br />
Universität, etwas, wovon ich vorher nicht zu träumen wagte.» Das<br />
Arctic College in Iqaluit bot den Ausbildungsgang zusammen mit<br />
Universitäten im Süden an. Wenn Sandra Omik nachdenkt, was die<br />
herausragende Errungenschaft Nunavuts ist, kommt ihr eines in den<br />
Sinn: Die Sprache ihres Volkes. «Wenn ich eine Regierungsstelle anrufe,<br />
dann antwortet mir jemand in Inuktitut. Das gibt mir Vertrauen<br />
in das, was ich als Inuk bin.» Inuktitut gehört zu den wenigen Ureinwohnersprachen<br />
Kanadas, die nicht vom Aussterben bedroht sind.<br />
Waljagd liefert vitaminreiches Maktaaq<br />
Die 27 Gemeinden Nunavuts sind wie Laboratorien, in denen versucht<br />
wird, Moderne und Tradition miteinander zu verbinden. Das Internet<br />
gehört auch in den abgelegensten Gemeinden, die nur mit dem Flugzeug<br />
erreicht werden können – und das nicht einmal täglich –, zum Alltag.<br />
Wenn die Jäger ausziehen, haben sie ihr GPS dabei, können sich<br />
aufgrund ihrer traditionellen Kenntnisse aber auch orientieren, falls die<br />
moderne Technik versagen sollte. Das Leben auf dem Land ist Teil der<br />
Seele der Inuit. Wenn Familien zum «Camping» gehen, hat dies nichts<br />
mit einer Urlaubsreise zu tun. Die Familien bauen weitab ihrer Gemeinde<br />
ein Sommercamp aus Zelten auf, sie jagen und sammeln Beeren<br />
und Kräuter. Kooperativen in den Gemeinden bieten Waren an, die<br />
vom Süden eingeflogen werden, darunter Milchprodukte, Obst,<br />
Gemüse und Fleisch. Aber die meisten Inuit bevorzugen «country<br />
food». Das sind die traditionellen Lebensmittel, die noch immer<br />
in vielen Familien die Speisekarte prägen: Fisch, Muscheln und<br />
Krabben, Karibu und Robbenfleisch – und Maktaaq, die äussere<br />
Fett und Hautschicht des Wales, die roh oder gegart gegessen<br />
werden kann. Werden BelugaWale in den Buchten nahe der<br />
Gemeinde gesichtet, gerät die ganze Gemeinde in Aufregung.<br />
Wale bedeuten Fleisch. Der Weisse Wal, der zu Tausenden ><br />
Bild links Mit ihren Motorschlitten fahren Inuit über den gefrorenen Fjord von Pangnirtung bis zum offenen Meer zur Robbenjagd.<br />
Bild rechts Inuit-Jäger haben einen Beluga-Wal erlegt und zerteilen ihn am Strand. Das Fleisch bietet Nahrung für mehrere Familien.<br />
<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 3/<strong>09</strong>
12 Norden Inuit<br />
Inuit Die Inuit (Einzahl: Inuk) sind die Ureinwohner der Arktis von der<br />
Beringstrasse zwischen Sibirien und Alaska bis nach Grönland. Der<br />
Name bedeutet «Menschen». Bis vor wenigen Jahren wurden sie von<br />
Aussenstehenden meist Eskimo genannt. Diese Bezeichnung, die<br />
«Rohfleischesser» bedeutet, gaben ihnen benachbarte indianische<br />
Völker. Für die Inuit Kanadas ist es eine Herabsetzung, wenn sie<br />
Eskimo genannt werden. Die Inuit der Arktis sind genetisch, linguistisch<br />
und kulturell ein Volk mit einem gemeinsamen Ursprung, sagt<br />
Dr. David Morrison, Direktor der Abteilung Archäologie und Geschichte<br />
des Museum of Civilization in der kanadischen Hauptstadt Ottawa.<br />
Allerdings gibt es zwischen den Ureinwohnern Alaskas, Kanadas<br />
und Grönlands («Kalaallit Nunaat») in Sprache und Kultur regionale<br />
Unterschiede. Diese Entwicklung begann vor etwa 800 Jahren.<br />
In der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts begannen die bis dahin nur<br />
im Nordwesten Alaskas lebenden Menschen ihre Wanderung nach<br />
Osten, vermutlich auf der Suche nach reichen Walbeständen, die<br />
sie schliesslich an der Küste der Baffin-Insel fanden. Binnen weniger<br />
Jahrzehnte erreichten sie Grönland. Morrison glaubt, dass sie<br />
etwa um 1260/1280 die Meerenge zwischen Ellesmere Island und<br />
der Nordwestküste Grönlands überquerten. Auf ihrer Wanderung<br />
nach Osten stiessen die Inuit in Gebiete vor, die bis dahin vom<br />
Dorset-Volk, auch Tunit oder Paläo-Eskimo/Inuit genannt,<br />
bevölkert wurde, das aber genetisch vermutlich wenig Ähnlichkeiten<br />
mit den Inuit hatte. Die heutigen Inuit sagen, dass sie die<br />
Arktis seit Jahrtausenden und «seit Urzeiten» bewohnen, was<br />
zutrifft, wenn sich dies auf Alaska bezieht oder die Tunit<br />
einschliesst. An der Baffin Bay kamen die Inuit in Kontakt mit<br />
den Wikingern, von denen sie Eisen erwarben. Kontakte mit<br />
Europäern hatten die Inuit dann wieder in der zweiten Hälfte<br />
des 16. Jahrhunderts, als Entdecker wie Martin Frobisher<br />
in die Region vorstiessen.<br />
bulletin 3/<strong>09</strong> <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
die arktischen Gewässer bewohnt, ist eine Spezialität. An der Küste<br />
von Cornwallis Island, einige Kilometer von Resolute entfernt, war<br />
der Clan von Simeonie Amagoalik erfolgreich: Mehrere Wale liegen<br />
auf dem Kieselstrand. Geschickt werden die Tiere zerlegt, bis nur<br />
noch das Gerippe übrig bleibt. Alt und Jung isst das vitaminreiche<br />
Maktaaq. «Das ist Fleisch für viele Familien», sagt einer und deutet<br />
auf die grossen Fleischstücke, die am Strand liegen. Teilen ist ein<br />
wesentlicher Bestandteil des InuitLebens. Als im Dezember ver<br />
gangenen Jahres bei Pond Inlet Hunderte im<br />
Eis eingeschlossene Narwale getötet wurden,<br />
um ihnen einen langsamen und qualvollen Tod<br />
durch Ersticken zu ersparen, wurde das Fleisch<br />
in mehreren Gemeinden im Norden der Baffin<br />
Insel und auf Ellesmere Island verteilt.<br />
Küstengebiete werden zugänglicher<br />
Auch wenn die Jagd weiter zum Leben in Nunavut<br />
gehört – das Territorium nimmt teil an der globalen<br />
Wirtschaft, im Grossen wie im Kleinen.<br />
Kunsthandwerk, Skulpturen, Drucke und Wandteppiche<br />
aus der Arktis – produziert etwa in Cape<br />
Dorset oder in Pangnirtung – finden weltweit Liebhaber.<br />
Zu einem wesentlichen Wirtschaftsfaktor<br />
hat sich die Bergbauindustrie entwickelt. Sie steht<br />
zwar noch in den Startlöchern, aber überall in<br />
Nunavut haben Bergbaukonzerne Rohstofflager<br />
entdeckt und sind dabei, Minen zu entwickeln.<br />
Gold, Silber, Diamanten, Uran, Eisenerz, Nickel –<br />
die Liste der Rohstoffe ist lang. In küstennahen<br />
Gewässern liegen Erdöl und Erdgas. Der Klimawandel<br />
macht die Arktis und die arktischen Gewässer<br />
zugänglicher und für Schifffahrt und wirtschaftliche<br />
Nutzung attraktiver. Aber er ist für die Menschen<br />
im Hohen Norden und ihre Kultur auch eine<br />
grosse Gefahr: Die Ureinwohner der Arktis sehen<br />
nicht nur die Tierwelt bedroht, die einen Grossteil<br />
ihrer Nahrung liefert. Kultur und traditionelles Leben<br />
der Inuit werden von dem Eis, das immer brüchiger<br />
und unzuverlässiger wird, geprägt. Karibuherden ändern<br />
ihre Wanderwege. Robben verlassen angestammte<br />
Gewässer. Tiere und Pflanzen, die nie in der<br />
Arktis zu sehen waren, tauchen auf. Küsten, an denen<br />
InuitSiedlungen stehen, erodieren, weil der Permafrostboden<br />
auftaut.<br />
«Es geht voran. Nicht schnell, aber beständig»<br />
Dennoch blicken die Menschen in Nunavut trotz der<br />
Probleme optimistisch in die Zukunft. «Ich bin froh,<br />
dass wir Nunavut haben», sagt Andrew Beveridge<br />
Tagornak. Der junge Computerfachmann verkörpert<br />
das, was Nunavut ausmacht: in der modernen Welt<br />
leben, zugleich aber die Traditionen pflegen. «Es geht<br />
voran. Nicht schnell, aber beständig.» Er ist zuversichtlich,<br />
«dass Nunavut uns helfen wird, in beiden Welten<br />
zu leben». Er schaltet seinen Computer ab und geht<br />
hinaus zu seinen Freunden, die schon auf ihn warten.<br />
Um zu jagen, wie es Inuit seit Jahrhunderten tun.
Inuit Norden 13<br />
Bild oben links Das Uqqurmiut Centre for Arts and Crafts in Pangnirtung ist bekannt für seine Wandteppiche und Druckgrafiken. Das Foto<br />
zeigt Leetia Alivaktuk bei der Herstellung eines Drucks mit der Schablonentechnik. Bild oben rechts Simeonie Amagoalik in Resolute<br />
ist ein respektierter «Elder » und angesehener Künstler. Aus Speckstein fertigt er hier einen Eisbären. Bild unten links Nunavut ist ein junges<br />
Territorium. Das Foto zeigt junge Mütter in Iqaluit. Bild unten rechts Mit dem Mountainbike durch den Schnee: Kinder in Pangnirtung.<br />
<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 3/<strong>09</strong>
Bilderleuchten<br />
jenseits des<br />
Polarkreises<br />
Gerry Hofstetter führte im April 200 seine siebte Light Art Expedition durch.<br />
Es ging in den Hohen Norden, nach Ilulissat in Grönland. Dort beleuchtete<br />
der international bekannte Künstler die Eisberge des Kangia-Eisfjords, der zum<br />
Unesco-Weltnaturerbe zählt. Das bulletin war exklusiv dabei.
16 Norden Lichtkunst<br />
Grönland Im Jahr 2021, genau 300 Jahre nach der dänischen<br />
Kolonisation, möchte Grönland seine vollständige Unabhängigkeit<br />
erlangen. Am 21. Juni 200 – dem Nationalfeiertag – wurde<br />
mit dem neuen Autonomiestatut ein weiterer Schritt in diese<br />
Richtung unternommen, nachdem Kalaallit Nunaat, wie die Inuit<br />
Grönland nennen, 1 53 gleichberechtigte dänische Provinz geworden<br />
war, 1 eine Teilautonomie erlangt hatte und 1 85 aus<br />
der Europäischen Union ausgetreten war, um seine Gewässer<br />
vor Überfischung zu schützen. Nun sind die Grönländer nur noch<br />
in der Aussen-, Sicherheits- und Währungspolitik von Dänemark<br />
abhängig – und von 430 Millionen Euro Subventionen. Doch die<br />
Grönländer hoffen auf Bodenschätze, vermehrte Einnahmen<br />
aus dem Tourismus und ausländische Investitionen. Die neue<br />
Ära nehmen sie mit einer neuen Regierung in Angriff: Die linksorientierte<br />
Inuit Ataqatigiit («Menschengemeinschaft») kam<br />
bei den vorgezogenen Wahlen unter der Führung von Kuupik<br />
Kleist zu einem Schneerutschsieg. Die zuvor während dreissig<br />
Jahren fast uneingeschränkt herrschenden sozialdemokratischen<br />
Siumut scheiterten an ungelösten Problemen wie<br />
Arbeitslosigkeit, Alkoholmissbrauch, zerrütteten Familien,<br />
sexueller Gewalt, hoher Suizidrate und Günstlingswirtschaft.<br />
Und damit am Umstand, dass Grönland in 60 Jahren eine<br />
Entwicklung durchmachte, die andernorts 150 Jahre dauerte.<br />
Doch die Lebenserwartung hat sich auf 60 Jahre verdoppelt.<br />
Niemand möchte das moderne Leben missen und<br />
das Rad der Geschichte zurückdrehen. Die Insel ist 2650<br />
Kilometer lang und bis zu 1000 Kilometer breit. Mit einer<br />
Fläche von 2,2 Millionen Quadratkilometern ist sie mehr<br />
als 50 Mal so gross wie die Schweiz, und dies bei weni-<br />
ger als 60 000 Einwohnern.<br />
bulletin 3/<strong>09</strong> <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
Text: Andreas Schiendorfer<br />
«Vielleicht», sagt Thorwald, als wir über die Möglichkeit diskutieren,<br />
nachts mit seinem Schiff, der «ESLE», zu den Eisbergen am Ende<br />
des KangiaEisfjords hinauszufahren, um endlich die ersten Lichtkunstprojektionen<br />
zu machen. Doch «vielleicht » bedeutet hierzulande<br />
«unwahrscheinlich», «unmöglich». In den letzten zehn Jahren<br />
hat es das noch nie gegeben: Das Packeis aus der Polarregion lässt<br />
den Hafen von Ilulissat und das Küstengebiet praktisch unschiffbar<br />
werden. Tagsüber mag es noch gelingen, mit viel Erfahrung und<br />
Geduld die Eisplatten aufeinanderzuschieben, doch<br />
nachts, wenn es darauf ankommt, ist das Eis, bei Temperaturen<br />
von minus 20 Grad, zu dick. Man würde<br />
stecken bleiben. «Schrecklich», ergänzt der Skipper<br />
und schüttelt sein ergrautes Haupt. Er meint den<br />
Wind. Seit Wochen bläst er aus der falschen Richtung.<br />
In Grönland bestimmt die Natur den Kalender.<br />
Sie hat das Recht, den minutiös vorbereiteten Programmplan<br />
über den Haufen zu werfen. Der Schweizer<br />
Lichtkünstler, der auf die Folgen der Klimaerwärmung<br />
aufmerksam machen möchte, akzeptiert es<br />
klaglos. Das eine oder andere Mal im Laufe der zwölftägigen<br />
Mission wird es sicher vom Schiff aus klappen.<br />
Und sonst bleiben ja immer noch die Helikopter. Das<br />
Team wiederum ist überzeugt, dass Gerry Hofstetter<br />
in die Trickkiste greift und noch am gleichen Abend<br />
eine Alternativaktion starten wird.<br />
Vielleicht. «Immaqa, sagen wir Einheimischen», erklärt<br />
JensOle, unser Schiffsmaat und Sprachlehrer. Ataaseq,<br />
eins, Marluk, zwei, wir lernen zählen. In Grönland geht es<br />
bis fünf, dann ist die eine Hand voll, danach kommt die<br />
andere Hand und schliesslich folgen die zehn Zehen. Der<br />
«ganze Körper » gewissermassen. Und genau das bedeutet<br />
«Inuk Naallugu», das grönländische Wort für zwanzig, wörtlich.<br />
Ein schönes Bild. Doch es auszukosten, bleibt keine<br />
Zeit. Gerry Hofstetter legt sein Handy beiseite und springt<br />
auf: «Los gehts! In zwei Stunden beleuchten wir zuerst den<br />
Flughafen. Danach fahren wir mit unserem Landrover auf<br />
die Brücke und leuchten von oben auf das Packeis hinunter.<br />
Das sollte funktionieren.» Es kann nicht schaden, das Logo<br />
der Air Greenland und die Nationalfarben Rot (Sonne) und<br />
Weiss (Schnee) auf das Flughafengebäude zu werfen. ><br />
Bild links Mitte April ist der Hafen von Ilulissat immer noch voller Packeis, heruntergetrieben aus der<br />
Polarregion. Bild Mitte Gerry Hofstetter berät sich mit Skipper Thorwald Jensen. Ist eine Aktion mit dem<br />
Schiff möglich? Vielleicht. Bild rechts Die Eisberge am Horizont rücken in unerreichbare Ferne. Immerhin<br />
gibt es im Niemandsland dazwischen kleinere Eiswelten, die man erreichen und beleuchten kann.<br />
Fotos Seiten 14–21: Frank Schwarzbach, Michael Kessler
Lichtkunst Norden 1<br />
Mit seiner Lichtkunst macht Gerry Hofstetter auf eindrückliche Weise auf die Probleme der Klimaerwärmung und der Umweltzerstörung<br />
aufmerksam: Es gilt, unserer Erde Sorge zu tragen. Hier eine Projektion auf den Hafen von Ilulissat mit im Packeis gefangenen Fischerbooten.<br />
Entstanden ist diese Aufnahme von einer Brücke aus, weil man nicht, wie geplant, mit dem Schiff aufs Meer hinausfahren konnte.<br />
<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 3/<strong>09</strong>
18 Norden Lichtkunst<br />
Schliesslich wird die Expedition das Goodwill der Flughafenverant dem Grönländer Knaben, dessen Traum es ist, einmal richtige<br />
wortlichen noch einige Male in Anspruch nehmen: Für Nachtflüge Königspinguine zu sehen, die es nur in der kälteren Antarktis gibt.<br />
mit dem Helikopter zum KangiaEisfjord hinaus braucht es jeweils Ich lese nach. Richtig, sie tauchen bis zu 500 Meter tief und ihre<br />
eine Sonderbewilligung. Hofstetter weiss, worauf es ankommt. Jagdgründe liegen nun bis zu 800 Kilometer vor der Küste, doppelt<br />
Schliesslich war er in seinem früheren Leben Banker, Helikopterpilot so weit entfernt wie früher. Eine Folge der Klimaerwärmung.<br />
und Gebirgsgrenadier auf Spezialmissionen. Beinahe endlos weiss Klimaerwärmung. Das Wort ist allgegenwärtig, fast bis zur<br />
er haarsträubende Geschichten zu erzählen. Die Hirschkuh, die im Schmerzgrenze. In unserem Hotel ganz besonders, denn von hier<br />
Puschlav drei amerikanische Elitesoldaten in den Abgrund reisst, aus richtete die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel im Au<br />
der Hunterangriff mit scheinbar scharfer Munition beim Besuch gust 2007 einen bestens inszenierten Klimaschutzappell an die<br />
eines deutschen Generals. Doch alles zu seiner Zeit. Jetzt erfordert Staatengemeinschaft. Im Rahmen des Internationalen Polarjahres,<br />
die Mission, die Lichtkunst, die ganze Konzentration. Zu Recht. Die das von März 2007 bis März 20<strong>09</strong> dauerte, wurde die For<br />
Hafenbilder übertreffen alle Erwartungen. Die Weltkugel in Kinschungstätigkeit wesentlich erhöht. Und doch weiss man immer<br />
derhand spricht leise und deshalb eindringlich auf den Betrachter noch herzlich wenig, sind unterschiedliche Daten über die Erwär<br />
ein. So kann es nicht weitergehen. Wann endlich legen wir unsemung von Wasser und Luft vorhanden, über die Dicke des Eises,<br />
re egoistische Gleichgültigkeit ab? Wenn alles Grönlandeis weg über den Gletscherschwund. Und nicht einmal die Natur spielt<br />
schmilzt, steigt der Meeresspiegel um sechs bis sieben Meter ! richtig mit, obwohl dies ja zu ihrem eigenen Vorteil wäre. 2008<br />
Thorwald wiederum sieht plötzlich sein überdimensionales Konter konnte man erstmals seit langem wieder zu Fuss über das Eis auf<br />
fei auf dem Hafen liegen. Und nun rennen dort sogar Rentiere um die nahe Diskoinsel gelangen, und auch das späte Packeis im Ha<br />
die Wette. Zeit für einen weiteren Standortwechsel. Die Rentiere fen von Ilulissat untermauert die Dramatik nicht wunschgemäss.<br />
traben im laufenden Projektor weiter, nun gleichsam den Haus Dennoch ist eine Fehlentwicklung da, mit nicht abschätzbaren<br />
wänden entlang, gucken frech in eine gute Stube. Im Rückspiegel Folgen. Dies bestätigt mir der Schweizer Klimaforscher Konrad<br />
erkennen wir erstaunte Gesichter am Fenster.<br />
Steffen, der seit bald 20 Jahren im Swiss Camp, nahe von Ilulissat,<br />
Ein Lichtkünstler ist ein Nachtschwärmer, zwangsläufig. Es forscht. Dies bestätigt aber auch Robert W. Corell, ein Al Gore<br />
geht ihm um die Dämmerung kurz vor Sonnenuntergang und dann nahestehender Umweltschutzexperte des renommierten Heinz<br />
wieder kurz vor Sonnenaufgang, die Blue Hour. In Grönland fühlt Center in Washington. Hier im Hotel Arctis erteilt er mehrmals im<br />
er sich Mitte April und Mitte September besonders wohl. Die Jahr meinungsbildenden Familien Privatunterricht in Sachen Um<br />
sommerliche Mitternachtssonne jedenfalls ist nur etwas für Touweltschutz. Die Fotosession in der Hotellobby lockt auch ihn an,<br />
risten. Das Gute an diesem Rhythmus: Bei der Rückkehr steht Maiskolben auf Eisbergen, das gefällt ihm. «Bist du nicht der Kerl,<br />
das Morgenessen für die Frühaufsteher unter den Hotelgästen der bei uns in Washington beim 100JahrJubiläum die National<br />
bereit – und findet dankbare Abnehmer. Zuerst jedoch kontrol Cathedral drei Nächte lang beleuchtete?», will er wissen. «Könntest<br />
lieren jeweils die Fotografen und die Filmer mit Gerry Hofstetter du für mich einmal einige Formeln auf den Eisberg projizieren?» Die<br />
die nächtliche Ausbeute, bis zuletzt kommen gut und gerne Frage stellen und Visitenkartentauschen sind eins.<br />
6000 Aufnahmen zusammen. Eigentlich wäre nun Schlaf ange Grönland zählt weniger als 60 000 Einwohner und wird jährlich von rund<br />
sagt. Doch ich blicke in die Weite hinaus, die Stille, lasse das 35 000 Leuten besucht. Man könnte sich in der Weite des Landes<br />
ewige WeissinWeiss auf mich einwirken, spüre die Faszination verlieren, nur fehlen dazu die Strassen. Die Flughäfen werden so zu<br />
der Arktis, beinahe körperlich, egal ob die Augen offen oder interessanten Meeting Points. Sven Vaa beispielsweise erzählt uns in<br />
geschlossen sind. Lese in Peter Høegs Bestseller «Fräulein Kangerlussuaq, dass er auf der Diskoinsel hochwertiges Premium<br />
Smillas Gespür für Schnee». Ein paar Seiten nur. Diese Ge Flaschenwasser abfüllen möchte, für die Greenland Springwater AG.<br />
schichte der Tochter einer Inuk ist Bettlektüre für zu Hause. In Er ist begeistert vom gesunden, stark basischen Wasser, ist begeistert<br />
Grönland kann man sich selbst nicht entkommen. Die Gedanken von den Schweizern, die die Arbeitslosigkeit im kleinen Nest Qe<br />
sind nicht frei. Immerhin kann man sich ablenken, am besten quertarsuaq mit einem Schlag beenden. Ob die weiten Transportwege<br />
mit dem Internet, das hier überall anzutreffen ist. Ich rufe mir gerechtfertigt sind, wird sich weisen. Vaa ist aber vom Erfolg, zumin<br />
Hofstetters Gutenachtgeschichte in Erinnerung, von Nono, dest in Skandinavien und Asien, restlos überzeugt. Auch in vielen ><br />
bulletin 3/<strong>09</strong> <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
Bild links Vorbereitungen für die geplante Schiffsexpedition. Bild Mitte Das Packeis weist schon am Tag<br />
eine beeindruckende Dicke auf, und nachts sind die Verhältnisse wesentlich schwieriger. Bild rechts<br />
Ein einziges Mal sticht die Expedition in See: Hofstetter gibt seinem Fotografen genaue Instruktionen.
Lichtkunst Norden 1<br />
Auf den Gletschern von Ilulissat projizierte Gerry Hofstetter nachdenklich stimmende Sujets. Oben die im Zoo Nürnberg lebende<br />
Eisbärin Flocke auf Besuch in der Heimat. Wie lange gibt es noch Eisbären in Grönland? Unten: Ein eindrücklicher Wasserfall – sieht so<br />
die Zukunft des Landes aus? Mit welchen Folgen? Schmilzt alles Grönlandeis, steigt der Meeresspiegel um über sechs Meter.<br />
<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 3/<strong>09</strong>
20 Norden Lichtkunst<br />
Unesco-Welterbe Kangia-Eisfjord Die 1 5 geschaffene<br />
Unesco-Liste des Welterbes umfasst derzeit 8 0<br />
Denkmäler in 148 Ländern. Nördlich des Polarkreises<br />
sind es deren fünf: der Kangia-Eisfjord von Ilulissat, die<br />
russische Wrangelinsel, die Felszeichnungen im norwegischen<br />
Alta, die noch von Samen bewohnte Laponia-<br />
Wildnis sowie der so genannte Struwe-Bogen, das nach<br />
einem baltischen Astronomen benannte, rund 3000<br />
Kilometer lange Netz geodätischer Vermessungspunkte<br />
von Hammerfest nach Chisinau, der durch Norwegen,<br />
Schweden, Finnland, Russland, Estland, Lettland,<br />
Litauen, Weissrussland und Moldawien führt. Der<br />
wichtigste Gletscher Grönlands, der Sermeq Kujalleq,<br />
sowie der dazu gehörige Kangia-Eisfjord wurden 2004<br />
zum Unesco-Welterbe erklärt. Der «südliche Gletscher»<br />
ist einer der schnellsten und produktivsten Gletscher<br />
der Welt. Er fliesst im Sommer bis zu 40 Meter täglich<br />
und produziert («kalbt») rund einen Zehntel der grönländischen<br />
Eisberge, rund 35 Kubikkilometer Eis pro<br />
Jahr. Die Eisberge können bis in die Höhe des 40. Breitengrades<br />
gelangen, ehe sie abgeschmolzen sind. Einer<br />
von ihnen war 1 12 für den Untergang der Titanic verantwortlich.<br />
Der Sermeq Kujalleq weicht seit 1850<br />
kontinuierlich zurück, in den letzten Jahren wesentlich<br />
beschleunigt. Dementsprechend ist die Länge des<br />
Eisfjords – in der Literatur teilweise noch mit 40 Kilometern<br />
angegeben – auf 58 Kilometer angewachsen.<br />
Verantwortlich dafür ist vor allem das etwas wärmer<br />
gewordene Wasser, welches die über ihr ins Meer<br />
hinausragende Gletscherzunge zum schnelleren<br />
Schmelzen gebracht hat. Nun hat sich jedoch der<br />
Gletscher auf das Festland zurückgezogen. Deshalb<br />
sind fortan ein verlangsamter Rückzug sowie<br />
kleinere Eisberge zu erwarten. Doch das Problem<br />
bleibt ungelöst.<br />
bulletin 3/<strong>09</strong> <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
anderen Gesprächen merkt man, dass sich Grönland an<br />
einem Wendepunkt, an der Schwelle zu einem neuen Zeitalter<br />
befindet, keineswegs nur in politischer Hinsicht. Die<br />
Klimaerwärmung wird die Nordwestpassage und die Suche<br />
nach Bodenschätzen erleichtern und vermehrt Touristen und<br />
ausländische Investoren anlocken. Sie hat also, keine Frage,<br />
für die einheimische Bevölkerung auch ihr Gutes, denn nur<br />
wenige westliche Idealisten glauben, dass sich die Inuit in<br />
der Rolle der letzten edlen Wilden gefallen.<br />
Im erweiterten Kreise folgt eine Diskussion unweigerlich: Ist Lichtkunst<br />
Kunst? Sie ist jedenfalls, betont Gerry Hofstetter, einmalig.<br />
Die Schatten, die von den Konturen der Eisberge herrühren, die<br />
Einwirkungen der Natur, das Licht, der Schneefall. Möglicherweise<br />
könne man die Nürnberger Eisbärin Flocke auch am Schreibtisch<br />
mit dem Computer auf einen Eisberg platzieren. Aber das<br />
wäre nicht authentisch, wäre steril und letztlich leblos. Wegen der<br />
Komplexität der Organisation, aber auch aus technischen Gründen<br />
kann wohl niemand eine vergleichbare Expedition durchführen.<br />
Deshalb hält Hofstetter bei seinen Grossprojekten das ganze Makingof<br />
dokumentarisch fest und achtet kompromisslos auf das<br />
Copyright. 2003 und 2004 fährt er in die Antarktis, 2005 projiziert<br />
er ein 1000 auf 400 Meter grosses Bild aufs Matterhorn, 2006<br />
zieht es ihn, im UnoJahr der Wüste, zu den Pyramiden nach Ägypten.<br />
Und nun ist er schon zum dritten Mal in der Arktis.<br />
Naja Habermann, Managerin des örtlichen UnescoWelterbes,<br />
ist begeistert von der Lichtkunst. Und doch sind die Regeln einzuhalten:<br />
keine nächtlichen Überflüge über den KangiaEisfjord. Nur<br />
die Eisberge am Rande – wir nennen sie «Matterhorn» und «Schweizer<br />
Käse» – werden angepeilt. Doch gerade diese sind besonders<br />
gross und eindrücklich. An der offenen Helikoptertüre stehen Hofstetter<br />
und seine Assistentin und schieben Dia um Dia in den Projektor.<br />
Daneben liegen Fotograf und Kameramann mehr über denn<br />
nebeneinander, angeschnallt und beinahe festgefroren. Mit klammen<br />
Fingern arbeiten sie wie im Delirium: Die Blue Hour dauert<br />
nicht mehr lange ... Derweil hinten der Journalist in der Hitze gegen<br />
den Schlaf kämpft. Was Kamel auf Inuktitut heisse, möchte er wissen.<br />
«Für Kamel haben wir kein Wort. Das brauchen wir nicht, weil<br />
es hier keine Kamele gibt.» Naja schaut nach draussen und lächelt.<br />
«Müssen wir dies nun ändern? Immaqa. Vielleicht.» <<br />
� Mehr Infos und Fotos über Grönland, die Klimaerwärmung<br />
und die Lichtkunst unter www.credit-suisse.com/bulletin,<br />
www.gerryhofstetter.ch, www.eisberge.ch<br />
Bild links Den Helikopterflügen kommt wegen des Packeises grosse Bedeutung zu. Bild Mitte Gearbeitet<br />
wird mit offenen Türen, beim Erkundungsflug am Tag und bei der Lichtkunstexpedition in der<br />
Nacht. Bild rechts Vom Land aus beobachtet ein Teil des Teams die beiden Helikopter bei ihrer Arbeit.
Lichtkunst Norden 21<br />
Eine Fata Morgana in der Eiswüste. Gerry Hofstetters Kunst mit Licht bringt scheinbar Unmögliches zusammen. Die klimatisch bedingten<br />
Regeln verlieren ihre Gültigkeit. Die Welt steht Kopf. Auf der geplanten Expedition auf den Kilimandscharo wird er wohl von grönländischen<br />
Huskys «begleitet». Eine Spielerei? Vielleicht. Vielleicht aber nennen wir es so, weil es unbequem ist, seine Gedanken zu Ende zu denken.<br />
<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 3/<strong>09</strong>
Island ist fest<br />
in Elfenhand<br />
Sie leben in Klippen und Felsen und sind den Menschen grundsätzlich wohlgesinnt.<br />
Doch wehe, sie werden in ihrer Ruhe gestört. Elfen prägen das Leben der eigen willigen<br />
Isländer hoch im Norden Europas.
Illustrationen: Beate Frommelt<br />
Text: Ute Eberle<br />
«Man muss still sein und darf nichts erwarten», sagt Hermundur<br />
Rosenkranz. «Dann sieht man das verborgene Volk.» Rund sechs<br />
Mal sei er dem Huldufólk – von vielen auch Elfen genannt – bisher begegnet,<br />
berichtet der 49Jährige aus Reykjavík. Beim ersten Mal war er<br />
vier Jahre alt. «Es waren Kinder, die aus den Klippen kamen. Ich war so<br />
klein, dass ich mir nichts dabei dachte.»<br />
«Man muss sich am 24. Juni auf eine Kreuzung setzen», sagt Sigurbjörg<br />
Karlsdóttir, Touristenführerin in Hafnarfjördur. «Laut den Überlieferungen<br />
kann man dann Elfen vorbeiziehen sehen. Aber man darf sie<br />
nicht ansprechen, sonst wird man verrückt.»<br />
«Man muss höflich sein mit den Unsichtbaren», sagt Petur Matthiasson,<br />
Sprecher der Isländischen Strassenverwaltung. «Sie werden nicht<br />
gern überrascht. Aber sie ziehen um, wenn man sie bittet.» Manchmal<br />
verlege das Amt auch Strassen, um das Huldufólk zu schonen. Doch<br />
das sei schon Jahre nicht mehr vorgekommen, versichert Matthiasson.<br />
Man glaube ja auch nicht wirklich an Elfen. «Wir streiten nur nicht gern<br />
ab, dass es sie geben könnte.»<br />
Abgelegen, aber nicht zurückgeblieben<br />
Rund 800 Kilometer Meer trennen Island vom Nordwesten Schottlands.<br />
Es ist das abgelegenste Land Europas. Gut 300 000 Menschen<br />
leben hier nahe dem Polarkreis auf einer Insel, die zweieinhalb Mal<br />
so gross ist wie die Schweiz. Die Isländer sind in vieler Hinsicht<br />
geradezu aggressiv modern. Handys, Internet und Geländewagen<br />
prägen das Alltagsbild. In manchen Fitnessclubs scannt eine Maschine<br />
die Augeniris der Ankommenden. Die Bürgersteige Reykjavíks sind,<br />
dank Wasserenergie, beheizt. Biogenetiker werten das Erbgut der<br />
Bevölkerung aus. Und so wenig Analphabeten gibt es hier, so hoch<br />
sind die Lebenserwartung, die Schulungsrate und die Kaufkraft, dass<br />
sich das Land 2008 an die Spitze des «Human Development Index»<br />
der Vereinten Nationen setzte. Jüngst wählte die Bevölkerung die<br />
erste öffentlich homosexuelle Premierministerin<br />
der Welt, nachdem die alte Regierung<br />
über die Wirtschaftskrise gestolpert war.<br />
Und doch ist die Vergangenheit stets nur<br />
eine kurze Autofahrt entfernt. Zwei Drittel<br />
der Bevölkerung ballen sich im Grossraum<br />
Reykjavík, der Rest lebt in einem dünnen<br />
Streifen entlang der Küste und in geschützten<br />
Tälern. Weite Teile des Landesinneren sehen<br />
dagegen heute noch so aus wie vor Hunderten<br />
von Jahren. Es waren die Wikinger<br />
Skandinaviens, die das Land mit ihren Ruderbooten<br />
ab dem neunten Jahrhundert besiedelten.<br />
Island ist eine Vulkaninsel. Sie sitzt<br />
auf der Naht zwischen den tektonischen<br />
Platten Nordamerikas und Eurasiens. Gletscher<br />
und Lavafelder bedecken weite Teile<br />
ihres Bodens. Nur 0,07 Prozent sind für die<br />
Landwirtschaft geeignet.<br />
Unwirklich wilde Landschaften<br />
Ungebremst von Bäumen – abgesehen von<br />
ein paar wenigen Zwergbirken – fegt der<br />
Wind über Ebenen, die so karg sind, dass<br />
die NASA einst ihre Astronauten herschickte,<br />
Island soll von einem dichten Netz von<br />
Kraftlinien, auch Ley-Linien genannt,<br />
überzogen sein, entlang deren sich Elfen<br />
besonders gerne niederlassen.<br />
Elfen<br />
Norden 23<br />
um sie auf den Mond einzustimmen. Giftgrüne Flechten erklimmen<br />
Hänge, die kein Mensch je bestiegen hat. Kochend heisse<br />
Geysire schiessen aus dem Boden, Gletscherseen klirren,<br />
Schwefelfelder brodeln, Wasserfälle brausen aus der Höhe.<br />
Dampf wabert aus vulkanisch aufgeheizten Hügeln. Nebel<br />
steigt scheinbar aus dem Nichts auf. Und im Sommer flimmert<br />
die Luft, bis das Auge glaubt, Erscheinungen zu sehen.<br />
Sehen den Menschen ähnlich und trinken Kaffee<br />
Kein Wunder, dass die frühen Siedler allerlei Naturgeister hier<br />
vermuteten. Gigantische Trolle – glaubten sie etwa – spuckten<br />
die glühende Lava aus. Gnome und Feen huschten aus ihrer<br />
Sicht zwischen den Büschen und Felsen umher. Die Tradition<br />
dazu hatten sie aus dem skandinavischen und keltischen Raum<br />
mitgebracht, doch während man dort die mystischen Erzählungen<br />
von einst kaum noch beachtet, seien sie in Island «quietschlebendig»,<br />
schrieb vor einigen Jahren Valdimar Hafstein, Forscher<br />
für Anthropologie und Folklore an der Universität von Island.<br />
Und just eine bestimmte Sorte Elfen – das Huldufólk – scheint<br />
noch recht eifrig im Alltag mitzumischen.<br />
«Gemäss den Legenden sehen sie den Menschen ähnlich und<br />
haben eine vergleichbare Wirtschaft», so Hafstein. «Sie haben<br />
Vieh, ernten Heu, rudern Boote, häuten Wale und pflücken<br />
Beeren. Sie haben Priester und Sheriffs und gehen sonntags in<br />
die Kirche.» Leben soll dieses Parallelvolk in Klippen und Felsen,<br />
doch wird ihren Behausungen nachgesagt, überraschend gemütlich<br />
zu sein. Hinter Fenstern und Türen, die Normalsterbliche<br />
meist nicht sehen können, verbergen sich demnach lauschige<br />
Küchen, in denen die Elfen Kaffee trinken und Pfannkuchen<br />
backen. In der ÁsbyrgiSchlucht im Landesnorden sollen sie sogar<br />
ein Konzerthaus gebaut haben. Und hinter einem Wasserfall<br />
in Hellisgerdi vermuten einige ein ElfenCafé. In manchen Umfragen<br />
gab jeder zweite Isländer zu, an Elfen zu glauben. In anderen<br />
war die Zahl der zweifelsfrei Überzeugten<br />
niedriger, doch der grundlegende Trend derselbe:<br />
Die übergrosse Mehrheit des Inselvolks<br />
– bis zu 80 Prozent – ist sich zumindest<br />
nicht sicher, dass es Elfen nicht gibt. «Fragt<br />
man einen Isländer, was er tun würde, wenn<br />
er einen Whirlpool im Garten bauen wollte,<br />
aber dafür einen Felsen wegsprengen müsste,<br />
in dem angeblich Elfen leben, entscheiden<br />
sich die meisten sicherheitshalber dagegen»,<br />
sagt Terry Gunnell, Folkloreprofessor an der<br />
Universität von Island.<br />
Wohlwollend, aber rachsüchtig<br />
Denn die Elfen gelten zwar als insgesamt<br />
wohlwollend, doch rachsüchtig gegenüber<br />
denen, die ihnen Unrecht tun. Wie jener Farmer,<br />
der achtlos einen Fels in seinen Keller<br />
einbaute, obwohl ihn Nachbarn gewarnt hatten,<br />
dass darin Elfen wohnten. Kurz darauf,<br />
so heisst es, erkrankte seine Tochter aus<br />
unerklärlichen Gründen und starb.<br />
Oder jene Bauarbeiter, die einen Elfenstein<br />
aus dem Weg einer neuen Strasse<br />
räumten und ihn dabei zerbrachen. Am ><br />
<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 3/<strong>09</strong>
In kaum einem Land ist der Glaube an den technischen Fortschritt derart präsent wie in Island. Und doch wollen sich die Isländer<br />
im Zweifelsfall lieber nicht mit den Bewohnern von Elfen-Felsen anlegen.
Illustrationen: Beate Frommelt<br />
nächsten Morgen waren in einer nahe gelegenen<br />
Fischfarm 70 000 Jungforellen tot. Ein<br />
Bulldozer der Arbeiter hatte versehentlich<br />
eine Wasserleitung zerstört. Elfensabotage,<br />
befanden viele.<br />
Praktisch jeden Sommer, so Hafstein,<br />
geisterten derartige Geschichten durch die<br />
isländischen Medien. Werden Arbeiter krank<br />
oder brechen sich die Glieder, fallen Maschinen<br />
aus oder häufen sich ganz allgemein die<br />
Missgeschicke, sieht man darin schnell das<br />
Werk der Unsichtbaren. Meist sei der Strassenbau<br />
betroffen, erklärt der Forscher. «Andere<br />
Hauptkandidaten sind Bauarbeiten für<br />
Häuser, das Verlegen von Kabeln oder der<br />
Ausbau von Fabriken.» Um die Probleme<br />
kleinzuhalten, horchen Mitarbeiter der Strassenverwaltung<br />
bereits routinemässig bei der<br />
Planung neuer Asphaltbahnen, ob «etwa eine<br />
Elfenkirche» im Weg stehe, sagt der Sprecher<br />
Matthiasson. Zeitweise beschäftigte das Amt<br />
sogar eigens einen Elfenbeauftragten, der<br />
dann mit den Unsichtbaren verhandelte.<br />
Manchmal werden Arbeiten verzögert, um<br />
ihnen Zeit zu geben wegzuziehen. Manchmal<br />
wird ein Fels versetzt, manchmal eine Strasse<br />
um ihn herum gebaut. Und manchmal ignorieren die Arbeiter die<br />
vermeintlichen Wünsche des Huldufólks auch schlicht – auf eigenes<br />
Risiko gewissermassen.<br />
Jeder zwanzigste Isländer will bereits selbst Elfen gesehen haben.<br />
Die bekannteste Augenzeugin – eine Klavierlehrerin namens Erla<br />
Stefánsdóttir – berichtet, dass besonders viele dieser Wesen in Hafnarfjördur<br />
leben, einer Hafenstadt rund 15 Minuten von Reykjavík<br />
entfernt. Findige Kleinunternehmer bieten dort bereits regelmässig<br />
«Elfentouren» für Touristen an.<br />
Interviews mit 800 Menschen, denen Elfen begegnet sind<br />
In Island bleiben Felsen, in denen<br />
Elfen vermutet werden, beim Bau von<br />
Strassen unangetastet.<br />
Den grössten Experten für die unsichtbare Welt Islands aber findet<br />
man in der Hauptstadt selber. Und er hat noch nie einen Elf gesehen.<br />
Allerdings hat Magnús Skarphédinsson fast 800 Menschen interviewt,<br />
denen dies offenbar gelungen ist, und auch nach zwei Jahrzehnten<br />
Recherche funkeln seine Augen hinter der Brille begeistert, wenn er<br />
über das Huldufólk spricht. Meist handele es sich um kurze Begegnungen,<br />
berichtet er. «Die Elfen rennen weg und verschwinden in einer<br />
Klippe oder im Fels.»<br />
Gelegentlich aber hört Skarphédinsson auch von langen Freundschaften<br />
zwischen den Völkern. So erzählte ihm ein Mann aus dem<br />
Osten der Insel, dass er über Jahre auf der einsam gelegenen Farm<br />
seiner Eltern mit zwei Elfenkindern gespielt habe. «Solche Beziehungen<br />
beginnen oft in der Kindheit, weil sich junge Elfen nicht immer an die<br />
Regel halten, dass sie sich den Menschen nicht zeigen sollen», sagt der<br />
Isländer, der keinen Zweifel hegt, dass solche Geschichten wahr sind.<br />
Die Freundschaft habe in diesem Fall geendet, weil das Huldufólk weggezogen<br />
sei, sagt Skarphédinsson. «Der Elfenvater war Arzt und nahm<br />
eine Stelle in Norwegen an.»<br />
Besucher führt er gerne zur Álfhólsvegur Nr. 102, einem felsigen, leeren<br />
Grundstück in einer Wohnstrasse im Reykjavíker Vorort Kópavogur. Beim<br />
Bau des Teerwegs hatten sich die Unfälle und mechanischen Versagen<br />
Elfen Norden 25<br />
derart gehäuft, als die Crew versuchte, Teile<br />
des Gesteins abzutragen, dass man die<br />
Strasse schliesslich kurzerhand verengte,um<br />
den Hügel ungestört zu lassen. Auch die<br />
Arbeiter, die in den 1970erJahren hier<br />
Wasserrohre verlegen sollten, kämpften mit<br />
technischen Schwierigkeiten, die so manchem<br />
verdächtig vorkamen. So sehr, dass<br />
etwa die Isländer, die das Grundstück später<br />
zum Bau zugeteilt bekamen, beschlossen, ihr<br />
Haus lieber anderswo in der Stadt zu errichten.<br />
Die Gemeinde zeigte dafür Verständnis<br />
und bezahlte ihnen eine Entschädigung.<br />
Unterricht in der «Elfenschule»<br />
«Das Huldufólk ist Realität», sagt Skarphédinsson.<br />
Seit 18 Jahren predigt er diese Überzeugung<br />
in einer eigenen «Elfenschule»,<br />
einem Klassenzimmer mit Pult und Schreibtafeln<br />
am Stadtrand von Reykjavík. An Freitagen<br />
im Sommer lauschen hier gewöhnlich<br />
Touristen seinem mehrstündigen Kurs, der<br />
auch Zwerge und andere mystische Wesen<br />
behandelt, doch im Winter sitzen auf den<br />
Stühlen isländische Kinder. Natürlich hörten<br />
diese bereits zu Hause die Mythen und<br />
Legenden, sagt Skarphédinsson. «Aber ich erzähle ihnen, was<br />
wirklich dahintersteckt.» Dass etwa Elfenmänner manchmal Sex<br />
mit Menschenfrauen suchten, wie in gewissen Zirkeln geraunt wird,<br />
«scheint nicht wahr zu sein», sagt er bestimmt.<br />
Folkloreforscher wundert es wenig, dass die Isländer dem Elfenglauben<br />
bis heute aufgeschlossen gegenüberstehen. Schliesslich<br />
lebten sie in einem Land voll unsichtbarer Kräfte. «Man dreht den<br />
Hahn auf und das Wasser kommt kochend heiss heraus. Der Wind<br />
ist so stark, dass er einen umwerfen kann, und Erdbeben können<br />
das Haus einstürzen lassen», sagt Folkloreprofessor Gunnell. «Ein<br />
Erdbeben kann man auch nicht sehen.»<br />
In der Tat zeigen Studien, dass Isländer generell für Supernatürliches<br />
offen sind. So glaubt eine grosse Mehrheit, dass Träume<br />
die Zukunft prophezeien können. Drei Viertel aller Bewohner<br />
schliessen nicht aus, dass man mit Toten kommunizieren kann.<br />
Und sieben von zehn halten Schutzengel für denkbar.<br />
«Elfenturbulenzen richten sich immer gegen Erschliessungskampagnen<br />
– Neubaugebiete, Infrastrukturmassnahmen, Fabrikbauten<br />
und andere Projekte zur Stadtausweitung», hat Hafstein<br />
festgestellt. Er vermutet dahinter eine Mischung aus Schuldgefühlen,<br />
Nostalgie und Angst vor Veränderung. Anders gesagt:<br />
Für viele Isländer verkörpern die Elfen möglicherweise die Sehnsucht<br />
nach der vermeintlichen Idylle vergangener Tage. <<br />
<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 3/<strong>09</strong>
Nordpol als<br />
Leidenschaft<br />
Nur wenige sind dem Mythos Nordpol so auf den Grund gegangen wie Frederik Paulsen.<br />
Der CEO des Pharma-Familienkonzerns Ferring reist mehrmals im Jahr in die Polarregionen.<br />
Vor zwei Jahren tauchte er in einer russischen Kapsel gar bis zum Meeresgrund<br />
des Nordpols ab.
Fotos: Editions Paulsen<br />
Interview: Daniel Huber<br />
bulletin: Es gibt wohl nur wenige Menschen, die den<br />
Nordpol so von Grund auf kennen wie Sie. Was fasziniert Sie<br />
an diesem Ort ?<br />
Frederik Paulsen: Das lässt sich nicht so einfach mit Worten erklären.<br />
Das muss man erleben. Es ist eine ganz spezielle Stimmung<br />
dort; eine Mischung aus Kälte, speziellem Licht, das in<br />
dieser Jahreszeit immer da ist, und den Reflexionen auf dem Eis.<br />
Das Erlebnis ist wirklich unbeschreiblich.<br />
Empfinden Sie den Nordpol auch als eine Art magischen Ort,<br />
an dem spezielle, magnetische Kraftfelder wirken?<br />
Nein, das würde ich so nicht sagen. Das ist mir zu vergeistigt.<br />
Wie erlebten Sie die Tauchexpedition zum Meeresgrund des<br />
Nordpols?<br />
In erster Linie war es ganz schnell völlig dunkel. Schliesslich befanden<br />
wir uns unter einer rund eineinhalb Meter dicken<br />
Eisschicht, die das Licht zusätzlich abschirmte. Wir sind über<br />
4000 Meter im Dunkeln abgetaucht, und erst als wir am Boden<br />
ankamen, haben wir die Scheinwerfer angemacht.<br />
Und jetzt steht da unten die russische Flagge aus Titan<br />
einsam vor sich hin im Dunkeln.<br />
Das ist so. Aber es gibt auf der Erde noch viele solcher Punkte,<br />
wo irgendwelche Flaggen rumstehen.<br />
Wie kamen Sie als Schwede dazu, diese doch sehr russische<br />
Expedition – jedenfalls wurde sie als solche gefeiert – an den<br />
Meeresgrund des Nordpols zu finanzieren?<br />
Jedes Jahr versuche ich bis zu vier Polarexpeditionen durchzuführen.<br />
Das lässt sich nur machen, wenn man gleichzeitig an<br />
mehreren Projekten arbeitet. Am Schluss lassen sich nie alle<br />
realisieren, sei es wegen des schwierigen Wetters, weil eine der<br />
notwendigen Zulassungen fehlt oder aus sonst einem Grund. Da<br />
gibt es immer enorme Unsicherheiten. Das Projekt einer Expedition<br />
zum Meeresgrund des Nordpols wurde bereits 2000 lanciert.<br />
Doch fehlte es den ursprünglichen Initiatoren am notwendigen<br />
Geld und an der politischen Unterstützung. Als ich dann mit diesen<br />
Leuten in Kontakt kam, habe ich das mittlerweile eingeschlafene Projekt<br />
reanimiert und die entsprechenden Kontakte aktiviert.<br />
Wie zwingend war die Durchführung unter russischer Flagge?<br />
Die Russen sind die Einzigen, die über das notwendige Material verfügen.<br />
Nur sie haben sowohl Atomeisbrecher, spezielle Helikopter als<br />
auch diese zwei Tiefseekapseln.<br />
Darüber hinaus soll die Expedition ja auch unter der Fahne des<br />
New Yorker Explorers Club gestanden haben. Wie kam das?<br />
Dieser Explorers Club ist eine ausgesprochen ehrwürdige und ernste<br />
Angelegenheit. Beim alljährlichen Dinner fühlt man sich 200 Jahre<br />
mitten in die Kolonialzeit zurückversetzt. Jeder erzählt von seinen noch<br />
wilderen Expeditionen. Dazu gibts eigenwillige Häppchen mit gegrillten<br />
Mehlwürmern, Heuschrecken oder Skorpionen. Da gibt es ein spezielles<br />
Komitee, das abklärt, welche Expeditionen würdig genug sind,<br />
um unter der Flagge des Clubs zu laufen. Unsere Expedition wurde als<br />
würdig erachtet und wir hatten tatsächlich ganz real ein ClubFähnchen<br />
dabei. Danach gabs eine feierlich überreichte, persönliche Kopie der<br />
Fahne, die nun an einem Ehrenplatz in meinem Büro hängt. Schliesslich<br />
ist das die höchste Auszeichnung überhaupt für ein Mitglied des<br />
Explorers Clubs.<br />
Wie wird man Mitglied im New Yorker Explorers Club?<br />
Das kann nur über Empfehlung eines bestehenden Mitglieds geschehen.<br />
Nordpol Norden 2<br />
Frederik Paulsen wuchs in Schweden auf und<br />
studierte Chemie an der Universität Kiel in<br />
<strong>Deutschland</strong>. Seit 1 6 ist er im Familienunternehmen<br />
Ferring tätig und übernahm dort 1 88<br />
als CEO die Leitung. Der internationale Pharmakonzern<br />
hat seinen Hauptsitz in St- Prex am<br />
Genfersee. Der 58-jährige Paulsen lebt in Paris<br />
und Lausanne. Er unterstützt eine Vielzahl von<br />
sozialen und kulturellen Projekten, unter anderem<br />
in Bhutan, Russland und <strong>Deutschland</strong>.<br />
Mich hat ein amerikanischer Freund vorgeschlagen, den ich bei<br />
meiner Expedition zu einem Mammut in Sibirien kennengelernt<br />
hatte.<br />
Wie sind Sie denn auf dieses Mammut gestossen?<br />
Das ist eine lange Geschichte. Ein anderer Freund, der Mammutforscher<br />
ist, hat mir davon erzählt. Worauf wir 2003 ein<br />
paar Mammutforscher eingeladen und eine Antonow gemietet<br />
haben und damit vier Wochen lang in Sibirien herumgeflogen<br />
sind, bis wir das Mammut tatsächlich gefunden haben.<br />
Es war extrem gut erhalten. Der Kopf war in einem Eisblock<br />
gefroren. Dadurch sah man sogar noch die Augen. Zwei<br />
Jahre später wurde es dann an der Weltausstellung in Japan<br />
2005 als kleine Sensation ausgestellt.<br />
Obwohl Sie die Expedition zum Nordpol massgeblich<br />
finanziert haben, kamen Sie zeitverschoben hinter der<br />
ersten Tauchkapsel unten an.<br />
Das haben wir speziell so geplant, weil wir den russischen<br />
Freunden den Vortritt geben wollten. Ihnen war das ja auch<br />
speziell wichtig, als Erste unten zu sein. ><br />
<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 3/<strong>09</strong>
28 Norden Nordpol<br />
Und wem gehört der Nordpol?<br />
Oh, schwierige Frage. Im Süden gibt es für die Antarktis ein<br />
klares Abkommen zwischen Wissenschaftlern und Regierungen,<br />
das erstaunlich gut funktioniert. In der Arktis ist es anders. Da<br />
gibt es viele kommerzielle Interessen und keine eigentliche Regelung.<br />
Gleichzeitig sollen da oben rund 20 Prozent aller Öl und<br />
Erdgasvorräte in der Tiefe schlummern. Noch vor 20 Jahren war<br />
das völlig uninteressant, weil man von den technischen Möglichkeiten<br />
her gar nicht so tief bohren konnte. Heute geht das. Nun<br />
soll ein spezieller Ausschuss der Uno entscheiden, wem das alles<br />
gehört. Und die Anrainer hatten bis zu einem gewissen Datum die<br />
Möglichkeit, ihre Ansprüche zu begründen.<br />
Bei Ihrer Expedition haben Sie unter anderem Bodenproben<br />
mitgenommen, welche die Zugehörigkeit zum russischen<br />
Festland und damit den Anspruch Russlands belegen sollen.<br />
Ist das geglückt ?<br />
Wenn Sie eine abgegrenzte Insel haben, die bewohnt ist, dann<br />
können Sie Ihre Grenzen relativ einfach definieren. Aber ohne<br />
eigentliches Festland gibt es sehr komplexe Anspruchsszenarien.<br />
Grundsätzlich kann aber tatsächlich eine Meeresbergkette, die<br />
irgendwie mit dem Festland verbunden ist, unter bestimmten Umständen<br />
als Argument für einen Besitzanspruch geltend gemacht<br />
werden. Ob unsere Proben vom Nordpol diesen Ansatz stützen oder<br />
nicht, das wird sich zeigen. Grundsätzlich könnten diese Unterseebergketten<br />
wohl sowohl Grönland als auch Russland zugesprochen<br />
werden. Die Russen wollen rund die Hälfte des zurzeit noch offenen<br />
Gebietes in der Arktis.<br />
Nehmen Sie bei Ihren Polreisen die Klimaerwärmung in<br />
irgendeiner Form wahr ?<br />
Ich will ja nicht hysterisch sein. Aber die Klimaerwärmung ist in den<br />
Polarregionen schon sehr präsent und offensichtlich. Den meisten<br />
Menschen ist nicht bewusst, dass es ganz natürliche Zyklen von Eiszeiten<br />
und Erwärmungen gibt. Alle 120 000 Jahre geht das hin und<br />
her. Wir befinden uns heute ganz klar in einem Erwärmungszyklus.<br />
Doch geht alles viel zu schnell. Entwicklungen, die früher vielleicht<br />
10 000 Jahre gedauert hätten, passieren heute in zehn Jahren. Weder<br />
Tiere noch Menschen können sich auf diese beschleunigten Verände<br />
rungen auf natürliche Weise anpassen. Das ist das grosse Problem.<br />
Die Erwärmung an sich wäre ja gar nicht so schlecht. Dadurch<br />
werden riesige Gebiete in Grönland oder vor allem auch in Sibirien<br />
plötzlich bewohn und urbar.<br />
Haben Sie einen Traum, den Sie als Entdecker verwirklichen<br />
wollen?<br />
Mein Ziel ist es, alle acht Pole der Arktis und Antarktis zu besuchen.<br />
Warum denn acht ?<br />
Es gibt in der Arktis und der Antarktis je vier Pole: den geografischen<br />
den magnetischen, den geomagnetischen sowie den Pol der Unzugänglichkeit.<br />
Was ist ein Pol der Unzugänglichkeit ?<br />
Es handelt sich um den küstenentferntesten Punkt im Nordpolarmeer<br />
respektive auf dem antarktischen Festland.<br />
Wie viele dieser Pole fehlen Ihnen noch?<br />
An fünf dieser Pole war ich schon. Noch nicht geschafft habe ich<br />
die beiden geomagnetischen Pole sowie den magnetischen Südpol.<br />
Meine letzten beiden Expeditionen hätten mich eigentlich zum<br />
geomagnetischen Nordpol führen sollen. Das ist ein sehr schwieriges<br />
Unterfangen, weil man auf die logistische Unterstützung und<br />
Akzeptanz von Regierungen angewiesen ist. Dadurch dauerten die<br />
Vorbereitungen teilweise mehr als zwei Jahre. Und dann ist das<br />
Wetter schlecht oder sonst etwas geht schief, und wir fangen<br />
wieder bei null an. Doch wir geben nicht auf. <<br />
� bulletin verlost fünf Norden-Enzyklopädien!<br />
Der «Practical Dictionary of Siberia and the North»<br />
ist ein 1104 Seiten umfassendes und mit über<br />
500 Illustrationen angereichertes Nachschlagewerk<br />
über den arktischen Norden Russlands, das<br />
Frederik Paulsen in seinem eigens dafür gegründeten<br />
Verlag herausgegeben hat. Teilnahme an der<br />
Verlosung unter www.credit-suisse.com/bulletin.
Fotos: Chris Lee | Wolfgang Volz<br />
<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
Business / Sponsoring / Unternehmerische Verantwortung<br />
Americas/Asia Pacific<br />
New York Philharmonic:<br />
mit Alan Gilbert nach Japan<br />
Alan Gilbert wird der erste Music<br />
Director des New York Philharmonic<br />
sein, der in New York City geboren<br />
wurde. Mitte September tritt er sein<br />
Amt mit einer Weltpremiere von<br />
Magnus Lindberg an. Dass er den<br />
finnischen Komponisten, der beim<br />
Orchester als Composer in Residence<br />
wirkt, schätzen gelernt hat,<br />
überrascht nicht: Gilbert leitete acht<br />
Jahre lang die Königlichen Philharmoniker<br />
in Stockholm und ist mit<br />
der schwedischen Cellistin Kajsa<br />
WilliamOlsson verheiratet. Seine<br />
Mutter hingegen, die Violinistin<br />
Yoko Takebe, kam in Japan zur Welt.<br />
Dies ist mit ein Grund, weshalb<br />
die nächste Tournee am 8. Oktober<br />
in Japan beginnt. Zudem wird in<br />
Tokio ein Konzert mit Werken aus<br />
dem amerikanischjapanischen<br />
Bildungsprojekt «Very Young Composers»<br />
aufgeführt. Dabei haben<br />
Kinder mit beschränktem musikalischem<br />
Hintergrund für das New<br />
York Philharmonic Performance<br />
Werke komponiert.<br />
Schweiz<br />
Mandatsträgertreffen<br />
«Wir stehen zum politischen Milizsystem<br />
der Schweiz und sind stolz<br />
darauf, dass rund 300 Mitarbeitende<br />
ein politisches Nebenamt auf<br />
Kommunal oder Kantonsebene ausüben»,<br />
betont HansUlrich Doerig,<br />
Präsident des Verwaltungsrats<br />
der <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong>. Die Bank unterstützt<br />
sie mit grosszügigen Arbeits<br />
zeitregelungen, aber auch mit<br />
Mandatsträgertreffen, die dem Erfahrungsaustausch<br />
und der Weiterbildung<br />
dienen. Rund 100 Mandatsträger<br />
nutzten kürzlich die Gelegenheit,<br />
einer Podiumsdiskussion<br />
beizuwohnen zum Thema «Wirtschaftskrise<br />
– mit welchen Instrumenten<br />
soll ihr begegnet werden?»,<br />
bestritten von Ständeratspräsident<br />
Alain Berset sowie den Nationalräten<br />
Brigitte HäberliKoller und<br />
Ruedi Noser. Danach wurden sie<br />
durch Workshops wie «Krisenmanagement<br />
auf Kommunalebene»<br />
oder «WorkLifeBalance: zwischen<br />
Beruf, Politik und Familie» selber<br />
gefordert und damit gefördert.<br />
<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
Karl Landert neu Mitglied<br />
der Geschäftsleitung<br />
Um der grossen Bedeutung der<br />
IT Rechnung zu tragen, wurde Chief<br />
Information Officer Karl Landert<br />
Ende Juni zum Mitglied der Geschäftsleitung<br />
ernannt. Gleichzeitig<br />
ist die Ernennung eine Anerkennung<br />
für die hervorragenden Leistungen,<br />
die Karl Landert und über<br />
10 000 Informatikexperten weltweit<br />
für die Bank erbracht haben.<br />
Europe, Middle East and Africa<br />
Erweiterte Präsenz in Katar<br />
Die <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> ist seit vier Jahrzehnten<br />
im Nahen Osten tätig<br />
und unterhält derzeit Büros in Abu<br />
Dhabi, Beirut, Doha, Dubai, Kairo,<br />
Manama und Riad. In Katar konn<br />
te die <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> Financial Ser<br />
vices (Qatar) LLC die Tätigkeit<br />
2006 im Qatar Financial Centre in<br />
Doha aufnehmen. Dort kümmert<br />
man sich seither mit Erfolg um die<br />
Bedürfnisse vermögender Privatpersonen<br />
(HNWI) und institutioneller<br />
Kunden. Seit diesem Sommer<br />
wird unter der Leitung von<br />
Aladdin Hangari die ganze Palette<br />
an integrierten Banklösungen angeboten,<br />
also auch Investment<br />
Banking und AssetManagement<br />
Dienstleistungen.<br />
Asia Pacific<br />
Nun auch in Japan Private-<br />
Banking-Dienstleistungen<br />
Seit bald 40 Jahren ist die <strong>Credit</strong><br />
<strong>Suisse</strong> in Japan im Investment<br />
Banking und Asset Management<br />
tätig. Seit Mitte Mai ist sie in der<br />
zweitgrössten Volkswirtschaft der<br />
Welt nun auch im Private Banking<br />
aktiv. «Es gibt in Japan 5000 bis<br />
10 000 Haushalte mit Finanzanlagen<br />
im Wert von mehr als 10 Millionen<br />
USDollar », erklärt Paul Kuo,<br />
CEO Japan. «Im Prinzip brauchen<br />
diese Anleger genau die führenden,<br />
massgeschneiderten Finanzlösungen,<br />
die eine integrierte Bank<br />
mit umfassendem Knowhow in<br />
den Bereichen Private Banking und<br />
Investment Banking bieten kann.»<br />
Schweiz/Americas<br />
<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> 2<br />
Auch Junya Tani, Leiter Private<br />
Banking Japan, zeigt sich hinsichtlich<br />
der Wachstumschancen zuversichtlich.<br />
Der lokale Finanzexperte<br />
ist überzeugt, seinen Kunden<br />
mehr als die anderen in Japan tätigen<br />
Finanzinstitute bieten zu können.<br />
Schweiz<br />
Mit dem Fahrrad zur Arbeit<br />
2008 nahmen in der Schweiz<br />
rund 45 000 Personen aus 875<br />
Unternehmen an der sommerlichen<br />
Aktion «bike to work» teil. Allein<br />
die <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> Mitarbeitenden<br />
legten 145 000 Kilometer zurück.<br />
Das Projekt wird 20<strong>09</strong> fortge<br />
setzt – bei Redaktionsschluss wurde<br />
immer noch munter geradelt.<br />
Over the River – noch drei Jahre bis zur Realisation<br />
Mit farbigen, detailgetreuen<br />
Skizzen veranschaulichen<br />
Christo<br />
und Jeanne-Claude<br />
ihre Projekte schon<br />
Jahre im Voraus.<br />
Hier ein Blick auf den<br />
Arkansas River.<br />
Seit 2005 begleitet die <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> das Künstlerehepaar Christo und<br />
JeanneClaude, indem sie Dokumentationsausstellungen unterstützt – so<br />
zuletzt in der Fondation de l’Hermitage in Lausanne. In «Over the River –<br />
Project for the Arkansas River, State of Colorado» konnte der Werdegang<br />
der Vision aus dem Jahre 1992 mitverfolgt werden. So entsteht Vorfreude<br />
auf die für Sommer 2012 geplante Umsetzung. www.overtheriverinfo.com<br />
<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 3/<strong>09</strong>
30 <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
«Die Krise hat deutlich gezeigt:<br />
Die Nähe zum Kunden ist entscheidend»<br />
HansUlrich Meister schaut zurück auf sein erstes, «intensives» Jahr bei der<br />
<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> als CEO Schweiz und erklärt die Vorteile für den Kunden bei der<br />
Neuausrichtung des Privatkundengeschäfts.<br />
bulletin: Sie haben am 1. September 2008<br />
Ihre Arbeit als neuer CEO Schweiz bei<br />
der <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> angefangen, kurz vor<br />
der grössten Krise der Finanzbranche<br />
seit 1 2 . Gutes oder schlechtes Timing,<br />
um eine solche Position anzutreten?<br />
HansUlrich Meister: Fest steht, ich hatte<br />
alles andere als einen sanften Einstieg.<br />
Das war für mich aber kein so grosses<br />
Problem, weil ich eine breite Erfahrung im<br />
Bankgeschäft mitbrachte. Auch lernt man<br />
in schwierigen und damit intensiven Zeiten<br />
die Mitarbeiter und die Organisation sehr<br />
schnell gut kennen. Insofern hatte der<br />
Druck, unter dem ich stand, auch seine<br />
positiven Seiten.<br />
Was war für Sie rückblickend auf das<br />
v ergangene Jahr die grösste Genugtuung?<br />
Einerseits war es die Tatsache, dass wir<br />
rasch und aus eigener Kraft die Probleme<br />
lösen konnten. In der kritischen Phase im<br />
Oktober verstärkten wir mit Hilfe privater<br />
Investoren unsere Kapitalbasis massiv.<br />
Im Investment Banking reduzierten wir zur<br />
gleichen Zeit die Risiken und setzten ein<br />
Geschäftsmodell um, das stärker auf die<br />
Kunden ausgerichtet ist und entsprechend<br />
weniger Kapital und Risiken benötigt.<br />
Andererseits hat mich als SchweizChef<br />
besonders gefreut, dass uns die Schweizer<br />
Kunden in der Krise die Treue gehalten<br />
haben. So hat die <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> im vergangenen<br />
Jahr nicht etwa nur im Ausland,<br />
sondern auch in der Schweiz einen Neugeldzufluss<br />
verzeichnet.<br />
Wie wichtig ist die Schweiz für die<br />
<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong>?<br />
Die Schweiz ist unser Heimmarkt und das<br />
Rückgrat unseres Geschäftes. Von welt<br />
bulletin 3/<strong>09</strong> <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
weit 47 000 Mitarbeitenden sind 21 000 in<br />
der Schweiz tätig. Ein Grossteil unserer<br />
Kunden ist in der Schweiz. Und wir betrei<br />
ben wichtige Bereiche unseres weltweiten<br />
Geschäfts von hier aus. Das benötigt die<br />
«Unser internationales<br />
Geschäft hat einen sehr<br />
direkten Nutzen für<br />
Schweizer Unternehmen<br />
und den Finanzplatz.»<br />
entsprechende Expertise und Infrastruktur.<br />
Von grosser Bedeutung für uns ist auch<br />
das Umfeld in der Schweiz. Damit meine<br />
ich insbesondere die politischen Entscheidungsträger<br />
und Aufsichtsbehörden.<br />
Gerade in der momentanen Situation ist<br />
es für uns deshalb wichtig, ein Verständnis<br />
dafür zu schaffen, welche Bedeutung<br />
international tätige Banken für unsere<br />
Volkswirtschaft und den Finanzplatz haben<br />
und welchen wichtigen Beitrag sie leisten.<br />
Gerade die vergangenen 18 Monate<br />
haben gezeigt, dass das internationale<br />
Geschäft neben Wachstumspotenzial<br />
auch Risiken birgt.<br />
Unser internationales Geschäft hat einen<br />
sehr direkten Nutzen für Schweizer Unternehmen<br />
und den Finanzplatz. Mehr als<br />
50 Prozent des Schweizer Bruttoinlandsproduktes<br />
wird mit dem Export generiert.<br />
Unsere internationalen Unternehmen beschäftigen<br />
rund 2,5 Millionen Arbeitnehmer<br />
im Ausland. All diese Firmen müssen bei<br />
ihren Auslandgeschäften begleitet werden.<br />
Sie sind angewiesen auf einen reibungslosen<br />
internationalen Zahlungsverkehr,<br />
auf Exportfinanzierungen und auf Finanzierungen<br />
via Kapitalmarkt. Als global<br />
ausgerichtete Volkswirtschaft und führender<br />
Finanzplatz braucht die Schweiz<br />
Banken mit einem international aufgestellten<br />
Investment Banking. Die Lücke,<br />
die das Wegfallen der beiden international<br />
ausgerichteten Grossbanken hinterlassen<br />
würde, könnte nicht so einfach durch<br />
ausländische Institute gefüllt werden.<br />
Die aktuelle Krise hat gezeigt, dass sich<br />
die ausländischen Grossbanken im Krisenfall<br />
sehr schnell auf ihre Heimmärkte<br />
zurückziehen.<br />
Was können Sie tun, um die Akzeptanz<br />
der Grossbanken zu verbessern?<br />
Indem wir unsere Anliegen verstärkt<br />
einer breiten Öffentlichkeit erklären und<br />
Verständnis für die volkswirtschaftliche<br />
Bedeutung der international tätigen Banken<br />
schaffen. Wir müssen wieder engere<br />
Kontakte pflegen mit Behörden, Politikern<br />
und der breiten Öffentlichkeit – etwas,<br />
das wir in der Phase des starken globalen<br />
Wirtschaftswachstums vernachlässigt<br />
haben. Es gibt bei uns sehr viel Erklärungsbedarf.<br />
Unsere Industrie ist für Nichtbanker<br />
– und auch für so manchen Banker –<br />
sehr komplex. Kaum jemand weiss zudem,<br />
dass die <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> in der Schweiz<br />
jedes Jahr Waren und Dienstleistungen<br />
im Wert von 2,3 Milliarden Franken einkauft<br />
– zu einem grossen Teil bei KMU.<br />
Oder auch unser Beitrag an die Bildung in<br />
diesem Land. Damit meine ich nicht nur<br />
unsere über 1200 Lehrlinge, Praktikanten<br />
und Hochschulabsolventen. Viele Mitar<br />
Foto: Rainer Wolfsberger
«Im vergangenen Jahr und auch im ersten Quartal 20<strong>09</strong> haben wir das Kreditvolumen in der Schweiz<br />
sogar leicht erhöht », sagt HansUlrich Meister, CEO Schweiz.<br />
Zur Person<br />
Hans-Ulrich Meister übernahm am 1. September 2008 als CEO Schweiz<br />
und Mitglied des <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> Executive Board die Leitung des Private &<br />
Business Banking Switzerland. Zuvor war er über 20 Jahre lang bei der<br />
UBS tätig, wo er als Mitglied des Group Managing Board ebenfalls im<br />
Privat und Firmenkundengeschäft leitende Funktionen innehatte. Zusätzlich<br />
zu seinem Abschluss an der Höheren Wirtschafts und Verwaltungsschule<br />
Zürich absolvierte Meister AdvancedManagementProgramme an<br />
der Wharton School und der Harvard Business School. Der 50jährige<br />
Meister ist verheiratet und Vater von drei Teenagern. Nachdem er 20 Jahre<br />
lang aktiv Handball gespielt hat, beschränkt sich sein sportlicher Ausgleich<br />
heute auf Tennis und Skifahren mit der Familie. Musik geniesst ebenfalls<br />
einen hohen Stellenwert: Meister spielt Akkordeon und Klavier und hat<br />
jahrelang als Dirigent einen Musikverein geleitet.<br />
<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> 31<br />
beiter von kleineren Bankinstituten haben<br />
ihre Erfahrungen bei ausländischen Niederlassungen<br />
der Grossbanken gesammelt.<br />
Wir werden als internationales Grossunternehmen<br />
kaum je die Verankerung in der<br />
Bevölkerung erreichen, wie das kleinere<br />
Unternehmen tun. Was wir aber erreichen<br />
können, ist die Anerkennung, dass die<br />
<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> kompetent ist, dass die Qualität<br />
bei den Produkten und den Serviceleistungen<br />
top ist und dass wir einen<br />
bedeutenden Beitrag zu Wirtschaft und<br />
Gesellschaft leisten.<br />
«Die <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> kauft<br />
in der Schweiz jedes Jahr<br />
Waren und Dienstleistungen<br />
im Wert von 2,3 Milliarden<br />
Franken ein.»<br />
Den Grossbanken wird auch vorgeworfen,<br />
dass sie mit verschärften<br />
Risikokriterien den KMU den Geldhahn<br />
zudrehen. Wie stellen Sie sich diesem<br />
Vorwurf?<br />
Da gilt es ein paar Dinge richtigzustellen.<br />
Heute stammen 55 Prozent aller ungesicherten<br />
Kredite für KMU von den beiden<br />
Grossbanken. Auch haben wir bei der<br />
<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> die Standards zur Kreditvergabe<br />
nicht geändert. Deshalb kann man<br />
nicht von einem Kreditcrunch sprechen.<br />
Bei der Abklärung einer Kreditvergabe<br />
gibt es drei wichtige Kriterien. Als erstes<br />
werden alle wichtigen Eckdaten des Unternehmens<br />
wie Ertrag, Gewinn, Verlust oder<br />
auch künftige Budgets angeschaut.<br />
Daneben gibt es eine Beurteilung des<br />
Managements und dessen Abhängigkeiten.<br />
Und als dritter Punkt wird das Marktumfeld<br />
analysiert. Wenn sich nun zum Beispiel die<br />
Ertragszahlen verschlechtern, führt dies<br />
zu einer Neueinschätzung der Risiken und<br />
damit unweigerlich zu intensiveren Verhandlungen<br />
…<br />
… und vermutlich auch zu einem<br />
kleineren Kreditvolumen.<br />
Bis heute ist das nicht der Fall. 2008<br />
und auch im ersten Quartal 20<strong>09</strong> haben<br />
wir das Kreditvolumen sogar leicht erhöht.<br />
Das Firmenkundengeschäft ist von entscheidender<br />
Bedeutung für den Erfolg der<br />
integrierten Bank. Fühlt sich ein Unternehmer<br />
bei uns schlecht behandelt, dann<br />
werden Sie ihn kaum als Privatkunden ><br />
<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 3/<strong>09</strong>
32 <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
gewinnen können. Aber der Fakt bleibt:<br />
Wir befinden uns in einer Rezession.<br />
Vielen Firmen geht es schlechter. Da gibt<br />
es schwierige Situationen bis hin zu Konkursen,<br />
wodurch für uns das Risiko von<br />
Verlusten steigt. Entsprechend müssen<br />
wir als Bank ab und zu Nein sagen.<br />
Zurzeit läuft in der Schweiz eine<br />
Neuausrichtung des Privatkundengeschäfts.<br />
Wo liegt da konkret die Verbesserung<br />
für den Kunden?<br />
Die Krise der vergangenen 18 Monate<br />
hat deutlich gezeigt: Die Nähe zum<br />
Kunden ist entscheidend. In der Schweiz<br />
haben wir eine grosse Zahl von wohlhabenden<br />
Kunden mit einem Vermögen<br />
von bis zu einer Million Franken. Bislang<br />
wurden diese Kunden nur in einem<br />
Drittel unseres Filialnetzes betreut. Um<br />
in Zukunft erfolgreich zu sein, müssen<br />
wir unsere Expertise flächendeckend in<br />
allen Filialen anbieten und wieder<br />
«Um in Zukunft erfolgreich<br />
zu sein, müssen wir<br />
unsere Expertise flächendeckend<br />
in allen Filialen<br />
anbieten und wieder unmittelbar<br />
vor Ort.»<br />
unmittelbar vor Ort sein. Kein Wunder,<br />
werben unsere Konkurrenten mit Slogans<br />
wie «Wir sind nahe beim Kunden» und<br />
dergleichen. Dann gibt es ein weiteres<br />
Segment von sehr vermögenden Kunden,<br />
die alle Dienstleistungen einer integrierten<br />
Bank beanspruchen. Hier werden wir<br />
die Beratungsqualität erhöhen. Dies<br />
erreichen wir, indem diese Kunden aus<br />
ausgewählten Standorten betreut werden,<br />
an denen wir ihnen qualifizierte Berater<br />
und Spezialisten, unsere globale Expertise<br />
mit den entsprechenden Ressourcen<br />
und der nötigen Infrastruktur zur Verfügung<br />
stellen. Unsere Konkurrenten sind<br />
dabei nicht die regional verankerten<br />
Kantonalbanken und Raiffeisen-Kassen,<br />
sondern die reinen Privatbanken. Diese<br />
neue Ausrichtung ist eine Wachstumsinitiative,<br />
mit dem Ziel, unseren Kunden<br />
entsprechend ihren Bedürfnissen einen<br />
noch besseren Service bieten zu können<br />
und dadurch Marktanteile zu gewinnen.<br />
Daniel Huber<br />
bulletin 3/<strong>09</strong> <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
“The world’s best<br />
banks. A short list:<br />
[…] That leaves<br />
<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> and<br />
JPMorgan to take<br />
the grand prizes.<br />
<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> has<br />
had its share of<br />
mishaps during<br />
the crises, but it<br />
was quick to scale<br />
down its balance<br />
sheet, had plotted<br />
a credible strategy<br />
for its investment<br />
bank and<br />
pulled well ahead<br />
of UBS, its main<br />
rival in wealth<br />
management.”<br />
May 21, 200 ,<br />
www.economist.com<br />
Best of Corporate Publishing<br />
Zweimal Silber für bulletin<br />
Der Branchenverband Forum Corporate<br />
Publishing zeichnet jeweils die<br />
besten von über 600 eingereichten<br />
Publikationen aus. Beim Jahreskongress<br />
in Berlin holten sich Ende Juni<br />
gleich alle vier teilnehmenden Magazine<br />
der <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> Spitzenränge.<br />
Das bulletin, die älteste regelmässig<br />
erscheinende Bankpublikation der<br />
Welt, erhielt zweimal Silber: in der<br />
Kategorie «Business to Clients Finanzen<br />
und Versicherungen» sowie, besonders<br />
wertvoll, als Sonderpreis der<br />
Kategorie «Internationale Kommunikation».<br />
Der Global Investor, wie<br />
das bulletin von Arnold. Inhalt und<br />
Form, Stäfa, designt, erhielt genauso<br />
Silber wie das Kundenmagazin<br />
Bonviva. Das Mitarbeitermagazin<br />
one wurde für seine insgesamt dritte<br />
Goldmedaille in die «Hall of Fame»<br />
aufgenommen.<br />
Handbuch von HansUlrich Doerig<br />
«Strive for Credibility»<br />
Im kompetitiven Umfeld der Zukunft<br />
werden sich Menschen und Organisationen<br />
ständig beweisen müssen.<br />
Dies in Bezug auf Vision, Mission<br />
und Strategie, auf Wissen, Expertise,<br />
Fähigkeiten und Werte. Auf dem<br />
Prüfstand stehen zudem Innovationsfähigkeit,<br />
Marktposition, operative<br />
Geschäftsführung, geschickter<br />
Umgang mit Erwartungen verschiedenster<br />
Anspruchsgruppen und der<br />
Medien. Ein zentraler Begriff ist dabei<br />
die Glaubwürdigkeit. «Menschen<br />
mit entsprechenden Fähigkeiten,<br />
einem klaren Ziel vor Augen sowie<br />
dem Streben nach Glaubwürdigkeit<br />
und Spitzenleistungen werden für<br />
sich selbst und für ihre Unternehmen<br />
erfolgreich sein», ist HansUlrich<br />
Doerig, Verwaltungsratspräsident<br />
der <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong>, überzeugt. Sein<br />
Handbuch «Strive for Credibility» be<br />
Anzeige<br />
Erfahrungsschatz aus einem<br />
40-jährigen Berufsleben.<br />
ruht auf persönlichen Erfahrungen<br />
aus über 40 Jahren Berufsleben und<br />
unzähligen Besprechungen. Es ist<br />
klar gegliedert in die Themen «Menschen»,<br />
«Governance», «Risiken» und<br />
«besondere Herausforderungen» mit<br />
jeweils 12 Kapiteln und 12 Unterkapiteln<br />
und besticht durch rund<br />
1900 reelle Beispiele.<br />
Nachwuchsförderung<br />
Zürich wird zur Filmstadt<br />
Das 5. Zurich Film Festival findet<br />
vom 24. September bis 4. Oktober<br />
statt. Die Festivalleitung mit Karl<br />
Spoerri und Nadja Schildknecht hat<br />
das Programm nochmals ausgebaut.<br />
Verliehen werden fünf Preise in Form<br />
des «Goldenen Auges» sowie Geld<br />
und Promotionsförderung im Wert von<br />
jeweils 200 000 Schweizer Franken:<br />
Bester Internationaler Spielfilm, Bester<br />
Deutschsprachiger Spielfilm,<br />
Bester Internationaler Dokumentarfilm,<br />
Publikumspreis und Variety<br />
Award. Im Wettbewerb werden über<br />
30 Erst, Zweit oder Drittlingswerke<br />
gezeigt. Daneben werden zwei Lebenswerke<br />
gewürdigt: Ein Filmemacher<br />
erhält den «A Tribute to»Award,<br />
2008 war dies CostaGavras als<br />
Nachfolger von Oliver Stone und<br />
Stephen Frears. Für die schauspielerische<br />
Leistung gibt es den «Golden<br />
Icon» – 2008 für Sylvester Stallone.<br />
Daneben sorgen Sonderreihen wie<br />
«Neue Welt Sicht» oder OutofCompetitionPremieren,<br />
aber auch der<br />
Digitalfilmwettbewerb Onedotzero<br />
und die Zurich Master Class für beste<br />
Festivalstimmung.<br />
www.zurichfilmfestival.org
Fotos: Gaetan Bally, Keystone | JeanMarc Mähr<br />
Im Hohen Norden<br />
erfolgreich<br />
Der Schweizer Fussballnachwuchs<br />
sorgt für Furore.<br />
Die U1 schied an der<br />
Europameisterschaft erst<br />
im Halbfinal gegen Holland<br />
aus und qualifizierte sich<br />
für die Weltmeisterschaft<br />
im Oktober in Nigeria. Die<br />
U19 qualifizierte sich ebenfalls<br />
für die Endrunde – und<br />
dies sowohl bei den Männern<br />
wie bei den Frauen.<br />
Die Fortschritte des<br />
Frauenfussballs erkennt<br />
man auch daran, dass<br />
gegenwärtig gleich sechs<br />
Spielerinnen im Ausland<br />
unter Vertrag stehen: Marisa<br />
Brunner und Martina Moser<br />
(SC Freiburg), Vanessa<br />
Bürki (Bayern München)<br />
sowie, bei Top-5-Teams,<br />
Lara Dickenmann (Olympique<br />
Lyonnais), Gaëlle<br />
Thalmann (Turbine Potsdam)<br />
und Ramona Bachmann<br />
(im Bild) bei Umea<br />
IK in Schweden. Bachmann<br />
spielt dort bereits in der<br />
dritten Saison mit Marta,<br />
der besten Fussballerin<br />
der Welt, zusammen. Von<br />
der Leistungsexplosion<br />
der Innerschweizerin profitieren<br />
derzeit die U1 - und<br />
vor allem die A-Nationalmannschaft.<br />
Letztere will<br />
sich unter Beatrice von<br />
Siebenthal gegen Irland,<br />
Russland, Israel und Kasachstan<br />
durchsetzen und<br />
sich für die WM 2011 in<br />
<strong>Deutschland</strong> qualifizieren.<br />
www.ramonabachmann.ch<br />
Partnerschaften mit Swiss Export und dem Swiss Venture Club (SVC)<br />
Der Export ist der Lebensnerv der Schweiz<br />
Der Swiss Export Tag im Mai bildet jeweils einen Höhepunkt in der Agenda<br />
der Exporteure. Neben interessanten Referaten von Gerard van Kesteren,<br />
Kühne + Nagel, Werner Bloch, Man Turbo AG Schweiz, Patrick HoferNoser,<br />
Swiss Solar Systems AG, dem Drittplatzierten des SVCUnternehmerpreises<br />
Espace Mittelland (siehe Seite 37), ETHProfessor Lino Guzzella, Stadtpräsident<br />
Elmar Ledergerber sowie des Lichtkünstlers Gerry Hofstetter<br />
(Seite 14) standen vor allem die Ausführungen des nordischen «Popstars»<br />
unter den Ökonomen, Kjell A. Nordström, im Zentrum des Interesses<br />
(Seite 38). Im Juni beteiligte sich Swiss Export zudem an der Fachveranstaltung<br />
«Chancen und Herausforderungen der chinesischen Binnenwirtschaft»<br />
mit Urs Buchmann, Head Corporate Banking, <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> Beijing, im<br />
Rahmen der SVCBildungsreihe. Beachtenswert für Exporteure ist auch der<br />
Beitrag «Schweizer Exportwirtschaft im Zeichen der Krise» (Seite 56).<br />
www.swiss-export.ch; www.swiss-venture-club.ch<br />
Lob für In Focus<br />
«Stocks» beurteilt Online-<br />
Auftritte der Topunternehmen<br />
«Stocks», das führende AnlegerMagazin<br />
der Schweiz, untersuchte die<br />
Internetauftritte der 30 Topunternehmen<br />
des Landes aus Sicht des<br />
Aktionärs nach den Kategorien «Inhalt<br />
und Aktualität », «Design und<br />
Navigation», «Multimedia» sowie «Interaktion».<br />
Im Artikel «Riesige Kluft<br />
zwischen Kür und Pflicht» stellte die<br />
Fachpublikation erhebliche Unterschiede<br />
fest. Als Sieger ging die<br />
<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> hervor. «Die Grossbank<br />
zeigt in den meisten Kategorien<br />
eine starke Leistung.» Gelobt wird<br />
nicht nur die Informationsdichte,<br />
sondern vor allem auch die Übersichtlichkeit<br />
und die Benutzerfreundlichkeit.<br />
«Schliesslich glänzt », so<br />
«Stocks», «die <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> auch in<br />
der Kategorie ‹Multimedia›. Die Bank<br />
betreibt quasi ein eigenes TVStudio<br />
– in der Rubrik ‹In Focus› erhält<br />
der Internetnutzer am WebTV InvestitionsTipps;<br />
dieser Dienst ist auch<br />
über Podcast, so zum Beispiel auf<br />
iTunes von Apple, verfügbar. Diverse<br />
Kundenzeitschriften sind kostenlos<br />
online zugänglich.»<br />
www.credit-suisse.com/infocus;<br />
www.stocks.ch<br />
BusinessVorschauen<br />
China und Vietnam: Informationen<br />
aus erster Hand<br />
Die traditionelle KMUAsienreise der<br />
<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> führt diesmal vom 4. bis<br />
15. November nach Vietnam (Ho Chi<br />
Minh City und Hanoi) sowie China<br />
Anzeige<br />
<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> 33<br />
(Beijing, Schanghai, Suzhou, Guangzhou<br />
sowie Hongkong). Zusammen<br />
mit der Osec konnte wiederum ein<br />
vielfältiges Programm zusammengestellt<br />
werden, das den Teilnehmern<br />
erlaubt, sich ein Bild über die Marktchancen<br />
in Asien sowie über die<br />
Herausforderungen des konkreten<br />
Markteintritts zu machen und auch<br />
schon erste Kontakte zu knüpfen.<br />
Mit Unterstützung der <strong>Credit</strong><br />
<strong>Suisse</strong> führt Connect China, eine<br />
Plattform für Wissens und Erfahrungsaustausch<br />
zwischen der<br />
Schweiz und China, am 10. September<br />
in Zürich die Fachtagung<br />
«Wie Chinesen denken – Opportunities<br />
in Zeiten der Krise» durch, an der<br />
unter anderem die beiden deutschen<br />
Chinaexperten Harro von Senger<br />
und Frank Sieren teilnehmen.<br />
www.credit-suisse.com/kmu/<br />
chinareise; www.connect-china.ch<br />
Ausdruck hoher Kundenzufriedenheit<br />
Best Global Custodian 200<br />
Die Londoner Firma R&M Consultants<br />
ermittelt jährlich in einer Umfrage<br />
zur Kundenzufriedenheit den<br />
besten Global Custodian, wobei<br />
rund 800 Institute 40 verschiedene<br />
Kriterien beurteilen. Global Custodian<br />
Solutions der <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong>,<br />
geleitet von Patrik Frieden, wurde<br />
wie schon 2008 Gesamtsieger und<br />
schwang auch in drei Kategorien,<br />
darunter «Portfoliomanager », obenaus.<br />
Sie betreut Pensionskassen,<br />
Vorsorgeeinrichtungen, Versicherungen,<br />
Stiftungen und Institutionen<br />
der öffentlichen Hand. Global Custody<br />
ist ein komplettes Dienstleistungspaket<br />
zur zentralen Bewirtschaftung<br />
grosser, weltweit ausgelegter<br />
Wertschriftenportefeuilles,<br />
einschliesslich eines individuellen<br />
Reportings mit dem Ziel einer transparenten,<br />
übersichtlichen und effizienten<br />
Organisation der Wertschriftenbewirtschaftung.<br />
Texte: Andreas Schiendorfer<br />
Das Kompetenzzentrum<br />
der Schweizer Aussenwirtschaftsförderung.<br />
osec.ch<br />
<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 3/<strong>09</strong>
34 <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
In den Kunstmuseen<br />
ist die ganze Welt zu Hause<br />
Gerade im Sommer lohnt sich ein Streifzug durch die Museen,<br />
zum Beispiel in Lugano, Martigny oder Zug. Dies regt den Geist an<br />
und kühlt den Körper ab.<br />
Museo d’Arte, Lugano<br />
Yves Klein & Rotraut: Von der<br />
Leichtigkeit und Kraft der Farbe<br />
Was wäre, wenn? Was wäre, wenn der französische<br />
Maler, Bildhauer und Performancekünstler<br />
Yves Klein nicht bereits ein knappes<br />
halbes Jahr nach seiner Heirat mit Rotraut<br />
Uecker einem Herzinfarkt erlegen wäre?<br />
Wer sich das Werk des Mitbegründers des<br />
Nouveau Réalisme vergegenwärtigt – die in<br />
Zusammenarbeit mit der Galerie Gmurzynska<br />
und den Yves Klein Archives entstandene<br />
Ausstellung in Lugano bietet eine farbenprächtige<br />
Gelegenheit dazu –, kann jedenfalls<br />
kaum glauben, dass der Avantgardist<br />
und Vorläufer der Popart im Alter von nur<br />
34 Jahren verstorben ist, nach lediglich achtjähriger<br />
Schaffenszeit. Bekannt geworden ist<br />
Klein vor allem mit seinen monochromen<br />
Bildkompositionen. Aufsehen erregte er<br />
aber beispielsweise auch dadurch, dass<br />
er während einer Performance mit blauer<br />
Farbe bemalte Modelle sich auf Papier wälzen<br />
liess, während ein Orchester seine «Monotone<br />
Symphonie» spielte, die nur aus einem<br />
einzigen Klang besteht. Nachhaltig ist die<br />
Kraft seiner Farben. Sein spezielles, leicht<br />
rotstichiges Ultramarinblau, das er als International<br />
Klein Blue patentieren liess, übt<br />
ei2ne unwiderstehliche Sogwirkung auf den<br />
Betrachter aus, der förmlich ins Bild hineingezogen<br />
wird.<br />
Auch Rotraut liebt die Farben. Mehr noch<br />
als in den Bildern fällt dies bei ihren Skulpturen<br />
auf, von denen 22 vorübergehend den<br />
öffentlichen Raum Luganos beleben. Obwohl<br />
diese aus Eisen, Aluminium oder Bronze sind,<br />
bulletin 3/<strong>09</strong> <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
bestechen sie durch ihre Leichtigkeit. Sie<br />
tanzen gleichsam durch die Stadt und verführen<br />
den Ausstellungsbesucher zu einem<br />
kulturellen Rundgang. Dem breiten Publikum<br />
wird klar, was Fachleute längst wissen:<br />
R otraut ist weit mehr als die Schwester von<br />
Günther Uecker, die Witwe von Yves Klein<br />
oder die Gattin von Daniel Moquay, sie ist<br />
eine eigenständige Künstlerin, die Beachtung<br />
verdient.<br />
In Lugano werden die Werke von Yves<br />
Klein und Rotraut erstmals gemeinsam ausgestellt<br />
– ein zusätzlicher, einmaliger Reiz.<br />
Yves Klein & Rotraut. Museo d’Arte, Lugano,<br />
bis 13. September. Nächste Ausstellung: Körper,<br />
Automation, Roboter, 25. 10. bis 21. 2. 2010.<br />
� www.mdam.ch<br />
Fondation Pierre Gianadda, Martigny<br />
Von Courbet bis Picasso: Das<br />
Beste aus dem Puschkin-Museum<br />
Die Fondation Pierre Gianadda verdankt ihren<br />
Ursprung einem tragischen Umstand: Kaum<br />
hatte der Bauunternehmer Léonard Gianadda<br />
in Martigny 1976 die Überreste eines<br />
galloromanischen Tempels entdeckt, verstarb<br />
sein Bruder Pierre. Ihm widmete er die Stiftung,<br />
die neben der permanenten Ausstellung<br />
auch für attraktive Wechselausstellungen<br />
besorgt ist.<br />
Hatte man 2004 bedeutende Werke aus<br />
der Philipps Collection, Washington, bewundern<br />
können, so 2006 solche des Metropolitan<br />
Museum of Art, New York. Nun<br />
also führt die Reise nach Moskau, ins Staatliche<br />
A. S. PuschkinMuseum für bildende<br />
Künste – und gleich wieder zurück, denn dieses<br />
Haus ist weniger auf russische oder slawische<br />
Kunst spezialisiert als vielmehr auf<br />
westeuropäische. Vielleicht erinnert man sich<br />
daran, dass das PuschkinMuseum bereits<br />
2005 einmal eine Ausstellung in Martigny<br />
realisierte; sie war ganz der französischen<br />
Malerei gewidmet. Die aktuelle Ausstellung<br />
«Von Courbet bis Picasso» behandelt den<br />
Zeitraum von der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts<br />
bis Ende des ersten Drittels des<br />
20. Jahrhunderts und damit verschiedenste<br />
Stilrichtungen. Sie beinhaltet attraktive Hauptwerke<br />
der europäischen Avantgarde, die von<br />
bedeutenden russischen Sammlerfamilien in<br />
Paris zusammengetragen worden sind.<br />
Von Courbet bis Picasso. Werke aus dem<br />
Puschkin-Museum, Moskau. Fondation Pierre<br />
Gianadda, Martigny, noch bis 22. November.<br />
� www.gianadda.ch<br />
Kunsthaus Zug<br />
Roman Signer: Retrospektive<br />
als Zeuge einer Freundschaft<br />
Dass das relativ<br />
kleine Kunstmuseum<br />
Zug immer wieder<br />
international von sich<br />
reden macht (weshalb<br />
eine Vergrösserung<br />
ins Auge gefasst<br />
wird), verdankt es nicht zuletzt dem Ehepaar<br />
Christine und Peter Kamm. Sie hatten unter<br />
anderem eine bedeutende Sammlung des mit<br />
ihnen befreundeten St. Galler Künstlers Roman<br />
Signer zusammengetragen. Nach der nun<br />
erfolgten Schenkung besitzt das Kunsthaus<br />
mit einem Schlag neben der Nationalgalerie<br />
Berlin und dem Kunstmuseum St. Gallen die<br />
wichtigste öffentliche SignerSammlung. Die<br />
sehenswerte Retrospektive «Werke 1975–<br />
2007» zeugt eindrücklich davon und ist gleichzeitig<br />
eine Hommage an den Anfang 2008<br />
verstorbenen Mäzen Peter Kamm.<br />
Am 16. August geht die Ausstellung «The<br />
Moving Museum» von Olafur Eliasson, einem<br />
der bedeutendsten nordischen Künstler der<br />
Gegenwart, zu Ende. Es ist dies sein sechstes<br />
in Zug realisiertes Projekt. Das siebte,<br />
die geplante Dokumentation über die bisherigen<br />
Projekte, lässt hoffentlich nicht allzu<br />
lange auf sich warten.<br />
Roman Signer, Werke 1 5 –200 , Schenkung<br />
Christine und Peter Kamm. Kunstmuseum Zug,<br />
30. August bis 22. November.<br />
�<br />
www.kunsthauszug.ch<br />
Texte: Andreas Schiendorfer<br />
Fotos : Rudolf Stein er, Kunsthaus Zug, Schenkung Christine und Peter Kamm | Les deux saltimbanques, 1901, 73 x 60 © The State Pushkin Museum of Fine Art, Moskau | Rotraut, ADAGP, Paris | Stephanie Pilick, Keystone | Tallandier, Keystone
1<br />
2 3<br />
<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> 35<br />
1 Das Kunstmuseum Zug besitzt eine bedeutende Sammlung des St. Galler Künstlers Roman Signer. Hier: «Piaggio auf Schanze», Chocholow/Polen, 2003.<br />
2 Die Fondation Gianadda zeigt Meisterwerke aus dem Besitz des PuschkinMuseums Moskau. Hier: Pablo Picasso, «Harlekin und Gesellin».<br />
3 In ganz Lugano verteilt findet man Skulpturen von Rotraut (MoquayKlein). Hier: « Cro Magnon Plaza» (Privatbesitz).<br />
<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 3/<strong>09</strong>
36 <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
Oft ist Eigentum zu teuer<br />
Erfolgreiche Unternehmen wachsen mit der Zeit aus den bestehenden<br />
Infrastrukturen heraus. Bei der Planung von Neubauprojekten ist die optimale<br />
Finanzierung wichtig – zum Beispiel durch Immobilienleasing.<br />
Der firmeneigene Neubau, eine Immobilie,<br />
welche die nachhaltige Entwicklung eines<br />
Unternehmens garantieren kann und eine<br />
Finanzierung, die dem Kerngeschäft so wenig<br />
wie möglich liquide Mittel entzieht: Dies<br />
sind die Ziele eines jeden Unternehmens. Die<br />
meisten Kauf und Neubaufinanzierungen in<br />
der Schweiz werden mit einem Hypothekarkredit<br />
verwirklicht. Durch die Besicherung<br />
mittels Grundpfand wird relativ günstiges<br />
Fremdkapital gewährt. Ein erheblicher Nachteil<br />
für Unternehmen ist jedoch, dass ein<br />
Grossteil des benötigten Gesamtkapitals aus<br />
den Eigenmitteln beigesteuert werden muss.<br />
Neubau in Pratteln deckt Raumbedarf<br />
Diese Problematik war Marco Brandenberger<br />
bewusst, als er 2006 mit den anderen Geschäftsleitungsmitgliedern<br />
der Stella Brandenberger<br />
Transporte AG über einen möglichen<br />
Neubau diskutierte. Das prosperierende,<br />
im Transport und Warenumschlag von<br />
Überseegütern tätige Familienunternehmen<br />
hatte sich schrittweise in Gebäude an verschiedenen<br />
Standorten im Raum Basel eingemietet.<br />
Als einige dieser Lokalitäten einem<br />
Neubauprojekt weichen mussten, sah die<br />
Geschäftsleitung einen guten Zeitpunkt gekommen,<br />
um das gesamte Standortkonzept<br />
zu überdenken.<br />
Auf dem Gelände der Schweizer Rheinsalinen<br />
im Basler Vorort Pratteln standen zu<br />
bulletin 3/<strong>09</strong> <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
diesem Zeitpunkt gerade 11 000 Quadratmeter<br />
Bauland zum Verkauf ausgeschrieben.<br />
Das Gelände entspricht mit seiner zentralen<br />
L age, der guten Autobahnanbindung und der<br />
Nähe zu Bahn und Rheinhafen den Ansprüchen<br />
des Logistikbetriebes in idealer Weise.<br />
Mit ihrem Neubauprojekt wandte sich die<br />
Stella Brandenberger Transporte AG an ihre<br />
langjährige Hausbank. Die Geschäftsleitung<br />
wusste, dass die Kosten für das Grundstück<br />
und den geplanten Neubau mit gegen 16<br />
Millionen Schweizer Franken für eine Hypothekarfinanzierung<br />
deutlich zu hoch waren.<br />
«Die Hälfte der Kosten durch Eigenkapital<br />
abzudecken, wäre für eine Unternehmung<br />
unserer Grösse nicht realistisch gewesen»,<br />
zeigt sich Marco Brandenberger überzeugt.<br />
Im Gespräch suchte man denn auch nach<br />
alternativen Finanzierungsmöglichkeiten für<br />
das Projekt, so war auch Mezzanine Finance<br />
ein Thema. «Da erwähnte der Kundenberater<br />
der <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> das Immobilienleasing.»<br />
Ähnlich wie bei anderen Leasingarten<br />
stellt der Leasinggeber auch beim Immobilienleasing<br />
das gesamte benötigte Kapital zur<br />
Verfügung. Er bleibt juristischer Eigentümer<br />
am finanzierten Objekt, während der Leasingnehmer<br />
als Nutzer über die gesamte Vertragsdauer<br />
für den Unterhalt und die Instandhaltung<br />
des Objekts verantwortlich ist. Die<br />
einhundertprozentige Fremdfinanzierung<br />
führt jedoch beim Leasinggeber zu einem<br />
Immobilienleasing bietet auch für Projekte von international<br />
tätigen Schweizer Grossunternehmen eine sinnvolle<br />
Finanzierung. So realisiert das Pharma- und Biotechnologieunternehmen<br />
Solvias in Kaiseraugst einen Neubau mit<br />
einem Investitionsvolumen von 0 Millionen Franken. Bis<br />
Ende 2010 entstehen Büro- und Laborräumlichkeiten mit<br />
einer Nutzfläche von 16 500 Quadratmetern. Obwohl es sich<br />
hier um ein Gebäude mit einer eher spezifischen Nutzungsausrichtung<br />
handelt, konnte die Finanzierung übernommen<br />
werden; denn die Liegenschaft befindet sich an Toplage<br />
in einem Pharma- und Chemiecluster und zeichnet sich<br />
durch eine sehr flexible und nachhaltige Grundstruktur aus.<br />
erhöhten Risiko. «Immobilienleasing kommt<br />
nur für mittlere und grosse Unternehmen mit<br />
einer sehr soliden finanziellen Struktur in<br />
Betracht», erläutert Stefan Ehweiner, Leiter<br />
Immobilienleasing für die Region Deutschschweiz<br />
bei der <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong>.<br />
Beliebte Neubaufinanzierung<br />
Für eine Leasingfinanzierung eignen sich<br />
Büroobjekte, Gewerbe und Logistikobjekte<br />
wie Lagerhäuser oder Produktionsgebäude<br />
mit einem Investitionsvolumen von mindestens<br />
fünf Millionen Schweizer Franken. Entscheidend<br />
sei, so Ehweiner, dass sich die<br />
finanzierten Objekte an wirtschaftlich sehr<br />
interessanten Standorten befinden. «Was wir<br />
grundsätzlich nicht finanzieren, sind Wohnobjekte»,<br />
ergänzt Serge Bornick, der seit 2005<br />
das Immobilienleasing für die <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
schweizweit leitet.<br />
Die häufigste Variante im Immobilienleasing<br />
stellt das «buildandlease» dar, die<br />
Finanzierung eines Neubaus. Der Leasinggeber<br />
erwirbt ein Grundstück, erstellt das<br />
Bauwerk nach den Bedürfnissen seines Kunden<br />
und verleast ihm die Liegenschaft anschliessend.<br />
Der Leasingnehmer, der während<br />
der Bauphase von der <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
intensiv begleitet wird, ist «delegierter Bauherr<br />
» und entscheidet letztlich, wie sein Gebäude<br />
auszusehen hat.<br />
Eine andere Möglichkeit bietet das «saleandleaseback».<br />
Dabei verkauft der Leasingnehmer<br />
ein Objekt aus seinem Eigentum und<br />
least es anschliessend zurück. «Dies erlaubt<br />
es dem Unternehmen, die in der Immobilie<br />
gebundene eigene Liquidität freizusetzen<br />
und einer höheren Rentabilität zuzuführen»,<br />
so Bornick.<br />
Stabile langfristige Finanzierung<br />
Das Immobilienleasing ist mit Laufzeiten von<br />
15 bis 20 Jahren eine langfristige Finanzierung.<br />
«Aber es ist auch – und das wird sehr<br />
geschätzt – eine stabile und sehr gut planbare<br />
Finanzierung, die sich an der betrieblichen<br />
Nutzungsdauer der finanzierten Objekte orientiert<br />
», weiss Stefan Ehweiner. Dank der<br />
zu erwartenden Werthaltigkeit der Objekte<br />
wäre ein späterer Kauf meist relativ problemlos<br />
durch eine Hypothek finanzierbar.<br />
In Pratteln sind die Arbeiten am Neubau<br />
fast abgeschlossen. Marco Brandenberger<br />
ist begeistert: «Früher befanden sich unsere<br />
Verwaltungsräumlichkeiten in einem Keller,<br />
jetzt haben wir eine Panoramaaussicht auf<br />
den Rhein.» Teva Streich
Fotos: Gstaad Palace<br />
Preis für die viertwichtigste<br />
Exportbranche der Schweiz<br />
Das «Gstaad Palace», das seit 60 Jahren von der Familie Scherz geführte<br />
FünfSterneHotel, gewann Ende März beim Unternehmerpreis Espace<br />
Mittelland des Swiss Venture Club (SVC) den zweiten Preis – ein Beweis<br />
des hohen Qualitätsbewusstseins der ganzen Branche.<br />
Der Tourismus ist ein Eckpfeiler der Schweizer<br />
Volkswirtschaft. Im Jahr 2008 setzten<br />
die ausländischen Gäste nicht weniger als<br />
15,6 Milliarden Schweizer Franken um und<br />
sorgten damit dafür, dass der Tourismus –<br />
praktisch auf Augenhöhe mit der Uhrenindustrie<br />
– die viertwichtigste Exportbranche<br />
der Schweiz ist. Alles in allem verdankt das<br />
Land dem Tourismus jeden zehnten Arbeitsplatz,<br />
rund 335 000 Vollzeitäquivalente, von<br />
denen allein 90 000 auf die Beherbergungsbetriebe<br />
entfallen. Deshalb ist der Zustand<br />
der Touristikunternehmen und insbesondere<br />
der Hotellerie gerade in den aktuell schwierigen<br />
Zeiten für die Schweiz von zukunftsweisender<br />
Bedeutung.<br />
Qualitätsbewusstsein hat zugenommen<br />
Während der boomenden 1990erJahre hat<br />
man der Schweizer Hotellerie – ob zu Recht<br />
oder zu Unrecht – eine gewisse Hochnäsigkeit<br />
nachgesagt, da die Gäste scheinbar<br />
automatisch und in wachsender Zahl in die<br />
Das 1913 erbaute «Gstaad Palace» wird als Familienunternehmen geführt.<br />
Schweiz strömten. Das hat sich spätestens<br />
seit der Baisse von 2001/2002 grundlegend<br />
geändert. Das Qualitätsbewusstsein lässt<br />
nun mit ganz seltenen Ausnahmen nichts<br />
mehr zu wünschen übrig, wobei sich Qualität<br />
nicht nur auf den Standard und die gebotenen<br />
Dienstleistungen bezieht, sondern auch<br />
auf die entscheidenden weichen Faktoren<br />
wie Gastfreundschaft.<br />
Fünfte Auszeichnung für die Branche<br />
Dies widerspiegelt sich auch in den regionalen<br />
Unternehmerpreisen des Swiss Venture<br />
Club. Zwar sind jeweils die Hightechunternehmen<br />
mit hoher Innovationskraft in der<br />
Mehrzahl, doch mittlerweile haben verschiedene<br />
Beherbergungsunternehmen den Sprung<br />
in den Final geschafft: das Hotel Hof Weissbad<br />
(2. Rang 2004), das Grandhotel Giessbach<br />
(4. Rang 2006), das Albergo Losone<br />
(3. Rang 2007) sowie das Gstaad Palace<br />
( 2. Rang 20<strong>09</strong>). Hinzu kommt die Reka<br />
R eisekasse (4. Rang 2008). Letztere zeigt,<br />
<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> 3<br />
dass Qualitätsbewusstsein und optimale<br />
Kundenorientiertheit nicht auf das oberste<br />
Preissegment beschränkt bleiben.<br />
In der Region Espace Mittelland ist der<br />
Unternehmerpreis des Swiss Venture Club besonders<br />
etabliert. Deshalb konnte Präsident<br />
HansUlrich Müller Ende März nicht weniger<br />
als 2300 Gäste aus Wirtschaft, Politik und<br />
Kultur in der BEAHalle begrüssen. Und obwohl<br />
der Preis bereits zum siebten Mal verliehen<br />
wurde, hatte die von Markus Leibundgut,<br />
McKinsey, präsidierte Jury überhaupt keine<br />
Probleme, sechs valable Kandidaten zu finden,<br />
sondern höchstens Mühe, innerhalb<br />
der Finalisten eine Gewichtung vorzunehmen.<br />
Eine 15MillionenInvestition, die sich gelohnt hat:<br />
das neue Spa. Hier ein diskreter PrivateSpaRaum.<br />
Gewonnen hat schliesslich die Jakob AG aus<br />
Trubschachen, die Architekturdrahtseile in<br />
alle Welt liefert. Den dritten Platz holte sich<br />
die Lysser Solarfirma 3S Swiss Solar Systems<br />
AG. Den vierten Rang belegten Schwab<br />
Guillod AG, Müntschemier, Stettler Saphire<br />
AG, Lyss, und Ziemer Group, Port.<br />
Familienführung als Erfolgsrezept<br />
Und dazwischen das «Gstaad Palace». «Wir<br />
sind eines der wenigen führenden Hotels,<br />
das sich noch im Besitz einer Unternehmerfamilie<br />
befindet», erklärt Andrea Scherz, der<br />
das Hotel seit zwölf Jahren führt. «Das ist<br />
unser Erfolgsrezept. Es gibt etliche Familien,<br />
die bereits in vierter Generation ins ‹Palace›<br />
kommen. Wir sind sozusagen miteinander<br />
aufgewachsen. Die emotionale Bindung unserer<br />
Stammgäste an unsere Familie und<br />
unser Hotel ist für uns überlebenswichtig.»<br />
In der Hauptsaison sorgen die Stammgäste<br />
für rund 80 Prozent der Belegung.<br />
Dass im «Gstaad Palace» viele Prominente<br />
ein und ausgehen – Roger Moore, Robbie<br />
Williams, Liz Taylor oder Margaret Thatcher ><br />
<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 3/<strong>09</strong>
38 <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
etwa –, ist kein Geheimnis. Bemerkenswert<br />
ist jedoch, dass sich diese Persönlichkeiten<br />
in Gstaad ganz natürlich und keineswegs<br />
unnahbar geben. Im Gegenzug schreibt die<br />
Bevölkerung Diskretion gross, wenn die<br />
«Palace»Gäste durchs Dorf schlendern,<br />
beispielsweise Käse einkaufen in der Molkerei,<br />
die 2007 ebenfalls SVCFinalist gewesen<br />
ist.<br />
Die familiäre Atmosphäre im Berg und<br />
Ferienhotel «Gstaad Palace» ist der eine<br />
Erfolgsaspekt. Als zweiter kommt hinzu,<br />
dass in den meisten Familienunternehmen<br />
die Nachhaltigkeit ganz besonders betont<br />
Der Preis ist, durch HansUlrich Müller (Mitte),<br />
übergeben, nun wird Andrea Scherz interviewt.<br />
wird. «Nicht das Profitstreben und der<br />
Shareholder Value prägen unser Denken,<br />
sondern die Langlebigkeit des Unternehmens»,<br />
so Scherz. «Dies führt dazu, dass<br />
wir ausser dem Direktorenlohn nichts aus<br />
dem Unternehmen abziehen, sondern den<br />
ganzen Betriebsgewinn wieder investieren.»<br />
Die letzte grosse Investition betrifft das Spa,<br />
das Ende 2007 eröffnet werden konnte und<br />
nun für Andrea Scherz, die Hotel und<br />
Chaletgäste – und wohl auch für die SVC<br />
Jury – das berühmte, zuvor noch fehlende<br />
iTüpfelchen ausmachte.<br />
Als Inhaber entschied sich Andrea Scherz,<br />
neben den 15 Millionen Schweizer Franken<br />
für das Spa, weitere 4 Millionen in eine<br />
unterirdische Mitarbeitergarage zu investieren.<br />
«Hervorragendes Personal zu finden,<br />
ist eine unserer grössten Herausforderungen.<br />
Deshalb bin ich überzeugt, dass<br />
sich in der Zukunft auch diese Investition<br />
für uns ausbezahlt.» Andreas Schiendorfer<br />
� Ein ausführliches Interview<br />
mit Andrea Scherz finden Sie unter<br />
www.credit-suisse.com/bulletin.<br />
bulletin 3/<strong>09</strong> <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
Kapitalismus im Wandel<br />
Die Unternehmen müssen sich radikal ändern, wenn sie den uns bevorstehenden<br />
sozialen Wandel überleben wollen, ist Professor Kjell Nordström<br />
von der Stockholm School of Economics überzeugt.<br />
Kapitalismus ist keine Ideologie, sondern<br />
eine Maschine, die nur eines vermag: «Sie<br />
kann effiziente von uneffizienten Marktteilnehmern<br />
trennen, indem sie die effizienten<br />
Gewinn machen und die ineffizienten bankrott<br />
gehen lässt. Die kapitalistische Maschine<br />
kennt keine Moral, sie verfolgt keine Absicht<br />
oder Richtung, und sie urteilt auch nicht. Sie<br />
verhält sich wie die Evolution in der Natur.»<br />
Diese These vertrat Kjell Nordström auf dem<br />
Swiss Export Tag in Zürich. Der Kapitalismus<br />
wird sich angesichts des grundlegenden<br />
sozialen Wandels ebenfalls radikal ändern.<br />
Daher werden auch die Unternehmen ihre<br />
Geschäftsmodelle anpassen müssen.<br />
Feminisierung und Verstädterung<br />
«Immer mehr Frauen studieren an Universitäten,<br />
ob in Schweden, Marokko, den Vereinigten<br />
Emiraten oder Spanien. Das wird in den<br />
nächsten Jahren die Welt der Unternehmen<br />
stark verändern, da es nur wenige Bereiche<br />
gibt, wo die unterschiedliche Risikobereitschaft<br />
von Männern und Frauen so gravierende<br />
Auswirkungen hat », so Nordström.<br />
Denn die Frauen werden immer wichtigere<br />
Funktionen bekleiden. «Dies wird zahlreiche<br />
Risiken aus dem System entfernen», ist er<br />
überzeugt. «In bestimmten Bereichen wie der<br />
Medizin, der Finanzindustrie und der Verkehrskontrolle<br />
mag dies ja eine gute Sache<br />
sein, in anderen ist aber eine gewisse Risikofreude<br />
notwendig.» Eine weitere wichtige<br />
gesellschaftliche Entwicklung ist die rasant<br />
ansteigende Zahl von Einpersonenhaushalten.<br />
Diese «Singleisierung» hat Folgen für<br />
den Wohnungsmarkt, die Verpackungsgrössen<br />
oder die Nachfrage nach Finanzdienstleistungen<br />
und Infrastrukturen.<br />
Die schnelle Verstädterung des Planeten<br />
wirkt sich auf die Unternehmen aus. «Heute<br />
leben etwa 52 Prozent aller Menschen in<br />
Städten. 2040 werden es 90 Prozent sein,<br />
die übrigen Regionen werden dann zu einer<br />
wirtschaftlichen Einöde. Das bedeutet, dass<br />
Unternehmen sich auf städtische Ballungsräume<br />
konzentrieren und nationale Grenzen<br />
zunehmend an Bedeutung verlieren.»<br />
Wissen, absolut perfekt präsentiert.<br />
Eine weitere Entwicklung: «Seit 1989 sind<br />
etwa 3,6 Milliarden Menschen Teil der kapitalistischen<br />
Welt geworden, darunter neue<br />
Märkte wie die Ukraine, Vietnam oder Pakistan.<br />
Alle diese Länder müssen ihre Infrastrukturen<br />
ausbauen und werden wichtige<br />
Märkte sein, aber sie werden weniger stark<br />
wachsen als in den letzten 20 Jahren.»<br />
Talent und Technologie als Treiber<br />
Die USA werden weiterhin die Weltwirtschaft<br />
dominieren. «Weil die USA kein Land sind,<br />
sondern eine Idee. Jeder kann innerhalb von<br />
einigen Jahren zum Amerikaner werden. Europa<br />
und Asien sind für wirklich talentierte<br />
Leute nicht attraktiv. Das führt dazu, dass<br />
es dort weniger Innovationen und Wachstum<br />
gibt.» Die Unternehmen müssen Neues<br />
schaffen. «Technologie und Talent sind der<br />
Motor der Wertschöpfung. Einem erfolgreichen<br />
Unternehmen gelingt es, ein zeitlich<br />
beschränktes Monopol zu etablieren.»<br />
«Nur äusserste Anpassung oder äusserste<br />
Attraktivität wird funktionieren. Das Geheimnis<br />
des Erfolgs liegt darin, nicht zu versuchen,<br />
beide Strategien miteinander zu verbinden.»<br />
Und Nordströms Fazit: «Noch nie zuvor hatten<br />
so viele Menschen eine Chance auf ein<br />
lebenswertes Leben, und dies selbst in Afrika.<br />
Es sind Technologie und Kapitalismus, die<br />
uns dieses ermöglichen.» Dorothée Enskog
Der älteste Schachverein<br />
empfängt zehn Weltmeister<br />
Die besten Schachspieler der letzten 50 Jahre sind am 22./23. August<br />
im Hauptbahnhof Zürich beim Champions Simultan und Rapid zu bewundern.<br />
Erfunden wurde das Schachspiel in Asien,<br />
vermutlich in Indien, möglicherweise aber<br />
auch in China oder Persien. Die Schweiz aber<br />
kann sich rühmen, den ältesten Schachverein<br />
der Welt zu stellen, die 18<strong>09</strong> gegründete<br />
Schachgesellschaft Zürich.<br />
Diese machte im Laufe der Geschichte<br />
immer wieder als Organisatorin attraktiver<br />
Schachwettkämpfe von sich reden. So spielte<br />
Weltmeister Emanuel Lasker zwischen 1888<br />
und 1919 in der Limmatstadt gleich viermal<br />
simultan. Weitere Grössen wie Aljechin,<br />
Euwe oder Botwinnik folgten. Einen ersten<br />
Höhepunkt bildete das Weltmeisterschafts<br />
Kandidatenturnier 1953, das Wassili Smyslow<br />
für sich entschied. Beim Jubiläumsturnier<br />
1959 setzte sich Michail Tal vor Gligoric und<br />
dem damals 16jährigen Bobby Fischer durch.<br />
2001 nahmen aus Anlass des 70. Geburtstages<br />
von Viktor Kortschnoi die drei Weltmeister<br />
Spasski, Kasparow und Kramnik an<br />
einem Schnellschachturnier teil.<br />
Eine Steigerung ist eigentlich fast nicht<br />
mehr möglich – und doch gelang sie zum<br />
FIDE 5–85<br />
FIDE 3–<br />
Anatoli Karpow<br />
Werner Hug<br />
Juniorenweltmeister<br />
FIDE 85– 3<br />
PCA 3–00<br />
Garry Kasparow<br />
Viktor Kortschnoi<br />
Seniorenweltmeister<br />
PCA 00 –06<br />
FIDE 06 – 0<br />
Wladimir Kramnik<br />
Judit Polgar<br />
Juniorenweltmeister<br />
200JahrJubiläum, nicht zuletzt dank der<br />
Unterstützung durch die <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> so<br />
wie die gemeinnützige Stiftung Accentus<br />
(Schachfonds Schweiz).<br />
Vier hochinteressante Veranstaltungen<br />
Zunächst findet vom 15. bis 19. August im<br />
Kongresshaus Zürich ein zweiteiliges Jubiläumsopen<br />
statt, das Accentus Open als<br />
Breitenturnier sowie das Alois Nagler Memorial<br />
als Meisterturnier, zu dem sich rund<br />
30 Grossmeister angemeldet haben.<br />
Eine Woche später kommt es im Hauptbahnhof<br />
Zürich zum Treffen der Giganten,<br />
welche die Schachszene in den letzten<br />
50 Jahren geprägt haben. Je nach Zählweise<br />
setzen sich dabei sieben oder zehn Weltmeister<br />
ans Brett, um am 22. August im Champions<br />
Simultan 200 Partien zu spielen und sich<br />
am 23. August im Champions Rapid zu messen.<br />
Da Garry Kasparow und Boris Spasski<br />
kein Turnierschach mehr absolvieren, kommen<br />
am Sonntag Judit Polgar, die stärkste<br />
Schachspielerin der Welt, sowie Werner Hug<br />
FIDE 02– 04<br />
Ruslan Ponomarjow<br />
FIDE 6 – 2<br />
Boris Spasski<br />
FIDE 05–06<br />
Wesselin Topalow<br />
Von 1 3 bis 2006 war<br />
die Schachwelt zweigeteilt<br />
in die FIDE (Fédération<br />
Internationale des Echecs)<br />
und die PCA (Professional<br />
Chess Association).<br />
FIDE 00 – 02<br />
FIDE 0 – heute<br />
Viswanathan Anand<br />
<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> 3<br />
von der SG Zürich zum Zug. Hug war 1971<br />
Juniorenweltmeister geworden, Polgar 1988<br />
und 1990 Juniorenweltmeister U12/U14 (bei<br />
den Frauen spielt sie grundsätzlich nicht mit).<br />
Der dritte «unechte» Weltmeister ist Viktor<br />
Kortschnoi, der Löwe von Wohlen, der länger<br />
an der Weltspitze mitspielt(e) als alle anderen,<br />
aber zweimal den Weltmeisterschaftskampf<br />
gegen Anatoly Karpow verlor. Immerhin wurde<br />
er 2006 Seniorenweltmeister.<br />
Sonst aber sind mit drei Ausnahmen<br />
(Chalifmann, Kasimjanow und dem verstorbenen<br />
Fischer) die FIDE und PCAWeltmeister<br />
seit 1969 in Zürich anwesend. Legenden<br />
wie Spasski, Kasparow und Karpow begegnen<br />
dabei der aktuellen Weltelite mit<br />
«Gegen Topalow zu<br />
spielen, ist eine grosse<br />
Herausforderung.»<br />
Viswanathan Anand<br />
P onomarjow und vor allem Weltmeister Viswanathan<br />
Anand, dem von ihm entthronten<br />
Weltmeister Wladimir Kramnik sowie dem neuen<br />
Herausforderer Wesselin Topalow. Halten<br />
sie sich im Direktduell zugedeckt, oder sind<br />
sie ehrgeizig genug, um an diesem Topturnier<br />
um den Sieg zu spielen? Andreas Schiendorfer<br />
�<br />
Ein Interview mit Weltmeister Viswanathan<br />
Anand unter www.credit-suisse.com/bulletin<br />
<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 3/<strong>09</strong>
40 <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
1<br />
2 3<br />
1 Schon 2005 hatte Adam Fischer die musikalische Leitung bei der Mozartoper «Così fan tutte» inne. Damals führten Ursel und KarlErnst Herrmann Regie.<br />
Diesmal wird es Claus Guth sein. Im Bild: Russell Braun (Guglielmo), Christoph Strehl (Ferrando), Tamar Iveri (Fiordiligi) und Maite Beaumont (Dorabella).<br />
2 Das Freiburger Barockorchester gastiert nach 2004 (mit Cecilia Bartoli) und 2006 zum dritten Mal in Salzburg und spielt Händels «Theodora». 3 Blick in den<br />
Grossen Saal des 1910 bis 1914 erbauten Mozarteums. Hier findet am Mittwoch, 26. August, das Abschlusskonzert des Young Singers Project statt.<br />
bulletin 3/<strong>09</strong> <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
Fotos: Bernd Uhlig | Marco Borggreve | Fritz Haseke | IMG Artists | Dario Acosta | Mats Bäcker | Sabine Hauswirth | Mathias Bothor | Bernd Thissen | Susanne Schwiertz
Das Spiel der Mächtigen<br />
Die Salzburger Festspiele sorgen mit rund 200 Veranstaltungen<br />
einmal mehr für den Höhepunkt des Kultursommers. Das diesjährige<br />
Motto – «Das Spiel der Mächtigen» – verunsichert und provoziert.<br />
Wer sind die Mächtigen? Womit, mit wem spielen sie? In Salzburg<br />
begegnen sich Unterhaltung und Ernsthaftigkeit.<br />
Young Singers Project<br />
Talentierte Opernsänger erhalten<br />
in Salzburg den letzten Schliff<br />
Vom 1. Juli bis zum 30. August erhalten hoch<br />
talentierte, bereits weitgehend ausgebildete<br />
Opernsängerinnen und sänger in Salzburg<br />
den letzten Schliff durch eine professionelle<br />
Förderung seitens mehrerer Festspielkünstler.<br />
Davon kann man sich am 26. August<br />
beim Abschlusskonzert im Mozarteum überzeugen,<br />
aber auch schon bei sechs öffentlich<br />
durchgeführten «Meisterklassen», geleitet<br />
von Thomas Quasthoff, Christa Ludwig und<br />
Michael Schade. Es lohnt sich, sich Namen<br />
wie Sara Hershkowitz, Anna Siminska, Alisa<br />
Kolosova, Christina Daletska (Bild), Terry<br />
Wey (Bild) oder Andrei Bondarenko zu merken:<br />
Sie sind die Stars der Zukunft.<br />
26. August, 1 .30 Uhr, Mozarteum. Abschluss-<br />
konzert Young Singers Project. Mozarteumorches-<br />
ter, Dirigent Ivor Bolton. � www.mozarteum.at<br />
Georg Friedrich Händel (1685 –1759)<br />
«Theodora» – Hommage in Moll<br />
an einen grossen Komponisten<br />
Vor 200 Jahren ist Georg Friedrich Händel<br />
in London gestorben. Grund genug, um sein<br />
wunderbares, in Molltonarten gehaltenes<br />
Oratorium «Theodora» zu spielen, das 1750<br />
in London uraufgeführt wurde. In Antiochia<br />
weigert sich um 305 die Christin Theodora<br />
standhaft, Jupiter ein Opfer zu bringen, und<br />
soll deshalb in ein Bordell geführt werden.<br />
Der Offizier Didymus, interpretiert von Bejun<br />
Mehta (Bild) kann dies verhindern, doch ihre<br />
Liebe endet im Tod. Theodora wird von<br />
Christine Schäfer (Bild) gespielt, ein seit 1995<br />
in Salzburg gern gesehener Weltstar.<br />
«Theodora». G. F. Händel. Freiburger Barockorchester,<br />
Salzburger Bachchor. Musikalische<br />
Leitung Ivor Bolton, Regie Christoph Loy.<br />
Christine Schäfer, Bejun Mehta. Premiere<br />
am 25. Juli ( Aufführungen).<br />
� www.salzburgerfestspiele.at<br />
Wolfgang Amadeus Mozart (1756 –1791)<br />
«Così fan tutte» – zu Recht<br />
ein Dauerbrenner der Festspiele<br />
Man kann schon einmal ein Jahr oder zwei<br />
auf «Così fan tutte» verzichten, aber dann<br />
fehlt sie den Festspielbesuchern ganz bestimmt.<br />
Nun ist sie, als Neuinszenierung,<br />
bereits zum 34. Mal auf dem Spielplan, die<br />
musikalische Leitung hat dabei wie 2005<br />
Adam Fischer inne, die Regie führt Claus<br />
Guth. In drei tragenden Rollen kann man<br />
Spitzensänger aus dem hohen Norden hören:<br />
Die schwedische Sopranistin Miah Persson<br />
(Bild), die 2003 in Salzburg debütierte, ist<br />
Fiordiligi, der finnische Tenor Topi Lehtipuu,<br />
2005 erstmals in Salzburg, ist Ferrando, und<br />
der dänische Starbariton Bo Skovhus (Bild)<br />
gibt Don Alfonso. Am 21. August springt Joel<br />
Pietro als Ferrando ein – ein Absolvent des<br />
Young Singers Project 2008!<br />
«Così fan tutte». W. A. Mozart. Wiener Philharmoniker<br />
unter Adam Fischer. Regie Claus Guth.<br />
Miah Persson, Topi Lehtipuu, Bo Skovhus.<br />
Premiere am 30. Juli ( Aufführungen).<br />
Luigi Nono (1924 –1990)<br />
<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> 41<br />
«Al gran sole carico d’amore» –<br />
von Hoffnungen und Utopien<br />
Ein Schlüsselwerk der Festspiele 20<strong>09</strong>,<br />
«ein», so Jürgen Flimm, «grosses Requiem auf<br />
verschollene Hoffnungen und das Scheitern<br />
von Utopien». Grundidee ist die «immerwährende<br />
weibliche Gegenwart im Leben,<br />
im Kampf, in der Liebe». Die collagenartige<br />
«Azione Scenica» zählt zu den grossen Werken<br />
des modernen Musiktheaters.<br />
«Al gran sole carico d’amore». L. Nono.<br />
Wiener Philharmoniker unter Ingo Metzmacher<br />
(Bild). Regie Katie Mitchell. Tanja Andrijic,<br />
Elin Rombo, Sarah Tynan, Anna Prohaska, Virpi<br />
Räisänen (Bild). Premiere 2. August (4 Aufführungen).<br />
� www.credit-suisse.com/bulletin<br />
Intendantenwechsel in Salzburg<br />
Von Flimm zu Pereira, von Pereira<br />
zu Homoki, von Homoki zu …<br />
Das Intendanten und Chefdirigentenkarussell<br />
dreht sich: Jürgen Flimm (Bild links),<br />
Intendant der Salzburger Festspiele, hat seinen<br />
bis 2011 laufenden Vertrag nicht erneuert.<br />
Stattdessen wird er ab 2010 die Intendanz<br />
der Berliner Staatsoper Unter den<br />
Linden übernehmen. Nachfolger von Flimm<br />
wird im Herbst 2011 Alexander Pereira (Bild<br />
rechts), der dann 21 Jahre am Opernhaus<br />
Zürich gewirkt haben wird. In der Limmatstadt<br />
wird er durch Andreas Homoki abgelöst,<br />
der von der Komischen Oper Berlin<br />
kommt und dort durch Barry Kosky ersetzt<br />
wird. Als Nachfolger von Franz WelserMöst,<br />
ab 2010 Generalmusikdirektor der Staatsoper<br />
Wien, wird Daniele Gatti Chefdirigent<br />
am Opernhaus Zürich. 2012 folgt ihm<br />
Fabio Luisi, der Chefdirigent der Wiener<br />
Symphoniker. Andreas Schiendorfer<br />
<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 3/<strong>09</strong>
42 <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
Maria Stuart oder Elisabeth?<br />
Mit Barbara Frey leitet erstmals eine Frau als Künstlerische Direktorin<br />
das Schauspielhaus Zürich. Zur Saisoneröffnung wird am 17. September das<br />
Drama «Maria Stuart » von Friedrich Schiller gespielt. Es handelt von zwei<br />
starken Frauen, die zwei verschiedene Systeme verkörpern – und einsam sind.<br />
Barbara Frey eröffnet die neue Theatersaison mit «Maria Stuart ». Die <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> unterstützt diese<br />
Neuinszenierung im Rahmen ihrer im Jahr 2000 begonnenen Partnerschaft mit dem Schauspielhaus Zürich.<br />
Das Schauspielhaus Zürich mit den Spielstätten<br />
Pfauen (beim Kunsthaus) und Schiffbau<br />
zählt zu den bedeutendsten deutschsprachigen<br />
Theatern. Zu internationalem<br />
Ruhm kam es während des Zweiten Weltkriegs<br />
als Emigrantentheater, später wurden<br />
hier fast alle Stücke von Max Frisch und<br />
Friedrich Dürrenmatt uraufgeführt. Das Niveau<br />
wurde bis in die Neuzeit gehalten: 2002,<br />
2004 und 2007 erhielt das Schauspielhaus<br />
Zürich den NestroyTheaterpreis für die beste<br />
deutschsprachige Aufführung.<br />
Im April 2007 wurde mit der Basler Theaterregisseurin<br />
Barbara Frey auf die Spielzeit<br />
20<strong>09</strong>/2010 hin erstmals eine Frau als Künst<br />
bulletin 3/<strong>09</strong> <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
lerische Direktorin gewählt. Frey hat sich als<br />
Hausregisseurin an der Schaubühne Berlin<br />
und am Deutschen Theater Berlin sowie mit<br />
zahlreichen Inszenierungen an den wichtigsten<br />
Bühnen Europas einen Namen geschaffen.<br />
In Zürich inszenierte sie mit Erfolg<br />
Henrik Ibsens «John Gabriel Borkmann» sowie<br />
Arthur Schnitzlers «Reigen».<br />
Eine Teamplayerin baut ein Ensemble auf<br />
Ein wesentliches Ziel ist es, das Ensemble<br />
wieder zu stärken, nachdem ihr Vorgänger<br />
gerne auf Gastschauspieler gesetzt hatte.<br />
Überhaupt bezeichnet sich Barbara Frey als<br />
ausgesprochene Teamplayerin. Einige leiten<br />
de Positionen hat sie mit Frauen besetzt, mit<br />
denen sie teilweise schon 15 Jahre zusammenarbeitet.<br />
Doch sie betont, dass es ihr in<br />
gemischten Gruppen am wohlsten ist. «Die<br />
Männer müssen keine Angst haben, dass es<br />
eine feindliche Übernahme gibt», meint sie<br />
lachend.<br />
Und wie interpretiert sie ihre Rolle als Intendantin?<br />
«Wir haben von der Wichtigkeit des<br />
Teams gesprochen. Das ist mir ernst. Ich<br />
möchte keine Intendantin sein, die immer zu<br />
allem etwas sagt. Ich bevorzuge die produktive<br />
Verschwiegenheit und möchte vor allem<br />
durch meine Arbeit reden, durch meine<br />
Stücke, die ich inszeniere.»<br />
Ein Stück, spannend wie ein Krimi<br />
Demnach ist es kein Zufall, dass sie die neue<br />
Saison mit dem Drama «Maria Stuart» eröffnet.<br />
Eine Reverenz an den vor 250 Jahren geborenen<br />
Klassiker ? «Es ist tatsächlich ein fantastisches<br />
Stück, ein Krimi, der in den letzten<br />
Tagen von Maria Stuart spielt, als ihr bereits<br />
klar war, dass sie sterben muss», meint dazu<br />
Barbara Frey. «Dass wir ein Schillerjahr haben,<br />
ist jedoch ein glücklicher Zufall. Mich fasziniert<br />
die interessante Grundkonstellation mit<br />
zwei Frauen, die an der Macht sind und zwei<br />
verschiedene Systeme, den Protestantismus<br />
und den Katholizismus, vertreten.»<br />
Welche ist die stärkere? Welcher bringen<br />
wir mehr Sympathien entgegen? Die Regisseurin<br />
will natürlich noch nicht allzu viel verraten.<br />
Immerhin betont sie, dass die erotische,<br />
leidenschaftliche Maria kein Talent<br />
zum Führen hatte und in den Schlüsselmomenten<br />
die falschen Entscheide fällte. Demgegenüber<br />
weist sie darauf hin, dass Schiller<br />
in den Monologen ein sehr menschliches Bild<br />
von Elisabeth zeichnet. «Ihre Leistung verdient<br />
Bewunderung. Sie hat immerhin knapp<br />
45 Jahre regiert, hat den Frieden durchgesetzt,<br />
hat eine einmalige kulturelle Hochblüte<br />
installieren können – sie ist eine Lenkerin<br />
gewesen. Zwar wird ihr Wesen als extrem<br />
schwankend beschrieben. Doch sie hat aus<br />
der Not eine Tugend gemacht …»<br />
Andreas Schiendorfer<br />
�<br />
�<br />
«Maria Stuart» von Friedrich Schiller.<br />
Regie Barbara Frey, Bühne Bettina Meyer,<br />
Kostüme Bettina Munzer, Premiere am<br />
1 . September 200 im Schiffbau/Halle 1.<br />
Ein ausführliches Interview mit<br />
Barbara Frey finden Sie unter<br />
www.credit-suisse.com/bulletin.<br />
� www.schauspielhaus.ch<br />
Fotos: EvaMaria Züllig | Joël Tettamanti
Joël Tettamanti, «Ilulissat », 2008, C-Print auf Aluminium, 125 x 160 cm, Exemplar 3/3.<br />
Sammlung <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong>, ausgestellt in der Geschäftsstelle Badenerstrasse 50, Zürich.<br />
Abbildung courtesy of the artist.<br />
Ilulissat trifft Zürich<br />
In kräftigen Farben, doch seltsam stillgestellt, überzieht die Siedlung Ilulissat<br />
einenflachenBergrückenandergrönländischenKüste:DreiReihenlupen-<br />
rein eingefärbter Blockbauten an der dem Meer abgewandten Flanke werden<br />
von einem Dutzend ebenso bunt gewürfelter Häuser auf der Hügelkuppe<br />
bekrönt.EisigblauziehtsichhinterihnendasPolarmeermitseinenEisbergenindieFerne.WiekönnenFarbenaneinemOrt,wodieSonneknappist,dergestalt<br />
leuchten? Joël Tettamanti, geboren 1977 in Kamerun und aufgewachsen<br />
inderSchweiz,isteinGrenzgängerzwischendenKulturen.Erfotografiert<br />
inallenTeilenderWelt,reistohneReiseführeranunbekannteOrte,andenener<br />
sich durch den Zufall und unvorhersehbare Begegnungen zu stillen, einprägsamen<br />
Bildern inspirieren lässt. Seinen Blick richtet er dabei mit Vorliebe auf<br />
Objekte,mitdenendieMenschenihreLandschaften«möblieren»:absurde<br />
Baugerüste, provisorische Behausungen, verdichtete Wohnblocks, ausufernde<br />
SiedlungenundzeitloseRuinen.FürdieebenwiedereröffneteGeschäfts-<br />
stelle im Zürcher Aussersihl-Quartier hat Tettamanti eine neue Fotoinstallation<br />
erarbeitet,derenWerke–mit«Ilulissat»(2008)alsTeildesEnsembles–<br />
überraschendeBezügezwischenseinenfotografischenErkundungsgängen<br />
schaffen. Mehr Informationen unter www.credit-suisse.com/sponsoring ><br />
Kunst > Sammlung <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> AndréRogger,LeiterFachstelleKunst<br />
Impressum<br />
Herausgeber<br />
<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
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<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> 43<br />
Redaktion<br />
Daniel Huber (Chefredaktor, dhu), Marcus Balogh (mb),<br />
Dorothée Enskog (de), Regula Gerber (rg),<br />
Mandana Razavi (mar), Andreas Schiendorfer (schi),<br />
Michael Krobath (mk)<br />
E-Mail<br />
redaktion.bulletin@credit-suisse.com<br />
Mitarbeit an dieser Ausgabe<br />
Dennis Brandes, Gerd Braune, Valérie Clapasson Fahrni,<br />
Ute Eberle, Christian Etzensperger, Thomas Herrmann,<br />
Anja Hochberg, Uwe Neumann, André Rogger, Teva Streich<br />
Internet<br />
www.credit-suisse.com/bulletin<br />
Marketing<br />
Veronica Zimnic (vz)<br />
Korrektorat<br />
Claudia Marolf, notabene<br />
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<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> Language Services<br />
Gestaltung<br />
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Petra Feusi (Projektmanagement ),<br />
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Inserate<br />
Daniel Baer, Nübruchweg 22, 8605 Gutenswil,<br />
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BeglaubigteWEMF-Auflage2008<br />
148 050<br />
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ISSN 1423-1360<br />
Druck<br />
NZZ Fretz AG /Zollikofer AG<br />
Redaktionskommission<br />
René Buholzer (Head of Public Policy), Monika Dunant (Head<br />
of Communications Private Banking), Urs P. Gauch (Leiter<br />
Firmenkunden Schweiz – Grossunternehmen), Fritz Gutbrodt<br />
(Head Chairman’s Office), Angelika Jahn (Investment Services<br />
& Products), Martin Lanz (Economic Research), Hubert<br />
Lienhard (Asset Management Distribution Services), Andrés<br />
Luther (Head of Group Communications), Charles Naylor<br />
(Head of Corporate Communications), Christian Vonesch<br />
(Head of Private & Business Banking Aarau)<br />
Erscheint im 115. Jahrgang<br />
(5 x pro Jahr in deutscher, französischer, italienischer und<br />
englischer Sprache) Nachdruck von Texten gestattet mit dem<br />
Hinweis «Aus dem bulletin der <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong>».<br />
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Bitte schriftlich und unter Beilage des Original-Zustellcouverts<br />
an Ihre <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> Geschäftsstelle oder an:<br />
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Sie bedeutet kein Angebot und keine Aufforderung seitens<br />
der <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> zum Kauf oder Verkauf von Wertschriften.<br />
H inweise auf die frühere Performance garantieren nicht<br />
notwendigerweise positive Entwicklungen in der Zukunft.<br />
Die Analysen und Schlussfolgerungen in dieser Publikation<br />
wurden durch die <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> erarbeitet und könnten<br />
vor ihrer Weitergabe an die Kunden von <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bereits<br />
für Transaktionen von Gesellschaften der <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
Group verwendet worden sein. Die in diesem Dokument vertretenen<br />
Ansichten sind diejenigen der <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
zum Zeitpunkt der Drucklegung. (Änderungen bleiben vorbehalten.)<br />
<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> ist eine Schweizer Bank.<br />
<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 3/<strong>09</strong>
44 <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
Kadita A. T. Tshibaka<br />
Opportunity International,<br />
Washington/<br />
Illinois<br />
Mit über 400 000 Sparkunden,<br />
einer Million Kreditnehmern<br />
und 800 000 Kunden<br />
im Bereich Mikroversicherung<br />
ist Opportunity<br />
International eine der<br />
grössten Mikrofinanzorganisationen<br />
weltweit. Sie ist<br />
führend, was den Aufbau,<br />
den Besitz und den Betrieb<br />
von regulierten Bankinstituten<br />
für Menschen in Armut<br />
betrifft.<br />
� www.opportunity.org<br />
bulletin 3/<strong>09</strong> <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
Rupert Scofield<br />
FINCA, Washington<br />
FINCA stellt Unternehmern<br />
mit geringem Einkommen<br />
Finanzdienstleistungen zur<br />
Verfügung, damit sie Stellen<br />
schaffen, Vermögenswerte<br />
aufbauen und ihren<br />
Lebensstandard erhöhen<br />
können. FINCA bietet eine<br />
Reihe von Dienstleistungen<br />
wie Kredite, Sparanlagen,<br />
Kreditlebensversicherungen<br />
und Krankenversicherungen<br />
für über 40 000 Kunden<br />
aus 21 Entwicklungsländern.<br />
� www.villagebanking.org<br />
John Tobin<br />
<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong>, Zürich<br />
Die <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> unterstützt<br />
Mikrofinanzprojekte<br />
finanziell und involviert<br />
zudem auch eigene<br />
Mitarbeitende, um die<br />
nötige Kompetenz in der<br />
Branche aufzubauen.<br />
� www.creditsuisse.com/<br />
verantwortung<br />
Von der <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
unterstützte Mikrofinanzprojekte<br />
Landesweite Programme<br />
Regionale Programme<br />
Weltweit<br />
María Otero<br />
ACCION, Washington<br />
ACCION International ist<br />
eine der führenden<br />
gemeinnützigen Organisationen<br />
im Mikrofinanzsektor.<br />
ACCION führt<br />
Programme durch mit<br />
dem Ziel, benachteiligten<br />
Menschen Mittel zur<br />
Verfügung zu stellen, um<br />
sich aus der Armut zu<br />
befreien.<br />
� www.accion.org<br />
Urs Egger<br />
Swisscontact, Zürich<br />
Swisscontact unterstützt<br />
kleine und mittlere<br />
Unternehmen (KMU) in<br />
über 20 Ländern durch<br />
Beratung und Ausbildung.<br />
Die Organisation fördert<br />
die Kompetenz von Finanzintermediären,<br />
um<br />
Finanzdienstleistungen<br />
zur Unterstützung<br />
des Wachstums von KMU<br />
bereitzustellen.<br />
� www.swisscontact.ch
Illustration: Photodisc<br />
Expertenrunde Mikrofinanz<br />
Am Anfang war der Wille<br />
Noch heute begegnen viele der Armut wie einer gottgegebenen Realität. Doch es gibt auch<br />
jene, die willens sind, nach effektiven Wegen aus der Armut zu suchen. Die Mikrofinanz scheint ein<br />
solcher Weg zu sein. bulletin hat mit den Leitern der vier Partnerorganisationen der <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
im Bereich Mikrofinanz und mit John Tobin, Leiter Public Policy/Sustainability Affairs bei der<br />
<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong>, über die verschiedenen Ansätze und Entwicklungen der Branche gesprochen.<br />
bulletin: Was entgegnen Sie Kritikern, die<br />
eine Welt ohne Armut für reines Wunschdenken<br />
halten?<br />
Kadita A. T. Tshibaka: Ich bin in der Demokratischen<br />
Republik Kongo aufgewachsen<br />
und kenne die ernüchternde Realität der Herausforderungen,<br />
weiss aber auch, was für<br />
Veränderungen möglich sind. Ich lade Kritiker<br />
ein, einige Zeit mit den Menschen zu verbringen,<br />
die irgendwo auf der Welt kämpfen, um<br />
dem Teufelskreis der Armut zu entkommen.<br />
Dann werden sie nämlich auf allen Ebenen<br />
viel Begeisterung, Einfallsreichtum und intellektuelles<br />
Potenzial entdecken.<br />
Rupert Scofield: Wir verfügen eindeutig über<br />
die technischen, personellen und technologischen<br />
Möglichkeiten, die Armut noch zu<br />
unseren Lebzeiten aus der Welt zu schaffen.<br />
Urs Egger: Die Bekämpfung der Armut ist<br />
das übergreifende Ziel der internationalen<br />
Entwicklungshilfe. Es kann jedoch nur erreicht<br />
werden, wenn die Anstrengungen auf<br />
nationaler und internationaler Ebene koordiniert<br />
werden. Die Triebfeder für soziale und<br />
wirtschaftliche Entwicklung ist die Initiative<br />
des Einzelnen.<br />
John Tobin: Die bisherige Entwicklung beweist<br />
das Gegenteil. In vielen Teilen Westeuropas,<br />
Nordamerikas und Südostasiens<br />
herrschte grosse Armut. Heute sind diese<br />
Regionen wohlhabend.<br />
María Otero: Die Mikrofinanz hat bereits bewiesen,<br />
dass auch Arme kreditwürdig sind<br />
und dass sie als Branche das Anlegerinteresse<br />
verdient. Gegenwärtig richtet sich das<br />
Angebot an 50 bis 100 Millionen Unternehmer,<br />
es könnten aber zwischen 750 Millionen<br />
und einer Milliarde weltweit sein. Daher müssen<br />
wir das System schnell ausweiten.<br />
Wie hat sich die Mikrofinanzbranche in<br />
den letzten zehn Jahren verändert ?<br />
María Otero: Die Mikrofinanz wurde von<br />
einem nur Eingeweihten bekannten Entwick<br />
lungshilfeinstrument zu einem geläufigen<br />
Begriff: Sie wurde von den Vereinten Nationen<br />
anerkannt und mit dem Friedensnobelpreis<br />
ausgezeichnet. Das Geschäftsmodell<br />
wurde als Möglichkeit anerkannt, Menschen<br />
nachhaltig zu helfen. Und die Mikrofinanz hat<br />
sich zu einer eigenen Branche entwickelt.<br />
Rupert Scofield: Das ist in der Tat die grösste<br />
Veränderung. Die Branche verzeichnet bislang<br />
Millionen von Kunden, Tausende von<br />
Instituten, die Finanzdienstleistungen anbieten,<br />
und Hunderte von Milliarden Dollar, die<br />
in Mikrofinanzprojekte investiert wurden.<br />
Urs Egger: Viele Mikrofinanzinstitute (MFI)<br />
haben ein Qualitätsniveau erreicht, das ihnen<br />
heute Zugang zu Mitteln internationaler<br />
«Ich kenne die ernüchternde<br />
Realität der Herausfor-<br />
derungen, weiss aber auch,<br />
was für Veränderungen<br />
möglich sind.»<br />
Kadita A. T. Tshibaka<br />
Fonds gewährt. Das zeigt, dass sie ihre betrieblichen<br />
Abläufe verbessert und sich verstärkt<br />
an den Märkten ausgerichtet haben.<br />
Kadita A. T. Tshibaka: Die Branche hat sich<br />
enorm gewandelt: Kredite sind flexibler,<br />
Sparpläne und Versicherungen gehören nun<br />
auch zur Angebotspalette der Institute, die<br />
ihre Kunden bei der Lösung wirtschaftlicher<br />
Schwierigkeiten unterstützen wollen. Denn<br />
wenn Unvorhergesehenes eintritt, drohen die<br />
Kunden ohne Ersparnisse und Versicherungen<br />
wieder in die Armut zurückzufallen.<br />
John Tobin: Das Wachstum der Branche<br />
erfolgte explosionsartig. Auch das Interesse<br />
unserer Private BankingKunden hat stark<br />
zugenommen, besonders seitdem Mikrokredite<br />
finanzielle und soziale Anlage in einem ><br />
<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> 45<br />
Ausbildungsprogramme<br />
im Bereich Mikrofinanz<br />
Der Mikrofinanzsektor ist in<br />
den letzten Jahren exponentiell<br />
gewachsen. Trotz Zugang<br />
zu Milliarden von Dollars und<br />
trotz der anhaltenden Nachfrage<br />
nach Dienstleistungen<br />
fehlt es an qualifizierten<br />
Mitarbeitenden, um mit dem<br />
Wachstum der Branche<br />
Schritt zu halten. Deshalb<br />
hat die <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> die<br />
Microfinance Capacity Building<br />
Initiative ins Leben<br />
gerufen. Das Programm verm<br />
ittelt Tausenden von<br />
Mikrofinanzmitarbeitenden<br />
weltweit die nötigen Kompetenzen<br />
und ermöglicht Menschen<br />
am unteren Ende der<br />
Einkommenspyramide einen<br />
besseren Zugang zu Bankdienstleistungen.<br />
Die <strong>Credit</strong><br />
<strong>Suisse</strong> arbeitet dabei mit<br />
ihren vier Partnerorganisationen<br />
zusammen, um Forschung,<br />
Innovation und den<br />
konstruktiven Dialog zu<br />
fördern, bewährte Methoden<br />
zu verbreiten und neue<br />
Lösungen für den Zugang<br />
zu Finanzdienstleistungen<br />
zu erarbeiten.<br />
�<br />
www.credit-suisse.com/verantwortung<br />
<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 3/<strong>09</strong>
46 <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
sind. Sozial verantwortliche Investments sind<br />
inzwischen eine wichtige Anlageklasse.<br />
Mikrokredite werden also zu einer aner-<br />
kannten Anlageform. Wird dies alle Akteure<br />
in der Mikrofinanzbranche betreffen?<br />
Rupert Scofield: In der Branche findet man<br />
gegenwärtig zwei Arten von Akteuren. Da<br />
sind einmal diejenigen, für die Mikrokredite<br />
ein weiterer Geschäftszweig sind – und für<br />
die macht es Sinn, gewinnorientiert zu arbeiten.<br />
Zum anderen gibt es aber auch Organisationen,<br />
die Mikrokredite als Waffe im<br />
Kampf gegen die Armut betrachten.<br />
John Tobin: Es ist nicht nötig, dass alle MFI<br />
jetzt Gewinn abwerfen. Einige von ihnen werden<br />
weiterhin gemeinnützig bleiben, wohingegen<br />
andere wie privatwirtschaftliche Unternehmen<br />
geführt werden.<br />
«Wir verfügen eindeutig<br />
über die technischen, personellen<br />
und technologischen<br />
Möglichkeiten, die Armut<br />
noch zu unseren Lebzeiten<br />
aus der Welt zu schaffen.»<br />
Rupert Scofield<br />
María Otero: Gemeinnütziges Engagement<br />
von Einzelpersonen und Unternehmen ist<br />
weiterhin unabdingbar, um das Anfangskapital<br />
für neue Märkte zusammenzubringen.<br />
Aber ein Mikrofinanzinstitut kann nur dann<br />
gross genug werden, um umfassende Finanzdienstleistungen<br />
anzubieten, wenn es<br />
selbst Gewinn erwirtschaftet.<br />
Kadita A. T. Tshibaka: Nachhaltigkeit und<br />
Eigenverantwortung sind wichtige Aspekte<br />
für die gesamte Branche. Wäre sie ausschliesslich<br />
gewinnorientiert, fiele es ihr viel<br />
schwerer, die Menschen am unteren Ende<br />
der Einkommenspyramide zu erreichen.<br />
Urs Egger: Wir glauben, dass Rentabilität<br />
ein Kriterium für die Nachhaltigkeit eines<br />
Wirtschaftssubjekts ist. Daher sollten auch<br />
MFI mittelfristig rentabel werden.<br />
Welchen Ansatz verfolgt Ihre eigene<br />
Organisation?<br />
María Otero: Wir verfolgen den ‹gewinnorientierten›<br />
Ansatz. Wir leisten technische<br />
Hilfestellung und stellen Mittel zur Verfügung,<br />
um MFI, die rentabel und nachhaltig<br />
sind oder die mittelfristig in der Lage sein<br />
werden, Geld am Kapitalmarkt aufzunehmen,<br />
bei ihrer Entwicklung zu helfen. Wir legen<br />
unseren Schwerpunkt auf Innovationen.<br />
Rupert Scofield: Unsere Kunden befinden<br />
bulletin 3/<strong>09</strong> <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
sich am unteren Ende der Einkommenspyramide.<br />
Daher bemühen wir uns, ihnen die<br />
Früchte ihrer Arbeit zu belassen. Wir geben<br />
uns also mit einer geringeren Kapitalrendite<br />
zufrieden. Wir suchen folglich auch Anleger,<br />
die dasselbe Ziel verfolgen: die sich also mit<br />
einer angemessenen, dennoch attraktiven<br />
Rendite bescheiden, weil ihnen eine hohe<br />
soziale Rendite ebenso wichtig ist.<br />
Kadita A. T. Tshibaka : Wir legen bei unserer<br />
Tätigkeit stets Wert auf Nachhaltigkeit. Da<br />
wir eigene regulierte Geschäftsbanken für<br />
die Armen gründen und betreiben, erreichen<br />
wir mit unserer Geschäftstätigkeit Kunden<br />
aus zahlreichen unterschiedlichen Schichten.<br />
Unser Mikrofinanzansatz, der auf das Sparen<br />
ausgerichtet ist, bietet unseren Kunden<br />
eine Absicherung ihrer Einnahmen und hilft<br />
uns zudem, nachhaltig zu arbeiten.<br />
Urs Egger: Wir haben uns auf die Aus und<br />
Weiterbildung von Führungskräften in MFI<br />
und Kleinbetrieben spezialisiert. Die speziell<br />
auf die Privatwirtschaft ausgerichtete Entwicklungsstrategie<br />
erlaubt es Finanzdienstleistern<br />
und deren Kunden, die Geschäftsergebnisse<br />
zu optimieren. Wir stellen kein<br />
Kapital zur Verfügung, nur der Wissenstransfer<br />
wird erleichtert.<br />
John Tobin: Die <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> ist zwar kein<br />
MFI, aber wir sind in der Mikrokreditbranche<br />
in vielfacher Hinsicht engagiert. Hier unterscheiden<br />
wir uns von vielen Wettbewerbern:<br />
Dank der Zusammenarbeit mit dem respons<br />
AbilityFonds sind wir führend in Mikrofinanzanlagen.<br />
Ebenfalls erfolgreich sind wir<br />
bei Börseneinführungen von MFI. Zudem<br />
setzen wir uns dafür ein, dass sich das technische<br />
Knowhow in den MFI verbessert. Mit<br />
«Ein Mikrofinanzinstitut<br />
kann nur dann gross genug<br />
werden, um umfassende<br />
Finanzdienstleistungen<br />
anzubieten, wenn es selbst<br />
Gewinn erwirtschaftet.»<br />
María Otero<br />
unserer Microfinance Capacity Building Initiative<br />
(siehe Box) stärken wir die Branche.<br />
Spielt es für die Kreditnehmer eine<br />
Rolle, ob das Kapital aus gemeinnütziger<br />
oder privatwirtschaftlicher Quelle stammt ?<br />
Kadita A. T. Tshibaka: Wichtiger als die Herkunft<br />
des Kapitals ist den Kunden, dass wir<br />
sie zu jeder Zeit als gleichberechtigte Partner<br />
behandeln.<br />
Urs Egger: Wir glauben, dass das beste Fundament<br />
für MFI Spareinlagen vor Ort sind.<br />
Wenn das Kapital des MFI aus Spendengeldern<br />
besteht, ist die Versuchung jedoch<br />
gross, wirtschaftlich nicht lebensfähige Projekte<br />
zu finanzieren.<br />
Rupert Scofield: Für Mikrokreditnehmer<br />
sind die Kreditbedingungen und das langfristige<br />
Engagement des MFI wichtig. Selbst<br />
Organisationen, die über einen hohen Prozentsatz<br />
an Hilfsgeldern verfügen, dürfen<br />
diese nicht dazu benutzen, um die Zinssätze<br />
zu senken.<br />
María Otero: Die Hauptsorge der Kreditnehmer<br />
ist wohl eher, ob sie einen Kredit erhalten<br />
und genügend erwirtschaften, um ihren<br />
Kindern eine Ausbildung zu finanzieren ...<br />
Wie können sich internationale Konzerne<br />
am Kampf gegen die Armut beteiligen?<br />
John Tobin: Internationale Konzerne müssen<br />
ihr gemeinnütziges Engagement strategisch<br />
ausrichten. Bevor wir ein Projekt im Bereich<br />
Corporate Citizenship unterstützen, setzen<br />
wir uns intensiv mit der jeweiligen Problematik<br />
auseinander. Wir suchen nach den optimalen<br />
Partnern und definieren frühzeitig und<br />
gemeinsam die Ziele. Wir legen grossen Wert<br />
darauf, mit unseren Partnern in einen konstruktiven<br />
Dialog zu treten. So profitieren<br />
auch unsere eigenen Abteilungen vom Erfahrungsaustausch.<br />
Kadita A. T. Tshibaka: Internationale Konzerne<br />
sind in der Lage, Technologien zu<br />
entwickeln, die es ermöglichen, Personen<br />
Bankdienstleistungen anzubieten, die bisher<br />
keinen Zugang zu ihnen hatten. Daneben<br />
können wir ihre Kompetenz zur Schulung der<br />
neuen Generation von Unternehmern in den<br />
Entwicklungsländern nutzen, die sich ihrer<br />
sozialen Verpflichtung bewusst sind.<br />
Urs Egger: Die soziale Verantwortung<br />
grosser Konzerne führt dazu, dass die Verringerung<br />
von Armut in das Geschäftsmodell<br />
vieler dieser Firmen integriert wird. Unternehmen<br />
der Finanzbranche können MFI zudem<br />
Finanzprodukte anbieten.<br />
María Otero: Die Mikrofinanzbranche braucht<br />
diese Unternehmen, um an Grösse zu gewinnen.<br />
Die Konzerne wiederum müssen eine<br />
Gewinnmöglichkeit sehen, wenn sie sich beteiligen<br />
sollen. Die Mittel aus der Privatwirtschaft<br />
würden den Armen helfen, und die<br />
MFI, die Gewinn erzielen, hätten dann das<br />
nötige Kapital, um noch mehr Menschen Kredite<br />
und Finanzdienstleistungen anzubieten.<br />
Rupert Scofield: Der Beitrag, der mir am<br />
wichtigsten erscheint, ist, zusammen mit MFI
Foto:<br />
<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
einen Weg zu finden, um die Mikrokreditnehmer<br />
in die normale Wirtschaft zu integrieren,<br />
indem sie diesen Unternehmern entweder<br />
Dienstleistungen anbieten oder ihre Produkte<br />
abkaufen oder sich sonst auf eine Weise an<br />
deren Unternehmen beteiligen.<br />
Welchen Beitrag kann die Politik in<br />
diesem Kampf leisten?<br />
Urs Egger: Die Regierungen in den Entwicklungsländern<br />
sollten ein angemessenes<br />
Umfeld für den Kampf gegen die Armut<br />
schaffen, etwa indem sie der Bevölkerung,<br />
auch den Armen, eine minimale schulische<br />
Ausbildung ermöglichen. Sie sollten die Infrastrukturen<br />
ausbauen und eine Steuerund<br />
Handelspolitik betreiben, die die Privatwirtschaft<br />
stützt. Die Industrieländer sind<br />
aufgerufen, ihre Märkte für Güter aus den<br />
Entwicklungsländern zu öffnen.<br />
«Die soziale Verantwortung<br />
grosser Konzerne führt<br />
dazu, dass die Verringerung<br />
von Armut in das Geschäftsmodell<br />
vieler dieser Firmen<br />
integriert wird.»<br />
Urs Egger<br />
Rupert Scofield: Politiker sowohl in Entwicklungsländern<br />
als auch in den reichen Ländern<br />
müssen den politischen Willen aufbringen,<br />
den Kampf gegen die Armut ganz oben auf<br />
ihre Traktandenliste zu setzen. Für viele Entwicklungsländer<br />
bedeutet dies, gesetzliche<br />
Regeln entsprechend anzupassen.<br />
Kadita A. T. Tshibaka: Es ist an den Regierungen<br />
in den Entwicklungsländern, die<br />
notwendige Infrastruktur zu schaffen, damit<br />
die MFI mehr Menschen möglichst effizient<br />
erreichen. Gesetzliche Regelungen müssen<br />
den Besonderheiten von MFI Rechnung<br />
tragen.<br />
John Tobin: Nichtstaatliche Organisationen,<br />
Konzerne und Regierungen müssen gemeinsam<br />
die Rahmenbedingungen festlegen, um<br />
die richtigen Anreize zu schaffen, damit die<br />
Mikrokredite für die Verbesserung der Lebensumstände<br />
von Millionen von Menschen<br />
entwickelt und gefördert werden.<br />
María Otero: Wenn beispielsweise Entwicklungsländer<br />
Zinsobergrenzen festlegen oder<br />
aus parteipolitischen Gründen eigene Billigangebote<br />
im MFBereich anbieten, können<br />
Mikrofinanzprojekte torpediert werden, da<br />
kleine Kredite relativ hohe Kosten verursachen.<br />
Industrieländer wie die USA können<br />
dabei ihren Einfluss geltend machen, damit<br />
den multilateralen Organisationen ein Mitspracherecht<br />
bei der Ausgestaltung der entsprechenden<br />
gesetzlichen Regelungen eingeräumt<br />
wird. Ohne derartige Regelungen<br />
werden sich Finanzinstitute nämlich nicht im<br />
Mikrofinanzbereich engagieren.<br />
Und noch eine letzte Frage: Wie sieht<br />
Ihrer Meinung nach die zukünftige<br />
Entwicklung der Mikrofinanzbranche aus?<br />
Rupert Scofield: Dazu müssen wir zunächst<br />
einmal festhalten, wie viele Kunden die Branche<br />
gegenwärtig bedient. Aktuelle Schätzungen<br />
nennen meines Wissens 154 Millionen.<br />
In absehbarer Zukunft wird sich ihre<br />
Zahl auf mehr als 300 Millionen erhöhen.<br />
Dann hätten wir 1,5 Milliarden Menschen, die<br />
am unteren Ende der Einkommenspyramide<br />
stehen, in den normalen Finanzsektor integriert.<br />
Dieses Ziel wird die Mikrofinanzbranche<br />
aber am ehesten durch eine stärkere<br />
privatwirtschaftliche Ausrichtung erreichen.<br />
John Tobin: Wir sind überzeugt, dass sie<br />
weiter wachsen wird – zum Vorteil von MFI,<br />
Kreditnehmern und Investoren.<br />
Urs Egger: Auch ich bin überzeugt, dass die<br />
Mikrofinanz auf einem breiteren Fundament<br />
stehen wird mit nachhaltigeren Mikrofinanzinstituten.<br />
Neben ihrem Angebot für Arme<br />
sollten diese Institute auch Finanzprodukte<br />
für kleine und mittelständische Unternehmen<br />
entwickeln. Nur mit derartigen Unternehmen<br />
können die Probleme wie Arbeitslosigkeit<br />
und fehlende Perspektiven in unseren Partnerländern<br />
gelöst werden.<br />
María Otero: Wenn wir den gewinnorientierten<br />
Ansatz weiterverfolgen, die Kapitalmärkte<br />
anzapfen und das Angebot ausweiten,<br />
können wir Millionen armer Unternehmer<br />
unterstützen und beträchtliche Fortschritte<br />
beim Aufbau eines Finanzsystems machen,<br />
das niemanden ausschliesst.<br />
Kadita A. T. Tshibaka: In dem Mass, wie die<br />
Branche sich etabliert, steigt auch die Gefahr,<br />
dass sie sich immer stärker auf kreditwürdige<br />
Kunden konzentriert. Es muss jedoch<br />
unser Hauptanliegen bleiben, für die da<br />
zu sein, die unsere Hilfe am nötigsten haben,<br />
die aus ihrer Heimat vertrieben wurden, die<br />
in ländlichen Gebieten leben oder die von<br />
traditionellen Banken als kreditunwürdig<br />
betrachtet werden. Nur wenn wir dieses Ziel<br />
nicht aus den Augen verlieren, können wir<br />
eine Welt schaffen, in der auch Arme einen<br />
Zugang zum Wirtschaftsleben haben und in<br />
der sie hoffen dürfen, ihre Armut einmal<br />
hinter sich zu lassen. Mandana Razavi<br />
<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> 4<br />
Die <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> und Mikrofinanz<br />
Die <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
engagiert sich bereits seit<br />
2001 in der Mikrofinanz und<br />
war entscheidend an der<br />
Gründung der responsAbility<br />
Social Investments AG beteiligt.<br />
Gegenwärtig sind<br />
Gelder aus dem responsAbility<br />
Global Microfinance<br />
Fund in mehr als 200 MFI in<br />
43 Ländern investiert und<br />
erreichen damit mehr als<br />
300 000 Kleinstunternehmer.<br />
Die <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bietet auch<br />
diverse Beratungsdienstleistungen<br />
im Mikrofinanzsektor<br />
an, wie etwa beim<br />
Börsengang der Banco Compartamos<br />
im April 200 –<br />
dem ersten Börsengang in<br />
der Mikrofinanzbranche<br />
überhaupt. Vom 11. Juni bis<br />
2. Juli 200 gastierte<br />
die Wanderausstellung mit<br />
dem Titel «Mikrofinanz –<br />
Eine Investition, die Chancen<br />
schafft» im <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
Lichthof am Paradeplatz<br />
Zürich. An der Ausstellung<br />
erhielten Besucher einen<br />
Einblick in die Funktionsweise<br />
und die Erfolgsgeschichte<br />
der Mikrofinanz.<br />
� Bestellen Sie mittels Talon im Heft<br />
kostenlos die DVD «Mikrofinanz – Eine<br />
Investition in die Entwicklung der Welt».<br />
<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 3/<strong>09</strong>
48 <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
Umbau für ein gutes Klima<br />
Die <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> baut ihr grösstes Bürogebäude, den Uetlihof Zürich, nach<br />
dem umwelt und gesundheitsschonenden Baustandard MinergiePECO<br />
aus. 2000 Arbeitsplätze werden vom Stadtzentrum ins neue Gebäude verlegt.<br />
Bei eisiger Kälte hat im Dezember 2008<br />
der umweltgerechte Rückbau des Uetlihof 2<br />
(UH2) in Zürich begonnen. Vor dem Hintergrund<br />
der Arbeitsplatzzentrierung im Rahmen<br />
der Raumstrategie Zürich – die Stadtarbeitsplätze<br />
werden weitgehend an die Peripherie<br />
verlegt – wird auf dem Fundament des UH 2<br />
das grösste Bürogebäude der Schweiz<br />
e rbaut, das nach dem umweltschonenden<br />
Standard MinergiePECO zertifiziert werden<br />
soll. Mit der Grundsteinlegung am 22. Juni<br />
erfolgte der offizielle Spatenstich für den<br />
Neubau. Bis Herbst 2011 sollen über 2000<br />
Arbeitsplätze in das neue Gebäude verlegt<br />
werden. In weiteren Phasen werden der<br />
Haupteingang des Uetlihofs 1 (UH 1), die<br />
Bankgeschäftsstelle sowie das Auditorium<br />
den heutigen Bedürfnissen angepasst.<br />
1<br />
2 3<br />
Die neuen Arbeitsplätze werden nach modernsten<br />
Erkenntnissen ausgebaut. Neben<br />
Abgrenzungen und Arbeitsnischen werden<br />
auch offene Flächen geschaffen, wo Kommunikation<br />
und Austausch stattfinden kann.<br />
Ziel ist eine Arbeitsumgebung, die Raum<br />
für Innovation und Spontaneität lässt. Bahnbrechend<br />
am neuen Haus ist aber vor allem<br />
die geplante Zertifizierung nach Minergie<br />
PECO. Der neue UH 2 wäre, wie gesagt,<br />
das grösste so zertifizierte Bürogebäude<br />
des Landes. Das Vorhaben bedingt, dass<br />
beim Bau sämtliche Vorgaben des Labels<br />
eingehalten werden. Diese beinhalten unter<br />
anderem: eine kompakte Gebäudeform, hochwärmedämmende<br />
Aussenbauteile, energieeffiziente<br />
Fenster, stetige Lufterneuerung,<br />
optimale Beleuchtung und energieeffiziente<br />
Bürogeräte. Ein jährlicher Heizölverbrauch<br />
von maximal 3 Litern/m 2 ist der umweltschonende<br />
Gewinn solcher Passivhäuser.<br />
Zur Beheizung des UH lässt sich noch einiges<br />
mehr sagen; so wird der neue Gebäudekomplex<br />
grundsätzlich über Abwärme aus<br />
dem Rechenzentrum geheizt. Mit dem Wärmeüberschuss,<br />
der über das Jahr hinweg im<br />
UH anfällt, wird zusätzlich ein lokaler Wärmeverbund<br />
beliefert. Beispielsweise beziehen<br />
das nahegelegene Strassenverkehrsamt,<br />
rund 400 PensionskassenLiegenschaften<br />
und die Migros Brunaupark ganzjährig Wärme<br />
vom UH.<br />
Die <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> hat sich mit der bankweiten<br />
Initiative <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> Cares for<br />
Climate verpflichtet, die natürlichen Ressourcen<br />
der Erde zu schonen, die Energiekosten<br />
des Betriebs tief zu halten und gezielt<br />
den Einsatz von erneuerbaren Energien zu<br />
fördern. Damit möchte sie eine Vorbildfunktion<br />
und Verantwortung wahrnehmen sowie<br />
einen messbaren Beitrag zur Erreichung der<br />
weltweiten Klimaschutzverpflichtungen leisten.<br />
Die <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> kommt diesen Zielen<br />
mit dem neuen UH 2 einen grossen Schritt<br />
1 und 2 Spatenstich am 22. Juni mit der Zürcher Stadträtin Kathrin Martelli sowie – von Seiten der <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> – Martin Kull, Rolf Krummenacher, Luther Terry,<br />
Josef Meier und Daniel Bucheli (von links). 3 2000 zusätzliche Arbeitsplätze: der Erweiterungsbau Uetlihof 2 in Zürich als computersimuliertes Bild.<br />
bulletin 3/<strong>09</strong> <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
Fotos: Rainer Wolfsberger | <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> | Antonin Kratochvil, ICRC, Vll
näher. Die zusätzliche Zertifizierung nach<br />
Minergie ECO garantiert zudem, dass<br />
Bauweise und Baumaterialien hohe gesundheitliche<br />
und ökologische Qualitätsstandards<br />
erfüllen. Dazu gehören beispielsweise<br />
optimierte Tageslichtverhältnisse,<br />
geringe Lärmemissionen, minimale Schadstoffbelastungen<br />
der Raumluft und allgemein<br />
ein zuträgliches Raumklima. Den Mitarbeitenden<br />
der <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> werden<br />
damit gesunde Arbeitsplätze zur Verfügung<br />
gestellt. Valérie Clapasson Fahrni<br />
Energieeffizienzwoche<br />
Im März 200 fand im UH 1<br />
eine Energieeffizienzwoche<br />
statt, die mit 800 Besuchenden<br />
regen Zuspruch fand.<br />
Die Mitarbeitenden konnten<br />
sich mit dem Erweiterungsbau<br />
des UH 2 vertraut<br />
machen und über den interaktiven<br />
Wattrechner ihre<br />
persönliche Energiebilanz<br />
ausrechnen. Je nach<br />
Mobilität, Wohnform oder<br />
Essverhalten wurde dort<br />
ersichtlich, wie viel Energie<br />
sie täglich verbrauchen<br />
und wo Sparpotenzial<br />
besteht. Beraten wurden<br />
sie dabei von Spezialisten<br />
des internen Kompetenzzentrums<br />
für betriebliches<br />
Energie- und Umweltmanagement<br />
sowie von<br />
Experten vom Verein Minergie<br />
und dem Elektrizitätswerk<br />
der Stadt Zürich.<br />
Ziel der Stadt ist es, bis<br />
2050 einen Maximal-Pro-<br />
Kopf-Verbrauch von 2000<br />
Watt zu erreichen. Weniger<br />
Energie soll durch Sparen<br />
und effizientere Haushaltgeräte<br />
verbraucht werden,<br />
und um den CO2-Ausstoss<br />
zu verringern, will man von<br />
fossilen auf erneuerbare<br />
Energien umsteigen.<br />
Our World – Your Move:<br />
Zeit, zu handeln!<br />
�<br />
<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> 4<br />
20<strong>09</strong> ist ein wichtiges Jahr für das Rote Kreuz und den Roten Halbmond:<br />
Gleich drei grosse Jubiläen stehen an. Doch statt zu feiern, wurde eine<br />
neue Kampagne lanciert: Mit «Our World – Your Move» will man die Menschen<br />
weltweit zum Handeln und Helfen aufrufen.<br />
Am 24. Juni 1859 stellten sich französische<br />
und italienische Truppen bei Solferino gegen<br />
die österreichische Besatzungsmacht. Mehr<br />
als 40 000 Soldaten wurden verletzt oder<br />
getötet. Die Verwundeten liess man ohne<br />
Nahrung, Wasser und medizinische Versorgung<br />
auf dem Schlachtfeld zurück. Der<br />
Schweizer Geschäftsmann Henry Dunant,<br />
der zu diesem Zeitpunkt Italien bereiste,<br />
wurde Zeuge dieses Krieges und entschloss<br />
sich kurzerhand, den Verwundeten zu helfen,<br />
gleichgültig, auf welcher Seite sie gekämpft<br />
hatten. Geprägt durch die Erlebnisse in Norditalien<br />
schrieb Dunant in seinem Buch «Eine<br />
Erinnerung an Solferino»: «Alle können auf<br />
die eine oder andere Weise, jeder in seinem<br />
Kreise und seiner Kraft gemäss, irgendetwas<br />
zu diesem guten Werke beitragen.»<br />
Dunant plädierte für die Gründung einer<br />
neutralen, unparteiischen Organisation zum<br />
Schutz der Kriegsverletzten, aus der später<br />
das IKRK hervorgehen sollte. Er regte auch<br />
die Bildung von freiwilligen Hilfsgesellschaften<br />
für die Verwundetenpflege an. Diese<br />
Gesellschaften sollten durch internationale<br />
Verträge abgesichert werden. Daraus entwickelten<br />
sich die Genfer Konventionen, deren<br />
60jähriges Bestehen im August dieses Jahres<br />
gefeiert wird.<br />
Die Herausforderungen unserer Zeit<br />
Jeden Tag leiden tausende von Menschen<br />
auf der ganzen Welt unter Krieg, Hunger,<br />
Armut, Verfolgung, zerrissenen Familienbanden,<br />
Klimawandel und Naturkatastrophen.<br />
Um an diese traurige Realität zu erinnern und<br />
die Öffentlichkeit zum Handeln zu bewegen,<br />
hat die grösste humanitäre Organisation im<br />
Mai die Kampagne «Our World –Your Move»<br />
lanciert, die von der <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> als Mitglied<br />
der ICRC Corporate Support Group unterstützt<br />
wird.<br />
Menschen aus aller Welt sind aufgerufen,<br />
zu handeln und nach Lösungen für die humanitären<br />
Herausforderungen unserer Zeit<br />
zu suchen. Weitere Informationen, darunter<br />
«Our World – At War »: Gezeigt werden Fotos,<br />
die während Reisen in krisengeschüttelte Länder<br />
entstanden sind – aufgenommen von den Kriegsfotografen<br />
James Nachtwey, Ron Haviv, Christopher<br />
Morris, Franco Pagetti und Antonin Kratochvil.<br />
auch persönliche Berichte, Fotos, Videos und<br />
Blogs, in denen die Arbeit von Freiwilligen<br />
geschildert wird, finden sich auf der Website<br />
www.ourworldyourmove.org.<br />
Jakob Kellenberger, Präsident des IKRK,<br />
unterstreicht die Bedeutung der Kampagne,<br />
die gerade in Zeiten der Wirtschaftskrise<br />
besonders wichtig ist: «Es liegt in unserer<br />
Verantwortung, die Welt zu einem besseren<br />
Ort zu machen. Jeder Einzelne von uns kann<br />
einen Beitrag leisten und anderen helfen,<br />
indem er etwa ein wenig Zeit mit einem<br />
älteren Nachbarn verbringt oder einer durch<br />
Krieg obdachlos gewordenen Familie Nahrung<br />
und Unterkunft bietet.»<br />
Fotoausstellung «Our World – At War»<br />
Teil der Kampagne «Our World – Your Move»<br />
ist auch eine Fotoausstellung mit dem Titel<br />
«Our World – At War ». Das IKRK hat sie zusammen<br />
mit fünf der wohl bekanntesten<br />
Kriegsfotografen der Gegenwart, die alle für<br />
die VII Photo Agency in New York arbeiten,<br />
ausgerichtet. Mandana Razavi<br />
Informationen zu Kampagne und<br />
Fotoausstellung finden Sie unter<br />
www.ourworld-yourmove.org.<br />
<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 3/<strong>09</strong>
50 <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
Verkehrshaus Luzern<br />
EscherStatue für Verkehrshaus<br />
Im Rahmen eines Besuchs der Zentralschweiz am 6. Mai<br />
machte Brady W. Dougan (links im Bild) auch kurz im<br />
Verkehrshaus<br />
Luzern Halt. Begleitet von Werner Raschle,<br />
Regional Head Zentralschweiz der <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> (Mitte),<br />
und Roger Suter, dem neuen Regionenleiter Private<br />
Clients, überreichte Dougan im Namen der <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
Foundation dem Verkehrshaus, das dieses Jahr sein<br />
50-jähriges Bestehen feiert, eine Statue von Alfred Escher.<br />
Warum die Skulptur des <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> Gründers<br />
ihren Ehrenplatz ausgerechnet am Eingang zur Gotthardtunnelschau<br />
erhielt, erklärte Daniel Lauterburg, Vertreter<br />
des Verkehrshauses (rechts), den Anwesenden in<br />
seiner Dankesrede: «Escher gründete 1856 die Schweizerische<br />
Kreditanstalt. Was viele jedoch nicht wissen: Der<br />
eigentliche Zweck der neuen Bank bestand darin, den<br />
A usbau des Eisenbahnnetzes zu finanzieren, um die Industrialisierung<br />
der Schweiz voranzutreiben. Alfred Escher<br />
war die Schlüsselfigur beim Bau des Gotthardtunnels.»<br />
Der CEO der <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> zeigte sich beeindruckt von der<br />
Entstehungsgeschichte des berühmten Schweizer Tunnels<br />
und vom Leben Eschers. Auch Janine Händel, Geschäftsleiterin<br />
des Jubiläumsfonds der <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> Foundation,<br />
war erfreut über den neuen Standort der Statue: «Das<br />
Verkehrshaus vermag Alt und Jung zu faszinieren – eine<br />
ideale Plattform für unseren Gründervater.» Mandana Razavi<br />
bulletin 3/<strong>09</strong> <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
Erdbeben in Italien<br />
Sammeln für Opfer in Italien<br />
Die Mitarbeitenden der <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
vermochten im Rahmen einer<br />
Spendenaktion im April 70 000 Euro<br />
für die Erdbebenopfer in Italien<br />
zusammenzutragen. Der KatastrophenhilfeFonds<br />
der <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
erhöhte die Spenden der Mitarbeitenden<br />
darüber hinaus um das<br />
Doppelte, was einer Spende von<br />
140 000 Euro entspricht. Die <strong>Credit</strong><br />
<strong>Suisse</strong> EMEA Foundation steuerte<br />
zusätzliche 13 000 Euro bei und<br />
erhöhte damit den Betrag auf<br />
223 000 Euro. Die Spendengelder<br />
werden für Wiederaufbauprojekte<br />
in den Abruzzen eingesetzt.<br />
Daniela Bertoli<br />
Kunstprojekt für Kinder<br />
Nachwuchskünstler<br />
in der National Gallery<br />
Zusammen mit der gemeinnützigen<br />
Organisation The Place2Be und<br />
der National Gallery ermöglichte<br />
die <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> rund 40 Kindern<br />
aus London die Teilnahme an<br />
einem besonderen Kunstprojekt.<br />
Im vergangenen Herbst besuchten<br />
die Kinder im Rahmen des<br />
Projekts «The Line of Vision» die<br />
National Gallery und bekamen<br />
in den anschliessenden Workshops<br />
Gelegenheit, sich durch die Exponate<br />
der verschiedenen Künstler<br />
zu eigenen Kreationen inspirieren<br />
zu lassen. Seit April können nun<br />
auch die Werke der jungen Nach<br />
wuchskünstler in der National<br />
Gallery bestaunt werden. Sichtlich<br />
erfreut über die kreativen Arbeiten<br />
und den Erfolg des Projekts zeigte<br />
sich Benita Refson, Chief Executive<br />
von The Place2Be: «Ich bin überzeugt,<br />
dass wir durch dieses Projekt<br />
das Selbstvertrauen der Kinder<br />
stärken konnten.» Mandana Razavi<br />
Luzern<br />
Menschenrechtsforum<br />
Schützen die Menschenrechte<br />
Religionen oder schränken sie deren<br />
Freiheit ein? Und finden Religionen<br />
in den Menschenrechten einen<br />
gemeinsamen Nenner oder einen<br />
Streitpunkt ? Diese und ähnliche<br />
aktuelle Fragen wurden am 5. und<br />
6. Mai am diesjährigen Internationalen<br />
Menschenrechtsforum<br />
L uzern (IHRF) von renommierten<br />
Experten aus dem In und Aus<br />
land unter dem Motto «Menschenrechte<br />
und Religionen» diskutiert.<br />
Die <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> fungierte dieses<br />
Jahr erstmals als Partner des IHRF.<br />
Das Forumsprogramm bot<br />
den Teilnehmenden nebst regen<br />
Diskussionen zum eigentlichen<br />
Forumsthema aufschlussreiche<br />
Beiträge zur heutigen Menschenrechtssituation.<br />
Der Anlass wird<br />
jährlich von Studentinnen und<br />
S tudenten der Pädagogischen<br />
Hochschule Luzern in Zusammenarbeit<br />
mit dem UNOHochkommissariat<br />
für Menschenrechte und<br />
dem Eidgenössischen Departe<br />
ment für auswärtige Angelegenheiten<br />
durchgeführt. Fabian Huwyler<br />
Die <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> ist überzeugt, dass die unternehmerische Verantwortung gegenüber<br />
der Gesellschaft und der Umwelt ein wichtiger Faktor für den wirtschaftlichen Erfolg ist.<br />
Fotos: Martin Stollenwerk | <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong>
ulletin plus –<br />
das Heft im Heft für<br />
Schweizer Leser<br />
Risikobewusstes Anlegen ist angesagt<br />
Die gute Nachricht vorweg: Es gibt am Finanz- und Wirtschaftshimmel ermutigende Anzeichen<br />
der Erholung. Nach einer tiefgreifenden globalen Krise ist dies genauso erfreulich<br />
wie wichtig. Die Anleger haben ihre Lehren gezogen und sind wesentlich risikobewusster<br />
geworden. Empfehlenswert ist eine breite Diversifizierung des Portfolios, nicht nur<br />
zwischen allen Anlagekategorien, sondern auch zwischen liquiden und weniger liquiden<br />
Anlageinstrumenten und über die ganze Bandbreite finanzieller Anbieter hinweg. Weitere<br />
Erschütterungen sind nicht auszuschliessen, doch sollte man sich vor Überreaktionen<br />
hüten. Das neue Magazin «Anlegen» bietet eine Fülle von grundlegenden Informationen.<br />
Magazin der <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> | August 20<strong>09</strong><br />
Anlegen<br />
Seite 4 Marktausblick Wie geht es weiter ? | Seite 6 Portfolio Neuste Trends | Seite 11 Indexnah anlegen Einfach und<br />
bequem | Seite 12 Konjunkturzyklen Die Auswirkungen | Seite 14 Blue-Chip-Firmen Krisenresistent | Seite 15<br />
Inflation Global gefallen | Seite 16 Kleine Beträge Anlegen statt sparen | Seite 18 Vorsorge Sicherheit durch 3. Säule
52 Wirtschaft KMUStudie<br />
KMU:<br />
Und als Nächstes die Rohstoffklemme?<br />
Die letztjährige Ölpreishausse kam einem Weckruf für die Schweizer Unternehmen<br />
gleich. Zwar stehen in der aktuellen Wirtschaftskrise konjunkturelle Probleme im<br />
V ordergrund. Doch zeigt eine Umfrage bei 1800 Schweizer KMU: Strukturelle Herausforderungen<br />
wie steigende Ressourcenpreise, eine unsichere Rohstoffversorgung<br />
und Talentknappheit bleiben bestehen und werden sich noch akzentuieren, sobald<br />
die Wirtschaft wieder anzieht.<br />
Text: Christian Etzensperger, Economic Research, Zürich<br />
Die Suche nach Alternativen zu fossilen Rohstoffen<br />
gestaltet sich weiterhin schwierig. In<br />
der Schweiz ist das Potenzial der Wasserkraft<br />
weitgehend ausgeschöpft, Kohle ist aus<br />
Umweltgründen unerwünscht, die Nuklearenergie<br />
stösst auf grossen Widerstand in der<br />
Bevölkerung, und die Strommengen aus<br />
Sonnen und Windenergie sind noch gering.<br />
Die Schweizer KMU tun also gut daran, sich<br />
auf ein garstiges Energie und Rohstoffumfeld<br />
mit hohen Preisen und unberechenbaren<br />
Preisschwankungen einzustellen.<br />
bulletin 3/<strong>09</strong> <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
Grundsätzlich sind die KMU sich ändernde<br />
Rahmenbedingungen und Preisdiktate zwar<br />
gewohnt. Die Ressourcenknappheit stellt<br />
aber insofern einen Sonderfall dar, als sich<br />
die Schweizer KMU über Jahrzehnte an günstige<br />
Ressourcen gewöhnt hatten.<br />
Die heute beobachteten Rohstoffpreisschwankungen<br />
im hohen zweistelligen Prozentbereich<br />
sind ein neues Phänomen. Über<br />
Jahrzehnte war Strom aus Schweizer Stauseen<br />
für die heimische Industrie günstig.<br />
Abgesehen von den 1970erJahren war auch<br />
Öl stets billig. Aus <strong>Deutschland</strong> kam subventionierte<br />
Kohle. Selbst Arbeitskräfte konnten<br />
als Saisonniers unter günstigen Bedingungen<br />
zu Zehntausenden in den Nachbarländern<br />
rekrutiert werden.<br />
Sowohl bei den natürlichen Ressourcen<br />
wie auch im Fall der Arbeitskräfte stiess<br />
man erst im Wirtschaftsboom 2004 –2008<br />
schmerzhaft an Grenzen. Plötzlich vervielfachten<br />
sich die Treibstoffausgaben, wurden qualifizierte<br />
Arbeitskräfte knapp und blieben auf<br />
den Beschaffungsmärkten die Rohstoffe<br />
><br />
Foto: Georgios Kefalas, Keystone
KMUStudie Wirtschaft 53<br />
<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 3/<strong>09</strong>
54 Wirtschaft KMUStudie<br />
bulletin 3/<strong>09</strong> <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong>
aus, weil die Produktion mit der weltwei<br />
ten Nachfrage nicht mehr Schritt halten<br />
konnte. Dann brach die Rezession herein<br />
und schwemmte das Ressourcenproblem<br />
scheinbar weg. In Tat und Wahrheit wurde<br />
die strukturelle Problematik vom Konjunktureinbruch<br />
nur überlagert, und jede Konjunkturbewegung<br />
ist ein zeitlich befriste<br />
tes Phänomen. In einigen Fällen diente<br />
die einbrechende Konjunktur gar dazu, die<br />
Unbedarftheit gegenüber den anstehenden<br />
strukturellen Veränderungen (steigende<br />
Energie und Rohstoffpreise, Klimaerwärmung<br />
oder auch technologischer Fortschritt)<br />
zu kaschieren.<br />
Einsparpotenzial unterschätzt<br />
Erst ein problematischer Umgang mit Ressourcen<br />
macht die Ressourcenknappheit<br />
zum Problem. Ressourcen werden verschwendet,<br />
wenn das Einsparpotenzial unterschätzt<br />
oder die Opportunitätskosten<br />
vernachlässigt werden. Verschwendung<br />
kann in der Produktion oder der Verwendung<br />
stattfinden. Innovationen auf Produktionsseite<br />
sollten stets auf der Verbraucher<br />
beziehungsweise Abnehmerseite ihren Gegenpart<br />
haben. Wird ein elektronisches<br />
EMail ausgedruckt, trägt seine Erfindung<br />
und «Produktion» nichts zum papierlosen<br />
Büro bei. Deshalb ist es besonders begrüssenswert,<br />
wenn KMU mit ihren Kunden oder<br />
Lieferanten nach gemeinsamen Lösungen<br />
suchen.<br />
Der Ressourceneinsatz kann durch die<br />
Substitution eines knappen, teuren Rohstoffes<br />
durch einen anderen Rohstoff,<br />
durch einen neuen Werkstoff mit vergleichbaren<br />
Eigenschaften oder mit einer komplett<br />
neuen Anwendung, die den bisherigen<br />
Rohstoff ersetzt, vermindert werden. Eine<br />
Teilsubstitution von Rohstoffen führt kurzfristig<br />
zu einer Flexibilisierung des Unternehmens<br />
gegenüber Marktschwankungen<br />
und langfristig zu einer breiteren Abstützung<br />
der Innovationstätigkeit auf Basis<br />
mehrerer Rohstoffe.<br />
Kurzfristige Preisschwankungen können<br />
mittels Überwälzung oder durch Hedging<br />
abgefedert werden. Langfristig führt aber<br />
kein Weg an strategischen Massnahmen –<br />
meist einer Kombination von Effizienzsteigerung<br />
und Substitution – vorbei.<br />
KMU-Umfrage 200<br />
In der Einschätzung der Ressourcenknappheit<br />
zeigen sich die KMU gespalten. Die<br />
Risiken dominieren die Chancen leicht,<br />
Letztere scheinen aber im Aufwind. Gerade<br />
im Bau gewinnen die Optimisten in dem<br />
Masse die Oberhand, wie das Potenzial an<br />
Gebäudesanierungen ersichtlich wird. Mehr<br />
als ein Viertel sieht daher die Ressourcenknappheit<br />
als grosse Chance. Andererseits<br />
ist der Bau – ähnlich wie die Investitionsgüterindustrie<br />
und das Gewerbe – stark<br />
von Vorleistungs und Energiepreisen abhängig.<br />
81 Prozent der KMU gehen von<br />
deutlich steigenden Preisen in den nächsten<br />
drei Jahren aus. Dies wiederum hat<br />
für die meisten KMU in Industrie, Gewerbe,<br />
Bau, Verkehr und Tourismus grossen Einfluss<br />
auf die Investitionsentscheide. Je<br />
grösser das Unternehmen, desto weniger<br />
ist es in der Lage, auch auf Schwankungen<br />
im Tagesgeschäft zu reagieren.<br />
KMU wissen die Krise zu nutzen<br />
Jede vierte KMU hat bezüglich Ressourcenknappheit<br />
bereits Massnahmen ergriffen,<br />
ein weiteres Drittel hat welche in Planung.<br />
So dürften einige KMU die Krise nutzen, um<br />
ihre Produktion energieeffizienter zu gestalten.<br />
84 Prozent der KMU glauben, dass<br />
sich Investitionen in die Energieeffizienz<br />
auszahlen. Schwer tun sich die KMU mit<br />
dem Weitergeben höherer Kosten an ihre<br />
Kunden. Den meisten gelingt dies nur in<br />
marginalem Umfang. Grosse KMU sind<br />
diesbezüglich erfolgreicher als kleine.<br />
Staatsinterventionen polarisieren<br />
Die Frage, ob Staatshilfe wie Subventionen<br />
oder Steuererleichterungen notwendig<br />
sind, polarisiert. Die Exportindustrie und<br />
namentlich die Investitionsgüterindustrie<br />
lehnen Hilfe vom Staat überwiegend ab.<br />
Sie sind überzeugt, der Ressourcenproblematik<br />
aus eigener Kraft begegnen zu können.<br />
Hingegen sind Bauwirtschaft und Gewerbe<br />
als Binnenbranchen für Staatshilfe<br />
weit empfänglicher. Unter den Regionen<br />
findet eine Mehrheit der Tessiner KMU<br />
Staatshilfe für politisch wünschenswert,<br />
was in Zürich und der Nordwestschweiz auf<br />
breite Ablehnung stösst.<br />
KMU sehen Technologie und Wissen<br />
54 Prozent (Vorjahr: 52 Prozent) der KMU<br />
bewerten die Auswirkungen der sechs Megatrends<br />
zusammengenommen als chancenreich.<br />
Für knapp 23 Prozent (Vorjahr:<br />
29 Prozent) überwiegen die Risiken. Dies<br />
ergibt per Saldo (Chancen minus Risiken)<br />
einen Überhang an optimistischen Antworten<br />
von 31 Prozent (Vorjahr: +27 Prozent). ><br />
in Prozent<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
klar<br />
höher<br />
Vorleistungen<br />
Betriebsmittel<br />
in Prozent<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
KMUStudie Wirtschaft 55<br />
1 Was erwarten die KMU<br />
bezüglich Rohstoffpreisen?<br />
Mehr als drei Viertel der KMU erwarten höhere<br />
Rohstoffpreise.<br />
Quelle: <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> Economic Research KMUUmfrage 20<strong>09</strong><br />
leicht<br />
höher<br />
auf<br />
gleichem<br />
Niveau<br />
2 Auf welche Massnahmen<br />
setzen die KMU?<br />
tiefer weiss<br />
nicht<br />
Als Antwort auf die Verknappung der Rohstoffe<br />
soll die Effizienz gesteigert und Kosten sollen<br />
überwälzt werden. Quelle: KMUUmfrage 20<strong>09</strong><br />
Substitution: Produktionsfaktoren, die im Preis<br />
steigen, werden ersetzt<br />
Optimierung: (Energie-)Effizienz wird gesteigert,<br />
Prozesse werden verbessert<br />
Hedging: Preisentwicklung wird abgesichert<br />
Überwälzung: Ich erhöhe die Preise meiner Produkte<br />
Andere<br />
3 Welche Art Hilfe erwarten die KMU?<br />
Wenn Hilfe, dann am ehesten in Form von<br />
Subventionen und Beratungen.<br />
Quelle: KMUUmfrage 20<strong>09</strong><br />
in Prozent<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
Ja, vom Staat (z. B. in Form von Subventionen<br />
oder Steuererleichterung)<br />
Ja, in Form von Beratung (z. B. durch Fachverbände)<br />
Andere<br />
Nein, nicht nötig<br />
<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 3/<strong>09</strong>
56 Wirtschaft KMUStudie<br />
Dies zeigt, dass die Unternehmen angesichts<br />
des Konjunktureinbruches nicht in<br />
Schockstarre verfallen. Der technologische<br />
Fortschritt wird von allen Megatrends am<br />
chancenreichsten eingeschätzt. Beinahe<br />
80 Prozent der KMU stimmt er optimistisch.<br />
Als positiv taxieren die KMU auch die Wissensgesellschaft<br />
(+62 Prozent), den Wertewandel<br />
(+25 Prozent) und überraschend<br />
deutlich die Globalisierung (+20 Prozent).<br />
Der demografische Wandel wird hingegen<br />
neutral eingeschätzt (+2 Prozent).<br />
Wenig protektionistische Reflexe<br />
Trotz der Krise wird die Globalisierung in allen<br />
drei Landesteilen positiv eingeschätzt. Befürchtungen,<br />
wonach die Wirtschaftskrise<br />
protektionistische Reaktionen hervorrufen<br />
würde, erweisen sich damit als unbegründet.<br />
Nur jedes zehnte KMU sieht in der Globalisierung<br />
in erster Linie ein grosses Risiko. Für<br />
jedes fünfte ist sie indes eine grosse Chance.<br />
Negativ ist die Einschätzung einzig beim<br />
Gewerbe, das stark binnenorientiert produziert.<br />
<<br />
Die <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> als strategischer<br />
Partner der KMU<br />
Die erste KMU-Umfrage wurde<br />
Anfang 200 im Rahmen des<br />
«Forum Zukunft KMU» lanciert,<br />
mit dem Ziel, als strategischer<br />
Partner der KMU Gedanken anzustossen<br />
und einen Diskussionsbeitrag<br />
im Hinblick auf die Megatrends<br />
zu leisten. Sowohl Kunden<br />
als auch Nichtkunden nehmen<br />
an der Umfrage teil. Die jährlich<br />
erscheinende Publikation finden<br />
Sie im Internet unter www.creditsuisse.com/research<br />
(Schweizer<br />
Wirtschaft/Branchen). Zudem<br />
werden die Ergebnisse in<br />
regionalen Anlässen vertieft<br />
behandelt und Handlungsmöglichkeiten<br />
diskutiert.<br />
bulletin 3/<strong>09</strong> <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
Schweizer Exportwirtschaft<br />
im Zeichen der Krise<br />
Die Krise hat die Weltwirtschaft hart getroffen. Für die Schweiz, die jeden<br />
zweiten Franken im Ausland verdient, ist dies eine besonders unangenehme<br />
Entwicklung. Durch die Struktur der Schweizer Exportwirtschaft<br />
ergibt sich jedoch ein positiveres Bild.<br />
Die <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> hat basierend auf konjunkturellen<br />
Vorlaufindikatoren, also solchen,<br />
die dem allgemeinen Wirtschaftsverlauf<br />
vorgreifen, ein Exportbarometer für die<br />
Schweiz erstellt. Es zeigt an, wie sich die<br />
Schweizer Ausfuhren aufgrund der Entwicklung<br />
unserer Handelspartner in den<br />
nächsten Monaten entwickeln werden. Da<br />
praktisch die ganze Welt von der Krise erfasst<br />
wurde, werden auch die Schweizer<br />
Exporte abnehmen. Sobald aber der weltweite<br />
Wirtschaftsabschwung abklingt, beginnen<br />
die strukturellen Vorteile der Schweizer<br />
Exporteure wieder zu spielen. Worin<br />
bestehen diese?<br />
Immer mehr in alle Welt<br />
Obwohl immer noch zu 60 Prozent auf<br />
E uropa konzentriert, stiegen Schweizer Exporte<br />
in aussereuropäische Destinationen<br />
in den letzten Jahren besonders stark, nach<br />
China zum Beispiel um das Zehnfache seit<br />
1990. Die Schweizer Exportwirtschaft kann<br />
so regionale Konjunkturabschwünge besser<br />
absorbieren. Sogar in der derzeitigen Krise,<br />
die sehr viele Länder gleichzeitig erfasst<br />
hat, halten sich unsere Ausfuhren in einige<br />
wichtige Schwellenländer noch wacker.<br />
Nicht nur Käse, Schokolade, Uhren<br />
Die Schweizer Wirtschaft ist berühmt für<br />
viele Produkte, Käse und Schokolade zum<br />
Beispiel. Obwohl wichtig und in den letzten<br />
Jahren sehr erfolgreich, können Nahrungsmittel<br />
aber beim Anteil an allen Schweizer<br />
Ausfuhren keine vorderen Plätze belegen.<br />
Ein höheres Gewicht hat der Maschinenbau:<br />
Platz 3 mit 14,9 Prozent aller Schweizer<br />
Exporte. Noch weiter vorne liegen die<br />
Präzisionsinstrumente, die mit 15,5 Prozent<br />
auf Platz 2 kommen. Darin sind Uhren enthalten,<br />
ein weiteres typisches Schweizer<br />
Produkt. Und auf Platz 1 steht die Chemie/<br />
Pharmabranche.<br />
Zumindest teilweise scheinen die Klischees<br />
also zu stimmen. Und sie nützen der<br />
Schweiz sogar. Denn mit den typisch<br />
schweizerischen Produkten verfügen wir<br />
Chemie- und Pharmaprodukte belegen<br />
Platz 1 auf der Schweizer Ausfuhrliste.<br />
über eine gute Mischung aus relativ abschwungresistenten<br />
Branchen (zum Beispiel<br />
Pharma) und solchen, die überdurchschnittlich<br />
vom Wachstum in den Schwellenländern<br />
profitieren (zum Beispiel Uhren).<br />
Wichtigste Schweizer Stärke: Qualität<br />
Diese Produkte enthalten zudem ein weiteres<br />
Schweizer Klischee: Qualität. Die<br />
hohe durchschnittliche Wertigkeit unserer<br />
Ausfuhren lässt sich mit dem so genannten<br />
Export Unit Value (Wert pro Kilogramm) –<br />
einem approximativen Mass für die Qualität<br />
von Exportprodukten – nachweisen. Im internationalen<br />
Vergleich verfügt das Hochlohnland<br />
Schweiz über einen äusserst hohen<br />
Export Unit Value und damit über einen<br />
strategischen Erfolgsfaktor. Die Schweizer<br />
Exporteure stehen auch im konjunkturellen<br />
Wellental besser da als Nationen, die über<br />
den Preis konkurrieren.<br />
Dennis Brandes, Economic Research, Zürich<br />
�<br />
Weitere Informationen finden Sie in<br />
unserer Studie «Aussenhandel<br />
Schweiz – Fakten und Trends» oder<br />
auf unserer Internetseite:<br />
www.credit-suisse.com/research.<br />
Foto: Gaetan Bally, Keystone
Mobile Werbung Wirtschaft 5<br />
Marketing:<br />
«Mobile Werbung» vor dem Durchbruch<br />
Der globale Werbemarkt wurde von der Wirtschaftskrise arg gebeutelt und verzeichnet<br />
im laufenden Jahr zweistellige Umsatzeinbussen. Das «Mobile Advertising» hingegen,<br />
also Werbung auf mobilen Endgeräten, erfreut sich starken Wachstums. Die zunehmend<br />
einfache Nutzung des mobilen Internets mit handlichen Smartphones eröffnet dem<br />
noch kleinen Markt ein grosses Potenzial.<br />
Text: Uwe Neumann, Equity Research Europe, Zürich<br />
Als sich Tom, ein «cooler » 18jähriger Londoner,<br />
für den Freitagabend herrichtet, erhält<br />
er eine SMS auf sein Handy. Soweit nichts<br />
Ungewöhnliches, doch in dieser SMS wird er<br />
gefragt, wie er sein Haar gerne tragen würde.<br />
Als Antwort werden ihm drei Möglichkeiten<br />
angeboten: «kind of smart», «sort of messy»<br />
oder «somewhere between». Nachdem er eine<br />
Auswahl getroffen und die Antwort via kostenlose<br />
SMS zurückgeschickt hat, bekommt<br />
er einen Stylingtipp in Form eines Bildes mit<br />
der Werbung für ein Haargel zurückgeschickt.<br />
Der Hersteller des Haargels hatte<br />
eine Werbekampagne via Mobilfunk über den<br />
alternativen MobilfunkDienstleister Blyk geschaltet.<br />
Seit 2008 setzt das britische Unternehmen<br />
Blyk auf ein neuartiges Geschäftskonzept,<br />
und das mit wachsendem Erfolg: Die<br />
Kunden können kostenlos telefonieren und<br />
SMS versenden, wenn sie sich im Gegenzug<br />
bereit erklären, Werbebotschaften auf ihrem<br />
Mobiltelefon zu empfangen. Vor allem junge<br />
Nutzer zwischen 16 und 24 Jahren scheinen<br />
für dieses Angebot empfänglich zu sein. Die<br />
Anzahl der Kunden verdoppelte sich innerhalb<br />
eines Jahres auf 200 000 und Blyk will<br />
dieses offenbar erfolgreiche Konzept künftig<br />
auch in verschiedenen anderen europäischen<br />
Ländern einführen.<br />
Neue Dynamik dank iPhone<br />
Dies ist nur ein Beispiel, wie Werbung mobile<br />
Endgeräte erobern könnte. Dieser Art von<br />
Werbung wurde schon seit geraumer Zeit<br />
eine grosse Zukunft vorausgesagt. Bisher<br />
war der Erfolg allerdings mässig und blieb<br />
deutlich hinter den Industrieschätzungen zurück.<br />
2008 wurden nur etwa 2 Milliarden US<br />
Dollar mit Mobilfunkwerbung weltweit umgesetzt,<br />
was im Vergleich zum allein für die<br />
USA 300 Milliarden Dollar schweren traditionellen<br />
Werbemarkt in der Tat verschwindend<br />
wenig ist. Mit der Einführung des iPhones<br />
von Apple hat sich die Dynamik im Mobilfunkwerbemarkt<br />
spürbar verbessert. Der im<br />
Vergleich zu anderen Handys grössere Bildschirm,<br />
die einfachere Bedienung der gleichzeitig<br />
ausgebauten Funktionalität (GPS<br />
Fähigkeit, einfache Videodownloads etc.)<br />
und der unkomplizierte Zugriff auf das mobile<br />
Internet bieten für Werbende auf dieser<br />
Plattform offenbar neue Chancen. Der Industrieforscher<br />
AdMob veröffentlicht monatlich<br />
unter anderem die Marktanteile von über die<br />
verschiedenen Handybetriebssysteme weltweit<br />
erfolgten Werbeabfragen (> siehe Grafik 1).<br />
Das iPhone von Apple liegt hier mit 43 Prozent<br />
weit vor Nokias Symbian, obwohl die installierte<br />
Basis von iPhones wesentlich kleiner ist<br />
als die von NokiaGeräten. Aufstrebende Tendenz<br />
dürfte auch das von Google initiierte<br />
«Open Source»Betriebssystem haben, das<br />
von einer Vielzahl von TelecomDienstleistern<br />
und Endgeräteherstellern unterstützt<br />
wird. Einige neue AndroidSmartphones<br />
><br />
<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 3/<strong>09</strong>
58 Wirtschaft Mobile Werbung<br />
1<br />
Zwei Betriebssysteme dominieren<br />
den mobilen Werbemarkt<br />
200 hielt das iPhone-Betriebssystem<br />
w eltweit den grössten Marktanteil an Werbeabrufen,<br />
gefolgt von Nokias Symbian.<br />
Quelle: AdMob mobile metrics<br />
2<br />
Mrd. USD<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
bulletin 3/<strong>09</strong> <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
43% iPhone OS<br />
36% Symbian OS<br />
9% RIM OS<br />
5% Windows Mobile OS<br />
3% Android<br />
2% Hiptop OS<br />
2% Palm OS<br />
Gigantische Wachstumsprognose<br />
für die Einnahmen<br />
aus mobiler Werbung<br />
Durch den Markteintritt von grossen<br />
Internetplattformen sollen die Erträge von<br />
2 Milliarden (2008) auf 24 Milliarden<br />
US-Dollar (2013) steigen.<br />
Quelle: Gartner<br />
Erträge<br />
06 07 08 <strong>09</strong>E 10E 11E 12E 13E<br />
sollen im zweiten Halbjahr 20<strong>09</strong> auf den<br />
Markt kommen. Für die Werbefirma Publicis<br />
ist die zunehmende Verbreitung breitbandfähiger<br />
Smartphones ein wichtiger Treiber für<br />
den mobilen Werbemarkt. An seinem «Digital<br />
Day» Mitte letzten Jahres zitierte das Unternehmen<br />
Japan, wo die Marktdurchdringung<br />
der 3GSmartphones nahezu 100 Prozent<br />
erreicht hat und sich die Zuschauerzahl des<br />
Mobilfunkfernsehens innerhalb eines halben<br />
Jahres auf 20 Millionen verdoppelte.<br />
Gemeinsame Strategie erforderlich<br />
Industrieschätzungen in Bezug auf das Marktpotenzial<br />
des mobilen Werbemarktes gehen<br />
noch weit auseinander. Während ABI Research<br />
oder Gartner durch den Markteintritt<br />
der grossen Internetplattformen, wie Google<br />
(Youtube), Microsoft (MSN) und Yahoo, einen<br />
boomenden Markt verspricht, der im Jahr<br />
2013 die Marke von 24 Milliarden USDollar<br />
erreichen könnte (> siehe Grafik 2), mahnen<br />
Skeptiker vor zu viel Optimismus und rechnen<br />
mit einer Marktgrösse von höchstens drei bis<br />
vier Milliarden USDollar bis 2012. Ihrer Meinung<br />
nach besteht vor allem die Gefahr eines<br />
übertriebenen Eifers von Werbetreibenden,<br />
der zur Verletzung der Privatsphäre und zu<br />
nervtötenden Werbekontakten führen könnte,<br />
was wiederum einen Verlust der Akzeptanz<br />
von Konsumenten für diese Werbeform zur<br />
Folge haben könnte. Um dies zu vermeiden,<br />
müssten die Beteiligten der Wertschöpfungskette,<br />
wie TelecomDienstleister, Mediengesellschaften,<br />
Handyhersteller und Internetunternehmen,<br />
einen gemeinsamen Weg<br />
gehen, was sich aber noch nicht abzeichne.<br />
In der Tat gibt es unterschiedliche Interessen<br />
zwischen den Beteiligten. Es ist davon auszugehen,<br />
dass sich die Vorzüge des Mediums<br />
eher früher als später durchsetzen werden.<br />
Nach Einschätzung der <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> entsteht<br />
ein neuer intelligenter Werbemarkt im<br />
Mobilfunknetz, der in vielen Bereichen über<br />
bereits bekannte Internetplattformen betrieben<br />
wird und den gängigen Werbemärkten<br />
im Fernsehen, Radio oder in Zeitschriften<br />
Marktanteile abgewinnen dürfte.<br />
Sensible Kundendaten<br />
Der mobilen Werbung werden vor allem zwei<br />
Vorteile gegenüber den traditionellen Werbeträgern<br />
zugeschrieben. Erstens können<br />
angesichts der über 3,5 Milliarden in Betrieb<br />
befindlichen mobilen Endgeräte weltweit mehr<br />
Menschen erreicht werden als mit irgendeinem<br />
anderen Medium. Die Marktdurchdringung<br />
übersteigt die von Fernsehern und PCs<br />
1<br />
deutlich. Zweitens kann angesichts der den<br />
TelecomDienstleistern vorliegenden Kundendaten<br />
(Demografie, Nutzung, Zeitpräferenzen,<br />
Lokalisierung) die Werbung gezielter<br />
eingesetzt werden als über die anderen<br />
M edien. Von Letzterem verspricht man sich<br />
eine höhere Rückmeldungsquote, die ausschlaggebend<br />
für den Werbeerfolg sein kann.<br />
TelecomDienstleister gehen mit den Kundendaten<br />
aber verständlicherweise sehr vorsichtig<br />
um und behandeln das Thema noch<br />
stiefmütterlich. Vodafone hat zum Beispiel<br />
eine klare interne Richtlinie formuliert, die<br />
den Umgang mit Kundendaten zu Werbezwecken<br />
sehr konservativ einschränkt. Von<br />
einer eigentlichen Werbestrategie kann noch<br />
keine Rede sein. Vodafones Werbeeinnahmen<br />
beschränken sich vorwiegend auf so<br />
genannte DisplayWerbung, die auf dem<br />
Handyportal «Vodafone Live» geschaltet wird.<br />
Die TelecomKonzerne sind offensichtlich<br />
in Sorge, dass ihre Netze wie im Internet<br />
mit SpamMails überflutet werden könnten<br />
und ihre Kunden verärgern. Swisscom etwa<br />
glaubt, dass nur relevante Angebote, wie zum<br />
Beispiel Einkaufsvoucher, auf dem Handy<br />
akzeptiert würden. Gemäss Swisscom könnten<br />
auch Werbedienste angenommen werden,<br />
die dem Handybesitzer Geld und vor<br />
allem Zeit sparen helfen, wie zum Beispiel<br />
ortsbezogene Angebote durch den Erhalt<br />
Fotos: activeMOBILE, eine Angebotsmarke der AdLINK Internet Media AG Schweiz | zur Verfügung gestellt von Apple
2<br />
eines Einkaufscoupons via SMS beim Besuch<br />
eines Shops oder ein Hinweis via<br />
V ideobotschaft, wo userspezifische Sonderangebote<br />
in der Nähe zu finden sind.<br />
Kampf vieler Marktteilnehmer<br />
Neben den TelecomDienstleistern und<br />
vielen kleineren StartupGesellschaften,<br />
die sich auf verschiedenste Weise im mobilen<br />
Werbemarkt spezialisiert haben (wie zum<br />
Beispiel oben genannte Blyk oder Yoc in<br />
<strong>Deutschland</strong>, die spezifische MobilfunkMarkenportale<br />
entwickeln oder erlaubnisbasierte<br />
WerbePushKampagnen abwickeln), sind<br />
zunehmend auch die werbefinanzierten<br />
3<br />
Internetplattformen wie Google, Facebook,<br />
Myspace (News Corp.), MSN (Microsoft )<br />
oder Yahoo aktiv im Markt.<br />
Ein entscheidender Vorteil für diese Unternehmen<br />
dürfte die zunehmende Öffnung der<br />
Benutzeroberfläche auf den mobilen Endgeräten<br />
werden, die den Zugang zum mobilen<br />
Internet extrem vereinfacht. Das Surfen im<br />
mobilen Internet dürfte so einfach werden<br />
wie im Festnetz. Dafür sorgen – wie oben<br />
erwähnt – die Handy und SmartphoneHersteller,<br />
die ihrerseits auch mitmischen wollen.<br />
Während Apple mit seiner viel besuchten<br />
iTunesPlattform beste Chancen hat, einen<br />
Teil vom mobilen Werbemarkt zu erobern, be<br />
Das Klima schützen!<br />
www.holzenergie.ch<br />
Information und Beratung:<br />
Holzenergie Schweiz, Tel. 044 250 88 11<br />
Mobile Werbung Wirtschaft 5<br />
1 Mobile-Banner-Werbung<br />
Auf dem Handyportal geschaltete<br />
Werbebanner funktionieren<br />
nach dem Prinzip des klassischen<br />
Zeitungsinserats.<br />
2 Mobile-Einkaufscoupons<br />
Dank den via SMS erhaltenen<br />
Coupons, die an der Kasse<br />
vorgezeigt werden, profitiert der<br />
Kunde von Spezialangeboten<br />
beziehungsweise Preisreduktionen.<br />
3 Mobile-Internet-Applikation<br />
Was bisher nur über den PC<br />
möglich war, ist jetzt auch<br />
von unterwegs aus möglich:<br />
Dank Applikationen können Waren<br />
übers Handy bestellt werden.<br />
E-Shopping wird dadurch noch<br />
attraktiver.<br />
sitzen die anderen Hersteller keine vergleichbar<br />
erfolgreiche Strategie, um Werbende<br />
a nziehen zu können. Wer am erfolgreichsten<br />
sein wird beim Kampf um die Anteile im mobilen<br />
Werbemarkt, bleibt offen. Während den<br />
traditionellen Werbefirmen aufgrund dieses<br />
neuen Vertriebskanals verschärfter Wettbewerb<br />
ins Haus steht, dürfte mobiles Marketing<br />
für die zuletzt erfolgreichen Internet<br />
und Kommunikationsplattformen wie Google,<br />
Facebook, MySpace oder Twitter neue Perspektiven<br />
für Wachstum bieten. Für Telecom<br />
Dienstleister und die kleinen StartupGesellschaften<br />
ist unseres Erachtens nur ein<br />
Nischendasein zu erwarten.
60 Wirtschaft Inflation<br />
Inflation:<br />
Warum wir sie brauchen und die<br />
neue Rolle der Zentralbanken<br />
Zentralbanken nehmen sowohl in Zeiten aussergewöhnlichen Finanzmarktstresses<br />
als auch im Normalisierungsprozess eine wichtige Rolle ein. Die Aufgaben<br />
unterscheiden sich allerdings beträchtlich. Um zu verhindern, dass die Weltwirtschaft<br />
in eine Deflation verfällt, muss zuerst reflationiert werden, bevor der Inflationsdruck<br />
abgeschwächt werden kann.<br />
Text: Anja Hochberg, Head Global Economic Research, Zürich<br />
Intensiv wird mit ihnen, vermehrt aber auch<br />
über sie diskutiert. Zentralbanken nehmen in<br />
der aktuellen Diskussion um die Zukunft des<br />
Weltfinanzsystems und die Perspektiven der<br />
Weltwirtschaft eine polymorphe Rolle ein.<br />
Sie sichern die Liquiditätsversorgung der<br />
Volkswirtschaft mit traditionellen, aber auch<br />
unkonventionellen Massnahmen. Sie haben<br />
die Zinsen nahe an die Nullzinsgrenze gesenkt.<br />
Dies kann man getrost ihrem klassischen<br />
Mandat zusprechen, für Preisstabilität<br />
zu sorgen. Nur, dass sich diesmal die Preise<br />
nicht in die Höhe schrauben, sondern vorerst<br />
(noch) fallen. In den Augen vieler Zentralbanker<br />
drohen uns mit fallenden Preisen sogar<br />
grössere Risiken für die Preisstabilität.<br />
Nicht weil Deflation gegenüber Inflation eher<br />
die geldpolitische Ausnahme ist. Sondern<br />
weil die Handlungsmöglichkeiten von Geldpolitik<br />
nahe der Nullzinsgrenze eingeschränkt<br />
sind und die Gefahr einer jahrelangen konjunkturellen<br />
Abwärtsspirale gross ist.<br />
Fallende Preise beeinflussen sowohl die<br />
Nachfrage (Konsumenten, Investoren) als<br />
auch das Angebot (Produktion) in einer Volkswirtschaft.<br />
Mit fallenden Preisen sinkt im<br />
Allgemeinen die Kaufbereitschaft, da die<br />
Erwartungen bestehen, demnächst noch<br />
günstiger kaufen zu können. Somit flaut die<br />
Nachfrage ab. Darauf stellen sich zwar die<br />
bulletin 3/<strong>09</strong> <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
Produzenten ohnehin ein. Bei einer Deflation<br />
allerdings fallen die Anpassungsprozesse<br />
noch drastischer aus.<br />
Warum Deflation gefährlich ist<br />
Auch der «Puffer » der Volkswirtschaft, die<br />
Lagerhaltung, wird in Mitleidenschaft gezogen,<br />
da auch Produzenten Einkäufer von zum<br />
Beispiel Rohmaterialien, Zwischengütern<br />
und Dienstleistungen sind. Lagerhaltung<br />
macht unternehmerisch keinen Sinn, wenn<br />
die Endpreise stetig fallen und sogar unter<br />
die Einkaufs oder Produktionspreise sinken.<br />
Die volkswirtschaftlichen Kosten eines solchen<br />
Szenarios wären hoch. Dementsprechend<br />
sind auch die Notenbanken, flankiert<br />
von grosszügigen fiskalpolitischen Massnahmen,<br />
konsequent mit konventionellen<br />
(zum Beispiel Zinssenkungen) und unkonventionellen<br />
(zum Beispiel Käufe von Staatsanleihen)<br />
Massnahmen eingeschritten. Im<br />
Vergleich zu einer Deflationsspirale scheinen<br />
die volkswirtschaftlichen Kosten einer Inflation<br />
deutlich niedriger zu sein, da – zumindest<br />
in entwickelten Volkswirtschaften – der Inflationsdruck<br />
einfacher zu kontrollieren ist.<br />
Die Zinsschraube fester und fester anzuziehen,<br />
ist – zwar mit der Gefahr der wirtschaftlichen<br />
Vollbremsung – immer eine<br />
Option. Den richtigen Zeitpunkt zur Aufgabe<br />
der «ultraleichten» Geldpolitik und das angemessene<br />
Tempo der Normalisierung zu finden,<br />
ist allerdings eine äusserst schwierige<br />
Aufgabe. Eine, die durchaus das Potenzial<br />
hat, direkt in die nächste Krise zu führen,<br />
wenn sie misslingt. Das lehrt uns zum Beispiel<br />
die Genese der aktuellen Krise. Denn<br />
diese beginnt nicht bei der Kreditklemme, der<br />
Bankenkrise oder den ersten Anzeichen von<br />
Liquiditätsengpässen im Geldmarkt. Auch<br />
nicht in der SubprimeKrise, der Krise im<br />
amerikanischen Immobilienmarkt, die als<br />
Auslöser dieser Entwicklungen galt. Sicherlich<br />
waren die Hypothekarstandards zu grosszügig<br />
und sicherlich muss man die diesbezüglichen<br />
Geschäftsmodelle hinterfragen.<br />
Möglich wurde jedoch sowohl die leichte Vergabe<br />
von Krediten als auch das Interesse an<br />
verbrieften Krediten auf der Investorenseite<br />
durch eine Tatsache: eine lange Zeit historisch<br />
tiefer Zinsen.<br />
Wenn Zinsen zu spät steigen<br />
In seinem im September 2007 veröffentlichten<br />
Artikel «Housing & Monetary Policy» zeigt<br />
John Taylor, Wirtschaftsprofessor an der Universität<br />
von Stanford, dass die USNotenbankzinsen<br />
im Jahr 2004 mit 1 Prozent effektiv<br />
nur rund einen Viertel vom fundamental<br />
gerechtfertigten Wert betrugen. Seinen Modell
erechnungen zufolge hätten die Zinsen bereits<br />
ab 2002 wieder allmählich erhöht und<br />
nicht, wie geschehen, nochmals gesenkt<br />
werden sollen. Einig ist sich Professor Taylor<br />
aber mit der geldpolitischen Realität, wenn<br />
es um das Ende des vergangenen Zinserhöhungszyklus<br />
geht. Mit 5¼ Prozent erreichten<br />
die Leitzinsen zum Jahresende<br />
2006 ihren damaligen Höhepunkt. Allerdings<br />
impliziert Professor Taylors früherer<br />
Zinserhöhungsstart einen zeitlich um rund<br />
zwei Jahre gestreckten und damit wesentlich<br />
flacheren Zinserhöhungspfad. Dies hätte<br />
durchaus eine weniger stark aufgeblähte<br />
Kreditblase und einen weniger schmerzlichen<br />
Korrekturprozess bedeuten können.<br />
Eventuell, denn was Professor Taylor zur<br />
Berechnung seines optimalen Zinspfades<br />
vorlag, gab es zum Entscheidungsprozess<br />
der Notenbanken nicht: gesicherte Aussagen<br />
zum Wachstums und insbesondere Inflationspfad<br />
der Jahre 2002 bis 2006.<br />
Auch im aktuellen Konjunkturzyklus müssen<br />
die Notenbanker «unter Unsicherheit»<br />
entscheiden. Da Notenbankmassnahmen mit<br />
einer Verzögerung von bis zu 18 Monaten auf<br />
die Realwirtschaft wirken, müssen von den<br />
Zentralbankern stets Annahmen über die zukünftige<br />
Wirtschafts und Inflationsentwicklung<br />
getroffen werden. Neben so genannt<br />
endogenen Variablen wie der konjunkturellen<br />
Entwicklung spielen exogene Faktoren<br />
wie zum Beispiel der Ölpreis oder auch<br />
Wechselkurse eine beträchtliche Rolle. Hinzukommen<br />
die bereits erwähnten strukturellen<br />
Veränderungen, die ihre Wirkung nur<br />
allmählich entfalten. Diese klassischen Unsicherheiten<br />
können, wie die Entwicklung<br />
des Erdölpreises und der Inflation in den ersten<br />
Monaten des Jahres 2008 zeigt, beträchtlich<br />
sein. Eine einfache Simulation (> ver-<br />
gleiche Grafik 1) mit verschiedenen Ölpreisszenarien<br />
zeigt den direkten und starken<br />
Einfluss auf die Entwicklung der Teuerung.<br />
Hinzu kommt allerdings in diesem Konjunktur<br />
oder besser Krisenzyklus die zusätzliche<br />
Unsicherheit angesichts des bislang<br />
ungekannten Ausmasses an geld und<br />
fiskalpolitischer Wirtschaftsunterstützung.<br />
Dass dies tendenziell inflationär wirken kann,<br />
ist eine eingängige und fast unbestrittene<br />
T hese. Die geldpolitisch relevante Frage ist<br />
allerdings, wann und in welchem Grad dies<br />
der Fall ist.<br />
Geldpolitik – handeln unter Unsicherheit<br />
Dies wird bestimmt zum einen durch die Realwirtschaft.<br />
Solange die Weltwirtschaft (und<br />
insbesondere die entwickelten Länder) deutlich<br />
unter ihrem Potenzial operieren, kann<br />
auch eine kräftig gestiegene Geldmenge<br />
nicht nachfragewirksam und damit inflationstreibend<br />
wirken. Um zu entscheiden,<br />
wann diese Lücke zwischen aktuellem und<br />
potenziellem Output geschlossen ist, müssen<br />
die Notenbanker Annahmen treffen,<br />
wann der Konjunkturaufschwung nachhaltig<br />
ist, das heisst ohne geld und fiskalpolitische<br />
Unterstützung auskommt. Sind diese<br />
Abhängigkeiten der Konjunkturentwicklung<br />
noch gegeben, würde ein Ende der lockeren<br />
Geldpolitik auch das Aus für die Konjunkturbelebung<br />
bedeuten. Wie gefährlich eine<br />
f rühe Abkehr vom tiefen Zinsniveau ist, hat<br />
uns das japanische Beispiel klar vor Augen<br />
geführt.<br />
Zum anderen prägen Inflationserwartungen<br />
ganz entscheidend die zukünftige Inflationsentwicklung.<br />
Inflationserwartungen<br />
gehen direkt in den Preisbildungsmechanismus<br />
am Markt ein, sei es bei Gütern oder<br />
bei Löhnen. Solange freilich die Produktionslücke<br />
besteht und nicht mit voller Kapazität<br />
produziert wird, werden sich gestiegene<br />
Inflationserwartungen nicht in Preise<br />
und damit Inflationsrealität umsetzen.<br />
In Zeiten steigender Arbeitslosigkeit sind<br />
Lohnsteigerungen auf breiter Front aufgrund<br />
gestiegener Inflationserwartungen<br />
(die so genannte «LohnPreisSpirale»)<br />
schwer umsetzbar. Dennoch muss die Geldpolitik<br />
diese Inflationserwartungen intensiv<br />
beobachten, damit sie sich – im Fall der<br />
Intensivierung des Aufschwungs – nicht<br />
realisieren.<br />
Nimmt man die so genannten Inflations<br />
Swaps zum Massstab, hat hier bereits ein<br />
Paradigmenwandel stattgefunden. Während<br />
aus Marktsicht zum Ende des vergangenen<br />
Jahres ein Deflationsszenario für die nächsten<br />
eins bis drei Jahre in Sicht war, geht man<br />
in diesem Jahr wieder von steigenden Inflationsraten<br />
aus.<br />
Dieser Prozess der Anpassung der Inflationserwartungen<br />
hat nach Ansicht der<br />
<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> allerdings seinen Höhepunkt<br />
noch nicht erreicht. Angesichts der hohen<br />
konjunkturellen Unsicherheiten dürften sich<br />
auch die Notenbanker eher auf der sicheren<br />
Seite wähnen wollen und die Nachhaltigkeit<br />
des Aufschwungs abwarten, bevor sie zinspolitisch<br />
wieder aktiv werden. Ein Überschiessen<br />
sowohl der Inflationserwartungen als<br />
auch der Inflationsrealität dürfte dabei mittelfristig<br />
zwar in Kauf genommen, langfristig<br />
aber sicherlich wieder korrigiert werden. <<br />
1 Preistreiber Öl<br />
Globale Industrieproduktion<br />
Inflation Wirtschaft 61<br />
Energiepreise üben einen starken Einfluss<br />
auf die Teuerungsrate aus. Ein anhaltend<br />
hoher Ölpreis könnte daher die laufenden<br />
Teuerungsraten bereits zum Jahresende<br />
über den historischen Durchschnitt treiben.<br />
Quelle: Bloomberg, <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
US-Konsumentenpreisindex US-KPI<br />
6%<br />
5%<br />
4%<br />
3%<br />
2%<br />
1%<br />
0%<br />
–1%<br />
Veränderungen gegenüber dem Vorjahr<br />
Ölpreis WTI<br />
Szenarien bei unterschiedlichen Ölpreisen:<br />
durchschnittlich USD 80, rechte Skala<br />
durchschnittlich USD 60, rechte Skala<br />
durchschnittlich USD 40, rechte Skala<br />
2 Weltwirtschaft im Schock<br />
Im 4. Quartal ist die globale Industrieproduktion<br />
um rund 10 Prozent gefallen.<br />
Wenngleich sich nun klare Stabilisierungszeichen<br />
zeigen, ist dies der kräftigste<br />
Rückgang in der Nachkriegsgeschichte.<br />
Quelle: Bloomberg, <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
Veränderung gegenüber Vorjahr, kaufkraftgewichtet<br />
5%<br />
0%<br />
–5%<br />
–10%<br />
–15%<br />
1996 2000 2004 2008<br />
3 Inflationserwartungen schieben<br />
sich nach oben<br />
Die konjunkturelle Aufhellung wird begleitet<br />
von einer ersten Erhöhung der Inflationserwartungen.<br />
Der Anpassungsprozess dürfte<br />
allerdings erst am Anfang stehen.<br />
Quelle: Bloomberg, <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
Veränderung gegenüber dem Vorjahr<br />
3%<br />
2%<br />
1%<br />
0%<br />
–1%<br />
–2%<br />
2006 2008 2010<br />
1Y 5Y 15Y 20Y 25Y 30Y<br />
US-Inflationserwartungen, aktuell<br />
vor einem Monat<br />
vor 3 Monaten<br />
vor einem Jahr<br />
100%<br />
80%<br />
60%<br />
40%<br />
20%<br />
0%<br />
–20%<br />
–40%<br />
–60%<br />
–80%<br />
<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 3/<strong>09</strong>
62 Wirtschaft Renaissance der USA<br />
bulletin 3/<strong>09</strong> <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong>
Foto: Mark Lennihan, AP, Keystone Amerika:<br />
Renaissance der USA Wirtschaft 63<br />
Wiedergeburt der Wirtschaftsmacht?<br />
Nicht nur die Finanz- und Wirtschaftskrise hat die USA erschüttert. Daneben bahnt sich<br />
eine strukturelle Verschiebung innerhalb der Weltwirtschaft zugunsten der Schwellenländer<br />
an. Nur wenn sich das Land neu erfindet, kann es auch in einer neuen Weltordnung<br />
eine Führungsrolle behalten.<br />
Text: Thomas Herrmann, Head Global and Developed Economics<br />
Nach der wahrscheinlich längsten und<br />
schwerwiegendsten Rezession seit dem<br />
Zweiten Weltkrieg stehen die Zeichen in den<br />
USA auf Veränderung. Wie werden Wirtschaft<br />
und Gesellschaft dieses Landes sich<br />
neu in eine Weltordnung einfügen, die sich<br />
gleichermassen im Umbruch befindet ? Wir<br />
sehen eine sich anbahnende strukturelle Verschiebung,<br />
in deren Verlauf die Bedeutung<br />
der USWirtschaft abnehmen wird. Grund<br />
dafür sind die Schwellenländer, die zunehmend<br />
in Bildung und Gesundheitsversorgung<br />
investieren, Finanzdienstleistungen und<br />
Märkte ausbauen und so ihr Wachstumspotenzial<br />
immer besser nutzen können. Es<br />
ist also davon auszugehen, dass die USA im<br />
Laufe der kommenden Jahrzehnte ihre Vormachtstellung<br />
verlieren und sich in Richtung<br />
einer multipolaren Welt entwickeln werden.<br />
Bisher begegnete die USWirtschaft Erschütterungen<br />
mit Flexibilität und schaffte<br />
es immer wieder, ihre Stabilität zu behaupten.<br />
Nicht zuletzt wurde dafür ein steigender<br />
Schuldenberg in Kauf genommen. Doch<br />
dieses Mal werden die Veränderungen grundsätzlicher<br />
Natur sein und der Wandel der<br />
Wirtschaftsordnung dürfte einschneidender<br />
ausfallen.<br />
Wie also stehen die Aussichten für eine<br />
Wiedergeburt der USA – im Sinne einer tiefgreifenden<br />
Umgestaltung und der Notwendigkeit,<br />
sich neu zu erfinden? Der neue Präsident<br />
Obama hat bereits verschiedene Veränderungen<br />
angekündigt. Auch wenn diese<br />
nicht nur durch Massnahmen seiner Regie<br />
rung beeinflussbar sind, so gilt es nicht zu<br />
vergessen, dass die USWirtschaft über vielerlei<br />
Stärken verfügt, die ihr weiterhin eine bedeutende<br />
Rolle in der Weltwirtschaft sichern<br />
sollten. In vielen Bereichen, in denen Schwellenländer<br />
schnell Fortschritte erzielen, gehören<br />
die USA bereits zur Weltspitze und werden<br />
auch weiterhin Massstäbe setzen. Der WeltbankBericht<br />
«Doing Business» beispielsweise<br />
ermittelt anhand verschiedener Faktoren,<br />
wie einfach sich in einem Land ein Unternehmen<br />
aufbauen und fortführen lässt. In diesem<br />
Bericht werden die USA als drittbester<br />
Wirtschaftsstandort genannt.<br />
Obwohl Grundprinzipien wie freie Marktwirtschaft,<br />
Privateigentum sowie Wettbewerb<br />
in der Weltwirtschaft grundsätzlich bestehen<br />
bleiben, werden in der gegenwärtigen<br />
Situation mit einer Wiedergeburt auch das<br />
zunehmende Eingreifen des Staates und eine<br />
stärkere Regulierung verbunden sein. Die<br />
umfangreichen Wirtschaftshilfen und beträchtlichen<br />
Staatsgelder zur Rettung der<br />
Banken und des Finanzsystems weisen bereits<br />
deutlich in diese Richtung.<br />
Kulturelle Dominanz gefährdet<br />
Die Vereinigten Staaten besitzen einen der<br />
grössten und innovativsten Finanzmärkte der<br />
Welt mit (zumindest vor der Krise) enormen<br />
Kapitalmengen. In den vergangenen Jahren<br />
profitierte die Wirtschaft stark von der weltweiten<br />
Nachfrage nach USAnlagen, vor<br />
allem nach Schulden in Form von Wertpapieren,<br />
die ein grosses Leistungsbilanzdefizit<br />
finanzierten. Das Land importierte wesentlich<br />
mehr, als es exportierte. Die Schulden<br />
wurden natürlich in grossem Umfang von<br />
Staat und Unternehmen angehäuft, allerdings<br />
auch durch Verbraucherkredite (und<br />
andere, wie zum Beispiel Hypotheken). Während<br />
es für Unternehmen in den Schwellenländern<br />
mitunter schwierig ist, Kapital von<br />
den Finanzmärkten zu bekommen, konnten<br />
USVerbraucher Kredite relativ einfach in Anspruch<br />
nehmen, da die Forderungen als<br />
Wertpapiere weiterverkauft wurden. Das<br />
führte zu einem schuldenfinanzierten Konsumboom,<br />
der inzwischen zum Erliegen gekommen<br />
ist. Über die letzten 20 Jahre hinweg<br />
haben die Verbraucher in den USA eine<br />
Menge Geld ausgegeben, manchmal mehr,<br />
als sie verdienten. Selbst während der letzten<br />
Rezession, als sich die Lage am Arbeitsmarkt<br />
verschlechterte, glichen sie die Einkommensverluste<br />
mit immer neuen Krediten<br />
aus und konsumierten weiter. Inzwischen<br />
scheint sich das Konsumverhalten zu normalisieren.<br />
Nachdem bis vor Kurzem die Sparquote<br />
noch gegen null tendiert oder gar darunter<br />
gelegen hatte, wird verfügbares Geld<br />
(zum Beispiel durch den gesunkenen Ölpreis)<br />
inzwischen wieder angelegt. Der mit einem<br />
immer höheren Schuldenberg erkaufte Konsumanstieg<br />
war nicht nur eine tragende Säule<br />
der USWirtschaft. Aufgrund des grossen<br />
Einflusses auf die Weltwirtschaft wurde auch<br />
das globale Wachstum angekurbelt.<br />
Als einer der über lange Zeit wichtigsten<br />
Konsummotoren hatten die Vereinigten<br />
><br />
<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 3/<strong>09</strong>
64 Wirtschaft Renaissance der USA<br />
Der starke Konsum in den USA kurbelte<br />
weltweit das Wachstum an.<br />
Staaten zudem einen massgeblichen Einfluss<br />
auf den Lebensstil in aller Welt, von der<br />
(FastFood) Küche über die Mode bis hin<br />
zur Unterhaltung. In vielen dieser Bereiche<br />
kultureller und damit auch wirtschaftlicher<br />
Dominanz entsteht neue Konkurrenz (BollywoodFilme,<br />
asiatische Küche, neue regionale<br />
Marken mit stärkerer Anbindung an die<br />
landeseigene Kultur). Zweifellos können<br />
starke Konsummarken bei der hohen Nachfrage<br />
in den Schwellenländern Chancen eröffnen.<br />
Die Frage ist nur, wer davon profitieren<br />
wird, wenn die Waren in diesen Ländern<br />
selbst hergestellt und vertrieben werden.<br />
Mehr internationale Zusammenarbeit<br />
Zu Beginn der letzten Globalisierungswelle<br />
zeichnete sich eine zwangsläufige Aufteilung<br />
des internationalen Arbeitsmarktes ab:<br />
Grundlage der neuen Weltordnung schien<br />
eine Aufteilung in die Wissens und Dienstleistungsgesellschaften<br />
der Industrieländer<br />
auf der einen Seite und die «Werkbank» der<br />
Weltwirtschaft in Asien und anderen Schwellenländern<br />
auf der anderen zu sein. Eine<br />
Schlüsselrolle für den Erfolg der USWirtschaft<br />
spielte das hohe Innovationsniveau,<br />
abzulesen an den enormen Aufwendungen<br />
für Forschung und Entwicklung und der grossen<br />
Zahl von Patentanmeldungen. Von der<br />
Glühbirne über Computertechnik und Unterhaltungselektronik<br />
bis hin zur Raumfahrt: USamerikanischer<br />
Unternehmergeist war stets<br />
zumindest massgeblich, wenn nicht sogar<br />
federführend an der Entwicklung von Schlüsseltechnologien<br />
und produkten beteiligt. Die<br />
renommierten Universitäten und das exzellente<br />
Humankapital trugen das Ihrige zu<br />
dieser Erfolgsgeschichte bei. Die zunehmende<br />
Kompetenz in den Schwellenländern, die<br />
Ausbreitung von Wissen über Telekommuni<br />
bulletin 3/<strong>09</strong> <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
kation und Informationstechnologie und die<br />
globale Mobilität, aber auch das Wissen um<br />
die Bedeutung von Innovation stellen bereits<br />
ein grosses Problem für die Behauptung der<br />
Innovationsführerschaft und für den Schutz<br />
geistigen Eigentums dar. Um beides zu bewahren,<br />
wird das Land wahrscheinlich mehr<br />
als bisher zu internationaler Zusammenarbeit<br />
bereit sein müssen.<br />
Ökologie als Wachstumsmotor<br />
Mit rund 300 Millionen Einwohnern leben in<br />
den USA nur knapp 5,5 Prozent der Weltbevölkerung.<br />
Trotzdem werden hier jährlich etwa<br />
25 Prozent des weltweit produzierten Öls<br />
verbraucht. Laut Statistiken der OECD gibt es<br />
nur in Portugal mehr Autos je 1000 Einwohner.<br />
Als der Ölpreis die Marke von 150 USDollar<br />
pro Barrel erreichte, verschob sich der Absatz<br />
in den USA bereits zugunsten sparsamerer<br />
Modelle. Und auch wenn der wichtigste<br />
Bremsklotz für den Autoabsatz in den<br />
vergangenen Monaten in fehlenden Krediten<br />
bestand, wird sich der Trend hin zu wirtschaftlicheren<br />
Autos und Technologien wahrscheinlich<br />
fortsetzen. Das gilt sowohl für private<br />
Ausgaben (zum Beispiel energiesparende<br />
Haushalte) als auch für die öffentliche<br />
Hand, die dazu von der Regierung massgebliche<br />
Impulse erhalten wird. Bis heute gibt<br />
es in den USA kein landesweites Energienetz,<br />
das Elektrizität über Grossräume hinweg<br />
transportieren kann. Dies beschränkt die<br />
Verbreitung alternativer Energien.<br />
Rund 100 Länder stützen ihre Währung<br />
nach wie vor auf eine Leitwährung – einige<br />
davon vollständig auf den USDollar, andere<br />
nutzen flexiblere Modelle. In den nächsten<br />
Jahren dürfte sich der Trend zu einem multilateralen<br />
Wechselkurssystem fortsetzen. Im<br />
Zuge dieser Entwicklung wird sich der Anteil<br />
Der öffentliche Verkehr gewinnt<br />
an Bedeutung.<br />
der USWährung an globalen Reserven allmählich<br />
verringern. Mit zunehmender Streuung<br />
der Zentralbankreserven und einer immer<br />
heterogeneren Gruppe von Anlagenbesitzern<br />
zeichnet sich ein dreipoliges Weltwährungssystem<br />
ab. Europa greift mit der Hauptwährung<br />
Euro immer stärker an und auf längere<br />
Sicht dürfte auch der chinesische Renminbi<br />
über genügend Liquidität und Flexibilität verfügen,<br />
um Asiens führende Rolle in diesem<br />
multilateralen System zu repräsentieren.<br />
Fazit: Die USWirtschaft verfügt über<br />
zahlreiche Stärken, von denen andere Wirtschaftsräume<br />
nur träumen können. Dazu gehören<br />
der hoch entwickelte Finanzmarkt<br />
(trotz der von ihm verursachten Probleme),<br />
das ausgezeichnete physische und Humankapital,<br />
ein flexibler Arbeitsmarkt und eine<br />
hohe Arbeitsproduktivität. Die USA sind seit<br />
Treibende Innovationskraft: Forschung am<br />
Massachusetts Institute of Technology MIT.<br />
jeher ein Innovationsmotor (nicht nur bezogen<br />
auf die Produkte, sondern auch auf die Entwicklungsprozesse)<br />
und stehen nun vor der<br />
Herausforderung, diese Position zu halten.<br />
Potenzial für Einsparungen und mehr Wirtschaftlichkeit<br />
bietet der Bereich Energie. Ein<br />
wesentlicher Wachstumsfaktor der letzten<br />
20 Jahre war das steigende Kreditvolumen<br />
aufgrund der grosszügigen Liquidität der Finanzmärkte<br />
und des weltweiten Renditehungers.<br />
Dieser Antrieb ist nun nicht mehr vorhanden<br />
und sein baldiges Wiederaufleben<br />
nicht zu erwarten. Die Verbraucher nehmen<br />
realistischere Konsumgewohnheiten an, was<br />
auch in den kommenden Jahren das Wachstum<br />
in den USA dämpfen dürfte. Zwar bleibt<br />
die USWirtschaft auch weiterhin die grösste<br />
der Welt, die Aufholjagd der übrigen Länder<br />
und die Rückkehr zu einer weniger einseitig<br />
dominierten Weltwirtschaft werden sich aber<br />
aller Voraussicht nach fortsetzen. <<br />
Fotos: Frank Franklin II, AP, Keystone | David Sailors, Corbis | Steve Dunwell | Martin Stollenwerk, remotephoto.com
Fotos: Muster Mustermann | Muster Mustermann<br />
Invest<br />
Analysen und Prognosen<br />
Ölpreis<br />
Wir rechnen im<br />
kommenden Jahr<br />
mit einem höheren<br />
Ölpreis.<br />
Die globalen Konjunkturdaten zeigten in den letzten Monaten<br />
wieder eine Verbesserung, wenn auch bisher noch auf tiefen Niveaus.<br />
Die Notenbanken dürften die Zinsniveaus vorerst noch tief halten,<br />
um die Wirtschaft zu stützen.<br />
Der gesunkene Ölpreis ist ein wesentlicher Faktor für die derzeit<br />
tiefen Inflationsraten. Dieser Basiseffekt dürfe nun allmählich wegfallen.<br />
Inflationsrisiken bleiben aber aufgrund der geringen Kapazitäts<br />
auslastung und der noch steigenden Arbeitslosigkeit eher gering.<br />
Wir empfehlen weiterhin Aktienpositionen aufzubauen, da diese<br />
beim Übergang der Wirtschaft von einer Kontraktions in eine Erholungs<br />
phase historisch eine gute Performance aufgewiesen haben.<br />
Das tiefe USZinsniveau und die hohen Defizite in Leistungsbilanz<br />
und Staatshaushalt dürften den US-Dollar auch über die kommenden<br />
12 Monate belasten. Der EUR als alternative Reservewährung<br />
dürfte davon profitieren.<br />
Wir rechnen in den kommenden Monaten mit einer längerfristigen<br />
und nachhaltigen Preisrally bei den Rohstoffen. Korrekturen sehen<br />
wir folglich als günstige Einstiegsgelegenheiten für Rohstoffanlagen.<br />
Konjunktur Global<br />
<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> 65<br />
Globale Rezession<br />
neigt sich dem Ende zu<br />
Insbesondere in einigen Schwellen<br />
ländern (China, Indien) deuten die auf<br />
Unternehmensbefragungen basierenden<br />
Wirtschaftsindikatoren bereits wieder<br />
auf Wachstum und auch global lässt sich<br />
über die letzten Monate zumindest eine<br />
deutliche Verbesserung verzeichnen. th<br />
Unternehmensbefragungen (Einkaufsmanagerindizes):<br />
China vs. Welt<br />
Quelle: Bloomberg, <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
PMI Auftragseingänge<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
%<br />
4.8<br />
4.3<br />
3.8<br />
3.3<br />
2.8<br />
2.3<br />
1.8<br />
1.3<br />
06 07 08 <strong>09</strong><br />
Eurozone<br />
USA<br />
China<br />
Indien<br />
Konjunktur Schweiz<br />
Rezession erreicht<br />
Arbeitsmarkt<br />
Mit dem Übergreifen auf den Arbeitsmarkt<br />
ist die Rezession definitiv in der Schweiz<br />
angekommen. Entgegen dem üblichen<br />
saisonalen Muster nahm die Arbeitslosigkeit<br />
im Frühling nicht ab. Gleichzeitig<br />
signalisieren Frühindikatoren, dass der<br />
freie Fall beendet ist.<br />
cm<br />
Deutlicher Anstieg der Arbeitslosenquote<br />
Quelle: Seco<br />
06<br />
00 02 04 08<br />
Arbeitslosenquote<br />
<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 3/<strong>09</strong>
66 <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
Übersicht<br />
Ausblick Global<br />
Nach einem schweren Einbruch zeigt<br />
die globale Konjunktur wieder deutliche<br />
Anzeichen einer Stabilisierung.<br />
Gerade die Schwellenländer dürften<br />
weiterhin einen wichtigen Beitrag zur<br />
weltweiten Wachstumsdynamik leisten.<br />
Zyklische Aktientitel und Schwellenmärkte<br />
sollten vom sich verbessernden<br />
Ausblick und höheren Risikoappetit<br />
profitieren. Die verbesserten Wirtschaftsindikatoren<br />
signalisieren eine<br />
Erholung der Rohstoffnachfrage. Der<br />
USD bleibt unter Druck und dürfte<br />
sich weiter abschwächen.<br />
Zinsen und Obligationen<br />
Zinspolitik bleibt expansiv<br />
Die globale konjunkturelle Stabilisierung<br />
bedeutet auch, dass die drastischen Massnahmen<br />
von Notenbanken und Regierungen<br />
in Form von Zinssenkungen und Ausgabenprogrammen<br />
ihre Wirkung entfalten. Die<br />
Leitzinsen werden vorerst auf aussergewöhnlich<br />
tiefen Niveaus bleiben, aber nicht<br />
für immer. Die Märkte fangen bereits an,<br />
Zinserhöhungen der wichtigsten Notenbanken<br />
einzupreisen. Dies dürfte sich auch<br />
in den kommenden Monaten in steigenden<br />
Renditen der Staatsanleihen niederschlagen.<br />
Die Inflationsraten sind global stark<br />
gefallen, vielerorts unter null. Allerdings<br />
halten wir grundsätzlich die Inflationsrisiken<br />
aufgrund der geringen Kapazitätsauslastung<br />
und noch steigender Arbeitslosigkeit für<br />
eher gering. th<br />
Schwellenländer (v. a. China) haben bereits in<br />
den letzten Jahren das Weltwirtschaftswachstum<br />
stark beeinflusst. Quelle: Bloomberg, IMF, <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
YoY%, nach Kaufkraft gewichtet<br />
5<br />
3<br />
2<br />
0<br />
–2<br />
–3<br />
99 01 03 05 07 <strong>09</strong><br />
China<br />
Schwellenländer ohne China<br />
Industrieländer<br />
BIP-Wachstum weltweit<br />
bulletin 3/<strong>09</strong> <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
Aktienmarkt<br />
Weiterhin Aktienpositionen<br />
aufbauen<br />
Mit der starken Erholung der Aktienmärkte<br />
im zweiten Quartal haben sich auch die Bewertungsniveaus<br />
für Aktien wieder normalisiert,<br />
sind aber unter dem langfristigen<br />
Durchschnitt geblieben. Wir empfehlen weiterhin<br />
Aktienpositionen aufzubauen, da diese<br />
beim Übergang der Wirtschaft von einer Kontraktions<br />
in eine Erholungsphase historisch<br />
eine gute Performance aufgewiesen haben.<br />
Zudem funktionieren die Kapitalmärkte wieder<br />
und die Kapitalflussdaten signalisieren,<br />
dass wieder Geld in die Aktienmärkte fliesst.<br />
Insbesondere zyklische Titel und Schwellenmärkte<br />
sollten in einem solchen Umfeld vom<br />
sich verbessernden Ausblick und höheren<br />
Risikoappetit der Investoren profitieren<br />
können. rs<br />
Bewertung Aktienmärkte trotz Erholung<br />
unter historischem Durchschnitt.<br />
Quelle: Bloomberg, <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
Index P/E-Verhältnis<br />
1200<br />
1100<br />
1000<br />
900<br />
800<br />
700<br />
600<br />
500<br />
11.95 11.97 11.99 11.01 11.03 11.05 11.07<br />
MSCI World<br />
MSCI World P/E nächste 12M (r. S.)<br />
Währungen<br />
US-Dollar dürfte sich<br />
weiter abschwächen<br />
Der USDollar ist im Zuge der Normalisierung<br />
der Finanzmarktbedingungen in den<br />
vergangenen Monaten unter Druck geraten.<br />
Wir sind weiterhin der Auffassung, dass der<br />
USDollar sich auch auf 12 Monate weiter<br />
abschwächen wird. Das hohe amerikanische<br />
Zwillingsdefizit in der Leistungsbilanz und<br />
dem Staatshaushalt und das tiefe USZinsniveau<br />
sind unsere Hauptargumente dafür.<br />
Zudem sind die Absicherungskosten von<br />
USDEngagements für ausländische Investoren<br />
historisch betrachtet attraktiv, und wir<br />
erwarten auch, dass ausländische Zentralbanken<br />
vermehrt einen Teil ihrer Währungs<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
reserven aus dem USD diversifizieren. Der<br />
EUR als alternative Reservewährung zum<br />
USD dürfte davon profitieren. mh<br />
Zinsdifferenz zwischen USD und CHF liegt unter<br />
kritischer Marke von 3%. Quelle: Bloomberg, <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
USD/CHF in %<br />
1.80<br />
1.60<br />
1.40<br />
1.20<br />
1.00<br />
0.80<br />
0.60<br />
Index Veränderung YoY in %<br />
60<br />
55<br />
50<br />
45<br />
40<br />
35<br />
30<br />
89 91 93 95 97 99 01 03 05 07<br />
3 Monats-LIBOR USD-CHF minus 3% kritische<br />
Grösse (r. S.)<br />
USD/CHF-Wechselkurs<br />
Rohstoffe<br />
Korrekturen eröffnen<br />
Einstiegsgelegenheiten<br />
99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 <strong>09</strong><br />
PMI China<br />
PMI USA<br />
Globaler Gesamt-PMI<br />
Dow Jones UBS Commodity Index BIP-Wachstum<br />
weltweit mit 6M-Verzögerung (r. S.)<br />
–10<br />
Die Rohstoffpreise erholen sich bereits<br />
wieder von der Korrektur, welche Mitte Juni<br />
einsetzte. Wir erwarten, dass sich die Preise<br />
in den nächsten 1–2 Monaten in einer weiten<br />
Bandbreite seitwärts bewegen. Indes sehen<br />
wir die ersten positiven Anzeichen für den<br />
realen Rohstoffverbrauch. Die globalen Einkaufsmanagerindizes<br />
signalisieren eine baldige<br />
wirtschaftliche Erholung und die jüngsten<br />
Daten deuten darauf hin, dass die Nachfrage<br />
an einigen Märkten allmählich steigt.<br />
Wir rechnen daher mit einer graduell zunehmenden<br />
Rohstoffnachfrage und somit in den<br />
kommenden Monaten mit einer längerfristigen<br />
und nachhaltigen Preisrally. Korrekturen<br />
sehen wir folglich als günstige Einstiegsgelegenheiten<br />
für Rohstoffanlagen. et<br />
Globale Einkaufsmanagerindizes deuten<br />
eine baldige Erholung der Rohstoffpreise an.<br />
Quelle: Bloomberg<br />
22<br />
18<br />
14<br />
10<br />
6<br />
2<br />
–2<br />
–6<br />
40<br />
20<br />
0<br />
–20<br />
–40<br />
–60
Übersicht<br />
Ausblick Schweiz<br />
Die Schweizer Konjunkturentwicklung<br />
bleibt schwach. Die Exportindustrie<br />
wurde vom Nachfragerückgang stark<br />
getroffen und der Konsum reflek-<br />
tiert zunehmend die Verschlechterung<br />
am Arbeitsmarkt. Gleichzeitig haben<br />
aber die vorausblickenden Indikatoren<br />
ihre Tiefststände überwunden. Der<br />
Abbau der Lagerbestände ist ein positives<br />
Signal für die künftige Produktion.<br />
Die Nationalbank strebt weiterhin<br />
an, eine Aufwertung des Frankens<br />
gegenüber dem Euro zu verhindern.<br />
Zinsen und Obligationen<br />
SNB strebt weiterhin<br />
tiefes Zinsniveau an<br />
Nachdem der 3MonatsLIBOR nach Mitte<br />
März praktisch unverändert um 0.4% verharrte,<br />
ist er seit Anfang Juli wieder leicht<br />
gesunken. Der Spread zwischen LIBOR und<br />
RepoSatz scheint sich demnach wieder<br />
zu verringern. Wenn sich nun die Normalisierung<br />
der Finanzmarktbedingungen fortsetzt,<br />
kann die Schweizerische Nationalbank<br />
(SNB) ihr erhöhtes Liquiditätsangebot graduell<br />
wieder reduzieren, ohne damit die monetären<br />
Bedingungen zu straffen. Die SNB zielt<br />
nach wie vor darauf ab, die Marktzinsen auf<br />
tiefem Niveau zu halten. Vor dem Hintergrund<br />
der verzögerten wirtschaftlichen Erholung<br />
und dem geringen Inflationsdruck<br />
gehen wir davon aus, dass die SNB ihr Zinsziel<br />
nicht vor dem zweiten Halbjahr 2010 erhöhen<br />
wird. fh<br />
Zinsspreads durch Normalisierung der<br />
Finanzmärkte wieder mit Abwärtstendenz.<br />
Quelle: Bloomberg, <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
Basispunkte<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
–50<br />
00 01 02 03 04 05 06 07 08 <strong>09</strong><br />
Spread zwischen 3M-LIBOR und 1W-Repo<br />
Aktienmarkt<br />
Positionen in zyklischen<br />
Sektoren aufbauen<br />
Nach der starken Rally hat der SMI per<br />
23. Juli wieder eine positive Performance<br />
seit Jahresanfang erreicht. Während das<br />
defensive Profil des Schweizer Aktienmarktes<br />
im ersten Quartal ein Vorteil war, ist der<br />
SMI in der Erholung seit März hinter anderen<br />
Indizes wie z. B. dem EuroStoxx 50 zurückgeblieben<br />
(+ 34% ggü. +48% vom 6. 3. bis<br />
23. 7.). Wir empfehlen Positionen in zyklischen<br />
Sektoren (z. B. Software & Services)<br />
und kleineren Firmen aufzubauen. rs<br />
Der SMI weist nach der jüngsten Rally<br />
wieder eine positive YTD-Perfomance auf.<br />
Quelle: Bloomberg, <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
Index<br />
5800<br />
5600<br />
5400<br />
5200<br />
5000<br />
4800<br />
4600<br />
4400<br />
4200<br />
Index<br />
1.8<br />
1.6<br />
1.4<br />
1.2<br />
1.0<br />
0.8<br />
0.6<br />
12.08 01.<strong>09</strong> 02.<strong>09</strong> 03.<strong>09</strong> 04.<strong>09</strong> 05.<strong>09</strong> 06.<strong>09</strong><br />
SMI<br />
Verhältnis Auftragsbestand zu Lagerkomponenten Quelle: <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> Economic Research<br />
Auftragsbestand zu Vorproduktelager<br />
Auftragsbestand zu Fertigproduktelager<br />
Währungen<br />
<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> 6<br />
EUR/CHF-Abwärtspotenzial<br />
durch SNB begrenzt<br />
Die enge Zinsdifferenz, der Schweizer Leistungsbilanzüberschuss,<br />
die ausstehenden<br />
Frankenkredite in Osteuropa sowie die Unterbewertung<br />
des CHF begrenzen unserer<br />
Meinung nach einen Anstieg des EUR/CHF.<br />
Auf der anderen Seite dürfte die SNB aufgrund<br />
von Deflationsbefürchtungen auch in<br />
den kommenden Monaten einen Rückgang<br />
von EUR/CHF unter 1.50 mittels Devisenmarktinterventionen<br />
verhindern. Wir bleiben<br />
darum gegenüber EUR/CHF auf 3 – 6 Monate<br />
neutral. mh<br />
Markanter Anstieg der SNB-Devisenreserven<br />
in EUR und USD deutet auf Interventionen hin.<br />
Quellen: Bloomberg, <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
USD, EUR, GBP Mio. JPY Mio.<br />
35 000<br />
30 000<br />
25 000<br />
20 000<br />
15 000<br />
10 000<br />
USD GBP EUR JPY (r. S.)<br />
03.95 03.97 03.99 03.01 03.03 03.05 03.07 03.<strong>09</strong><br />
5 000<br />
0<br />
01.05 01.06 01.07 01.08 01.<strong>09</strong><br />
Top-Thema<br />
Sinkende Lagerbestände lassen hoffen<br />
Die Lagerbestände in der Schweiz sind zu hoch, doch passen die Unternehmen ihre<br />
B estände im Rekordtempo an. Beide PMILagerindizes (Fertigwaren und Vorproduktelager)<br />
befinden sich seit einem halben Jahr unterhalb der Wachstumszone und sanken<br />
im Juni auf neue Tiefststände. Dies zeigt, wie drastisch die Lager abgebaut werden.<br />
Das Verhältnis zwischen Auftragseingang und Lagerabbau erreicht bereits wieder<br />
Werte wie zuletzt 2003 in der Talsohle der damaligen Rezession. Dies ist ein konjunktureller<br />
Lichtblick: Denn wenn schliesslich die Nachfrage wieder grösser ist als der<br />
Lagerbestand, muss entweder eingekauft oder mehr produziert werden.<br />
cm<br />
500 000<br />
450 000<br />
400 000<br />
350 000<br />
300 000<br />
250 000<br />
200 000<br />
150 000<br />
100 000<br />
50 000<br />
0<br />
<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 3/<strong>09</strong>
68 <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
24. Juli 20<strong>09</strong><br />
Überblick Prognosen<br />
Aktien und Rohstoffe: Ausgewählte Indizes<br />
Quelle: Bloomberg, <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
Auswahl Kurs YTD Ausblick 3M 12M Ziele<br />
S&P 500 954.07 8.1 % � 972<br />
SMI 5’637.02 4.2 % � 6’000<br />
FTSE100 4’493.73 2.8 % � 4’561<br />
DJ Euro Stoxx 50 2’528.85 5.6 % � 2’562<br />
Nikkei 225 9’723.16 10.5 % � 11’300<br />
Gold 953.31 8.4 % � 1’150<br />
WTI Erdöl<br />
Dow Jones UBS Commodity Index<br />
Devisen (Wechselkurse)<br />
Quelle: Bloomberg, <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
bulletin 3/<strong>09</strong> <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
23. .200 3M 12M<br />
USD/CHF 1.08 � 0.92 – 0.96<br />
EUR/CHF 1.52 � 1.48 – 1.52<br />
JPY/CHF 1.13 � 0.98 – 1.02<br />
EUR/USD 1.41 � 1.58 – 1.62<br />
USD/JPY 95 � 92 – 96<br />
EUR/JPY 134 � 148 – 152<br />
EUR/GBP 0.86 � 0.92 – 0.96<br />
GBP/USD 1.65 � 1.68 – 1.70<br />
EUR/SEK 10.63 � 1 0.10 – 10.50<br />
EUR/NOK 8.90 � 8.30 – 8.70<br />
AUD/USD 0.81 � 0.83 – 0.87<br />
NZD/USD<br />
USD/CAD<br />
0.65<br />
1.<strong>09</strong><br />
Schweizer Wirtschaft<br />
(Veränderung gegenüber Vorjahr in %)<br />
Quelle: <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
� 0.63 – 0.67<br />
� 1.03 – 1.07<br />
200 2010<br />
Bruttoinlandprodukt, real –2.0 0.6<br />
Privater Konsum 0.9 0.4<br />
Öffentlicher Konsum 0.7 0.4<br />
Ausrüstungsinvestitionen –7.4 –1.8<br />
Bauinvestitionen –1.9 –0.1<br />
Exporte<br />
Importe<br />
–6.8<br />
–1.5<br />
1.0<br />
–0.1<br />
65.4<br />
243.905<br />
50.6 % � 82.5<br />
5.1 % � 280<br />
Reales BIP-Wachstum in %<br />
Quelle: Bloomberg, <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
2008 200 E 2010E<br />
CH 1.6 –2 0.6<br />
EWU 0.7 –4.2 0.9<br />
USA 1.1 –2.1 1.9<br />
GB<br />
Japan<br />
0.7<br />
–0.7<br />
Kurzfristzinsen 3M-LIBOR<br />
Quelle: Bloomberg, <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
–3.4 1.4<br />
–4.5 1.7<br />
23. .200 3M 12M<br />
CHF 0.36 � 0.2–0.4<br />
EUR 0.93 � 1.1–1.3<br />
USD 0.50 � 1.2–1.4<br />
GBP<br />
JPY<br />
Inflation in %<br />
0.93<br />
0.42<br />
Quelle: Bloomberg, <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
� 1.3–1.5<br />
� 0.2–0.4<br />
2008 200 E 2010E<br />
CH 2.4 0.2 1.0<br />
EWU 3.3 0.4 1.7<br />
USA 3.8 –0.7 2.2<br />
GB<br />
Japan<br />
3.6<br />
1.4<br />
Rendite 10-j. Staatsanleihen<br />
Quelle: Bloomberg, <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
1.8 2.3<br />
–1.1 –0.3<br />
23. .200 3M 12M<br />
CHF 2.17 � 2.7 – 2.9<br />
EUR 3.46 � 3.8 – 4<br />
USD 3.66 � 4.1 – 4.3<br />
GBP<br />
JPY<br />
3.97<br />
1.39<br />
� 4.2 – 4.4<br />
� 1.8 – 2<br />
Wichtige Information<br />
Die Informationen und Meinungen in diesem Bericht wurden<br />
von <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> per angegebenem Datum erstellt und<br />
können sich ohne vorherige Mitteilung ändern. Der Bericht<br />
wurde einzig zu Informationszwecken publiziert und ist weder<br />
ein Angebot noch eine Aufforderung seitens oder im Auftrag<br />
von <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren<br />
oder ähnlichen Finanzinstrumenten oder zur Teilnahme an<br />
einer spezifischen Handelsstrategie in irgendeiner<br />
Rechtsordnung. Der Bericht wurde ohne Berücksichtigung<br />
der Zielsetzungen, der finanziellen Situation oder der<br />
Bedürfnisse eines bestimmten Anlegers erstellt. Der Bericht<br />
enthält keinerlei Empfehlungen rechtlicher Natur oder<br />
hinsichtlich Investitionen, Rechnungslegung oder Steuern. Er<br />
stellt auch in keiner Art und Weise eine auf die persönlichen<br />
Umstände eines Anlegers zugeschnittene oder für diesen<br />
angemessene Investition oder Strategie oder eine andere an<br />
einen bestimmten Anleger gerichtete Empfehlung dar.<br />
Verweise auf frühere Entwicklungen sind nicht unbedingt<br />
massgebend für künftige Ergebnisse.<br />
Die Informationen stammen aus oder basieren auf Quellen,<br />
die <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> als zuverlässig erachtet. Dennoch<br />
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der Informationen geleistet werden. <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
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Dieser Bericht wird von der Schweizer Bank <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
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Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht untersteht.<br />
Das vorliegende Dokument darf ohne schriftliche Genehmigung<br />
der <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> weder ganz noch auszugsweise vervielfältigt<br />
werden. Copyright © 20<strong>09</strong> <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> Group AG<br />
und/oder mit ihr verbundene Unternehmen. Alle Rechte<br />
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Impressum Invest<br />
Herausgeber <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong>, Global Research,<br />
Uetlibergstrasse 231, Postfach 300, CH8070 Zürich<br />
Redaktion Marcus Hettinger (mh), Thomas Herrmann (th),<br />
Fabian Heller (fh), Eliane Tanner (et), Claude Maurer (cm),<br />
Roger Signer (rs)<br />
Weitere Research-Publikationen finden Sie im Internet<br />
oder auf Anfrage.<br />
E-Mail publications.research@creditsuisse.com<br />
Internet www.creditsuisse.com/research<br />
Nachdruck gestattet mit dem Hinweis «Aus dem <strong>Bulletin</strong><br />
der <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong>»
Wissenswert<br />
Begriffe und Bücher aus der Wirtschaft<br />
NAFTA [ North American Free Trade<br />
Agreement ]: Zwischen Kanada,<br />
Mexiko und den USA besteht seit<br />
1992 ein Wirtschaftsverbund, der<br />
seit 1. 1. 1994 in Kraft ist. Die Nordamerikanische<br />
Freihandelszone<br />
� NAFTA bildet auf dem nordamerikanischen<br />
Kontinent eine –<br />
gemessen an der Zahl der Verbraucher<br />
in den Mitgliedsländern<br />
und der Wirtschaftskraft – bedeutende<br />
Freihandelszone. In dieser<br />
wurden seit Inkrafttreten des Abkommens<br />
Handelsbarrieren und<br />
Zölle gestaffelt abgebaut, und<br />
bis zum Jahr 2015 sollte die vollständige<br />
Realisierung abgeschlossen<br />
sein. Durch das Abkommen<br />
werden der Handel mit Gütern<br />
und Dienstleistungen, aber auch<br />
Investitionsbedingungen liberalisiert.<br />
Dabei einbezogen sind der<br />
Schutz des geistigen Eigentums<br />
und der Umwelt sowie arbeitsrechtliche<br />
Folgen.<br />
Schon seit ihren Anfängen<br />
wird die NAFTA heftig diskutiert.<br />
Einerseits können niedrigere<br />
Zölle den Handel steigern, weshalb<br />
internationale Unternehmen<br />
das Abkommen meist stützen.<br />
Demgegenüber stehen jedoch<br />
Befürchtungen, beispielsweise der<br />
Gewerkschaften in den USA,<br />
dass zu viele Arbeitsplätze nach<br />
Mexiko verlagert werden. Auch<br />
soziale und umweltbewusste<br />
Gruppierungen stehen der Ausdehnung<br />
des Handelsvolumens<br />
und seinen Folgen für Umwelt<br />
und Gesundheit kritisch gegenüber.<br />
Wie allerdings aus Wirtschaftsstudien<br />
hervorgeht, hat sich<br />
vor allem der Handel verlagert;<br />
Die NAFTALänder importieren<br />
Anzeige<br />
immer mehr aus ihren Mitgliedsstaaten<br />
als von anderen Ländern<br />
in der Welt.<br />
Nordische Investitionsbank<br />
(NIB) [ Der Wirtschaftsförderung<br />
dienendes Instrument ]: Die 1976<br />
gegründete � Nordische Investitionsbank<br />
dient als Unterstützung<br />
der Zusammenarbeit zwischen<br />
den Regierungen Dänemarks, Finnlands,<br />
Islands, Norwegens und<br />
Schwedens, einschliesslich der autonomen<br />
Gebiete Grönland, Färöer<br />
und Åland. Im Jahre 2005 der NIB<br />
beigetreten sind Lettland, Estland<br />
und Litauen, womit eine angemessene<br />
und zeitgemässe Fortführung<br />
der Kooperationen möglich gemacht<br />
wurde. Die NIB mit Sitz in<br />
Helsinki soll die Wirtschaft fördern.<br />
So finanziert sie Investitions und<br />
Exportprojekte, an denen Institutionen<br />
und Unternehmen aus mehreren<br />
skandinavischen Ländern beteiligt<br />
sein müssen oder die im «gesamtnordischen<br />
Interesse» liegen.<br />
Nord-Süd-Konflikt [ Interessensgegensätze<br />
zwischen Industrieund<br />
Entwicklungsländern ]: Zu<br />
Beginn der 1970erJahre wurde<br />
im Kampf um den Ölpreis zwischen<br />
den industrialisierten und nicht<br />
industrialisierten Teilen der Welt die<br />
gegenseitige Abhängigkeit klar.<br />
Als Folge davon begannen Entwicklungs<br />
wie Industrieländer, eine<br />
zeitweise harte Konfrontationspolitik<br />
zu betreiben. Gegenstand der als<br />
� NordSüdKonflikte bezeichneten<br />
Meinungsverschiedenheiten<br />
waren die wirtschaftlichen, politischen,<br />
militärischen und kulturellen<br />
Interessen, die teilweise gegensätzlicher<br />
nicht sein konnten. So<br />
forderten die Entwicklungsländer<br />
unter anderem eine neue Weltwirtschaftsordnung,<br />
welche die<br />
durch die Kolonialzeit erlittene Ausbeutung<br />
wiedergutmachen und<br />
eine gleichberechtigte Partnerschaft<br />
zwischen Nord und Süd entstehen<br />
lassen sollte. Diesen<br />
Forderungen standen die Industrieländer<br />
überwiegend ablehnend<br />
gegenüber. Heute scheint eine<br />
grundlegende Revision der Beziehungen<br />
zwischen den nördlichen<br />
und südlichen Weltteilen aus<br />
vielfältigen Gründen – zumindest<br />
vorläufig – gescheitert. rg<br />
True North<br />
Wissenswert Wirtschaft 6<br />
True North: Discover Your Authentic Leadership<br />
Bill George and Peter Sims<br />
JosseyBass, 2007<br />
247 Seiten<br />
ISBN: 9780787987510<br />
Das Konzept Führung ist wenig greifbar. Umso mehr wollen<br />
die Menschen, die darüber lesen, sicher sein, dass die, die darüber<br />
schreiben, sich auch wirklich auskennen. Die Autoren von «True<br />
North» dürfen das von sich behaupten: Bill George ist Management <br />
Professor an der Harvard Business School, Mitglied in mehreren<br />
Verwaltungsräten und der frühere Verwaltungsratsvorsitzende und<br />
CEO des MedizintechnikUnternehmens Medtronic. Peter Sims<br />
ist der Gründer einer Investmentfirma. Zusammen befragten sie<br />
125 Führungskräfte, um herauszufinden, was authentische,<br />
ethische Führung ist und was man dafür braucht. Und, was braucht<br />
man dafür ? Einen inneren Kompass, sagen sie. Dieser zeige<br />
den «wahren Norden» auf und biete so Orientierung auf dem Weg<br />
zu sich selbst. Führung sei nämlich genau der Weg, nicht das<br />
Ziel. getAbstract empfiehlt dieses Buch als Startpunkt. © getAbstract<br />
The Leadership Code<br />
The Leadership Code: Five Rules to Lead By<br />
Dave Ulrich, Norm Smallwood and Kate Sweetman<br />
Harvard Business Press, 20<strong>09</strong><br />
190 Seiten<br />
ISBN13: 978 1422119013<br />
Dieses Buch ist die Rettung für alle, die im wuchernden Dschungel<br />
der Managementliteratur weder ein noch aus wissen. Wie eine<br />
Kompassnadel, die verirrten Wanderern Norden aufzeigt, führt es<br />
durch ein Gebiet, in dem man leicht die Orientierung verliert –<br />
oder zumindest die Nerven. Dave Ulrich, Norm Smallwood and<br />
Kate Sweetman sind in das nebulöse Terrain der Führungsliteratur<br />
vorgedrungen und haben es kartografiert. Das Ergebnis sind<br />
fünf grundsätzliche Regeln, die sie den «Führungscode» nennen.<br />
Leser erfahren, wie man eine Strategie entwickelt, wie man<br />
sie umsetzt, wie es gelingt, die Mitarbeiter dabei einzubeziehen,<br />
wie man talentierte Leute an Land zieht und wie man zugleich<br />
selbst als Führungskraft wächst. getAbstract empfiehlt dieses<br />
Buch Managern und denen, die es erst noch werden wollen; kurz:<br />
all jenen, die den unwegsamen Pfad zu guter Führung beschreiten<br />
wollen. © getAbstract<br />
© getAbstract. Fünfseitige Zusammenfassungen dieser Bücher finden Sie<br />
auf www.getabstract.com.<br />
<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 3/<strong>09</strong>
0 Leader Paul Krugman<br />
«Ich bin ein<br />
Krisenchronist»<br />
Vor zehn Jahren warnte Paul Krugman in seinem Buch «The Return of<br />
Depression Economics» vor den Problemen, die zur heutigen Krise führten.<br />
Im vergangenen Jahr erhielt der Professor und pointierte Kolumnen-<br />
schreiber den Wirtschaftsnobelpreis. Er spricht über die Gründe der Krise,<br />
die Lehren daraus und das Leben als Nobelpreisträger.<br />
Interview: Daniel Huber<br />
bulletin: Es gibt in dieser Krise nur wenige Gewinner.<br />
Wo orten Sie rückblickend das Hauptproblem für<br />
Sie scheinen aber einer davon zu sein. Denn die Tatsache, die aktuelle Wirtschaftskrise?<br />
dass Sie bereits vor zehn Jahren die jüngsten wirt-<br />
Für mich ist das ganz klar die kontinuierlich wachsende Ver<br />
schaftlichen Entwicklungen vorhergesehen haben, dürfte schuldung, insbesondere in den Vereinigten Staaten. Diese Ten<br />
Ihnen den Wirtschaftsnobelpreis eingebracht haben.<br />
denz hat aber schon vor ungefähr 25 Jahren begonnen. Den<br />
Paul Krugman: Nun gut, ich denke, ich bin philanthropisch Indikator, den ich am häufigsten verwende, ist die Verschuldungs<br />
genug veranlagt, um mir zu wünschen, die Dinge hätten einen quote der privaten Haushalte. Diese Verschuldung war eine<br />
anderen Lauf genommen.<br />
Generation lang bis Anfang der 1980erJahre stabil und stieg<br />
Würden Sie sich eher als Pessimist oder Realist bezeichnen? danach unaufhörlich an, bis sie unmittelbar vor Ausbruch<br />
Meiner Meinung nach läuft zurzeit beides auf das Gleiche<br />
der Krise 100 Prozent des BIP erreicht hatte. Diese bedenkliche<br />
hinaus. Aber im Laufe meiner Karriere bin ich wohl allmählich Entwicklung wurde aber von vielen sogar noch begrüsst, da man<br />
eine Art Krisenchronist geworden, da mich Krisen schon<br />
darin eine Bestätigung für das Funktionieren der Märkte sah.<br />
immer interessiert haben. Auch die aktuelle Situation betrachte Rückblickend muss man jedoch sagen, dass sich viele schlichtweg<br />
ich unter diesem Gesichtspunkt, das heisst, ein potenzielles übernommen haben. Es lohnt sich jedenfalls, gewisse Auswüchse<br />
Problem ist für mich interessanter als eine Wendung zum<br />
der letzten Jahre nochmals ins Gedächtnis zu rufen: die hem<br />
Positiven. Ich halte mich für einen Realisten, der in seinen mungslose Kreditvergabe, die Exzesse in Osteuropa und ähnliche<br />
Analysen zu einem gewissen Pessimismus neigt.<br />
Entwicklungen, die jetzt so gnadenlos auf uns zurückfallen.<br />
Warum hat niemand auf Sie gehört, als Sie vor zehn<br />
Haben wir den Tiefpunkt der Krise überstanden?<br />
Jahren in Ihrem Buch vor einer sich abzeichnenden Weltwirt- Kurzfristige wirtschaftliche Prognosen sind wie ein Blick in<br />
schaftskrise warnten?<br />
die Kristallkugel. Aber immerhin hat sich inzwischen das Tempo<br />
Zunächst einmal hat die Immobilienblase dazu beigetragen, des Abschwungs verlangsamt, und das Schlimmste der Krise ist<br />
dass die Dinge eine Zeit lang gut aussahen. Aus den verschiedens überstanden. Wenn Sie morgens Ihren Computer einschalten,<br />
ten Gründen ist diese Blase kaum hinterfragt worden. Dies lag müssen Sie sich nicht mehr jeden Tag auf neue Horrormeldungen<br />
zum einen an der verbreiteten Ansicht, dass der Markt immer gefasst machen. Es gibt zwar immer noch negative Überraschun<br />
Recht hat, und zum anderen an der fehlenden Bereitschaft, das gen, aber auch immer mal wieder positive. Insgesamt scheint<br />
vermeintliche Erfolgsmodell in Frage zu stellen. Wenn Menschen sich die Lage zwar zu verschlechtern, aber nicht mehr im gleichen<br />
viel Geld verdienen, ist es nicht gerade populär, ihnen zu sagen, Tempo wie zuvor. Das ist ein wichtiger Fortschritt. Von einer<br />
dass sie sich auf gefährlichem Terrain bewegen. Kommt dazu, Erholung kann allerdings noch nicht die Rede sein. Bis es so weit<br />
dass, wenn wir wie Ende der 1990erJahre eine Krise ausgestan ist, liegt noch ein weiter Weg vor uns. Der Sturz in den Abgrund<br />
den haben, wir uns lieber selbst auf die Schulter klopfen und uns mag fürs Erste gestoppt sein. Das heisst aber nicht, dass die<br />
einreden, dass wir dies unserer eigenen Weisheit und Voraussicht Rückkehr zur Normalität unmittelbar bevorsteht. Man kann die<br />
zu verdanken haben. Im Stillen sagen wir uns aber: Mein Gott, aktuelle wirtschaftliche Situation mit der eines Patienten<br />
das war ganz schön knapp. vergleichen, der sich in kritischem Zustand befand, auf die<br />
><br />
bulletin 3/<strong>09</strong> <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
Foto: David Levene
Paul Krugman Leader 1<br />
<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 3/<strong>09</strong>
2 Leader Paul Krugman<br />
Paul Krugman wurde am 28. Februar 1 53 in<br />
New York geboren. Er ist Professor für Volkswirtschaft<br />
an der Universität Princeton, viel beachteter<br />
Kolumnenschreiber für die «New York Times»<br />
( jeweils am Montag und Freitag) und Autor mehrerer<br />
Wirtschaftssachbücher. Im vergangenen Jahr<br />
wurde ihm für seine «Analyse von Handelsstrukturen<br />
und Standorten ökonomischer Aktivität», so die<br />
offizielle Begründung der Königlich Schwedischen<br />
Akademie, der Nobelpreis für Wirtschaft verliehen.<br />
Neben seiner akademischen Tätigkeit war Krugman<br />
immer wieder auch beratend tätig, unter anderem<br />
1 82 im Wirtschaftsrat von Ronald Reagan und<br />
ein Jahrzehnt später während dessen Präsidentschaftskandidatur<br />
für Bill Clinton. Auf eine Anstellung<br />
im Weissen Haus soll er danach aber verzichtet<br />
haben. Krugmans kontroversen Blog bei der «New<br />
York Times» finden Sie unter:<br />
http://krugman.blogs.nytimes.com<br />
bulletin 3/<strong>09</strong> <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
Intensivstation gebracht und gerade noch gerettet wurde. Zwar<br />
ist es gelungen, eine zweite Grosse Depression abzuwenden,<br />
aber der Patient kann noch nicht entlassen werden. Im Gegenteil:<br />
Er ist noch immer schwer krank, und es ist überhaupt nicht<br />
abzusehen, wann er genesen wird.<br />
Gibt es Beispiele aus der Vergangenheit, die uns den Weg<br />
aus der aktuellen Krise vorzeichnen könnten?<br />
Die Antwort ist ziemlich deprimierend. Es gibt keine historischen<br />
Vorbilder für eine Erholung nach einem derartigen Abschwung.<br />
Das einzig brauchbare Beispiel ist Japan: Das Land erlebte zuerst<br />
ein verlorenes Jahrzehnt wirtschaftlicher Stagnation und im<br />
«Der Sturz in den Abgrund mag<br />
gestoppt sein. Das heisst aber<br />
nicht, dass die Rückkehr zur<br />
Normalität unmittelbar bevorsteht.»<br />
Anschluss daran ab 2003 eine ziemlich eindrucksvolle, von<br />
einem gewaltigen Exportboom getragene Erholung. Diese<br />
Erholung wurde allerdings fast ausschliesslich vom wachsenden<br />
Handelsüberschuss getragen, dank der Exporte nach China und in<br />
die USA. Die aktuelle Krise hat jedoch die ganze Welt erfasst.<br />
Wenn wir also keinen anderen Planeten finden, der unseren globalen<br />
Handelsüberschuss auffängt, bleibt uns dieser Ausweg verschlossen.<br />
Ein noch weiter zurückliegendes historisches Vorbild<br />
war die Grosse Depression, die durch ein massives öffentliches<br />
Arbeitsbeschaffungsprogramm beendet wurde: den Zweiten<br />
Weltkrieg.<br />
Hierzu sind zwei Anmerkungen angebracht: Erstens<br />
lässt sich ein vergleichbar grosses Programm derzeit nicht durchführen,<br />
es sei denn im Rahmen eines weiteren militärischen<br />
Grosskonflikts. Zweitens befanden sich die Staaten bei Ausbruch<br />
des Zweiten Weltkriegs in relativ guter wirtschaftlicher Verfassung,<br />
was ihr Schuldenniveau betraf. Daher hatten sie mehr<br />
Spielraum für eine expansive Wirtschaftspolitik.<br />
Und warum fiel die Welt nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
nicht wieder zurück in die Depression?<br />
Meine Theorie ist, dass sich die Bilanzen massiv erholt haben,<br />
weil während des Krieges keine neuen Kredite aufgenommen<br />
w erden konnten und weil die Verschuldung aufgrund von Wachstums<br />
und Inflationseffekten im Vergleich zum Einkommen<br />
deutlich zurückging. Die Folge davon war, dass Privatpersonen<br />
und Unternehmen kaum verschuldet waren. Dies wiederum führte<br />
zu einer sehr starken Wirtschaft, nachdem die Kriegsausgaben<br />
weggefallen waren. Aber wenn das die Moral der Geschichte<br />
ist, müssen wir uns fragen: Können wir uns derzeit eine Fiskalpolitik<br />
vorstellen, die nachhaltig genug ist, um eine derartige<br />
Erholung der Privatwirtschaft zu ermöglichen? Denn wir müssen<br />
uns vor Augen halten, dass die Staaten bei Ausbruch der Krise<br />
g emessen an ihrem BIP relativ stark verschuldet waren.<br />
Wie gut steht eigentlich Europa im Vergleich zu den USA da?<br />
Obwohl der Schwerpunkt der Krise zunächst in Amerika lag,<br />
ist die europäische Rezession nicht weniger heftig. Daher ist es<br />
schwierig vorherzusehen, wo die Erholung zuerst eintreten wird.<br />
Trotzdem müssen wir Folgendes beachten: Obwohl der Rückgang<br />
des BIP auf beiden Seiten des Atlantiks ähnlich stark ausgefallen<br />
ist, sind die Menschen in den USA ungleich schwerer<br />
Fotos: David Levene
Paul Krugman Leader 3<br />
betroffen. Das liegt vor allem an dem schwächeren sozialen zum Zugpferd der Weltwirtschaft aufzusteigen. In 20 Jahren<br />
Netz und dem fehlenden Arbeitnehmerschutz. Zwar wird immer mag dies der Fall sein, aber im Moment noch nicht.<br />
wieder darauf hingewiesen, wie wichtig ein flexibler Arbeitsmarkt Der Stadtrat meines Wohnortes wird zur Förderung des<br />
ist, aber wenn eine Krise dieser Dimension eintritt, ist eine ge Konsums nächstens Kaufgutscheine im Wert von 50 Franken<br />
wisse Rigidität des Arbeitsmarkts eher von Vorteil. Aus all diesen pro Bewohner abgeben. Halten Sie dies für eine sinnvolle<br />
Gründen leiden die Amerikaner noch stärker unter dieser Krise Massnahme zur Bekämpfung der Krise?<br />
als die Europäer. Anderseits bin ich überzeugt, dass unter den Dieses Rezept haben auch die Japaner versucht. Das Problem<br />
grossen europäischen Volkswirtschaften Grossbritannien zuerst ist zunächst einmal, dass solche Mittel – zumindest in der Praxis –<br />
die Rezession überwinden wird. Da das Land nicht der Euro nicht zweckgebunden sind. Wenn Sie jemandem einen Konsum<br />
zone angehört, konnte es seine Währung sehr viel stärker abwergutschein über 500 Dollar geben, egal für welche Produkte,<br />
ten, was im kommenden Jahr seine Wirtschaft beflügeln wird. kann er seine Ausgaben so umverteilen, dass er über ein zusätz<br />
Welche Rolle nimmt China in dieser Krise ein? Könnte<br />
liches Einkommen von 500 Dollar verfügt, mit dem er machen<br />
es mit seinem gigantischen Potenzial nicht als eine Art Zugpferd kann, was er will. Sofern es sich dabei nicht um ein permanentes<br />
dazu beitragen, das Ausmass der Krise einzudämmen?<br />
Programm handelt, würden die Begünstigten wahrscheinlich<br />
China ist die Volkswirtschaft der Zukunft. Doch hat man das den grössten Teil dieser Zusatzeinkünfte zurücklegen. Obwohl sie<br />
nicht auch schon von Brasilien gesagt ? Mittlerweile sagt man: den Gutschein einlösen müssten, würden sie dafür an anderer<br />
Brasilien ist das Land der Zukunft und wird das auch immer Stelle sparen. Auf diese Weise erhöht sich die Staatsverschuldung,<br />
bleiben. Aber bei China ist das anders: Dieses Land ist kein ewi es sei denn, man wirft wirklich Bargeld unter das Volk, aber<br />
ges Land der Zukunft, sondern wird irgendwann tatsächlich das Problem wird dadurch auch nicht gelöst. Viel besser wäre<br />
die grösste Volkswirtschaft der Welt sein. Wenn wir die Schät aus meiner Sicht, das Geld einfach auszugeben, zum Beispiel<br />
zungen der Kaufkraftparitäten zugrunde legen, ist sie bereits halb für den Bau von Brücken oder für sonstige Infrastrukturprojekte.<br />
so gross wie die Volkswirtschaft der USA oder vielleicht sogar Dies ist jedoch ein langer Prozess, der ebenfalls zu einem<br />
noch grösser. Der Marktwert des chinesischen Bruttoinlandspro Anstieg der Verschuldung führt.<br />
duktes ist jedoch deutlich geringer. Selbst bei einem starken<br />
Viele Menschen haben Angst, dass die US-Notenbank Fed<br />
A nstieg des chinesischen Wirtschaftswachstums, der sicherlich Unmengen an Geld gedruckt hat und wir dadurch früher<br />
positive Folgen hätte, wäre China bei Weitem nicht in der Lage, oder später in eine massive Hyperinflation schlittern werden. ><br />
Ein Abend mit Paul Krugman<br />
Anlässlich des vierten <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> Salons diskutierte Nobelpreisträger<br />
Paul Krugman Anfang Juni in London mit geladenen Kunden über die Gründe<br />
der aktuellen Finanzkrise und die Lehren, die sich daraus ziehen lassen.<br />
Die Räumlichkeiten der Abendveranstal<br />
tung hätten passender nicht gewählt sein<br />
können. Der pointierte PrincetonProfessor<br />
Paul Krugman hielt seinen Vortrag zum<br />
Thema «Reshaping the Global Financial<br />
System» vor rund 50 geladenen Gästen in<br />
der Kings Gallery des Kensington Palace.<br />
Das ehrwürdige Gebäude hat seit seinem<br />
Bau Anfang des 17. Jahrhunderts wohl schon<br />
so manche Wirtschaftskrise überdauert. Es<br />
handelte sich um den ersten Anlass eines<br />
Privatunternehmens in den königlichen Gemächern<br />
des Kensington Palace.<br />
Gastgeber des Abends war Walter Berchtold,<br />
CEO Private Banking, der in seiner<br />
B egrüssungsrede die Frage in den Raum<br />
stellte, ob die jüngste Krise ein Fluch oder<br />
ein Segen für die nächste Generation sein<br />
werde. Eine erste aktuelle Einschätzung der<br />
Lage gab darauf Giles Keating, Leiter des<br />
Global Research der <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong>. Er hob<br />
dabei erste positive Anzeichen hervor, die auf<br />
eine bereits durchschrittene Talsohle der<br />
Krise hindeuten könnten. Danach stellte der<br />
ehemalige britische Premierminister Sir<br />
John Major, der als Moderator der anschliessenden<br />
Diskussionsrunde durch den Abend<br />
führte, Paul Krugman mit einer kurzen Laudatio<br />
vor.<br />
Es folgte die rund halbstündige Rede von<br />
Paul Krugman, die er mit einem gut gemeinten<br />
Rat seiner Frau anfing, er solle doch nicht<br />
immer so pessimistisch sein. Doch leider<br />
falle es ihm zurzeit wirklich schwer, Optimismus<br />
zu versprühen. So zeichnete der Wirtschaftsnobelpreisträger<br />
in seinem Vortrag<br />
ein eher nüchternes Bild der aktuellen Weltwirtschaft<br />
mit wenig Hoffnung auf einen<br />
baldigen, raschen Aufschwung. Historische<br />
Parallelen suchte er vor allem in der japanischen<br />
Wirtschaftskrise der 1980erJahre<br />
und weniger in der Grossen Depression der<br />
1930erJahre. Entsprechend gering stufte<br />
er denn auch die Gefahr einer Hyperinflation<br />
ein, was von verschiedenen Gästen in der anschliessenden<br />
Diskussion hinterfragt wurde.<br />
Darüber hinaus kam es noch zu einer Fülle<br />
von weiteren Fragen seitens des interessierten<br />
Publikums, die der eloquente Nobelpreisträger<br />
durchwegs mit viel Witz und Charme<br />
beantwortete. dhu<br />
� Weitere Bilder vom Anlass sowie Infos<br />
zur Salon-Reihe der <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
unter www.credit-suisse.com/bulletin<br />
Paul Krugman im Gespräch mit Sir John<br />
Major und Gastgeber Walter Berchtold (v. l.).<br />
<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 3/<strong>09</strong>
4 Leader Paul Krugman<br />
Die Geldmenge in den USA hat leicht zugenommen, wobei<br />
wir ihre Verteilung nicht genau bestimmen können. Das hängt<br />
unter anderem damit zusammen, dass das Halten von Geld<br />
bei einem Zinssatz von null Prozent nichts kostet und dass nach<br />
wie vor die Angst besteht, dass die Banken trotz aller Beteuerungen<br />
nicht hundertprozentig sicher sind. In den 1990erJahren<br />
waren in Japan Tresore die einzigen Verkaufsschlager unter<br />
den Gebrauchsgütern. Es ist jedoch meistens so, dass Banken<br />
riesige Reserven bei der Fed anhäufen, für die sie Zinsen erhalten.<br />
Das ist etwas anderes, als Geld zu drucken. Es ist vielmehr so,<br />
dass die Fed zur Staatsbank der USA avanciert. Die Banken sind<br />
zurückhaltend bei der Vergabe von Krediten. Stattdessen legen<br />
«Zurzeit haben wir sicher keine<br />
echte Inflation und meiner Meinung<br />
nach wird es auch in nächster<br />
Zukunft keine geben.»<br />
sie ihr Geld lieber in staatlichen Schuldverschreibungen oder<br />
bei der Fed an. Danach tritt die Fed in Erscheinung und kauft<br />
besicherte Wertpapiere. Auf diese Weise übernimmt die Fed einen<br />
Grossteil der Aufgaben der Finanzvermittler.<br />
Fakt ist: Zurzeit haben wir sicher keine echte Inflation und meiner<br />
Meinung nach wird es auch in nächster Zukunft keine geben.<br />
Doch wann und vor allem wie können wir den Aufschwung<br />
herbeiführen?<br />
Schlimmstenfalls steht uns ein Jahrzehnt wirtschaftlicher<br />
Stagnation bevor. Deutlich besser wäre es, wenn jemand eine<br />
bahnbrechende neue Technologie erfinden würde, die eine<br />
Menge an Investitionen erfordert und so für eine globale Erholung<br />
sorgt. Wenn Ihnen diesbezüglich etwas bekannt wird, lassen<br />
Sie es mich bitte wissen. Ich möchte an dieser Stelle die optimistische<br />
und vielleicht etwas verrückte Hypothese aufstellen,<br />
dass die Umweltpolitik für eine Erholung sorgen wird. Wenn<br />
wir wirklich etwas gegen den Klimawandel unternehmen – und<br />
die USA scheinen inzwischen tatsächlich dazu bereit zu sein –,<br />
ist dies ein Signal für Unternehmen, in die Reduzierung ihrer<br />
CO2Emissionen zu investieren, wovon wiederum die Gesamtwirtschaft<br />
profitieren könnte. Jedoch kann ich dies nicht<br />
mit Zahlen untermauern, weshalb ich mich hier nicht zu weit<br />
aus dem Fenster lehnen möchte.<br />
Lassen Sie uns noch etwas von Leadership sprechen.<br />
Welche Eigenschaften sollte eine Führungspersönlichkeit<br />
mitbringen?<br />
Eine Führungspersönlichkeit muss ein bestimmtes Ziel verfolgen.<br />
Dann braucht sie auch eine grosse Portion Flexibilität. Meines<br />
Erachtens ist es wichtig, dass Führungspersönlichkeiten fähig und<br />
willens sind, erfolgreich mit starken Persönlichkeiten zusammenzuarbeiten,<br />
anderen zuzuhören und sich nicht einschüchtern<br />
zu lassen. In politischer Hinsicht bin ich der Auffassung, dass<br />
die USA in den letzten acht Jahren schlecht geführt wurden,<br />
da Entscheidungsträger an der Macht waren, die keine gegensätzlichen<br />
Meinungen zu ihren vorgefertigten Standpunkten<br />
zuliessen. Dagegen halte ich die jetzige Führung für kompetenter,<br />
auch wenn sie zugegebenermassen noch nicht lange im Amt<br />
ist. Was man auch sonst von der ObamaRegierung halten mag:<br />
bulletin 3/<strong>09</strong> <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />
Trotz ihrer politischen Überzeugungen ist sie gegenüber Neuem<br />
aufgeschlossen und bereit, Alternativen zu prüfen. Der bedeutendste<br />
USPräsident des 20. Jahrhunderts war für mich aber ganz<br />
klar Franklin D. Roosevelt. Er war sicher kein Intellektueller oder<br />
brillanter Kopf und hat sich auch nie als solcher verkauft. Seine<br />
Stärke lag vielmehr darin, dass er sich mit kompetenten Beratern<br />
umgab. Er blieb sich selbst und der Vision treu, die er für sein<br />
Land vorgesehen hatte – und genau darauf kommt es an.<br />
Vermissen Sie nicht etwas die Bush-Administration?<br />
Schliesslich gab sie Ihnen regelmässig Anregungen für Ihre<br />
Kolumnen in der «New York Times».<br />
Heute geht es in den meisten meiner Kolumnen um wirklich seriöse<br />
Themen. Manchmal kritisiere ich, manchmal lobe ich, und manchmal<br />
schlage ich Verbesserungen vor. Aber im Gegensatz zu den<br />
letzten Jahren, die durch Irrsinn geprägt waren, haben die Diskussionen<br />
wieder einen konstruktiven Charakter angenommen.<br />
Wie hat sich Ihr Leben nach dem Erhalt des Nobelpreises<br />
im vergangenen Jahr verändert ?<br />
Wahrscheinlich weniger, als Sie denken. Ich nahm aufgrund<br />
meiner Kolumnen schon vorher intensiv an öffentlichen Debatten<br />
teil und war auch damals schon eine öffentliche Figur. Es war<br />
nicht so, dass ich urplötzlich aus dem akademischen Elfenbeinturm<br />
ins Rampenlicht trat. Der Nobelpreis verhalf mir allerdings<br />
zu einer grösseren Glaubwürdigkeit. Nun ist es einfach<br />
zu erklären, weshalb man auf mich hören sollte. Aber ich arbeitete<br />
schon damals ebenso hart wie heute, nur mit dem Unterschied<br />
eben, dass mein Bekanntheitsgrad gestiegen ist. Jedoch denke<br />
ich nicht, dass sich mein Leben allzu sehr verändert hat.<br />
Haben Sie diese Ehrung erwartet ?<br />
Nicht wirklich. Die Möglichkeit war da. Aber ich habe zu dem<br />
Zeitpunkt absolut nicht damit gerechnet. Vielmehr habe ich alle<br />
Gedanken daran immer sofort verdrängt. Sie können 20 Jahre<br />
lang auf den Nobelpreis warten und sich jedes Jahr fragen, ob es<br />
denn dieses Mal gereicht hat. Das kann Sie verrückt machen.<br />
Deshalb konnte ich es kaum glauben, als ich den Anruf bekam.<br />
Sie wurden per Telefon benachrichtigt ?<br />
Das ist so. Die Preisträger werden telefonisch benachrichtigt,<br />
und mein erster Gedanke war, dass sich jemand einen Spass<br />
erlaubte und den schwedischen Akzent imitierte.<br />
Und was haben Sie danach getan?<br />
Ich habe auf der NobelWebsite nachgesehen, um sicher zu<br />
gehen, dass das Ganze kein Scherz war. Danach rief ich meine<br />
Frau an, da ich mich zu diesem Zeitpunkt in Washington auf<br />
einer Konferenz zur Finanzkrise befand. Meine Frau war gerade<br />
mit dem Zug unterwegs und fiel aus allen Wolken. Und dann<br />
fügte sie auch gleich hinzu, dass wir dafür eigentlich gar keine<br />
Zeit hätten.<br />
Der Schweizer Nobelpreisträger Heinrich Rohrer erzählte<br />
mir, dass man an einigen US-Universitäten als Nobelpreisträger<br />
einen speziellen Parkplatz zugeteilt bekommt. Haben Sie<br />
Ihren Ehrenplatz in Princeton bereits bezogen?<br />
Sie sind nicht der Erste, der mich das fragt. Wobei ich beim<br />
ersten Mal nicht glauben konnte, dass es ein solches Privileg gibt.<br />
Wie sich herausstellte, haben aber andere Nobelpreisträger<br />
aus Princeton tatsächlich darauf bestanden. Ich persönlich lehne<br />
so etwas ab, da ich es ziemlich albern finde.
Es steht schlecht um unsere Welt.<br />
Es ist Zeit zu handeln.<br />
ourworld-yourmove.org
Ab sofort nehmen wir Kurs aufs Land<br />
der Wikinger: Oslo 2-mal täglich.<br />
–<br />
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