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Bulletin 3/09 "Norden" - Credit Suisse eMagazine - Deutschland

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Seit 18 5 das Magazin der <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> Nummer 3 Aug./Sept. 0<br />

Norden<br />

Grönland Mit Gerry Hofstetter auf Lichtkunst-Expedition<br />

Elfen in Island Sie prägen das Leben der Nordländer<br />

Hans-Ulrich Meister Interview mit dem CEO Schweiz<br />

Mikrofi nanz Das sagen fünf internationale Experten<br />

KMU-Studie Folgt auf die Krise die Rohstoffklemme?<br />

Nobelpreisträger Krugman Über die Finanzkrise<br />

bulletin plus Anlegen


EXPEDITIONSKREUZFAHRTEN IN DIE ARKTIS<br />

M/V PRINCE ALBERT II<br />

Norwegen & Spitzbergen intensiv<br />

9. Juli ‒ 19. Juli 2010<br />

Tromsø ‒ Magerøy Island ‒ Skarsvag (Nordkap) ‒<br />

Bear Island ‒ Svalbard ‒ Longyearbyen<br />

Von Norwegen nimmt die M/V Prince Albert II Kurs auf das Nordkap und die Bäreninsel<br />

bis zu den Gletschern, Fjorden und Eisbären Svalbards mit der Hauptinsel Spitzbergen.<br />

Erleben Sie die Natur hautnah ‒ auf Zodiak-Ausflügen oder Wanderungen durch die grüne<br />

Tundra dieser einzigartigen Inselgruppe.<br />

• 10 Nächte in der Adventurer Class Suite<br />

• Exklusiver All-Inclusive-Service<br />

• Bordsprache Deutsch und Englisch<br />

• Deutsch- und englischsprachige Vorträge und Lesungen<br />

Island, Grönland und kanadische Arktis<br />

7. September – 25. September 2010<br />

Reykjavik – Vestmannaey Island – Skjoldungen – Prins Christian Sund –<br />

Qaqortoq – Hvalsey – Arsuk Brae – Iqaluit – Akpatok Island – Saqlek Fjord –<br />

Battle Habour – L’anse aux Meadows (Neufundland) – Twillingate – St. John’s<br />

Gewaltige Gletscher, die mächtige Eisberge kalben. Einsame Inuit-Siedlungen, deren<br />

Bewohner der rauen Natur trotzen. Eine reiche maritime Tierwelt mit imposanten Walen,<br />

agilen Robben und vielleicht sogar einem Eisbären. All das begleitet Sie auf einer<br />

einzigartigen Reise durch Grönland und die kanadische Arktis.<br />

• 18 Nächte in der Adventurer Class Suite<br />

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*Die An-/Abreise ab/bis Hafen ist noch nicht im Preis inbegriffen. Gerne beraten wir Sie persönlich.<br />

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Arktis erleben.<br />

Manche Momente im Leben<br />

sind einzigartig.<br />

Die M/V Prince Albert II<br />

dringt tief in Gegenden vor,<br />

die andere Schiffe nicht<br />

erreichen können.<br />

Erleben Sie das Abenteuer<br />

einer wahren Expedition und<br />

geniessen Sie atemberaubende<br />

Natur gepaart mit dem<br />

stilvollen Komfort<br />

luxuriösen Reisens.<br />

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Expeditionen auf höchstem Niveau.


Foto: Cédric Widmer<br />

Gold Winner<br />

Gold Winner<br />

Preisträger<br />

Editorial 3<br />

Der Norden hat viele Gesichter. Spricht man mit einem Argentinier über den<br />

Norden, so schwärmt er vom subtropischen Regenwald bei den Iguaçu­Wasserfällen,<br />

von den staubigen Hochebenen der Anden, von den Saguaro­Kakteen<br />

bei den Quilmes­Ruinen und von der Hitze der Salzwüste Salinas Grandes del<br />

Noroeste. Verkehrte Welt: Argentiniens Norden widerspiegelt ziemlich treffend<br />

die Assoziationen eines Europäers zum Süden, womit sich hier durchaus eine<br />

spannende Geschichte fürs bulletin ergeben hätte. Doch für einmal haben wir nicht<br />

versucht, den Schwerpunkt mit möglichst überraschenden Ansätzen und Perspektiven<br />

zu füllen, sondern haben das Thema Norden geografisch sehr eng gefasst.<br />

Unsere Geschichten sind fast ausschliesslich jenseits des nördlichen Polarkreises<br />

angesiedelt, also dort, wo die Sonne im Sommer zeitweilig nie mehr ganz hinter<br />

dem Horizont verschwindet. Wir definierten Norden für dieses Heft als geografischen<br />

Orientierungs­ und Endpunkt.<br />

Dazu sprachen wir mit dem Entdecker und Unternehmer Frederik Paulsen, der<br />

schon mehrmals an dem Punkt war, wo es kein Osten, kein Westen und selbst kein<br />

Norden mehr gibt, sondern nur noch Süden: dem Nordpol. Dann begleiteten wir<br />

den Schweizer Lichtkünstler Gerry Hofstetter auf seiner Expedition zum Gletscher<br />

bei Ilulissat auf Grönland, wo er spektakuläre Bilder auf Eisberge projizierte,<br />

um damit auf die Problematik des Klimawandels aufmerksam zu machen. Norden<br />

ist auch Lebensraum. Wir haben die Ureinwohner der nördlichen Polarregionen,<br />

die Inuit, im kanadischen Territorium Nunavut besucht, wo sie einen Weg zwischen<br />

Wildnis, Tradition und Moderne suchen. Und dann sind da noch die nordischen<br />

Fabelwesen. Im Zweifelsfall wollen mehr als 80 Prozent der eigenwilligen Isländer<br />

die Existenz von Elfen lieber nicht verleugnen…<br />

«Die Faszination Norden lässt sich nicht umschreiben, sie muss erlebt sein»,<br />

sagt Frederik Paulsen. Wir haben es trotzdem versucht. Geniessen Sie in<br />

der Hitze des Sommers mit dem neuen bulletin das Vordringen in die entrückte,<br />

faszinierende Welt des Nordens.<br />

Zum Schluss noch eine gute Nachricht aus der Redaktion: Ende Juni wurde das<br />

bulletin beim 10. Kongress des Forum Best Corporate Publishing in Berlin gleich<br />

zweimal mit Silber ausgezeichnet: in den Kategorien «Finanzen und Versicherungen»<br />

und «Internationale Kommunikation». Angesichts des hochdotierten, internationalen<br />

Teilnehmerfelds von 600 Magazinen freut uns die Ehre sehr.<br />

Daniel Huber, Chefredaktor bulletin


www.wenger.ch<br />

www.wenger.ch


Coverfoto: Frank Schwarzbach, Michael Kessler | Foto: Photodisc<br />

Norden Im Sommer besitzt der Hohe Norden eine<br />

geradezu magische Anziehungskraft. Seine Weite und<br />

Stille bietet Erholung, aber auch Abenteuer und zu<br />

entdeckende landschaftliche, kulturelle und menschliche<br />

Geheimnisse.<br />

6 _ Orientierung Der Norden spielt nicht nur geografi sch,<br />

sondern auch kulturell eine wegweisende Rolle.<br />

8 _ Arktis-Territorium Im kanadischen Nunavut führen<br />

die Inuit ein Leben zwischen Moderne und eisiger Wildnis.<br />

14 _ Lichtkunst Der Schweizer Gerry Hofstetter beleuchtet<br />

in Grönland Eisberge und will damit die Welt wachrütteln.<br />

22 _ Fabelwesen Die Elfen haben Island fest in ihrer Hand.<br />

Sie sind äusserst friedfertig, wenn man sie nicht stört …<br />

26 _ Entdecker Frederik Paulsen stösst mit einer russischen<br />

Tauchkapsel zum Meeresgrund des Nordpols vor.<br />

Der Forest Stewardship Council (FSC) setzt mit zehn Prinzipien und Kriterien den Standard für eine umwelt- und<br />

sozialver trägliche Waldbewirtschaftung. Schweizer Papier (Z-Offset, mit 30% FSC-Anteil), aus europäischem Zellstoff,<br />

hergestellt von der ISO-14001-zertifi zierten Ziegler Papier AG, Grellingen.<br />

<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

Inhalt 5<br />

30 _ Hans-Ulrich Meister Der CEO Schweiz über<br />

den Heimmarkt und die Nähe zum Kunden<br />

34_ Kunstsommer Anregende Ausstellungen<br />

in Lugano, Martigny und Zug<br />

36 _ Immobilienleasing Wenn für expandierende<br />

Schweizer Firmen Eigentum zu teuer ist<br />

37 _ Gstaad Palace Preis für ein Flaggschiff der<br />

viertwichtigsten Exportbranche der Schweiz<br />

38 _ Popstar der Ökonomen Der Schwede Kjell<br />

Nordström referierte am Swiss Export Day<br />

39 _ Schach Der älteste Schachclub der Welt<br />

lädt zehn Champions nach Zürich ein<br />

40 _ Salzburger Festspiele Sänger aus dem<br />

Norden und gezielte Nachwuchsförderung<br />

42 _ Maria Stuart Die neue Intendantin des<br />

Zürcher Schauspielhauses inszeniert Schiller<br />

43 _ Ilulissat Werk des Fotografen Joël Tettamanti<br />

für Zürcher Geschäftsstelle<br />

44 _ Mikrofi nanz Ein Expertengespräch über<br />

Möglichkeiten und Grenzen der Mikrofi nanz<br />

48 _ Uetlihof 2000 neue Arbeitsplätze in<br />

energieschonendem Erweiterungsbau<br />

49_ IKRK Informationskampagne 150 Jahre nach<br />

der Schlacht bei Solferino<br />

Wirtschaft<br />

52 _ KMU-Studie Viele Unternehmen erwarten<br />

nach der Krise eine Rohstoffklemme<br />

57 _ Marketing Die «Mobile Werbung» steht<br />

vor dem grossen Durchbruch<br />

60 _ Infl ation Warum wir sie brauchen und die<br />

neue Rolle der Zentralbanken<br />

62 _ Amerika Schaffen die USA die Rückkehr<br />

zur globalen Wirtschaftsmacht ?<br />

Invest<br />

65 _ Aktuelle Analysen und Trends<br />

Leader<br />

70 _ Paul Krugman Das exklusive Interview<br />

mit dem Nobelpreisträger für Wirtschaft<br />

Service<br />

43 _ Impressum<br />

69 _ Wissenswert<br />

> bulletin plus «Anlegen»<br />

Das Heft im Heft auf Seite 51<br />

Ihr Link zu unserem Know-how: www.credit-suisse.com/bulletin


Norden<br />

Der Norden fasziniert die Menschen seit Urzeiten. Er ist mehr als nur eine der<br />

vier Himmelsrichtungen auf dem Kompass. Denn schon bevor die erste Kompass nadel<br />

nach Norden ausschlägt, spielte die Richtung in vielen alten Kulturen, von Ägypten<br />

bis China, eine wichtige Rolle. Auch prägt der Norden schon früh die Kartenkunde.


Foto: Frank Schwarzbach, Michael Kessler<br />

Text: Dorothée Enskog<br />

Eines der sieben Weltwunder der Antike, die Grosse Pyramide<br />

von Giseh, ist genau zum Nordpol ausgerichtet. Es wird angenommen,<br />

dass die alten Ägypter die Sterne im Kleinen und Grossen<br />

Wagen beobachteten, um die exakte Richtung zu berechnen.<br />

Sie assoziierten Norden mit der Ewigkeit und dem Jenseits, wohin<br />

der Geist des Pharaos nach seinem Tod reisen würde. Auch<br />

die alten Griechen verehrten den Norden, und der Olympus –<br />

als meistangebeteter Berg, auf dem die wichtigsten Götter der<br />

griechischen Mythologie ihren Sitz hatten – war Sinnbild für den<br />

Norden. Im dynastischen China glaubte man, dass die Herrscher<br />

ihre Kraft vom Drachengott am himmlischen Nordpol<br />

erlangten. In der nordischen Mythologie leitete sich der Name<br />

von Njord, Gott des Meeres und des Wassers, vom Wort für<br />

Norden ab. Aber der Norden ist nicht nur in alten Kulturen<br />

von Bedeutung, sondern auch in der Kartografie. In altgermanischen<br />

Dialekten bedeutete Norden «links der aufgehenden<br />

Sonne».<br />

Kartenausrichtung: Norden ist häufig oben<br />

Die ersten Karten tauchten bereits in prähistorischer Zeit<br />

auf. Sie waren weniger geometrischer als vielmehr konzeptioneller<br />

Art und stellten Gebirgszüge, Seen oder Flüsse<br />

mit Ufersiedlungen dar. Die erste Weltkarte erschien rund<br />

500 vor Christus und zeigte die babylonische Vorstellung<br />

des Kosmos – eine flache, runde Welt mit der Stadt Babylon<br />

als Zentrum. Die Orientierung dieser Karte beruht auf<br />

den vorherrschenden Winden – zuoberst Nordwesten – und<br />

entspricht nicht der heute bekannten senkrechten Projektion<br />

mit den vier Himmelsrichtungen Norden, Westen, Süden und<br />

Osten. Die Konvention, wonach der Norden in Karten oben<br />

liegt und der Osten rechts, geht auf den griechischen Astronomen<br />

Ptolemäus zurück, der im 2. Jahrhundert im ägyptischen<br />

Alexandria lebte und arbeitete. Aber weil Europa damals als Hochburg<br />

des Christentums galt, wurden die (europäischen) Karten<br />

von religiösen Themen beherrscht. In diesen mittelalterlichen<br />

Weltkarten, auch T­O­Karten genannt (TO für terrae orbis, Erdkreis),<br />

befand sich Osten oben, während Jerusalem, das damals<br />

nahe der Mitte der bekannten Welt lag, den Mittelpunkt bildete.<br />

Zu Beginn der Renaissance sollten neue Entdeckungen die Form<br />

der bekannten Welt verändern, sodass die Kartografen beim Anfertigen<br />

von Karten erneut die ptolemäische Ausrichtung mit<br />

Norden zuoberst übernahmen. Laut weiteren Konventionen, die<br />

in der Kartografie mit der Zeit Allgemeingültigkeit erlangten,<br />

wurden Gewässer blau, Landmassen braun und Vegetation grün<br />

dargestellt. Die erste echte Weltkarte, die 1507 entstand und<br />

bis heute als «Universalis Cosmographia» bekannt ist, wird dem<br />

deutschen Kartografen Martin Waldseemüller zugeschrieben.<br />

Trotz ihres Alters entspricht sie erstaunlich genau der Darstellung<br />

unserer modernen Weltkarten.<br />

Kartenausrichtung in anderen Kulturen<br />

Viele nichteuropäische Kulturen gaben die Himmelsrichtungen<br />

ebenfalls mit Nord, Ost, West und Süd an, fügten jedoch oftmals<br />

eine fünfte Richtung hinzu – die Mitte. Im dynastischen China war<br />

die Mitte beispielsweise gleichbedeutend mit China selbst. Den<br />

anderen vier Himmelsrichtungen ordnete man bestimmte Farben,<br />

Einstieg Norden<br />

Jahreszeiten, Elemente und Tiersymbole zu. Dem Norden entsprachen<br />

Schwarz, Winter, Wasser und die Schildkröte. Auch im<br />

traditionellen Glauben vieler Eingeborenenvölker in Nord­, Mittel­<br />

und Südamerika existierten fünf Himmelsrichtungen. Jede Richtung,<br />

ausgenommen die Mitte, wurde mit einer typischen Farbe<br />

von Mais assoziiert. Amerikas Urvölker ordneten diese Farben<br />

unterschiedlich zu. Bei den Azteken beispielsweise entsprach<br />

Norden der Farbe Schwarz, bei den Cherokee war es Blau. Andere<br />

Kulturen verwendeten anstelle der Kompassrichtungen andere<br />

Bezeichnungen. Auf Hawaii wurden die Richtungen mit «meerwärts»<br />

beziehungsweise «meerseitig» (makai) und «bergwärts» beziehungsweise<br />

«landeinwärts» (mauka) angegeben, im alten Ägypten als<br />

«stromaufwärts» oder «stromabwärts».<br />

Geografischer vs. magnetischer Norden<br />

Erwähnenswert ist auch, dass der geografische und der magnetische<br />

Nordpol nicht identisch sind. Der geografische Norden, besser bekannt<br />

als Nordpol, ist ein fester Punkt, der sich auf unseren modernen Karten<br />

bei 0 oder 360 Grad befindet und an dem alle Längengrade zusammentreffen.<br />

Diese Linien, die unsere Zeitzonen abgrenzen, liegen am<br />

Nordpol so nahe beisammen, dass die arktische Region ihre eigene<br />

Zeitzone hat, falls die Lokalzeit aus irgendeinem Grund bestimmt werden<br />

muss. Der Nordpol, auch als «wahrer Norden» bezeichnet, ist der nördlichste<br />

Punkt der Erdoberfläche. Das heisst, wenn ein Betrachter exakt<br />

an diesem Punkt steht, befinden sich alle anderen Punkte südlich von<br />

ihm. Der magnetische Nordpol liegt jedoch mehrere Hundert Kilometer<br />

südlich des Nordpols, nordwestlich der kanadischen Insel Sverdrup. Dieser<br />

Punkt wandert langsam über die kanadische Arktis. Nach Berechnungen<br />

des Geologischen Dienstes von Kanada verschiebt sich der magnetische<br />

Norden zurzeit jedes Jahr um durchschnittlich 40 Kilometer in nordwestlicher<br />

Richtung. Da sich diese Geschwindigkeit seit einem Jahrhundert<br />

erhöht hat, könnte der magnetische Nordpol langfristig die kanadische<br />

Arktis Richtung Sibirien verlassen. Die Nadel eines herkömmlichen<br />

magnetischen Kompasses zeigt auf diesen sich ständig bewegenden<br />

Punkt hin. Deshalb mussten Seefahrer, die magnetische Kompasse<br />

benutzten, lernen, mit dem Unterschied zwischen dem geografischen<br />

und dem magnetischen Norden umzugehen.<br />

GPS basiert auf «Heading-up»-Orientierung<br />

Das vom amerikanischen Verteidigungsministerium entwickelte Global<br />

Positioning System (GPS), das seit 1995 in Gebrauch ist, macht den<br />

Einsatz magnetischer Kompasse überflüssig. Auch stellt es die konventionelle<br />

Nordausrichtung von Karten infrage. Die GPS­Technologie<br />

basiert auf Satelliten und Bodenstationen, um geografische Positionen<br />

meter­ oder zentimetergenau zu berechnen. Die meisten dieser tragbaren<br />

Navigationssysteme arbeiten wahlweise mit der «Heading­up»­<br />

Orientierung, auch als momentane Fahrtrichtung bekannt. Das bedeutet,<br />

dass eine auf dem GPS­Empfänger angezeigte Karte die Reiserichtung<br />

automatisch der Fortbewegung des Nutzers anpasst, sodass<br />

die Reiserichtung stets auf den Zielpunkt zeigt, um Hinweise auf Richtungsänderungen<br />

zu liefern. Der GPS­Empfänger ist heutzutage eines<br />

der schnellsten und bequemsten Hilfsmittel, um zu jeder Tages­ und<br />

Nachtzeit und sogar bei schlechtem Wetter den wahren Norden zu<br />

bestimmen und somit historische Orientierungshilfen oder ­instrumente<br />

wie Sonne, Sterne und Kompass zu ersetzen. Sollten jedoch die Batterien<br />

des GPS zur Neige gehen oder das Gerät sonst defekt sein,<br />

wäre man mit einer Karte und einem magnetischen Kompass, der stets<br />

nach Norden zeigt, noch immer besser bedient. <<br />

<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 3/<strong>09</strong>


Zwischen<br />

arktischer Wildnis<br />

und Moderne<br />

Mit der Schaffung des Arktis-Territoriums Nunavut besiegelte die kanadische<br />

Regierung vor zehn Jahren das Ende des Kolonialismus. Es ist ein kaltes Laboratorium,<br />

das die Moderne mit der Tradition der Inuit verbinden will.<br />

Selbst in Iqaluit, der Hauptstadt des Territoriums, gehört die Jagd zum Leben der Inuit.<br />

Zwei Jäger bereiten sich vor, mit ihrem Boot auf die Frobisher Bay hinauszufahren.<br />

Fotos: Muster Mustermann | Muster Mustermann


Fotos Seiten 8 –13: Gerd Braune<br />

Text: Gerd Braune, aus Iqaluit, Nunavut<br />

Auf Andrew Beveridge­Tagornaks Arbeitsplatz stehen mehrere Computer.<br />

Der 27­jährige Inuk arbeitet bei der Qikiqtaaluk Information Technology<br />

Corporation in Iqaluit, der Hauptstadt des Territoriums Nunavut, als<br />

Computertechniker. Wenn er in den Sommermonaten Zeit hat, fährt er mit<br />

Freunden oder älteren Inuit zum Fischen hinaus auf die Frobisher Bay. Oder<br />

er geht in die Tundra auf Karibujagd. Dies ist das traditionelle Leben der<br />

Inuit, der Ureinwohner der Arktis, und eine willkommene Abwechslung vom<br />

Berufsalltag. «Wir haben die neuen Technologien, aber auch unsere<br />

Traditionen», sagt Andrew.<br />

Nunavut besteht seit nunmehr zehn Jahren. Am 1. April 1999<br />

trat das Gesetz in Kraft, das das Gebiet Nunavuts aus den<br />

damaligen Nordwest­Territorien herauslöste und ihm den<br />

Status eines eigenen Territoriums mit eigener Regierung gab.<br />

In der Inuit­Sprache Inuktitut bedeutet Nunavut «Unser Land».<br />

85 Prozent der Bewohner des Territoriums sind Inuit. Mit der<br />

Schaffung von Nunavut ging ihr Traum in Erfüllung. Endlich konnten<br />

die Ureinwohner der Arktis bei der Verwaltung ihres traditionellen<br />

Gebietes mitentscheiden.<br />

Wieder erstarkter Inuit-Stolz<br />

«Unsere Kinder werden glücklicherweise nie erfahren, was es<br />

heisst, unter den Bedingungen des Kolonialismus aufzuwachsen.<br />

Unsere Väter erlebten eine Zeit, in der ihnen ihre Unabhängigkeit<br />

und ihre Menschenrechte weggenommen wurden», sagt der<br />

heute 62­jährige John Amagoalik. Er gilt vielen als der «Vater<br />

von Nunavut», weil er massgeblich an den Verhandlungen mit<br />

der Regierung über die Landrechte und das Gesetz über<br />

Nunavut beteiligt war. «Es gab eine Zeit, als viele meiner Generation<br />

nicht stolz auf ihre Inuit­Identität waren, aber auch nicht<br />

sicher waren, ob sie kanadische Staatsbürger sein wollten. Jetzt<br />

sehen wir das Wiedererstarken des Inuit­Stolzes und wir sind<br />

loyale Kanadier.» Aber nach zehn Jahren Nunavut wissen die<br />

Inuit auch, dass ihre Träume von einem starken, wirtschaftlich<br />

auf eigenen Füssen stehenden Territorium mit gesunden Kommunen<br />

nur langsam in Erfüllung gehen. Amagoalik führt die<br />

Enttäuschung mancher Inuit auf die hohen Erwartungen zurück.<br />

«Die Menschen müssen verstehen, dass es Zeit braucht, um die<br />

Fehlentwicklungen der Vergangenheit zu korrigieren. Ich glaube,<br />

dass wir jetzt die Realität akzeptieren.»<br />

Eva Aariak ist seit November vergangenen Jahres Premier<br />

und damit Regierungschefin von Nunavut. In Iqaluit hatte die<br />

Inuk­Frau aus Arctic Bay in der Hohen Arktis ein Geschäft<br />

geführt, zuvor hatte sie das Amt des Sprachenbeauftragten<br />

bekleidete und geholfen, Inuktitut als lebendige Amtssprache zu<br />

etablieren. «Ich bin es leid, dass Nunavut anhand unserer Probleme,<br />

Misserfolge und Sorgen beschrieben wird», sagt die<br />

Politikerin, die als Halsschmuck gerne ein Collier mit einem kleinen<br />

goldenen Ulu trägt, dem traditionellen gebogenen Messer, mit<br />

dem Inuit­Frauen Fleisch und Fett von den Häuten erlegter Tiere<br />

abschaben. «Wir müssen uns der Probleme und Grenzen bewusst<br />

sein, uns aber auch auf unsere Stärken konzentrieren.»<br />

Jüngste Bevölkerung Kanadas<br />

Nunavut befindet sich in einer Aufholjagd gegenüber Kanada.<br />

Es hat die jüngste Bevölkerung Kanadas – und die am schnellsten<br />

wachsende. Das Bevölkerungswachstum von zehn Prozent ist ><br />

Nord-<br />

Pazifik<br />

Alaska<br />

Kanada<br />

Arktischer<br />

Ozean<br />

Vereinigte Staaten<br />

Kitikmeot<br />

Inuit Norden<br />

Das Territorium Nunavut Nunavut ist ein zwei Millionen<br />

Quadratkilometer grosses Territorium in der kanadischen<br />

Ost-Arktis, das vor zehn Jahren durch Teilung der Nordwest-Territorien<br />

entstand. Die 2 Gemeinden sind nur mit<br />

Flugzeug oder Schiff zu erreichen. Strassenverbindungen<br />

gibt es nicht. Die Hauptstadt Iqaluit («die Fischreiche»)<br />

hat 6000 Einwohner. Insgesamt leben 30 000 Menschen<br />

in Nunavut, das ein Fünftel der Grösse Kanadas hat und<br />

mehr als fünfmal so gross ist wie die Bundesrepublik<br />

<strong>Deutschland</strong>. Dem Nunavut-Gesetz war das «Nunavut<br />

Land Claims Agreement» zwischen den Inuit und der<br />

Regierung in Ottawa vorausgegangen, das die Landansprüche<br />

der Inuit regelte: 1 3 erhielten die Inuit Kontrolle<br />

über 356 000 Quadratkilometer Land. Hier können<br />

sie bestimmen, was auf ihrem Land geschieht. Darin<br />

enthalten sind 38 000 Quadratkilometer, auf denen sie<br />

nicht nur die «überirdischen» Nutzungsrechte haben,<br />

sondern auch Anspruch auf die Bodenschätze.<br />

Grönland<br />

Baffin<br />

Bay<br />

Qikiqtaaluk (Baffin)<br />

Iqaluit<br />

Kivalliq<br />

Nunavut<br />

Hudson<br />

Bay<br />

Pangnirtung<br />

Frobisher<br />

Bay<br />

Nord-<br />

Atlantik<br />

<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 3/<strong>09</strong>


10 Norden Inuit<br />

Resolute, 300 Einwohner, ist die zweitnördlichste Gemeinde Kanadas. Sie liegt an der Südküste von Cornwallis Island an der legendären<br />

Nordwest-Passage durch den arktischen Archipel. Resolute ist der Ausgangspunkt für Expeditionen auf Ellesmere Island und zum Nordpol.<br />

bulletin 3/<strong>09</strong> <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong>


doppelt so hoch wie im restlichen Kanada. 53 Prozent der Bewohner<br />

Nunavuts sind 25 Jahre alt oder jünger, in Gesamt­Kanada<br />

sind es 31 Prozent. Damit ist die Schaffung von Arbeitsplätzen ein<br />

Hauptanliegen der Politik. Die Arbeitslosigkeit ist mit 15 Prozent<br />

doppelt so hoch wie in Kanada. Die Qualifikation junger Menschen<br />

ist deutlich schlechter. Von den 20­ bis 24­jährigen Nunavummiut,<br />

wie die Bewohner Nunavuts heissen, haben 65 Prozent keinen<br />

High­School­Abschluss. Schule war über Generationen hinweg<br />

Symbol für aufgezwungene westliche Lebens­ und Denkweise.<br />

Die Lehrer kamen aus dem Süden. Die sozialen Probleme sind<br />

gewaltig: Die Wohnungsnot ist dramatisch, Lungenerkrankungen<br />

treten doppelt so häufig auf wie im restlichen Kanada, gefördert<br />

durch das Leben in überfüllten Wohnungen und den nahezu<br />

ungebrochenen Zigarettenkonsum auch junger Menschen. Die<br />

Kindersterblichkeit ist höher und die Lebenserwartung geringer.<br />

Drogen und Alkohol sind in manchen Kommunen ein drängendes<br />

Problem. Eine Katastrophe ist die Suizidrate, bei der Nunavut<br />

weltweit mit an der Spitze liegt. Psychologen sehen dies auch<br />

als Folge des Kulturschocks beim schnellen Übergang von einer<br />

Nomadengesellschaft hin zur Moderne.<br />

Inuktitut als gelebte Ureinwohnersprache<br />

Aber die Erfolge sind ebenfalls sichtbar. Immer mehr Lehrkräfte<br />

an den Schulen kommen aus dem Inuit­Volk, in Grundschulen<br />

unterrichten fast ausschliesslich Inuit. Die Zahl derer, die mit Diplom<br />

abschliessen, hat sich in zehn Jahren verdoppelt, auch wenn<br />

sie weiter unter dem Landesdurchschnitt liegt. Unternehmen in<br />

Nunavut bilden junge Menschen aus. Juristen, Krankenschwestern<br />

und Verwaltungsmitarbeiter kommen aus dem Inuit­Volk. Sandra<br />

Omik hatte in Pond Inlet als Mitarbeiterin eines von der Regierung<br />

in die Hohe Arktis entsandten Rechtsanwalts begonnen, jetzt ist<br />

sie nach Abschluss der Law School selbst Juristin. «Als ich die<br />

Inuit Norden 11<br />

Gelegenheit erhielt, die Rechtsschule zu besuchen, war ich sehr<br />

überrascht. Mir war nur eines klar: Dies bedeutet den Besuch einer<br />

Universität, etwas, wovon ich vorher nicht zu träumen wagte.» Das<br />

Arctic College in Iqaluit bot den Ausbildungsgang zusammen mit<br />

Universitäten im Süden an. Wenn Sandra Omik nachdenkt, was die<br />

herausragende Errungenschaft Nunavuts ist, kommt ihr eines in den<br />

Sinn: Die Sprache ihres Volkes. «Wenn ich eine Regierungsstelle anrufe,<br />

dann antwortet mir jemand in Inuktitut. Das gibt mir Vertrauen<br />

in das, was ich als Inuk bin.» Inuktitut gehört zu den wenigen Ureinwohnersprachen<br />

Kanadas, die nicht vom Aussterben bedroht sind.<br />

Waljagd liefert vitaminreiches Maktaaq<br />

Die 27 Gemeinden Nunavuts sind wie Laboratorien, in denen versucht<br />

wird, Moderne und Tradition miteinander zu verbinden. Das Internet<br />

gehört auch in den abgelegensten Gemeinden, die nur mit dem Flugzeug<br />

erreicht werden können – und das nicht einmal täglich –, zum Alltag.<br />

Wenn die Jäger ausziehen, haben sie ihr GPS dabei, können sich<br />

aufgrund ihrer traditionellen Kenntnisse aber auch orientieren, falls die<br />

moderne Technik versagen sollte. Das Leben auf dem Land ist Teil der<br />

Seele der Inuit. Wenn Familien zum «Camping» gehen, hat dies nichts<br />

mit einer Urlaubsreise zu tun. Die Familien bauen weitab ihrer Gemeinde<br />

ein Sommercamp aus Zelten auf, sie jagen und sammeln Beeren<br />

und Kräuter. Kooperativen in den Gemeinden bieten Waren an, die<br />

vom Süden eingeflogen werden, darunter Milchprodukte, Obst,<br />

Gemüse und Fleisch. Aber die meisten Inuit bevorzugen «country<br />

food». Das sind die traditionellen Lebensmittel, die noch immer<br />

in vielen Familien die Speisekarte prägen: Fisch, Muscheln und<br />

Krabben, Karibu­ und Robbenfleisch – und Maktaaq, die äussere<br />

Fett­ und Hautschicht des Wales, die roh oder gegart gegessen<br />

werden kann. Werden Beluga­Wale in den Buchten nahe der<br />

Gemeinde gesichtet, gerät die ganze Gemeinde in Aufregung.<br />

Wale bedeuten Fleisch. Der Weisse Wal, der zu Tausenden ><br />

Bild links Mit ihren Motorschlitten fahren Inuit über den gefrorenen Fjord von Pangnirtung bis zum offenen Meer zur Robbenjagd.<br />

Bild rechts Inuit-Jäger haben einen Beluga-Wal erlegt und zerteilen ihn am Strand. Das Fleisch bietet Nahrung für mehrere Familien.<br />

<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 3/<strong>09</strong>


12 Norden Inuit<br />

Inuit Die Inuit (Einzahl: Inuk) sind die Ureinwohner der Arktis von der<br />

Beringstrasse zwischen Sibirien und Alaska bis nach Grönland. Der<br />

Name bedeutet «Menschen». Bis vor wenigen Jahren wurden sie von<br />

Aussenstehenden meist Eskimo genannt. Diese Bezeichnung, die<br />

«Rohfleischesser» bedeutet, gaben ihnen benachbarte indianische<br />

Völker. Für die Inuit Kanadas ist es eine Herabsetzung, wenn sie<br />

Eskimo genannt werden. Die Inuit der Arktis sind genetisch, linguistisch<br />

und kulturell ein Volk mit einem gemeinsamen Ursprung, sagt<br />

Dr. David Morrison, Direktor der Abteilung Archäologie und Geschichte<br />

des Museum of Civilization in der kanadischen Hauptstadt Ottawa.<br />

Allerdings gibt es zwischen den Ureinwohnern Alaskas, Kanadas<br />

und Grönlands («Kalaallit Nunaat») in Sprache und Kultur regionale<br />

Unterschiede. Diese Entwicklung begann vor etwa 800 Jahren.<br />

In der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts begannen die bis dahin nur<br />

im Nordwesten Alaskas lebenden Menschen ihre Wanderung nach<br />

Osten, vermutlich auf der Suche nach reichen Walbeständen, die<br />

sie schliesslich an der Küste der Baffin-Insel fanden. Binnen weniger<br />

Jahrzehnte erreichten sie Grönland. Morrison glaubt, dass sie<br />

etwa um 1260/1280 die Meerenge zwischen Ellesmere Island und<br />

der Nordwestküste Grönlands überquerten. Auf ihrer Wanderung<br />

nach Osten stiessen die Inuit in Gebiete vor, die bis dahin vom<br />

Dorset-Volk, auch Tunit oder Paläo-Eskimo/Inuit genannt,<br />

bevölkert wurde, das aber genetisch vermutlich wenig Ähnlichkeiten<br />

mit den Inuit hatte. Die heutigen Inuit sagen, dass sie die<br />

Arktis seit Jahrtausenden und «seit Urzeiten» bewohnen, was<br />

zutrifft, wenn sich dies auf Alaska bezieht oder die Tunit<br />

einschliesst. An der Baffin Bay kamen die Inuit in Kontakt mit<br />

den Wikingern, von denen sie Eisen erwarben. Kontakte mit<br />

Europäern hatten die Inuit dann wieder in der zweiten Hälfte<br />

des 16. Jahrhunderts, als Entdecker wie Martin Frobisher<br />

in die Region vorstiessen.<br />

bulletin 3/<strong>09</strong> <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

die arktischen Gewässer bewohnt, ist eine Spezialität. An der Küste<br />

von Cornwallis Island, einige Kilometer von Resolute entfernt, war<br />

der Clan von Simeonie Amagoalik erfolgreich: Mehrere Wale liegen<br />

auf dem Kieselstrand. Geschickt werden die Tiere zerlegt, bis nur<br />

noch das Gerippe übrig bleibt. Alt und Jung isst das vitaminreiche<br />

Maktaaq. «Das ist Fleisch für viele Familien», sagt einer und deutet<br />

auf die grossen Fleischstücke, die am Strand liegen. Teilen ist ein<br />

wesentlicher Bestandteil des Inuit­Lebens. Als im Dezember ver­<br />

gangenen Jahres bei Pond Inlet Hunderte im<br />

Eis eingeschlossene Narwale getötet wurden,<br />

um ihnen einen langsamen und qualvollen Tod<br />

durch Ersticken zu ersparen, wurde das Fleisch<br />

in mehreren Gemeinden im Norden der Baffin­<br />

Insel und auf Ellesmere Island verteilt.<br />

Küstengebiete werden zugänglicher<br />

Auch wenn die Jagd weiter zum Leben in Nunavut<br />

gehört – das Territorium nimmt teil an der globalen<br />

Wirtschaft, im Grossen wie im Kleinen.<br />

Kunsthandwerk, Skulpturen, Drucke und Wandteppiche<br />

aus der Arktis – produziert etwa in Cape<br />

Dorset oder in Pangnirtung – finden weltweit Liebhaber.<br />

Zu einem wesentlichen Wirtschaftsfaktor<br />

hat sich die Bergbauindustrie entwickelt. Sie steht<br />

zwar noch in den Startlöchern, aber überall in<br />

Nunavut haben Bergbaukonzerne Rohstofflager<br />

entdeckt und sind dabei, Minen zu entwickeln.<br />

Gold, Silber, Diamanten, Uran, Eisenerz, Nickel –<br />

die Liste der Rohstoffe ist lang. In küstennahen<br />

Gewässern liegen Erdöl und Erdgas. Der Klimawandel<br />

macht die Arktis und die arktischen Gewässer<br />

zugänglicher und für Schifffahrt und wirtschaftliche<br />

Nutzung attraktiver. Aber er ist für die Menschen<br />

im Hohen Norden und ihre Kultur auch eine<br />

grosse Gefahr: Die Ureinwohner der Arktis sehen<br />

nicht nur die Tierwelt bedroht, die einen Grossteil<br />

ihrer Nahrung liefert. Kultur und traditionelles Leben<br />

der Inuit werden von dem Eis, das immer brüchiger<br />

und unzuverlässiger wird, geprägt. Karibuherden ändern<br />

ihre Wanderwege. Robben verlassen angestammte<br />

Gewässer. Tiere und Pflanzen, die nie in der<br />

Arktis zu sehen waren, tauchen auf. Küsten, an denen<br />

Inuit­Siedlungen stehen, erodieren, weil der Permafrostboden<br />

auftaut.<br />

«Es geht voran. Nicht schnell, aber beständig»<br />

Dennoch blicken die Menschen in Nunavut trotz der<br />

Probleme optimistisch in die Zukunft. «Ich bin froh,<br />

dass wir Nunavut haben», sagt Andrew Beveridge­<br />

Tagornak. Der junge Computerfachmann verkörpert<br />

das, was Nunavut ausmacht: in der modernen Welt<br />

leben, zugleich aber die Traditionen pflegen. «Es geht<br />

voran. Nicht schnell, aber beständig.» Er ist zuversichtlich,<br />

«dass Nunavut uns helfen wird, in beiden Welten<br />

zu leben». Er schaltet seinen Computer ab und geht<br />

hinaus zu seinen Freunden, die schon auf ihn warten.<br />

Um zu jagen, wie es Inuit seit Jahrhunderten tun.


Inuit Norden 13<br />

Bild oben links Das Uqqurmiut Centre for Arts and Crafts in Pangnirtung ist bekannt für seine Wandteppiche und Druckgrafiken. Das Foto<br />

zeigt Leetia Alivaktuk bei der Herstellung eines Drucks mit der Schablonentechnik. Bild oben rechts Simeonie Amagoalik in Resolute<br />

ist ein respektierter «Elder » und angesehener Künstler. Aus Speckstein fertigt er hier einen Eisbären. Bild unten links Nunavut ist ein junges<br />

Territorium. Das Foto zeigt junge Mütter in Iqaluit. Bild unten rechts Mit dem Mountainbike durch den Schnee: Kinder in Pangnirtung.<br />

<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 3/<strong>09</strong>


Bilderleuchten<br />

jenseits des<br />

Polarkreises<br />

Gerry Hofstetter führte im April 200 seine siebte Light Art Expedition durch.<br />

Es ging in den Hohen Norden, nach Ilulissat in Grönland. Dort beleuchtete<br />

der international bekannte Künstler die Eisberge des Kangia-Eisfjords, der zum<br />

Unesco-Weltnaturerbe zählt. Das bulletin war exklusiv dabei.


16 Norden Lichtkunst<br />

Grönland Im Jahr 2021, genau 300 Jahre nach der dänischen<br />

Kolonisation, möchte Grönland seine vollständige Unabhängigkeit<br />

erlangen. Am 21. Juni 200 – dem Nationalfeiertag – wurde<br />

mit dem neuen Autonomiestatut ein weiterer Schritt in diese<br />

Richtung unternommen, nachdem Kalaallit Nunaat, wie die Inuit<br />

Grönland nennen, 1 53 gleichberechtigte dänische Provinz geworden<br />

war, 1 eine Teilautonomie erlangt hatte und 1 85 aus<br />

der Europäischen Union ausgetreten war, um seine Gewässer<br />

vor Überfischung zu schützen. Nun sind die Grönländer nur noch<br />

in der Aussen-, Sicherheits- und Währungspolitik von Dänemark<br />

abhängig – und von 430 Millionen Euro Subventionen. Doch die<br />

Grönländer hoffen auf Bodenschätze, vermehrte Einnahmen<br />

aus dem Tourismus und ausländische Investitionen. Die neue<br />

Ära nehmen sie mit einer neuen Regierung in Angriff: Die linksorientierte<br />

Inuit Ataqatigiit («Menschengemeinschaft») kam<br />

bei den vorgezogenen Wahlen unter der Führung von Kuupik<br />

Kleist zu einem Schneerutschsieg. Die zuvor während dreissig<br />

Jahren fast uneingeschränkt herrschenden sozialdemokratischen<br />

Siumut scheiterten an ungelösten Problemen wie<br />

Arbeitslosigkeit, Alkoholmissbrauch, zerrütteten Familien,<br />

sexueller Gewalt, hoher Suizidrate und Günstlingswirtschaft.<br />

Und damit am Umstand, dass Grönland in 60 Jahren eine<br />

Entwicklung durchmachte, die andernorts 150 Jahre dauerte.<br />

Doch die Lebenserwartung hat sich auf 60 Jahre verdoppelt.<br />

Niemand möchte das moderne Leben missen und<br />

das Rad der Geschichte zurückdrehen. Die Insel ist 2650<br />

Kilometer lang und bis zu 1000 Kilometer breit. Mit einer<br />

Fläche von 2,2 Millionen Quadratkilometern ist sie mehr<br />

als 50 Mal so gross wie die Schweiz, und dies bei weni-<br />

ger als 60 000 Einwohnern.<br />

bulletin 3/<strong>09</strong> <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

Text: Andreas Schiendorfer<br />

«Vielleicht», sagt Thorwald, als wir über die Möglichkeit diskutieren,<br />

nachts mit seinem Schiff, der «ESLE», zu den Eisbergen am Ende<br />

des Kangia­Eisfjords hinauszufahren, um endlich die ersten Lichtkunstprojektionen<br />

zu machen. Doch «vielleicht » bedeutet hierzulande<br />

«unwahrscheinlich», «unmöglich». In den letzten zehn Jahren<br />

hat es das noch nie gegeben: Das Packeis aus der Polarregion lässt<br />

den Hafen von Ilulissat und das Küstengebiet praktisch unschiffbar<br />

werden. Tagsüber mag es noch gelingen, mit viel Erfahrung und<br />

Geduld die Eisplatten aufeinanderzuschieben, doch<br />

nachts, wenn es darauf ankommt, ist das Eis, bei Temperaturen<br />

von minus 20 Grad, zu dick. Man würde<br />

stecken bleiben. «Schrecklich», ergänzt der Skipper<br />

und schüttelt sein ergrautes Haupt. Er meint den<br />

Wind. Seit Wochen bläst er aus der falschen Richtung.<br />

In Grönland bestimmt die Natur den Kalender.<br />

Sie hat das Recht, den minutiös vorbereiteten Programmplan<br />

über den Haufen zu werfen. Der Schweizer<br />

Lichtkünstler, der auf die Folgen der Klimaerwärmung<br />

aufmerksam machen möchte, akzeptiert es<br />

klaglos. Das eine oder andere Mal im Laufe der zwölftägigen<br />

Mission wird es sicher vom Schiff aus klappen.<br />

Und sonst bleiben ja immer noch die Helikopter. Das<br />

Team wiederum ist überzeugt, dass Gerry Hofstetter<br />

in die Trickkiste greift und noch am gleichen Abend<br />

eine Alternativaktion starten wird.<br />

Vielleicht. «Immaqa, sagen wir Einheimischen», erklärt<br />

Jens­Ole, unser Schiffsmaat und Sprachlehrer. Ataaseq,<br />

eins, Marluk, zwei, wir lernen zählen. In Grönland geht es<br />

bis fünf, dann ist die eine Hand voll, danach kommt die<br />

andere Hand und schliesslich folgen die zehn Zehen. Der<br />

«ganze Körper » gewissermassen. Und genau das bedeutet<br />

«Inuk Naallugu», das grönländische Wort für zwanzig, wörtlich.<br />

Ein schönes Bild. Doch es auszukosten, bleibt keine<br />

Zeit. Gerry Hofstetter legt sein Handy beiseite und springt<br />

auf: «Los gehts! In zwei Stunden beleuchten wir zuerst den<br />

Flughafen. Danach fahren wir mit unserem Landrover auf<br />

die Brücke und leuchten von oben auf das Packeis hinunter.<br />

Das sollte funktionieren.» Es kann nicht schaden, das Logo<br />

der Air Greenland und die Nationalfarben Rot (Sonne) und<br />

Weiss (Schnee) auf das Flughafengebäude zu werfen. ><br />

Bild links Mitte April ist der Hafen von Ilulissat immer noch voller Packeis, heruntergetrieben aus der<br />

Polarregion. Bild Mitte Gerry Hofstetter berät sich mit Skipper Thorwald Jensen. Ist eine Aktion mit dem<br />

Schiff möglich? Vielleicht. Bild rechts Die Eisberge am Horizont rücken in unerreichbare Ferne. Immerhin<br />

gibt es im Niemandsland dazwischen kleinere Eiswelten, die man erreichen und beleuchten kann.<br />

Fotos Seiten 14–21: Frank Schwarzbach, Michael Kessler


Lichtkunst Norden 1<br />

Mit seiner Lichtkunst macht Gerry Hofstetter auf eindrückliche Weise auf die Probleme der Klimaerwärmung und der Umweltzerstörung<br />

aufmerksam: Es gilt, unserer Erde Sorge zu tragen. Hier eine Projektion auf den Hafen von Ilulissat mit im Packeis gefangenen Fischerbooten.<br />

Entstanden ist diese Aufnahme von einer Brücke aus, weil man nicht, wie geplant, mit dem Schiff aufs Meer hinausfahren konnte.<br />

<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 3/<strong>09</strong>


18 Norden Lichtkunst<br />

Schliesslich wird die Expedition das Goodwill der Flughafenverant­ dem Grönländer Knaben, dessen Traum es ist, einmal richtige<br />

wortlichen noch einige Male in Anspruch nehmen: Für Nachtflüge Königspinguine zu sehen, die es nur in der kälteren Antarktis gibt.<br />

mit dem Helikopter zum Kangia­Eisfjord hinaus braucht es jeweils Ich lese nach. Richtig, sie tauchen bis zu 500 Meter tief und ihre<br />

eine Sonderbewilligung. Hofstetter weiss, worauf es ankommt. Jagdgründe liegen nun bis zu 800 Kilometer vor der Küste, doppelt<br />

Schliesslich war er in seinem früheren Leben Banker, Helikopterpilot so weit entfernt wie früher. Eine Folge der Klimaerwärmung.<br />

und Gebirgsgrenadier auf Spezialmissionen. Beinahe endlos weiss Klimaerwärmung. Das Wort ist allgegenwärtig, fast bis zur<br />

er haarsträubende Geschichten zu erzählen. Die Hirschkuh, die im Schmerzgrenze. In unserem Hotel ganz besonders, denn von hier<br />

Puschlav drei amerikanische Elitesoldaten in den Abgrund reisst, aus richtete die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel im Au­<br />

der Hunterangriff mit scheinbar scharfer Munition beim Besuch gust 2007 einen bestens inszenierten Klimaschutzappell an die<br />

eines deutschen Generals. Doch alles zu seiner Zeit. Jetzt erfordert Staatengemeinschaft. Im Rahmen des Internationalen Polarjahres,<br />

die Mission, die Lichtkunst, die ganze Konzentration. Zu Recht. Die das von März 2007 bis März 20<strong>09</strong> dauerte, wurde die For­<br />

Hafenbilder übertreffen alle Erwartungen. Die Weltkugel in Kinschungstätigkeit wesentlich erhöht. Und doch weiss man immer<br />

derhand spricht leise und deshalb eindringlich auf den Betrachter noch herzlich wenig, sind unterschiedliche Daten über die Erwär­<br />

ein. So kann es nicht weitergehen. Wann endlich legen wir unsemung von Wasser und Luft vorhanden, über die Dicke des Eises,<br />

re egoistische Gleichgültigkeit ab? Wenn alles Grönlandeis weg­ über den Gletscherschwund. Und nicht einmal die Natur spielt<br />

schmilzt, steigt der Meeresspiegel um sechs bis sieben Meter ! richtig mit, obwohl dies ja zu ihrem eigenen Vorteil wäre. 2008<br />

Thorwald wiederum sieht plötzlich sein überdimensionales Konter­ konnte man erstmals seit langem wieder zu Fuss über das Eis auf<br />

fei auf dem Hafen liegen. Und nun rennen dort sogar Rentiere um die nahe Diskoinsel gelangen, und auch das späte Packeis im Ha­<br />

die Wette. Zeit für einen weiteren Standortwechsel. Die Rentiere fen von Ilulissat untermauert die Dramatik nicht wunschgemäss.<br />

traben im laufenden Projektor weiter, nun gleichsam den Haus­ Dennoch ist eine Fehlentwicklung da, mit nicht abschätzbaren<br />

wänden entlang, gucken frech in eine gute Stube. Im Rückspiegel Folgen. Dies bestätigt mir der Schweizer Klimaforscher Konrad<br />

erkennen wir erstaunte Gesichter am Fenster.<br />

Steffen, der seit bald 20 Jahren im Swiss Camp, nahe von Ilulissat,<br />

Ein Lichtkünstler ist ein Nachtschwärmer, zwangsläufig. Es forscht. Dies bestätigt aber auch Robert W. Corell, ein Al Gore<br />

geht ihm um die Dämmerung kurz vor Sonnenuntergang und dann nahestehender Umweltschutzexperte des renommierten Heinz<br />

wieder kurz vor Sonnenaufgang, die Blue Hour. In Grönland fühlt Center in Washington. Hier im Hotel Arctis erteilt er mehrmals im<br />

er sich Mitte April und Mitte September besonders wohl. Die Jahr meinungsbildenden Familien Privatunterricht in Sachen Um­<br />

sommerliche Mitternachtssonne jedenfalls ist nur etwas für Touweltschutz. Die Fotosession in der Hotellobby lockt auch ihn an,<br />

risten. Das Gute an diesem Rhythmus: Bei der Rückkehr steht Maiskolben auf Eisbergen, das gefällt ihm. «Bist du nicht der Kerl,<br />

das Morgenessen für die Frühaufsteher unter den Hotelgästen der bei uns in Washington beim 100­Jahr­Jubiläum die National<br />

bereit – und findet dankbare Abnehmer. Zuerst jedoch kontrol­ Cathedral drei Nächte lang beleuchtete?», will er wissen. «Könntest<br />

lieren jeweils die Fotografen und die Filmer mit Gerry Hofstetter du für mich einmal einige Formeln auf den Eisberg projizieren?» Die<br />

die nächtliche Ausbeute, bis zuletzt kommen gut und gerne Frage stellen und Visitenkartentauschen sind eins.<br />

6000 Aufnahmen zusammen. Eigentlich wäre nun Schlaf ange­ Grönland zählt weniger als 60 000 Einwohner und wird jährlich von rund<br />

sagt. Doch ich blicke in die Weite hinaus, die Stille, lasse das 35 000 Leuten besucht. Man könnte sich in der Weite des Landes<br />

ewige Weiss­in­Weiss auf mich einwirken, spüre die Faszination verlieren, nur fehlen dazu die Strassen. Die Flughäfen werden so zu<br />

der Arktis, beinahe körperlich, egal ob die Augen offen oder interessanten Meeting Points. Sven Vaa beispielsweise erzählt uns in<br />

geschlossen sind. Lese in Peter Høegs Bestseller «Fräulein Kangerlussuaq, dass er auf der Diskoinsel hochwertiges Premium­<br />

Smillas Gespür für Schnee». Ein paar Seiten nur. Diese Ge­ Flaschenwasser abfüllen möchte, für die Greenland Springwater AG.<br />

schichte der Tochter einer Inuk ist Bettlektüre für zu Hause. In Er ist begeistert vom gesunden, stark basischen Wasser, ist begeistert<br />

Grönland kann man sich selbst nicht entkommen. Die Gedanken von den Schweizern, die die Arbeitslosigkeit im kleinen Nest Qe­<br />

sind nicht frei. Immerhin kann man sich ablenken, am besten quertarsuaq mit einem Schlag beenden. Ob die weiten Transportwege<br />

mit dem Internet, das hier überall anzutreffen ist. Ich rufe mir gerechtfertigt sind, wird sich weisen. Vaa ist aber vom Erfolg, zumin­<br />

Hofstetters Gutenachtgeschichte in Erinnerung, von Nono, dest in Skandinavien und Asien, restlos überzeugt. Auch in vielen ><br />

bulletin 3/<strong>09</strong> <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

Bild links Vorbereitungen für die geplante Schiffsexpedition. Bild Mitte Das Packeis weist schon am Tag<br />

eine beeindruckende Dicke auf, und nachts sind die Verhältnisse wesentlich schwieriger. Bild rechts<br />

Ein einziges Mal sticht die Expedition in See: Hofstetter gibt seinem Fotografen genaue Instruktionen.


Lichtkunst Norden 1<br />

Auf den Gletschern von Ilulissat projizierte Gerry Hofstetter nachdenklich stimmende Sujets. Oben die im Zoo Nürnberg lebende<br />

Eisbärin Flocke auf Besuch in der Heimat. Wie lange gibt es noch Eisbären in Grönland? Unten: Ein eindrücklicher Wasserfall – sieht so<br />

die Zukunft des Landes aus? Mit welchen Folgen? Schmilzt alles Grönlandeis, steigt der Meeresspiegel um über sechs Meter.<br />

<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 3/<strong>09</strong>


20 Norden Lichtkunst<br />

Unesco-Welterbe Kangia-Eisfjord Die 1 5 geschaffene<br />

Unesco-Liste des Welterbes umfasst derzeit 8 0<br />

Denkmäler in 148 Ländern. Nördlich des Polarkreises<br />

sind es deren fünf: der Kangia-Eisfjord von Ilulissat, die<br />

russische Wrangelinsel, die Felszeichnungen im norwegischen<br />

Alta, die noch von Samen bewohnte Laponia-<br />

Wildnis sowie der so genannte Struwe-Bogen, das nach<br />

einem baltischen Astronomen benannte, rund 3000<br />

Kilometer lange Netz geodätischer Vermessungspunkte<br />

von Hammerfest nach Chisinau, der durch Norwegen,<br />

Schweden, Finnland, Russland, Estland, Lettland,<br />

Litauen, Weissrussland und Moldawien führt. Der<br />

wichtigste Gletscher Grönlands, der Sermeq Kujalleq,<br />

sowie der dazu gehörige Kangia-Eisfjord wurden 2004<br />

zum Unesco-Welterbe erklärt. Der «südliche Gletscher»<br />

ist einer der schnellsten und produktivsten Gletscher<br />

der Welt. Er fliesst im Sommer bis zu 40 Meter täglich<br />

und produziert («kalbt») rund einen Zehntel der grönländischen<br />

Eisberge, rund 35 Kubikkilometer Eis pro<br />

Jahr. Die Eisberge können bis in die Höhe des 40. Breitengrades<br />

gelangen, ehe sie abgeschmolzen sind. Einer<br />

von ihnen war 1 12 für den Untergang der Titanic verantwortlich.<br />

Der Sermeq Kujalleq weicht seit 1850<br />

kontinuierlich zurück, in den letzten Jahren wesentlich<br />

beschleunigt. Dementsprechend ist die Länge des<br />

Eisfjords – in der Literatur teilweise noch mit 40 Kilometern<br />

angegeben – auf 58 Kilometer angewachsen.<br />

Verantwortlich dafür ist vor allem das etwas wärmer<br />

gewordene Wasser, welches die über ihr ins Meer<br />

hinausragende Gletscherzunge zum schnelleren<br />

Schmelzen gebracht hat. Nun hat sich jedoch der<br />

Gletscher auf das Festland zurückgezogen. Deshalb<br />

sind fortan ein verlangsamter Rückzug sowie<br />

kleinere Eisberge zu erwarten. Doch das Problem<br />

bleibt ungelöst.<br />

bulletin 3/<strong>09</strong> <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

anderen Gesprächen merkt man, dass sich Grönland an<br />

einem Wendepunkt, an der Schwelle zu einem neuen Zeitalter<br />

befindet, keineswegs nur in politischer Hinsicht. Die<br />

Klimaerwärmung wird die Nordwestpassage und die Suche<br />

nach Bodenschätzen erleichtern und vermehrt Touristen und<br />

ausländische Investoren anlocken. Sie hat also, keine Frage,<br />

für die einheimische Bevölkerung auch ihr Gutes, denn nur<br />

wenige westliche Idealisten glauben, dass sich die Inuit in<br />

der Rolle der letzten edlen Wilden gefallen.<br />

Im erweiterten Kreise folgt eine Diskussion unweigerlich: Ist Lichtkunst<br />

Kunst? Sie ist jedenfalls, betont Gerry Hofstetter, einmalig.<br />

Die Schatten, die von den Konturen der Eisberge herrühren, die<br />

Einwirkungen der Natur, das Licht, der Schneefall. Möglicherweise<br />

könne man die Nürnberger Eisbärin Flocke auch am Schreibtisch<br />

mit dem Computer auf einen Eisberg platzieren. Aber das<br />

wäre nicht authentisch, wäre steril und letztlich leblos. Wegen der<br />

Komplexität der Organisation, aber auch aus technischen Gründen<br />

kann wohl niemand eine vergleichbare Expedition durchführen.<br />

Deshalb hält Hofstetter bei seinen Grossprojekten das ganze Making­of<br />

dokumentarisch fest und achtet kompromisslos auf das<br />

Copyright. 2003 und 2004 fährt er in die Antarktis, 2005 projiziert<br />

er ein 1000 auf 400 Meter grosses Bild aufs Matterhorn, 2006<br />

zieht es ihn, im Uno­Jahr der Wüste, zu den Pyramiden nach Ägypten.<br />

Und nun ist er schon zum dritten Mal in der Arktis.<br />

Naja Habermann, Managerin des örtlichen Unesco­Welterbes,<br />

ist begeistert von der Lichtkunst. Und doch sind die Regeln einzuhalten:<br />

keine nächtlichen Überflüge über den Kangia­Eisfjord. Nur<br />

die Eisberge am Rande – wir nennen sie «Matterhorn» und «Schweizer<br />

Käse» – werden angepeilt. Doch gerade diese sind besonders<br />

gross und eindrücklich. An der offenen Helikoptertüre stehen Hofstetter<br />

und seine Assistentin und schieben Dia um Dia in den Projektor.<br />

Daneben liegen Fotograf und Kameramann mehr über­ denn<br />

nebeneinander, angeschnallt und beinahe festgefroren. Mit klammen<br />

Fingern arbeiten sie wie im Delirium: Die Blue Hour dauert<br />

nicht mehr lange ... Derweil hinten der Journalist in der Hitze gegen<br />

den Schlaf kämpft. Was Kamel auf Inuktitut heisse, möchte er wissen.<br />

«Für Kamel haben wir kein Wort. Das brauchen wir nicht, weil<br />

es hier keine Kamele gibt.» Naja schaut nach draussen und lächelt.<br />

«Müssen wir dies nun ändern? Immaqa. Vielleicht.» <<br />

� Mehr Infos und Fotos über Grönland, die Klimaerwärmung<br />

und die Lichtkunst unter www.credit-suisse.com/bulletin,<br />

www.gerryhofstetter.ch, www.eisberge.ch<br />

Bild links Den Helikopterflügen kommt wegen des Packeises grosse Bedeutung zu. Bild Mitte Gearbeitet<br />

wird mit offenen Türen, beim Erkundungsflug am Tag und bei der Lichtkunstexpedition in der<br />

Nacht. Bild rechts Vom Land aus beobachtet ein Teil des Teams die beiden Helikopter bei ihrer Arbeit.


Lichtkunst Norden 21<br />

Eine Fata Morgana in der Eiswüste. Gerry Hofstetters Kunst mit Licht bringt scheinbar Unmögliches zusammen. Die klimatisch bedingten<br />

Regeln verlieren ihre Gültigkeit. Die Welt steht Kopf. Auf der geplanten Expedition auf den Kilimandscharo wird er wohl von grönländischen<br />

Huskys «begleitet». Eine Spielerei? Vielleicht. Vielleicht aber nennen wir es so, weil es unbequem ist, seine Gedanken zu Ende zu denken.<br />

<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 3/<strong>09</strong>


Island ist fest<br />

in Elfenhand<br />

Sie leben in Klippen und Felsen und sind den Menschen grundsätzlich wohlgesinnt.<br />

Doch wehe, sie werden in ihrer Ruhe gestört. Elfen prägen das Leben der eigen willigen<br />

Isländer hoch im Norden Europas.


Illustrationen: Beate Frommelt<br />

Text: Ute Eberle<br />

«Man muss still sein und darf nichts erwarten», sagt Hermundur<br />

Rosenkranz. «Dann sieht man das verborgene Volk.» Rund sechs<br />

Mal sei er dem Huldufólk – von vielen auch Elfen genannt – bisher begegnet,<br />

berichtet der 49­Jährige aus Reykjavík. Beim ersten Mal war er<br />

vier Jahre alt. «Es waren Kinder, die aus den Klippen kamen. Ich war so<br />

klein, dass ich mir nichts dabei dachte.»<br />

«Man muss sich am 24. Juni auf eine Kreuzung setzen», sagt Sigurbjörg<br />

Karlsdóttir, Touristenführerin in Hafnarfjördur. «Laut den Überlieferungen<br />

kann man dann Elfen vorbeiziehen sehen. Aber man darf sie<br />

nicht ansprechen, sonst wird man verrückt.»<br />

«Man muss höflich sein mit den Unsichtbaren», sagt Petur Matthiasson,<br />

Sprecher der Isländischen Strassenverwaltung. «Sie werden nicht<br />

gern überrascht. Aber sie ziehen um, wenn man sie bittet.» Manchmal<br />

verlege das Amt auch Strassen, um das Huldufólk zu schonen. Doch<br />

das sei schon Jahre nicht mehr vorgekommen, versichert Matthiasson.<br />

Man glaube ja auch nicht wirklich an Elfen. «Wir streiten nur nicht gern<br />

ab, dass es sie geben könnte.»<br />

Abgelegen, aber nicht zurückgeblieben<br />

Rund 800 Kilometer Meer trennen Island vom Nordwesten Schottlands.<br />

Es ist das abgelegenste Land Europas. Gut 300 000 Menschen<br />

leben hier nahe dem Polarkreis auf einer Insel, die zweieinhalb Mal<br />

so gross ist wie die Schweiz. Die Isländer sind in vieler Hinsicht<br />

geradezu aggressiv modern. Handys, Internet und Geländewagen<br />

prägen das Alltagsbild. In manchen Fitnessclubs scannt eine Maschine<br />

die Augeniris der Ankommenden. Die Bürgersteige Reykjavíks sind,<br />

dank Wasserenergie, beheizt. Biogenetiker werten das Erbgut der<br />

Bevölkerung aus. Und so wenig Analphabeten gibt es hier, so hoch<br />

sind die Lebenserwartung, die Schulungsrate und die Kaufkraft, dass<br />

sich das Land 2008 an die Spitze des «Human Development Index»<br />

der Vereinten Nationen setzte. Jüngst wählte die Bevölkerung die<br />

erste öffentlich homosexuelle Premierministerin<br />

der Welt, nachdem die alte Regierung<br />

über die Wirtschaftskrise gestolpert war.<br />

Und doch ist die Vergangenheit stets nur<br />

eine kurze Autofahrt entfernt. Zwei Drittel<br />

der Bevölkerung ballen sich im Grossraum<br />

Reykjavík, der Rest lebt in einem dünnen<br />

Streifen entlang der Küste und in geschützten<br />

Tälern. Weite Teile des Landesinneren sehen<br />

dagegen heute noch so aus wie vor Hunderten<br />

von Jahren. Es waren die Wikinger<br />

Skandinaviens, die das Land mit ihren Ruderbooten<br />

ab dem neunten Jahrhundert besiedelten.<br />

Island ist eine Vulkaninsel. Sie sitzt<br />

auf der Naht zwischen den tektonischen<br />

Platten Nordamerikas und Eurasiens. Gletscher<br />

und Lavafelder bedecken weite Teile<br />

ihres Bodens. Nur 0,07 Prozent sind für die<br />

Landwirtschaft geeignet.<br />

Unwirklich wilde Landschaften<br />

Ungebremst von Bäumen – abgesehen von<br />

ein paar wenigen Zwergbirken – fegt der<br />

Wind über Ebenen, die so karg sind, dass<br />

die NASA einst ihre Astronauten herschickte,<br />

Island soll von einem dichten Netz von<br />

Kraftlinien, auch Ley-Linien genannt,<br />

überzogen sein, entlang deren sich Elfen<br />

besonders gerne niederlassen.<br />

Elfen<br />

Norden 23<br />

um sie auf den Mond einzustimmen. Giftgrüne Flechten erklimmen<br />

Hänge, die kein Mensch je bestiegen hat. Kochend heisse<br />

Geysire schiessen aus dem Boden, Gletscherseen klirren,<br />

Schwefelfelder brodeln, Wasserfälle brausen aus der Höhe.<br />

Dampf wabert aus vulkanisch aufgeheizten Hügeln. Nebel<br />

steigt scheinbar aus dem Nichts auf. Und im Sommer flimmert<br />

die Luft, bis das Auge glaubt, Erscheinungen zu sehen.<br />

Sehen den Menschen ähnlich und trinken Kaffee<br />

Kein Wunder, dass die frühen Siedler allerlei Naturgeister hier<br />

vermuteten. Gigantische Trolle – glaubten sie etwa – spuckten<br />

die glühende Lava aus. Gnome und Feen huschten aus ihrer<br />

Sicht zwischen den Büschen und Felsen umher. Die Tradition<br />

dazu hatten sie aus dem skandinavischen und keltischen Raum<br />

mitgebracht, doch während man dort die mystischen Erzählungen<br />

von einst kaum noch beachtet, seien sie in Island «quietschlebendig»,<br />

schrieb vor einigen Jahren Valdimar Hafstein, Forscher<br />

für Anthropologie und Folklore an der Universität von Island.<br />

Und just eine bestimmte Sorte Elfen – das Huldufólk – scheint<br />

noch recht eifrig im Alltag mitzumischen.<br />

«Gemäss den Legenden sehen sie den Menschen ähnlich und<br />

haben eine vergleichbare Wirtschaft», so Hafstein. «Sie haben<br />

Vieh, ernten Heu, rudern Boote, häuten Wale und pflücken<br />

Beeren. Sie haben Priester und Sheriffs und gehen sonntags in<br />

die Kirche.» Leben soll dieses Parallelvolk in Klippen und Felsen,<br />

doch wird ihren Behausungen nachgesagt, überraschend gemütlich<br />

zu sein. Hinter Fenstern und Türen, die Normalsterbliche<br />

meist nicht sehen können, verbergen sich demnach lauschige<br />

Küchen, in denen die Elfen Kaffee trinken und Pfannkuchen<br />

backen. In der Ásbyrgi­Schlucht im Landesnorden sollen sie sogar<br />

ein Konzerthaus gebaut haben. Und hinter einem Wasserfall<br />

in Hellisgerdi vermuten einige ein Elfen­Café. In manchen Umfragen<br />

gab jeder zweite Isländer zu, an Elfen zu glauben. In anderen<br />

war die Zahl der zweifelsfrei Überzeugten<br />

niedriger, doch der grundlegende Trend derselbe:<br />

Die übergrosse Mehrheit des Inselvolks<br />

– bis zu 80 Prozent – ist sich zumindest<br />

nicht sicher, dass es Elfen nicht gibt. «Fragt<br />

man einen Isländer, was er tun würde, wenn<br />

er einen Whirlpool im Garten bauen wollte,<br />

aber dafür einen Felsen wegsprengen müsste,<br />

in dem angeblich Elfen leben, entscheiden<br />

sich die meisten sicherheitshalber dagegen»,<br />

sagt Terry Gunnell, Folkloreprofessor an der<br />

Universität von Island.<br />

Wohlwollend, aber rachsüchtig<br />

Denn die Elfen gelten zwar als insgesamt<br />

wohlwollend, doch rachsüchtig gegenüber<br />

denen, die ihnen Unrecht tun. Wie jener Farmer,<br />

der achtlos einen Fels in seinen Keller<br />

einbaute, obwohl ihn Nachbarn gewarnt hatten,<br />

dass darin Elfen wohnten. Kurz darauf,<br />

so heisst es, erkrankte seine Tochter aus<br />

unerklärlichen Gründen und starb.<br />

Oder jene Bauarbeiter, die einen Elfenstein<br />

aus dem Weg einer neuen Strasse<br />

räumten und ihn dabei zerbrachen. Am ><br />

<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 3/<strong>09</strong>


In kaum einem Land ist der Glaube an den technischen Fortschritt derart präsent wie in Island. Und doch wollen sich die Isländer<br />

im Zweifelsfall lieber nicht mit den Bewohnern von Elfen-Felsen anlegen.


Illustrationen: Beate Frommelt<br />

nächsten Morgen waren in einer nahe gelegenen<br />

Fischfarm 70 000 Jungforellen tot. Ein<br />

Bulldozer der Arbeiter hatte versehentlich<br />

eine Wasserleitung zerstört. Elfensabotage,<br />

befanden viele.<br />

Praktisch jeden Sommer, so Hafstein,<br />

geisterten derartige Geschichten durch die<br />

isländischen Medien. Werden Arbeiter krank<br />

oder brechen sich die Glieder, fallen Maschinen<br />

aus oder häufen sich ganz allgemein die<br />

Missgeschicke, sieht man darin schnell das<br />

Werk der Unsichtbaren. Meist sei der Strassenbau<br />

betroffen, erklärt der Forscher. «Andere<br />

Hauptkandidaten sind Bauarbeiten für<br />

Häuser, das Verlegen von Kabeln oder der<br />

Ausbau von Fabriken.» Um die Probleme<br />

kleinzuhalten, horchen Mitarbeiter der Strassenverwaltung<br />

bereits routinemässig bei der<br />

Planung neuer Asphaltbahnen, ob «etwa eine<br />

Elfenkirche» im Weg stehe, sagt der Sprecher<br />

Matthiasson. Zeitweise beschäftigte das Amt<br />

sogar eigens einen Elfenbeauftragten, der<br />

dann mit den Unsichtbaren verhandelte.<br />

Manchmal werden Arbeiten verzögert, um<br />

ihnen Zeit zu geben wegzuziehen. Manchmal<br />

wird ein Fels versetzt, manchmal eine Strasse<br />

um ihn herum gebaut. Und manchmal ignorieren die Arbeiter die<br />

vermeintlichen Wünsche des Huldufólks auch schlicht – auf eigenes<br />

Risiko gewissermassen.<br />

Jeder zwanzigste Isländer will bereits selbst Elfen gesehen haben.<br />

Die bekannteste Augenzeugin – eine Klavierlehrerin namens Erla<br />

Stefánsdóttir – berichtet, dass besonders viele dieser Wesen in Hafnarfjördur<br />

leben, einer Hafenstadt rund 15 Minuten von Reykjavík<br />

entfernt. Findige Kleinunternehmer bieten dort bereits regelmässig<br />

«Elfentouren» für Touristen an.<br />

Interviews mit 800 Menschen, denen Elfen begegnet sind<br />

In Island bleiben Felsen, in denen<br />

Elfen vermutet werden, beim Bau von<br />

Strassen unangetastet.<br />

Den grössten Experten für die unsichtbare Welt Islands aber findet<br />

man in der Hauptstadt selber. Und er hat noch nie einen Elf gesehen.<br />

Allerdings hat Magnús Skarphédinsson fast 800 Menschen interviewt,<br />

denen dies offenbar gelungen ist, und auch nach zwei Jahrzehnten<br />

Recherche funkeln seine Augen hinter der Brille begeistert, wenn er<br />

über das Huldufólk spricht. Meist handele es sich um kurze Begegnungen,<br />

berichtet er. «Die Elfen rennen weg und verschwinden in einer<br />

Klippe oder im Fels.»<br />

Gelegentlich aber hört Skarphédinsson auch von langen Freundschaften<br />

zwischen den Völkern. So erzählte ihm ein Mann aus dem<br />

Osten der Insel, dass er über Jahre auf der einsam gelegenen Farm<br />

seiner Eltern mit zwei Elfenkindern gespielt habe. «Solche Beziehungen<br />

beginnen oft in der Kindheit, weil sich junge Elfen nicht immer an die<br />

Regel halten, dass sie sich den Menschen nicht zeigen sollen», sagt der<br />

Isländer, der keinen Zweifel hegt, dass solche Geschichten wahr sind.<br />

Die Freundschaft habe in diesem Fall geendet, weil das Huldufólk weggezogen<br />

sei, sagt Skarphédinsson. «Der Elfenvater war Arzt und nahm<br />

eine Stelle in Norwegen an.»<br />

Besucher führt er gerne zur Álfhólsvegur Nr. 102, einem felsigen, leeren<br />

Grundstück in einer Wohnstrasse im Reykjavíker Vorort Kópavogur. Beim<br />

Bau des Teerwegs hatten sich die Unfälle und mechanischen Versagen<br />

Elfen Norden 25<br />

derart gehäuft, als die Crew versuchte, Teile<br />

des Gesteins abzutragen, dass man die<br />

Strasse schliesslich kurzerhand verengte,um<br />

den Hügel ungestört zu lassen. Auch die<br />

Arbeiter, die in den 1970er­Jahren hier<br />

Wasserrohre verlegen sollten, kämpften mit<br />

technischen Schwierigkeiten, die so manchem<br />

verdächtig vorkamen. So sehr, dass<br />

etwa die Isländer, die das Grundstück später<br />

zum Bau zugeteilt bekamen, beschlossen, ihr<br />

Haus lieber anderswo in der Stadt zu errichten.<br />

Die Gemeinde zeigte dafür Verständnis<br />

und bezahlte ihnen eine Entschädigung.<br />

Unterricht in der «Elfenschule»<br />

«Das Huldufólk ist Realität», sagt Skarphédinsson.<br />

Seit 18 Jahren predigt er diese Überzeugung<br />

in einer eigenen «Elfenschule»,<br />

einem Klassenzimmer mit Pult und Schreibtafeln<br />

am Stadtrand von Reykjavík. An Freitagen<br />

im Sommer lauschen hier gewöhnlich<br />

Touristen seinem mehrstündigen Kurs, der<br />

auch Zwerge und andere mystische Wesen<br />

behandelt, doch im Winter sitzen auf den<br />

Stühlen isländische Kinder. Natürlich hörten<br />

diese bereits zu Hause die Mythen und<br />

Legenden, sagt Skarphédinsson. «Aber ich erzähle ihnen, was<br />

wirklich dahintersteckt.» Dass etwa Elfenmänner manchmal Sex<br />

mit Menschenfrauen suchten, wie in gewissen Zirkeln geraunt wird,<br />

«scheint nicht wahr zu sein», sagt er bestimmt.<br />

Folkloreforscher wundert es wenig, dass die Isländer dem Elfenglauben<br />

bis heute aufgeschlossen gegenüberstehen. Schliesslich<br />

lebten sie in einem Land voll unsichtbarer Kräfte. «Man dreht den<br />

Hahn auf und das Wasser kommt kochend heiss heraus. Der Wind<br />

ist so stark, dass er einen umwerfen kann, und Erdbeben können<br />

das Haus einstürzen lassen», sagt Folkloreprofessor Gunnell. «Ein<br />

Erdbeben kann man auch nicht sehen.»<br />

In der Tat zeigen Studien, dass Isländer generell für Supernatürliches<br />

offen sind. So glaubt eine grosse Mehrheit, dass Träume<br />

die Zukunft prophezeien können. Drei Viertel aller Bewohner<br />

schliessen nicht aus, dass man mit Toten kommunizieren kann.<br />

Und sieben von zehn halten Schutzengel für denkbar.<br />

«Elfenturbulenzen richten sich immer gegen Erschliessungskampagnen<br />

– Neubaugebiete, Infrastrukturmassnahmen, Fabrikbauten<br />

und andere Projekte zur Stadtausweitung», hat Hafstein<br />

festgestellt. Er vermutet dahinter eine Mischung aus Schuldgefühlen,<br />

Nostalgie und Angst vor Veränderung. Anders gesagt:<br />

Für viele Isländer verkörpern die Elfen möglicherweise die Sehnsucht<br />

nach der vermeintlichen Idylle vergangener Tage. <<br />

<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 3/<strong>09</strong>


Nordpol als<br />

Leidenschaft<br />

Nur wenige sind dem Mythos Nordpol so auf den Grund gegangen wie Frederik Paulsen.<br />

Der CEO des Pharma-Familienkonzerns Ferring reist mehrmals im Jahr in die Polarregionen.<br />

Vor zwei Jahren tauchte er in einer russischen Kapsel gar bis zum Meeresgrund<br />

des Nordpols ab.


Fotos: Editions Paulsen<br />

Interview: Daniel Huber<br />

bulletin: Es gibt wohl nur wenige Menschen, die den<br />

Nordpol so von Grund auf kennen wie Sie. Was fasziniert Sie<br />

an diesem Ort ?<br />

Frederik Paulsen: Das lässt sich nicht so einfach mit Worten erklären.<br />

Das muss man erleben. Es ist eine ganz spezielle Stimmung<br />

dort; eine Mischung aus Kälte, speziellem Licht, das in<br />

dieser Jahreszeit immer da ist, und den Reflexionen auf dem Eis.<br />

Das Erlebnis ist wirklich unbeschreiblich.<br />

Empfinden Sie den Nordpol auch als eine Art magischen Ort,<br />

an dem spezielle, magnetische Kraftfelder wirken?<br />

Nein, das würde ich so nicht sagen. Das ist mir zu vergeistigt.<br />

Wie erlebten Sie die Tauchexpedition zum Meeresgrund des<br />

Nordpols?<br />

In erster Linie war es ganz schnell völlig dunkel. Schliesslich befanden<br />

wir uns unter einer rund eineinhalb Meter dicken<br />

Eisschicht, die das Licht zusätzlich abschirmte. Wir sind über<br />

4000 Meter im Dunkeln abgetaucht, und erst als wir am Boden<br />

ankamen, haben wir die Scheinwerfer angemacht.<br />

Und jetzt steht da unten die russische Flagge aus Titan<br />

einsam vor sich hin im Dunkeln.<br />

Das ist so. Aber es gibt auf der Erde noch viele solcher Punkte,<br />

wo irgendwelche Flaggen rumstehen.<br />

Wie kamen Sie als Schwede dazu, diese doch sehr russische<br />

Expedition – jedenfalls wurde sie als solche gefeiert – an den<br />

Meeresgrund des Nordpols zu finanzieren?<br />

Jedes Jahr versuche ich bis zu vier Polarexpeditionen durchzuführen.<br />

Das lässt sich nur machen, wenn man gleichzeitig an<br />

mehreren Projekten arbeitet. Am Schluss lassen sich nie alle<br />

realisieren, sei es wegen des schwierigen Wetters, weil eine der<br />

notwendigen Zulassungen fehlt oder aus sonst einem Grund. Da<br />

gibt es immer enorme Unsicherheiten. Das Projekt einer Expedition<br />

zum Meeresgrund des Nordpols wurde bereits 2000 lanciert.<br />

Doch fehlte es den ursprünglichen Initiatoren am notwendigen<br />

Geld und an der politischen Unterstützung. Als ich dann mit diesen<br />

Leuten in Kontakt kam, habe ich das mittlerweile eingeschlafene Projekt<br />

reanimiert und die entsprechenden Kontakte aktiviert.<br />

Wie zwingend war die Durchführung unter russischer Flagge?<br />

Die Russen sind die Einzigen, die über das notwendige Material verfügen.<br />

Nur sie haben sowohl Atomeisbrecher, spezielle Helikopter als<br />

auch diese zwei Tiefseekapseln.<br />

Darüber hinaus soll die Expedition ja auch unter der Fahne des<br />

New Yorker Explorers Club gestanden haben. Wie kam das?<br />

Dieser Explorers Club ist eine ausgesprochen ehrwürdige und ernste<br />

Angelegenheit. Beim alljährlichen Dinner fühlt man sich 200 Jahre<br />

mitten in die Kolonialzeit zurückversetzt. Jeder erzählt von seinen noch<br />

wilderen Expeditionen. Dazu gibts eigenwillige Häppchen mit gegrillten<br />

Mehlwürmern, Heuschrecken oder Skorpionen. Da gibt es ein spezielles<br />

Komitee, das abklärt, welche Expeditionen würdig genug sind,<br />

um unter der Flagge des Clubs zu laufen. Unsere Expedition wurde als<br />

würdig erachtet und wir hatten tatsächlich ganz real ein Club­Fähnchen<br />

dabei. Danach gabs eine feierlich überreichte, persönliche Kopie der<br />

Fahne, die nun an einem Ehrenplatz in meinem Büro hängt. Schliesslich<br />

ist das die höchste Auszeichnung überhaupt für ein Mitglied des<br />

Explorers Clubs.<br />

Wie wird man Mitglied im New Yorker Explorers Club?<br />

Das kann nur über Empfehlung eines bestehenden Mitglieds geschehen.<br />

Nordpol Norden 2<br />

Frederik Paulsen wuchs in Schweden auf und<br />

studierte Chemie an der Universität Kiel in<br />

<strong>Deutschland</strong>. Seit 1 6 ist er im Familienunternehmen<br />

Ferring tätig und übernahm dort 1 88<br />

als CEO die Leitung. Der internationale Pharmakonzern<br />

hat seinen Hauptsitz in St- Prex am<br />

Genfersee. Der 58-jährige Paulsen lebt in Paris<br />

und Lausanne. Er unterstützt eine Vielzahl von<br />

sozialen und kulturellen Projekten, unter anderem<br />

in Bhutan, Russland und <strong>Deutschland</strong>.<br />

Mich hat ein amerikanischer Freund vorgeschlagen, den ich bei<br />

meiner Expedition zu einem Mammut in Sibirien kennengelernt<br />

hatte.<br />

Wie sind Sie denn auf dieses Mammut gestossen?<br />

Das ist eine lange Geschichte. Ein anderer Freund, der Mammutforscher<br />

ist, hat mir davon erzählt. Worauf wir 2003 ein<br />

paar Mammutforscher eingeladen und eine Antonow gemietet<br />

haben und damit vier Wochen lang in Sibirien herumgeflogen<br />

sind, bis wir das Mammut tatsächlich gefunden haben.<br />

Es war extrem gut erhalten. Der Kopf war in einem Eisblock<br />

gefroren. Dadurch sah man sogar noch die Augen. Zwei<br />

Jahre später wurde es dann an der Weltausstellung in Japan<br />

2005 als kleine Sensation ausgestellt.<br />

Obwohl Sie die Expedition zum Nordpol massgeblich<br />

finanziert haben, kamen Sie zeitverschoben hinter der<br />

ersten Tauchkapsel unten an.<br />

Das haben wir speziell so geplant, weil wir den russischen<br />

Freunden den Vortritt geben wollten. Ihnen war das ja auch<br />

speziell wichtig, als Erste unten zu sein. ><br />

<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 3/<strong>09</strong>


28 Norden Nordpol<br />

Und wem gehört der Nordpol?<br />

Oh, schwierige Frage. Im Süden gibt es für die Antarktis ein<br />

klares Abkommen zwischen Wissenschaftlern und Regierungen,<br />

das erstaunlich gut funktioniert. In der Arktis ist es anders. Da<br />

gibt es viele kommerzielle Interessen und keine eigentliche Regelung.<br />

Gleichzeitig sollen da oben rund 20 Prozent aller Öl­ und<br />

Erdgasvorräte in der Tiefe schlummern. Noch vor 20 Jahren war<br />

das völlig uninteressant, weil man von den technischen Möglichkeiten<br />

her gar nicht so tief bohren konnte. Heute geht das. Nun<br />

soll ein spezieller Ausschuss der Uno entscheiden, wem das alles<br />

gehört. Und die Anrainer hatten bis zu einem gewissen Datum die<br />

Möglichkeit, ihre Ansprüche zu begründen.<br />

Bei Ihrer Expedition haben Sie unter anderem Bodenproben<br />

mitgenommen, welche die Zugehörigkeit zum russischen<br />

Festland und damit den Anspruch Russlands belegen sollen.<br />

Ist das geglückt ?<br />

Wenn Sie eine abgegrenzte Insel haben, die bewohnt ist, dann<br />

können Sie Ihre Grenzen relativ einfach definieren. Aber ohne<br />

eigentliches Festland gibt es sehr komplexe Anspruchsszenarien.<br />

Grundsätzlich kann aber tatsächlich eine Meeresbergkette, die<br />

irgendwie mit dem Festland verbunden ist, unter bestimmten Umständen<br />

als Argument für einen Besitzanspruch geltend gemacht<br />

werden. Ob unsere Proben vom Nordpol diesen Ansatz stützen oder<br />

nicht, das wird sich zeigen. Grundsätzlich könnten diese Unterseebergketten<br />

wohl sowohl Grönland als auch Russland zugesprochen<br />

werden. Die Russen wollen rund die Hälfte des zurzeit noch offenen<br />

Gebietes in der Arktis.<br />

Nehmen Sie bei Ihren Polreisen die Klimaerwärmung in<br />

irgendeiner Form wahr ?<br />

Ich will ja nicht hysterisch sein. Aber die Klimaerwärmung ist in den<br />

Polarregionen schon sehr präsent und offensichtlich. Den meisten<br />

Menschen ist nicht bewusst, dass es ganz natürliche Zyklen von Eiszeiten<br />

und Erwärmungen gibt. Alle 120 000 Jahre geht das hin und<br />

her. Wir befinden uns heute ganz klar in einem Erwärmungszyklus.<br />

Doch geht alles viel zu schnell. Entwicklungen, die früher vielleicht<br />

10 000 Jahre gedauert hätten, passieren heute in zehn Jahren. Weder<br />

Tiere noch Menschen können sich auf diese beschleunigten Verände­<br />

rungen auf natürliche Weise anpassen. Das ist das grosse Problem.<br />

Die Erwärmung an sich wäre ja gar nicht so schlecht. Dadurch<br />

werden riesige Gebiete in Grönland oder vor allem auch in Sibirien<br />

plötzlich bewohn­ und urbar.<br />

Haben Sie einen Traum, den Sie als Entdecker verwirklichen<br />

wollen?<br />

Mein Ziel ist es, alle acht Pole der Arktis und Antarktis zu besuchen.<br />

Warum denn acht ?<br />

Es gibt in der Arktis und der Antarktis je vier Pole: den geografischen<br />

den magnetischen, den geomagnetischen sowie den Pol der Unzugänglichkeit.<br />

Was ist ein Pol der Unzugänglichkeit ?<br />

Es handelt sich um den küstenentferntesten Punkt im Nordpolarmeer<br />

respektive auf dem antarktischen Festland.<br />

Wie viele dieser Pole fehlen Ihnen noch?<br />

An fünf dieser Pole war ich schon. Noch nicht geschafft habe ich<br />

die beiden geomagnetischen Pole sowie den magnetischen Südpol.<br />

Meine letzten beiden Expeditionen hätten mich eigentlich zum<br />

geomagnetischen Nordpol führen sollen. Das ist ein sehr schwieriges<br />

Unterfangen, weil man auf die logistische Unterstützung und<br />

Akzeptanz von Regierungen angewiesen ist. Dadurch dauerten die<br />

Vorbereitungen teilweise mehr als zwei Jahre. Und dann ist das<br />

Wetter schlecht oder sonst etwas geht schief, und wir fangen<br />

wieder bei null an. Doch wir geben nicht auf. <<br />

� bulletin verlost fünf Norden-Enzyklopädien!<br />

Der «Practical Dictionary of Siberia and the North»<br />

ist ein 1104 Seiten umfassendes und mit über<br />

500 Illustrationen angereichertes Nachschlagewerk<br />

über den arktischen Norden Russlands, das<br />

Frederik Paulsen in seinem eigens dafür gegründeten<br />

Verlag herausgegeben hat. Teilnahme an der<br />

Verlosung unter www.credit-suisse.com/bulletin.


Fotos: Chris Lee | Wolfgang Volz<br />

<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

Business / Sponsoring / Unternehmerische Verantwortung<br />

Americas/Asia Pacific<br />

New York Philharmonic:<br />

mit Alan Gilbert nach Japan<br />

Alan Gilbert wird der erste Music<br />

Director des New York Philharmonic<br />

sein, der in New York City geboren<br />

wurde. Mitte September tritt er sein<br />

Amt mit einer Weltpremiere von<br />

Magnus Lindberg an. Dass er den<br />

finnischen Komponisten, der beim<br />

Orchester als Composer in Residence<br />

wirkt, schätzen gelernt hat,<br />

überrascht nicht: Gilbert leitete acht<br />

Jahre lang die Königlichen Philharmoniker<br />

in Stockholm und ist mit<br />

der schwedischen Cellistin Kajsa<br />

William­Olsson verheiratet. Seine<br />

Mutter hingegen, die Violinistin<br />

Yoko Takebe, kam in Japan zur Welt.<br />

Dies ist mit ein Grund, weshalb<br />

die nächste Tournee am 8. Oktober<br />

in Japan beginnt. Zudem wird in<br />

Tokio ein Konzert mit Werken aus<br />

dem amerikanisch­japanischen<br />

Bildungsprojekt «Very Young Composers»<br />

aufgeführt. Dabei haben<br />

Kinder mit beschränktem musikalischem<br />

Hintergrund für das New<br />

York Philharmonic Performance­<br />

Werke komponiert.<br />

Schweiz<br />

Mandatsträgertreffen<br />

«Wir stehen zum politischen Milizsystem<br />

der Schweiz und sind stolz<br />

darauf, dass rund 300 Mitarbeitende<br />

ein politisches Nebenamt auf<br />

Kommunal­ oder Kantonsebene ausüben»,<br />

betont Hans­Ulrich Doerig,<br />

Präsident des Verwaltungsrats<br />

der <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong>. Die Bank unterstützt<br />

sie mit grosszügigen Arbeits­<br />

zeitregelungen, aber auch mit<br />

Mandatsträgertreffen, die dem Erfahrungsaustausch<br />

und der Weiterbildung<br />

dienen. Rund 100 Mandatsträger<br />

nutzten kürzlich die Gelegenheit,<br />

einer Podiumsdiskussion<br />

beizuwohnen zum Thema «Wirtschaftskrise<br />

– mit welchen Instrumenten<br />

soll ihr begegnet werden?»,<br />

bestritten von Ständeratspräsident<br />

Alain Berset sowie den Nationalräten<br />

Brigitte Häberli­Koller und<br />

Ruedi Noser. Danach wurden sie<br />

durch Workshops wie «Krisenmanagement<br />

auf Kommunalebene»<br />

oder «Work­Life­Balance: zwischen<br />

Beruf, Politik und Familie» selber<br />

gefordert und damit gefördert.<br />

<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

Karl Landert neu Mitglied<br />

der Geschäftsleitung<br />

Um der grossen Bedeutung der<br />

IT Rechnung zu tragen, wurde Chief<br />

Information Officer Karl Landert<br />

Ende Juni zum Mitglied der Geschäftsleitung<br />

ernannt. Gleichzeitig<br />

ist die Ernennung eine Anerkennung<br />

für die hervorragenden Leistungen,<br />

die Karl Landert und über<br />

10 000 Informatikexperten weltweit<br />

für die Bank erbracht haben.<br />

Europe, Middle East and Africa<br />

Erweiterte Präsenz in Katar<br />

Die <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> ist seit vier Jahrzehnten<br />

im Nahen Osten tätig<br />

und unterhält derzeit Büros in Abu<br />

Dhabi, Beirut, Doha, Dubai, Kairo,<br />

Manama und Riad. In Katar konn­<br />

te die <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> Financial Ser­<br />

vices (Qatar) LLC die Tätigkeit<br />

2006 im Qatar Financial Centre in<br />

Doha aufnehmen. Dort kümmert<br />

man sich seither mit Erfolg um die<br />

Bedürfnisse vermögender Privatpersonen<br />

(HNWI) und institutioneller<br />

Kunden. Seit diesem Sommer<br />

wird unter der Leitung von<br />

Aladdin Hangari die ganze Palette<br />

an integrierten Banklösungen angeboten,<br />

also auch Investment­<br />

Banking­ und Asset­Management­<br />

Dienstleistungen.<br />

Asia Pacific<br />

Nun auch in Japan Private-<br />

Banking-Dienstleistungen<br />

Seit bald 40 Jahren ist die <strong>Credit</strong><br />

<strong>Suisse</strong> in Japan im Investment<br />

Banking und Asset Management<br />

tätig. Seit Mitte Mai ist sie in der<br />

zweitgrössten Volkswirtschaft der<br />

Welt nun auch im Private Banking<br />

aktiv. «Es gibt in Japan 5000 bis<br />

10 000 Haushalte mit Finanzanlagen<br />

im Wert von mehr als 10 Millionen<br />

US­Dollar », erklärt Paul Kuo,<br />

CEO Japan. «Im Prinzip brauchen<br />

diese Anleger genau die führenden,<br />

massgeschneiderten Finanzlösungen,<br />

die eine integrierte Bank<br />

mit umfassendem Know­how in<br />

den Bereichen Private Banking und<br />

Investment Banking bieten kann.»<br />

Schweiz/Americas<br />

<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> 2<br />

Auch Junya Tani, Leiter Private<br />

Banking Japan, zeigt sich hinsichtlich<br />

der Wachstumschancen zuversichtlich.<br />

Der lokale Finanzexperte<br />

ist überzeugt, seinen Kunden<br />

mehr als die anderen in Japan tätigen<br />

Finanzinstitute bieten zu können.<br />

Schweiz<br />

Mit dem Fahrrad zur Arbeit<br />

2008 nahmen in der Schweiz<br />

rund 45 000 Personen aus 875<br />

Unternehmen an der sommerlichen<br />

Aktion «bike to work» teil. Allein<br />

die <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> Mitarbeitenden<br />

legten 145 000 Kilometer zurück.<br />

Das Projekt wird 20<strong>09</strong> fortge­<br />

setzt – bei Redaktionsschluss wurde<br />

immer noch munter geradelt.<br />

Over the River – noch drei Jahre bis zur Realisation<br />

Mit farbigen, detailgetreuen<br />

Skizzen veranschaulichen<br />

Christo<br />

und Jeanne-Claude<br />

ihre Projekte schon<br />

Jahre im Voraus.<br />

Hier ein Blick auf den<br />

Arkansas River.<br />

Seit 2005 begleitet die <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> das Künstlerehepaar Christo und<br />

Jeanne­Claude, indem sie Dokumentationsausstellungen unterstützt – so<br />

zuletzt in der Fondation de l’Hermitage in Lausanne. In «Over the River –<br />

Project for the Arkansas River, State of Colorado» konnte der Werdegang<br />

der Vision aus dem Jahre 1992 mitverfolgt werden. So entsteht Vorfreude<br />

auf die für Sommer 2012 geplante Umsetzung. www.overtheriverinfo.com<br />

<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 3/<strong>09</strong>


30 <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

«Die Krise hat deutlich gezeigt:<br />

Die Nähe zum Kunden ist entscheidend»<br />

Hans­Ulrich Meister schaut zurück auf sein erstes, «intensives» Jahr bei der<br />

<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> als CEO Schweiz und erklärt die Vorteile für den Kunden bei der<br />

Neuausrichtung des Privatkundengeschäfts.<br />

bulletin: Sie haben am 1. September 2008<br />

Ihre Arbeit als neuer CEO Schweiz bei<br />

der <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> angefangen, kurz vor<br />

der grössten Krise der Finanzbranche<br />

seit 1 2 . Gutes oder schlechtes Timing,<br />

um eine solche Position anzutreten?<br />

Hans­Ulrich Meister: Fest steht, ich hatte<br />

alles andere als einen sanften Einstieg.<br />

Das war für mich aber kein so grosses<br />

Problem, weil ich eine breite Erfahrung im<br />

Bankgeschäft mitbrachte. Auch lernt man<br />

in schwierigen und damit intensiven Zeiten<br />

die Mitarbeiter und die Organisation sehr<br />

schnell gut kennen. Insofern hatte der<br />

Druck, unter dem ich stand, auch seine<br />

positiven Seiten.<br />

Was war für Sie rückblickend auf das<br />

v ergangene Jahr die grösste Genugtuung?<br />

Einerseits war es die Tatsache, dass wir<br />

rasch und aus eigener Kraft die Probleme<br />

lösen konnten. In der kritischen Phase im<br />

Oktober verstärkten wir mit Hilfe privater<br />

Investoren unsere Kapitalbasis massiv.<br />

Im Investment Banking reduzierten wir zur<br />

gleichen Zeit die Risiken und setzten ein<br />

Geschäftsmodell um, das stärker auf die<br />

Kunden ausgerichtet ist und entsprechend<br />

weniger Kapital und Risiken benötigt.<br />

Andererseits hat mich als Schweiz­Chef<br />

besonders gefreut, dass uns die Schweizer<br />

Kunden in der Krise die Treue gehalten<br />

haben. So hat die <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> im vergangenen<br />

Jahr nicht etwa nur im Ausland,<br />

sondern auch in der Schweiz einen Neugeldzufluss<br />

verzeichnet.<br />

Wie wichtig ist die Schweiz für die<br />

<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong>?<br />

Die Schweiz ist unser Heimmarkt und das<br />

Rückgrat unseres Geschäftes. Von welt­<br />

bulletin 3/<strong>09</strong> <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

weit 47 000 Mitarbeitenden sind 21 000 in<br />

der Schweiz tätig. Ein Grossteil unserer<br />

Kunden ist in der Schweiz. Und wir betrei­<br />

ben wichtige Bereiche unseres weltweiten<br />

Geschäfts von hier aus. Das benötigt die<br />

«Unser internationales<br />

Geschäft hat einen sehr<br />

direkten Nutzen für<br />

Schweizer Unternehmen<br />

und den Finanzplatz.»<br />

entsprechende Expertise und Infrastruktur.<br />

Von grosser Bedeutung für uns ist auch<br />

das Umfeld in der Schweiz. Damit meine<br />

ich insbesondere die politischen Entscheidungsträger<br />

und Aufsichtsbehörden.<br />

Gerade in der momentanen Situation ist<br />

es für uns deshalb wichtig, ein Verständnis<br />

dafür zu schaffen, welche Bedeutung<br />

international tätige Banken für unsere<br />

Volkswirtschaft und den Finanzplatz haben<br />

und welchen wichtigen Beitrag sie leisten.<br />

Gerade die vergangenen 18 Monate<br />

haben gezeigt, dass das internationale<br />

Geschäft neben Wachstumspotenzial<br />

auch Risiken birgt.<br />

Unser internationales Geschäft hat einen<br />

sehr direkten Nutzen für Schweizer Unternehmen<br />

und den Finanzplatz. Mehr als<br />

50 Prozent des Schweizer Bruttoinlandsproduktes<br />

wird mit dem Export generiert.<br />

Unsere internationalen Unternehmen beschäftigen<br />

rund 2,5 Millionen Arbeitnehmer<br />

im Ausland. All diese Firmen müssen bei<br />

ihren Auslandgeschäften begleitet werden.<br />

Sie sind angewiesen auf einen reibungslosen<br />

internationalen Zahlungsverkehr,<br />

auf Exportfinanzierungen und auf Finanzierungen<br />

via Kapitalmarkt. Als global<br />

ausgerichtete Volkswirtschaft und führender<br />

Finanzplatz braucht die Schweiz<br />

Banken mit einem international aufgestellten<br />

Investment Banking. Die Lücke,<br />

die das Wegfallen der beiden international<br />

ausgerichteten Grossbanken hinterlassen<br />

würde, könnte nicht so einfach durch<br />

ausländische Institute gefüllt werden.<br />

Die aktuelle Krise hat gezeigt, dass sich<br />

die ausländischen Grossbanken im Krisenfall<br />

sehr schnell auf ihre Heimmärkte<br />

zurückziehen.<br />

Was können Sie tun, um die Akzeptanz<br />

der Grossbanken zu verbessern?<br />

Indem wir unsere Anliegen verstärkt<br />

einer breiten Öffentlichkeit erklären und<br />

Verständnis für die volkswirtschaftliche<br />

Bedeutung der international tätigen Banken<br />

schaffen. Wir müssen wieder engere<br />

Kontakte pflegen mit Behörden, Politikern<br />

und der breiten Öffentlichkeit – etwas,<br />

das wir in der Phase des starken globalen<br />

Wirtschaftswachstums vernachlässigt<br />

haben. Es gibt bei uns sehr viel Erklärungsbedarf.<br />

Unsere Industrie ist für Nichtbanker<br />

– und auch für so manchen Banker –<br />

sehr komplex. Kaum jemand weiss zudem,<br />

dass die <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> in der Schweiz<br />

jedes Jahr Waren und Dienstleistungen<br />

im Wert von 2,3 Milliarden Franken einkauft<br />

– zu einem grossen Teil bei KMU.<br />

Oder auch unser Beitrag an die Bildung in<br />

diesem Land. Damit meine ich nicht nur<br />

unsere über 1200 Lehrlinge, Praktikanten<br />

und Hochschulabsolventen. Viele Mitar­<br />

Foto: Rainer Wolfsberger


«Im vergangenen Jahr und auch im ersten Quartal 20<strong>09</strong> haben wir das Kreditvolumen in der Schweiz<br />

sogar leicht erhöht », sagt Hans­Ulrich Meister, CEO Schweiz.<br />

Zur Person<br />

Hans-Ulrich Meister übernahm am 1. September 2008 als CEO Schweiz<br />

und Mitglied des <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> Executive Board die Leitung des Private &<br />

Business Banking Switzerland. Zuvor war er über 20 Jahre lang bei der<br />

UBS tätig, wo er als Mitglied des Group Managing Board ebenfalls im<br />

Privat­ und Firmenkundengeschäft leitende Funktionen innehatte. Zusätzlich<br />

zu seinem Abschluss an der Höheren Wirtschafts­ und Verwaltungsschule<br />

Zürich absolvierte Meister Advanced­Management­Programme an<br />

der Wharton School und der Harvard Business School. Der 50­jährige<br />

Meister ist verheiratet und Vater von drei Teenagern. Nachdem er 20 Jahre<br />

lang aktiv Handball gespielt hat, beschränkt sich sein sportlicher Ausgleich<br />

heute auf Tennis und Skifahren mit der Familie. Musik geniesst ebenfalls<br />

einen hohen Stellenwert: Meister spielt Akkordeon und Klavier und hat<br />

jahrelang als Dirigent einen Musikverein geleitet.<br />

<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> 31<br />

beiter von kleineren Bankinstituten haben<br />

ihre Erfahrungen bei ausländischen Niederlassungen<br />

der Grossbanken gesammelt.<br />

Wir werden als internationales Grossunternehmen<br />

kaum je die Verankerung in der<br />

Bevölkerung erreichen, wie das kleinere<br />

Unternehmen tun. Was wir aber erreichen<br />

können, ist die Anerkennung, dass die<br />

<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> kompetent ist, dass die Qualität<br />

bei den Produkten und den Serviceleistungen<br />

top ist und dass wir einen<br />

bedeutenden Beitrag zu Wirtschaft und<br />

Gesellschaft leisten.<br />

«Die <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> kauft<br />

in der Schweiz jedes Jahr<br />

Waren und Dienstleistungen<br />

im Wert von 2,3 Milliarden<br />

Franken ein.»<br />

Den Grossbanken wird auch vorgeworfen,<br />

dass sie mit verschärften<br />

Risikokriterien den KMU den Geldhahn<br />

zudrehen. Wie stellen Sie sich diesem<br />

Vorwurf?<br />

Da gilt es ein paar Dinge richtigzustellen.<br />

Heute stammen 55 Prozent aller ungesicherten<br />

Kredite für KMU von den beiden<br />

Grossbanken. Auch haben wir bei der<br />

<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> die Standards zur Kreditvergabe<br />

nicht geändert. Deshalb kann man<br />

nicht von einem Kreditcrunch sprechen.<br />

Bei der Abklärung einer Kreditvergabe<br />

gibt es drei wichtige Kriterien. Als erstes<br />

werden alle wichtigen Eckdaten des Unternehmens<br />

wie Ertrag, Gewinn, Verlust oder<br />

auch künftige Budgets angeschaut.<br />

Daneben gibt es eine Beurteilung des<br />

Managements und dessen Abhängigkeiten.<br />

Und als dritter Punkt wird das Marktumfeld<br />

analysiert. Wenn sich nun zum Beispiel die<br />

Ertragszahlen verschlechtern, führt dies<br />

zu einer Neueinschätzung der Risiken und<br />

damit unweigerlich zu intensiveren Verhandlungen<br />

…<br />

… und vermutlich auch zu einem<br />

kleineren Kreditvolumen.<br />

Bis heute ist das nicht der Fall. 2008<br />

und auch im ersten Quartal 20<strong>09</strong> haben<br />

wir das Kreditvolumen sogar leicht erhöht.<br />

Das Firmenkundengeschäft ist von entscheidender<br />

Bedeutung für den Erfolg der<br />

integrierten Bank. Fühlt sich ein Unternehmer<br />

bei uns schlecht behandelt, dann<br />

werden Sie ihn kaum als Privatkunden ><br />

<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 3/<strong>09</strong>


32 <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

gewinnen können. Aber der Fakt bleibt:<br />

Wir befinden uns in einer Rezession.<br />

Vielen Firmen geht es schlechter. Da gibt<br />

es schwierige Situationen bis hin zu Konkursen,<br />

wodurch für uns das Risiko von<br />

Verlusten steigt. Entsprechend müssen<br />

wir als Bank ab und zu Nein sagen.<br />

Zurzeit läuft in der Schweiz eine<br />

Neuausrichtung des Privatkundengeschäfts.<br />

Wo liegt da konkret die Verbesserung<br />

für den Kunden?<br />

Die Krise der vergangenen 18 Monate<br />

hat deutlich gezeigt: Die Nähe zum<br />

Kunden ist entscheidend. In der Schweiz<br />

haben wir eine grosse Zahl von wohlhabenden<br />

Kunden mit einem Vermögen<br />

von bis zu einer Million Franken. Bislang<br />

wurden diese Kunden nur in einem<br />

Drittel unseres Filialnetzes betreut. Um<br />

in Zukunft erfolgreich zu sein, müssen<br />

wir unsere Expertise flächendeckend in<br />

allen Filialen anbieten und wieder<br />

«Um in Zukunft erfolgreich<br />

zu sein, müssen wir<br />

unsere Expertise flächendeckend<br />

in allen Filialen<br />

anbieten und wieder unmittelbar<br />

vor Ort.»<br />

unmittelbar vor Ort sein. Kein Wunder,<br />

werben unsere Konkurrenten mit Slogans<br />

wie «Wir sind nahe beim Kunden» und<br />

dergleichen. Dann gibt es ein weiteres<br />

Segment von sehr vermögenden Kunden,<br />

die alle Dienstleistungen einer integrierten<br />

Bank beanspruchen. Hier werden wir<br />

die Beratungsqualität erhöhen. Dies<br />

erreichen wir, indem diese Kunden aus<br />

ausgewählten Standorten betreut werden,<br />

an denen wir ihnen qualifizierte Berater<br />

und Spezialisten, unsere globale Expertise<br />

mit den entsprechenden Ressourcen<br />

und der nötigen Infrastruktur zur Verfügung<br />

stellen. Unsere Konkurrenten sind<br />

dabei nicht die regional verankerten<br />

Kantonalbanken und Raiffeisen-Kassen,<br />

sondern die reinen Privatbanken. Diese<br />

neue Ausrichtung ist eine Wachstumsinitiative,<br />

mit dem Ziel, unseren Kunden<br />

entsprechend ihren Bedürfnissen einen<br />

noch besseren Service bieten zu können<br />

und dadurch Marktanteile zu gewinnen.<br />

Daniel Huber<br />

bulletin 3/<strong>09</strong> <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

“The world’s best<br />

banks. A short list:<br />

[…] That leaves<br />

<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> and<br />

JPMorgan to take<br />

the grand prizes.<br />

<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> has<br />

had its share of<br />

mishaps during<br />

the crises, but it<br />

was quick to scale<br />

down its balance<br />

sheet, had plotted<br />

a credible strategy<br />

for its investment<br />

bank and<br />

pulled well ahead<br />

of UBS, its main<br />

rival in wealth<br />

management.”<br />

May 21, 200 ,<br />

www.economist.com<br />

Best of Corporate Publishing<br />

Zweimal Silber für bulletin<br />

Der Branchenverband Forum Corporate<br />

Publishing zeichnet jeweils die<br />

besten von über 600 eingereichten<br />

Publikationen aus. Beim Jahreskongress<br />

in Berlin holten sich Ende Juni<br />

gleich alle vier teilnehmenden Magazine<br />

der <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> Spitzenränge.<br />

Das bulletin, die älteste regelmässig<br />

erscheinende Bankpublikation der<br />

Welt, erhielt zweimal Silber: in der<br />

Kategorie «Business to Clients Finanzen<br />

und Versicherungen» sowie, besonders<br />

wertvoll, als Sonderpreis der<br />

Kategorie «Internationale Kommunikation».<br />

Der Global Investor, wie<br />

das bulletin von Arnold. Inhalt und<br />

Form, Stäfa, designt, erhielt genauso<br />

Silber wie das Kundenmagazin<br />

Bonviva. Das Mitarbeitermagazin<br />

one wurde für seine insgesamt dritte<br />

Goldmedaille in die «Hall of Fame»<br />

aufgenommen.<br />

Handbuch von Hans­Ulrich Doerig<br />

«Strive for Credibility»<br />

Im kompetitiven Umfeld der Zukunft<br />

werden sich Menschen und Organisationen<br />

ständig beweisen müssen.<br />

Dies in Bezug auf Vision, Mission<br />

und Strategie, auf Wissen, Expertise,<br />

Fähigkeiten und Werte. Auf dem<br />

Prüfstand stehen zudem Innovationsfähigkeit,<br />

Marktposition, operative<br />

Geschäftsführung, geschickter<br />

Umgang mit Erwartungen verschiedenster<br />

Anspruchsgruppen und der<br />

Medien. Ein zentraler Begriff ist dabei<br />

die Glaubwürdigkeit. «Menschen<br />

mit entsprechenden Fähigkeiten,<br />

einem klaren Ziel vor Augen sowie<br />

dem Streben nach Glaubwürdigkeit<br />

und Spitzenleistungen werden für<br />

sich selbst und für ihre Unternehmen<br />

erfolgreich sein», ist Hans­Ulrich<br />

Doerig, Verwaltungsratspräsident<br />

der <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong>, überzeugt. Sein<br />

Handbuch «Strive for Credibility» be­<br />

Anzeige<br />

Erfahrungsschatz aus einem<br />

40-jährigen Berufsleben.<br />

ruht auf persönlichen Erfahrungen<br />

aus über 40 Jahren Berufsleben und<br />

unzähligen Besprechungen. Es ist<br />

klar gegliedert in die Themen «Menschen»,<br />

«Governance», «Risiken» und<br />

«besondere Herausforderungen» mit<br />

jeweils 12 Kapiteln und 12 Unterkapiteln<br />

und besticht durch rund<br />

1900 reelle Beispiele.<br />

Nachwuchsförderung<br />

Zürich wird zur Filmstadt<br />

Das 5. Zurich Film Festival findet<br />

vom 24. September bis 4. Oktober<br />

statt. Die Festivalleitung mit Karl<br />

Spoerri und Nadja Schildknecht hat<br />

das Programm nochmals ausgebaut.<br />

Verliehen werden fünf Preise in Form<br />

des «Goldenen Auges» sowie Geld<br />

und Promotionsförderung im Wert von<br />

jeweils 200 000 Schweizer Franken:<br />

Bester Internationaler Spielfilm, Bester<br />

Deutschsprachiger Spielfilm,<br />

Bester Internationaler Dokumentarfilm,<br />

Publikumspreis und Variety<br />

Award. Im Wettbewerb werden über<br />

30 Erst­, Zweit­ oder Drittlingswerke<br />

gezeigt. Daneben werden zwei Lebenswerke<br />

gewürdigt: Ein Filmemacher<br />

erhält den «A Tribute to»­Award,<br />

2008 war dies Costa­Gavras als<br />

Nachfolger von Oliver Stone und<br />

Stephen Frears. Für die schauspielerische<br />

Leistung gibt es den «Golden<br />

Icon» – 2008 für Sylvester Stallone.<br />

Daneben sorgen Sonderreihen wie<br />

«Neue Welt Sicht» oder Out­of­Competition­Premieren,<br />

aber auch der<br />

Digitalfilmwettbewerb Onedotzero<br />

und die Zurich Master Class für beste<br />

Festivalstimmung.<br />

www.zurichfilmfestival.org


Fotos: Gaetan Bally, Keystone | Jean­Marc Mähr<br />

Im Hohen Norden<br />

erfolgreich<br />

Der Schweizer Fussballnachwuchs<br />

sorgt für Furore.<br />

Die U1 schied an der<br />

Europameisterschaft erst<br />

im Halbfinal gegen Holland<br />

aus und qualifizierte sich<br />

für die Weltmeisterschaft<br />

im Oktober in Nigeria. Die<br />

U19 qualifizierte sich ebenfalls<br />

für die Endrunde – und<br />

dies sowohl bei den Männern<br />

wie bei den Frauen.<br />

Die Fortschritte des<br />

Frauenfussballs erkennt<br />

man auch daran, dass<br />

gegenwärtig gleich sechs<br />

Spielerinnen im Ausland<br />

unter Vertrag stehen: Marisa<br />

Brunner und Martina Moser<br />

(SC Freiburg), Vanessa<br />

Bürki (Bayern München)<br />

sowie, bei Top-5-Teams,<br />

Lara Dickenmann (Olympique<br />

Lyonnais), Gaëlle<br />

Thalmann (Turbine Potsdam)<br />

und Ramona Bachmann<br />

(im Bild) bei Umea<br />

IK in Schweden. Bachmann<br />

spielt dort bereits in der<br />

dritten Saison mit Marta,<br />

der besten Fussballerin<br />

der Welt, zusammen. Von<br />

der Leistungsexplosion<br />

der Innerschweizerin profitieren<br />

derzeit die U1 - und<br />

vor allem die A-Nationalmannschaft.<br />

Letztere will<br />

sich unter Beatrice von<br />

Siebenthal gegen Irland,<br />

Russland, Israel und Kasachstan<br />

durchsetzen und<br />

sich für die WM 2011 in<br />

<strong>Deutschland</strong> qualifizieren.<br />

www.ramonabachmann.ch<br />

Partnerschaften mit Swiss Export und dem Swiss Venture Club (SVC)<br />

Der Export ist der Lebensnerv der Schweiz<br />

Der Swiss Export Tag im Mai bildet jeweils einen Höhepunkt in der Agenda<br />

der Exporteure. Neben interessanten Referaten von Gerard van Kesteren,<br />

Kühne + Nagel, Werner Bloch, Man Turbo AG Schweiz, Patrick Hofer­Noser,<br />

Swiss Solar Systems AG, dem Drittplatzierten des SVC­Unternehmerpreises<br />

Espace Mittelland (siehe Seite 37), ETH­Professor Lino Guzzella, Stadtpräsident<br />

Elmar Ledergerber sowie des Lichtkünstlers Gerry Hofstetter<br />

(Seite 14) standen vor allem die Ausführungen des nordischen «Popstars»<br />

unter den Ökonomen, Kjell A. Nordström, im Zentrum des Interesses<br />

(Seite 38). Im Juni beteiligte sich Swiss Export zudem an der Fachveranstaltung<br />

«Chancen und Herausforderungen der chinesischen Binnenwirtschaft»<br />

mit Urs Buchmann, Head Corporate Banking, <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> Beijing, im<br />

Rahmen der SVC­Bildungsreihe. Beachtenswert für Exporteure ist auch der<br />

Beitrag «Schweizer Exportwirtschaft im Zeichen der Krise» (Seite 56).<br />

www.swiss-export.ch; www.swiss-venture-club.ch<br />

Lob für In Focus<br />

«Stocks» beurteilt Online-<br />

Auftritte der Topunternehmen<br />

«Stocks», das führende Anleger­Magazin<br />

der Schweiz, untersuchte die<br />

Internetauftritte der 30 Topunternehmen<br />

des Landes aus Sicht des<br />

Aktionärs nach den Kategorien «Inhalt<br />

und Aktualität », «Design und<br />

Navigation», «Multimedia» sowie «Interaktion».<br />

Im Artikel «Riesige Kluft<br />

zwischen Kür und Pflicht» stellte die<br />

Fachpublikation erhebliche Unterschiede<br />

fest. Als Sieger ging die<br />

<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> hervor. «Die Grossbank<br />

zeigt in den meisten Kategorien<br />

eine starke Leistung.» Gelobt wird<br />

nicht nur die Informationsdichte,<br />

sondern vor allem auch die Übersichtlichkeit<br />

und die Benutzerfreundlichkeit.<br />

«Schliesslich glänzt », so<br />

«Stocks», «die <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> auch in<br />

der Kategorie ‹Multimedia›. Die Bank<br />

betreibt quasi ein eigenes TV­Studio<br />

– in der Rubrik ‹In Focus› erhält<br />

der Internetnutzer am Web­TV Investitions­Tipps;<br />

dieser Dienst ist auch<br />

über Podcast, so zum Beispiel auf<br />

iTunes von Apple, verfügbar. Diverse<br />

Kundenzeitschriften sind kostenlos<br />

online zugänglich.»<br />

www.credit-suisse.com/infocus;<br />

www.stocks.ch<br />

Business­Vorschauen<br />

China und Vietnam: Informationen<br />

aus erster Hand<br />

Die traditionelle KMU­Asienreise der<br />

<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> führt diesmal vom 4. bis<br />

15. November nach Vietnam (Ho Chi<br />

Minh City und Hanoi) sowie China<br />

Anzeige<br />

<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> 33<br />

(Beijing, Schanghai, Suzhou, Guangzhou<br />

sowie Hongkong). Zusammen<br />

mit der Osec konnte wiederum ein<br />

vielfältiges Programm zusammengestellt<br />

werden, das den Teilnehmern<br />

erlaubt, sich ein Bild über die Marktchancen<br />

in Asien sowie über die<br />

Herausforderungen des konkreten<br />

Markteintritts zu machen und auch<br />

schon erste Kontakte zu knüpfen.<br />

Mit Unterstützung der <strong>Credit</strong><br />

<strong>Suisse</strong> führt Connect China, eine<br />

Plattform für Wissens­ und Erfahrungsaustausch<br />

zwischen der<br />

Schweiz und China, am 10. September<br />

in Zürich die Fachtagung<br />

«Wie Chinesen denken – Opportunities<br />

in Zeiten der Krise» durch, an der<br />

unter anderem die beiden deutschen<br />

Chinaexperten Harro von Senger<br />

und Frank Sieren teilnehmen.<br />

www.credit-suisse.com/kmu/<br />

chinareise; www.connect-china.ch<br />

Ausdruck hoher Kundenzufriedenheit<br />

Best Global Custodian 200<br />

Die Londoner Firma R&M Consultants<br />

ermittelt jährlich in einer Umfrage<br />

zur Kundenzufriedenheit den<br />

besten Global Custodian, wobei<br />

rund 800 Institute 40 verschiedene<br />

Kriterien beurteilen. Global Custodian<br />

Solutions der <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong>,<br />

geleitet von Patrik Frieden, wurde<br />

wie schon 2008 Gesamtsieger und<br />

schwang auch in drei Kategorien,<br />

darunter «Portfoliomanager », obenaus.<br />

Sie betreut Pensionskassen,<br />

Vorsorgeeinrichtungen, Versicherungen,<br />

Stiftungen und Institutionen<br />

der öffentlichen Hand. Global Custody<br />

ist ein komplettes Dienstleistungspaket<br />

zur zentralen Bewirtschaftung<br />

grosser, weltweit ausgelegter<br />

Wertschriftenportefeuilles,<br />

einschliesslich eines individuellen<br />

Reportings mit dem Ziel einer transparenten,<br />

übersichtlichen und effizienten<br />

Organisation der Wertschriftenbewirtschaftung.<br />

Texte: Andreas Schiendorfer<br />

Das Kompetenzzentrum<br />

der Schweizer Aussenwirtschaftsförderung.<br />

osec.ch<br />

<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 3/<strong>09</strong>


34 <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

In den Kunstmuseen<br />

ist die ganze Welt zu Hause<br />

Gerade im Sommer lohnt sich ein Streifzug durch die Museen,<br />

zum Beispiel in Lugano, Martigny oder Zug. Dies regt den Geist an<br />

und kühlt den Körper ab.<br />

Museo d’Arte, Lugano<br />

Yves Klein & Rotraut: Von der<br />

Leichtigkeit und Kraft der Farbe<br />

Was wäre, wenn? Was wäre, wenn der französische<br />

Maler, Bildhauer und Performancekünstler<br />

Yves Klein nicht bereits ein knappes<br />

halbes Jahr nach seiner Heirat mit Rotraut<br />

Uecker einem Herzinfarkt erlegen wäre?<br />

Wer sich das Werk des Mitbegründers des<br />

Nouveau Réalisme vergegenwärtigt – die in<br />

Zusammenarbeit mit der Galerie Gmurzynska<br />

und den Yves Klein Archives entstandene<br />

Ausstellung in Lugano bietet eine farbenprächtige<br />

Gelegenheit dazu –, kann jedenfalls<br />

kaum glauben, dass der Avantgardist<br />

und Vorläufer der Popart im Alter von nur<br />

34 Jahren verstorben ist, nach lediglich achtjähriger<br />

Schaffenszeit. Bekannt geworden ist<br />

Klein vor allem mit seinen monochromen<br />

Bildkompositionen. Aufsehen erregte er<br />

aber beispielsweise auch dadurch, dass<br />

er während einer Performance mit blauer<br />

Farbe bemalte Modelle sich auf Papier wälzen<br />

liess, während ein Orchester seine «Monotone<br />

Symphonie» spielte, die nur aus einem<br />

einzigen Klang besteht. Nachhaltig ist die<br />

Kraft seiner Farben. Sein spezielles, leicht<br />

rotstichiges Ultramarinblau, das er als International<br />

Klein Blue patentieren liess, übt<br />

ei2ne unwiderstehliche Sogwirkung auf den<br />

Betrachter aus, der förmlich ins Bild hineingezogen<br />

wird.<br />

Auch Rotraut liebt die Farben. Mehr noch<br />

als in den Bildern fällt dies bei ihren Skulpturen<br />

auf, von denen 22 vorübergehend den<br />

öffentlichen Raum Luganos beleben. Obwohl<br />

diese aus Eisen, Aluminium oder Bronze sind,<br />

bulletin 3/<strong>09</strong> <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

bestechen sie durch ihre Leichtigkeit. Sie<br />

tanzen gleichsam durch die Stadt und verführen<br />

den Ausstellungsbesucher zu einem<br />

kulturellen Rundgang. Dem breiten Publikum<br />

wird klar, was Fachleute längst wissen:<br />

R otraut ist weit mehr als die Schwester von<br />

Günther Uecker, die Witwe von Yves Klein<br />

oder die Gattin von Daniel Moquay, sie ist<br />

eine eigenständige Künstlerin, die Beachtung<br />

verdient.<br />

In Lugano werden die Werke von Yves<br />

Klein und Rotraut erstmals gemeinsam ausgestellt<br />

– ein zusätzlicher, einmaliger Reiz.<br />

Yves Klein & Rotraut. Museo d’Arte, Lugano,<br />

bis 13. September. Nächste Ausstellung: Körper,<br />

Automation, Roboter, 25. 10. bis 21. 2. 2010.<br />

� www.mdam.ch<br />

Fondation Pierre Gianadda, Martigny<br />

Von Courbet bis Picasso: Das<br />

Beste aus dem Puschkin-Museum<br />

Die Fondation Pierre Gianadda verdankt ihren<br />

Ursprung einem tragischen Umstand: Kaum<br />

hatte der Bauunternehmer Léonard Gianadda<br />

in Martigny 1976 die Überreste eines<br />

galloromanischen Tempels entdeckt, verstarb<br />

sein Bruder Pierre. Ihm widmete er die Stiftung,<br />

die neben der permanenten Ausstellung<br />

auch für attraktive Wechselausstellungen<br />

besorgt ist.<br />

Hatte man 2004 bedeutende Werke aus<br />

der Philipps Collection, Washington, bewundern<br />

können, so 2006 solche des Metropolitan<br />

Museum of Art, New York. Nun<br />

also führt die Reise nach Moskau, ins Staatliche<br />

A. S. Puschkin­Museum für bildende<br />

Künste – und gleich wieder zurück, denn dieses<br />

Haus ist weniger auf russische oder slawische<br />

Kunst spezialisiert als vielmehr auf<br />

westeuropäische. Vielleicht erinnert man sich<br />

daran, dass das Puschkin­Museum bereits<br />

2005 einmal eine Ausstellung in Martigny<br />

realisierte; sie war ganz der französischen<br />

Malerei gewidmet. Die aktuelle Ausstellung<br />

«Von Courbet bis Picasso» behandelt den<br />

Zeitraum von der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts<br />

bis Ende des ersten Drittels des<br />

20. Jahrhunderts und damit verschiedenste<br />

Stilrichtungen. Sie beinhaltet attraktive Hauptwerke<br />

der europäischen Avantgarde, die von<br />

bedeutenden russischen Sammlerfamilien in<br />

Paris zusammengetragen worden sind.<br />

Von Courbet bis Picasso. Werke aus dem<br />

Puschkin-Museum, Moskau. Fondation Pierre<br />

Gianadda, Martigny, noch bis 22. November.<br />

� www.gianadda.ch<br />

Kunsthaus Zug<br />

Roman Signer: Retrospektive<br />

als Zeuge einer Freundschaft<br />

Dass das relativ<br />

kleine Kunstmuseum<br />

Zug immer wieder<br />

international von sich<br />

reden macht (weshalb<br />

eine Vergrösserung<br />

ins Auge gefasst<br />

wird), verdankt es nicht zuletzt dem Ehepaar<br />

Christine und Peter Kamm. Sie hatten unter<br />

anderem eine bedeutende Sammlung des mit<br />

ihnen befreundeten St. Galler Künstlers Roman<br />

Signer zusammengetragen. Nach der nun<br />

erfolgten Schenkung besitzt das Kunsthaus<br />

mit einem Schlag neben der Nationalgalerie<br />

Berlin und dem Kunstmuseum St. Gallen die<br />

wichtigste öffentliche Signer­Sammlung. Die<br />

sehenswerte Retrospektive «Werke 1975–<br />

2007» zeugt eindrücklich davon und ist gleichzeitig<br />

eine Hommage an den Anfang 2008<br />

verstorbenen Mäzen Peter Kamm.<br />

Am 16. August geht die Ausstellung «The<br />

Moving Museum» von Olafur Eliasson, einem<br />

der bedeutendsten nordischen Künstler der<br />

Gegenwart, zu Ende. Es ist dies sein sechstes<br />

in Zug realisiertes Projekt. Das siebte,<br />

die geplante Dokumentation über die bisherigen<br />

Projekte, lässt hoffentlich nicht allzu<br />

lange auf sich warten.<br />

Roman Signer, Werke 1 5 –200 , Schenkung<br />

Christine und Peter Kamm. Kunstmuseum Zug,<br />

30. August bis 22. November.<br />

�<br />

www.kunsthauszug.ch<br />

Texte: Andreas Schiendorfer<br />

Fotos : Rudolf Stein er, Kunsthaus Zug, Schenkung Christine und Peter Kamm | Les deux saltimbanques, 1901, 73 x 60 © The State Pushkin Museum of Fine Art, Moskau | Rotraut, ADAGP, Paris | Stephanie Pilick, Keystone | Tallandier, Keystone


1<br />

2 3<br />

<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> 35<br />

1 Das Kunstmuseum Zug besitzt eine bedeutende Sammlung des St. Galler Künstlers Roman Signer. Hier: «Piaggio auf Schanze», Chocholow/Polen, 2003.<br />

2 Die Fondation Gianadda zeigt Meisterwerke aus dem Besitz des Puschkin­Museums Moskau. Hier: Pablo Picasso, «Harlekin und Gesellin».<br />

3 In ganz Lugano verteilt findet man Skulpturen von Rotraut (Moquay­Klein). Hier: « Cro Magnon Plaza» (Privatbesitz).<br />

<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 3/<strong>09</strong>


36 <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

Oft ist Eigentum zu teuer<br />

Erfolgreiche Unternehmen wachsen mit der Zeit aus den bestehenden<br />

Infrastrukturen heraus. Bei der Planung von Neubauprojekten ist die optimale<br />

Finanzierung wichtig – zum Beispiel durch Immobilienleasing.<br />

Der firmeneigene Neubau, eine Immobilie,<br />

welche die nachhaltige Entwicklung eines<br />

Unternehmens garantieren kann und eine<br />

Finanzierung, die dem Kerngeschäft so wenig<br />

wie möglich liquide Mittel entzieht: Dies<br />

sind die Ziele eines jeden Unternehmens. Die<br />

meisten Kauf­ und Neubaufinanzierungen in<br />

der Schweiz werden mit einem Hypothekarkredit<br />

verwirklicht. Durch die Besicherung<br />

mittels Grundpfand wird relativ günstiges<br />

Fremdkapital gewährt. Ein erheblicher Nachteil<br />

für Unternehmen ist jedoch, dass ein<br />

Grossteil des benötigten Gesamtkapitals aus<br />

den Eigenmitteln beigesteuert werden muss.<br />

Neubau in Pratteln deckt Raumbedarf<br />

Diese Problematik war Marco Brandenberger<br />

bewusst, als er 2006 mit den anderen Geschäftsleitungsmitgliedern<br />

der Stella Brandenberger<br />

Transporte AG über einen möglichen<br />

Neubau diskutierte. Das prosperierende,<br />

im Transport und Warenumschlag von<br />

Überseegütern tätige Familienunternehmen<br />

hatte sich schrittweise in Gebäude an verschiedenen<br />

Standorten im Raum Basel eingemietet.<br />

Als einige dieser Lokalitäten einem<br />

Neubauprojekt weichen mussten, sah die<br />

Geschäftsleitung einen guten Zeitpunkt gekommen,<br />

um das gesamte Standortkonzept<br />

zu überdenken.<br />

Auf dem Gelände der Schweizer Rheinsalinen<br />

im Basler Vorort Pratteln standen zu<br />

bulletin 3/<strong>09</strong> <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

diesem Zeitpunkt gerade 11 000 Quadratmeter<br />

Bauland zum Verkauf ausgeschrieben.<br />

Das Gelände entspricht mit seiner zentralen<br />

L age, der guten Autobahnanbindung und der<br />

Nähe zu Bahn und Rheinhafen den Ansprüchen<br />

des Logistikbetriebes in idealer Weise.<br />

Mit ihrem Neubauprojekt wandte sich die<br />

Stella Brandenberger Transporte AG an ihre<br />

langjährige Hausbank. Die Geschäftsleitung<br />

wusste, dass die Kosten für das Grundstück<br />

und den geplanten Neubau mit gegen 16<br />

Millionen Schweizer Franken für eine Hypothekarfinanzierung<br />

deutlich zu hoch waren.<br />

«Die Hälfte der Kosten durch Eigenkapital<br />

abzudecken, wäre für eine Unternehmung<br />

unserer Grösse nicht realistisch gewesen»,<br />

zeigt sich Marco Brandenberger überzeugt.<br />

Im Gespräch suchte man denn auch nach<br />

alternativen Finanzierungsmöglichkeiten für<br />

das Projekt, so war auch Mezzanine Finance<br />

ein Thema. «Da erwähnte der Kundenberater<br />

der <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> das Immobilienleasing.»<br />

Ähnlich wie bei anderen Leasingarten<br />

stellt der Leasinggeber auch beim Immobilienleasing<br />

das gesamte benötigte Kapital zur<br />

Verfügung. Er bleibt juristischer Eigentümer<br />

am finanzierten Objekt, während der Leasingnehmer<br />

als Nutzer über die gesamte Vertragsdauer<br />

für den Unterhalt und die Instandhaltung<br />

des Objekts verantwortlich ist. Die<br />

einhundertprozentige Fremdfinanzierung<br />

führt jedoch beim Leasinggeber zu einem<br />

Immobilienleasing bietet auch für Projekte von international<br />

tätigen Schweizer Grossunternehmen eine sinnvolle<br />

Finanzierung. So realisiert das Pharma- und Biotechnologieunternehmen<br />

Solvias in Kaiseraugst einen Neubau mit<br />

einem Investitionsvolumen von 0 Millionen Franken. Bis<br />

Ende 2010 entstehen Büro- und Laborräumlichkeiten mit<br />

einer Nutzfläche von 16 500 Quadratmetern. Obwohl es sich<br />

hier um ein Gebäude mit einer eher spezifischen Nutzungsausrichtung<br />

handelt, konnte die Finanzierung übernommen<br />

werden; denn die Liegenschaft befindet sich an Toplage<br />

in einem Pharma- und Chemiecluster und zeichnet sich<br />

durch eine sehr flexible und nachhaltige Grundstruktur aus.<br />

erhöhten Risiko. «Immobilienleasing kommt<br />

nur für mittlere und grosse Unternehmen mit<br />

einer sehr soliden finanziellen Struktur in<br />

Betracht», erläutert Stefan Ehweiner, Leiter<br />

Immobilienleasing für die Region Deutschschweiz<br />

bei der <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong>.<br />

Beliebte Neubaufinanzierung<br />

Für eine Leasingfinanzierung eignen sich<br />

Büroobjekte, Gewerbe­ und Logistikobjekte<br />

wie Lagerhäuser oder Produktionsgebäude<br />

mit einem Investitionsvolumen von mindestens<br />

fünf Millionen Schweizer Franken. Entscheidend<br />

sei, so Ehweiner, dass sich die<br />

finanzierten Objekte an wirtschaftlich sehr<br />

interessanten Standorten befinden. «Was wir<br />

grundsätzlich nicht finanzieren, sind Wohnobjekte»,<br />

ergänzt Serge Bornick, der seit 2005<br />

das Immobilienleasing für die <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

schweizweit leitet.<br />

Die häufigste Variante im Immobilienleasing<br />

stellt das «build­and­lease» dar, die<br />

Finanzierung eines Neubaus. Der Leasinggeber<br />

erwirbt ein Grundstück, erstellt das<br />

Bauwerk nach den Bedürfnissen seines Kunden<br />

und verleast ihm die Liegenschaft anschliessend.<br />

Der Leasingnehmer, der während<br />

der Bauphase von der <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

intensiv begleitet wird, ist «delegierter Bauherr<br />

» und entscheidet letztlich, wie sein Gebäude<br />

auszusehen hat.<br />

Eine andere Möglichkeit bietet das «saleand­lease­back».<br />

Dabei verkauft der Leasingnehmer<br />

ein Objekt aus seinem Eigentum und<br />

least es anschliessend zurück. «Dies erlaubt<br />

es dem Unternehmen, die in der Immobilie<br />

gebundene eigene Liquidität freizusetzen<br />

und einer höheren Rentabilität zuzuführen»,<br />

so Bornick.<br />

Stabile langfristige Finanzierung<br />

Das Immobilienleasing ist mit Laufzeiten von<br />

15 bis 20 Jahren eine langfristige Finanzierung.<br />

«Aber es ist auch – und das wird sehr<br />

geschätzt – eine stabile und sehr gut planbare<br />

Finanzierung, die sich an der betrieblichen<br />

Nutzungsdauer der finanzierten Objekte orientiert<br />

», weiss Stefan Ehweiner. Dank der<br />

zu erwartenden Werthaltigkeit der Objekte<br />

wäre ein späterer Kauf meist relativ problemlos<br />

durch eine Hypothek finanzierbar.<br />

In Pratteln sind die Arbeiten am Neubau<br />

fast abgeschlossen. Marco Brandenberger<br />

ist begeistert: «Früher befanden sich unsere<br />

Verwaltungsräumlichkeiten in einem Keller,<br />

jetzt haben wir eine Panoramaaussicht auf<br />

den Rhein.» Teva Streich


Fotos: Gstaad Palace<br />

Preis für die viertwichtigste<br />

Exportbranche der Schweiz<br />

Das «Gstaad Palace», das seit 60 Jahren von der Familie Scherz geführte<br />

Fünf­Sterne­Hotel, gewann Ende März beim Unternehmerpreis Espace<br />

Mittelland des Swiss Venture Club (SVC) den zweiten Preis – ein Beweis<br />

des hohen Qualitätsbewusstseins der ganzen Branche.<br />

Der Tourismus ist ein Eckpfeiler der Schweizer<br />

Volkswirtschaft. Im Jahr 2008 setzten<br />

die ausländischen Gäste nicht weniger als<br />

15,6 Milliarden Schweizer Franken um und<br />

sorgten damit dafür, dass der Tourismus –<br />

praktisch auf Augenhöhe mit der Uhrenindustrie<br />

– die viertwichtigste Exportbranche<br />

der Schweiz ist. Alles in allem verdankt das<br />

Land dem Tourismus jeden zehnten Arbeitsplatz,<br />

rund 335 000 Vollzeitäquivalente, von<br />

denen allein 90 000 auf die Beherbergungsbetriebe<br />

entfallen. Deshalb ist der Zustand<br />

der Touristikunternehmen und insbesondere<br />

der Hotellerie gerade in den aktuell schwierigen<br />

Zeiten für die Schweiz von zukunftsweisender<br />

Bedeutung.<br />

Qualitätsbewusstsein hat zugenommen<br />

Während der boomenden 1990er­Jahre hat<br />

man der Schweizer Hotellerie – ob zu Recht<br />

oder zu Unrecht – eine gewisse Hochnäsigkeit<br />

nachgesagt, da die Gäste scheinbar<br />

automatisch und in wachsender Zahl in die<br />

Das 1913 erbaute «Gstaad Palace» wird als Familienunternehmen geführt.<br />

Schweiz strömten. Das hat sich spätestens<br />

seit der Baisse von 2001/2002 grundlegend<br />

geändert. Das Qualitätsbewusstsein lässt<br />

nun mit ganz seltenen Ausnahmen nichts<br />

mehr zu wünschen übrig, wobei sich Qualität<br />

nicht nur auf den Standard und die gebotenen<br />

Dienstleistungen bezieht, sondern auch<br />

auf die entscheidenden weichen Faktoren<br />

wie Gastfreundschaft.<br />

Fünfte Auszeichnung für die Branche<br />

Dies widerspiegelt sich auch in den regionalen<br />

Unternehmerpreisen des Swiss Venture<br />

Club. Zwar sind jeweils die Hightechunternehmen<br />

mit hoher Innovationskraft in der<br />

Mehrzahl, doch mittlerweile haben verschiedene<br />

Beherbergungsunternehmen den Sprung<br />

in den Final geschafft: das Hotel Hof Weissbad<br />

(2. Rang 2004), das Grandhotel Giessbach<br />

(4. Rang 2006), das Albergo Losone<br />

(3. Rang 2007) sowie das Gstaad Palace<br />

( 2. Rang 20<strong>09</strong>). Hinzu kommt die Reka<br />

R eisekasse (4. Rang 2008). Letztere zeigt,<br />

<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> 3<br />

dass Qualitätsbewusstsein und optimale<br />

Kundenorientiertheit nicht auf das oberste<br />

Preissegment beschränkt bleiben.<br />

In der Region Espace Mittelland ist der<br />

Unternehmerpreis des Swiss Venture Club besonders<br />

etabliert. Deshalb konnte Präsident<br />

Hans­Ulrich Müller Ende März nicht weniger<br />

als 2300 Gäste aus Wirtschaft, Politik und<br />

Kultur in der BEA­Halle begrüssen. Und obwohl<br />

der Preis bereits zum siebten Mal verliehen<br />

wurde, hatte die von Markus Leibundgut,<br />

McKinsey, präsidierte Jury überhaupt keine<br />

Probleme, sechs valable Kandidaten zu finden,<br />

sondern höchstens Mühe, innerhalb<br />

der Finalisten eine Gewichtung vorzunehmen.<br />

Eine 15­Millionen­Investition, die sich gelohnt hat:<br />

das neue Spa. Hier ein diskreter Private­Spa­Raum.<br />

Gewonnen hat schliesslich die Jakob AG aus<br />

Trubschachen, die Architekturdrahtseile in<br />

alle Welt liefert. Den dritten Platz holte sich<br />

die Lysser Solarfirma 3S Swiss Solar Systems<br />

AG. Den vierten Rang belegten Schwab­<br />

Guillod AG, Müntschemier, Stettler Saphire<br />

AG, Lyss, und Ziemer Group, Port.<br />

Familienführung als Erfolgsrezept<br />

Und dazwischen das «Gstaad Palace». «Wir<br />

sind eines der wenigen führenden Hotels,<br />

das sich noch im Besitz einer Unternehmerfamilie<br />

befindet», erklärt Andrea Scherz, der<br />

das Hotel seit zwölf Jahren führt. «Das ist<br />

unser Erfolgsrezept. Es gibt etliche Familien,<br />

die bereits in vierter Generation ins ‹Palace›<br />

kommen. Wir sind sozusagen miteinander<br />

aufgewachsen. Die emotionale Bindung unserer<br />

Stammgäste an unsere Familie und<br />

unser Hotel ist für uns überlebenswichtig.»<br />

In der Hauptsaison sorgen die Stammgäste<br />

für rund 80 Prozent der Belegung.<br />

Dass im «Gstaad Palace» viele Prominente<br />

ein­ und ausgehen – Roger Moore, Robbie<br />

Williams, Liz Taylor oder Margaret Thatcher ><br />

<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 3/<strong>09</strong>


38 <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

etwa –, ist kein Geheimnis. Bemerkenswert<br />

ist jedoch, dass sich diese Persönlichkeiten<br />

in Gstaad ganz natürlich und keineswegs<br />

unnahbar geben. Im Gegenzug schreibt die<br />

Bevölkerung Diskretion gross, wenn die<br />

«Palace»­Gäste durchs Dorf schlendern,<br />

beispielsweise Käse einkaufen in der Molkerei,<br />

die 2007 ebenfalls SVC­Finalist gewesen<br />

ist.<br />

Die familiäre Atmosphäre im Berg­ und<br />

Ferienhotel «Gstaad Palace» ist der eine<br />

Erfolgsaspekt. Als zweiter kommt hinzu,<br />

dass in den meisten Familienunternehmen<br />

die Nachhaltigkeit ganz besonders betont<br />

Der Preis ist, durch Hans­Ulrich Müller (Mitte),<br />

übergeben, nun wird Andrea Scherz interviewt.<br />

wird. «Nicht das Profitstreben und der<br />

Shareholder Value prägen unser Denken,<br />

sondern die Langlebigkeit des Unternehmens»,<br />

so Scherz. «Dies führt dazu, dass<br />

wir ausser dem Direktorenlohn nichts aus<br />

dem Unternehmen abziehen, sondern den<br />

ganzen Betriebsgewinn wieder investieren.»<br />

Die letzte grosse Investition betrifft das Spa,<br />

das Ende 2007 eröffnet werden konnte und<br />

nun für Andrea Scherz, die Hotel­ und<br />

Chaletgäste – und wohl auch für die SVC­<br />

Jury – das berühmte, zuvor noch fehlende<br />

i­Tüpfelchen ausmachte.<br />

Als Inhaber entschied sich Andrea Scherz,<br />

neben den 15 Millionen Schweizer Franken<br />

für das Spa, weitere 4 Millionen in eine<br />

unterirdische Mitarbeitergarage zu investieren.<br />

«Hervorragendes Personal zu finden,<br />

ist eine unserer grössten Herausforderungen.<br />

Deshalb bin ich überzeugt, dass<br />

sich in der Zukunft auch diese Investition<br />

für uns ausbezahlt.» Andreas Schiendorfer<br />

� Ein ausführliches Interview<br />

mit Andrea Scherz finden Sie unter<br />

www.credit-suisse.com/bulletin.<br />

bulletin 3/<strong>09</strong> <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

Kapitalismus im Wandel<br />

Die Unternehmen müssen sich radikal ändern, wenn sie den uns bevorstehenden<br />

sozialen Wandel überleben wollen, ist Professor Kjell Nordström<br />

von der Stockholm School of Economics überzeugt.<br />

Kapitalismus ist keine Ideologie, sondern<br />

eine Maschine, die nur eines vermag: «Sie<br />

kann effiziente von uneffizienten Marktteilnehmern<br />

trennen, indem sie die effizienten<br />

Gewinn machen und die ineffizienten bankrott<br />

gehen lässt. Die kapitalistische Maschine<br />

kennt keine Moral, sie verfolgt keine Absicht<br />

oder Richtung, und sie urteilt auch nicht. Sie<br />

verhält sich wie die Evolution in der Natur.»<br />

Diese These vertrat Kjell Nordström auf dem<br />

Swiss Export Tag in Zürich. Der Kapitalismus<br />

wird sich angesichts des grundlegenden<br />

sozialen Wandels ebenfalls radikal ändern.<br />

Daher werden auch die Unternehmen ihre<br />

Geschäftsmodelle anpassen müssen.<br />

Feminisierung und Verstädterung<br />

«Immer mehr Frauen studieren an Universitäten,<br />

ob in Schweden, Marokko, den Vereinigten<br />

Emiraten oder Spanien. Das wird in den<br />

nächsten Jahren die Welt der Unternehmen<br />

stark verändern, da es nur wenige Bereiche<br />

gibt, wo die unterschiedliche Risikobereitschaft<br />

von Männern und Frauen so gravierende<br />

Auswirkungen hat », so Nordström.<br />

Denn die Frauen werden immer wichtigere<br />

Funktionen bekleiden. «Dies wird zahlreiche<br />

Risiken aus dem System entfernen», ist er<br />

überzeugt. «In bestimmten Bereichen wie der<br />

Medizin, der Finanzindustrie und der Verkehrskontrolle<br />

mag dies ja eine gute Sache<br />

sein, in anderen ist aber eine gewisse Risikofreude<br />

notwendig.» Eine weitere wichtige<br />

gesellschaftliche Entwicklung ist die rasant<br />

ansteigende Zahl von Einpersonenhaushalten.<br />

Diese «Singleisierung» hat Folgen für<br />

den Wohnungsmarkt, die Verpackungsgrössen<br />

oder die Nachfrage nach Finanzdienstleistungen<br />

und Infrastrukturen.<br />

Die schnelle Verstädterung des Planeten<br />

wirkt sich auf die Unternehmen aus. «Heute<br />

leben etwa 52 Prozent aller Menschen in<br />

Städten. 2040 werden es 90 Prozent sein,<br />

die übrigen Regionen werden dann zu einer<br />

wirtschaftlichen Einöde. Das bedeutet, dass<br />

Unternehmen sich auf städtische Ballungsräume<br />

konzentrieren und nationale Grenzen<br />

zunehmend an Bedeutung verlieren.»<br />

Wissen, absolut perfekt präsentiert.<br />

Eine weitere Entwicklung: «Seit 1989 sind<br />

etwa 3,6 Milliarden Menschen Teil der kapitalistischen<br />

Welt geworden, darunter neue<br />

Märkte wie die Ukraine, Vietnam oder Pakistan.<br />

Alle diese Länder müssen ihre Infrastrukturen<br />

ausbauen und werden wichtige<br />

Märkte sein, aber sie werden weniger stark<br />

wachsen als in den letzten 20 Jahren.»<br />

Talent und Technologie als Treiber<br />

Die USA werden weiterhin die Weltwirtschaft<br />

dominieren. «Weil die USA kein Land sind,<br />

sondern eine Idee. Jeder kann innerhalb von<br />

einigen Jahren zum Amerikaner werden. Europa<br />

und Asien sind für wirklich talentierte<br />

Leute nicht attraktiv. Das führt dazu, dass<br />

es dort weniger Innovationen und Wachstum<br />

gibt.» Die Unternehmen müssen Neues<br />

schaffen. «Technologie und Talent sind der<br />

Motor der Wertschöpfung. Einem erfolgreichen<br />

Unternehmen gelingt es, ein zeitlich<br />

beschränktes Monopol zu etablieren.»<br />

«Nur äusserste Anpassung oder äusserste<br />

Attraktivität wird funktionieren. Das Geheimnis<br />

des Erfolgs liegt darin, nicht zu versuchen,<br />

beide Strategien miteinander zu verbinden.»<br />

Und Nordströms Fazit: «Noch nie zuvor hatten<br />

so viele Menschen eine Chance auf ein<br />

lebenswertes Leben, und dies selbst in Afrika.<br />

Es sind Technologie und Kapitalismus, die<br />

uns dieses ermöglichen.» Dorothée Enskog


Der älteste Schachverein<br />

empfängt zehn Weltmeister<br />

Die besten Schachspieler der letzten 50 Jahre sind am 22./23. August<br />

im Hauptbahnhof Zürich beim Champions Simultan und Rapid zu bewundern.<br />

Erfunden wurde das Schachspiel in Asien,<br />

vermutlich in Indien, möglicherweise aber<br />

auch in China oder Persien. Die Schweiz aber<br />

kann sich rühmen, den ältesten Schachverein<br />

der Welt zu stellen, die 18<strong>09</strong> gegründete<br />

Schachgesellschaft Zürich.<br />

Diese machte im Laufe der Geschichte<br />

immer wieder als Organisatorin attraktiver<br />

Schachwettkämpfe von sich reden. So spielte<br />

Weltmeister Emanuel Lasker zwischen 1888<br />

und 1919 in der Limmatstadt gleich viermal<br />

simultan. Weitere Grössen wie Aljechin,<br />

Euwe oder Botwinnik folgten. Einen ersten<br />

Höhepunkt bildete das Weltmeisterschafts­<br />

Kandidatenturnier 1953, das Wassili Smyslow<br />

für sich entschied. Beim Jubiläumsturnier<br />

1959 setzte sich Michail Tal vor Gligoric und<br />

dem damals 16­jährigen Bobby Fischer durch.<br />

2001 nahmen aus Anlass des 70. Geburtstages<br />

von Viktor Kortschnoi die drei Weltmeister<br />

Spasski, Kasparow und Kramnik an<br />

einem Schnellschachturnier teil.<br />

Eine Steigerung ist eigentlich fast nicht<br />

mehr möglich – und doch gelang sie zum<br />

FIDE 5–85<br />

FIDE 3–<br />

Anatoli Karpow<br />

Werner Hug<br />

Juniorenweltmeister<br />

FIDE 85– 3<br />

PCA 3–00<br />

Garry Kasparow<br />

Viktor Kortschnoi<br />

Seniorenweltmeister<br />

PCA 00 –06<br />

FIDE 06 – 0<br />

Wladimir Kramnik<br />

Judit Polgar<br />

Juniorenweltmeister<br />

200­Jahr­Jubiläum, nicht zuletzt dank der<br />

Unterstützung durch die <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> so­<br />

wie die gemeinnützige Stiftung Accentus<br />

(Schachfonds Schweiz).<br />

Vier hochinteressante Veranstaltungen<br />

Zunächst findet vom 15. bis 19. August im<br />

Kongresshaus Zürich ein zweiteiliges Jubiläumsopen<br />

statt, das Accentus Open als<br />

Breitenturnier sowie das Alois Nagler Memorial<br />

als Meisterturnier, zu dem sich rund<br />

30 Grossmeister angemeldet haben.<br />

Eine Woche später kommt es im Hauptbahnhof<br />

Zürich zum Treffen der Giganten,<br />

welche die Schachszene in den letzten<br />

50 Jahren geprägt haben. Je nach Zählweise<br />

setzen sich dabei sieben oder zehn Weltmeister<br />

ans Brett, um am 22. August im Champions<br />

Simultan 200 Partien zu spielen und sich<br />

am 23. August im Champions Rapid zu messen.<br />

Da Garry Kasparow und Boris Spasski<br />

kein Turnierschach mehr absolvieren, kommen<br />

am Sonntag Judit Polgar, die stärkste<br />

Schachspielerin der Welt, sowie Werner Hug<br />

FIDE 02– 04<br />

Ruslan Ponomarjow<br />

FIDE 6 – 2<br />

Boris Spasski<br />

FIDE 05–06<br />

Wesselin Topalow<br />

Von 1 3 bis 2006 war<br />

die Schachwelt zweigeteilt<br />

in die FIDE (Fédération<br />

Internationale des Echecs)<br />

und die PCA (Professional<br />

Chess Association).<br />

FIDE 00 – 02<br />

FIDE 0 – heute<br />

Viswanathan Anand<br />

<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> 3<br />

von der SG Zürich zum Zug. Hug war 1971<br />

Juniorenweltmeister geworden, Polgar 1988<br />

und 1990 Juniorenweltmeister U12/U14 (bei<br />

den Frauen spielt sie grundsätzlich nicht mit).<br />

Der dritte «unechte» Weltmeister ist Viktor<br />

Kortschnoi, der Löwe von Wohlen, der länger<br />

an der Weltspitze mitspielt(e) als alle anderen,<br />

aber zweimal den Weltmeisterschaftskampf<br />

gegen Anatoly Karpow verlor. Immerhin wurde<br />

er 2006 Seniorenweltmeister.<br />

Sonst aber sind mit drei Ausnahmen<br />

(Chalifmann, Kasimjanow und dem verstorbenen<br />

Fischer) die FIDE­ und PCA­Weltmeister<br />

seit 1969 in Zürich anwesend. Legenden<br />

wie Spasski, Kasparow und Karpow begegnen<br />

dabei der aktuellen Weltelite mit<br />

«Gegen Topalow zu<br />

spielen, ist eine grosse<br />

Herausforderung.»<br />

Viswanathan Anand<br />

P onomarjow und vor allem Weltmeister Viswanathan<br />

Anand, dem von ihm entthronten<br />

Weltmeister Wladimir Kramnik sowie dem neuen<br />

Herausforderer Wesselin Topalow. Halten<br />

sie sich im Direktduell zugedeckt, oder sind<br />

sie ehrgeizig genug, um an diesem Topturnier<br />

um den Sieg zu spielen? Andreas Schiendorfer<br />

�<br />

Ein Interview mit Weltmeister Viswanathan<br />

Anand unter www.credit-suisse.com/bulletin<br />

<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 3/<strong>09</strong>


40 <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

1<br />

2 3<br />

1 Schon 2005 hatte Adam Fischer die musikalische Leitung bei der Mozartoper «Così fan tutte» inne. Damals führten Ursel und Karl­Ernst Herrmann Regie.<br />

Diesmal wird es Claus Guth sein. Im Bild: Russell Braun (Guglielmo), Christoph Strehl (Ferrando), Tamar Iveri (Fiordiligi) und Maite Beaumont (Dorabella).<br />

2 Das Freiburger Barockorchester gastiert nach 2004 (mit Cecilia Bartoli) und 2006 zum dritten Mal in Salzburg und spielt Händels «Theodora». 3 Blick in den<br />

Grossen Saal des 1910 bis 1914 erbauten Mozarteums. Hier findet am Mittwoch, 26. August, das Abschlusskonzert des Young Singers Project statt.<br />

bulletin 3/<strong>09</strong> <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

Fotos: Bernd Uhlig | Marco Borggreve | Fritz Haseke | IMG Artists | Dario Acosta | Mats Bäcker | Sabine Hauswirth | Mathias Bothor | Bernd Thissen | Susanne Schwiertz


Das Spiel der Mächtigen<br />

Die Salzburger Festspiele sorgen mit rund 200 Veranstaltungen<br />

einmal mehr für den Höhepunkt des Kultursommers. Das diesjährige<br />

Motto – «Das Spiel der Mächtigen» – verunsichert und provoziert.<br />

Wer sind die Mächtigen? Womit, mit wem spielen sie? In Salzburg<br />

begegnen sich Unterhaltung und Ernsthaftigkeit.<br />

Young Singers Project<br />

Talentierte Opernsänger erhalten<br />

in Salzburg den letzten Schliff<br />

Vom 1. Juli bis zum 30. August erhalten hoch<br />

talentierte, bereits weitgehend ausgebildete<br />

Opernsängerinnen und ­sänger in Salzburg<br />

den letzten Schliff durch eine professionelle<br />

Förderung seitens mehrerer Festspielkünstler.<br />

Davon kann man sich am 26. August<br />

beim Abschlusskonzert im Mozarteum überzeugen,<br />

aber auch schon bei sechs öffentlich<br />

durchgeführten «Meisterklassen», geleitet<br />

von Thomas Quasthoff, Christa Ludwig und<br />

Michael Schade. Es lohnt sich, sich Namen<br />

wie Sara Hershkowitz, Anna Siminska, Alisa<br />

Kolosova, Christina Daletska (Bild), Terry<br />

Wey (Bild) oder Andrei Bondarenko zu merken:<br />

Sie sind die Stars der Zukunft.<br />

26. August, 1 .30 Uhr, Mozarteum. Abschluss-<br />

konzert Young Singers Project. Mozarteumorches-<br />

ter, Dirigent Ivor Bolton. � www.mozarteum.at<br />

Georg Friedrich Händel (1685 –1759)<br />

«Theodora» – Hommage in Moll<br />

an einen grossen Komponisten<br />

Vor 200 Jahren ist Georg Friedrich Händel<br />

in London gestorben. Grund genug, um sein<br />

wunderbares, in Molltonarten gehaltenes<br />

Oratorium «Theodora» zu spielen, das 1750<br />

in London uraufgeführt wurde. In Antiochia<br />

weigert sich um 305 die Christin Theodora<br />

standhaft, Jupiter ein Opfer zu bringen, und<br />

soll deshalb in ein Bordell geführt werden.<br />

Der Offizier Didymus, interpretiert von Bejun<br />

Mehta (Bild) kann dies verhindern, doch ihre<br />

Liebe endet im Tod. Theodora wird von<br />

Christine Schäfer (Bild) gespielt, ein seit 1995<br />

in Salzburg gern gesehener Weltstar.<br />

«Theodora». G. F. Händel. Freiburger Barockorchester,<br />

Salzburger Bachchor. Musikalische<br />

Leitung Ivor Bolton, Regie Christoph Loy.<br />

Christine Schäfer, Bejun Mehta. Premiere<br />

am 25. Juli ( Aufführungen).<br />

� www.salzburgerfestspiele.at<br />

Wolfgang Amadeus Mozart (1756 –1791)<br />

«Così fan tutte» – zu Recht<br />

ein Dauerbrenner der Festspiele<br />

Man kann schon einmal ein Jahr oder zwei<br />

auf «Così fan tutte» verzichten, aber dann<br />

fehlt sie den Festspielbesuchern ganz bestimmt.<br />

Nun ist sie, als Neuinszenierung,<br />

bereits zum 34. Mal auf dem Spielplan, die<br />

musikalische Leitung hat dabei wie 2005<br />

Adam Fischer inne, die Regie führt Claus<br />

Guth. In drei tragenden Rollen kann man<br />

Spitzensänger aus dem hohen Norden hören:<br />

Die schwedische Sopranistin Miah Persson<br />

(Bild), die 2003 in Salzburg debütierte, ist<br />

Fiordiligi, der finnische Tenor Topi Lehtipuu,<br />

2005 erstmals in Salzburg, ist Ferrando, und<br />

der dänische Starbariton Bo Skovhus (Bild)<br />

gibt Don Alfonso. Am 21. August springt Joel<br />

Pietro als Ferrando ein – ein Absolvent des<br />

Young Singers Project 2008!<br />

«Così fan tutte». W. A. Mozart. Wiener Philharmoniker<br />

unter Adam Fischer. Regie Claus Guth.<br />

Miah Persson, Topi Lehtipuu, Bo Skovhus.<br />

Premiere am 30. Juli ( Aufführungen).<br />

Luigi Nono (1924 –1990)<br />

<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> 41<br />

«Al gran sole carico d’amore» –<br />

von Hoffnungen und Utopien<br />

Ein Schlüsselwerk der Festspiele 20<strong>09</strong>,<br />

«ein», so Jürgen Flimm, «grosses Requiem auf<br />

verschollene Hoffnungen und das Scheitern<br />

von Utopien». Grundidee ist die «immerwährende<br />

weibliche Gegenwart im Leben,<br />

im Kampf, in der Liebe». Die collagenartige<br />

«Azione Scenica» zählt zu den grossen Werken<br />

des modernen Musiktheaters.<br />

«Al gran sole carico d’amore». L. Nono.<br />

Wiener Philharmoniker unter Ingo Metzmacher<br />

(Bild). Regie Katie Mitchell. Tanja Andrijic,<br />

Elin Rombo, Sarah Tynan, Anna Prohaska, Virpi<br />

Räisänen (Bild). Premiere 2. August (4 Aufführungen).<br />

� www.credit-suisse.com/bulletin<br />

Intendantenwechsel in Salzburg<br />

Von Flimm zu Pereira, von Pereira<br />

zu Homoki, von Homoki zu …<br />

Das Intendanten­ und Chefdirigentenkarussell<br />

dreht sich: Jürgen Flimm (Bild links),<br />

Intendant der Salzburger Festspiele, hat seinen<br />

bis 2011 laufenden Vertrag nicht erneuert.<br />

Stattdessen wird er ab 2010 die Intendanz<br />

der Berliner Staatsoper Unter den<br />

Linden übernehmen. Nachfolger von Flimm<br />

wird im Herbst 2011 Alexander Pereira (Bild<br />

rechts), der dann 21 Jahre am Opernhaus<br />

Zürich gewirkt haben wird. In der Limmatstadt<br />

wird er durch Andreas Homoki abgelöst,<br />

der von der Komischen Oper Berlin<br />

kommt und dort durch Barry Kosky ersetzt<br />

wird. Als Nachfolger von Franz Welser­Möst,<br />

ab 2010 Generalmusikdirektor der Staatsoper<br />

Wien, wird Daniele Gatti Chefdirigent<br />

am Opernhaus Zürich. 2012 folgt ihm<br />

Fabio Luisi, der Chefdirigent der Wiener<br />

Symphoniker. Andreas Schiendorfer<br />

<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 3/<strong>09</strong>


42 <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

Maria Stuart oder Elisabeth?<br />

Mit Barbara Frey leitet erstmals eine Frau als Künstlerische Direktorin<br />

das Schauspielhaus Zürich. Zur Saisoneröffnung wird am 17. September das<br />

Drama «Maria Stuart » von Friedrich Schiller gespielt. Es handelt von zwei<br />

starken Frauen, die zwei verschiedene Systeme verkörpern – und einsam sind.<br />

Barbara Frey eröffnet die neue Theatersaison mit «Maria Stuart ». Die <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> unterstützt diese<br />

Neuinszenierung im Rahmen ihrer im Jahr 2000 begonnenen Partnerschaft mit dem Schauspielhaus Zürich.<br />

Das Schauspielhaus Zürich mit den Spielstätten<br />

Pfauen (beim Kunsthaus) und Schiffbau<br />

zählt zu den bedeutendsten deutschsprachigen<br />

Theatern. Zu internationalem<br />

Ruhm kam es während des Zweiten Weltkriegs<br />

als Emigrantentheater, später wurden<br />

hier fast alle Stücke von Max Frisch und<br />

Friedrich Dürrenmatt uraufgeführt. Das Niveau<br />

wurde bis in die Neuzeit gehalten: 2002,<br />

2004 und 2007 erhielt das Schauspielhaus<br />

Zürich den Nestroy­Theaterpreis für die beste<br />

deutschsprachige Aufführung.<br />

Im April 2007 wurde mit der Basler Theaterregisseurin<br />

Barbara Frey auf die Spielzeit<br />

20<strong>09</strong>/2010 hin erstmals eine Frau als Künst­<br />

bulletin 3/<strong>09</strong> <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

lerische Direktorin gewählt. Frey hat sich als<br />

Hausregisseurin an der Schaubühne Berlin<br />

und am Deutschen Theater Berlin sowie mit<br />

zahlreichen Inszenierungen an den wichtigsten<br />

Bühnen Europas einen Namen geschaffen.<br />

In Zürich inszenierte sie mit Erfolg<br />

Henrik Ibsens «John Gabriel Borkmann» sowie<br />

Arthur Schnitzlers «Reigen».<br />

Eine Teamplayerin baut ein Ensemble auf<br />

Ein wesentliches Ziel ist es, das Ensemble<br />

wieder zu stärken, nachdem ihr Vorgänger<br />

gerne auf Gastschauspieler gesetzt hatte.<br />

Überhaupt bezeichnet sich Barbara Frey als<br />

ausgesprochene Teamplayerin. Einige leiten­<br />

de Positionen hat sie mit Frauen besetzt, mit<br />

denen sie teilweise schon 15 Jahre zusammenarbeitet.<br />

Doch sie betont, dass es ihr in<br />

gemischten Gruppen am wohlsten ist. «Die<br />

Männer müssen keine Angst haben, dass es<br />

eine feindliche Übernahme gibt», meint sie<br />

lachend.<br />

Und wie interpretiert sie ihre Rolle als Intendantin?<br />

«Wir haben von der Wichtigkeit des<br />

Teams gesprochen. Das ist mir ernst. Ich<br />

möchte keine Intendantin sein, die immer zu<br />

allem etwas sagt. Ich bevorzuge die produktive<br />

Verschwiegenheit und möchte vor allem<br />

durch meine Arbeit reden, durch meine<br />

Stücke, die ich inszeniere.»<br />

Ein Stück, spannend wie ein Krimi<br />

Demnach ist es kein Zufall, dass sie die neue<br />

Saison mit dem Drama «Maria Stuart» eröffnet.<br />

Eine Reverenz an den vor 250 Jahren geborenen<br />

Klassiker ? «Es ist tatsächlich ein fantastisches<br />

Stück, ein Krimi, der in den letzten<br />

Tagen von Maria Stuart spielt, als ihr bereits<br />

klar war, dass sie sterben muss», meint dazu<br />

Barbara Frey. «Dass wir ein Schillerjahr haben,<br />

ist jedoch ein glücklicher Zufall. Mich fasziniert<br />

die interessante Grundkonstellation mit<br />

zwei Frauen, die an der Macht sind und zwei<br />

verschiedene Systeme, den Protestantismus<br />

und den Katholizismus, vertreten.»<br />

Welche ist die stärkere? Welcher bringen<br />

wir mehr Sympathien entgegen? Die Regisseurin<br />

will natürlich noch nicht allzu viel verraten.<br />

Immerhin betont sie, dass die erotische,<br />

leidenschaftliche Maria kein Talent<br />

zum Führen hatte und in den Schlüsselmomenten<br />

die falschen Entscheide fällte. Demgegenüber<br />

weist sie darauf hin, dass Schiller<br />

in den Monologen ein sehr menschliches Bild<br />

von Elisabeth zeichnet. «Ihre Leistung verdient<br />

Bewunderung. Sie hat immerhin knapp<br />

45 Jahre regiert, hat den Frieden durchgesetzt,<br />

hat eine einmalige kulturelle Hochblüte<br />

installieren können – sie ist eine Lenkerin<br />

gewesen. Zwar wird ihr Wesen als extrem<br />

schwankend beschrieben. Doch sie hat aus<br />

der Not eine Tugend gemacht …»<br />

Andreas Schiendorfer<br />

�<br />

�<br />

«Maria Stuart» von Friedrich Schiller.<br />

Regie Barbara Frey, Bühne Bettina Meyer,<br />

Kostüme Bettina Munzer, Premiere am<br />

1 . September 200 im Schiffbau/Halle 1.<br />

Ein ausführliches Interview mit<br />

Barbara Frey finden Sie unter<br />

www.credit-suisse.com/bulletin.<br />

� www.schauspielhaus.ch<br />

Fotos: Eva­Maria Züllig | Joël Tettamanti


Joël Tettamanti, «Ilulissat », 2008, C-Print auf Aluminium, 125 x 160 cm, Exemplar 3/3.<br />

Sammlung <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong>, ausgestellt in der Geschäftsstelle Badenerstrasse 50, Zürich.<br />

Abbildung courtesy of the artist.<br />

Ilulissat trifft Zürich<br />

In kräftigen Farben, doch seltsam stillgestellt, überzieht die Siedlung Ilulissat<br />

einen­flachen­Bergrücken­an­der­grönländischen­Küste:­Drei­Reihen­lupen-<br />

rein eingefärbter Blockbauten an der dem Meer abgewandten Flanke werden<br />

von einem Dutzend ebenso bunt gewürfelter Häuser auf der Hügelkuppe<br />

bekrönt.­Eisig­blau­zieht­sich­hinter­ihnen­das­Polarmeer­mit­seinen­Eisbergenin­die­Ferne.­Wie­können­Farben­an­einem­Ort,­wo­die­Sonne­knapp­ist,­dergestalt<br />

leuchten? Joël Tettamanti, geboren 1977 in Kamerun und aufgewachsen<br />

in­der­Schweiz,­ist­ein­Grenzgänger­zwischen­den­Kulturen.­Er­fotografiert­<br />

in­allen­Teilen­der­Welt,­reist­ohne­Reiseführer­an­unbekannte­Orte,­an­denener<br />

sich durch den Zufall und unvorhersehbare Begegnungen zu stillen, einprägsamen<br />

Bildern inspirieren lässt. Seinen Blick richtet er dabei mit Vorliebe auf<br />

Objekte,­mit­denen­die­Menschen­ihre­Landschaften­«möblieren»:­absurde­<br />

Baugerüste, provisorische Behausungen, verdichtete Wohnblocks, ausufernde<br />

Siedlungen­und­zeitlose­Ruinen.­Für­die­eben­wieder­eröffnete­Geschäfts-<br />

stelle im Zürcher Aussersihl-Quartier hat Tettamanti eine neue Fotoinstallation<br />

erarbeitet,­deren­Werke­–­mit­«Ilulissat»­(2008)­als­Teil­des­Ensembles­–­<br />

überraschende­Bezüge­zwischen­seinen­fotografischen­Erkundungsgängen­<br />

schaffen. Mehr Informationen unter www.credit-suisse.com/sponsoring ><br />

Kunst > Sammlung <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> André­Rogger,­Leiter­Fachstelle­Kunst<br />

Impressum<br />

Herausgeber<br />

<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

Postfach 2<br />

CH-8070 Zürich<br />

Telefon +41 44 333 11 11<br />

Fax +41 44 332 55 55<br />

<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> 43<br />

Redaktion<br />

Daniel Huber (Chefredaktor, dhu), Marcus Balogh (mb),<br />

Dorothée Enskog (de), Regula Gerber (rg),<br />

Mandana Razavi (mar), Andreas Schiendorfer (schi),<br />

Michael Krobath (mk)<br />

E-Mail<br />

redaktion.bulletin@credit-suisse.com<br />

Mitarbeit an dieser Ausgabe<br />

Dennis Brandes, Gerd Braune, Valérie Clapasson Fahrni,<br />

Ute Eberle, Christian Etzensperger, Thomas Herrmann,<br />

Anja Hochberg, Uwe Neumann, André Rogger, Teva Streich<br />

Internet<br />

www.credit-suisse.com/bulletin<br />

Marketing<br />

Veronica Zimnic (vz)<br />

Korrektorat<br />

Claudia Marolf, notabene<br />

Übersetzungen<br />

<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> Language Services<br />

Gestaltung<br />

www.arnold.inhaltundform.com:<br />

Arno Bandli, Monika Häfliger, Petra Siegenthaler,<br />

Petra Feusi (Projektmanagement ),<br />

Carola Bächi (Korrektorat)<br />

Inserate<br />

Daniel Baer, Nübruchweg 22, 8605 Gutenswil,<br />

Telefon +41 44 945 38 85, baerdaniel@bluewin.ch<br />

­Beglaubigte­WEMF-Auflage­2008<br />

148 050<br />

ISSN-Registrierung<br />

ISSN 1423-1360<br />

Druck<br />

NZZ Fretz AG /Zollikofer AG<br />

Redaktionskommission<br />

René Buholzer (Head of Public Policy), Monika Dunant (Head<br />

of Communications Private Banking), Urs P. Gauch (Leiter<br />

Firmenkunden Schweiz – Grossunternehmen), Fritz Gutbrodt<br />

(Head Chairman’s Office), Angelika Jahn (Investment Services<br />

& Products), Martin Lanz (Economic Research), Hubert<br />

Lienhard (Asset Management Distribution Services), Andrés<br />

Luther (Head of Group Communications), Charles Naylor<br />

(Head of Corporate Communications), Christian Vonesch<br />

(Head of Private & Business Banking Aarau)<br />

Erscheint im 115. Jahrgang<br />

(5 x pro Jahr in deutscher, französischer, italienischer und<br />

englischer Sprache) Nachdruck von Texten gestattet mit dem<br />

Hinweis «Aus dem bulletin der <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong>».<br />

Adressänderungen<br />

Bitte schriftlich und unter Beilage des Original-Zustellcouverts<br />

an Ihre <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> Geschäftsstelle oder an:<br />

<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong>, ULAZ 12, Postfach 100, 8070 Zürich.<br />

Diese Publikation dient nur zu Informationszwecken.<br />

Sie bedeutet kein Angebot und keine Aufforderung seitens<br />

der <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> zum Kauf oder Verkauf von Wertschriften.<br />

H inweise auf die frühere Performance garantieren nicht<br />

notwendigerweise positive Entwicklungen in der Zukunft.<br />

Die Analysen und Schlussfolgerungen in dieser Publikation<br />

wurden durch die <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> erarbeitet und könnten<br />

vor ihrer Weitergabe an die Kunden von <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bereits<br />

für Transaktionen von Gesellschaften der <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

Group verwendet worden sein. Die in diesem Dokument vertretenen<br />

Ansichten sind diejenigen der <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

zum Zeitpunkt der Drucklegung. (Änderungen bleiben vorbehalten.)<br />

<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> ist eine Schweizer Bank.<br />

<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 3/<strong>09</strong>


44 <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

Kadita A. T. Tshibaka<br />

Opportunity International,<br />

Washington/<br />

Illinois<br />

Mit über 400 000 Sparkunden,<br />

einer Million Kreditnehmern<br />

und 800 000 Kunden<br />

im Bereich Mikroversicherung<br />

ist Opportunity<br />

International eine der<br />

grössten Mikrofinanzorganisationen<br />

weltweit. Sie ist<br />

führend, was den Aufbau,<br />

den Besitz und den Betrieb<br />

von regulierten Bankinstituten<br />

für Menschen in Armut<br />

betrifft.<br />

� www.opportunity.org<br />

bulletin 3/<strong>09</strong> <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

Rupert Scofield<br />

FINCA, Washington<br />

FINCA stellt Unternehmern<br />

mit geringem Einkommen<br />

Finanzdienstleistungen zur<br />

Verfügung, damit sie Stellen<br />

schaffen, Vermögenswerte<br />

aufbauen und ihren<br />

Lebensstandard erhöhen<br />

können. FINCA bietet eine<br />

Reihe von Dienstleistungen<br />

wie Kredite, Sparanlagen,<br />

Kreditlebensversicherungen<br />

und Krankenversicherungen<br />

für über 40 000 Kunden<br />

aus 21 Entwicklungsländern.<br />

� www.villagebanking.org<br />

John Tobin<br />

<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong>, Zürich<br />

Die <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> unterstützt<br />

Mikrofinanzprojekte<br />

finanziell und involviert<br />

zudem auch eigene<br />

Mitarbeitende, um die<br />

nötige Kompetenz in der<br />

Branche aufzubauen.<br />

� www.credit­suisse.com/<br />

verantwortung<br />

Von der <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

unterstützte Mikrofinanzprojekte<br />

Landesweite Programme<br />

Regionale Programme<br />

Weltweit<br />

María Otero<br />

ACCION, Washington<br />

ACCION International ist<br />

eine der führenden<br />

gemeinnützigen Organisationen<br />

im Mikrofinanzsektor.<br />

ACCION führt<br />

Programme durch mit<br />

dem Ziel, benachteiligten<br />

Menschen Mittel zur<br />

Verfügung zu stellen, um<br />

sich aus der Armut zu<br />

befreien.<br />

� www.accion.org<br />

Urs Egger<br />

Swisscontact, Zürich<br />

Swisscontact unterstützt<br />

kleine und mittlere<br />

Unternehmen (KMU) in<br />

über 20 Ländern durch<br />

Beratung und Ausbildung.<br />

Die Organisation fördert<br />

die Kompetenz von Finanzintermediären,<br />

um<br />

Finanzdienstleistungen<br />

zur Unterstützung<br />

des Wachstums von KMU<br />

bereitzustellen.<br />

� www.swisscontact.ch


Illustration: Photodisc<br />

Expertenrunde Mikrofinanz<br />

Am Anfang war der Wille<br />

Noch heute begegnen viele der Armut wie einer gottgegebenen Realität. Doch es gibt auch<br />

jene, die willens sind, nach effektiven Wegen aus der Armut zu suchen. Die Mikrofinanz scheint ein<br />

solcher Weg zu sein. bulletin hat mit den Leitern der vier Partnerorganisationen der <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

im Bereich Mikrofinanz und mit John Tobin, Leiter Public Policy/Sustainability Affairs bei der<br />

<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong>, über die verschiedenen Ansätze und Entwicklungen der Branche gesprochen.<br />

bulletin: Was entgegnen Sie Kritikern, die<br />

eine Welt ohne Armut für reines Wunschdenken<br />

halten?<br />

Kadita A. T. Tshibaka: Ich bin in der Demokratischen<br />

Republik Kongo aufgewachsen<br />

und kenne die ernüchternde Realität der Herausforderungen,<br />

weiss aber auch, was für<br />

Veränderungen möglich sind. Ich lade Kritiker<br />

ein, einige Zeit mit den Menschen zu verbringen,<br />

die irgendwo auf der Welt kämpfen, um<br />

dem Teufelskreis der Armut zu entkommen.<br />

Dann werden sie nämlich auf allen Ebenen<br />

viel Begeisterung, Einfallsreichtum und intellektuelles<br />

Potenzial entdecken.<br />

Rupert Scofield: Wir verfügen eindeutig über<br />

die technischen, personellen und technologischen<br />

Möglichkeiten, die Armut noch zu<br />

unseren Lebzeiten aus der Welt zu schaffen.<br />

Urs Egger: Die Bekämpfung der Armut ist<br />

das übergreifende Ziel der internationalen<br />

Entwicklungshilfe. Es kann jedoch nur erreicht<br />

werden, wenn die Anstrengungen auf<br />

nationaler und internationaler Ebene koordiniert<br />

werden. Die Triebfeder für soziale und<br />

wirtschaftliche Entwicklung ist die Initiative<br />

des Einzelnen.<br />

John Tobin: Die bisherige Entwicklung beweist<br />

das Gegenteil. In vielen Teilen Westeuropas,<br />

Nordamerikas und Südostasiens<br />

herrschte grosse Armut. Heute sind diese<br />

Regionen wohlhabend.<br />

María Otero: Die Mikrofinanz hat bereits bewiesen,<br />

dass auch Arme kreditwürdig sind<br />

und dass sie als Branche das Anlegerinteresse<br />

verdient. Gegenwärtig richtet sich das<br />

Angebot an 50 bis 100 Millionen Unternehmer,<br />

es könnten aber zwischen 750 Millionen<br />

und einer Milliarde weltweit sein. Daher müssen<br />

wir das System schnell ausweiten.<br />

Wie hat sich die Mikrofinanzbranche in<br />

den letzten zehn Jahren verändert ?<br />

María Otero: Die Mikrofinanz wurde von<br />

einem nur Eingeweihten bekannten Entwick­<br />

lungshilfeinstrument zu einem geläufigen<br />

Begriff: Sie wurde von den Vereinten Nationen<br />

anerkannt und mit dem Friedensnobelpreis<br />

ausgezeichnet. Das Geschäftsmodell<br />

wurde als Möglichkeit anerkannt, Menschen<br />

nachhaltig zu helfen. Und die Mikrofinanz hat<br />

sich zu einer eigenen Branche entwickelt.<br />

Rupert Scofield: Das ist in der Tat die grösste<br />

Veränderung. Die Branche verzeichnet bislang<br />

Millionen von Kunden, Tausende von<br />

Instituten, die Finanzdienstleistungen anbieten,<br />

und Hunderte von Milliarden Dollar, die<br />

in Mikrofinanzprojekte investiert wurden.<br />

Urs Egger: Viele Mikrofinanzinstitute (MFI)<br />

haben ein Qualitätsniveau erreicht, das ihnen<br />

heute Zugang zu Mitteln internationaler<br />

«Ich kenne die ernüchternde<br />

Realität der Herausfor-<br />

derungen, weiss aber auch,<br />

was für Veränderungen<br />

möglich sind.»<br />

Kadita A. T. Tshibaka<br />

Fonds gewährt. Das zeigt, dass sie ihre betrieblichen<br />

Abläufe verbessert und sich verstärkt<br />

an den Märkten ausgerichtet haben.<br />

Kadita A. T. Tshibaka: Die Branche hat sich<br />

enorm gewandelt: Kredite sind flexibler,<br />

Sparpläne und Versicherungen gehören nun<br />

auch zur Angebotspalette der Institute, die<br />

ihre Kunden bei der Lösung wirtschaftlicher<br />

Schwierigkeiten unterstützen wollen. Denn<br />

wenn Unvorhergesehenes eintritt, drohen die<br />

Kunden ohne Ersparnisse und Versicherungen<br />

wieder in die Armut zurückzufallen.<br />

John Tobin: Das Wachstum der Branche<br />

erfolgte explosionsartig. Auch das Interesse<br />

unserer Private Banking­Kunden hat stark<br />

zugenommen, besonders seitdem Mikrokredite<br />

finanzielle und soziale Anlage in einem ><br />

<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> 45<br />

Ausbildungsprogramme<br />

im Bereich Mikrofinanz<br />

Der Mikrofinanzsektor ist in<br />

den letzten Jahren exponentiell<br />

gewachsen. Trotz Zugang<br />

zu Milliarden von Dollars und<br />

trotz der anhaltenden Nachfrage<br />

nach Dienstleistungen<br />

fehlt es an qualifizierten<br />

Mitarbeitenden, um mit dem<br />

Wachstum der Branche<br />

Schritt zu halten. Deshalb<br />

hat die <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> die<br />

Microfinance Capacity Building<br />

Initiative ins Leben<br />

gerufen. Das Programm verm<br />

ittelt Tausenden von<br />

Mikrofinanzmitarbeitenden<br />

weltweit die nötigen Kompetenzen<br />

und ermöglicht Menschen<br />

am unteren Ende der<br />

Einkommenspyramide einen<br />

besseren Zugang zu Bankdienstleistungen.<br />

Die <strong>Credit</strong><br />

<strong>Suisse</strong> arbeitet dabei mit<br />

ihren vier Partnerorganisationen<br />

zusammen, um Forschung,<br />

Innovation und den<br />

konstruktiven Dialog zu<br />

fördern, bewährte Methoden<br />

zu verbreiten und neue<br />

Lösungen für den Zugang<br />

zu Finanzdienstleistungen<br />

zu erarbeiten.<br />

�<br />

www.credit-suisse.com/verantwortung<br />

<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 3/<strong>09</strong>


46 <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

sind. Sozial verantwortliche Investments sind<br />

inzwischen eine wichtige Anlageklasse.<br />

Mikrokredite werden also zu einer aner-<br />

kannten Anlageform. Wird dies alle Akteure<br />

in der Mikrofinanzbranche betreffen?<br />

Rupert Scofield: In der Branche findet man<br />

gegenwärtig zwei Arten von Akteuren. Da<br />

sind einmal diejenigen, für die Mikrokredite<br />

ein weiterer Geschäftszweig sind – und für<br />

die macht es Sinn, gewinnorientiert zu arbeiten.<br />

Zum anderen gibt es aber auch Organisationen,<br />

die Mikrokredite als Waffe im<br />

Kampf gegen die Armut betrachten.<br />

John Tobin: Es ist nicht nötig, dass alle MFI<br />

jetzt Gewinn abwerfen. Einige von ihnen werden<br />

weiterhin gemeinnützig bleiben, wohingegen<br />

andere wie privatwirtschaftliche Unternehmen<br />

geführt werden.<br />

«Wir verfügen eindeutig<br />

über die technischen, personellen<br />

und technologischen<br />

Möglichkeiten, die Armut<br />

noch zu unseren Lebzeiten<br />

aus der Welt zu schaffen.»<br />

Rupert Scofield<br />

María Otero: Gemeinnütziges Engagement<br />

von Einzelpersonen und Unternehmen ist<br />

weiterhin unabdingbar, um das Anfangskapital<br />

für neue Märkte zusammenzubringen.<br />

Aber ein Mikrofinanzinstitut kann nur dann<br />

gross genug werden, um umfassende Finanzdienstleistungen<br />

anzubieten, wenn es<br />

selbst Gewinn erwirtschaftet.<br />

Kadita A. T. Tshibaka: Nachhaltigkeit und<br />

Eigenverantwortung sind wichtige Aspekte<br />

für die gesamte Branche. Wäre sie ausschliesslich<br />

gewinnorientiert, fiele es ihr viel<br />

schwerer, die Menschen am unteren Ende<br />

der Einkommenspyramide zu erreichen.<br />

Urs Egger: Wir glauben, dass Rentabilität<br />

ein Kriterium für die Nachhaltigkeit eines<br />

Wirtschaftssubjekts ist. Daher sollten auch<br />

MFI mittelfristig rentabel werden.<br />

Welchen Ansatz verfolgt Ihre eigene<br />

Organisation?<br />

María Otero: Wir verfolgen den ‹gewinnorientierten›<br />

Ansatz. Wir leisten technische<br />

Hilfestellung und stellen Mittel zur Verfügung,<br />

um MFI, die rentabel und nachhaltig<br />

sind oder die mittelfristig in der Lage sein<br />

werden, Geld am Kapitalmarkt aufzunehmen,<br />

bei ihrer Entwicklung zu helfen. Wir legen<br />

unseren Schwerpunkt auf Innovationen.<br />

Rupert Scofield: Unsere Kunden befinden<br />

bulletin 3/<strong>09</strong> <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

sich am unteren Ende der Einkommenspyramide.<br />

Daher bemühen wir uns, ihnen die<br />

Früchte ihrer Arbeit zu belassen. Wir geben<br />

uns also mit einer geringeren Kapitalrendite<br />

zufrieden. Wir suchen folglich auch Anleger,<br />

die dasselbe Ziel verfolgen: die sich also mit<br />

einer angemessenen, dennoch attraktiven<br />

Rendite bescheiden, weil ihnen eine hohe<br />

soziale Rendite ebenso wichtig ist.<br />

Kadita A. T. Tshibaka : Wir legen bei unserer<br />

Tätigkeit stets Wert auf Nachhaltigkeit. Da<br />

wir eigene regulierte Geschäftsbanken für<br />

die Armen gründen und betreiben, erreichen<br />

wir mit unserer Geschäftstätigkeit Kunden<br />

aus zahlreichen unterschiedlichen Schichten.<br />

Unser Mikrofinanzansatz, der auf das Sparen<br />

ausgerichtet ist, bietet unseren Kunden<br />

eine Absicherung ihrer Einnahmen und hilft<br />

uns zudem, nachhaltig zu arbeiten.<br />

Urs Egger: Wir haben uns auf die Aus­ und<br />

Weiterbildung von Führungskräften in MFI<br />

und Kleinbetrieben spezialisiert. Die speziell<br />

auf die Privatwirtschaft ausgerichtete Entwicklungsstrategie<br />

erlaubt es Finanzdienstleistern<br />

und deren Kunden, die Geschäftsergebnisse<br />

zu optimieren. Wir stellen kein<br />

Kapital zur Verfügung, nur der Wissenstransfer<br />

wird erleichtert.<br />

John Tobin: Die <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> ist zwar kein<br />

MFI, aber wir sind in der Mikrokreditbranche<br />

in vielfacher Hinsicht engagiert. Hier unterscheiden<br />

wir uns von vielen Wettbewerbern:<br />

Dank der Zusammenarbeit mit dem respons­<br />

Ability­Fonds sind wir führend in Mikrofinanzanlagen.<br />

Ebenfalls erfolgreich sind wir<br />

bei Börseneinführungen von MFI. Zudem<br />

setzen wir uns dafür ein, dass sich das technische<br />

Know­how in den MFI verbessert. Mit<br />

«Ein Mikrofinanzinstitut<br />

kann nur dann gross genug<br />

werden, um umfassende<br />

Finanzdienstleistungen<br />

anzubieten, wenn es selbst<br />

Gewinn erwirtschaftet.»<br />

María Otero<br />

unserer Microfinance Capacity Building Initiative<br />

(siehe Box) stärken wir die Branche.<br />

Spielt es für die Kreditnehmer eine<br />

Rolle, ob das Kapital aus gemeinnütziger<br />

oder privatwirtschaftlicher Quelle stammt ?<br />

Kadita A. T. Tshibaka: Wichtiger als die Herkunft<br />

des Kapitals ist den Kunden, dass wir<br />

sie zu jeder Zeit als gleichberechtigte Partner<br />

behandeln.<br />

Urs Egger: Wir glauben, dass das beste Fundament<br />

für MFI Spareinlagen vor Ort sind.<br />

Wenn das Kapital des MFI aus Spendengeldern<br />

besteht, ist die Versuchung jedoch<br />

gross, wirtschaftlich nicht lebensfähige Projekte<br />

zu finanzieren.<br />

Rupert Scofield: Für Mikrokreditnehmer<br />

sind die Kreditbedingungen und das langfristige<br />

Engagement des MFI wichtig. Selbst<br />

Organisationen, die über einen hohen Prozentsatz<br />

an Hilfsgeldern verfügen, dürfen<br />

diese nicht dazu benutzen, um die Zinssätze<br />

zu senken.<br />

María Otero: Die Hauptsorge der Kreditnehmer<br />

ist wohl eher, ob sie einen Kredit erhalten<br />

und genügend erwirtschaften, um ihren<br />

Kindern eine Ausbildung zu finanzieren ...<br />

Wie können sich internationale Konzerne<br />

am Kampf gegen die Armut beteiligen?<br />

John Tobin: Internationale Konzerne müssen<br />

ihr gemeinnütziges Engagement strategisch<br />

ausrichten. Bevor wir ein Projekt im Bereich<br />

Corporate Citizenship unterstützen, setzen<br />

wir uns intensiv mit der jeweiligen Problematik<br />

auseinander. Wir suchen nach den optimalen<br />

Partnern und definieren frühzeitig und<br />

gemeinsam die Ziele. Wir legen grossen Wert<br />

darauf, mit unseren Partnern in einen konstruktiven<br />

Dialog zu treten. So profitieren<br />

auch unsere eigenen Abteilungen vom Erfahrungsaustausch.<br />

Kadita A. T. Tshibaka: Internationale Konzerne<br />

sind in der Lage, Technologien zu<br />

entwickeln, die es ermöglichen, Personen<br />

Bankdienstleistungen anzubieten, die bisher<br />

keinen Zugang zu ihnen hatten. Daneben<br />

können wir ihre Kompetenz zur Schulung der<br />

neuen Generation von Unternehmern in den<br />

Entwicklungsländern nutzen, die sich ihrer<br />

sozialen Verpflichtung bewusst sind.<br />

Urs Egger: Die soziale Verantwortung<br />

grosser Konzerne führt dazu, dass die Verringerung<br />

von Armut in das Geschäftsmodell<br />

vieler dieser Firmen integriert wird. Unternehmen<br />

der Finanzbranche können MFI zudem<br />

Finanzprodukte anbieten.<br />

María Otero: Die Mikrofinanzbranche braucht<br />

diese Unternehmen, um an Grösse zu gewinnen.<br />

Die Konzerne wiederum müssen eine<br />

Gewinnmöglichkeit sehen, wenn sie sich beteiligen<br />

sollen. Die Mittel aus der Privatwirtschaft<br />

würden den Armen helfen, und die<br />

MFI, die Gewinn erzielen, hätten dann das<br />

nötige Kapital, um noch mehr Menschen Kredite<br />

und Finanzdienstleistungen anzubieten.<br />

Rupert Scofield: Der Beitrag, der mir am<br />

wichtigsten erscheint, ist, zusammen mit MFI


Foto:<br />

<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

einen Weg zu finden, um die Mikrokreditnehmer<br />

in die normale Wirtschaft zu integrieren,<br />

indem sie diesen Unternehmern entweder<br />

Dienstleistungen anbieten oder ihre Produkte<br />

abkaufen oder sich sonst auf eine Weise an<br />

deren Unternehmen beteiligen.<br />

Welchen Beitrag kann die Politik in<br />

diesem Kampf leisten?<br />

Urs Egger: Die Regierungen in den Entwicklungsländern<br />

sollten ein angemessenes<br />

Umfeld für den Kampf gegen die Armut<br />

schaffen, etwa indem sie der Bevölkerung,<br />

auch den Armen, eine minimale schulische<br />

Ausbildung ermöglichen. Sie sollten die Infrastrukturen<br />

ausbauen und eine Steuerund<br />

Handelspolitik betreiben, die die Privatwirtschaft<br />

stützt. Die Industrieländer sind<br />

aufgerufen, ihre Märkte für Güter aus den<br />

Entwicklungsländern zu öffnen.<br />

«Die soziale Verantwortung<br />

grosser Konzerne führt<br />

dazu, dass die Verringerung<br />

von Armut in das Geschäftsmodell<br />

vieler dieser Firmen<br />

integriert wird.»<br />

Urs Egger<br />

Rupert Scofield: Politiker sowohl in Entwicklungsländern<br />

als auch in den reichen Ländern<br />

müssen den politischen Willen aufbringen,<br />

den Kampf gegen die Armut ganz oben auf<br />

ihre Traktandenliste zu setzen. Für viele Entwicklungsländer<br />

bedeutet dies, gesetzliche<br />

Regeln entsprechend anzupassen.<br />

Kadita A. T. Tshibaka: Es ist an den Regierungen<br />

in den Entwicklungsländern, die<br />

notwendige Infrastruktur zu schaffen, damit<br />

die MFI mehr Menschen möglichst effizient<br />

erreichen. Gesetzliche Regelungen müssen<br />

den Besonderheiten von MFI Rechnung<br />

tragen.<br />

John Tobin: Nichtstaatliche Organisationen,<br />

Konzerne und Regierungen müssen gemeinsam<br />

die Rahmenbedingungen festlegen, um<br />

die richtigen Anreize zu schaffen, damit die<br />

Mikrokredite für die Verbesserung der Lebensumstände<br />

von Millionen von Menschen<br />

entwickelt und gefördert werden.<br />

María Otero: Wenn beispielsweise Entwicklungsländer<br />

Zinsobergrenzen festlegen oder<br />

aus parteipolitischen Gründen eigene Billigangebote<br />

im MF­Bereich anbieten, können<br />

Mikrofinanzprojekte torpediert werden, da<br />

kleine Kredite relativ hohe Kosten verursachen.<br />

Industrieländer wie die USA können<br />

dabei ihren Einfluss geltend machen, damit<br />

den multilateralen Organisationen ein Mitspracherecht<br />

bei der Ausgestaltung der entsprechenden<br />

gesetzlichen Regelungen eingeräumt<br />

wird. Ohne derartige Regelungen<br />

werden sich Finanzinstitute nämlich nicht im<br />

Mikrofinanzbereich engagieren.<br />

Und noch eine letzte Frage: Wie sieht<br />

Ihrer Meinung nach die zukünftige<br />

Entwicklung der Mikrofinanzbranche aus?<br />

Rupert Scofield: Dazu müssen wir zunächst<br />

einmal festhalten, wie viele Kunden die Branche<br />

gegenwärtig bedient. Aktuelle Schätzungen<br />

nennen meines Wissens 154 Millionen.<br />

In absehbarer Zukunft wird sich ihre<br />

Zahl auf mehr als 300 Millionen erhöhen.<br />

Dann hätten wir 1,5 Milliarden Menschen, die<br />

am unteren Ende der Einkommenspyramide<br />

stehen, in den normalen Finanzsektor integriert.<br />

Dieses Ziel wird die Mikrofinanzbranche<br />

aber am ehesten durch eine stärkere<br />

privatwirtschaftliche Ausrichtung erreichen.<br />

John Tobin: Wir sind überzeugt, dass sie<br />

weiter wachsen wird – zum Vorteil von MFI,<br />

Kreditnehmern und Investoren.<br />

Urs Egger: Auch ich bin überzeugt, dass die<br />

Mikrofinanz auf einem breiteren Fundament<br />

stehen wird mit nachhaltigeren Mikrofinanzinstituten.<br />

Neben ihrem Angebot für Arme<br />

sollten diese Institute auch Finanzprodukte<br />

für kleine und mittelständische Unternehmen<br />

entwickeln. Nur mit derartigen Unternehmen<br />

können die Probleme wie Arbeitslosigkeit<br />

und fehlende Perspektiven in unseren Partnerländern<br />

gelöst werden.<br />

María Otero: Wenn wir den gewinnorientierten<br />

Ansatz weiterverfolgen, die Kapitalmärkte<br />

anzapfen und das Angebot ausweiten,<br />

können wir Millionen armer Unternehmer<br />

unterstützen und beträchtliche Fortschritte<br />

beim Aufbau eines Finanzsystems machen,<br />

das niemanden ausschliesst.<br />

Kadita A. T. Tshibaka: In dem Mass, wie die<br />

Branche sich etabliert, steigt auch die Gefahr,<br />

dass sie sich immer stärker auf kreditwürdige<br />

Kunden konzentriert. Es muss jedoch<br />

unser Hauptanliegen bleiben, für die da<br />

zu sein, die unsere Hilfe am nötigsten haben,<br />

die aus ihrer Heimat vertrieben wurden, die<br />

in ländlichen Gebieten leben oder die von<br />

traditionellen Banken als kreditunwürdig<br />

betrachtet werden. Nur wenn wir dieses Ziel<br />

nicht aus den Augen verlieren, können wir<br />

eine Welt schaffen, in der auch Arme einen<br />

Zugang zum Wirtschaftsleben haben und in<br />

der sie hoffen dürfen, ihre Armut einmal<br />

hinter sich zu lassen. Mandana Razavi<br />

<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> 4<br />

Die <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> und Mikrofinanz<br />

Die <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

engagiert sich bereits seit<br />

2001 in der Mikrofinanz und<br />

war entscheidend an der<br />

Gründung der responsAbility<br />

Social Investments AG beteiligt.<br />

Gegenwärtig sind<br />

Gelder aus dem responsAbility<br />

Global Microfinance<br />

Fund in mehr als 200 MFI in<br />

43 Ländern investiert und<br />

erreichen damit mehr als<br />

300 000 Kleinstunternehmer.<br />

Die <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bietet auch<br />

diverse Beratungsdienstleistungen<br />

im Mikrofinanzsektor<br />

an, wie etwa beim<br />

Börsengang der Banco Compartamos<br />

im April 200 –<br />

dem ersten Börsengang in<br />

der Mikrofinanzbranche<br />

überhaupt. Vom 11. Juni bis<br />

2. Juli 200 gastierte<br />

die Wanderausstellung mit<br />

dem Titel «Mikrofinanz –<br />

Eine Investition, die Chancen<br />

schafft» im <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

Lichthof am Paradeplatz<br />

Zürich. An der Ausstellung<br />

erhielten Besucher einen<br />

Einblick in die Funktionsweise<br />

und die Erfolgsgeschichte<br />

der Mikrofinanz.<br />

� Bestellen Sie mittels Talon im Heft<br />

kostenlos die DVD «Mikrofinanz – Eine<br />

Investition in die Entwicklung der Welt».<br />

<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 3/<strong>09</strong>


48 <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

Umbau für ein gutes Klima<br />

Die <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> baut ihr grösstes Bürogebäude, den Uetlihof Zürich, nach<br />

dem umwelt­ und gesundheitsschonenden Baustandard Minergie­P­ECO<br />

aus. 2000 Arbeitsplätze werden vom Stadtzentrum ins neue Gebäude verlegt.<br />

Bei eisiger Kälte hat im Dezember 2008<br />

der umweltgerechte Rückbau des Uetlihof 2<br />

(UH2) in Zürich begonnen. Vor dem Hintergrund<br />

der Arbeitsplatzzentrierung im Rahmen<br />

der Raumstrategie Zürich – die Stadtarbeitsplätze<br />

werden weitgehend an die Peripherie<br />

verlegt – wird auf dem Fundament des UH 2<br />

das grösste Bürogebäude der Schweiz<br />

e rbaut, das nach dem umweltschonenden<br />

Standard Minergie­P­ECO zertifiziert werden<br />

soll. Mit der Grundsteinlegung am 22. Juni<br />

erfolgte der offizielle Spatenstich für den<br />

Neubau. Bis Herbst 2011 sollen über 2000<br />

Arbeitsplätze in das neue Gebäude verlegt<br />

werden. In weiteren Phasen werden der<br />

Haupteingang des Uetlihofs 1 (UH 1), die<br />

Bankgeschäftsstelle sowie das Auditorium<br />

den heutigen Bedürfnissen angepasst.<br />

1<br />

2 3<br />

Die neuen Arbeitsplätze werden nach modernsten<br />

Erkenntnissen ausgebaut. Neben<br />

Abgrenzungen und Arbeitsnischen werden<br />

auch offene Flächen geschaffen, wo Kommunikation<br />

und Austausch stattfinden kann.<br />

Ziel ist eine Arbeitsumgebung, die Raum<br />

für Innovation und Spontaneität lässt. Bahnbrechend<br />

am neuen Haus ist aber vor allem<br />

die geplante Zertifizierung nach Minergie­<br />

P­ECO. Der neue UH 2 wäre, wie gesagt,<br />

das grösste so zertifizierte Bürogebäude<br />

des Landes. Das Vorhaben bedingt, dass<br />

beim Bau sämtliche Vorgaben des Labels<br />

eingehalten werden. Diese beinhalten unter<br />

anderem: eine kompakte Gebäudeform, hochwärmedämmende<br />

Aussenbauteile, energieeffiziente<br />

Fenster, stetige Lufterneuerung,<br />

optimale Beleuchtung und energieeffiziente<br />

Bürogeräte. Ein jährlicher Heizölverbrauch<br />

von maximal 3 Litern/m 2 ist der umweltschonende<br />

Gewinn solcher Passivhäuser.<br />

Zur Beheizung des UH lässt sich noch einiges<br />

mehr sagen; so wird der neue Gebäudekomplex<br />

grundsätzlich über Abwärme aus<br />

dem Rechenzentrum geheizt. Mit dem Wärmeüberschuss,<br />

der über das Jahr hinweg im<br />

UH anfällt, wird zusätzlich ein lokaler Wärmeverbund<br />

beliefert. Beispielsweise beziehen<br />

das nahegelegene Strassenverkehrsamt,<br />

rund 400 Pensionskassen­Liegenschaften<br />

und die Migros Brunaupark ganzjährig Wärme<br />

vom UH.<br />

Die <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> hat sich mit der bankweiten<br />

Initiative <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> Cares for<br />

Climate verpflichtet, die natürlichen Ressourcen<br />

der Erde zu schonen, die Energiekosten<br />

des Betriebs tief zu halten und gezielt<br />

den Einsatz von erneuerbaren Energien zu<br />

fördern. Damit möchte sie eine Vorbildfunktion<br />

und Verantwortung wahrnehmen sowie<br />

einen messbaren Beitrag zur Erreichung der<br />

weltweiten Klimaschutzverpflichtungen leisten.<br />

Die <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> kommt diesen Zielen<br />

mit dem neuen UH 2 einen grossen Schritt<br />

1 und 2 Spatenstich am 22. Juni mit der Zürcher Stadträtin Kathrin Martelli sowie – von Seiten der <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> – Martin Kull, Rolf Krummenacher, Luther Terry,<br />

Josef Meier und Daniel Bucheli (von links). 3 2000 zusätzliche Arbeitsplätze: der Erweiterungsbau Uetlihof 2 in Zürich als computersimuliertes Bild.<br />

bulletin 3/<strong>09</strong> <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

Fotos: Rainer Wolfsberger | <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> | Antonin Kratochvil, ICRC, Vll


näher. Die zusätzliche Zertifizierung nach<br />

Minergie ­ECO garantiert zudem, dass<br />

Bauweise und Baumaterialien hohe gesundheitliche<br />

und ökologische Qualitätsstandards<br />

erfüllen. Dazu gehören beispielsweise<br />

optimierte Tageslichtverhältnisse,<br />

geringe Lärmemissionen, minimale Schadstoffbelastungen<br />

der Raumluft und allgemein<br />

ein zuträgliches Raumklima. Den Mitarbeitenden<br />

der <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> werden<br />

damit gesunde Arbeitsplätze zur Verfügung<br />

gestellt. Valérie Clapasson Fahrni<br />

Energieeffizienzwoche<br />

Im März 200 fand im UH 1<br />

eine Energieeffizienzwoche<br />

statt, die mit 800 Besuchenden<br />

regen Zuspruch fand.<br />

Die Mitarbeitenden konnten<br />

sich mit dem Erweiterungsbau<br />

des UH 2 vertraut<br />

machen und über den interaktiven<br />

Wattrechner ihre<br />

persönliche Energiebilanz<br />

ausrechnen. Je nach<br />

Mobilität, Wohnform oder<br />

Essverhalten wurde dort<br />

ersichtlich, wie viel Energie<br />

sie täglich verbrauchen<br />

und wo Sparpotenzial<br />

besteht. Beraten wurden<br />

sie dabei von Spezialisten<br />

des internen Kompetenzzentrums<br />

für betriebliches<br />

Energie- und Umweltmanagement<br />

sowie von<br />

Experten vom Verein Minergie<br />

und dem Elektrizitätswerk<br />

der Stadt Zürich.<br />

Ziel der Stadt ist es, bis<br />

2050 einen Maximal-Pro-<br />

Kopf-Verbrauch von 2000<br />

Watt zu erreichen. Weniger<br />

Energie soll durch Sparen<br />

und effizientere Haushaltgeräte<br />

verbraucht werden,<br />

und um den CO2-Ausstoss<br />

zu verringern, will man von<br />

fossilen auf erneuerbare<br />

Energien umsteigen.<br />

Our World – Your Move:<br />

Zeit, zu handeln!<br />

�<br />

<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> 4<br />

20<strong>09</strong> ist ein wichtiges Jahr für das Rote Kreuz und den Roten Halbmond:<br />

Gleich drei grosse Jubiläen stehen an. Doch statt zu feiern, wurde eine<br />

neue Kampagne lanciert: Mit «Our World – Your Move» will man die Menschen<br />

weltweit zum Handeln und Helfen aufrufen.<br />

Am 24. Juni 1859 stellten sich französische<br />

und italienische Truppen bei Solferino gegen<br />

die österreichische Besatzungsmacht. Mehr<br />

als 40 000 Soldaten wurden verletzt oder<br />

getötet. Die Verwundeten liess man ohne<br />

Nahrung, Wasser und medizinische Versorgung<br />

auf dem Schlachtfeld zurück. Der<br />

Schweizer Geschäftsmann Henry Dunant,<br />

der zu diesem Zeitpunkt Italien bereiste,<br />

wurde Zeuge dieses Krieges und entschloss<br />

sich kurzerhand, den Verwundeten zu helfen,<br />

gleichgültig, auf welcher Seite sie gekämpft<br />

hatten. Geprägt durch die Erlebnisse in Norditalien<br />

schrieb Dunant in seinem Buch «Eine<br />

Erinnerung an Solferino»: «Alle können auf<br />

die eine oder andere Weise, jeder in seinem<br />

Kreise und seiner Kraft gemäss, irgendetwas<br />

zu diesem guten Werke beitragen.»<br />

Dunant plädierte für die Gründung einer<br />

neutralen, unparteiischen Organisation zum<br />

Schutz der Kriegsverletzten, aus der später<br />

das IKRK hervorgehen sollte. Er regte auch<br />

die Bildung von freiwilligen Hilfsgesellschaften<br />

für die Verwundetenpflege an. Diese<br />

Gesellschaften sollten durch internationale<br />

Verträge abgesichert werden. Daraus entwickelten<br />

sich die Genfer Konventionen, deren<br />

60­jähriges Bestehen im August dieses Jahres<br />

gefeiert wird.<br />

Die Herausforderungen unserer Zeit<br />

Jeden Tag leiden tausende von Menschen<br />

auf der ganzen Welt unter Krieg, Hunger,<br />

Armut, Verfolgung, zerrissenen Familienbanden,<br />

Klimawandel und Naturkatastrophen.<br />

Um an diese traurige Realität zu erinnern und<br />

die Öffentlichkeit zum Handeln zu bewegen,<br />

hat die grösste humanitäre Organisation im<br />

Mai die Kampagne «Our World –Your Move»<br />

lanciert, die von der <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> als Mitglied<br />

der ICRC Corporate Support Group unterstützt<br />

wird.<br />

Menschen aus aller Welt sind aufgerufen,<br />

zu handeln und nach Lösungen für die humanitären<br />

Herausforderungen unserer Zeit<br />

zu suchen. Weitere Informationen, darunter<br />

«Our World – At War »: Gezeigt werden Fotos,<br />

die während Reisen in krisengeschüttelte Länder<br />

entstanden sind – aufgenommen von den Kriegsfotografen<br />

James Nachtwey, Ron Haviv, Christopher<br />

Morris, Franco Pagetti und Antonin Kratochvil.<br />

auch persönliche Berichte, Fotos, Videos und<br />

Blogs, in denen die Arbeit von Freiwilligen<br />

geschildert wird, finden sich auf der Website<br />

www.ourworld­yourmove.org.<br />

Jakob Kellenberger, Präsident des IKRK,<br />

unterstreicht die Bedeutung der Kampagne,<br />

die gerade in Zeiten der Wirtschaftskrise<br />

besonders wichtig ist: «Es liegt in unserer<br />

Verantwortung, die Welt zu einem besseren<br />

Ort zu machen. Jeder Einzelne von uns kann<br />

einen Beitrag leisten und anderen helfen,<br />

indem er etwa ein wenig Zeit mit einem<br />

älteren Nachbarn verbringt oder einer durch<br />

Krieg obdachlos gewordenen Familie Nahrung<br />

und Unterkunft bietet.»<br />

Fotoausstellung «Our World – At War»<br />

Teil der Kampagne «Our World – Your Move»<br />

ist auch eine Fotoausstellung mit dem Titel<br />

«Our World – At War ». Das IKRK hat sie zusammen<br />

mit fünf der wohl bekanntesten<br />

Kriegsfotografen der Gegenwart, die alle für<br />

die VII Photo Agency in New York arbeiten,<br />

ausgerichtet. Mandana Razavi<br />

Informationen zu Kampagne und<br />

Fotoausstellung finden Sie unter<br />

www.ourworld-yourmove.org.<br />

<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 3/<strong>09</strong>


50 <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

Verkehrshaus Luzern<br />

Escher­Statue für Verkehrshaus<br />

Im Rahmen eines Besuchs der Zentralschweiz am 6. Mai<br />

machte Brady W. Dougan (links im Bild) auch kurz im<br />

Verkehrshaus<br />

Luzern Halt. Begleitet von Werner Raschle,<br />

Regional Head Zentralschweiz der <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> (Mitte),<br />

und Roger Suter, dem neuen Regionenleiter Private<br />

Clients, überreichte Dougan im Namen der <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

Foundation dem Verkehrshaus, das dieses Jahr sein<br />

50-jähriges Bestehen feiert, eine Statue von Alfred Escher.<br />

Warum die Skulptur des <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> Gründers<br />

ihren Ehrenplatz ausgerechnet am Eingang zur Gotthardtunnelschau<br />

erhielt, erklärte Daniel Lauterburg, Vertreter<br />

des Verkehrshauses (rechts), den Anwesenden in<br />

seiner Dankesrede: «Escher gründete 1856 die Schweizerische<br />

Kreditanstalt. Was viele jedoch nicht wissen: Der<br />

eigentliche Zweck der neuen Bank bestand darin, den<br />

A usbau des Eisenbahnnetzes zu finanzieren, um die Industrialisierung<br />

der Schweiz voranzutreiben. Alfred Escher<br />

war die Schlüsselfigur beim Bau des Gotthardtunnels.»<br />

Der CEO der <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> zeigte sich beeindruckt von der<br />

Entstehungsgeschichte des berühmten Schweizer Tunnels<br />

und vom Leben Eschers. Auch Janine Händel, Geschäftsleiterin<br />

des Jubiläumsfonds der <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> Foundation,<br />

war erfreut über den neuen Standort der Statue: «Das<br />

Verkehrshaus vermag Alt und Jung zu faszinieren – eine<br />

ideale Plattform für unseren Gründervater.» Mandana Razavi<br />

bulletin 3/<strong>09</strong> <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

Erdbeben in Italien<br />

Sammeln für Opfer in Italien<br />

Die Mitarbeitenden der <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

vermochten im Rahmen einer<br />

Spendenaktion im April 70 000 Euro<br />

für die Erdbebenopfer in Italien<br />

zusammenzutragen. Der Katastrophenhilfe­Fonds<br />

der <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

erhöhte die Spenden der Mitarbeitenden<br />

darüber hinaus um das<br />

Doppelte, was einer Spende von<br />

140 000 Euro entspricht. Die <strong>Credit</strong><br />

<strong>Suisse</strong> EMEA Foundation steuerte<br />

zusätzliche 13 000 Euro bei und<br />

erhöhte damit den Betrag auf<br />

223 000 Euro. Die Spendengelder<br />

werden für Wiederaufbauprojekte<br />

in den Abruzzen eingesetzt.<br />

Daniela Bertoli<br />

Kunstprojekt für Kinder<br />

Nachwuchskünstler<br />

in der National Gallery<br />

Zusammen mit der gemeinnützigen<br />

Organisation The Place2Be und<br />

der National Gallery ermöglichte<br />

die <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> rund 40 Kindern<br />

aus London die Teilnahme an<br />

einem besonderen Kunstprojekt.<br />

Im vergangenen Herbst besuchten<br />

die Kinder im Rahmen des<br />

Projekts «The Line of Vision» die<br />

National Gallery und bekamen<br />

in den anschliessenden Workshops<br />

Gelegenheit, sich durch die Exponate<br />

der verschiedenen Künstler<br />

zu eigenen Kreationen inspirieren<br />

zu lassen. Seit April können nun<br />

auch die Werke der jungen Nach­<br />

wuchskünstler in der National<br />

Gallery bestaunt werden. Sichtlich<br />

erfreut über die kreativen Arbeiten<br />

und den Erfolg des Projekts zeigte<br />

sich Benita Refson, Chief Executive<br />

von The Place2Be: «Ich bin überzeugt,<br />

dass wir durch dieses Projekt<br />

das Selbstvertrauen der Kinder<br />

stärken konnten.» Mandana Razavi<br />

Luzern<br />

Menschenrechtsforum<br />

Schützen die Menschenrechte<br />

Religionen oder schränken sie deren<br />

Freiheit ein? Und finden Religionen<br />

in den Menschenrechten einen<br />

gemeinsamen Nenner oder einen<br />

Streitpunkt ? Diese und ähnliche<br />

aktuelle Fragen wurden am 5. und<br />

6. Mai am diesjährigen Internationalen<br />

Menschenrechtsforum<br />

L uzern (IHRF) von renommierten<br />

Experten aus dem In­ und Aus­<br />

land unter dem Motto «Menschenrechte<br />

und Religionen» diskutiert.<br />

Die <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> fungierte dieses<br />

Jahr erstmals als Partner des IHRF.<br />

Das Forumsprogramm bot<br />

den Teilnehmenden nebst regen<br />

Diskussionen zum eigentlichen<br />

Forumsthema aufschlussreiche<br />

Beiträge zur heutigen Menschenrechtssituation.<br />

Der Anlass wird<br />

jährlich von Studentinnen und<br />

S tudenten der Pädagogischen<br />

Hochschule Luzern in Zusammenarbeit<br />

mit dem UNO­Hochkommissariat<br />

für Menschenrechte und<br />

dem Eidgenössischen Departe­<br />

ment für auswärtige Angelegenheiten<br />

durchgeführt. Fabian Huwyler<br />

Die <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> ist überzeugt, dass die unternehmerische Verantwortung gegenüber<br />

der Gesellschaft und der Umwelt ein wichtiger Faktor für den wirtschaftlichen Erfolg ist.<br />

Fotos: Martin Stollenwerk | <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong>


ulletin plus –<br />

das Heft im Heft für<br />

Schweizer Leser<br />

Risikobewusstes Anlegen ist angesagt<br />

Die gute Nachricht vorweg: Es gibt am Finanz- und Wirtschaftshimmel ermutigende Anzeichen<br />

der Erholung. Nach einer tiefgreifenden globalen Krise ist dies genauso erfreulich<br />

wie wichtig. Die Anleger haben ihre Lehren gezogen und sind wesentlich risikobewusster<br />

geworden. Empfehlenswert ist eine breite Diversifizierung des Portfolios, nicht nur<br />

zwischen allen Anlagekategorien, sondern auch zwischen liquiden und weniger liquiden<br />

Anlageinstrumenten und über die ganze Bandbreite finanzieller Anbieter hinweg. Weitere<br />

Erschütterungen sind nicht auszuschliessen, doch sollte man sich vor Überreaktionen<br />

hüten. Das neue Magazin «Anlegen» bietet eine Fülle von grundlegenden Informationen.<br />

Magazin der <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> | August 20<strong>09</strong><br />

Anlegen<br />

Seite 4 Marktausblick Wie geht es weiter ? | Seite 6 Portfolio Neuste Trends | Seite 11 Indexnah anlegen Einfach und<br />

bequem | Seite 12 Konjunkturzyklen Die Auswirkungen | Seite 14 Blue-Chip-Firmen Krisenresistent | Seite 15<br />

Inflation Global gefallen | Seite 16 Kleine Beträge Anlegen statt sparen | Seite 18 Vorsorge Sicherheit durch 3. Säule


52 Wirtschaft KMU­Studie<br />

KMU:<br />

Und als Nächstes die Rohstoffklemme?<br />

Die letztjährige Ölpreishausse kam einem Weckruf für die Schweizer Unternehmen<br />

gleich. Zwar stehen in der aktuellen Wirtschaftskrise konjunkturelle Probleme im<br />

V ordergrund. Doch zeigt eine Umfrage bei 1800 Schweizer KMU: Strukturelle Herausforderungen<br />

wie steigende Ressourcenpreise, eine unsichere Rohstoffversorgung<br />

und Talentknappheit bleiben bestehen und werden sich noch akzentuieren, sobald<br />

die Wirtschaft wieder anzieht.<br />

Text: Christian Etzensperger, Economic Research, Zürich<br />

Die Suche nach Alternativen zu fossilen Rohstoffen<br />

gestaltet sich weiterhin schwierig. In<br />

der Schweiz ist das Potenzial der Wasserkraft<br />

weitgehend ausgeschöpft, Kohle ist aus<br />

Umweltgründen unerwünscht, die Nuklearenergie<br />

stösst auf grossen Widerstand in der<br />

Bevölkerung, und die Strommengen aus<br />

Sonnen­ und Windenergie sind noch gering.<br />

Die Schweizer KMU tun also gut daran, sich<br />

auf ein garstiges Energie­ und Rohstoffumfeld<br />

mit hohen Preisen und unberechenbaren<br />

Preisschwankungen einzustellen.<br />

bulletin 3/<strong>09</strong> <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

Grundsätzlich sind die KMU sich ändernde<br />

Rahmenbedingungen und Preisdiktate zwar<br />

gewohnt. Die Ressourcenknappheit stellt<br />

aber insofern einen Sonderfall dar, als sich<br />

die Schweizer KMU über Jahrzehnte an günstige<br />

Ressourcen gewöhnt hatten.<br />

Die heute beobachteten Rohstoffpreisschwankungen<br />

im hohen zweistelligen Prozentbereich<br />

sind ein neues Phänomen. Über<br />

Jahrzehnte war Strom aus Schweizer Stauseen<br />

für die heimische Industrie günstig.<br />

Abgesehen von den 1970er­Jahren war auch<br />

Öl stets billig. Aus <strong>Deutschland</strong> kam subventionierte<br />

Kohle. Selbst Arbeitskräfte konnten<br />

als Saisonniers unter günstigen Bedingungen<br />

zu Zehntausenden in den Nachbarländern<br />

rekrutiert werden.<br />

Sowohl bei den natürlichen Ressourcen<br />

wie auch im Fall der Arbeitskräfte stiess<br />

man erst im Wirtschaftsboom 2004 –2008<br />

schmerzhaft an Grenzen. Plötzlich vervielfachten<br />

sich die Treibstoffausgaben, wurden qualifizierte<br />

Arbeitskräfte knapp und blieben auf<br />

den Beschaffungsmärkten die Rohstoffe<br />

><br />

Foto: Georgios Kefalas, Keystone


KMU­Studie Wirtschaft 53<br />

<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 3/<strong>09</strong>


54 Wirtschaft KMU­Studie<br />

bulletin 3/<strong>09</strong> <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong>


aus, weil die Produktion mit der weltwei­<br />

ten Nachfrage nicht mehr Schritt halten<br />

konnte. Dann brach die Rezession herein<br />

und schwemmte das Ressourcenproblem<br />

scheinbar weg. In Tat und Wahrheit wurde<br />

die strukturelle Problematik vom Konjunktureinbruch<br />

nur überlagert, und jede Konjunkturbewegung<br />

ist ein zeitlich befriste­<br />

tes Phänomen. In einigen Fällen diente<br />

die einbrechende Konjunktur gar dazu, die<br />

Unbedarftheit gegenüber den anstehenden<br />

strukturellen Veränderungen (steigende<br />

Energie­ und Rohstoffpreise, Klimaerwärmung<br />

oder auch technologischer Fortschritt)<br />

zu kaschieren.<br />

Einsparpotenzial unterschätzt<br />

Erst ein problematischer Umgang mit Ressourcen<br />

macht die Ressourcenknappheit<br />

zum Problem. Ressourcen werden verschwendet,<br />

wenn das Einsparpotenzial unterschätzt<br />

oder die Opportunitätskosten<br />

vernachlässigt werden. Verschwendung<br />

kann in der Produktion oder der Verwendung<br />

stattfinden. Innovationen auf Produktionsseite<br />

sollten stets auf der Verbraucher­<br />

beziehungsweise Abnehmerseite ihren Gegenpart<br />

haben. Wird ein elektronisches<br />

E­Mail ausgedruckt, trägt seine Erfindung<br />

und «Produktion» nichts zum papierlosen<br />

Büro bei. Deshalb ist es besonders begrüssenswert,<br />

wenn KMU mit ihren Kunden oder<br />

Lieferanten nach gemeinsamen Lösungen<br />

suchen.<br />

Der Ressourceneinsatz kann durch die<br />

Substitution eines knappen, teuren Rohstoffes<br />

durch einen anderen Rohstoff,<br />

durch einen neuen Werkstoff mit vergleichbaren<br />

Eigenschaften oder mit einer komplett<br />

neuen Anwendung, die den bisherigen<br />

Rohstoff ersetzt, vermindert werden. Eine<br />

Teilsubstitution von Rohstoffen führt kurzfristig<br />

zu einer Flexibilisierung des Unternehmens<br />

gegenüber Marktschwankungen<br />

und langfristig zu einer breiteren Abstützung<br />

der Innovationstätigkeit auf Basis<br />

mehrerer Rohstoffe.<br />

Kurzfristige Preisschwankungen können<br />

mittels Überwälzung oder durch Hedging<br />

abgefedert werden. Langfristig führt aber<br />

kein Weg an strategischen Massnahmen –<br />

meist einer Kombination von Effizienzsteigerung<br />

und Substitution – vorbei.<br />

KMU-Umfrage 200<br />

In der Einschätzung der Ressourcenknappheit<br />

zeigen sich die KMU gespalten. Die<br />

Risiken dominieren die Chancen leicht,<br />

Letztere scheinen aber im Aufwind. Gerade<br />

im Bau gewinnen die Optimisten in dem<br />

Masse die Oberhand, wie das Potenzial an<br />

Gebäudesanierungen ersichtlich wird. Mehr<br />

als ein Viertel sieht daher die Ressourcenknappheit<br />

als grosse Chance. Andererseits<br />

ist der Bau – ähnlich wie die Investitionsgüterindustrie<br />

und das Gewerbe – stark<br />

von Vorleistungs­ und Energiepreisen abhängig.<br />

81 Prozent der KMU gehen von<br />

deutlich steigenden Preisen in den nächsten<br />

drei Jahren aus. Dies wiederum hat<br />

für die meisten KMU in Industrie, Gewerbe,<br />

Bau, Verkehr und Tourismus grossen Einfluss<br />

auf die Investitionsentscheide. Je<br />

grösser das Unternehmen, desto weniger<br />

ist es in der Lage, auch auf Schwankungen<br />

im Tagesgeschäft zu reagieren.<br />

KMU wissen die Krise zu nutzen<br />

Jede vierte KMU hat bezüglich Ressourcenknappheit<br />

bereits Massnahmen ergriffen,<br />

ein weiteres Drittel hat welche in Planung.<br />

So dürften einige KMU die Krise nutzen, um<br />

ihre Produktion energieeffizienter zu gestalten.<br />

84 Prozent der KMU glauben, dass<br />

sich Investitionen in die Energieeffizienz<br />

auszahlen. Schwer tun sich die KMU mit<br />

dem Weitergeben höherer Kosten an ihre<br />

Kunden. Den meisten gelingt dies nur in<br />

marginalem Umfang. Grosse KMU sind<br />

diesbezüglich erfolgreicher als kleine.<br />

Staatsinterventionen polarisieren<br />

Die Frage, ob Staatshilfe wie Subventionen<br />

oder Steuererleichterungen notwendig<br />

sind, polarisiert. Die Exportindustrie und<br />

namentlich die Investitionsgüterindustrie<br />

lehnen Hilfe vom Staat überwiegend ab.<br />

Sie sind überzeugt, der Ressourcenproblematik<br />

aus eigener Kraft begegnen zu können.<br />

Hingegen sind Bauwirtschaft und Gewerbe<br />

als Binnenbranchen für Staatshilfe<br />

weit empfänglicher. Unter den Regionen<br />

findet eine Mehrheit der Tessiner KMU<br />

Staatshilfe für politisch wünschenswert,<br />

was in Zürich und der Nordwestschweiz auf<br />

breite Ablehnung stösst.<br />

KMU sehen Technologie und Wissen<br />

54 Prozent (Vorjahr: 52 Prozent) der KMU<br />

bewerten die Auswirkungen der sechs Megatrends<br />

zusammengenommen als chancenreich.<br />

Für knapp 23 Prozent (Vorjahr:<br />

29 Prozent) überwiegen die Risiken. Dies<br />

ergibt per Saldo (Chancen minus Risiken)<br />

einen Überhang an optimistischen Antworten<br />

von 31 Prozent (Vorjahr: +27 Prozent). ><br />

in Prozent<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

klar<br />

höher<br />

Vorleistungen<br />

Betriebsmittel<br />

in Prozent<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

KMU­Studie Wirtschaft 55<br />

1 Was erwarten die KMU<br />

bezüglich Rohstoffpreisen?<br />

Mehr als drei Viertel der KMU erwarten höhere<br />

Rohstoffpreise.<br />

Quelle: <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> Economic Research KMU­Umfrage 20<strong>09</strong><br />

leicht<br />

höher<br />

auf<br />

gleichem<br />

Niveau<br />

2 Auf welche Massnahmen<br />

setzen die KMU?<br />

tiefer weiss<br />

nicht<br />

Als Antwort auf die Verknappung der Rohstoffe<br />

soll die Effizienz gesteigert und Kosten sollen<br />

überwälzt werden. Quelle: KMU­Umfrage 20<strong>09</strong><br />

Substitution: Produktionsfaktoren, die im Preis<br />

steigen, werden ersetzt<br />

Optimierung: (Energie-)Effizienz wird gesteigert,<br />

Prozesse werden verbessert<br />

Hedging: Preisentwicklung wird abgesichert<br />

Überwälzung: Ich erhöhe die Preise meiner Produkte<br />

Andere<br />

3 Welche Art Hilfe erwarten die KMU?<br />

Wenn Hilfe, dann am ehesten in Form von<br />

Subventionen und Beratungen.<br />

Quelle: KMU­Umfrage 20<strong>09</strong><br />

in Prozent<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

Ja, vom Staat (z. B. in Form von Subventionen<br />

oder Steuererleichterung)<br />

Ja, in Form von Beratung (z. B. durch Fachverbände)<br />

Andere<br />

Nein, nicht nötig<br />

<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 3/<strong>09</strong>


56 Wirtschaft KMU­Studie<br />

Dies zeigt, dass die Unternehmen angesichts<br />

des Konjunktureinbruches nicht in<br />

Schockstarre verfallen. Der technologische<br />

Fortschritt wird von allen Megatrends am<br />

chancenreichsten eingeschätzt. Beinahe<br />

80 Prozent der KMU stimmt er optimistisch.<br />

Als positiv taxieren die KMU auch die Wissensgesellschaft<br />

(+62 Prozent), den Wertewandel<br />

(+25 Prozent) und überraschend<br />

deutlich die Globalisierung (+20 Prozent).<br />

Der demografische Wandel wird hingegen<br />

neutral eingeschätzt (+2 Prozent).<br />

Wenig protektionistische Reflexe<br />

Trotz der Krise wird die Globalisierung in allen<br />

drei Landesteilen positiv eingeschätzt. Befürchtungen,<br />

wonach die Wirtschaftskrise<br />

protektionistische Reaktionen hervorrufen<br />

würde, erweisen sich damit als unbegründet.<br />

Nur jedes zehnte KMU sieht in der Globalisierung<br />

in erster Linie ein grosses Risiko. Für<br />

jedes fünfte ist sie indes eine grosse Chance.<br />

Negativ ist die Einschätzung einzig beim<br />

Gewerbe, das stark binnenorientiert produziert.<br />

<<br />

Die <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> als strategischer<br />

Partner der KMU<br />

Die erste KMU-Umfrage wurde<br />

Anfang 200 im Rahmen des<br />

«Forum Zukunft KMU» lanciert,<br />

mit dem Ziel, als strategischer<br />

Partner der KMU Gedanken anzustossen<br />

und einen Diskussionsbeitrag<br />

im Hinblick auf die Megatrends<br />

zu leisten. Sowohl Kunden<br />

als auch Nichtkunden nehmen<br />

an der Umfrage teil. Die jährlich<br />

erscheinende Publikation finden<br />

Sie im Internet unter www.creditsuisse.com/research<br />

(Schweizer<br />

Wirtschaft/Branchen). Zudem<br />

werden die Ergebnisse in<br />

regionalen Anlässen vertieft<br />

behandelt und Handlungsmöglichkeiten<br />

diskutiert.<br />

bulletin 3/<strong>09</strong> <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

Schweizer Exportwirtschaft<br />

im Zeichen der Krise<br />

Die Krise hat die Weltwirtschaft hart getroffen. Für die Schweiz, die jeden<br />

zweiten Franken im Ausland verdient, ist dies eine besonders unangenehme<br />

Entwicklung. Durch die Struktur der Schweizer Exportwirtschaft<br />

ergibt sich jedoch ein positiveres Bild.<br />

Die <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> hat basierend auf konjunkturellen<br />

Vorlaufindikatoren, also solchen,<br />

die dem allgemeinen Wirtschaftsverlauf<br />

vorgreifen, ein Exportbarometer für die<br />

Schweiz erstellt. Es zeigt an, wie sich die<br />

Schweizer Ausfuhren aufgrund der Entwicklung<br />

unserer Handelspartner in den<br />

nächsten Monaten entwickeln werden. Da<br />

praktisch die ganze Welt von der Krise erfasst<br />

wurde, werden auch die Schweizer<br />

Exporte abnehmen. Sobald aber der weltweite<br />

Wirtschaftsabschwung abklingt, beginnen<br />

die strukturellen Vorteile der Schweizer<br />

Exporteure wieder zu spielen. Worin<br />

bestehen diese?<br />

Immer mehr in alle Welt<br />

Obwohl immer noch zu 60 Prozent auf<br />

E uropa konzentriert, stiegen Schweizer Exporte<br />

in aussereuropäische Destinationen<br />

in den letzten Jahren besonders stark, nach<br />

China zum Beispiel um das Zehnfache seit<br />

1990. Die Schweizer Exportwirtschaft kann<br />

so regionale Konjunkturabschwünge besser<br />

absorbieren. Sogar in der derzeitigen Krise,<br />

die sehr viele Länder gleichzeitig erfasst<br />

hat, halten sich unsere Ausfuhren in einige<br />

wichtige Schwellenländer noch wacker.<br />

Nicht nur Käse, Schokolade, Uhren<br />

Die Schweizer Wirtschaft ist berühmt für<br />

viele Produkte, Käse und Schokolade zum<br />

Beispiel. Obwohl wichtig und in den letzten<br />

Jahren sehr erfolgreich, können Nahrungsmittel<br />

aber beim Anteil an allen Schweizer<br />

Ausfuhren keine vorderen Plätze belegen.<br />

Ein höheres Gewicht hat der Maschinenbau:<br />

Platz 3 mit 14,9 Prozent aller Schweizer<br />

Exporte. Noch weiter vorne liegen die<br />

Präzisionsinstrumente, die mit 15,5 Prozent<br />

auf Platz 2 kommen. Darin sind Uhren enthalten,<br />

ein weiteres typisches Schweizer<br />

Produkt. Und auf Platz 1 steht die Chemie­/<br />

Pharmabranche.<br />

Zumindest teilweise scheinen die Klischees<br />

also zu stimmen. Und sie nützen der<br />

Schweiz sogar. Denn mit den typisch<br />

schweizerischen Produkten verfügen wir<br />

Chemie- und Pharmaprodukte belegen<br />

Platz 1 auf der Schweizer Ausfuhrliste.<br />

über eine gute Mischung aus relativ abschwungresistenten<br />

Branchen (zum Beispiel<br />

Pharma) und solchen, die überdurchschnittlich<br />

vom Wachstum in den Schwellenländern<br />

profitieren (zum Beispiel Uhren).<br />

Wichtigste Schweizer Stärke: Qualität<br />

Diese Produkte enthalten zudem ein weiteres<br />

Schweizer Klischee: Qualität. Die<br />

hohe durchschnittliche Wertigkeit unserer<br />

Ausfuhren lässt sich mit dem so genannten<br />

Export Unit Value (Wert pro Kilogramm) –<br />

einem approximativen Mass für die Qualität<br />

von Exportprodukten – nachweisen. Im internationalen<br />

Vergleich verfügt das Hochlohnland<br />

Schweiz über einen äusserst hohen<br />

Export Unit Value und damit über einen<br />

strategischen Erfolgsfaktor. Die Schweizer<br />

Exporteure stehen auch im konjunkturellen<br />

Wellental besser da als Nationen, die über<br />

den Preis konkurrieren.<br />

Dennis Brandes, Economic Research, Zürich<br />

�<br />

Weitere Informationen finden Sie in<br />

unserer Studie «Aussenhandel<br />

Schweiz – Fakten und Trends» oder<br />

auf unserer Internetseite:<br />

www.credit-suisse.com/research.<br />

Foto: Gaetan Bally, Keystone


Mobile Werbung Wirtschaft 5<br />

Marketing:<br />

«Mobile Werbung» vor dem Durchbruch<br />

Der globale Werbemarkt wurde von der Wirtschaftskrise arg gebeutelt und verzeichnet<br />

im laufenden Jahr zweistellige Umsatzeinbussen. Das «Mobile Advertising» hingegen,<br />

also Werbung auf mobilen Endgeräten, erfreut sich starken Wachstums. Die zunehmend<br />

einfache Nutzung des mobilen Internets mit handlichen Smartphones eröffnet dem<br />

noch kleinen Markt ein grosses Potenzial.<br />

Text: Uwe Neumann, Equity Research Europe, Zürich<br />

Als sich Tom, ein «cooler » 18­jähriger Londoner,<br />

für den Freitagabend herrichtet, erhält<br />

er eine SMS auf sein Handy. Soweit nichts<br />

Ungewöhnliches, doch in dieser SMS wird er<br />

gefragt, wie er sein Haar gerne tragen würde.<br />

Als Antwort werden ihm drei Möglichkeiten<br />

angeboten: «kind of smart», «sort of messy»<br />

oder «somewhere between». Nachdem er eine<br />

Auswahl getroffen und die Antwort via kostenlose<br />

SMS zurückgeschickt hat, bekommt<br />

er einen Stylingtipp in Form eines Bildes mit<br />

der Werbung für ein Haargel zurückgeschickt.<br />

Der Hersteller des Haargels hatte<br />

eine Werbekampagne via Mobilfunk über den<br />

alternativen Mobilfunk­Dienstleister Blyk geschaltet.<br />

Seit 2008 setzt das britische Unternehmen<br />

Blyk auf ein neuartiges Geschäftskonzept,<br />

und das mit wachsendem Erfolg: Die<br />

Kunden können kostenlos telefonieren und<br />

SMS versenden, wenn sie sich im Gegenzug<br />

bereit erklären, Werbebotschaften auf ihrem<br />

Mobiltelefon zu empfangen. Vor allem junge<br />

Nutzer zwischen 16 und 24 Jahren scheinen<br />

für dieses Angebot empfänglich zu sein. Die<br />

Anzahl der Kunden verdoppelte sich innerhalb<br />

eines Jahres auf 200 000 und Blyk will<br />

dieses offenbar erfolgreiche Konzept künftig<br />

auch in verschiedenen anderen europäischen<br />

Ländern einführen.<br />

Neue Dynamik dank iPhone<br />

Dies ist nur ein Beispiel, wie Werbung mobile<br />

Endgeräte erobern könnte. Dieser Art von<br />

Werbung wurde schon seit geraumer Zeit<br />

eine grosse Zukunft vorausgesagt. Bisher<br />

war der Erfolg allerdings mässig und blieb<br />

deutlich hinter den Industrieschätzungen zurück.<br />

2008 wurden nur etwa 2 Milliarden US­<br />

Dollar mit Mobilfunkwerbung weltweit umgesetzt,<br />

was im Vergleich zum allein für die<br />

USA 300 Milliarden Dollar schweren traditionellen<br />

Werbemarkt in der Tat verschwindend<br />

wenig ist. Mit der Einführung des iPhones<br />

von Apple hat sich die Dynamik im Mobilfunkwerbemarkt<br />

spürbar verbessert. Der im<br />

Vergleich zu anderen Handys grössere Bildschirm,<br />

die einfachere Bedienung der gleichzeitig<br />

ausgebauten Funktionalität (GPS­<br />

Fähigkeit, einfache Videodownloads etc.)<br />

und der unkomplizierte Zugriff auf das mobile<br />

Internet bieten für Werbende auf dieser<br />

Plattform offenbar neue Chancen. Der Industrieforscher<br />

AdMob veröffentlicht monatlich<br />

unter anderem die Marktanteile von über die<br />

verschiedenen Handybetriebssysteme weltweit<br />

erfolgten Werbeabfragen (> siehe Grafik 1).<br />

Das iPhone von Apple liegt hier mit 43 Prozent<br />

weit vor Nokias Symbian, obwohl die installierte<br />

Basis von iPhones wesentlich kleiner ist<br />

als die von Nokia­Geräten. Aufstrebende Tendenz<br />

dürfte auch das von Google initiierte<br />

«Open Source»­Betriebssystem haben, das<br />

von einer Vielzahl von Telecom­Dienstleistern<br />

und Endgeräteherstellern unterstützt<br />

wird. Einige neue Android­Smartphones<br />

><br />

<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 3/<strong>09</strong>


58 Wirtschaft Mobile Werbung<br />

1<br />

Zwei Betriebssysteme dominieren<br />

den mobilen Werbemarkt<br />

200 hielt das iPhone-Betriebssystem<br />

w eltweit den grössten Marktanteil an Werbeabrufen,<br />

gefolgt von Nokias Symbian.<br />

Quelle: AdMob mobile metrics<br />

2<br />

Mrd. USD<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

bulletin 3/<strong>09</strong> <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

43% iPhone OS<br />

36% Symbian OS<br />

9% RIM OS<br />

5% Windows Mobile OS<br />

3% Android<br />

2% Hiptop OS<br />

2% Palm OS<br />

Gigantische Wachstumsprognose<br />

für die Einnahmen<br />

aus mobiler Werbung<br />

Durch den Markteintritt von grossen<br />

Internetplattformen sollen die Erträge von<br />

2 Milliarden (2008) auf 24 Milliarden<br />

US-Dollar (2013) steigen.<br />

Quelle: Gartner<br />

Erträge<br />

06 07 08 <strong>09</strong>E 10E 11E 12E 13E<br />

sollen im zweiten Halbjahr 20<strong>09</strong> auf den<br />

Markt kommen. Für die Werbefirma Publicis<br />

ist die zunehmende Verbreitung breitbandfähiger<br />

Smartphones ein wichtiger Treiber für<br />

den mobilen Werbemarkt. An seinem «Digital<br />

Day» Mitte letzten Jahres zitierte das Unternehmen<br />

Japan, wo die Marktdurchdringung<br />

der 3G­Smartphones nahezu 100 Prozent<br />

erreicht hat und sich die Zuschauerzahl des<br />

Mobilfunkfernsehens innerhalb eines halben<br />

Jahres auf 20 Millionen verdoppelte.<br />

Gemeinsame Strategie erforderlich<br />

Industrieschätzungen in Bezug auf das Marktpotenzial<br />

des mobilen Werbemarktes gehen<br />

noch weit auseinander. Während ABI Research<br />

oder Gartner durch den Markteintritt<br />

der grossen Internetplattformen, wie Google<br />

(Youtube), Microsoft (MSN) und Yahoo, einen<br />

boomenden Markt verspricht, der im Jahr<br />

2013 die Marke von 24 Milliarden US­Dollar<br />

erreichen könnte (> siehe Grafik 2), mahnen<br />

Skeptiker vor zu viel Optimismus und rechnen<br />

mit einer Marktgrösse von höchstens drei bis<br />

vier Milliarden US­Dollar bis 2012. Ihrer Meinung<br />

nach besteht vor allem die Gefahr eines<br />

übertriebenen Eifers von Werbetreibenden,<br />

der zur Verletzung der Privatsphäre und zu<br />

nervtötenden Werbekontakten führen könnte,<br />

was wiederum einen Verlust der Akzeptanz<br />

von Konsumenten für diese Werbeform zur<br />

Folge haben könnte. Um dies zu vermeiden,<br />

müssten die Beteiligten der Wertschöpfungskette,<br />

wie Telecom­Dienstleister, Mediengesellschaften,<br />

Handyhersteller und Internetunternehmen,<br />

einen gemeinsamen Weg<br />

gehen, was sich aber noch nicht abzeichne.<br />

In der Tat gibt es unterschiedliche Interessen<br />

zwischen den Beteiligten. Es ist davon auszugehen,<br />

dass sich die Vorzüge des Mediums<br />

eher früher als später durchsetzen werden.<br />

Nach Einschätzung der <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> entsteht<br />

ein neuer intelligenter Werbemarkt im<br />

Mobilfunknetz, der in vielen Bereichen über<br />

bereits bekannte Internetplattformen betrieben<br />

wird und den gängigen Werbemärkten<br />

im Fernsehen, Radio oder in Zeitschriften<br />

Marktanteile abgewinnen dürfte.<br />

Sensible Kundendaten<br />

Der mobilen Werbung werden vor allem zwei<br />

Vorteile gegenüber den traditionellen Werbeträgern<br />

zugeschrieben. Erstens können<br />

angesichts der über 3,5 Milliarden in Betrieb<br />

befindlichen mobilen Endgeräte weltweit mehr<br />

Menschen erreicht werden als mit irgendeinem<br />

anderen Medium. Die Marktdurchdringung<br />

übersteigt die von Fernsehern und PCs<br />

1<br />

deutlich. Zweitens kann angesichts der den<br />

Telecom­Dienstleistern vorliegenden Kundendaten<br />

(Demografie, Nutzung, Zeitpräferenzen,<br />

Lokalisierung) die Werbung gezielter<br />

eingesetzt werden als über die anderen<br />

M edien. Von Letzterem verspricht man sich<br />

eine höhere Rückmeldungsquote, die ausschlaggebend<br />

für den Werbeerfolg sein kann.<br />

Telecom­Dienstleister gehen mit den Kundendaten<br />

aber verständlicherweise sehr vorsichtig<br />

um und behandeln das Thema noch<br />

stiefmütterlich. Vodafone hat zum Beispiel<br />

eine klare interne Richtlinie formuliert, die<br />

den Umgang mit Kundendaten zu Werbezwecken<br />

sehr konservativ einschränkt. Von<br />

einer eigentlichen Werbestrategie kann noch<br />

keine Rede sein. Vodafones Werbeeinnahmen<br />

beschränken sich vorwiegend auf so<br />

genannte Display­Werbung, die auf dem<br />

Handyportal «Vodafone Live» geschaltet wird.<br />

Die Telecom­Konzerne sind offensichtlich<br />

in Sorge, dass ihre Netze wie im Internet<br />

mit Spam­Mails überflutet werden könnten<br />

und ihre Kunden verärgern. Swisscom etwa<br />

glaubt, dass nur relevante Angebote, wie zum<br />

Beispiel Einkaufsvoucher, auf dem Handy<br />

akzeptiert würden. Gemäss Swisscom könnten<br />

auch Werbedienste angenommen werden,<br />

die dem Handybesitzer Geld und vor<br />

allem Zeit sparen helfen, wie zum Beispiel<br />

ortsbezogene Angebote durch den Erhalt<br />

Fotos: activeMOBILE, eine Angebotsmarke der AdLINK Internet Media AG Schweiz | zur Verfügung gestellt von Apple


2<br />

eines Einkaufscoupons via SMS beim Besuch<br />

eines Shops oder ein Hinweis via<br />

V ideobotschaft, wo userspezifische Sonderangebote<br />

in der Nähe zu finden sind.<br />

Kampf vieler Marktteilnehmer<br />

Neben den Telecom­Dienstleistern und<br />

vielen kleineren Start­up­Gesellschaften,<br />

die sich auf verschiedenste Weise im mobilen<br />

Werbemarkt spezialisiert haben (wie zum<br />

Beispiel oben genannte Blyk oder Yoc in<br />

<strong>Deutschland</strong>, die spezifische Mobilfunk­Markenportale<br />

entwickeln oder erlaubnisbasierte<br />

Werbe­Push­Kampagnen abwickeln), sind<br />

zunehmend auch die werbefinanzierten<br />

3<br />

Internetplattformen wie Google, Facebook,<br />

Myspace (News Corp.), MSN (Microsoft )<br />

oder Yahoo aktiv im Markt.<br />

Ein entscheidender Vorteil für diese Unternehmen<br />

dürfte die zunehmende Öffnung der<br />

Benutzeroberfläche auf den mobilen Endgeräten<br />

werden, die den Zugang zum mobilen<br />

Internet extrem vereinfacht. Das Surfen im<br />

mobilen Internet dürfte so einfach werden<br />

wie im Festnetz. Dafür sorgen – wie oben<br />

erwähnt – die Handy­ und Smartphone­Hersteller,<br />

die ihrerseits auch mitmischen wollen.<br />

Während Apple mit seiner viel besuchten<br />

iTunes­Plattform beste Chancen hat, einen<br />

Teil vom mobilen Werbemarkt zu erobern, be­<br />

Das Klima schützen!<br />

www.holzenergie.ch<br />

Information und Beratung:<br />

Holzenergie Schweiz, Tel. 044 250 88 11<br />

Mobile Werbung Wirtschaft 5<br />

1 Mobile-Banner-Werbung<br />

Auf dem Handyportal geschaltete<br />

Werbebanner funktionieren<br />

nach dem Prinzip des klassischen<br />

Zeitungsinserats.<br />

2 Mobile-Einkaufscoupons<br />

Dank den via SMS erhaltenen<br />

Coupons, die an der Kasse<br />

vorgezeigt werden, profitiert der<br />

Kunde von Spezialangeboten<br />

beziehungsweise Preisreduktionen.<br />

3 Mobile-Internet-Applikation<br />

Was bisher nur über den PC<br />

möglich war, ist jetzt auch<br />

von unterwegs aus möglich:<br />

Dank Applikationen können Waren<br />

übers Handy bestellt werden.<br />

E-Shopping wird dadurch noch<br />

attraktiver.<br />

sitzen die anderen Hersteller keine vergleichbar<br />

erfolgreiche Strategie, um Werbende<br />

a nziehen zu können. Wer am erfolgreichsten<br />

sein wird beim Kampf um die Anteile im mobilen<br />

Werbemarkt, bleibt offen. Während den<br />

traditionellen Werbefirmen aufgrund dieses<br />

neuen Vertriebskanals verschärfter Wettbewerb<br />

ins Haus steht, dürfte mobiles Marketing<br />

für die zuletzt erfolgreichen Internet­<br />

und Kommunikationsplattformen wie Google,<br />

Facebook, MySpace oder Twitter neue Perspektiven<br />

für Wachstum bieten. Für Telecom­<br />

Dienstleister und die kleinen Start­up­Gesellschaften<br />

ist unseres Erachtens nur ein<br />

Nischendasein zu erwarten.


60 Wirtschaft Inflation<br />

Inflation:<br />

Warum wir sie brauchen und die<br />

neue Rolle der Zentralbanken<br />

Zentralbanken nehmen sowohl in Zeiten aussergewöhnlichen Finanzmarktstresses<br />

als auch im Normalisierungsprozess eine wichtige Rolle ein. Die Aufgaben<br />

unterscheiden sich allerdings beträchtlich. Um zu verhindern, dass die Weltwirtschaft<br />

in eine Deflation verfällt, muss zuerst reflationiert werden, bevor der Inflationsdruck<br />

abgeschwächt werden kann.<br />

Text: Anja Hochberg, Head Global Economic Research, Zürich<br />

Intensiv wird mit ihnen, vermehrt aber auch<br />

über sie diskutiert. Zentralbanken nehmen in<br />

der aktuellen Diskussion um die Zukunft des<br />

Weltfinanzsystems und die Perspektiven der<br />

Weltwirtschaft eine polymorphe Rolle ein.<br />

Sie sichern die Liquiditätsversorgung der<br />

Volkswirtschaft mit traditionellen, aber auch<br />

unkonventionellen Massnahmen. Sie haben<br />

die Zinsen nahe an die Nullzinsgrenze gesenkt.<br />

Dies kann man getrost ihrem klassischen<br />

Mandat zusprechen, für Preisstabilität<br />

zu sorgen. Nur, dass sich diesmal die Preise<br />

nicht in die Höhe schrauben, sondern vorerst<br />

(noch) fallen. In den Augen vieler Zentralbanker<br />

drohen uns mit fallenden Preisen sogar<br />

grössere Risiken für die Preisstabilität.<br />

Nicht weil Deflation gegenüber Inflation eher<br />

die geldpolitische Ausnahme ist. Sondern<br />

weil die Handlungsmöglichkeiten von Geldpolitik<br />

nahe der Nullzinsgrenze eingeschränkt<br />

sind und die Gefahr einer jahrelangen konjunkturellen<br />

Abwärtsspirale gross ist.<br />

Fallende Preise beeinflussen sowohl die<br />

Nachfrage (Konsumenten, Investoren) als<br />

auch das Angebot (Produktion) in einer Volkswirtschaft.<br />

Mit fallenden Preisen sinkt im<br />

Allgemeinen die Kaufbereitschaft, da die<br />

Erwartungen bestehen, demnächst noch<br />

günstiger kaufen zu können. Somit flaut die<br />

Nachfrage ab. Darauf stellen sich zwar die<br />

bulletin 3/<strong>09</strong> <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

Produzenten ohnehin ein. Bei einer Deflation<br />

allerdings fallen die Anpassungsprozesse<br />

noch drastischer aus.<br />

Warum Deflation gefährlich ist<br />

Auch der «Puffer » der Volkswirtschaft, die<br />

Lagerhaltung, wird in Mitleidenschaft gezogen,<br />

da auch Produzenten Einkäufer von zum<br />

Beispiel Rohmaterialien, Zwischengütern<br />

und Dienstleistungen sind. Lagerhaltung<br />

macht unternehmerisch keinen Sinn, wenn<br />

die Endpreise stetig fallen und sogar unter<br />

die Einkaufs­ oder Produktionspreise sinken.<br />

Die volkswirtschaftlichen Kosten eines solchen<br />

Szenarios wären hoch. Dementsprechend<br />

sind auch die Notenbanken, flankiert<br />

von grosszügigen fiskalpolitischen Massnahmen,<br />

konsequent mit konventionellen<br />

(zum Beispiel Zinssenkungen) und unkonventionellen<br />

(zum Beispiel Käufe von Staatsanleihen)<br />

Massnahmen eingeschritten. Im<br />

Vergleich zu einer Deflationsspirale scheinen<br />

die volkswirtschaftlichen Kosten einer Inflation<br />

deutlich niedriger zu sein, da – zumindest<br />

in entwickelten Volkswirtschaften – der Inflationsdruck<br />

einfacher zu kontrollieren ist.<br />

Die Zinsschraube fester und fester anzuziehen,<br />

ist – zwar mit der Gefahr der wirtschaftlichen<br />

Vollbremsung – immer eine<br />

Option. Den richtigen Zeitpunkt zur Aufgabe<br />

der «ultraleichten» Geldpolitik und das angemessene<br />

Tempo der Normalisierung zu finden,<br />

ist allerdings eine äusserst schwierige<br />

Aufgabe. Eine, die durchaus das Potenzial<br />

hat, direkt in die nächste Krise zu führen,<br />

wenn sie misslingt. Das lehrt uns zum Beispiel<br />

die Genese der aktuellen Krise. Denn<br />

diese beginnt nicht bei der Kreditklemme, der<br />

Bankenkrise oder den ersten Anzeichen von<br />

Liquiditätsengpässen im Geldmarkt. Auch<br />

nicht in der Subprime­Krise, der Krise im<br />

amerikanischen Immobilienmarkt, die als<br />

Auslöser dieser Entwicklungen galt. Sicherlich<br />

waren die Hypothekarstandards zu grosszügig<br />

und sicherlich muss man die diesbezüglichen<br />

Geschäftsmodelle hinterfragen.<br />

Möglich wurde jedoch sowohl die leichte Vergabe<br />

von Krediten als auch das Interesse an<br />

verbrieften Krediten auf der Investorenseite<br />

durch eine Tatsache: eine lange Zeit historisch<br />

tiefer Zinsen.<br />

Wenn Zinsen zu spät steigen<br />

In seinem im September 2007 veröffentlichten<br />

Artikel «Housing & Monetary Policy» zeigt<br />

John Taylor, Wirtschaftsprofessor an der Universität<br />

von Stanford, dass die US­Notenbankzinsen<br />

im Jahr 2004 mit 1 Prozent effektiv<br />

nur rund einen Viertel vom fundamental<br />

gerechtfertigten Wert betrugen. Seinen Modell­


erechnungen zufolge hätten die Zinsen bereits<br />

ab 2002 wieder allmählich erhöht und<br />

nicht, wie geschehen, nochmals gesenkt<br />

werden sollen. Einig ist sich Professor Taylor<br />

aber mit der geldpolitischen Realität, wenn<br />

es um das Ende des vergangenen Zinserhöhungszyklus<br />

geht. Mit 5¼ Prozent erreichten<br />

die Leitzinsen zum Jahresende<br />

2006 ihren damaligen Höhepunkt. Allerdings<br />

impliziert Professor Taylors früherer<br />

Zinserhöhungsstart einen zeitlich um rund<br />

zwei Jahre gestreckten und damit wesentlich<br />

flacheren Zinserhöhungspfad. Dies hätte<br />

durchaus eine weniger stark aufgeblähte<br />

Kreditblase und einen weniger schmerzlichen<br />

Korrekturprozess bedeuten können.<br />

Eventuell, denn was Professor Taylor zur<br />

Berechnung seines optimalen Zinspfades<br />

vorlag, gab es zum Entscheidungsprozess<br />

der Notenbanken nicht: gesicherte Aussagen<br />

zum Wachstums­ und insbesondere Inflationspfad<br />

der Jahre 2002 bis 2006.<br />

Auch im aktuellen Konjunkturzyklus müssen<br />

die Notenbanker «unter Unsicherheit»<br />

entscheiden. Da Notenbankmassnahmen mit<br />

einer Verzögerung von bis zu 18 Monaten auf<br />

die Realwirtschaft wirken, müssen von den<br />

Zentralbankern stets Annahmen über die zukünftige<br />

Wirtschafts­ und Inflationsentwicklung<br />

getroffen werden. Neben so genannt<br />

endogenen Variablen wie der konjunkturellen<br />

Entwicklung spielen exogene Faktoren<br />

wie zum Beispiel der Ölpreis oder auch<br />

Wechselkurse eine beträchtliche Rolle. Hinzukommen<br />

die bereits erwähnten strukturellen<br />

Veränderungen, die ihre Wirkung nur<br />

allmählich entfalten. Diese klassischen Unsicherheiten<br />

können, wie die Entwicklung<br />

des Erdölpreises und der Inflation in den ersten<br />

Monaten des Jahres 2008 zeigt, beträchtlich<br />

sein. Eine einfache Simulation (> ver-<br />

gleiche Grafik 1) mit verschiedenen Ölpreisszenarien<br />

zeigt den direkten und starken<br />

Einfluss auf die Entwicklung der Teuerung.<br />

Hinzu kommt allerdings in diesem Konjunktur­<br />

oder besser Krisenzyklus die zusätzliche<br />

Unsicherheit angesichts des bislang<br />

ungekannten Ausmasses an geld­ und<br />

fiskalpolitischer Wirtschaftsunterstützung.<br />

Dass dies tendenziell inflationär wirken kann,<br />

ist eine eingängige und fast unbestrittene<br />

T hese. Die geldpolitisch relevante Frage ist<br />

allerdings, wann und in welchem Grad dies<br />

der Fall ist.<br />

Geldpolitik – handeln unter Unsicherheit<br />

Dies wird bestimmt zum einen durch die Realwirtschaft.<br />

Solange die Weltwirtschaft (und<br />

insbesondere die entwickelten Länder) deutlich<br />

unter ihrem Potenzial operieren, kann<br />

auch eine kräftig gestiegene Geldmenge<br />

nicht nachfragewirksam und damit inflationstreibend<br />

wirken. Um zu entscheiden,<br />

wann diese Lücke zwischen aktuellem und<br />

potenziellem Output geschlossen ist, müssen<br />

die Notenbanker Annahmen treffen,<br />

wann der Konjunkturaufschwung nachhaltig<br />

ist, das heisst ohne geld­ und fiskalpolitische<br />

Unterstützung auskommt. Sind diese<br />

Abhängigkeiten der Konjunkturentwicklung<br />

noch gegeben, würde ein Ende der lockeren<br />

Geldpolitik auch das Aus für die Konjunkturbelebung<br />

bedeuten. Wie gefährlich eine<br />

f rühe Abkehr vom tiefen Zinsniveau ist, hat<br />

uns das japanische Beispiel klar vor Augen<br />

geführt.<br />

Zum anderen prägen Inflationserwartungen<br />

ganz entscheidend die zukünftige Inflationsentwicklung.<br />

Inflationserwartungen<br />

gehen direkt in den Preisbildungsmechanismus<br />

am Markt ein, sei es bei Gütern oder<br />

bei Löhnen. Solange freilich die Produktionslücke<br />

besteht und nicht mit voller Kapazität<br />

produziert wird, werden sich gestiegene<br />

Inflationserwartungen nicht in Preise<br />

und damit Inflationsrealität umsetzen.<br />

In Zeiten steigender Arbeitslosigkeit sind<br />

Lohnsteigerungen auf breiter Front aufgrund<br />

gestiegener Inflationserwartungen<br />

(die so genannte «Lohn­Preis­Spirale»)<br />

schwer umsetzbar. Dennoch muss die Geldpolitik<br />

diese Inflationserwartungen intensiv<br />

beobachten, damit sie sich – im Fall der<br />

Intensivierung des Aufschwungs – nicht<br />

realisieren.<br />

Nimmt man die so genannten Inflations­<br />

Swaps zum Massstab, hat hier bereits ein<br />

Paradigmenwandel stattgefunden. Während<br />

aus Marktsicht zum Ende des vergangenen<br />

Jahres ein Deflationsszenario für die nächsten<br />

eins bis drei Jahre in Sicht war, geht man<br />

in diesem Jahr wieder von steigenden Inflationsraten<br />

aus.<br />

Dieser Prozess der Anpassung der Inflationserwartungen<br />

hat nach Ansicht der<br />

<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> allerdings seinen Höhepunkt<br />

noch nicht erreicht. Angesichts der hohen<br />

konjunkturellen Unsicherheiten dürften sich<br />

auch die Notenbanker eher auf der sicheren<br />

Seite wähnen wollen und die Nachhaltigkeit<br />

des Aufschwungs abwarten, bevor sie zinspolitisch<br />

wieder aktiv werden. Ein Überschiessen<br />

sowohl der Inflationserwartungen als<br />

auch der Inflationsrealität dürfte dabei mittelfristig<br />

zwar in Kauf genommen, langfristig<br />

aber sicherlich wieder korrigiert werden. <<br />

1 Preistreiber Öl<br />

Globale Industrieproduktion<br />

Inflation Wirtschaft 61<br />

Energiepreise üben einen starken Einfluss<br />

auf die Teuerungsrate aus. Ein anhaltend<br />

hoher Ölpreis könnte daher die laufenden<br />

Teuerungsraten bereits zum Jahresende<br />

über den historischen Durchschnitt treiben.<br />

Quelle: Bloomberg, <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

US-Konsumentenpreisindex US-KPI<br />

6%<br />

5%<br />

4%<br />

3%<br />

2%<br />

1%<br />

0%<br />

–1%<br />

Veränderungen gegenüber dem Vorjahr<br />

Ölpreis WTI<br />

Szenarien bei unterschiedlichen Ölpreisen:<br />

durchschnittlich USD 80, rechte Skala<br />

durchschnittlich USD 60, rechte Skala<br />

durchschnittlich USD 40, rechte Skala<br />

2 Weltwirtschaft im Schock<br />

Im 4. Quartal ist die globale Industrieproduktion<br />

um rund 10 Prozent gefallen.<br />

Wenngleich sich nun klare Stabilisierungszeichen<br />

zeigen, ist dies der kräftigste<br />

Rückgang in der Nachkriegsgeschichte.<br />

Quelle: Bloomberg, <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

Veränderung gegenüber Vorjahr, kaufkraftgewichtet<br />

5%<br />

0%<br />

–5%<br />

–10%<br />

–15%<br />

1996 2000 2004 2008<br />

3 Inflationserwartungen schieben<br />

sich nach oben<br />

Die konjunkturelle Aufhellung wird begleitet<br />

von einer ersten Erhöhung der Inflationserwartungen.<br />

Der Anpassungsprozess dürfte<br />

allerdings erst am Anfang stehen.<br />

Quelle: Bloomberg, <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

Veränderung gegenüber dem Vorjahr<br />

3%<br />

2%<br />

1%<br />

0%<br />

–1%<br />

–2%<br />

2006 2008 2010<br />

1Y 5Y 15Y 20Y 25Y 30Y<br />

US-Inflationserwartungen, aktuell<br />

vor einem Monat<br />

vor 3 Monaten<br />

vor einem Jahr<br />

100%<br />

80%<br />

60%<br />

40%<br />

20%<br />

0%<br />

–20%<br />

–40%<br />

–60%<br />

–80%<br />

<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 3/<strong>09</strong>


62 Wirtschaft Renaissance der USA<br />

bulletin 3/<strong>09</strong> <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong>


Foto: Mark Lennihan, AP, Keystone Amerika:<br />

Renaissance der USA Wirtschaft 63<br />

Wiedergeburt der Wirtschaftsmacht?<br />

Nicht nur die Finanz- und Wirtschaftskrise hat die USA erschüttert. Daneben bahnt sich<br />

eine strukturelle Verschiebung innerhalb der Weltwirtschaft zugunsten der Schwellenländer<br />

an. Nur wenn sich das Land neu erfindet, kann es auch in einer neuen Weltordnung<br />

eine Führungsrolle behalten.<br />

Text: Thomas Herrmann, Head Global and Developed Economics<br />

Nach der wahrscheinlich längsten und<br />

schwerwiegendsten Rezession seit dem<br />

Zweiten Weltkrieg stehen die Zeichen in den<br />

USA auf Veränderung. Wie werden Wirtschaft<br />

und Gesellschaft dieses Landes sich<br />

neu in eine Weltordnung einfügen, die sich<br />

gleichermassen im Umbruch befindet ? Wir<br />

sehen eine sich anbahnende strukturelle Verschiebung,<br />

in deren Verlauf die Bedeutung<br />

der US­Wirtschaft abnehmen wird. Grund<br />

dafür sind die Schwellenländer, die zunehmend<br />

in Bildung und Gesundheitsversorgung<br />

investieren, Finanzdienstleistungen und<br />

Märkte ausbauen und so ihr Wachstumspotenzial<br />

immer besser nutzen können. Es<br />

ist also davon auszugehen, dass die USA im<br />

Laufe der kommenden Jahrzehnte ihre Vormachtstellung<br />

verlieren und sich in Richtung<br />

einer multipolaren Welt entwickeln werden.<br />

Bisher begegnete die US­Wirtschaft Erschütterungen<br />

mit Flexibilität und schaffte<br />

es immer wieder, ihre Stabilität zu behaupten.<br />

Nicht zuletzt wurde dafür ein steigender<br />

Schuldenberg in Kauf genommen. Doch<br />

dieses Mal werden die Veränderungen grundsätzlicher<br />

Natur sein und der Wandel der<br />

Wirtschaftsordnung dürfte einschneidender<br />

ausfallen.<br />

Wie also stehen die Aussichten für eine<br />

Wiedergeburt der USA – im Sinne einer tiefgreifenden<br />

Umgestaltung und der Notwendigkeit,<br />

sich neu zu erfinden? Der neue Präsident<br />

Obama hat bereits verschiedene Veränderungen<br />

angekündigt. Auch wenn diese<br />

nicht nur durch Massnahmen seiner Regie­<br />

rung beeinflussbar sind, so gilt es nicht zu<br />

vergessen, dass die US­Wirtschaft über vielerlei<br />

Stärken verfügt, die ihr weiterhin eine bedeutende<br />

Rolle in der Weltwirtschaft sichern<br />

sollten. In vielen Bereichen, in denen Schwellenländer<br />

schnell Fortschritte erzielen, gehören<br />

die USA bereits zur Weltspitze und werden<br />

auch weiterhin Massstäbe setzen. Der Weltbank­Bericht<br />

«Doing Business» beispielsweise<br />

ermittelt anhand verschiedener Faktoren,<br />

wie einfach sich in einem Land ein Unternehmen<br />

aufbauen und fortführen lässt. In diesem<br />

Bericht werden die USA als drittbester<br />

Wirtschaftsstandort genannt.<br />

Obwohl Grundprinzipien wie freie Marktwirtschaft,<br />

Privateigentum sowie Wettbewerb<br />

in der Weltwirtschaft grundsätzlich bestehen<br />

bleiben, werden in der gegenwärtigen<br />

Situation mit einer Wiedergeburt auch das<br />

zunehmende Eingreifen des Staates und eine<br />

stärkere Regulierung verbunden sein. Die<br />

umfangreichen Wirtschaftshilfen und beträchtlichen<br />

Staatsgelder zur Rettung der<br />

Banken und des Finanzsystems weisen bereits<br />

deutlich in diese Richtung.<br />

Kulturelle Dominanz gefährdet<br />

Die Vereinigten Staaten besitzen einen der<br />

grössten und innovativsten Finanzmärkte der<br />

Welt mit (zumindest vor der Krise) enormen<br />

Kapitalmengen. In den vergangenen Jahren<br />

profitierte die Wirtschaft stark von der weltweiten<br />

Nachfrage nach US­Anlagen, vor<br />

allem nach Schulden in Form von Wertpapieren,<br />

die ein grosses Leistungsbilanzdefizit<br />

finanzierten. Das Land importierte wesentlich<br />

mehr, als es exportierte. Die Schulden<br />

wurden natürlich in grossem Umfang von<br />

Staat und Unternehmen angehäuft, allerdings<br />

auch durch Verbraucherkredite (und<br />

andere, wie zum Beispiel Hypotheken). Während<br />

es für Unternehmen in den Schwellenländern<br />

mitunter schwierig ist, Kapital von<br />

den Finanzmärkten zu bekommen, konnten<br />

US­Verbraucher Kredite relativ einfach in Anspruch<br />

nehmen, da die Forderungen als<br />

Wertpapiere weiterverkauft wurden. Das<br />

führte zu einem schuldenfinanzierten Konsumboom,<br />

der inzwischen zum Erliegen gekommen<br />

ist. Über die letzten 20 Jahre hinweg<br />

haben die Verbraucher in den USA eine<br />

Menge Geld ausgegeben, manchmal mehr,<br />

als sie verdienten. Selbst während der letzten<br />

Rezession, als sich die Lage am Arbeitsmarkt<br />

verschlechterte, glichen sie die Einkommensverluste<br />

mit immer neuen Krediten<br />

aus und konsumierten weiter. Inzwischen<br />

scheint sich das Konsumverhalten zu normalisieren.<br />

Nachdem bis vor Kurzem die Sparquote<br />

noch gegen null tendiert oder gar darunter<br />

gelegen hatte, wird verfügbares Geld<br />

(zum Beispiel durch den gesunkenen Ölpreis)<br />

inzwischen wieder angelegt. Der mit einem<br />

immer höheren Schuldenberg erkaufte Konsumanstieg<br />

war nicht nur eine tragende Säule<br />

der US­Wirtschaft. Aufgrund des grossen<br />

Einflusses auf die Weltwirtschaft wurde auch<br />

das globale Wachstum angekurbelt.<br />

Als einer der über lange Zeit wichtigsten<br />

Konsummotoren hatten die Vereinigten<br />

><br />

<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 3/<strong>09</strong>


64 Wirtschaft Renaissance der USA<br />

Der starke Konsum in den USA kurbelte<br />

weltweit das Wachstum an.<br />

Staaten zudem einen massgeblichen Einfluss<br />

auf den Lebensstil in aller Welt, von der<br />

(Fast­Food­) Küche über die Mode bis hin<br />

zur Unterhaltung. In vielen dieser Bereiche<br />

kultureller und damit auch wirtschaftlicher<br />

Dominanz entsteht neue Konkurrenz (Bollywood­Filme,<br />

asiatische Küche, neue regionale<br />

Marken mit stärkerer Anbindung an die<br />

landeseigene Kultur). Zweifellos können<br />

starke Konsummarken bei der hohen Nachfrage<br />

in den Schwellenländern Chancen eröffnen.<br />

Die Frage ist nur, wer davon profitieren<br />

wird, wenn die Waren in diesen Ländern<br />

selbst hergestellt und vertrieben werden.<br />

Mehr internationale Zusammenarbeit<br />

Zu Beginn der letzten Globalisierungswelle<br />

zeichnete sich eine zwangsläufige Aufteilung<br />

des internationalen Arbeitsmarktes ab:<br />

Grundlage der neuen Weltordnung schien<br />

eine Aufteilung in die Wissens­ und Dienstleistungsgesellschaften<br />

der Industrieländer<br />

auf der einen Seite und die «Werkbank» der<br />

Weltwirtschaft in Asien und anderen Schwellenländern<br />

auf der anderen zu sein. Eine<br />

Schlüsselrolle für den Erfolg der US­Wirtschaft<br />

spielte das hohe Innovationsniveau,<br />

abzulesen an den enormen Aufwendungen<br />

für Forschung und Entwicklung und der grossen<br />

Zahl von Patentanmeldungen. Von der<br />

Glühbirne über Computertechnik und Unterhaltungselektronik<br />

bis hin zur Raumfahrt: USamerikanischer<br />

Unternehmergeist war stets<br />

zumindest massgeblich, wenn nicht sogar<br />

federführend an der Entwicklung von Schlüsseltechnologien<br />

und ­produkten beteiligt. Die<br />

renommierten Universitäten und das exzellente<br />

Humankapital trugen das Ihrige zu<br />

dieser Erfolgsgeschichte bei. Die zunehmende<br />

Kompetenz in den Schwellenländern, die<br />

Ausbreitung von Wissen über Telekommuni­<br />

bulletin 3/<strong>09</strong> <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

kation und Informationstechnologie und die<br />

globale Mobilität, aber auch das Wissen um<br />

die Bedeutung von Innovation stellen bereits<br />

ein grosses Problem für die Behauptung der<br />

Innovationsführerschaft und für den Schutz<br />

geistigen Eigentums dar. Um beides zu bewahren,<br />

wird das Land wahrscheinlich mehr<br />

als bisher zu internationaler Zusammenarbeit<br />

bereit sein müssen.<br />

Ökologie als Wachstumsmotor<br />

Mit rund 300 Millionen Einwohnern leben in<br />

den USA nur knapp 5,5 Prozent der Weltbevölkerung.<br />

Trotzdem werden hier jährlich etwa<br />

25 Prozent des weltweit produzierten Öls<br />

verbraucht. Laut Statistiken der OECD gibt es<br />

nur in Portugal mehr Autos je 1000 Einwohner.<br />

Als der Ölpreis die Marke von 150 US­Dollar<br />

pro Barrel erreichte, verschob sich der Absatz<br />

in den USA bereits zugunsten sparsamerer<br />

Modelle. Und auch wenn der wichtigste<br />

Bremsklotz für den Autoabsatz in den<br />

vergangenen Monaten in fehlenden Krediten<br />

bestand, wird sich der Trend hin zu wirtschaftlicheren<br />

Autos und Technologien wahrscheinlich<br />

fortsetzen. Das gilt sowohl für private<br />

Ausgaben (zum Beispiel energiesparende<br />

Haushalte) als auch für die öffentliche<br />

Hand, die dazu von der Regierung massgebliche<br />

Impulse erhalten wird. Bis heute gibt<br />

es in den USA kein landesweites Energienetz,<br />

das Elektrizität über Grossräume hinweg<br />

transportieren kann. Dies beschränkt die<br />

Verbreitung alternativer Energien.<br />

Rund 100 Länder stützen ihre Währung<br />

nach wie vor auf eine Leitwährung – einige<br />

davon vollständig auf den US­Dollar, andere<br />

nutzen flexiblere Modelle. In den nächsten<br />

Jahren dürfte sich der Trend zu einem multilateralen<br />

Wechselkurssystem fortsetzen. Im<br />

Zuge dieser Entwicklung wird sich der Anteil<br />

Der öffentliche Verkehr gewinnt<br />

an Bedeutung.<br />

der US­Währung an globalen Reserven allmählich<br />

verringern. Mit zunehmender Streuung<br />

der Zentralbankreserven und einer immer<br />

heterogeneren Gruppe von Anlagenbesitzern<br />

zeichnet sich ein dreipoliges Weltwährungssystem<br />

ab. Europa greift mit der Hauptwährung<br />

Euro immer stärker an und auf längere<br />

Sicht dürfte auch der chinesische Renminbi<br />

über genügend Liquidität und Flexibilität verfügen,<br />

um Asiens führende Rolle in diesem<br />

multilateralen System zu repräsentieren.<br />

Fazit: Die US­Wirtschaft verfügt über<br />

zahlreiche Stärken, von denen andere Wirtschaftsräume<br />

nur träumen können. Dazu gehören<br />

der hoch entwickelte Finanzmarkt<br />

(trotz der von ihm verursachten Probleme),<br />

das ausgezeichnete physische und Humankapital,<br />

ein flexibler Arbeitsmarkt und eine<br />

hohe Arbeitsproduktivität. Die USA sind seit<br />

Treibende Innovationskraft: Forschung am<br />

Massachusetts Institute of Technology MIT.<br />

jeher ein Innovationsmotor (nicht nur bezogen<br />

auf die Produkte, sondern auch auf die Entwicklungsprozesse)<br />

und stehen nun vor der<br />

Herausforderung, diese Position zu halten.<br />

Potenzial für Einsparungen und mehr Wirtschaftlichkeit<br />

bietet der Bereich Energie. Ein<br />

wesentlicher Wachstumsfaktor der letzten<br />

20 Jahre war das steigende Kreditvolumen<br />

aufgrund der grosszügigen Liquidität der Finanzmärkte<br />

und des weltweiten Renditehungers.<br />

Dieser Antrieb ist nun nicht mehr vorhanden<br />

und sein baldiges Wiederaufleben<br />

nicht zu erwarten. Die Verbraucher nehmen<br />

realistischere Konsumgewohnheiten an, was<br />

auch in den kommenden Jahren das Wachstum<br />

in den USA dämpfen dürfte. Zwar bleibt<br />

die US­Wirtschaft auch weiterhin die grösste<br />

der Welt, die Aufholjagd der übrigen Länder<br />

und die Rückkehr zu einer weniger einseitig<br />

dominierten Weltwirtschaft werden sich aber<br />

aller Voraussicht nach fortsetzen. <<br />

Fotos: Frank Franklin II, AP, Keystone | David Sailors, Corbis | Steve Dunwell | Martin Stollenwerk, remotephoto.com


Fotos: Muster Mustermann | Muster Mustermann<br />

Invest<br />

Analysen und Prognosen<br />

Ölpreis<br />

Wir rechnen im<br />

kommenden Jahr<br />

mit einem höheren<br />

Ölpreis.<br />

Die globalen Konjunkturdaten zeigten in den letzten Monaten<br />

wieder eine Verbesserung, wenn auch bisher noch auf tiefen Niveaus.<br />

Die Notenbanken dürften die Zinsniveaus vorerst noch tief halten,<br />

um die Wirtschaft zu stützen.<br />

Der gesunkene Ölpreis ist ein wesentlicher Faktor für die derzeit<br />

tiefen Inflationsraten. Dieser Basiseffekt dürfe nun allmählich wegfallen.<br />

Inflationsrisiken bleiben aber aufgrund der geringen Kapazitäts­<br />

auslastung und der noch steigenden Arbeitslosigkeit eher gering.<br />

Wir empfehlen weiterhin Aktienpositionen aufzubauen, da diese<br />

beim Übergang der Wirtschaft von einer Kontraktions­ in eine Erholungs­<br />

phase historisch eine gute Performance aufgewiesen haben.<br />

Das tiefe US­Zinsniveau und die hohen Defizite in Leistungsbilanz<br />

und Staatshaushalt dürften den US-Dollar auch über die kommenden<br />

12 Monate belasten. Der EUR als alternative Reservewährung<br />

dürfte davon profitieren.<br />

Wir rechnen in den kommenden Monaten mit einer längerfristigen<br />

und nachhaltigen Preisrally bei den Rohstoffen. Korrekturen sehen<br />

wir folglich als günstige Einstiegsgelegenheiten für Rohstoffanlagen.<br />

Konjunktur Global<br />

<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> 65<br />

Globale Rezession<br />

neigt sich dem Ende zu<br />

Insbesondere in einigen Schwellen­<br />

ländern (China, Indien) deuten die auf<br />

Unternehmensbefragungen basierenden<br />

Wirtschaftsindikatoren bereits wieder<br />

auf Wachstum und auch global lässt sich<br />

über die letzten Monate zumindest eine<br />

deutliche Verbesserung verzeichnen. th<br />

Unternehmensbefragungen (Einkaufsmanagerindizes):<br />

China vs. Welt<br />

Quelle: Bloomberg, <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

PMI Auftragseingänge<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

%<br />

4.8<br />

4.3<br />

3.8<br />

3.3<br />

2.8<br />

2.3<br />

1.8<br />

1.3<br />

06 07 08 <strong>09</strong><br />

Eurozone<br />

USA<br />

China<br />

Indien<br />

Konjunktur Schweiz<br />

Rezession erreicht<br />

Arbeitsmarkt<br />

Mit dem Übergreifen auf den Arbeitsmarkt<br />

ist die Rezession definitiv in der Schweiz<br />

angekommen. Entgegen dem üblichen<br />

saisonalen Muster nahm die Arbeitslosigkeit<br />

im Frühling nicht ab. Gleichzeitig<br />

signalisieren Frühindikatoren, dass der<br />

freie Fall beendet ist.<br />

cm<br />

Deutlicher Anstieg der Arbeitslosenquote<br />

Quelle: Seco<br />

06<br />

00 02 04 08<br />

Arbeitslosenquote<br />

<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 3/<strong>09</strong>


66 <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

Übersicht<br />

Ausblick Global<br />

Nach einem schweren Einbruch zeigt<br />

die globale Konjunktur wieder deutliche<br />

Anzeichen einer Stabilisierung.<br />

Gerade die Schwellenländer dürften<br />

weiterhin einen wichtigen Beitrag zur<br />

weltweiten Wachstumsdynamik leisten.<br />

Zyklische Aktientitel und Schwellenmärkte<br />

sollten vom sich verbessernden<br />

Ausblick und höheren Risikoappetit<br />

profitieren. Die verbesserten Wirtschaftsindikatoren<br />

signalisieren eine<br />

Erholung der Rohstoffnachfrage. Der<br />

USD bleibt unter Druck und dürfte<br />

sich weiter abschwächen.<br />

Zinsen und Obligationen<br />

Zinspolitik bleibt expansiv<br />

Die globale konjunkturelle Stabilisierung<br />

bedeutet auch, dass die drastischen Massnahmen<br />

von Notenbanken und Regierungen<br />

in Form von Zinssenkungen und Ausgabenprogrammen<br />

ihre Wirkung entfalten. Die<br />

Leitzinsen werden vorerst auf aussergewöhnlich<br />

tiefen Niveaus bleiben, aber nicht<br />

für immer. Die Märkte fangen bereits an,<br />

Zinserhöhungen der wichtigsten Notenbanken<br />

einzupreisen. Dies dürfte sich auch<br />

in den kommenden Monaten in steigenden<br />

Renditen der Staatsanleihen niederschlagen.<br />

Die Inflationsraten sind global stark<br />

gefallen, vielerorts unter null. Allerdings<br />

halten wir grundsätzlich die Inflationsrisiken<br />

aufgrund der geringen Kapazitätsauslastung<br />

und noch steigender Arbeitslosigkeit für<br />

eher gering. th<br />

Schwellenländer (v. a. China) haben bereits in<br />

den letzten Jahren das Weltwirtschaftswachstum<br />

stark beeinflusst. Quelle: Bloomberg, IMF, <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

YoY%, nach Kaufkraft gewichtet<br />

5<br />

3<br />

2<br />

0<br />

–2<br />

–3<br />

99 01 03 05 07 <strong>09</strong><br />

China<br />

Schwellenländer ohne China<br />

Industrieländer<br />

BIP-Wachstum weltweit<br />

bulletin 3/<strong>09</strong> <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

Aktienmarkt<br />

Weiterhin Aktienpositionen<br />

aufbauen<br />

Mit der starken Erholung der Aktienmärkte<br />

im zweiten Quartal haben sich auch die Bewertungsniveaus<br />

für Aktien wieder normalisiert,<br />

sind aber unter dem langfristigen<br />

Durchschnitt geblieben. Wir empfehlen weiterhin<br />

Aktienpositionen aufzubauen, da diese<br />

beim Übergang der Wirtschaft von einer Kontraktions­<br />

in eine Erholungsphase historisch<br />

eine gute Performance aufgewiesen haben.<br />

Zudem funktionieren die Kapitalmärkte wieder<br />

und die Kapitalflussdaten signalisieren,<br />

dass wieder Geld in die Aktienmärkte fliesst.<br />

Insbesondere zyklische Titel und Schwellenmärkte<br />

sollten in einem solchen Umfeld vom<br />

sich verbessernden Ausblick und höheren<br />

Risikoappetit der Investoren profitieren<br />

können. rs<br />

Bewertung Aktienmärkte trotz Erholung<br />

unter historischem Durchschnitt.<br />

Quelle: Bloomberg, <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

Index P/E-Verhältnis<br />

1200<br />

1100<br />

1000<br />

900<br />

800<br />

700<br />

600<br />

500<br />

11.95 11.97 11.99 11.01 11.03 11.05 11.07<br />

MSCI World<br />

MSCI World P/E nächste 12M (r. S.)<br />

Währungen<br />

US-Dollar dürfte sich<br />

weiter abschwächen<br />

Der US­Dollar ist im Zuge der Normalisierung<br />

der Finanzmarktbedingungen in den<br />

vergangenen Monaten unter Druck geraten.<br />

Wir sind weiterhin der Auffassung, dass der<br />

US­Dollar sich auch auf 12 Monate weiter<br />

abschwächen wird. Das hohe amerikanische<br />

Zwillingsdefizit in der Leistungsbilanz und<br />

dem Staatshaushalt und das tiefe US­Zinsniveau<br />

sind unsere Hauptargumente dafür.<br />

Zudem sind die Absicherungskosten von<br />

USD­Engagements für ausländische Investoren<br />

historisch betrachtet attraktiv, und wir<br />

erwarten auch, dass ausländische Zentralbanken<br />

vermehrt einen Teil ihrer Währungs­<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

reserven aus dem USD diversifizieren. Der<br />

EUR als alternative Reservewährung zum<br />

USD dürfte davon profitieren. mh<br />

Zinsdifferenz zwischen USD und CHF liegt unter<br />

kritischer Marke von 3%. Quelle: Bloomberg, <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

USD/CHF in %<br />

1.80<br />

1.60<br />

1.40<br />

1.20<br />

1.00<br />

0.80<br />

0.60<br />

Index Veränderung YoY in %<br />

60<br />

55<br />

50<br />

45<br />

40<br />

35<br />

30<br />

89 91 93 95 97 99 01 03 05 07<br />

3 Monats-LIBOR USD-CHF minus 3% kritische<br />

Grösse (r. S.)<br />

USD/CHF-Wechselkurs<br />

Rohstoffe<br />

Korrekturen eröffnen<br />

Einstiegsgelegenheiten<br />

99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 <strong>09</strong><br />

PMI China<br />

PMI USA<br />

Globaler Gesamt-PMI<br />

Dow Jones UBS Commodity Index BIP-Wachstum<br />

weltweit mit 6M-Verzögerung (r. S.)<br />

–10<br />

Die Rohstoffpreise erholen sich bereits<br />

wieder von der Korrektur, welche Mitte Juni<br />

einsetzte. Wir erwarten, dass sich die Preise<br />

in den nächsten 1–2 Monaten in einer weiten<br />

Bandbreite seitwärts bewegen. Indes sehen<br />

wir die ersten positiven Anzeichen für den<br />

realen Rohstoffverbrauch. Die globalen Einkaufsmanagerindizes<br />

signalisieren eine baldige<br />

wirtschaftliche Erholung und die jüngsten<br />

Daten deuten darauf hin, dass die Nachfrage<br />

an einigen Märkten allmählich steigt.<br />

Wir rechnen daher mit einer graduell zunehmenden<br />

Rohstoffnachfrage und somit in den<br />

kommenden Monaten mit einer längerfristigen<br />

und nachhaltigen Preisrally. Korrekturen<br />

sehen wir folglich als günstige Einstiegsgelegenheiten<br />

für Rohstoffanlagen. et<br />

Globale Einkaufsmanagerindizes deuten<br />

eine baldige Erholung der Rohstoffpreise an.<br />

Quelle: Bloomberg<br />

22<br />

18<br />

14<br />

10<br />

6<br />

2<br />

–2<br />

–6<br />

40<br />

20<br />

0<br />

–20<br />

–40<br />

–60


Übersicht<br />

Ausblick Schweiz<br />

Die Schweizer Konjunkturentwicklung<br />

bleibt schwach. Die Exportindustrie<br />

wurde vom Nachfragerückgang stark<br />

getroffen und der Konsum reflek-<br />

tiert zunehmend die Verschlechterung<br />

am Arbeitsmarkt. Gleichzeitig haben<br />

aber die vorausblickenden Indikatoren<br />

ihre Tiefststände überwunden. Der<br />

Abbau der Lagerbestände ist ein positives<br />

Signal für die künftige Produktion.<br />

Die Nationalbank strebt weiterhin<br />

an, eine Aufwertung des Frankens<br />

gegenüber dem Euro zu verhindern.<br />

Zinsen und Obligationen<br />

SNB strebt weiterhin<br />

tiefes Zinsniveau an<br />

Nachdem der 3­Monats­LIBOR nach Mitte<br />

März praktisch unverändert um 0.4% verharrte,<br />

ist er seit Anfang Juli wieder leicht<br />

gesunken. Der Spread zwischen LIBOR­ und<br />

Repo­Satz scheint sich demnach wieder<br />

zu verringern. Wenn sich nun die Normalisierung<br />

der Finanzmarktbedingungen fortsetzt,<br />

kann die Schweizerische Nationalbank<br />

(SNB) ihr erhöhtes Liquiditätsangebot graduell<br />

wieder reduzieren, ohne damit die monetären<br />

Bedingungen zu straffen. Die SNB zielt<br />

nach wie vor darauf ab, die Marktzinsen auf<br />

tiefem Niveau zu halten. Vor dem Hintergrund<br />

der verzögerten wirtschaftlichen Erholung<br />

und dem geringen Inflationsdruck<br />

gehen wir davon aus, dass die SNB ihr Zinsziel<br />

nicht vor dem zweiten Halbjahr 2010 erhöhen<br />

wird. fh<br />

Zinsspreads durch Normalisierung der<br />

Finanzmärkte wieder mit Abwärtstendenz.<br />

Quelle: Bloomberg, <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

Basispunkte<br />

200<br />

150<br />

100<br />

50<br />

0<br />

–50<br />

00 01 02 03 04 05 06 07 08 <strong>09</strong><br />

Spread zwischen 3M-LIBOR und 1W-Repo<br />

Aktienmarkt<br />

Positionen in zyklischen<br />

Sektoren aufbauen<br />

Nach der starken Rally hat der SMI per<br />

23. Juli wieder eine positive Performance<br />

seit Jahresanfang erreicht. Während das<br />

defensive Profil des Schweizer Aktienmarktes<br />

im ersten Quartal ein Vorteil war, ist der<br />

SMI in der Erholung seit März hinter anderen<br />

Indizes wie z. B. dem EuroStoxx 50 zurückgeblieben<br />

(+ 34% ggü. +48% vom 6. 3. bis<br />

23. 7.). Wir empfehlen Positionen in zyklischen<br />

Sektoren (z. B. Software & Services)<br />

und kleineren Firmen aufzubauen. rs<br />

Der SMI weist nach der jüngsten Rally<br />

wieder eine positive YTD-Perfomance auf.<br />

Quelle: Bloomberg, <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

Index<br />

5800<br />

5600<br />

5400<br />

5200<br />

5000<br />

4800<br />

4600<br />

4400<br />

4200<br />

Index<br />

1.8<br />

1.6<br />

1.4<br />

1.2<br />

1.0<br />

0.8<br />

0.6<br />

12.08 01.<strong>09</strong> 02.<strong>09</strong> 03.<strong>09</strong> 04.<strong>09</strong> 05.<strong>09</strong> 06.<strong>09</strong><br />

SMI<br />

Verhältnis Auftragsbestand zu Lagerkomponenten Quelle: <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> Economic Research<br />

Auftragsbestand zu Vorproduktelager<br />

Auftragsbestand zu Fertigproduktelager<br />

Währungen<br />

<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> 6<br />

EUR/CHF-Abwärtspotenzial<br />

durch SNB begrenzt<br />

Die enge Zinsdifferenz, der Schweizer Leistungsbilanzüberschuss,<br />

die ausstehenden<br />

Frankenkredite in Osteuropa sowie die Unterbewertung<br />

des CHF begrenzen unserer<br />

Meinung nach einen Anstieg des EUR/CHF.<br />

Auf der anderen Seite dürfte die SNB aufgrund<br />

von Deflationsbefürchtungen auch in<br />

den kommenden Monaten einen Rückgang<br />

von EUR/CHF unter 1.50 mittels Devisenmarktinterventionen<br />

verhindern. Wir bleiben<br />

darum gegenüber EUR/CHF auf 3 – 6 Monate<br />

neutral. mh<br />

Markanter Anstieg der SNB-Devisenreserven<br />

in EUR und USD deutet auf Interventionen hin.<br />

Quellen: Bloomberg, <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

USD, EUR, GBP Mio. JPY Mio.<br />

35 000<br />

30 000<br />

25 000<br />

20 000<br />

15 000<br />

10 000<br />

USD GBP EUR JPY (r. S.)<br />

03.95 03.97 03.99 03.01 03.03 03.05 03.07 03.<strong>09</strong><br />

5 000<br />

0<br />

01.05 01.06 01.07 01.08 01.<strong>09</strong><br />

Top-Thema<br />

Sinkende Lagerbestände lassen hoffen<br />

Die Lagerbestände in der Schweiz sind zu hoch, doch passen die Unternehmen ihre<br />

B estände im Rekordtempo an. Beide PMI­Lagerindizes (Fertigwaren und Vorproduktelager)<br />

befinden sich seit einem halben Jahr unterhalb der Wachstumszone und sanken<br />

im Juni auf neue Tiefststände. Dies zeigt, wie drastisch die Lager abgebaut werden.<br />

Das Verhältnis zwischen Auftragseingang und Lagerabbau erreicht bereits wieder<br />

Werte wie zuletzt 2003 in der Talsohle der damaligen Rezession. Dies ist ein konjunktureller<br />

Lichtblick: Denn wenn schliesslich die Nachfrage wieder grösser ist als der<br />

Lagerbestand, muss entweder eingekauft oder mehr produziert werden.<br />

cm<br />

500 000<br />

450 000<br />

400 000<br />

350 000<br />

300 000<br />

250 000<br />

200 000<br />

150 000<br />

100 000<br />

50 000<br />

0<br />

<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 3/<strong>09</strong>


68 <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

24. Juli 20<strong>09</strong><br />

Überblick Prognosen<br />

Aktien und Rohstoffe: Ausgewählte Indizes<br />

Quelle: Bloomberg, <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

Auswahl Kurs YTD Ausblick 3M 12M Ziele<br />

S&P 500 954.07 8.1 % � 972<br />

SMI 5’637.02 4.2 % � 6’000<br />

FTSE­100 4’493.73 2.8 % � 4’561<br />

DJ Euro Stoxx 50 2’528.85 5.6 % � 2’562<br />

Nikkei 225 9’723.16 10.5 % � 11’300<br />

Gold 953.31 8.4 % � 1’150<br />

WTI Erdöl<br />

Dow Jones UBS Commodity Index<br />

Devisen (Wechselkurse)<br />

Quelle: Bloomberg, <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

bulletin 3/<strong>09</strong> <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

23. .200 3M 12M<br />

USD/CHF 1.08 � 0.92 – 0.96<br />

EUR/CHF 1.52 � 1.48 – 1.52<br />

JPY/CHF 1.13 � 0.98 – 1.02<br />

EUR/USD 1.41 � 1.58 – 1.62<br />

USD/JPY 95 � 92 – 96<br />

EUR/JPY 134 � 148 – 152<br />

EUR/GBP 0.86 � 0.92 – 0.96<br />

GBP/USD 1.65 � 1.68 – 1.70<br />

EUR/SEK 10.63 � 1 0.10 – 10.50<br />

EUR/NOK 8.90 � 8.30 – 8.70<br />

AUD/USD 0.81 � 0.83 – 0.87<br />

NZD/USD<br />

USD/CAD<br />

0.65<br />

1.<strong>09</strong><br />

Schweizer Wirtschaft<br />

(Veränderung gegenüber Vorjahr in %)<br />

Quelle: <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

� 0.63 – 0.67<br />

� 1.03 – 1.07<br />

200 2010<br />

Bruttoinlandprodukt, real –2.0 0.6<br />

Privater Konsum 0.9 0.4<br />

Öffentlicher Konsum 0.7 0.4<br />

Ausrüstungsinvestitionen –7.4 –1.8<br />

Bauinvestitionen –1.9 –0.1<br />

Exporte<br />

Importe<br />

–6.8<br />

–1.5<br />

1.0<br />

–0.1<br />

65.4<br />

243.905<br />

50.6 % � 82.5<br />

5.1 % � 280<br />

Reales BIP-Wachstum in %<br />

Quelle: Bloomberg, <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

2008 200 E 2010E<br />

CH 1.6 –2 0.6<br />

EWU 0.7 –4.2 0.9<br />

USA 1.1 –2.1 1.9<br />

GB<br />

Japan<br />

0.7<br />

–0.7<br />

Kurzfristzinsen 3M-LIBOR<br />

Quelle: Bloomberg, <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

–3.4 1.4<br />

–4.5 1.7<br />

23. .200 3M 12M<br />

CHF 0.36 � 0.2–0.4<br />

EUR 0.93 � 1.1–1.3<br />

USD 0.50 � 1.2–1.4<br />

GBP<br />

JPY<br />

Inflation in %<br />

0.93<br />

0.42<br />

Quelle: Bloomberg, <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

� 1.3–1.5<br />

� 0.2–0.4<br />

2008 200 E 2010E<br />

CH 2.4 0.2 1.0<br />

EWU 3.3 0.4 1.7<br />

USA 3.8 –0.7 2.2<br />

GB<br />

Japan<br />

3.6<br />

1.4<br />

Rendite 10-j. Staatsanleihen<br />

Quelle: Bloomberg, <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

1.8 2.3<br />

–1.1 –0.3<br />

23. .200 3M 12M<br />

CHF 2.17 � 2.7 – 2.9<br />

EUR 3.46 � 3.8 – 4<br />

USD 3.66 � 4.1 – 4.3<br />

GBP<br />

JPY<br />

3.97<br />

1.39<br />

� 4.2 – 4.4<br />

� 1.8 – 2<br />

Wichtige Information<br />

Die Informationen und Meinungen in diesem Bericht wurden<br />

von <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> per angegebenem Datum erstellt und<br />

können sich ohne vorherige Mitteilung ändern. Der Bericht<br />

wurde einzig zu Informationszwecken publiziert und ist weder<br />

ein Angebot noch eine Aufforderung seitens oder im Auftrag<br />

von <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren<br />

oder ähnlichen Finanzinstrumenten oder zur Teilnahme an<br />

einer spezifischen Handelsstrategie in irgendeiner<br />

Rechtsordnung. Der Bericht wurde ohne Berücksichtigung<br />

der Zielsetzungen, der finanziellen Situation oder der<br />

Bedürfnisse eines bestimmten Anlegers erstellt. Der Bericht<br />

enthält keinerlei Empfehlungen rechtlicher Natur oder<br />

hinsichtlich Investitionen, Rechnungslegung oder Steuern. Er<br />

stellt auch in keiner Art und Weise eine auf die persönlichen<br />

Umstände eines Anlegers zugeschnittene oder für diesen<br />

angemessene Investition oder Strategie oder eine andere an<br />

einen bestimmten Anleger gerichtete Empfehlung dar.<br />

Verweise auf frühere Entwicklungen sind nicht unbedingt<br />

massgebend für künftige Ergebnisse.<br />

Die Informationen stammen aus oder basieren auf Quellen,<br />

die <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> als zuverlässig erachtet. Dennoch<br />

kann keine Gewähr für die Richtigkeit oder Vollständigkeit<br />

der Informationen geleistet werden. <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

lehnt jede Haftung für Verluste aus der Verwendung dieses<br />

Berichts ab.<br />

WEDER DER VORLIEGENDE BERICHT NOCH KOPIEN<br />

DAVON DÜRFEN IN DIE VEREINIGTEN STAATEN<br />

VERSANDT, DORTHIN MITGENOMMEN ODER AN US­<br />

PERSONEN ABGEGEBEN WERDEN. Örtliche Gesetze<br />

oder Vorschriften können die Verteilung von Research­<br />

Berichten in bestimmten Rechtsordnungen einschränken.<br />

Dieser Bericht wird von der Schweizer Bank <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

verteilt, die der Zulassung und Regulierung der<br />

Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht untersteht.<br />

Das vorliegende Dokument darf ohne schriftliche Genehmigung<br />

der <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> weder ganz noch auszugsweise vervielfältigt<br />

werden. Copyright © 20<strong>09</strong> <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> Group AG<br />

und/oder mit ihr verbundene Unternehmen. Alle Rechte<br />

vorbehalten.<br />

Impressum Invest<br />

Herausgeber <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong>, Global Research,<br />

Uetlibergstrasse 231, Postfach 300, CH­8070 Zürich<br />

Redaktion Marcus Hettinger (mh), Thomas Herrmann (th),<br />

Fabian Heller (fh), Eliane Tanner (et), Claude Maurer (cm),<br />

Roger Signer (rs)<br />

Weitere Research-Publikationen finden Sie im Internet<br />

oder auf Anfrage.<br />

E-Mail publications.research@credit­suisse.com<br />

Internet www.credit­suisse.com/research<br />

Nachdruck gestattet mit dem Hinweis «Aus dem <strong>Bulletin</strong><br />

der <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong>»


Wissenswert<br />

Begriffe und Bücher aus der Wirtschaft<br />

NAFTA [ North American Free Trade<br />

Agreement ]: Zwischen Kanada,<br />

Mexiko und den USA besteht seit<br />

1992 ein Wirtschaftsverbund, der<br />

seit 1. 1. 1994 in Kraft ist. Die Nordamerikanische<br />

Freihandelszone<br />

� NAFTA bildet auf dem nordamerikanischen<br />

Kontinent eine –<br />

gemessen an der Zahl der Verbraucher<br />

in den Mitgliedsländern<br />

und der Wirtschaftskraft – bedeutende<br />

Freihandelszone. In dieser<br />

wurden seit Inkrafttreten des Abkommens<br />

Handelsbarrieren und<br />

Zölle gestaffelt abgebaut, und<br />

bis zum Jahr 2015 sollte die vollständige<br />

Realisierung abgeschlossen<br />

sein. Durch das Abkommen<br />

werden der Handel mit Gütern<br />

und Dienstleistungen, aber auch<br />

Investitionsbedingungen liberalisiert.<br />

Dabei einbezogen sind der<br />

Schutz des geistigen Eigentums<br />

und der Umwelt sowie arbeitsrechtliche<br />

Folgen.<br />

Schon seit ihren Anfängen<br />

wird die NAFTA heftig diskutiert.<br />

Einerseits können niedrigere<br />

Zölle den Handel steigern, weshalb<br />

internationale Unternehmen<br />

das Abkommen meist stützen.<br />

Demgegenüber stehen jedoch<br />

Befürchtungen, beispielsweise der<br />

Gewerkschaften in den USA,<br />

dass zu viele Arbeitsplätze nach<br />

Mexiko verlagert werden. Auch<br />

soziale und umweltbewusste<br />

Gruppierungen stehen der Ausdehnung<br />

des Handelsvolumens<br />

und seinen Folgen für Umwelt<br />

und Gesundheit kritisch gegenüber.<br />

Wie allerdings aus Wirtschaftsstudien<br />

hervorgeht, hat sich<br />

vor allem der Handel verlagert;<br />

Die NAFTA­Länder importieren<br />

Anzeige<br />

immer mehr aus ihren Mitgliedsstaaten<br />

als von anderen Ländern<br />

in der Welt.<br />

Nordische Investitionsbank<br />

(NIB) [ Der Wirtschaftsförderung<br />

dienendes Instrument ]: Die 1976<br />

gegründete � Nordische Investitionsbank<br />

dient als Unterstützung<br />

der Zusammenarbeit zwischen<br />

den Regierungen Dänemarks, Finnlands,<br />

Islands, Norwegens und<br />

Schwedens, einschliesslich der autonomen<br />

Gebiete Grönland, Färöer<br />

und Åland. Im Jahre 2005 der NIB<br />

beigetreten sind Lettland, Estland<br />

und Litauen, womit eine angemessene<br />

und zeitgemässe Fortführung<br />

der Kooperationen möglich gemacht<br />

wurde. Die NIB mit Sitz in<br />

Helsinki soll die Wirtschaft fördern.<br />

So finanziert sie Investitions­ und<br />

Exportprojekte, an denen Institutionen<br />

und Unternehmen aus mehreren<br />

skandinavischen Ländern beteiligt<br />

sein müssen oder die im «gesamtnordischen<br />

Interesse» liegen.<br />

Nord-Süd-Konflikt [ Interessensgegensätze<br />

zwischen Industrieund<br />

Entwicklungsländern ]: Zu<br />

Beginn der 1970er­Jahre wurde<br />

im Kampf um den Ölpreis zwischen<br />

den industrialisierten und nicht<br />

industrialisierten Teilen der Welt die<br />

gegenseitige Abhängigkeit klar.<br />

Als Folge davon begannen Entwicklungs­<br />

wie Industrieländer, eine<br />

zeitweise harte Konfrontationspolitik<br />

zu betreiben. Gegenstand der als<br />

� Nord­Süd­Konflikte bezeichneten<br />

Meinungsverschiedenheiten<br />

waren die wirtschaftlichen, politischen,<br />

militärischen und kulturellen<br />

Interessen, die teilweise gegensätzlicher<br />

nicht sein konnten. So<br />

forderten die Entwicklungsländer<br />

unter anderem eine neue Weltwirtschaftsordnung,<br />

welche die<br />

durch die Kolonialzeit erlittene Ausbeutung<br />

wiedergutmachen und<br />

eine gleichberechtigte Partnerschaft<br />

zwischen Nord und Süd entstehen<br />

lassen sollte. Diesen<br />

Forderungen standen die Industrieländer<br />

überwiegend ablehnend<br />

gegenüber. Heute scheint eine<br />

grundlegende Revision der Beziehungen<br />

zwischen den nördlichen<br />

und südlichen Weltteilen aus<br />

vielfältigen Gründen – zumindest<br />

vorläufig – gescheitert. rg<br />

True North<br />

Wissenswert Wirtschaft 6<br />

True North: Discover Your Authentic Leadership<br />

Bill George and Peter Sims<br />

Jossey­Bass, 2007<br />

247 Seiten<br />

ISBN: 978­0787987510<br />

Das Konzept Führung ist wenig greifbar. Umso mehr wollen<br />

die Menschen, die darüber lesen, sicher sein, dass die, die darüber<br />

schreiben, sich auch wirklich auskennen. Die Autoren von «True<br />

North» dürfen das von sich behaupten: Bill George ist Management ­<br />

Professor an der Harvard Business School, Mitglied in mehreren<br />

Verwaltungsräten und der frühere Verwaltungsratsvorsitzende und<br />

CEO des Medizintechnik­Unternehmens Medtronic. Peter Sims<br />

ist der Gründer einer Investmentfirma. Zusammen befragten sie<br />

125 Führungskräfte, um herauszufinden, was authentische,<br />

ethische Führung ist und was man dafür braucht. Und, was braucht<br />

man dafür ? Einen inneren Kompass, sagen sie. Dieser zeige<br />

den «wahren Norden» auf und biete so Orientierung auf dem Weg<br />

zu sich selbst. Führung sei nämlich genau der Weg, nicht das<br />

Ziel. getAbstract empfiehlt dieses Buch als Startpunkt. © getAbstract<br />

The Leadership Code<br />

The Leadership Code: Five Rules to Lead By<br />

Dave Ulrich, Norm Smallwood and Kate Sweetman<br />

Harvard Business Press, 20<strong>09</strong><br />

190 Seiten<br />

ISBN­13: 978 ­1422119013<br />

Dieses Buch ist die Rettung für alle, die im wuchernden Dschungel<br />

der Managementliteratur weder ein noch aus wissen. Wie eine<br />

Kompassnadel, die verirrten Wanderern Norden aufzeigt, führt es<br />

durch ein Gebiet, in dem man leicht die Orientierung verliert –<br />

oder zumindest die Nerven. Dave Ulrich, Norm Smallwood and<br />

Kate Sweetman sind in das nebulöse Terrain der Führungsliteratur<br />

vorgedrungen und haben es kartografiert. Das Ergebnis sind<br />

fünf grundsätzliche Regeln, die sie den «Führungscode» nennen.<br />

Leser erfahren, wie man eine Strategie entwickelt, wie man<br />

sie umsetzt, wie es gelingt, die Mitarbeiter dabei einzubeziehen,<br />

wie man talentierte Leute an Land zieht und wie man zugleich<br />

selbst als Führungskraft wächst. getAbstract empfiehlt dieses<br />

Buch Managern und denen, die es erst noch werden wollen; kurz:<br />

all jenen, die den unwegsamen Pfad zu guter Führung beschreiten<br />

wollen. © getAbstract<br />

© getAbstract. Fünfseitige Zusammenfassungen dieser Bücher finden Sie<br />

auf www.getabstract.com.<br />

<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 3/<strong>09</strong>


0 Leader Paul Krugman<br />

«Ich bin ein<br />

Krisenchronist»<br />

Vor zehn Jahren warnte Paul Krugman in seinem Buch «The Return of<br />

Depression Economics» vor den Problemen, die zur heutigen Krise führten.<br />

Im vergangenen Jahr erhielt der Professor und pointierte Kolumnen-<br />

schreiber den Wirtschaftsnobelpreis. Er spricht über die Gründe der Krise,<br />

die Lehren daraus und das Leben als Nobelpreisträger.<br />

Interview: Daniel Huber<br />

bulletin: Es gibt in dieser Krise nur wenige Gewinner.<br />

Wo orten Sie rückblickend das Hauptproblem für<br />

Sie scheinen aber einer davon zu sein. Denn die Tatsache, die aktuelle Wirtschaftskrise?<br />

dass Sie bereits vor zehn Jahren die jüngsten wirt-<br />

Für mich ist das ganz klar die kontinuierlich wachsende Ver­<br />

schaftlichen Entwicklungen vorhergesehen haben, dürfte schuldung, insbesondere in den Vereinigten Staaten. Diese Ten­<br />

Ihnen den Wirtschaftsnobelpreis eingebracht haben.<br />

denz hat aber schon vor ungefähr 25 Jahren begonnen. Den<br />

Paul Krugman: Nun gut, ich denke, ich bin philanthropisch Indikator, den ich am häufigsten verwende, ist die Verschuldungs­<br />

genug veranlagt, um mir zu wünschen, die Dinge hätten einen quote der privaten Haushalte. Diese Verschuldung war eine<br />

anderen Lauf genommen.<br />

Generation lang bis Anfang der 1980er­Jahre stabil und stieg<br />

Würden Sie sich eher als Pessimist oder Realist bezeichnen? danach unaufhörlich an, bis sie unmittelbar vor Ausbruch<br />

Meiner Meinung nach läuft zurzeit beides auf das Gleiche<br />

der Krise 100 Prozent des BIP erreicht hatte. Diese bedenkliche<br />

hinaus. Aber im Laufe meiner Karriere bin ich wohl allmählich Entwicklung wurde aber von vielen sogar noch begrüsst, da man<br />

eine Art Krisenchronist geworden, da mich Krisen schon<br />

darin eine Bestätigung für das Funktionieren der Märkte sah.<br />

immer interessiert haben. Auch die aktuelle Situation betrachte Rückblickend muss man jedoch sagen, dass sich viele schlichtweg<br />

ich unter diesem Gesichtspunkt, das heisst, ein potenzielles übernommen haben. Es lohnt sich jedenfalls, gewisse Auswüchse<br />

Problem ist für mich interessanter als eine Wendung zum<br />

der letzten Jahre nochmals ins Gedächtnis zu rufen: die hem­<br />

Positiven. Ich halte mich für einen Realisten, der in seinen mungslose Kreditvergabe, die Exzesse in Osteuropa und ähnliche<br />

Analysen zu einem gewissen Pessimismus neigt.<br />

Entwicklungen, die jetzt so gnadenlos auf uns zurückfallen.<br />

Warum hat niemand auf Sie gehört, als Sie vor zehn<br />

Haben wir den Tiefpunkt der Krise überstanden?<br />

Jahren in Ihrem Buch vor einer sich abzeichnenden Weltwirt- Kurzfristige wirtschaftliche Prognosen sind wie ein Blick in<br />

schaftskrise warnten?<br />

die Kristallkugel. Aber immerhin hat sich inzwischen das Tempo<br />

Zunächst einmal hat die Immobilienblase dazu beigetragen, des Abschwungs verlangsamt, und das Schlimmste der Krise ist<br />

dass die Dinge eine Zeit lang gut aussahen. Aus den verschiedens­ überstanden. Wenn Sie morgens Ihren Computer einschalten,<br />

ten Gründen ist diese Blase kaum hinterfragt worden. Dies lag müssen Sie sich nicht mehr jeden Tag auf neue Horrormeldungen<br />

zum einen an der verbreiteten Ansicht, dass der Markt immer gefasst machen. Es gibt zwar immer noch negative Überraschun­<br />

Recht hat, und zum anderen an der fehlenden Bereitschaft, das gen, aber auch immer mal wieder positive. Insgesamt scheint<br />

vermeintliche Erfolgsmodell in Frage zu stellen. Wenn Menschen sich die Lage zwar zu verschlechtern, aber nicht mehr im gleichen<br />

viel Geld verdienen, ist es nicht gerade populär, ihnen zu sagen, Tempo wie zuvor. Das ist ein wichtiger Fortschritt. Von einer<br />

dass sie sich auf gefährlichem Terrain bewegen. Kommt dazu, Erholung kann allerdings noch nicht die Rede sein. Bis es so weit<br />

dass, wenn wir wie Ende der 1990er­Jahre eine Krise ausgestan­ ist, liegt noch ein weiter Weg vor uns. Der Sturz in den Abgrund<br />

den haben, wir uns lieber selbst auf die Schulter klopfen und uns mag fürs Erste gestoppt sein. Das heisst aber nicht, dass die<br />

einreden, dass wir dies unserer eigenen Weisheit und Voraussicht Rückkehr zur Normalität unmittelbar bevorsteht. Man kann die<br />

zu verdanken haben. Im Stillen sagen wir uns aber: Mein Gott, aktuelle wirtschaftliche Situation mit der eines Patienten<br />

das war ganz schön knapp. vergleichen, der sich in kritischem Zustand befand, auf die<br />

><br />

bulletin 3/<strong>09</strong> <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

Foto: David Levene


Paul Krugman Leader 1<br />

<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 3/<strong>09</strong>


2 Leader Paul Krugman<br />

Paul Krugman wurde am 28. Februar 1 53 in<br />

New York geboren. Er ist Professor für Volkswirtschaft<br />

an der Universität Princeton, viel beachteter<br />

Kolumnenschreiber für die «New York Times»<br />

( jeweils am Montag und Freitag) und Autor mehrerer<br />

Wirtschaftssachbücher. Im vergangenen Jahr<br />

wurde ihm für seine «Analyse von Handelsstrukturen<br />

und Standorten ökonomischer Aktivität», so die<br />

offizielle Begründung der Königlich Schwedischen<br />

Akademie, der Nobelpreis für Wirtschaft verliehen.<br />

Neben seiner akademischen Tätigkeit war Krugman<br />

immer wieder auch beratend tätig, unter anderem<br />

1 82 im Wirtschaftsrat von Ronald Reagan und<br />

ein Jahrzehnt später während dessen Präsidentschaftskandidatur<br />

für Bill Clinton. Auf eine Anstellung<br />

im Weissen Haus soll er danach aber verzichtet<br />

haben. Krugmans kontroversen Blog bei der «New<br />

York Times» finden Sie unter:<br />

http://krugman.blogs.nytimes.com<br />

bulletin 3/<strong>09</strong> <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

Intensivstation gebracht und gerade noch gerettet wurde. Zwar<br />

ist es gelungen, eine zweite Grosse Depression abzuwenden,<br />

aber der Patient kann noch nicht entlassen werden. Im Gegenteil:<br />

Er ist noch immer schwer krank, und es ist überhaupt nicht<br />

abzusehen, wann er genesen wird.<br />

Gibt es Beispiele aus der Vergangenheit, die uns den Weg<br />

aus der aktuellen Krise vorzeichnen könnten?<br />

Die Antwort ist ziemlich deprimierend. Es gibt keine historischen<br />

Vorbilder für eine Erholung nach einem derartigen Abschwung.<br />

Das einzig brauchbare Beispiel ist Japan: Das Land erlebte zuerst<br />

ein verlorenes Jahrzehnt wirtschaftlicher Stagnation und im<br />

«Der Sturz in den Abgrund mag<br />

gestoppt sein. Das heisst aber<br />

nicht, dass die Rückkehr zur<br />

Normalität unmittelbar bevorsteht.»<br />

Anschluss daran ab 2003 eine ziemlich eindrucksvolle, von<br />

einem gewaltigen Exportboom getragene Erholung. Diese<br />

Erholung wurde allerdings fast ausschliesslich vom wachsenden<br />

Handelsüberschuss getragen, dank der Exporte nach China und in<br />

die USA. Die aktuelle Krise hat jedoch die ganze Welt erfasst.<br />

Wenn wir also keinen anderen Planeten finden, der unseren globalen<br />

Handelsüberschuss auffängt, bleibt uns dieser Ausweg verschlossen.<br />

Ein noch weiter zurückliegendes historisches Vorbild<br />

war die Grosse Depression, die durch ein massives öffentliches<br />

Arbeitsbeschaffungsprogramm beendet wurde: den Zweiten<br />

Weltkrieg.<br />

Hierzu sind zwei Anmerkungen angebracht: Erstens<br />

lässt sich ein vergleichbar grosses Programm derzeit nicht durchführen,<br />

es sei denn im Rahmen eines weiteren militärischen<br />

Grosskonflikts. Zweitens befanden sich die Staaten bei Ausbruch<br />

des Zweiten Weltkriegs in relativ guter wirtschaftlicher Verfassung,<br />

was ihr Schuldenniveau betraf. Daher hatten sie mehr<br />

Spielraum für eine expansive Wirtschaftspolitik.<br />

Und warum fiel die Welt nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

nicht wieder zurück in die Depression?<br />

Meine Theorie ist, dass sich die Bilanzen massiv erholt haben,<br />

weil während des Krieges keine neuen Kredite aufgenommen<br />

w erden konnten und weil die Verschuldung aufgrund von Wachstums­<br />

und Inflationseffekten im Vergleich zum Einkommen<br />

deutlich zurückging. Die Folge davon war, dass Privatpersonen<br />

und Unternehmen kaum verschuldet waren. Dies wiederum führte<br />

zu einer sehr starken Wirtschaft, nachdem die Kriegsausgaben<br />

weggefallen waren. Aber wenn das die Moral der Geschichte<br />

ist, müssen wir uns fragen: Können wir uns derzeit eine Fiskalpolitik<br />

vorstellen, die nachhaltig genug ist, um eine derartige<br />

Erholung der Privatwirtschaft zu ermöglichen? Denn wir müssen<br />

uns vor Augen halten, dass die Staaten bei Ausbruch der Krise<br />

g emessen an ihrem BIP relativ stark verschuldet waren.<br />

Wie gut steht eigentlich Europa im Vergleich zu den USA da?<br />

Obwohl der Schwerpunkt der Krise zunächst in Amerika lag,<br />

ist die europäische Rezession nicht weniger heftig. Daher ist es<br />

schwierig vorherzusehen, wo die Erholung zuerst eintreten wird.<br />

Trotzdem müssen wir Folgendes beachten: Obwohl der Rückgang<br />

des BIP auf beiden Seiten des Atlantiks ähnlich stark ausgefallen<br />

ist, sind die Menschen in den USA ungleich schwerer<br />

Fotos: David Levene


Paul Krugman Leader 3<br />

betroffen. Das liegt vor allem an dem schwächeren sozialen zum Zugpferd der Weltwirtschaft aufzusteigen. In 20 Jahren<br />

Netz und dem fehlenden Arbeitnehmerschutz. Zwar wird immer mag dies der Fall sein, aber im Moment noch nicht.<br />

wieder darauf hingewiesen, wie wichtig ein flexibler Arbeitsmarkt Der Stadtrat meines Wohnortes wird zur Förderung des<br />

ist, aber wenn eine Krise dieser Dimension eintritt, ist eine ge­ Konsums nächstens Kaufgutscheine im Wert von 50 Franken<br />

wisse Rigidität des Arbeitsmarkts eher von Vorteil. Aus all diesen pro Bewohner abgeben. Halten Sie dies für eine sinnvolle<br />

Gründen leiden die Amerikaner noch stärker unter dieser Krise Massnahme zur Bekämpfung der Krise?<br />

als die Europäer. Anderseits bin ich überzeugt, dass unter den Dieses Rezept haben auch die Japaner versucht. Das Problem<br />

grossen europäischen Volkswirtschaften Grossbritannien zuerst ist zunächst einmal, dass solche Mittel – zumindest in der Praxis –<br />

die Rezession überwinden wird. Da das Land nicht der Euro­ nicht zweckgebunden sind. Wenn Sie jemandem einen Konsum­<br />

zone angehört, konnte es seine Währung sehr viel stärker abwergutschein über 500 Dollar geben, egal für welche Produkte,<br />

ten, was im kommenden Jahr seine Wirtschaft beflügeln wird. kann er seine Ausgaben so umverteilen, dass er über ein zusätz­<br />

Welche Rolle nimmt China in dieser Krise ein? Könnte<br />

liches Einkommen von 500 Dollar verfügt, mit dem er machen<br />

es mit seinem gigantischen Potenzial nicht als eine Art Zugpferd kann, was er will. Sofern es sich dabei nicht um ein permanentes<br />

dazu beitragen, das Ausmass der Krise einzudämmen?<br />

Programm handelt, würden die Begünstigten wahrscheinlich<br />

China ist die Volkswirtschaft der Zukunft. Doch hat man das den grössten Teil dieser Zusatzeinkünfte zurücklegen. Obwohl sie<br />

nicht auch schon von Brasilien gesagt ? Mittlerweile sagt man: den Gutschein einlösen müssten, würden sie dafür an anderer<br />

Brasilien ist das Land der Zukunft und wird das auch immer Stelle sparen. Auf diese Weise erhöht sich die Staatsverschuldung,<br />

bleiben. Aber bei China ist das anders: Dieses Land ist kein ewi­ es sei denn, man wirft wirklich Bargeld unter das Volk, aber<br />

ges Land der Zukunft, sondern wird irgendwann tatsächlich das Problem wird dadurch auch nicht gelöst. Viel besser wäre<br />

die grösste Volkswirtschaft der Welt sein. Wenn wir die Schät­ aus meiner Sicht, das Geld einfach auszugeben, zum Beispiel<br />

zungen der Kaufkraftparitäten zugrunde legen, ist sie bereits halb für den Bau von Brücken oder für sonstige Infrastrukturprojekte.<br />

so gross wie die Volkswirtschaft der USA oder vielleicht sogar Dies ist jedoch ein langer Prozess, der ebenfalls zu einem<br />

noch grösser. Der Marktwert des chinesischen Bruttoinlandspro­ Anstieg der Verschuldung führt.<br />

duktes ist jedoch deutlich geringer. Selbst bei einem starken<br />

Viele Menschen haben Angst, dass die US-Notenbank Fed<br />

A nstieg des chinesischen Wirtschaftswachstums, der sicherlich Unmengen an Geld gedruckt hat und wir dadurch früher<br />

positive Folgen hätte, wäre China bei Weitem nicht in der Lage, oder später in eine massive Hyperinflation schlittern werden. ><br />

Ein Abend mit Paul Krugman<br />

Anlässlich des vierten <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> Salons diskutierte Nobelpreisträger<br />

Paul Krugman Anfang Juni in London mit geladenen Kunden über die Gründe<br />

der aktuellen Finanzkrise und die Lehren, die sich daraus ziehen lassen.<br />

Die Räumlichkeiten der Abendveranstal­<br />

tung hätten passender nicht gewählt sein<br />

können. Der pointierte Princeton­Professor<br />

Paul Krugman hielt seinen Vortrag zum<br />

Thema «Reshaping the Global Financial<br />

System» vor rund 50 geladenen Gästen in<br />

der Kings Gallery des Kensington Palace.<br />

Das ehrwürdige Gebäude hat seit seinem<br />

Bau Anfang des 17. Jahrhunderts wohl schon<br />

so manche Wirtschaftskrise überdauert. Es<br />

handelte sich um den ersten Anlass eines<br />

Privatunternehmens in den königlichen Gemächern<br />

des Kensington Palace.<br />

Gastgeber des Abends war Walter Berchtold,<br />

CEO Private Banking, der in seiner<br />

B egrüssungsrede die Frage in den Raum<br />

stellte, ob die jüngste Krise ein Fluch oder<br />

ein Segen für die nächste Generation sein<br />

werde. Eine erste aktuelle Einschätzung der<br />

Lage gab darauf Giles Keating, Leiter des<br />

Global Research der <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong>. Er hob<br />

dabei erste positive Anzeichen hervor, die auf<br />

eine bereits durchschrittene Talsohle der<br />

Krise hindeuten könnten. Danach stellte der<br />

ehemalige britische Premierminister Sir<br />

John Major, der als Moderator der anschliessenden<br />

Diskussionsrunde durch den Abend<br />

führte, Paul Krugman mit einer kurzen Laudatio<br />

vor.<br />

Es folgte die rund halbstündige Rede von<br />

Paul Krugman, die er mit einem gut gemeinten<br />

Rat seiner Frau anfing, er solle doch nicht<br />

immer so pessimistisch sein. Doch leider<br />

falle es ihm zurzeit wirklich schwer, Optimismus<br />

zu versprühen. So zeichnete der Wirtschaftsnobelpreisträger<br />

in seinem Vortrag<br />

ein eher nüchternes Bild der aktuellen Weltwirtschaft<br />

mit wenig Hoffnung auf einen<br />

baldigen, raschen Aufschwung. Historische<br />

Parallelen suchte er vor allem in der japanischen<br />

Wirtschaftskrise der 1980er­Jahre<br />

und weniger in der Grossen Depression der<br />

1930er­Jahre. Entsprechend gering stufte<br />

er denn auch die Gefahr einer Hyperinflation<br />

ein, was von verschiedenen Gästen in der anschliessenden<br />

Diskussion hinterfragt wurde.<br />

Darüber hinaus kam es noch zu einer Fülle<br />

von weiteren Fragen seitens des interessierten<br />

Publikums, die der eloquente Nobelpreisträger<br />

durchwegs mit viel Witz und Charme<br />

beantwortete. dhu<br />

� Weitere Bilder vom Anlass sowie Infos<br />

zur Salon-Reihe der <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

unter www.credit-suisse.com/bulletin<br />

Paul Krugman im Gespräch mit Sir John<br />

Major und Gastgeber Walter Berchtold (v. l.).<br />

<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 3/<strong>09</strong>


4 Leader Paul Krugman<br />

Die Geldmenge in den USA hat leicht zugenommen, wobei<br />

wir ihre Verteilung nicht genau bestimmen können. Das hängt<br />

unter anderem damit zusammen, dass das Halten von Geld<br />

bei einem Zinssatz von null Prozent nichts kostet und dass nach<br />

wie vor die Angst besteht, dass die Banken trotz aller Beteuerungen<br />

nicht hundertprozentig sicher sind. In den 1990er­Jahren<br />

waren in Japan Tresore die einzigen Verkaufsschlager unter<br />

den Gebrauchsgütern. Es ist jedoch meistens so, dass Banken<br />

riesige Reserven bei der Fed anhäufen, für die sie Zinsen erhalten.<br />

Das ist etwas anderes, als Geld zu drucken. Es ist vielmehr so,<br />

dass die Fed zur Staatsbank der USA avanciert. Die Banken sind<br />

zurückhaltend bei der Vergabe von Krediten. Stattdessen legen<br />

«Zurzeit haben wir sicher keine<br />

echte Inflation und meiner Meinung<br />

nach wird es auch in nächster<br />

Zukunft keine geben.»<br />

sie ihr Geld lieber in staatlichen Schuldverschreibungen oder<br />

bei der Fed an. Danach tritt die Fed in Erscheinung und kauft<br />

besicherte Wertpapiere. Auf diese Weise übernimmt die Fed einen<br />

Grossteil der Aufgaben der Finanzvermittler.<br />

Fakt ist: Zurzeit haben wir sicher keine echte Inflation und meiner<br />

Meinung nach wird es auch in nächster Zukunft keine geben.<br />

Doch wann und vor allem wie können wir den Aufschwung<br />

herbeiführen?<br />

Schlimmstenfalls steht uns ein Jahrzehnt wirtschaftlicher<br />

Stagnation bevor. Deutlich besser wäre es, wenn jemand eine<br />

bahnbrechende neue Technologie erfinden würde, die eine<br />

Menge an Investitionen erfordert und so für eine globale Erholung<br />

sorgt. Wenn Ihnen diesbezüglich etwas bekannt wird, lassen<br />

Sie es mich bitte wissen. Ich möchte an dieser Stelle die optimistische<br />

und vielleicht etwas verrückte Hypothese aufstellen,<br />

dass die Umweltpolitik für eine Erholung sorgen wird. Wenn<br />

wir wirklich etwas gegen den Klimawandel unternehmen – und<br />

die USA scheinen inzwischen tatsächlich dazu bereit zu sein –,<br />

ist dies ein Signal für Unternehmen, in die Reduzierung ihrer<br />

CO2­Emissionen zu investieren, wovon wiederum die Gesamtwirtschaft<br />

profitieren könnte. Jedoch kann ich dies nicht<br />

mit Zahlen untermauern, weshalb ich mich hier nicht zu weit<br />

aus dem Fenster lehnen möchte.<br />

Lassen Sie uns noch etwas von Leadership sprechen.<br />

Welche Eigenschaften sollte eine Führungspersönlichkeit<br />

mitbringen?<br />

Eine Führungspersönlichkeit muss ein bestimmtes Ziel verfolgen.<br />

Dann braucht sie auch eine grosse Portion Flexibilität. Meines<br />

Erachtens ist es wichtig, dass Führungspersönlichkeiten fähig und<br />

willens sind, erfolgreich mit starken Persönlichkeiten zusammenzuarbeiten,<br />

anderen zuzuhören und sich nicht einschüchtern<br />

zu lassen. In politischer Hinsicht bin ich der Auffassung, dass<br />

die USA in den letzten acht Jahren schlecht geführt wurden,<br />

da Entscheidungsträger an der Macht waren, die keine gegensätzlichen<br />

Meinungen zu ihren vorgefertigten Standpunkten<br />

zuliessen. Dagegen halte ich die jetzige Führung für kompetenter,<br />

auch wenn sie zugegebenermassen noch nicht lange im Amt<br />

ist. Was man auch sonst von der Obama­Regierung halten mag:<br />

bulletin 3/<strong>09</strong> <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong><br />

Trotz ihrer politischen Überzeugungen ist sie gegenüber Neuem<br />

aufgeschlossen und bereit, Alternativen zu prüfen. Der bedeutendste<br />

US­Präsident des 20. Jahrhunderts war für mich aber ganz<br />

klar Franklin D. Roosevelt. Er war sicher kein Intellektueller oder<br />

brillanter Kopf und hat sich auch nie als solcher verkauft. Seine<br />

Stärke lag vielmehr darin, dass er sich mit kompetenten Beratern<br />

umgab. Er blieb sich selbst und der Vision treu, die er für sein<br />

Land vorgesehen hatte – und genau darauf kommt es an.<br />

Vermissen Sie nicht etwas die Bush-Administration?<br />

Schliesslich gab sie Ihnen regelmässig Anregungen für Ihre<br />

Kolumnen in der «New York Times».<br />

Heute geht es in den meisten meiner Kolumnen um wirklich seriöse<br />

Themen. Manchmal kritisiere ich, manchmal lobe ich, und manchmal<br />

schlage ich Verbesserungen vor. Aber im Gegensatz zu den<br />

letzten Jahren, die durch Irrsinn geprägt waren, haben die Diskussionen<br />

wieder einen konstruktiven Charakter angenommen.<br />

Wie hat sich Ihr Leben nach dem Erhalt des Nobelpreises<br />

im vergangenen Jahr verändert ?<br />

Wahrscheinlich weniger, als Sie denken. Ich nahm aufgrund<br />

meiner Kolumnen schon vorher intensiv an öffentlichen Debatten<br />

teil und war auch damals schon eine öffentliche Figur. Es war<br />

nicht so, dass ich urplötzlich aus dem akademischen Elfenbeinturm<br />

ins Rampenlicht trat. Der Nobelpreis verhalf mir allerdings<br />

zu einer grösseren Glaubwürdigkeit. Nun ist es einfach<br />

zu erklären, weshalb man auf mich hören sollte. Aber ich arbeitete<br />

schon damals ebenso hart wie heute, nur mit dem Unterschied<br />

eben, dass mein Bekanntheitsgrad gestiegen ist. Jedoch denke<br />

ich nicht, dass sich mein Leben allzu sehr verändert hat.<br />

Haben Sie diese Ehrung erwartet ?<br />

Nicht wirklich. Die Möglichkeit war da. Aber ich habe zu dem<br />

Zeitpunkt absolut nicht damit gerechnet. Vielmehr habe ich alle<br />

Gedanken daran immer sofort verdrängt. Sie können 20 Jahre<br />

lang auf den Nobelpreis warten und sich jedes Jahr fragen, ob es<br />

denn dieses Mal gereicht hat. Das kann Sie verrückt machen.<br />

Deshalb konnte ich es kaum glauben, als ich den Anruf bekam.<br />

Sie wurden per Telefon benachrichtigt ?<br />

Das ist so. Die Preisträger werden telefonisch benachrichtigt,<br />

und mein erster Gedanke war, dass sich jemand einen Spass<br />

erlaubte und den schwedischen Akzent imitierte.<br />

Und was haben Sie danach getan?<br />

Ich habe auf der Nobel­Website nachgesehen, um sicher zu<br />

gehen, dass das Ganze kein Scherz war. Danach rief ich meine<br />

Frau an, da ich mich zu diesem Zeitpunkt in Washington auf<br />

einer Konferenz zur Finanzkrise befand. Meine Frau war gerade<br />

mit dem Zug unterwegs und fiel aus allen Wolken. Und dann<br />

fügte sie auch gleich hinzu, dass wir dafür eigentlich gar keine<br />

Zeit hätten.<br />

Der Schweizer Nobelpreisträger Heinrich Rohrer erzählte<br />

mir, dass man an einigen US-Universitäten als Nobelpreisträger<br />

einen speziellen Parkplatz zugeteilt bekommt. Haben Sie<br />

Ihren Ehrenplatz in Princeton bereits bezogen?<br />

Sie sind nicht der Erste, der mich das fragt. Wobei ich beim<br />

ersten Mal nicht glauben konnte, dass es ein solches Privileg gibt.<br />

Wie sich herausstellte, haben aber andere Nobelpreisträger<br />

aus Princeton tatsächlich darauf bestanden. Ich persönlich lehne<br />

so etwas ab, da ich es ziemlich albern finde.


Es steht schlecht um unsere Welt.<br />

Es ist Zeit zu handeln.<br />

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