Bulletin 3/09 "Norden" - Credit Suisse eMagazine - Deutschland
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Fotos: Editions Paulsen<br />
Interview: Daniel Huber<br />
bulletin: Es gibt wohl nur wenige Menschen, die den<br />
Nordpol so von Grund auf kennen wie Sie. Was fasziniert Sie<br />
an diesem Ort ?<br />
Frederik Paulsen: Das lässt sich nicht so einfach mit Worten erklären.<br />
Das muss man erleben. Es ist eine ganz spezielle Stimmung<br />
dort; eine Mischung aus Kälte, speziellem Licht, das in<br />
dieser Jahreszeit immer da ist, und den Reflexionen auf dem Eis.<br />
Das Erlebnis ist wirklich unbeschreiblich.<br />
Empfinden Sie den Nordpol auch als eine Art magischen Ort,<br />
an dem spezielle, magnetische Kraftfelder wirken?<br />
Nein, das würde ich so nicht sagen. Das ist mir zu vergeistigt.<br />
Wie erlebten Sie die Tauchexpedition zum Meeresgrund des<br />
Nordpols?<br />
In erster Linie war es ganz schnell völlig dunkel. Schliesslich befanden<br />
wir uns unter einer rund eineinhalb Meter dicken<br />
Eisschicht, die das Licht zusätzlich abschirmte. Wir sind über<br />
4000 Meter im Dunkeln abgetaucht, und erst als wir am Boden<br />
ankamen, haben wir die Scheinwerfer angemacht.<br />
Und jetzt steht da unten die russische Flagge aus Titan<br />
einsam vor sich hin im Dunkeln.<br />
Das ist so. Aber es gibt auf der Erde noch viele solcher Punkte,<br />
wo irgendwelche Flaggen rumstehen.<br />
Wie kamen Sie als Schwede dazu, diese doch sehr russische<br />
Expedition – jedenfalls wurde sie als solche gefeiert – an den<br />
Meeresgrund des Nordpols zu finanzieren?<br />
Jedes Jahr versuche ich bis zu vier Polarexpeditionen durchzuführen.<br />
Das lässt sich nur machen, wenn man gleichzeitig an<br />
mehreren Projekten arbeitet. Am Schluss lassen sich nie alle<br />
realisieren, sei es wegen des schwierigen Wetters, weil eine der<br />
notwendigen Zulassungen fehlt oder aus sonst einem Grund. Da<br />
gibt es immer enorme Unsicherheiten. Das Projekt einer Expedition<br />
zum Meeresgrund des Nordpols wurde bereits 2000 lanciert.<br />
Doch fehlte es den ursprünglichen Initiatoren am notwendigen<br />
Geld und an der politischen Unterstützung. Als ich dann mit diesen<br />
Leuten in Kontakt kam, habe ich das mittlerweile eingeschlafene Projekt<br />
reanimiert und die entsprechenden Kontakte aktiviert.<br />
Wie zwingend war die Durchführung unter russischer Flagge?<br />
Die Russen sind die Einzigen, die über das notwendige Material verfügen.<br />
Nur sie haben sowohl Atomeisbrecher, spezielle Helikopter als<br />
auch diese zwei Tiefseekapseln.<br />
Darüber hinaus soll die Expedition ja auch unter der Fahne des<br />
New Yorker Explorers Club gestanden haben. Wie kam das?<br />
Dieser Explorers Club ist eine ausgesprochen ehrwürdige und ernste<br />
Angelegenheit. Beim alljährlichen Dinner fühlt man sich 200 Jahre<br />
mitten in die Kolonialzeit zurückversetzt. Jeder erzählt von seinen noch<br />
wilderen Expeditionen. Dazu gibts eigenwillige Häppchen mit gegrillten<br />
Mehlwürmern, Heuschrecken oder Skorpionen. Da gibt es ein spezielles<br />
Komitee, das abklärt, welche Expeditionen würdig genug sind,<br />
um unter der Flagge des Clubs zu laufen. Unsere Expedition wurde als<br />
würdig erachtet und wir hatten tatsächlich ganz real ein ClubFähnchen<br />
dabei. Danach gabs eine feierlich überreichte, persönliche Kopie der<br />
Fahne, die nun an einem Ehrenplatz in meinem Büro hängt. Schliesslich<br />
ist das die höchste Auszeichnung überhaupt für ein Mitglied des<br />
Explorers Clubs.<br />
Wie wird man Mitglied im New Yorker Explorers Club?<br />
Das kann nur über Empfehlung eines bestehenden Mitglieds geschehen.<br />
Nordpol Norden 2<br />
Frederik Paulsen wuchs in Schweden auf und<br />
studierte Chemie an der Universität Kiel in<br />
<strong>Deutschland</strong>. Seit 1 6 ist er im Familienunternehmen<br />
Ferring tätig und übernahm dort 1 88<br />
als CEO die Leitung. Der internationale Pharmakonzern<br />
hat seinen Hauptsitz in St- Prex am<br />
Genfersee. Der 58-jährige Paulsen lebt in Paris<br />
und Lausanne. Er unterstützt eine Vielzahl von<br />
sozialen und kulturellen Projekten, unter anderem<br />
in Bhutan, Russland und <strong>Deutschland</strong>.<br />
Mich hat ein amerikanischer Freund vorgeschlagen, den ich bei<br />
meiner Expedition zu einem Mammut in Sibirien kennengelernt<br />
hatte.<br />
Wie sind Sie denn auf dieses Mammut gestossen?<br />
Das ist eine lange Geschichte. Ein anderer Freund, der Mammutforscher<br />
ist, hat mir davon erzählt. Worauf wir 2003 ein<br />
paar Mammutforscher eingeladen und eine Antonow gemietet<br />
haben und damit vier Wochen lang in Sibirien herumgeflogen<br />
sind, bis wir das Mammut tatsächlich gefunden haben.<br />
Es war extrem gut erhalten. Der Kopf war in einem Eisblock<br />
gefroren. Dadurch sah man sogar noch die Augen. Zwei<br />
Jahre später wurde es dann an der Weltausstellung in Japan<br />
2005 als kleine Sensation ausgestellt.<br />
Obwohl Sie die Expedition zum Nordpol massgeblich<br />
finanziert haben, kamen Sie zeitverschoben hinter der<br />
ersten Tauchkapsel unten an.<br />
Das haben wir speziell so geplant, weil wir den russischen<br />
Freunden den Vortritt geben wollten. Ihnen war das ja auch<br />
speziell wichtig, als Erste unten zu sein. ><br />
<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 3/<strong>09</strong>