34 <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> In den Kunstmuseen ist die ganze Welt zu Hause Gerade im Sommer lohnt sich ein Streifzug durch die Museen, zum Beispiel in Lugano, Martigny oder Zug. Dies regt den Geist an und kühlt den Körper ab. Museo d’Arte, Lugano Yves Klein & Rotraut: Von der Leichtigkeit und Kraft der Farbe Was wäre, wenn? Was wäre, wenn der französische Maler, Bildhauer und Performancekünstler Yves Klein nicht bereits ein knappes halbes Jahr nach seiner Heirat mit Rotraut Uecker einem Herzinfarkt erlegen wäre? Wer sich das Werk des Mitbegründers des Nouveau Réalisme vergegenwärtigt – die in Zusammenarbeit mit der Galerie Gmurzynska und den Yves Klein Archives entstandene Ausstellung in Lugano bietet eine farbenprächtige Gelegenheit dazu –, kann jedenfalls kaum glauben, dass der Avantgardist und Vorläufer der Popart im Alter von nur 34 Jahren verstorben ist, nach lediglich achtjähriger Schaffenszeit. Bekannt geworden ist Klein vor allem mit seinen monochromen Bildkompositionen. Aufsehen erregte er aber beispielsweise auch dadurch, dass er während einer Performance mit blauer Farbe bemalte Modelle sich auf Papier wälzen liess, während ein Orchester seine «Monotone Symphonie» spielte, die nur aus einem einzigen Klang besteht. Nachhaltig ist die Kraft seiner Farben. Sein spezielles, leicht rotstichiges Ultramarinblau, das er als International Klein Blue patentieren liess, übt ei2ne unwiderstehliche Sogwirkung auf den Betrachter aus, der förmlich ins Bild hineingezogen wird. Auch Rotraut liebt die Farben. Mehr noch als in den Bildern fällt dies bei ihren Skulpturen auf, von denen 22 vorübergehend den öffentlichen Raum Luganos beleben. Obwohl diese aus Eisen, Aluminium oder Bronze sind, bulletin 3/<strong>09</strong> <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bestechen sie durch ihre Leichtigkeit. Sie tanzen gleichsam durch die Stadt und verführen den Ausstellungsbesucher zu einem kulturellen Rundgang. Dem breiten Publikum wird klar, was Fachleute längst wissen: R otraut ist weit mehr als die Schwester von Günther Uecker, die Witwe von Yves Klein oder die Gattin von Daniel Moquay, sie ist eine eigenständige Künstlerin, die Beachtung verdient. In Lugano werden die Werke von Yves Klein und Rotraut erstmals gemeinsam ausgestellt – ein zusätzlicher, einmaliger Reiz. Yves Klein & Rotraut. Museo d’Arte, Lugano, bis 13. September. Nächste Ausstellung: Körper, Automation, Roboter, 25. 10. bis 21. 2. 2010. � www.mdam.ch Fondation Pierre Gianadda, Martigny Von Courbet bis Picasso: Das Beste aus dem Puschkin-Museum Die Fondation Pierre Gianadda verdankt ihren Ursprung einem tragischen Umstand: Kaum hatte der Bauunternehmer Léonard Gianadda in Martigny 1976 die Überreste eines galloromanischen Tempels entdeckt, verstarb sein Bruder Pierre. Ihm widmete er die Stiftung, die neben der permanenten Ausstellung auch für attraktive Wechselausstellungen besorgt ist. Hatte man 2004 bedeutende Werke aus der Philipps Collection, Washington, bewundern können, so 2006 solche des Metropolitan Museum of Art, New York. Nun also führt die Reise nach Moskau, ins Staatliche A. S. PuschkinMuseum für bildende Künste – und gleich wieder zurück, denn dieses Haus ist weniger auf russische oder slawische Kunst spezialisiert als vielmehr auf westeuropäische. Vielleicht erinnert man sich daran, dass das PuschkinMuseum bereits 2005 einmal eine Ausstellung in Martigny realisierte; sie war ganz der französischen Malerei gewidmet. Die aktuelle Ausstellung «Von Courbet bis Picasso» behandelt den Zeitraum von der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis Ende des ersten Drittels des 20. Jahrhunderts und damit verschiedenste Stilrichtungen. Sie beinhaltet attraktive Hauptwerke der europäischen Avantgarde, die von bedeutenden russischen Sammlerfamilien in Paris zusammengetragen worden sind. Von Courbet bis Picasso. Werke aus dem Puschkin-Museum, Moskau. Fondation Pierre Gianadda, Martigny, noch bis 22. November. � www.gianadda.ch Kunsthaus Zug Roman Signer: Retrospektive als Zeuge einer Freundschaft Dass das relativ kleine Kunstmuseum Zug immer wieder international von sich reden macht (weshalb eine Vergrösserung ins Auge gefasst wird), verdankt es nicht zuletzt dem Ehepaar Christine und Peter Kamm. Sie hatten unter anderem eine bedeutende Sammlung des mit ihnen befreundeten St. Galler Künstlers Roman Signer zusammengetragen. Nach der nun erfolgten Schenkung besitzt das Kunsthaus mit einem Schlag neben der Nationalgalerie Berlin und dem Kunstmuseum St. Gallen die wichtigste öffentliche SignerSammlung. Die sehenswerte Retrospektive «Werke 1975– 2007» zeugt eindrücklich davon und ist gleichzeitig eine Hommage an den Anfang 2008 verstorbenen Mäzen Peter Kamm. Am 16. August geht die Ausstellung «The Moving Museum» von Olafur Eliasson, einem der bedeutendsten nordischen Künstler der Gegenwart, zu Ende. Es ist dies sein sechstes in Zug realisiertes Projekt. Das siebte, die geplante Dokumentation über die bisherigen Projekte, lässt hoffentlich nicht allzu lange auf sich warten. Roman Signer, Werke 1 5 –200 , Schenkung Christine und Peter Kamm. Kunstmuseum Zug, 30. August bis 22. November. � www.kunsthauszug.ch Texte: Andreas Schiendorfer Fotos : Rudolf Stein er, Kunsthaus Zug, Schenkung Christine und Peter Kamm | Les deux saltimbanques, 1901, 73 x 60 © The State Pushkin Museum of Fine Art, Moskau | Rotraut, ADAGP, Paris | Stephanie Pilick, Keystone | Tallandier, Keystone
1 2 3 <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> 35 1 Das Kunstmuseum Zug besitzt eine bedeutende Sammlung des St. Galler Künstlers Roman Signer. Hier: «Piaggio auf Schanze», Chocholow/Polen, 2003. 2 Die Fondation Gianadda zeigt Meisterwerke aus dem Besitz des PuschkinMuseums Moskau. Hier: Pablo Picasso, «Harlekin und Gesellin». 3 In ganz Lugano verteilt findet man Skulpturen von Rotraut (MoquayKlein). Hier: « Cro Magnon Plaza» (Privatbesitz). <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 3/<strong>09</strong>