20 Norden Lichtkunst Unesco-Welterbe Kangia-Eisfjord Die 1 5 geschaffene Unesco-Liste des Welterbes umfasst derzeit 8 0 Denkmäler in 148 Ländern. Nördlich des Polarkreises sind es deren fünf: der Kangia-Eisfjord von Ilulissat, die russische Wrangelinsel, die Felszeichnungen im norwegischen Alta, die noch von Samen bewohnte Laponia- Wildnis sowie der so genannte Struwe-Bogen, das nach einem baltischen Astronomen benannte, rund 3000 Kilometer lange Netz geodätischer Vermessungspunkte von Hammerfest nach Chisinau, der durch Norwegen, Schweden, Finnland, Russland, Estland, Lettland, Litauen, Weissrussland und Moldawien führt. Der wichtigste Gletscher Grönlands, der Sermeq Kujalleq, sowie der dazu gehörige Kangia-Eisfjord wurden 2004 zum Unesco-Welterbe erklärt. Der «südliche Gletscher» ist einer der schnellsten und produktivsten Gletscher der Welt. Er fliesst im Sommer bis zu 40 Meter täglich und produziert («kalbt») rund einen Zehntel der grönländischen Eisberge, rund 35 Kubikkilometer Eis pro Jahr. Die Eisberge können bis in die Höhe des 40. Breitengrades gelangen, ehe sie abgeschmolzen sind. Einer von ihnen war 1 12 für den Untergang der Titanic verantwortlich. Der Sermeq Kujalleq weicht seit 1850 kontinuierlich zurück, in den letzten Jahren wesentlich beschleunigt. Dementsprechend ist die Länge des Eisfjords – in der Literatur teilweise noch mit 40 Kilometern angegeben – auf 58 Kilometer angewachsen. Verantwortlich dafür ist vor allem das etwas wärmer gewordene Wasser, welches die über ihr ins Meer hinausragende Gletscherzunge zum schnelleren Schmelzen gebracht hat. Nun hat sich jedoch der Gletscher auf das Festland zurückgezogen. Deshalb sind fortan ein verlangsamter Rückzug sowie kleinere Eisberge zu erwarten. Doch das Problem bleibt ungelöst. bulletin 3/<strong>09</strong> <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> anderen Gesprächen merkt man, dass sich Grönland an einem Wendepunkt, an der Schwelle zu einem neuen Zeitalter befindet, keineswegs nur in politischer Hinsicht. Die Klimaerwärmung wird die Nordwestpassage und die Suche nach Bodenschätzen erleichtern und vermehrt Touristen und ausländische Investoren anlocken. Sie hat also, keine Frage, für die einheimische Bevölkerung auch ihr Gutes, denn nur wenige westliche Idealisten glauben, dass sich die Inuit in der Rolle der letzten edlen Wilden gefallen. Im erweiterten Kreise folgt eine Diskussion unweigerlich: Ist Lichtkunst Kunst? Sie ist jedenfalls, betont Gerry Hofstetter, einmalig. Die Schatten, die von den Konturen der Eisberge herrühren, die Einwirkungen der Natur, das Licht, der Schneefall. Möglicherweise könne man die Nürnberger Eisbärin Flocke auch am Schreibtisch mit dem Computer auf einen Eisberg platzieren. Aber das wäre nicht authentisch, wäre steril und letztlich leblos. Wegen der Komplexität der Organisation, aber auch aus technischen Gründen kann wohl niemand eine vergleichbare Expedition durchführen. Deshalb hält Hofstetter bei seinen Grossprojekten das ganze Makingof dokumentarisch fest und achtet kompromisslos auf das Copyright. 2003 und 2004 fährt er in die Antarktis, 2005 projiziert er ein 1000 auf 400 Meter grosses Bild aufs Matterhorn, 2006 zieht es ihn, im UnoJahr der Wüste, zu den Pyramiden nach Ägypten. Und nun ist er schon zum dritten Mal in der Arktis. Naja Habermann, Managerin des örtlichen UnescoWelterbes, ist begeistert von der Lichtkunst. Und doch sind die Regeln einzuhalten: keine nächtlichen Überflüge über den KangiaEisfjord. Nur die Eisberge am Rande – wir nennen sie «Matterhorn» und «Schweizer Käse» – werden angepeilt. Doch gerade diese sind besonders gross und eindrücklich. An der offenen Helikoptertüre stehen Hofstetter und seine Assistentin und schieben Dia um Dia in den Projektor. Daneben liegen Fotograf und Kameramann mehr über denn nebeneinander, angeschnallt und beinahe festgefroren. Mit klammen Fingern arbeiten sie wie im Delirium: Die Blue Hour dauert nicht mehr lange ... Derweil hinten der Journalist in der Hitze gegen den Schlaf kämpft. Was Kamel auf Inuktitut heisse, möchte er wissen. «Für Kamel haben wir kein Wort. Das brauchen wir nicht, weil es hier keine Kamele gibt.» Naja schaut nach draussen und lächelt. «Müssen wir dies nun ändern? Immaqa. Vielleicht.» < � Mehr Infos und Fotos über Grönland, die Klimaerwärmung und die Lichtkunst unter www.credit-suisse.com/bulletin, www.gerryhofstetter.ch, www.eisberge.ch Bild links Den Helikopterflügen kommt wegen des Packeises grosse Bedeutung zu. Bild Mitte Gearbeitet wird mit offenen Türen, beim Erkundungsflug am Tag und bei der Lichtkunstexpedition in der Nacht. Bild rechts Vom Land aus beobachtet ein Teil des Teams die beiden Helikopter bei ihrer Arbeit.
Lichtkunst Norden 21 Eine Fata Morgana in der Eiswüste. Gerry Hofstetters Kunst mit Licht bringt scheinbar Unmögliches zusammen. Die klimatisch bedingten Regeln verlieren ihre Gültigkeit. Die Welt steht Kopf. Auf der geplanten Expedition auf den Kilimandscharo wird er wohl von grönländischen Huskys «begleitet». Eine Spielerei? Vielleicht. Vielleicht aber nennen wir es so, weil es unbequem ist, seine Gedanken zu Ende zu denken. <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 3/<strong>09</strong>