Auf ein WortBetrachtung der ZeitMein sind die Jahre nicht,die mir die Zeit genommen,mein sind die Jahre nicht,die etwa möchten kommen.Der Augenblick ist mein,und den nehm ich in Acht,so ist der mein,der Jahr und Ewigkeit gemacht.Andreas GryphiusKnäblein mit der Sanduhr, Jakob Merz, 1798 RadierungLiebe Leser unserer <strong>Kirchennachrichten</strong>,jetzt schlägt´s 13. Das konnte man mit Fug und Recht behaupten, als dieSilvesterglocken ein neues Jahr einläuteten. <strong>2013</strong> Jahre sind nun seit Christi Geburt,der „Stunde Null“ des christlichen Glaubens, vergangen. Einige davon durften wirselbst miterleben und so Gott will, werden es auch noch ein paar mehr werden. Aberdas haben wir ja nicht in der Hand. Es ist schon seltsam, die Zeit, die vergangen ist,lässt sich nicht mehr zurückholen – und wie viel Zeit noch kommen wird, weiß keinervon uns. So ist die einzige Zeit, über die wir wirklich verfügen können, derAugenblick. In diesem Moment entscheide ich, was ich mit der Lebenszeit tue, dieGott mir geschenkt hat. Wenn, wann nicht jetzt? Dieser Gedanke hat für mich etwasTröstliches. Denn wer so lebt, für den gibt es niemals ein „zu spät“. Egal, was in dervergangenen Zeit passiert ist, egal, was die Zukunft bringen wird, wichtig ist, was ichheute und hier tue. Wie oft sagen wir: „Ich habe keine Zeit“ – und doch ist das ja nurdie halbe Wahrheit. Denn wir alle haben Zeit geschenkt bekommen – den Augenblickwie das Jahr. Nun ist es an uns zu entscheiden, was wir mit diesem Geschenk tun,wofür wir uns Zeit nehmen und wofür nicht.Mit der geschenkten Zeit ist es wie mit anderen Geschenken auch – sie machen diemeiste Freude, wenn man sie mit anderen teilt. So gib es Gott, dass wir in diesemneuen Jahr öfter einmal sagen:„Ja, ich habe Zeit! – ich nehme mir Zeit für Dich!“2Ihr Bernhard Halver
. Die ZeitZeitkrankheitWir alle erleben und bedauern es, besonders wenn das alte Jahr bereits wieder endetoder das neue schon wieder in vollem Lauf ist: Wie schnell vergeht die Zeit. Und wirwerden, ob wir es wollen oder nicht, scheinbar mitgewirbelt. – Das ist jedoch nichtallein ein Phänomen der heutigen Zeit. Bereits 1685 erließ der dt. Kaiser ein „Ediktzur Verlangsamung der Zeit“. – Wir wissen, dieses Edikt war vergebens.Heute haben es die Menschen eiliger denn je. Sie hetzen, um alles unter einen Hut zubekommen, Arbeit, Familie, Freizeit, Vergnügen – und leiden immer mehr darunter.Depression, Burn Out, Bluthochdruck, Magengeschwüre, Rhythmusverlust,Schlafstörungen haben Hochkonjunktur. Der Begriff „Zeitkrankheit“ hat vieleGesichter. Websites im Internet beschäftigen sich damit, z.B. www.eilkrankheit.deoder Ähnliches. Wir fühlen, dass da etwas nicht in Ordnung ist mit dieserGesellschaft, mit unserem Leben. Und was uns meist in den Medien alserstrebenswert präsentiert wird, macht alles noch schlimmer.Aber es gibt auch Gegenbewegungen von Menschen, die das so nicht weitermachenwollen: Vereine zur Verzögerung der Zeit, Meldestellen für Glücksmomente, Slow-Art-Tage (d.h. „langsame Kunst“).Dem Aufputschgetränk „Red Bull“ („roter Bulle“) wird das Gelassenheitversprechende Getränk „Slow Cow“ („langsame Kuh“) entgegengesetzt. In Kircheund öffentlichem Dienst wird Mitarbeitern ein Sabbat-Jahr ermöglicht. DieComputerpioniere der ersten superschnellen Rechner haben gerade die langsamsteUhr der Welt gebaut. Sie tickt 1 mal pro Jahr, schlägt 1 mal pro Jahrhundert und derKuckuck erscheint 1 mal pro Jahrtausend. Ähnlich motiviert ist eine Orgelaufführungin Halberstadt, die „gerade“ läuft. Es wird ein Orgelstück, das eigentlich eine halbeStunde dauert, so verlangsamt aufgeführt, dass daraus 629 Jahre und 9 Monatewerden (entspricht ca. der Bauzeit des Kölner Doms!).Warum das alles? Verrückt? – Die Initiatoren sagen: „Wir verschicken einemusikalische Flaschenpost … In einer Zeit, in der wir keine mehr haben, legen wiretwas fest, das über alle Zeit hinausgeht.“ Und die Computerpioniere als Entwicklerder langsamsten Uhr erklären auch das Warum: „Die Generationen sollen nicht anverlorene Nanosekunden denken, sondern an die Zukunft.“ – Was macht ein erfülltesLebens aus? Möglichst viel zu erleben oder ist es die Qualität des Erlebten?Wir Christen wissen, „hinter dem Horizont geht´s weiter“, uns erwartet die Ewigkeitbei Gott. Bereiten wir uns in unserer Lebenseinteilung darauf, auf das Wichtigste,vor? In Notsituationen, wie z.B. schwerer Krankheit oder tiefer Sorge, wird es dannganz deutlich: Das meiste, dem wir im Leben nachhetzen, ist auf einmal so unwichtig.„Was hilfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewänne und nähme an seinerSeele Schaden?“ ( Markus 8, 36 )Dr. Ch. Maletz3