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Alemannische Dialekte

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B. Boesch, Alemannisch - Seite 6Heuschrecke, sättig für siedend heiß, ürte für Zeche,zueluegen für zuschauen, metzgen für schlachten 14 ).Dieser Ausgleichsprozeß zwischen oberdeutschemund mitteldeutschem Wortschatz ziehtsich hin bis in die Neuzeit, und Wörterbücher wie z.B. der Duden bemühen sich, den regional in dieSchriftsprachen eingegangenen, letztlich aus denMundarten kommenden Wortschatz Österreichs undder Schweiz zu berücksichtigen 15 ). Mit diesenregionalen Unterschieden ist jeder konfrontiert, deram Sonnabendmorgen in Hamburg den Zugbesteigt und am Samstagabend in Freiburgeintrifft 16 ). Man sollte den Wortreichtum, der derSchriftsprache aus den Mundarten zufließt, nichtgeringachten und die Belästigung als Bereicherungempfinden lernen. Ein so genialer Dichter wieGotthelf zwingt seine Leser geradezu in seinemundartlich gefärbte Sprache hinein, er schafft dankseiner Sprachgewalt eine Art von Übersprache, indie beides einfließt: die Vielfalt der realen Welt mitihrem mundartlichen Benennungsreichtum und dieWucht der biblisch anmutenden Hochsprache, diezur rationalen Besinnung in den dem Tageentrückten Begriffen der deutschen Gemeinsprachezwingt, ohne daß aus diesem Zusammenspiel derSprachsphären der Eindruck stilloser Mischungerwächst.Jacob Grimm war einer der ersten, der nebenseinem großen Wörterbuch der Literatursprache dieSchaffung von Mundartwörterbüchern gefordert undgefördert hat: So Stalders Versuch eines schweizerischenIdiotikons vom Jahre 1812. Im Kampfegegen die damals übliche Verachtung der niederenVolkssprache hat er nicht zuletzt mit dem Hinweisauf Gotthelf die alemannische Sprache gerühmt, vorallem weil sie sich nicht mit der Rolle des bloßenDialekts begnüge, sondern sich das Recht nehme,auch selbständig aufzutreten und in dieSchriftsprache einzufließen. Er läßt sich sogar zurPolemik hinreißen: „Wie weit steht die Klarheit undFrische in Hebels Poesie über der blöden, dieVerbalflexion oft abbeissenden Mundart desDithmarschen Quickborn“ 17 ).Neben dem Elsässischen, dem Schwäbischenund dem Vorarlbergischen Wörterbuch, die alleabgeschlossen sind und neben demSchweizerdeutschen Idiotikon, das seinen 13. Bd.mit dem Buchstaben T erreicht hat (Bd. l erschien1881) ist das von Friedrich Kluge, Alfred Götze,Ludwig Sütterlin, Friedrich Wilhelm und ErnstOchs begründete „Badische Wörterbuch" noch einrelativ junges Kind, obschon es 1925 das Licht derWelt erblickte. Das im Deutschen Seminar derUniversität Freiburg betreute Werk leidet zwar nichtan Schwindsucht, aber es fehlen ihm die nötigenfinanziellen Spritzen, um es nicht nur im Gang zuhalten, sondern in Trab zu versetzen.Die Lektüre eines solchen Mundartwörterbuchesist auch für den Laien eine unerschöpflicheFundgrube: es enthält ja nicht nur die nacktenWörter, sondern ihre typischen volkssprachlichen,oft köstlich unterhaltsamen Verwendungsweisen.Mit der Volkssprache ganz allgemein teilt dieMundart den sich stets erneuernden Bildbereich: siemeidet das Abstrakte. Man soll aber nichtübersehen, daß in diese Rolle der Sprachschöpfungauch die moderne Umgangssprache eingetreten, daßMundart hier sprachsoziologisch der Volksspracheschlechthin einzuordnen ist, sei dies nun in Köln, inKlein-Basel, im Zürcher Niederdorf oder inFreiburg, um solche Orte zu nennen, aus welchenuns moderne volkssprachliche Sammlungenvorliegen. Die beiden Bände des Freiburger A.BCvon Anton Müller gehörten eigentlich in jede hieransässige Familie. Ich nenne von jedem Buchstabennur ein Beispiel: was bedeutet abfuggere, e Blanke,dussmaa, ehnder, firschi, Guufkissili, derHaafekääs, di Jääschte, klaimunzig, der Lätsch,der Moose, notno, der Pfurpf, die Ribbling,schnaigig, der Tschoobe, ungaddig, vernuudle, dieWacke, er isch zwääg 18 ).Das Wort, das oft allein schon Bände spricht,erhält seinen feineren Gehalt vielfach erst in derbildhaften Redensart. Einige Beispiele quer durchdie Mundarten: Er he t Scharnieren im Hirni; eswird dir däich es Redli im Gring verrutscht si; dachaascht am aagee, wo d Hose mit dr Bisszangezuetuet y aber nid i miir; da hat mängem d Leiter eaagstellt; jetz chunts uus, wo de Hund d Chnochevergrabe het, wo de Giiggel uf em Sädel höckli, woder Chüngel wott näschte; aber d Chatz isch ameangere Ort im Heu gläge; er hat ere nume echli ufsLäbige greckt; i will dr s Mösch scho butze; iez wärdr Flueg widrumen i d Fuhre gstellt; i will dir derWy grad lüütere, der Spannstab e chli iitoo, d Lüüsabetue; deidure schränzt de Faden ab 19 ).Die Mundart als Mittel für eine unmittelbar demGemüt, der spontanen Reaktion verpflichteteAusdrucksform trifft sich auf einer Ebene mit alljenen Sprachstufen oder -ebenen, die diesemmenschlichen Bedürfnis Raum gewähren, nichtzuletzt mit der dichterischen Sprache, wo immer sieihr Sprachmaterial auch herholen mag.Man wäre wohl nie so leicht zur Verachtung derMundarten gekommen, hätte nicht der Gebrauch der

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