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MEDIEN-PSYCHOLOGIE

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<strong>MEDIEN</strong>-<strong>PSYCHOLOGIE</strong>G e s t a l t u n g & D e s i g n


Medien-Psychologie


InhaltAngewandte Psychologie11Gestaltpsychologie iGestaltpsychologie 21721FarbeFarbe und Gestaltung2935Kognitive PsychologieJean Piaget - kognitive Operation und kognitives Schema4349


Medien-Psychologie von Adelka SchmelzerMedien -PsychologieGestaltung& DesignMedien durchdringen nahezu alle Bereiche des Alltags vom Arbeitsplatz bis in denFreizeitbereich. Medien dienen der Information, der Kommunikation und ebenso derUnterhaltung. Sie nehmen Einfluss auf unser Denken und Fühlen, auf unser Verhalten undunsere Entscheidungen, auf Umfang und Art unserer sozialen Kontakte, auf unseren Lebensstil.Sie eröffnen Chancen und bergen Risiken. Und sie stellen wachsende Anforderungen anunsere Kompetenzen. In unserer modernen Informations- und Kommunikationsgesellschaftist der Bedarf an psychologischen Ansätzen zur Erklärung von Mediennutzung undMedienwirkung enorm gewachsen. Psychologische Theorienbildung und Forschung sindzentral gefordert.Man gestaltet nicht mehr in erster Linie für den reagierenden User, sondern für den agierendenAnwender. Design soll jedem Anwender die Möglichkeit geben, seine Interessen aktiv zuverwirklichen. Die kognitive Psychologie liefert Maßstäbe, die in der Medienergonomie für dieintuitive Interaktion Mensch-Maschine genutzt werden können.In dieser Dokumentation im Rahmen der Vorlesungsveranstaltung Medien-Psychologie handeltes sich um angewandte Psychologie in den Bereichen der Wahrnehmungspsychologie,der Kognitive Psychologie und der Kommunikationspsychologie.Durch praktischen Arbeiten, die in dieser Dokumentation aufgeführt sind, habe ich in denBereichen Felicity Conditions, Orientierungssysteme, Feedbacksysteme, Redundanzsysteme,Raumzeit-Ordnungen, Mediendidaktik meine Gestaltungskompetenz trainiert.Diese Dokumentation ist ein Teil meiner Studienleistung in dem Fach Medien-Psychologie ander FH-Lübeck / Fachbereich Elektrotechnik / Studiengang IGI.


Medien-Psychologie Angewandte PsychologieDie Medienlandschaft umfasst eine breite Palette von z.B. Sprache, Schrift, Zeitung, Radio,Telefon, Film, Fernsehen, Internet, Computer und vielen anderen Plattformen, die zurKommunikation in irgendeiner Form dienen.Psychologie ist in vielen Bereichen zu finden man unterscheidet unteranderem zwischenZivilisations-, Wirtschafts-, Arbeits-, Berufs-, Forensische, Schlaf-, Verkehrs-, Sport-, Kinder-,Markt-, Betriebs-, Freizeit-, Wahl-, Kunst-, Umwelt- und der Medien-Psychologie.Was hat die Psychologie mit den Medien zu tun?Medien sind das, was zwischen Sender und Empfänger vermittelt. Was sich beide mitzuteilenhaben, läuft über die Medien. «Psychologie» ist heute die Wissenschaft von den kognitivenFähigkeiten und individuell differenzierten Verhaltensweisen der Menschen.«Psychologie» stammt aus dem griechischen: «psyche» = Hauch, dann auch Seele (vgl.Bibel) «logos» = Wissen, Vernunft d.h. Psychologie = Wissenschaft von der Psyche.«Psychologie» gibt es seit der Antike («Über die Seele», Aristoteles, ca. 350 v.d.Z.) Seit der 2.Hälfte des 19. Jh. wurde die Psychologie zur experimentellen Wissenschaft (Wilhelm Wundt:erstes Labor, 1879). Jede Wissenschaft sucht ihre Methoden.BehaviorismusMit dem «Behaviorismus» versuchte man, die «Psychologie wissenschaftlich zu machen».Der «Behaviorismus» beschränkt sich auf die Beziehung zwischen Reiz (stimulus) undReaktion (response). Diese Beschränkung soll Objektivität im naturwissenschaftlichen Sinngarantieren.Ivan Pawlow (1849 – 1936) entdeckt den grundlegenden behavioristischen Mechanismus,den «bedingten Reflex». (Untersuchungen an Hunden.)John B. Watson etabliert 1913 die methodischen Prinzipien des Behaviorismus undschafft diese Benennung. Er erzeugte 1920 bei einem Kind einen bedingten Reflex vonRattenangst. Er ist der erste Werbepsychologe.11


Der Behaviorismus reduziert seine Beobachtungen auf Reiz / Reaktion. Dies folgt demnaturwissenschaftlichen Muster der Physik: Ursache / Wirkung. Die Reaktion ist mathematischeine Funktion des Reizes. Man will diese Funktion auch quantitativ finden, wie in derPhysik: y = f(x). Die Reaktion auf einen Reiz kann nach Pawlow und Watson gelernt werden.B.F. Skinner (1904 – 1990, Skinner-Box) erklärt, dass Reaktionen, die zu einer befriedigendenKonsequenz führen, immer häufiger zur Anwendung kommen. Belohntes Verhalten wirdverstärkt und wiederholt. B.F. Skinner ist der erste Behaviorist, der sich intensiv mit derSprache befasst. Er versucht eine funktionale Analyse der Sprache, reduziert auf verbaleÄußerungen («Verbal behavior»). Skinner versucht eine Links-Rechts-Analyse der sprachlichenKette, so dass das Nachfolgende stets Reaktion auf das Vorangehende als Reiz ist.1REIZICHICH BINREAKTIONBINMÜDE2Kognitiven PsychologieDer Linguist Noam Chomsky schreibt 1957 eine vernichtende Rezension des Werkes.Chomsky kritisiert, Skinner könne die Struktur der Sprache nicht erklären. Er führt einenmathematischen Beweis. Dies bedeutete die «offizielle» Wende zur Kognitiven Psychologie.Für Skinner wird die Äußerung sequenziell von links nach rechts entwickelt. Für Chomskyhat die Äußerung eine Top-Down-Struktur.Chomsky etabliert eine Sprachstruktur mit zwei Ebenen:Tiefenstruktur (deep structure)Oberflächenstruktur (surface structure)Das Wort «Benutzeroberfläche» ist von dieser Terminologie beeinflusst. Die Sätze: Hansrettet Emma / Emma wird von Hans gerettet / Von Hans wird Emma gerettet / Gerettetwird Emma von Hans haben dieselbe Tiefenstruktur (Bedeutung), aber vier verschiedeneOberflächenstrukturen.Dem entspricht bei den Benutzeroberflächen, dass die selbe «Tiefenoperation» durchmehrere redundante Oberflächenstrukturen (z.B. Menü, Tool, Tastaturkürzel) realisiert wird.Das heißt, eine Tiefenstruktur wird in eine Oberflächenstruktur nach Regeln transformiert(generative Transformationsgrammatik). Chomsky erklärt: Der Mensch reagiert nicht, derMensch agiert. Der Mensch ist ein Wesen mit einem Blick voraus, er plant den Satz!324567NPSS: SentenceNP: Noun PhraseVP: Verbal PhraseVPSENDER MEDIUM EMPFÄNGERSPRACHECodierung(Bedeutung ->Zeichenzuordnung)Decodierung(Zeichenzuordnung-> Bedeutung)12 Medien-Psychologie Angewandte Psychologie1 Links-Rechts-Analyse der sprachlichen Kettenach Skinner2 Burrhus Frederic Skinner (* 20. März 1904in Susquehanna, Pennsylvania; † 18. August1990 in Cambridge, Massachusetts) war derprominenteste Vertreter des Behaviorismusin den USA, er prägte den Begriff „operanteKonditionierung“ und erfand das so genannte„programmierte Lernen“.3 Avram Noam Chomsky (* 7. Dezember1928 in Philadelphia, Pennsylvania,USA) ist Professor für Linguistik amMassachusetts Institute of Technology(MIT). Er entwickelte die nach ihm benannteChomsky-Hierarchie, seine Beiträge zurallgemeinen Sprachwissenschaft fördertenden Niedergang des Behaviorismus und denAufstieg der Kognitionswissenschaft.4 Top-Down-Struktur nach Chomsky.5 Iwan Petrowitsch Pawlow (* 14. September1849 in Rjasan; † 27. Februar 1936 inLeningrad) war ein russischer Mediziner undPhysiologe.6 John Broadus Watson (* 9. Januar 1878 naheGreenville, South Carolina; † 25. September1958 in New York City) war ein amerikanischerPsychologe, der die psychologische Schuledes Behaviorismus begründete.7 Eine Tiefenstruktur wird in eine Oberflächenstrukturnach Regeln transformiert(generative Transformationsgrammatik).Chomsky erklärt: Der Mensch reagiert nicht,der Mensch agiert. Der Mensch ist ein Wesenmit einem Blick voraus, er plant den Satz!13


AufgabeSie spielen zu zweit. Einer ist der Sender, der andere der Empfänger. Erfinden Sie aus 6Piktogrammen ein Symbolsystem; einzeln auf einer Karte. Senden Sie 3 Botschaften durchKombination der Piktogramme. Der Empfänger soll die Botschaft dekodieren. Wechseln Siedie Rollen!4 56Die Aufgabe habe ich zusammen mit Axel Knobloch gelöst. Wir haben uns zunächst - jederfür sich - einzelne Sätze überlegt, die wir dann in Piktogrammen umgesetzt und uns gegenseitigvorgeführt haben. In der darauf folgenden Vorlesung haben wir diese dann nochmalsvor unseren Kommilitonen präsentiert.Aus den Piktogrammen ergeben sich die folgenden SätzeBilder 6, 10, 5; Bedeutung: Wer Auto fährt und Alkohol trinkt kommt ins GefängnisBilder 12, 1, 4; Bedeutung: Wenn man im Bett mit einer Zigarette einschläft, brennt esBilder 10, 4, 5; Bedeutung: Wer mit Sprit ein Haus anzündet kommt ins GefängnisBilder 9, 8, 11; Bedeutung: In den Urlaub fahren und von einer Mücke gestochen werdenBilder 7, 3, 4; Bedeutung: Flugzeug fliegen, abstürzen und sterbenBilder 7, 3, 2; Bedeutung: Flugzeug fliegen und auf einer einsamen Insel abstürzen7 89bzzzzz1 2310 1112SPRIT14 Medien-Psychologie Angewandte Psychologie1 Bett2 Engel3 Flugzeug-absturz4 Brennendes Haus5 Gefängnis6 Auto7 Mensch mit Koffer8 Mücke mit Stachel9 Insel mit Palme10 Flasche11 Arm mit Mückenstich12 Brennende Zigarette15


Medien-Psychologie Gestaltpsychologie IIn der Gestaltung erstreben wir, unter Benutzung unserer Kenntnisse der kognitivenPsychologie, Orientierung und Handhabbarkeit («usability») für den Adressaten bereit zu stellen.Die Gestaltung nutzt z.B. die kognitive Psychologie der Wahrnehmung, insbesondere dieGestaltpsychologie. Die Gestaltpsychologie handelt von den Gestalten. Das unübersetzbareWort meint objektive Form zusammen mit subjektiver Sicht auf sie.Die Gestaltpsychologie beginnt mit der Arbeit «Über Gestaltqualitäten» (1890) des österreichischenPhilosophieprofessors Christian von Ehrenfels (1859 – 1932). Die Gestaltpsychologiewird wesentlich gefördert durch die Forschungen von Max Wertheimer (1880 – 1943), die mitseinem Werk «Experimentelle Studien über das Sehen von Bewegungen» (1912) beginnen.Die Gestaltpsychologie als Teil der kognitiven Psychologie steht unter dem Motto: «Das Ganzeist mehr als die Summe seiner Teile». Dieses «mehr» in der Wahrnehmung verdankt sich einermentalen Aktivität.Zunächst einiges zur Physiologie und Psychologie der Wahrnehmung.Physiologie ist der Zusammenhang von Sehen und Handeln. Das Auge ist ein «Fotoapparat».Das Bild steht auf dem Kopf und ist seitenverkehrt. Die Netzhaut ist eine Ausstülpung desGehirns. Zwei Augen – zwei Hirnhälften – überkreuz. Augapfelbewegungen tasten dasObjekt ab. Ohne Augapfelbewegungen kein Sehen. Das Sehen benötigt immer wieder Neues(Reizentzug/Reizüberflutung).Sehen ist kein rein physiologischer Akt. Sehen will gelernt sein. Es gibt einen Zusammenhangzwischen Sehen und Zeichnen können. Schulung im Zeichnen bedeutet Schulung im Sehen.Im Zeichnen drückt sich aus, was wir im Sehen schon gelernt haben. Kinder zeichnen im«ägyptischen Stil». Es gibt starke kulturelle Unterschiede in der Interpretation des Gesehenen.Die Gestaltpsychologie steht also unter dem Prinzip «Das Ganze ist mehr als die Summe derTeile»: «Prinzip der Übersummativität». Es gibt Gestaltgesetze. D.h. ein Sachverhalt gilt für allePersonen. Sie beruhen auf einer mentalen Aktivität, die wir nicht unterdrücken können.17


Die Gestaltpsychologen formulierten Gesetze der Gestalt, die man heute als Vorstadien für diekognitive Wahrnehmungstheorie versteht. Wahrnehmungsillusionen gelten im Allgemeineninterkulturell.Gesetz der guten Gestalt: Wir legen stets einen Sinn in die Gestalt.Gesetz der durchgehenden Geraden oder des glatten VerlaufsGrößenbeeinflussung durch Kontext45Was lehren uns die Gestaltgesetze?1. Die Wahrnehmung gliedert von sich aus in Ganze und Teile. Es gibt nicht «an sich»Ganze und Teile.2. In der Wahrnehmung liegt «mehr» als in den Wahrnehmungsgegebenheiten.3. Wahrnehmung ist Bewegung (Abtasten, Kippfiguren).FAZIT: Als Gestalter können wir nicht «beliebig machen was wir wollen». Wir müssen daraufachten, was die Kognition zu unserem Entwurf sagt.6 78AufgabeKonstruieren Sie eine Tiefentäuschung. Fotografieren Sie den Aufbau selbst und den Effekt ausdem richtigen Winkel.1 2391018 Medien-Psychologie Gestaltpsychologie I1 Versuchsaufbau allgemein - wir haben eineKiste mit einem Guckloch an dem einen Endekonstruiert. Am oberen Rand der Kisten befindensich zwei Auflegeschienen, an denenjeweils eine Hälfte eines Burgers und einerTasse befestigt sind. Die Hälfte die näher andem Guckloch befestigt ist, ist kleiner als dieHälfte die im hinteren Teil der Kiste befestigtist. Schaut man nun durch das Guckloch,ergänzen sich die Hälften zu einem gleichgroßen Bild.2 Burger3 Tasse4 Kreis: Menge aller Punkte, die von einemPunkt gleich weit entfernt sind.5 Gesetz der Kontrastverstärkung6 Müller Layer Täuschung7 Kippfiguren werden zweifach dekodiert8 Wahrnehmungsillusion9 Gesetz der durchgehenden Geraden oderdes glatten Verlaufs10 Größenbeeinflussung durch Kontext19


Medien-Psychologie Gestaltpsychologie IIAls Gestaltpsychologie wird in der Regel eine Richtung innerhalb der Psychologie bezeichnet,die das Erleben (vor allem in der Wahrnehmung) als eine „Ganzheit“ betrachtet, die auf einerbestimmten Anordnung der ihr zugrunde liegenden Gegebenheiten beruht, wobei dieseGegebenheiten als „Glieder“ mit dem „Ganzen“ in der Beziehung wechselseitiger Bedingtheitstehen. „In der Regel“ heißt, dass das Wort „Gestaltpsychologie“ nur bedingt als klar definierbarerwissenschaftlicher Begriff gelten kann; es ist zum Teil ein durch seinen Gebrauch organischgewachsener Name für eine Anzahl „ähnlicher“ Auffassungen. Die Gestaltpsychologienunterschiedlicher Richtung leiten sich jedoch aus einer einzigen Arbeit aus dem Jahre1890 her, in der der Philosoph Christian von Ehrenfels seine Erkenntnis berichtete, dieWahrnehmung enthalte Qualitäten, die sich aus der Anordnung einfacher Sinnesqualitätenergeben.Die Gestaltqualitäten nach v. EhrenfelsChristian Freiherr von Ehrenfels (* 2. Juni 1859 in Rodaun bei Wien; † 8. September 1932 inLichtenau im Waldviertel), österreichischer Philosoph, gilt als einer der Vordenker und Vorläuferder Gestaltpsychologie bzw. der Gestalttheorie, insbesondere durch seine Arbeit überGestaltqualitäten (1890).Von Ehrenfels studierte an der Universität Wien Philosophie bei Franz Brentano und AlexiusMeinong, promovierte dann bei Meinong nach dessen Wechsel an die Karl-Franzens-Universität Graz 1885 mit dem Thema Größenrelationen und Zahlen. Eine psychologischeStudie. Er habilitierte sich 1888 in Wien für Philosophie mit der Schrift Über Fühlen und Wollen.Von 1896 bis 1929 war er Professor für Philosophie an der deutschen Universität Prag.Er prägte die Definition, nach der eine „Gestalt“ ein Ganzes sei, dass über die Eigenschaften derÜbersummativität (Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile) und der Transponierbarkeit(z.B. der Transponierung einer Melodie in eine andere Tonart) verfüge.Er difinierte die Gestaltqualitäten: Figur / Grund , «Gute» Gestalt und Konstanz.21


Berliner Schule der Gestaltpsychologie (Gestalttheorie)Aufgrund der Beobachtung von v. Ehrenfels entstand zu Beginn des 20. Jahrhunderts die„Gestaltpsychologie“ als eine neue psychologische Richtung. Sie wurde zuerst im deutschsprachigen,dann auch im internationalen Raum einflussreich. Als ihre Begründer undHauptexponenten gelten drei Studenten von Carl Stumpf: Max Wertheimer, Wolfgang Köhlerund Kurt Koffka. In weiterem Sinne kann auch Kurt Lewin dieser Gruppe zugerechnet werden.Diese „Berliner Schule der Gestaltpsychologie“ nannte sich auch „Gestalttheorie“ und erweiterteihren Gegenstand über die Wahrnehmung hinaus. Sie ist vor allem ihrer umfangreichenExperimentalforschung auf dem Gebiet der Wahrnehmung wegen bekannt und berühmtgeworden und wird noch Anfang des 21. Jahrhunderts vertreten. Es werden drei Arten vonGestaltqualitäten des Wahrnehmungserlebens unterschieden (Metzger 1954, S. 62-65), ohneinnerhalb dieser Arten eine Systematik anzugeben:• Struktur, (Gefüge, Tektonik) wie gerade, rund, symmetrisch, geschlossen, spitz, wellig;• Ganzbeschaffenheit wie durchsichtig, leuchtend, rauh;• „Wesen“ wie Charakter, Habitus, Gefühlswert.In der älteren Gestaltpsychologie vom Anfang des 20. Jahrhunderts wird „Gestaltgesetz“ synonymmit „Gestaltfaktor“, „Faktor“, „Gesetz“ oder auch mit „Gruppierungsgesetz“ verwendet. EinGestaltgesetz bezeichnet die Art des Zusammenschlusses von erlebten Teilen zu einer erlebtenGanzheit, oft neben einer Gruppe von einzelnen Gegebenheiten. „Der Zusammenschlusserfolgt derart, daß die entstehenden Ganzen in irgendeiner Weise vor andern denkbarenEinteilungen gestaltlich ausgezeichnet sind“, und zwar u. a. so, „daß möglichst einfache, einheitliche,...geschlossene, ..symmetrische, ...gleichartige Ganzgebilde entstehen.“ (WolfgangMetzger 1954, S. 108 f ). Für diese und einige andere Arten des Zusammenschlusses wurdenviele anschauliche Beispiele zusammengetragen, die den Betrachter unmittelbar überzeugen.Bestimmte Fakten wurden klassifiziert, so dass man von einer deskriptiven Theorie sprechenkann; eine erklärende Theorie für sie wurde jedoch nicht entwickelt.GestaltgesetzeGesetz der Prägnanz: (Es werden bevorzugt Gestalten wahrgenommen, die sich von anderendurch ein bestimmtes Merkmal abheben.)Gesetz der Nähe: (Elemente mit geringen Abständen zueinander werden als zusammengehörigwahrgenommen.)Gesetz der Ähnlichkeit: (Einander ähnliche Elemente werden eher als zusammengehörigerlebt als einander unähnliche.)Gesetz der Kontinuität: (Reize, die eine Fortsetzung vorangehender Reize zu sein scheinen,werden als zusammengehörig angesehen.)Gesetz der Geschlossenheit: (Linien, die eine Fläche umschließen, werden unter sonst gleichenUmständen leichter als eine Einheit aufgefasst als diejenigen, die sich nicht zusammenschließen(D. Katz, Gestaltpsychologie, 1969). Der nebenstehende „Würfel“ wird auch alsEinheit/ganze Figur gesehen.)Gesetz des gemeinsamen Schicksals: (Zwei oder mehrere sich gleichzeitig in eine Richtungbewegende Elemente werden als eine Einheit oder Gestalt wahrgenommen.)Gesetz der fortgesetzt durchgehenden Linie: (Linien werden immer so gesehen, als folgen siedem einfachsten Weg. Kreuzen sich zwei Linien, so gehen wir nicht davon aus, dass der Verlaufder Linien an dieser Stelle einen Knick macht.)Leipziger Schule der Gestaltpsychologie (Genetische Ganzheitspsychologie)Der Philosoph Felix Krueger und der Psychologe Friedrich Sander gründeten dieLeipziger Schule der Gestaltpsychologie. Während die Berliner Schule die Auffassung derErlebensimmanenz vertrat, nach der Erlebnisse aus Erlebnissen hervorgehen, waren dieLeipziger der Meinung, Erlebnisse seien durch erlebensjenseitige Gegebenheiten bedingt.Sie setzten einen Bereich transphänomenalen seelischen Seins an, den sie „Struktur“ nannten.Konkretere Ausführungen dieser Annahme gab es nicht; bekannt sind die allgemeinenAusführungen zum „Problem des seelischen Seins“ von Albert Wellek.22 Medien-Psychologie Gestaltpsychologie II23


Sander wurde mit Untersuchungen über visuelle Aktualgenese in seinem Institut bekannt, diein einer stufenweise Differenzierung des Perzepts bei kontinuierlicher Reizsteigerung bestand.Weder Krueger noch Sander versuchten, die Abfolge der entstehenden Gestaltqualitäten123irgendwelchen sie bedingenden strukturellen Gegebenheiten zuzuordnen. Sowohl der aktualgenetischeForschungsansatz als auch die Strukturtheorie sind der Vergessenheit anheimgefallenund werden im ‚mainstream‘ nicht mehr diskutiert.Allgemeine Konzepte der GestaltpsychologieGeschlossenheit: Wir «erschließen» eine nicht existierende Figur im Vordergrund.Einheitlichkeit: Tendenz, Unterschiede zu nivellieren. z.B. werden CMYK-Farben alsgetrennte Punkte gedruckt, aber nicht gesehen.Einfachheit: Unser Sehen sucht in der Vielheit die EinheitRegelmäßigkeit: Orientierung schaffen, indem wir nach Regeln sehen: Raster, Muster,Wiederholungen. Wichtige Aspekte für Autofahren.Symmetrie: D.h. eine Operation anwenden und das Aussehen bleibt gleich.Eingliederung in bevorzugte Raumrichtungen: Senkrechte und Waagerechte.4 5Man benutzt die Gestaltpsychologie in der Gestaltung, um der gesetzmäßigen Wahrnehmungdes Betrachters Rechnung zu tragen. In einer die Gestaltpsychologie beachtenden Gestaltungkann man kein Detail ändern, ohne das Ganze zu beeinflussen.Grundbewegungen von geometrischen Objekten:Quadrat die Senkrechte und WaagerechteDreieck die DiagonaleKreis die Drehrichtung.67 824 Medien-Psychologie Gestaltpsychologie II1 Figur / Grund2 Gestalt3 Konstanz4 Punkt: Minimale Einheit, zeigt und markiertden Raum. Der Punkt in einer Fläche zieht dieAufmerksamkeit auf sich («Ankerreiz»).ZweiPunkte markieren eine Entfernung. MehrerePunkte markieren ein kompliziertes visuellesFeld. Punkte tendieren in der Wahrnehmungzur Einheit.5 Linie: Zeigt die Flexibilität oder die Starrheiteines Objekts. Linie: Eine Linie hat Richtungund Ziel.6 Kontur: Bringt Grundfiguren wie Kreis,Quadrat, Dreieck und variiert sie, kombiniertsie.7 Nach längerer Betrachtung „kippt“ der Würfel.Man hat dieses „Kippen“ als Gestaltwechselbezeichnet8 Die Kanten des Würfels sind imaginär; siewerden von unserem Gehirn nach dem Gesetzder guten Fortsetzung erzeugt25


Medien-Psychologie FarbeRot ist «die» Farbe schlechthin. Die Farbpsychologie nennt Rot die fokale Instanz der Farbe (diefokale Instanz der Musikinstrumente ist die Geige, der Werkzeuge der Hammer).Ein spezielles Gebiet der Wahrnehmungspsychologie ist die Farbpsychologie. Die kognitivePsychologie der Wahrnehmung ist mehr als pure «Reiz/Reaktions-Psychologie»(= Behaviorismus). Die Farbpsychologie umfasst einen Bereich, von der Physiologie bis hin zuden Gesetzen, welche die Geschmacksbildung persönlicher Farbvorlieben betreffen.Die Netzhaut besteht aus Stäbchen und aus Zäpfchen: Letztere sind farbsensitiv. Die Iris regelt,wie die Blende einer Kamera, wie viel Licht in das Innere des Auges gelangt. In hellem Lichtzieht sich die Iris zusammen, im Dunkeln entspannt sie sich. Die Zäpfchen brauchen mehr Lichtals die Stäbchen, um ihre Aufgabe zu erfüllen. Farben werden in bestimmten Bereichen desGehirns «gesehen».Für die Gestaltung darf man nicht vergessen, dass es verschiedene Arten von Farbenblindheitgibt. 5% der Männer sind rotgrünblind (Gendefekt). Unser Gehirn ist «farbaktiv», hier gruppiertes das Grüne und das Rote, um eine Form zu erkennen.Künstler üben bewusst mit einer beschränkten Farbpalette. Manchmal sind es nur zwei oderdrei Farben.Farben sehen bedeutet im allgemeinen, dass die gesehene Farbe das reflektierte Licht ist (einBildschirm emittiert Licht). Gegenüber der additiven Farbmischung beim Licht gibt es die subtraktiveFarbmischung bei Pigmenten.Bei der additiven Farbmischung addiert sich das Licht zu Weiß. Im XVII Jh. entdeckt IsaacNewton, dass weißes Licht aus Farben besteht. 1672 spaltete Newton einen weißen Lichtstrahlin ein farbiges Spektrum auf. Newton bewies, dass durch zwei Prismen die verschiedenfar-29


122345671 Original Bild2 Rote Lippen3 Detailansicht rote Lippen4 Detailansicht gelber Schirm5 Gelber Schirm6 Blaue Augen7 Detailansicht blaue Augen32 Medien-Psychologie Farbe33


Medien-Psychologie Farbe und GestaltungDie Farbenlehre der Gestaltung berücksichtigt die Forschungen zur physiologischenFarbwahrnehmung und zur kognitiven Farbpsychologie. Nur im Kontext anderer Farben hateine bestimmte Farbe eine Bedeutung. («Farbe ist kontextsensitiv»). Speziell Gelb und Blau tragenin sich verschiedene Spannungen - die Spannungen des Vor- und Zurücktretens (WassilyKandinsky). Man sollte Farben nicht trivialisieren, indem man ihnen isolierte Bedeutungenzumisst: «Orange ist fröhlich», «Grün strahlt Ruhe aus», «Lila ist nostalgisch». Farbfolklore istnicht Farbpsychologie!Johann Wolfgang von Goethe (1749 - 1832) schrieb eine berühmte Farbenlehre. Goetheerstellte eine Farbenpsychologie. Gegenüber Newton betont er die Eigenständigkeit derFarbenlehre. Sie gehört nicht zur Physik, ist aber doch universell. In «Sinnlich-sittliche Wirkung»seiner Farbenlehre erklärt Goethe: «Auch habe ich gebildete Menschen gekannt, denen esunerträglich fiel, wenn ihnen an einem sonst grauen Tage jemand im Scharlachrock begegnete.»«Unser Auge findet in der Farbe Grün eine reale Befriedigung. […] Deswegen fürZimmer, in denen man sich immer befindet, die grüne Farbe zur Tapete meist gewählt wird.»Das Gehirn interpretiert das Grün als Fleck im Vordergrund. Simultankontrast Rot ist einAnkerreiz und erscheint kognitiv im Vordergrund. D.h. nicht in der Realität sondern in unsererWeltsicht erscheint Rot im Vordergrund. Gelb hat optimale Fernwirkung und aufdringlicheNahwirkung. Gelb funktioniert als Warnfarbe, da es schnell gesehen wird. Einfache Farben sindstärker wahrnehmbar.Gestalter müssen die Farbgebung auch in Schwarz-Weiß (d.h. in Graustufen) testen! SelbstSchatten sind keine grauen Flecken, sondern haben Farbe! Unterschiedliche Kulturen kategorisierenverschieden. Farben sind kulturelle Signale und besitzen symbolischen Charakter. Farbenwerden als Zeichensprache benutzt: Rot (Halt!), Gelb (Vorsicht!), Grün (Gehen!). Buntheit giltals lustig. Luftperspektive und kulturelle Erfahrung bei der Dekodierung von Landschaften.Corporate Identity: Printfarben und Screenfarben stimmen überein.35


FarbbezeichnungenIn den einzelnen Sprachen gibt es eine große Zahl nüancierender Wörter für einzelne Farben.Oft ‚fehlen‘ in einer Sprache Farbnamen, die andere haben (vgl. das späte Auftreten von „orange“und „magenta“ im Deutschen). Auch unterliegen die Wortbedeutungen dem sozialenWandel. Im Deutschen bedeutete z.B. „braun“ im 17. Jahrhundert eher „dunkelviolett“ bis„dunkelblau“ (vgl. das Kirchenlied Hernieder ist der Sonnen Schein, | Die braune Nacht bricht starkherein.). Ferner gibt es besondere Farbbezeichnung z.B. nur für menschliches oder tierischesHaar (vgl.„blond“ bzw. „falb“). Die Werbung macht reichlich Gebrauch davon (z.B.„sahara“ alsAutofarbe).Psychologische WirkungTrifft Licht eines bestimmten Wellenlängenbereichs auf das Auge, hat das außer der einfachenSinnesempfindung (wie„rot“, „blau“) noch weitere, komplexere und farbspezifische psychologischeWirkungen. Die haben bei Menschen desselben Kulturkreises viele Gemeinsamkeiten,weisen aber auch individuelle Unterschiede auf. Ob die Wirkung des Lichts auch von derAugenfarbe des Sehers abhängig ist, wurde bisher kaum erforscht. Solche Wirkungen derFarbwahrnehmung werden – intuitiv oder bewusst – für bestimmte Effekte genutzt, z. B. beider künstlerischen Gestaltung sowie in der Mode- und Werbebranche. Helfen sollen dabeipsychologische Farbtests. Einerseits sollen sie auf die Persönlichkeit der Testperson schließenlassen, wenn sie bestimmte Farben oder Farbkombinationen auffällig bevorzugt. Andererseitssollen sie zeigen, welche Persönlichkeiten auf welche Farben auf welche Weise reagieren.Solche Zusammenhänge und psychologische Farbwirkungen vermuten Menschen vielerKulturen, was sich in Sprichwörtern und Redewendungen niederschlägt.Die kommen vor allem dann gut zum Ausdruck, wenn man Substantive in Eigenschaftswörterverwandelt oder von vornherein Eigenschaftswörter verwendet, die am ehesten Gefühle auszudrückenvermögen, in der Tabelle z.B. gefährlich (Rot), giftig (Grün), frisch (Gelb).AufgabeNehmen Sie Bildmaterial zur Hand und Gestalten Sie jeweils auf einer Quadratischen Flächevon 15 x 15 cm Farbkollagen mit folgenden kulturellen Assoziationen:• Ruhe• Fröhlich• Gemütlich• SchlichtBeschreiben Sie die zugehörige Farbsemantik.1 2Die Wahrnehmung von Farben wirkt auf zweierlei Art psychologisch:Sie kann Assoziationen hervorrufen. Das sind Vorstellungen, meistens Erinnerungen an Dingewie Feuer (Rot), Gras (Grün), Zitrone (Gelb), siehe die Tabelle oben.Sie kann Gefühle (Farbgefühl, Gefühlston, Anmutungsqualität, Gefühlscharakter) hervorrufen.1 und 2 in diesen Konstelationen ist das Rotnäher als das Blau36 Medien-Psychologie Farbe und Gestaltung37


121 Grün - RuheEin ausgewogenes Grün strahlt nbeweglichkeitund Ruhe aus, da sich die exzentrischeBewegungen des Gelb und die konzentrischeBewegung des Blau aufheben. Grün hat einepassive Wirkung. Die Abwesenheit vonBewegung wird als wohltuend empfunden,kann aber nach einiger Zeit langweiligwerden. Grün wirkt positiv beruhigend aufdas Gemüt und vermittelt den Eindruck vonStillstand. Die Wirkung des Grün ist sanft,freundlich und friedvoll.Natürlich hat auch das Grün je nach Nuanceeine unterschiedliche Wirkung. WährendHellgrün lebendig, jugendlich, und etwaswärmer wirkt, löst Dunkelgrün ernste undnachdenkliche Gefühle aus. Mittelgrünwird als die Farbe des Ausgleichs und derZufriedenheit beschrieben.Farbwirkung und -symbolik:Visuell: fern; Empfindung: schwer, kühl, sauer,salzig; Stimmung: passiv, ruhig, natürlich,beruhigend, erfrischend; Bedeutung: Ruhe,Zufriedenheit, Natur, Bindung, Jugend;Symbol: Ruhe, Hoffnung, Wachstum undNatur2 Fröhlich - Orange-RotIn Orange (Rotgelb) steigert sich nach Goethedie Energie und Wirkung des Gelb und eswirkt noch mächtiger und herrlicher. Orangeist eine Farbe der Extraversion, denn es strahltnach außen (exzentrische Bewegung). ImGegensatz zum Gelb schwingt jedoch auchetwas Ernstes darin mit.Orange ruft ein gesundes Gefühl hervor. Esvermittelt ein Gefühl von Wärme und Wonne.Die Wirkung von Orange kann als erregend,heiter, freudig und warm beschriebenwerden. Gelbrot (Zinnober) ist die Steigerungdes Orange. Der aktive Aspekt erscheint hierin der höchsten Energie. Diese warme Farbedrängt sich ihrem Betrachter auf. Das warmeRot hat eine aktivierende, anregende Wirkungauf das vegetative Nervensystem, so daß eseine Steigerung der Puls- und Atemfrequenzund einen Anstieg des Blutdrucks hervorruft.Hieraus ergibt sich seine Verbindungzur Emotionalität und zum Affektiven. DieWirkung des Rot kann als stark erregend,erwärmend und vitalisierend bezeichnetwerden.Farbwirkung und -symbolikVisuell: nah, vordergründig; Empfindung:fruchtig, warm; Stimmung: aktivierend,fröhlich, freundlich, belebend; Bedeutung:Freude, Lust, Erheiterung, Eifer, Zerstreuung39


113 Gemütlich - BraunJacobi schrieb beim Malen der Farbe Braunaufgrund seines kotartigen Charakters eineentkrampfende und erlösende Wirkungzuschreibt. Riedel spricht ihm eine passivaufnehmende und empfindende Wirkung zu.Die Farbe braun erscheint nicht bedrohlich,deswegen ermutigt sie Ihre Mitmenschen,sich zu öffnen und freier zu kommunizieren.Farbwirkung und -symbolikVisuell: nah; Empfindung: gemütlich, warm,tradiert, schokoladig und konservativ;Stimmung: passiv, natürlich, beruhigendstabil, trocken, solide und behaglich;Bedeutung: Ruhe, Zufriedenheit, Erde,Erholung; Symbol: Mutter Erde undErdhaftigkeit4 Schlicht - BlauBlau hat eine ruhige und kühle Wirkung. Alseine Farbe der Introversion drängt sich Blaunicht auf, sondern weicht vom Menschenzurück und bewegt sich zum eigenenZentrum hin (konzentrisch). Dunkelblauerzeugt eine ernste Stimmung, wirkt deprimierendund traurig, während Hellblau dasGefühl von Weite und Ferne erzeugt.Farbwirkung und -symbolikVisuell: dunkel, fern; Empfindung: sehr kalt biseisig, schwer, herb, bitter; Stimmung: schlicht,sauber, beruhigend, erfrischend, Ausgleich,abkühlend; Bedeutung: Ruhe, Leichtigkeit,Vertrauen, Vertiefung, Sehnsucht; Symbol:Frieden, Treue, Glaube41


Medien-Psychologie Kognitive PsychologieKognition ist Erkennen; cognoscere (lat.) = erkennenDie kognitiven Fähigkeiten machen den Menschen zum Menschen. Der Mensch ist intelligent.Die interaktiven Medien erwarten vom Anwender Handlungen mit Zielen.Der Mensch re-agiert behavioristisch! Der Mensch agiert kognitiv! Wir sehen ein Verhalten. DerBehaviorist fragt: Worin liegt die Ursache? Der Kognitivist fragt: Worin besteht die Absicht?Noam Chomsky erklärt: Der Mensch re-agiert nicht, der Mensch agiert: er ist spontan. DerMensch ist ein Wesen mit einem Blick voraus, er plant seine Aktionen!Was bedeutet es, dass der Mensch plant?Die kognitive Psychologie zeigt, dass die Kognition zielgerichtet ist. Sie ist darauf gerichtet,Ziele zu erreichen und Hindernisse aus dem Weg zu räumen.Was bedeutet planen?Handlungsentwurf: Ein Ziel als machbar aufzufassen und die entsprechende Handlung zugestalten. Der Psychologe Wolfgang Köhler zeigte, dass Primaten planen können. Was könnendie Schimpansen?1. Ein Ziel im Auge behalten2. Teilziele festlegen3. Teilhandlungen ausführen («Operatoren»)Die Kognitive Psychologie beschäftigt sich mit den Prozessen, die mit dem Erkennen undBewältigen einer Situation zusammenhängen: Denken, Wahrnehmen, Erinnern, Beurteilen,Bewerten, Vermuten, Vorstellen, Erwarten…Ein «Plan» enthält:Ausgangsbedingungen («Wie geht’s ihr?»); Zielbedingungen (Marta treffen); Zwischenschritte(Anziehen, Busfahren, Hingehen); Nötige Ressourcen (das neue Kleid, Geld); Absicht (ein PaarSchuhe kaufen); Bereitschaft (Motive, Erfahrung); Entwurf (Überlegungen vor Handlung);Abwicklung (wenn alles nach Plan läuft); Entscheidung (nächstbeste Lösung); Regulation(Erleben der Umstrukturiertheit der Handlung); Auswirkung (Erfolg oder Mißerfolg).43


Zielgerichtete Handlung:Perfektivität, Zielkenntnis, Situationsbedingung, Einsatzniveau, kognitive Bewertung,Rückmeldung.Beispiel einer Handlungsabfolge einer Kaufentscheidung:Absicht (Ein Paar Schuhe kaufen - z.B. Schuhe sind kaput)Bereitschaft ( Motive / Erfahrungen - z.B. alte Schuhe wegschmeißen)Entwurf ( Überlegung vor der Handlung - z.B. Schuhe im Katalog aussuchen)Abwicklung ( Wenn alles nach Plan läuft - z.B. Schuhe anprobieren)Entscheidung ( Nächstbeste Lösung - z.B. auswählen)Regulation ( (Erleben der Umstrukturierbarkeit der Handlung - z.B. bezahlen)Auswirkung (Erfolg oder Mißerfolg - z.B. auf neuen schönen Schuhe angesprochen werden)Kinder durchlaufen in der ontogenetischen (=individuellen) Entwicklung eine zeitlicheStruktur in der Ausbildung kognitive Module. Kinder lernen z.B. unterschiedlich schnell sprechen(Begabungsunterschiede).So etabliert sich ein mentalmapping der Welt (Weltwissen). Bezüglich ihrer Handlungen besitzendie Menschen also ein unterschiedliches Vorwissen, dass sie für die Interaktion nutzen.Interaktion heißt: Zusammenspiel von Vorwissen und lernen. Das durch Artefakte erzwungeneLernen sollte möglichst minimiert werden.Wenn das Vorwissen nicht ausreicht, muss das Design den Anwender Schritt für Schritt führen.Das bedeutet setzen. Nur so viele Schritte wie nötig, aber auch alle dienötig sind.Wir versuchen die Struktur einer Handlung Anderer zu verstehen, indem wir beobachten wasgerade abläuft und erraten, was das Ziel der Aktion ist.Bei einem Satz zeigt ein Punkt beispielsweise, dass ein Teil eines Textes (ein Satz) in sich abgeschlossenist. Man wendet den gramatischen Interpunktionsbegriff auch aug Handlungen an.Interaktives Design soll nicht dem Anwender vorschreiben, wie und was er machen soll, sondernMöglichkeiten anbieten für die Ziele des Anwenders.AufgabeEntwickeln Sie in kleinen Gruppen ein kurzes Storyboard nach den unten stehendenHandlungsschritten. Inszenieren Sie es vor dem Plenum mit Hilfe eines Kommentators, der diePsychologie-Schritte deutet:Absicht, Bereitschaft, Entwurf, Abwicklung, Entscheidung, Regulation und Auswirkung.12VOR-WISSENVOR-WISSENVOR-WISSENVOR-WISSENLERNENANFANG??? INTERPUNKTION ???Handlung diegerade AbläuftAntizipation - Verstehender BedeutungZIEL1 Der Lernprozess2 Interpunktion44 Medien-Psychologie Kognitive Psychologie45


1 238 9104 5611 1213714 15161 Absicht - der Laptop ist kaputt,2 Bereitschaft - ich schmeiße meinen altenLaptop in den Müll3 Entwurf - ich brauche einen neuen um weiterarbeitenzu können4 Abwicklung - ich schaue in einem Geschäftnach einem neuen Laptop5 Entscheidung - ich entscheide mich füreinen neuen superschnellen Laptop6 Regulation - ich gehe zur Kasse um denneuen Laptop zu bezahlen7 Auswirkung - auf meinem Konto ist nichtgenug Geld und der Verkäufer zerschneidetmeine Kreditkarte. Ich bin deprimiert.8 bis 16 Das Handlungsszenario als Fotostory46 Medien-Psychologie Kognitive Psychologie47


Medien-Psychologie Jean Piaget - kognitive Operation und kognitives SchemaDas GedächtnisDurch die Sinne nehmen wir unsere Umgebung wahr und leiten die Reize weiter an dasGehirn.Im Kurzgedächtnis werden Informationen für ein ppar Sekunden bis zu ein paar Stundengespeichert. Fünf bis neun befinden sich gleichzeitig als Informationsbrocken imKurzzeitgedächtnis. Werden sie nicht aufgefrischt, verliert man sie. Nur bei Wiederholunggelangen sie ins Langzeitgedächtnis. Die Kapazität des Kurzzeitgedächtnis ist also begrenzt.Man darf den Benutzer nicht mit zu vielen Informationen auf dem Bildschirm belasten.Im Langzeitgedächtnis werden Informationen gespeichert und im prinzip nie mehr gelöscht.Wir können dabei nicht direkt auf bestimmte Daten zugreifen wie ein Speicher des Computers(Assoziativer Speicher). Das Langzeitgedächtnis wird eingeteilt in:• Deklarativer Speicher (Quasi ein Lexikon) - Ereignisse, Fakten, Bilder• Prozedualer Speicher (Handlungsschemata) - Motorische und kognitive Fähigkeitensowie Reflexe• Assoziativer Speicher (deklarativer Speicher)Jean Piaget, Schweizer Psychologe (1896 – 1980). Ursprünglich Biologe, wurde einer derbedeutendsten Kognitiven Psychologen des XX. Jhs. Er hatte großen Einfluss auf die Informatik(Seymour Papert: LOGO).Piaget: Intelligenz entwickelt sich; Angeborene Intelligenz + Lernen. Beide Komponentenwirken untrennbar zusammen.Piaget konnte beweisen, dass wir die Welt begreifen durch Schemata, die von uns inbestimmten Entwicklungsphasen ausgebildet werden. Die Kognitive Psychologie studiert, wiewir die Regelmäßigkeiten (Muster) der Welt aktiv durch Schematisierung erkennen: «patternrecognition» Intelligenz = Entwicklung.49


Die Kognitive Psychologie studiert insbesondere die zeitliche kognitive Entwicklung: Mit welchenkognitiven Schemata in welcher Reihenfolge eignet sich der Mensch die Welt an? Piagetstellt verschiedene Perioden der kognitiven Entwicklung fest:• sensomotorische Entwicklung,• voroperatives anschauliches Denken,• konkret-operative Phase,• formal-operative Phase.Sensomotorische Periode (0-2 Jahre) mit 6 Stadien:1. Stadium (1. Monat); Erste Reflexe: Saug-, Greif-, Schluckreflex mit Akkomodation(Anpassung an die Umwelt) und Assimilation der Umgebung.2. Stadium (1.-4. Monat); Säugling wiederholt Handlungen. Am Ende des 4. Monats lernter die erste Koordination verschiedener Aktivitäten (Sehen und Greifen).3. Stadium (4.-8. Monat); Das Kind wendet sich zunehmend der Außenwelt zu. Es entdeckt,seine Verhaltensweisen zu steuern: Intentionalität noch auf Wiederholung ausgerichtet.4. Stadium (8.-12. Monat); Koordination erworbener Handlungsschemata. Zunehmendzielorientiertes, intentionales Verhalten. Verwendung von Gegenständen (Stöcke) uman Zielobjekte zu gelangen.1 2Piaget's view= ?5. Stadium (12.-18. Monat); Aktives Experimentieren für neue Handlungsschemata. Effektewiederholen. Gebrauch von Instrumenten.6. Stadium (18.-24. Monat); Das Kind kann sich Dinge vorstellen. Gebrauch von Symbolenund Worten, um sich auf Dinge zu beziehen, die nicht gegenwärtig sind.Präoperationales Stadium - Voroperatives Denken (18 Monate-7 Jahre) Handlungssequenzenim Geist ausführen, anstatt mit Gegenständen zu experimentieren.Das Kind ersetzt die sensumotorischen Aktivitäten immer mehr durch verinnerlichte geistigeAktivitäten wie sprachlicher Ausdruck und Bildvorstellung. Es agiert in Gedanken. Ein Kind, dassich den zwingenden Aspekten des unmittelbaren konkreten Reizes nicht entziehen und sichnicht vorstellen kann, wie das Objekt vor einer Änderung ausgesehen hat, befindet sich im präoperationalen,vorgedanklichen Stadium.Im präoperationalen Stadium sieht sich das Kind mit seinen Bedürfnissen und Zwecken nochals das Zentrum. Alles wird in Bezug auf das Ich gesehen. Der Egozentrismus des präoperationalenKindes lässt es annehmen, dass jeder so denkt wie es selbst denkt und dass die ganzeWelt seine Gefühle und Wünsche teilt. Dieses Gefühl des Einsseins mit der Welt führt im Kindezu der Überzeugung seiner magischen Allmacht. Die Welt ist nur seinetwegen geschaffen.Aufgrund seines Egozentrismus ist das Kind nicht fähig, sich in andere Menschen hineinzudenken.Alle teilen vermeintlich seinen Standpunkt. Es kennt nur seine Perspektive. Das Kindglaubt, dass alles, was es für real hält (Worte, Namen, Bilder, Träume, Gefühle), auch wirklich existiert(Realismus). Auch auf der sprachlichen Ebene zeigt sich diese Egozentrizität. Das Kind istnicht in der Lage, eine Geschichte so zu erzählen, dass sie für einen Zuhörer, der die Geschichtenicht kennt, verständlich ist.Ein weiterer Aspekt des egozentrischen Denkens ist der Animismus. Das Kind glaubt, dass dieDinge wie es selbst sind: belebt, bewusst und voller Absichten.child's view1 Perspektivenübernahme - Piaget fragt beidiesem Modell, welches von den vier Bildernseine Sicht ist. Jüngere Kinder wählen dasBild, wie sie die Situation sehen und nicht wiePiaget sie sieht.2 Bei diesem Modell fragt er, welches derbeiden Behälter mehr Flüssigkeit enthält.Die meisten Kinder tippen auf den rechtenBehälter. Es enthalten jedoch beide Behälterdie selbe Menge an Flüssigkeit.50 Medien-Psychologie Jean Piaget51


Piaget unterscheidet vier Animismus-Stadien, die nacheinander durchlaufen werden:1. Jeder Gegenstand kann mit einem Zweck oder bewusster Aktivität geladen sein. Ein Ballkann sich weigern geradeaus zu fliegen.2. Nur Objekte, die sich bewegen, sind lebendig (z.B. Wolken).3. Nur Objekte, die sich spontan und aus eigener Kraft bewegen, sind lebendig.4. Nur Pflanzen und Tiere sind lebendig.Unter Artifizialismus versteht man die Vorstellung, dass die Gegenstände undNaturerscheinungen von Menschen geschaffen wurden. Zum Beispiel könnten MenschenSterne, Berge und Flüsse erschaffen. Das Denken des präoperationalen Kindes beruht nicht aufLogik. Objekte und Vorgänge, die in einem raumzeitlichen Zusammenhang auftreten, werdenin kausaler Beziehung gesehen, beispielsweise der Donner macht den Regen.Unter Erhaltung ist die Fähigkeit zu verstehen, dass gewisse Eigenschaften eines Objekts konstantsind und erhalten bleiben, auch wenn es sein Aussehen ändert. Beispiele: Erhaltungder Substanz, auch wenn sich die Form ändert; Erhaltung des Gewichts bei Formänderung;Erhaltung des Volumens auch wenn das Wasser in ein höheres Gefäß gefüllt wird; Erhaltungder Länge eines Stocks auch wenn er verschoben wird; Erhaltung der Anzahl, auch wenn dieAnordnung ( statt ) verändert wird.Konkretoperationales Stadium - Konkret-operatives Denken (7-12 Jahre)Objekte als Elemente einer Klasse (Klassifikation): Katzen, Hunde und Vögel als Tiere.Das Kind kann in Gedanken mit konkreten Objekten oder ihren Vorstellungen operieren. DasDenken ist auf konkrete anschauliche Erfahrungen beschränkt. Abstraktionen (wie MilliardenJahre) sind nicht möglich. Das Denken ist noch nicht logisch sondern intuitiv und wird von derdirekten Wahrnehmung beeinflusst.Dezentrierung ist der auf die unmittelbare Wahrnehmung folgende Prozess. Durch dieDezentrierung werden Irrtümer oder Verzerrungen der Wahrnehmung korrigiert. Nicht der vordergründige,auffälligste Aspekt der Wahrnehmung wird am stärksten bewertet.Reversibilität (Umkehrbarkeit) ist das Vermögen in Gedanken rückwärts zu gehen.Durchgeführte Operationen können wieder rückgängig gemacht werden (Addition -Subtraktion).Seriation ist die Fähigkeit Objekte in einer Reihenfolge entsprechend der Größe, des Aussehensoder eines anderen Merkmals anzuordnen.Klassifikation bedeutet die Fähigkeit, eine Gruppe von Objekten entsprechend ihresAussehens, Größe oder eines anderen Merkmals zu benennen oder zu identifizieren. Diesschließt die Idee ein, dass eine Klasse eine andere Klasse beinhalten kann (Klasseninklusion).Formaloperationales Stadium - Formal-operatives Denken (ab 12 Jahre bis Erwachsenenalter)Der junge Mensch kann nun ‚mit Operationen operieren‘, das heißt, er kann nicht nur über konkreteDinge, sondern auch über Gedanken nachdenken. Die Periode ist charakterisiert durchabstraktes Denken und das Ziehen von Schlussfolgerungen aus vorhandenen Informationen.Diese vier Stadien haben folgende Charakteristika:• die einzelnen Stadien folgen aufeinander; ein Stadium muss durchlaufen sein, bevordas nächste folgen kann• die Stadien sind universell, d.h. sie kommen in allen Kulturen vor• die Stadien sind durch qualitative , nicht nur durch quantitative Unterschiede voneinander abgegrenzt• in den Stadien wird durch die Prozesse Assimilation und Akkommodation einebessere Anpassung der Person an die durch die Umwelt bedingten Gegebenheiten(Adaption) angestrebt. Insbesondere Akkomodation geschieht, wenn durchneue Erfahrungen ein Ungleichgewicht zwischen den bereits aufgebautenkognitiven Strukturen und realen Situationen festgestellt wird. Diese beiden Prozessewerden durch Reifung, durch Erfahrung und durch Erziehung angeregt und dies führtzum Durchlaufen der einzelnen kognitiven Stadien.52 Medien-Psychologie Jean Piaget53


Koordination möglicher Handlungen in abstrakteren Situationen. Es gibt viele Erwachsene,die eher assoziativ als logisch denken. Piaget modifizierte seine Theorie 1972: die Stufe formaloperativscheint jetzt weniger das Ergebnis einer Reifung zu sein als das Resultat individuellerErfahrungen.Jean Piaget, «Die Entwicklung des räumlichen Denkens beim Kinde». Erklärt, dass Kleinkinderdie Welt durch Beziehungen aufgrund von Berührungen erkennen. Das Kind erforscht dieWelt durch topologische Differenzierungen wie Geschlossen, Offen, Getrennt… Kinder lernenBenachbartsein, Trennung, Reihenfolge, Kontinuität.Grundsatz: Topologische Beziehungen werden generell eher erkannt und sind wichtiger alsgeometrische Beziehungen.Für Piaget ist die Handlung eine «Adaptierung». Das Kind handelt, wenn es etwas braucht(Weinen bei Appetit). Die Handlung versucht, das Gleichgewicht wiederherzustellen (essenund sich sättigen).Handlungen operieren im Raum (Wahrnehmung) und in der Zeit (Gedächtnis). DieHandlungswege werden mit der Zeit komplexer. Das Spiel fördert (Jürgen Fritz,Spielzeugwelten. Eine Einführung in die Pädagogik der Spielmittel, Weinheim, Juventa 1989)folgende Aspekte:• Sensomotorik (Geschicklichkeit)• Intelligenz, Kognition (Orientierung)• Emotionalität (Engagement)• Sozialität (Gemeinschaft)Grundsatz: Im Design digitaler Medien sollten wir stets die menschliche Neigung zum Spielenunterstützen. Beispiel: Graphic User InterfaceKritikGrundsätzlich gibt es zwei Arten der Kritik an Piagets Theorie. Zum einen richtet sich diesegegen Piagets Methode und zum anderen gegen seine Einteilung der kognitiven Entwicklungin Stufen und Stadien. Viele Experimente wurden erstellt, um zu zeigen, dass KinderFähigkeiten in einem Entwicklungsstadium X besitzen, die sie nach Piaget erst in dem StadiumY besitzen sollten.Piaget präsentiert seine Arbeiten als wechselseitiges Begründungsverhältnis zwischen seinenExperimenten und seinem Entwicklungsmodell. Er unterstellt dabei, daß die Resultate einzelnerEntwicklungsschritte notwendig seien, weil sie einem genetischen Entwicklungsprinzipfolgten. Die abstrakt und funktional gedachte Anpassung, wird als Grund für all die einzelnenLernschritte, die Kinder machen, definiert - also nicht aus den Experimenten abgeleitet. WürdePiaget, ohne das Resultat eines Lernschrittes zu kennen, ein bestimmtes Resultat kindlichenDenkens mittels des Anpassungsbegriffs erklären müssen, würde er ständig auf verschiedeneMöglichkeiten stoßen, deren Unterschiede ja gerade zu erklären wären. In der AbstraktionGleichgewicht - jenseits bestimmter Inhalte - kann er jedes Resultat von Lernen einordnen,weil er jeden möglichen Widerspruch per Definition und vorab in der Abstraktheit seinesÄquilibrationsprinzips aufgehoben hat. Gleichgewicht ist dann immer genau der Zustand,der bereits als Resultat eines jeden bestimmten Lernschrittes bekannt war. Die theoretischenBegrifflichkeiten geben somit der Entwicklung einen Namen, um darin die Notwendigkeit desLernschrittes formal auszudrücken. Sie erklären ihn dadurch nicht. Piaget macht sich so in seinerTheorie von den inhaltlichen Ergebnissen seiner Untersuchungen unabhängig. Er überträgtvom Resultat her seine Beobachtungen auf seine Abstraktionen. Alle Beobachtungen passennun zusammen, ohne dass die abstrakten Kategorien, die von Piaget als Entwicklungsgrundbenannt und ausgeführt wurden, in einem Ableitungszusammenhang zu Experimenten oderBeobachtungen stehen müssten. Als Interpretationsmuster verplausibilisiert die Theorie diepostulierte Notwendigkeit beliebiger Entwicklungsschritte.54 Medien-Psychologie Jean Piaget55


Medien-Psychologie Orientierung und Umwelt - Kurt Lewin und Jakob von UexküllIm Design geht es psychologisch oft um das Verhältnis des Menschen zu Raum und Zeit. Z.B.Navigation in virtuellen Räumen.Kurt Lewin (1890 – 1947); Begründer der topologischen Psychologie.Die topologische Psychologie ist eine Psychologie des mentalen Lebensraumes («mentalspaces»).Kurt Lewin verallgemeinert die Gestaltpsychologie der Wahrnehmung zu einerGestaltpsychologie der Handlung. Für ihn hat also nicht nur die Wahrnehmung, sondern auchdas Handeln Gestaltcharakter.Lewin sieht einen direkten Zusammenhang zwischen Gestaltpsychologie und topologischerPsychologie, da er meint, dass der Mensch in jedem Augenblick abhängig von der gesamtenSituation handelt. Die Situation ist mehr als die Summe ihrer Elemente. Ein Spaziergangwird anders ablaufen, wenn die Sonne scheint, als wenn es regnet. Lewin stellt fest, dass jederMensch sich in einem Umfeld bewegt, das dem persönlichen Lebensraum jedes Menschenentspricht. Jeder Mensch verkörpert ein subjektives Bezugssystem für alles, was in der Umwelteines Menschen vor sich geht. Die Lebensräume zweier Menschen können sich überschneidenund wechselseitig beeinflussen z.B. Durch Nachwuchs werden die Lebensräume desEhepaares in fast allen Regionen neu definiert. Zwischen den Regionen der Lebensräume gibtes anziehende und abstoßende Kräfte. Diese Kräfte sind Vektoren, die zeigen, welche Regionenfür eine bestimmte Handlung aktiviert werden. Lewin stellt den Lebensraum topologisch dar.D.h. durch Knoten, Kanten und Gebiete (Regionen).Beispiel Lewins, wie der Lebensraum eines Ehemannes durch die Ehefrau beeinflusst wird.Beruf, Haushalt, Verein, Urlaub, Kinder, Gesellschaft. Nur Büro und Golfspiel sind der Ehefrauunzugänglich. Der Lebensraum ist ein offenes System, das ständigen Veränderungen unterliegt.Lewin sieht seine Lebensraumtopologie nicht nur räumlich, sondern auch zeitlich. Dies57


zeigt, dass menschliches Handeln und die zugehörige Kognition extrem kontextsensitiv sind.Erstes Fazit: Das Handeln hat eine topologische Struktur. Es bewegt sich in einem Raum derKontexte. Dies entspricht dem Konzept des «mental mapping» von Donald Norman, dasbesonders in der Ergonomie von Bedeutung ist.Die topologische Psychologie von Raum und Zeit ist stark von der Biologie beeinflusst worden(Piaget war ursprünglich Biologe!). Orientierung zu schaffen ist vielleicht das schwierigsteProblem der Gestaltung. In der Gestaltung versuchen wir, unter Benutzung unserer Kenntnisseüber Wahrnehmungsräume, Orientierung für den Adressaten bereit zu stellen. Jede Tierartsucht Orientierung in ihrer jeweiligen Umwelt. Jede Umwelt selektiert aus der Welt lebenswichtigeBedeutungen. Jedes Tier nimmt seine Umwelt auf seine Weise wahr. Bienen sehennicht den Unterschied zwischen einem Quadrat und einem Kreis, unterscheiden aber die verschiedenenBlütensorten.Die visuelle Wahrnehmung behandelt die Dinge so, als ob wir sie durch die Lupe anschauenwürden. Unsere Aufmerksamkeit ist zum eingerichtet.Der Biologe Jakob von Uexküll studierte die Wahrnehmung unterschiedlicher Tierarten: DasZimmer der Fliege; Das Zimmer des Menschen; Das Zimmer des Hundes: Essen, Trinken, SitzenVon Uexküll stellt drei Räume dar, in denen jeder Mensch lebt und sich Orientierung verschafft:• Wirkraum• Tastraum• SehraumSie folgen dem Muster des KoordinatensystemsIm WirkraumEin Bewegungsraum mit einem beherschenden System von senkrechten aufeinandergestelleten Ebenen (Koordinatensystem) in drei Dimensionen (Höhe, Breite, Tiefe) und 6Richtungen (Oben, unten, rechts, links, vorne, hinten). Die dreidemensionalität unseres Raumsist auf das Gleichgewichtsorgan unseres inneren Ohrs zurückzuführen.TastraumBeim Abtasten der Dinge verbinden sich die Orte mit Richtungsschritten. Er ist ähnlich einemdigitalem Raum, weil er uns sagt, wo die Sachen sind, aber nicht, wie die Sachen aussehen.SehraumIst der Raum, den wir mit dem Blick . Diesen Raum zu lernen ist das schwierigste!Man muss beispielsweise zuerst lernen perspektivisch zu sehen.12Person (P)BereicheLebensraum der Person PPUNachbarbereicheTrennwände1 Frende Hülle - Eine graphische Darstellungdes Lebensraums nach Lewin 19692 Aufteilung des Lebensraums einer Person ineinzelne Bereiche58 Medien-Psychologie Orientierung und Umwelt59


Die kognition orientiert sich mit Hilfe der drei Räume durch mentale Handlungen. Die volleWahrnehmung vermischt diese drei Räume, um ein einziges Szenario zu erstellen.Wnn wir handeln, verwenden wir ein Script für jeden Raum, obwohl wir die Räume im Altagnicht bewust unterscheiden. Die drei Räume zu trennen erscheint uns komplizierter als dereinfache Raum in dem wir leben.2AufgabeErklären Sie Funktion, Bedienung und Bedeutung eines Rasenmähers, indem Sie ineinem räumlichen Modell (Schuhkarton) als Modell eines virtuellen Raumes Bilder,Texte, Verbindungen situieren, die die geforderten Erklärungselemente inZusammenhang stellen. Achten Sie darauf, dass Ihr Modell Vorlage für eine Websitewerden kann.Hinweis: Möglichkeiten wären Sterntopologie, Ringtopologie, Baumtopologie odergemischt.13 45PersonGeldbeschaffenzum Auto gehenAuto fahrenKino bezahlenKino60 Medien-Psychologie Orientierung und Umwelt1 Graphische Darstellung einer Situation aufgeteiltin ihre einzelnen Elemente nach Lewin2 Rasenmähermodel - wir haben uns füreine Sterntopologie entschieden, da derRasenmäher für uns der Mittelpunkt derWebsite darstellt.3 Bedeutung - Ein gepflegter Rasen sorgt fürein harmonisches Gesamtbild des Gartens.Die Familie findet sicher gerne dort zusammenum zu spielen und zu entspannen.4 Funktion - Der Rasen muss für Sportartengepflegt und kurz sein. Dadurch kann der Ballbesser rollen und vermittelt mehr Spielspaß.Viele Sportarten wie Golf, Fußball und Tenniskönnen auf Rasen gespielt werden.5 Bedienung - Der leistungsstarkeRasenmäher braucht Benzin für seinenBetrieb. Die Bewegung des Gerätes erfolgtdurch Muskelkraft. Die gemähten Grashalmekönnen entweder von einem Auffangbeutelaufgefangen werden oder nachträglichzusammengeharkt werden.61


Medien-Psychologie IntelligenzIntelligenz ist biologisch definiert als Anpassungsfähigkeit an neue Situationen. Die biologischeEvolution sorgt für eine Anpassung an bekannte Situationen. Intelligenz aus Sicht derBiologie: Intelligenz ist «adaptives Verhalten». Nicht das Verhalten an sich, sondern Verhaltenim Kontext einer gegebenen Umwelt bestimmt die Bewertung der Intelligenz. Ein Mensch istnicht etwa weniger intelligent als eine Biene, weil er das ultraviolette Licht nicht sehen kann. Erist auch nicht motorisch weniger intelligent als ein Vogel, weil er nicht fliegen kann…Intelligenz ist also:• Adaptation an neue Situationen. Kurz: Bewältigung «komplexer» Situationen.• Intelligenz ist also die Fähigkeit, aus Erfahrung zu lernen und sich an die Erfordernisseder Umgebung anzupassen.Der Mensch ist das intelligenteste Lebewesen. Das gilt vorbehaltlich anderer intelligenterWesen im Universum.Intelligenz zu messen ist nicht einfach; IQ -> Psychologe William Stern:Kulturelle Unterschiede zwischen verschiedenen Kulturen führen dazu, dass die scheinbarenIntelligenzunterschiede schwer zu bewerten sind (Howard Gardner -> Multiple intelligences).Desweiteren gibt es Intelligenzunterschiede zwischen Geschlechtern.Die Psychologie der Intelligenz als kognitive Psychologie beschäftigt sich mit allen Prozessen,die mit dem Erkennen und Bewältigen einer Situation zusammenhängen:Denken, Wahrnehmen, Erinnern, Beurteilen, Bewerten, Vermuten, Vorstellen, Erwarten…Kognitive Psychologie hilft dem Gestalter, in der Informationsgesellschaft Produkte zu konzipieren,die sich der menschlichen Intelligenz anpassen. Und zwar dank der Beobachtungkognitiver Prozesse durch Analyse von Handlungen.Die Informationsgesellschaft, die auf Basis der Information gestaltet, produziert intelligenteSysteme. Produkte auf Basis intelligenter Software werden als innovative Lösungen für komplexeHandlungsszenarios entwickelt.63


Intelligenz ist:• «Die Art der Bewältigung einer aktuellen Situation» (Alfred Binet)• Anpassungsfähigkeit an die Anforderungen einer heterogenen und sich wandelndenUmgebung (Anne Anastasi)• Bewältigung von «komplexen Problemen»Als Szenarios kommen z.B. in Betracht:• Identifikation• Sicherheit• Orientierung• KommunikationBewältigung «komplexer» Situationen. Was sind komplexe Szenarios?• Systeme mit einer Vielzahl miteinander vernetzter Variablen, die die Situationintransparent machen.• Die Variablen stehen in wechselseitiger Abhängigkeit.• Die Situation hat eine Eigendynamik.Was bedeutet es, Szenarien zu konzipieren?Die ärztliche Nothilfe in Regensburg erprobt zur Zeit neue Berufskleidung mitKommunikationssystemen (Videokamera, Computer, Datenterminal) in direkter Anbindungan die Krankenhauszentrale für schnellere und bessere Diagnose. Bremen richtet ein virtuellesRathaus mit zahlreichen Dienstleistungen ein, die jeder Bürger über Internet nutzen kann.Strategien zur Bewältigung komplexer Szenarios:• In komplexen Problemsituationen wird über ein Ziel nachgedacht.• Vorausschauendes Denken (Merkmal intelligenten Handelns).• Sich ein eigenes Bild der Situation schaffen, das die Grundlage für weitere Handlungengibt.Der Mensch lebt in zwei Welten:• Natur• Artefakte (H.A. Simon)Intelligente Artefakte sollen:• Orientierung liefern in neuen Situationen.• Die sich wandelnde Umgebung verstehen und Anpassungsmöglichkeiten bieten.• Reduzierung von Komplexität ermöglichen.In «Die Entdeckung der Intelligenz oder Können Ameisen denken?» von H. Cruse, J. Dean, H.Ritter werden folgende Merkmale für intelligente Systeme festgestellt:• autonom sein.• Intentionen besitzen.• sich anpassen (das Verhalten ändern weil die Umwelt sich ändert).• Fähigkeit zur Generalisierung.• Fehlertoleranz.• Kategorienbildung.• zwischen Alternativen entscheiden.• offen sein (als nicht eng definierte Umgebung besitzen).• vorhersagen können…AufgabeLübeck braucht ein intelligentes Orientierungssystem mit zahlreichen Dienstleistungen, diejeder Stadtbesucher nutzen kann. Konzipieren Sie eine Inszenierung, die zeigt, wie das Systemaus der Perspektive eines Orientierung suchenden Stadtbesuchers wirkt.64 Medien-Psychologie Intelligenz65


12 345 67Mit dem Touristenführer „HL-CityGuide 3000“ der neuesten Generation, haben Sie dieMöglichkeit Ämter, Sehenswürdigkeiten, aktuelle Termine, Museen, Schulen, Hotels,Linienverkehr und die gesamte Lübecker Gastronomie schnell und bequem zu finden. Siekönnen den „HL-CityGuide 3000“ an jeder Lübecker Tankstelle und an der Touristeninformationerhalten. Damit sind Sie immer auf den richtigen Weg und können das Holstentor per GPSkinderleicht finden. Des Weiteren sind Sie an jeden wichtigen Punkten Online und könnensich so über Wikipedia gleich über Ihren Lieblingsschauplatz informieren. Sie können sichauch schon vor der Reise im Internet eigene Routen mit den Sehenswürdigkeiten nach IhremGeschmack zusammenstellen und auf einem MemoryStick speichern. Diesen stecken Sie danneinfach in das Gerät und können so Ihre gespeicherten Daten nutzen.66 Medien-Psychologie Intelligenz1 HL-CityGuide 3000 Aufbau, Funktionen undBeschreibung des Orientirungssystems2 Ein Tourist ist in Lübeck angekommen undfindet sich nicht zurecht. Er möchte abergerne einige Sehenswürdigkeiten finden undam Abend in eine Discothek gehen.3 Am Informationsschalter bekommt derTourist ein kleines, PDA-ähnliches Gerät, daser bequem mit sich führen kann. Über GPSerfährt das Gerät Standortinformationen. ImSpeicher des Gerätes sind ehenswürdigkeiten,Restaurants, Cafés und Discotheken gespeichert.Es passt sich automatisch an dieSuchgewohnheiten des Nutzers an.4 Mit Leichtigkeit findet sich der Tourist in derStadt zurecht und kann die verschiedenenSehenswürdigkeiten bewundern.5 Auch aktuelle Informationen überÖffnungszeiten oder Ruhetage vonGeschäften sind im Gerät gespeichert.Außerdem werden dem Nutzer nachseinen Suchkriterien ähnliche Orte oderGebäude angezeigt.6 Der Tourist verbringt einen schönen Tag inLübeck und wird immer wieder gerne zurückkommen.7 Den Abend verbringt er in einer Disothek,wo er ausgelassen feiert. Die Discothek wurdeihm vom Gerät empfohlen, nachdem erMusik- und Publikumsvorstellungen eingegebenhat. Das Gerät hat übrigens auch Taxi-Rufnummern und Apotheken gespeichert...67


Medien-Psychologie Visuelle IntelligenzVisuelle Intelligenz ist die Fähigkeit zur Anpassung an neue visuelle Situationen.Wir können Dinge erkennen, die wir noch nie vorher gesehen haben. Die Gestaltpsychologiebetrachtet vorwiegend «ästhetische» Erscheinungen. Die visuelle Intelligenz zieht Schlüsseaus der Wahrnehmung. Gesichter besitzen visuelle Merkmale, die sie gegenüber anderenMenschen identifizieren. Das Erkennen einer Person ist Resultat visueller Intelligenz.Gesichtsmerkmale sind im kontext bereits bei einem Minimum an Detailinfos zu erkennen,während dies ohne kontext schwer fällt. Für das Erkennen der Merkmale ist zusätzlicheInformation erforderlich (nach Palmer, 1975).«Visuelle Agnosie»: eine Krankheit, aufgrund deren zwar Details gesehen werden, aber keineErkenntnis zustande kommt. («Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte» vondem Neurologen Oliver Sacks); für einige Patienten verlieren die Objekte ihre Bedeutung(Verwechselungen).Die Evolution zeigt, dass der Mensch sich immer auf das Visuelle verlassen hat, d.h. auf die Welt,die in seinem Kopf visuell «gespeichert» ist.Dass die visuelle Intelligenz bei Menschen höher als bei Tieren ausgeprägt ist, zeigt dasExperiment der Umkehrbrille. Affen blieben Tage lang unbeweglich, danach bewegten sie sichrückwärts. Hühner schafften es nicht einmal nach drei Monaten sich normal zu verhalten. AuchAmphibien schafften es nicht mit 7 Grad Drehung die Nahrung zu fangen. Der amerikanischePsychologe G.M. Stratton experimentierte mit sich selbst: Bis drei Tage Möbel-Anordnung; 4.Tag: die visuelle Welt erscheint aufrecht; 7. Tag: machte einen Spaziergang; 8. Tag: er brauchteStunden, um sich ohne Umkehrbrille zu orientieren.Die allgemeine Intelligenz erlaubt uns, Wahrnehmungen zu generalisieren und zu klassifizieren.Die Linguistik hat gezeigt, dass wir bei «Baum» ein allgemeines Baum-Ikon im Kopf haben(fokale Instanz).69


Eine neue Situation wird erfasst, indem wir sie szenarisch begreifen. Wir versuchen einen Sinnzu sehen. Beispiel: Verkehrssituationen und Zeugenschaft vor Gericht.1Babys können noch nicht Objekte identifizieren, aber doch sie sehen. Z.B. überrascht Es keinBaby unter 1 Jahr, wenn man ein Objekt hinter einen Schirm bewegt und es auswechselt. DasBaby erwartet einen Fortgang der Handlung, ohne das Objekt identifiziert zu haben.Rudolf Arnheim diskutiert in seinem Buch «Visual Thinking» («Anschauliches Denken»)folgende Operationen:• Aktive Untersuchung• Selektion• Klassifizierung• Simplifizierung / Schematisierung• Ergänzung• Vergleich• Herstellung von KontextDie visuelle Intelligenz ist am schwersten durch künstliche Intelligenz simulierbar. Handschrifterkennen, Objekte erkennen, Gesichter von Personen erkennen Gesichter sind keine Summevon Merkmalen, auch nicht von Gestaltmerkmalen. Visuelle Intelligenz hat große Bedeutungfür die Gestaltung: Der Besucher einer Website ist kein «Bildbetrachter», er setzt ein hohes Maßan visueller Intelligenz ein, um rasch sein Ziel zu erreichen.AufgabeEntwickeln Sie zu zweit eine «Website» mit Elementen aus Illustrierten (keine Zeichnungenanfertigen!). Das Thema ist «Energien der Zukunft». Kombinieren Sie möglichst geschickt, d.h.mit visueller Intelligenz, vorgefundene Elemente. Das Ergebnis wird im Plenum präsentiert, umzu prüfen, ob die Adressaten das selbe sehen wie die Autoren.1 Aufgabe Website «Energien der Zukunft»im zentralen Mittelpunkt steht unser Produktder Energiegenerator “COMET 7500 IEEG”im unteren Teil wird die Herstellung desEnergielieferanten Zucker beschrieben.Auf der rechten Seite wird die Anwendungdes Gerätes beschrieben. Links erfährt manwelches Zubehör erhältlich ist und oben, wodas neue Gerät Eingesetzt wird.70 Medien-Psychologie Visuelle Intelligenz71


Medien-Psychologie WerbepsychologieWerbung im Zwei-Prozess-Model ist ein heuristisch-systematisches Model der Informationsverarbeitungund Einstellungsänderung nach Art der Rezeption (Chaiken 1987). Dabei gibtes zwei Wege, einen zentral-systematischen (kognitiv, analytisch, verständigungsorientiert)und einen peripher-heuristischen (begrenzter, weniger kognitiv, Hinweisreize wie Humor).Selbst bei höherer Motivation, die Infos systematisch verarbeiten zu wollen, haben heuristischeHinweisreize einen Einfluss.Zentral-Systematisch Argumente (Unterschied zwischen starken und schwachen Argumenten)Beispiel: Spezielle Tinte, schmierfest und mit einem normalen Radiergummi ausradierbar.Peripher-Heuristisch Äußere Reize – HinweisreizeBeispiel: Auch der Präsident unterschreibt seine Abkommen mit diesem Produkt. Es schwimmt,wenn man es ins Wasser fallen lässt.Prozessmodel der Elaborationswahrscheinlichkeit – Verarbeitungs-Wahrscheinlichkeits-Modell(Petty & Cacioppo 1986, ELM = Elaboration-Likelihood-Model)Eine tiefere und eine oberflächlichere Art der Werbe-Verarbeitung:Der zentrale Weg bei hoher Involvierung führt zu hoher Verhaltenskonsistenz; der periphere(=übliche) Weg bei geringer Involvierung führt zu temporären Einstellungen.Alternative-Wege-Model (Batra & Ray 1985, Prozentsatz-Beitrags-Model)Learn-do-feel und feel-do-learnEs geht über das “Integrierte Informations-Reaktions-Model” hinaus, weil es beideWirkungsketten als unabhängig voneinander annimmt; hohes Involvement, cognitiveVerarbeitung; niedriges Involvement, affektive Verarbeitung.Bei allen drei Modellen hat das Involvement des Rezipienten eine hohe Bedeutung; also derMotivation und Fähigkeit des Rezipienten, Informationen zu verarbeiten.Auch die Einstellung zur Werbung bzw. zum Werbeinhalt ist von hoher Bedeutung.Nach der dualen Vermittlungshypothese existiert sowohl eine direkte als auch eine indirekteWirkung von der Einstellung zur Werbung auf die Einstellung zur Marke (direkt auf Einstellungzur Marke; indirekt, aber stärker über Gedanken zur Marke auf Einstellung zur Marke).73


Eine Marke entspricht einem kognitiven Schema.Augenbewegungen studiert man mit der Japanischen Brille NAC (Blickfeld des Menschen plusBewegungen auf der Netzhaut.Die Werbepsychologie beschreibt Satzlängen von15 Wörtern als leicht verständlich15 – 19 Wörtern als verständlicheÜber 25 Wörtern als schwer verständlichFür Slogans gilt maximal 5-8 WorteIn Amerika hat man das Werbetempo um 15% erhöht, nach dem Motto wer schnell spricht hatAhnung von dem was er sagt.Witzige Werbung hat eine höhere Aufmerksamkeitswirkung ist aber schnell abgenutzt. Essollten auch nur einfache Witze verwendet werden; Ironie oder Sarkasmus ist nicht möglich.1 2BeeinflussendeKommunikationMotivationHOCHKompetenzHOCHGERINGGERINGOberflächlicheVerarbeitungder ArgumenteKindheit und WerbungEntgegen dem Kliesche sitzen Kinder gerade eineinhalb so viel vor dem Fernseher wie derdurchschnittliche Zuschauer.Antizipatorische FunktionKunst ist z.B. antizipatorisch, d.h. durch die künstlerische Tätigkeit entstehen Werke, Werte undWahrnehmungen die es bevor nicht gab, oder sogar nicht möglich waren. Leonardo da Vincihat beispielsweise durch seine Zeichnungen das Fliegen, z.B. antizipiert.Irritation hat auch eine hohe Aufmerksamkeitswirkung; wenn z.B. der Kopf der Werbefigurdurch etwas bedeckt wird (z.B. durch eine Zeitung), die neugier wird geweckt.Elaboration derArgumenteQualität derArgumenteHOCHEinstellungs-ÄnderungGERINGPeriphereMerkmale derKommunikationz.B. Anzahl derArgumente,Darbietungstempo...Keine Einstellungs-ÄnderungGERINGHOCH1 Prozessmodel der Elaborationswahrscheinlichkeit – Verarbeitungs-Wahrscheinlichkeits-Modell (Petty & Cacioppo 1986, ELM =Elaboration-Likelihood-Model)2 Das Kindchenschema bei verschiedenenArten nach Konrad Lorenz74 Medien-Psychologie Werbepsychologie75


AufgabeSuchen Sie Beispiele der Kunstgeschichte, die mit der heutigen Werbung visuell verglichenwerden können. Analysieren Sie die Botschaften.1 21 BonAqua Werbeplakat 2 Original - J.H. Füssli, Prinz Arthur und dieFeenkönigin, um 1788 (Kunstmuseum, Basel)76 Medien-Psychologie Werbepsychologie77


Medien-Psychologie Marken und PsychologieDie Markenpsychologie gelangte erst vor kurzer Zeit aus den USA nach Europa undbeginnt hier langsam Fuss zu fassen. 1997 wurde der Begriff in den USA eingeführt,als die Persönlichkeitsmerkmale der Menschen auf Marken übertragen wurden. 2001wurde das Konstrukt dann in Asien und Europa überprüft und zwei Jahre später im deutschenSprachraum angewandt. Jeder dieser Entwicklungsschritte war von umfassendenBefragungen begleitet. Dabei stellten die Wissenschaftler fest, dass sich zumindest gewisseGrundzüge der menschlichen Persönlichkeit auf Marken übertragen lassen. Auffällig war, dassin der Gewichtung der gewünschten Eigenschaften kulturelle Unterschiede auftraten. So wirddie Friedfertigkeit von Marken in Japan im Vergleich zu den USA hoch eingeschätzt, währenddort Robustheit eine gefragte Eigenschaft ist. Ebenfalls noch nicht lange existiert der Ansatzder Markenbeziehungen. Dabei werden zwischenmenschliche Beziehungsmuster auf dieBeziehungen von Menschen zu Marken übertragen. Wird die Marke eher als Kumpel oder alsUnterhalter, als Geliebte oder als Partnerin in einer Zweckheirat erlebt?Marken sind Zeichen, welche die Vermittlung zwischen dem Unternehmen und demMarkt herstellen.Die Marke schafft Bindungen zum Konsumenten. Das Unternehmen organisiert sich nachinnen und nach außen. Die «Corporate Identity» umfasst beides, indem es die Philosophie undZiele des Unternehmens festlegt und nach innen und außen kommuniziert. Mit den semantischenZielen entwickelt man zugleich neue Strategien der Distribution, wie z.B. Avon undTupperware, die zuhause aus dem Freundeskreis heraus verkaufen.Die Marke bezieht sich mehr auf Kompetenz als auf das Produkt. Die Marke ist Ausdruck undSymbol der Philosophie und der Werte des Unternehmens. Ein Produkt kann vom Markt verschwinden,wenn es ihm nicht gelingt, sich von anderen Produkten auf dem Markt zu differenzieren.Nicht das Produkt erkämpft Marktanteile, sondern die Marke.79


Heutige Marken sind ein Werkzeug der Kommunikation. Die Unternehmen stehen nichtnur mit Produkten im Wettbewerb, sondern auch mit Ideen. Der Präsident eines großenUnternehmens erscheint auf einem Foto umgeben von den Logotypen seiner Marken oderumgeben von seinen Produkten. Was will er vermitteln? Es geht nicht nur um Werbung fürProdukte, sondern auch um Glaubwürdigkeit und Affektivität von der Marke bis hin zumUnternehmen und seiner Identität.Coca-Cola: von der «Medizin» zum Lifestyle of America. Die amerikanischen Soldaten im II.Weltkrieg hatten Coca-Cola dabei. In den 60er Jahren sprach die Werbung über Solidarität inder Welt. Heute spricht sie zum Individuum und dem Freundeskreis.1Der Markencode(Marke / Nicht-Marke)Vom Overall zu Jeans: Levi macht nach dem II. Weltkrieg aus Hosen, die Amerika inPionierzeiten halfen, eine Marke.Die Marke Lacoste knüpft an Verdienste des Firmengründers an (René Lacoste).SachcodeQualität / Nicht-QualitätSozialcode(Inklusion / Exklusion)Zeitcode(Kontinuität / Diskontinuität)Kosmetik hat keinen Gebrauchswert: sie wird mit einer «Story» verknüpft.«Mercedes», ein Frauenname Wir arbeiten an der Perfektionierung des Autos auf der Ebene derKonzeption. Imagewerbung über Design.Eine Marke kann ein Material wie Wasser in ein wertiges Produkt verwandeln. Ein Markt ist einideeller Ort, an dem sich Angebot und Nachfrage treffen. Anbieter und Nachfrager versuchennaturgemäß, den jeweils anderen mit psychologischen Mitteln «auszutricksen». Dabei ist derSachprogrammSozialprogrammZeitprogrammAnbieter systematisch im Vorteil. Alle Maßnahmen des Anbieters gehören zur Produktästhetikim weitesten Sinne.1 Die drei derMarkenkommunikation nach Kai-UweHellmann80 Medien-Psychologie Marken und Psychologie81

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