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Die Chande der ersten Monate. Feinfühlige Eltern - gesunde Kinder

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Universell auftretende Verhaltensweisen<br />

markieren im Sinne von Entwicklungsmeilensteinen<br />

bedeutende Verän<strong>der</strong>ungen<br />

in <strong>der</strong> Entwicklung von Säuglingen und<br />

Kleinkin<strong>der</strong>n. Beson<strong>der</strong>s markante Verän<strong>der</strong>ungen<br />

in <strong>der</strong> Verhaltensorganisation von<br />

Säuglingen und Kleinkin<strong>der</strong>n lassen sich<br />

als qualitative Umbruchzeiten mit zunächst<br />

erhöhter Destabilisierung des kindlichen<br />

Verhaltens, dann aber schubartig mit vielen<br />

neuen Kompetenzen charakterisieren<br />

(Rauh, 1995; Pauen & Rauh, 2007).<br />

Als markante Umbruchzeiten gelten <strong>der</strong><br />

Übergang von <strong>der</strong> Neugeborenenzeit in<br />

die frühe Säuglingsphase um die sechste<br />

Lebenswoche (zunehmende Übernahme<br />

<strong>der</strong> zuvor überwiegend vom Stammhirn<br />

geleisteten Verhaltenssteuerung durch den<br />

Neocortex), die Entwicklungsphase um den<br />

dritten Lebensmonat (intensive Erkundung<br />

des Gesichts <strong>der</strong> <strong>Eltern</strong>, vermehrte vokale<br />

Kommunikation), das Alter um den sechsten<br />

Monat (Objekterkundung, Wechsel von<br />

Hand zu Hand und beidhändiges Greifen<br />

als Ergebnis <strong>der</strong> beginnenden Kooperation<br />

<strong>der</strong> beiden teilspezialisierten Gehirnhälften),<br />

das Alter um acht bis neun <strong>Monate</strong><br />

(Kommunikation über Objekte, soziale<br />

Rückversicherung), das Alter um zwölf<br />

<strong>Monate</strong> (Beginn <strong>der</strong> Fortbewegung, Sprache,<br />

Zeige- und Verneinungsgesten), das<br />

Alter um achtzehn <strong>Monate</strong> (sich selbst im<br />

Spiegel erkennen, beginnendes Symbolspiel,<br />

beginnende Selbstbewertung, Trotz) o<strong>der</strong><br />

das Alter um zwei Jahre (Zweiwortsatz,<br />

sprachliche Kommunikation, auch über psychologische<br />

Prozesse, z. B. Sehen, Fühlen,<br />

bei sich selbst und an<strong>der</strong>en; vgl. Pauen &<br />

Rauh, 2007).<br />

Elterliches feinfühliges Verhalten lässt sich<br />

zusammenfassend als eine dynamische<br />

Entwicklungsherausfor<strong>der</strong>ung für <strong>Eltern</strong> beschreiben.<br />

Danach ist feinfühliges Verhalten<br />

von <strong>Eltern</strong> davon abhängig, inwieweit es<br />

ihnen gelingt, die jeweiligen Signale und<br />

die Ausdrucksverhaltensweisen ihrer Kin<strong>der</strong><br />

wahrzunehmen und ihr Verhalten adäquat<br />

und rechtzeitig darauf abzustimmen.<br />

Dabei liegen beson<strong>der</strong>e flexible Verhaltensanfor<strong>der</strong>ungen<br />

für <strong>Eltern</strong> darin, sich jeweils<br />

auf die wechselnden Verhaltensweisen und<br />

Bedürfnisse ihrer Kin<strong>der</strong> einzustellen. Säuglinge<br />

und Kleinkin<strong>der</strong> unterscheiden sich<br />

temperamentsbedingt darin, wie gut sie allein<br />

zurechtkommen, wie gut sie sich allein<br />

regulieren können o<strong>der</strong> darin, wie schnell<br />

sie überfor<strong>der</strong>t und belastet sind und wie<br />

viel Unterstützung bei ihrer Regulation sie<br />

dann jeweils von ihren <strong>Eltern</strong> benötigen.<br />

<strong>Die</strong>s ist insbeson<strong>der</strong>e in neuen und unvertrauten<br />

Situationen <strong>der</strong> Fall. Säuglinge und<br />

Kleinkin<strong>der</strong> benötigen je nach ihrer aktuellen<br />

Befindlichkeit unterschiedlich viel Hilfe<br />

bei ihrer Regulation. Müdigkeit, Hunger<br />

o<strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ungen in ihrer Umgebung<br />

sind gewöhnlich Situationen, in denen sie<br />

mehr externe Unterstützung in <strong>der</strong> Regulation<br />

ihrer Erregung benötigen.<br />

Schließlich unterscheiden sich Säuglinge<br />

und Kleinkin<strong>der</strong> in Abhängigkeit von ihrem<br />

Entwicklungsalter darin, wie viel Regulationshilfe<br />

sie benötigen. Mit zunehmendem<br />

Entwicklungsalter verlagert sich elterliche<br />

Unterstützung von häufiger und körperlicher<br />

regulatorischer Unterstützung zunehmend<br />

auf Beobachtung und Beachten des<br />

Kindes und im weiteren Entwicklungsverlauf<br />

auf das Strukturieren und Vermitteln von Informationen<br />

und auf den Aufbau kommunikativer<br />

Strukturen (Pauen & Rauh, 2007).<br />

3. Interaktion zu verschiedenen Entwicklungszeitpunkten<br />

Im Folgenden werden Entwicklungsfortschritte<br />

und -kompetenzen auf unterschiedlichen<br />

Entwicklungsaltersstufen dargestellt<br />

und im Zusammenhang mit den jeweiligen<br />

(An-) Passungsanfor<strong>der</strong>ungen für Kind und<br />

<strong>Eltern</strong> beschrieben.<br />

U 2 (3. bis 10. Lebenstag)<br />

Kennenlernen und Sich-aufeinan<strong>der</strong>-Einstellen<br />

Der Übergang vom intrauterinen zum<br />

extrauterinen Leben stellt Neugeborene vor<br />

hohe Anpassungsleistungen. Sie müssen<br />

nun eigenständig atmen, ihren Wärmehaushalt<br />

stabilisieren und Nahrung aufnehmen<br />

(Rauh, 2002). Ihre im Mutterleib<br />

begonnene motorische Entwicklung setzt<br />

sich außerhalb des Mutterleibes mit <strong>der</strong><br />

Koordinierung ihrer Bewegungsabläufe und<br />

<strong>der</strong> Stabilisierung ihres Muskeltonus fort.<br />

Neugeborene kommen mit einer zwar eingeschränkten,<br />

aber erstaunlich komplexen<br />

Verhaltensausstattung auf die Welt, die es<br />

ihnen erlaubt, mit dem Neuen außerhalb<br />

des Mutterleibes umzugehen. Mittels ihrer<br />

„mitgebrachten“ Kompetenzen zur Regulation<br />

ihres Verhaltens wie zum Beispiel die<br />

Fähigkeit, sich auf die Körper-Mittellinie zu<br />

zentrieren (Nuckeln, Saugen, Hände und<br />

Füße falten), gelingt es ihnen immer wie<strong>der</strong><br />

für einige Minuten, einen Zustand klaren<br />

und stabilen Wachseins zu erreichen. Sie<br />

sind dann zugänglich und offen. Sie haben<br />

eine Vorliebe für menschliche Gesichter<br />

(mit noch beschränkter Sehschärfe) und<br />

menschliche Stimmen (mit gutem Hörvermögen),<br />

ganz beson<strong>der</strong>s für die Stimme<br />

<strong>der</strong> Mutter, die sie bereits aus <strong>der</strong> Zeit im<br />

Mutterleib kennen (Pauen & Rauh, 2007).<br />

<strong>Die</strong> Wahl <strong>der</strong> Entwicklungsaltersstufen<br />

folgt den ärztlichen Früherkennungsuntersuchungen<br />

in den <strong>ersten</strong> drei Lebensjahren<br />

(U 2 bis U 7a) und wird, wenn möglich, mit<br />

Entwicklungsmeilensteinen verknüpft, die<br />

mit dem Zeitpunkt von Früherkennungsuntersuchungen<br />

korrespondieren bzw. ihnen<br />

zeitnah vorangehen.<br />

Hier liegen biologisch angelegte und frühe<br />

Voraussetzungen sozialer Kognition, also<br />

<strong>der</strong> Fähigkeit, Menschen von Gegenständen<br />

zu unterscheiden, die sich dann im<br />

weiteren Entwicklungsverlauf zur Fähigkeit<br />

ausbildet, an<strong>der</strong>en Menschen psychische<br />

Prozesse wie Gefühle, Motive, Gedanken<br />

o<strong>der</strong> Intentionen zuzuschreiben.<br />

Ebenso von Geburt an vorhanden ist die<br />

Fähigkeit zur gegenseitigen Zuwendung<br />

und Aufmerksamkeit (shared attentiveness<br />

o<strong>der</strong> primäre Intersubjektivität). <strong>Die</strong>s ist<br />

eine wichtige Voraussetzung von Kommunikation<br />

(vgl. Pauen & Rauh, 2007).<br />

Zur mitgebrachten Verhaltensausstattung<br />

des Neugeborenen gehört außerdem<br />

seine „unwi<strong>der</strong>stehliche“ Anziehungskraft,<br />

die <strong>Eltern</strong> bzw. Erwachsene dazu bewegt,<br />

sich zu kümmern (z. B. Kindchenschema,<br />

Einschmiegen, Weinen als Signalverhalten).<br />

<strong>Die</strong>se biologisch angelegte Verhaltensausstattung<br />

dient dazu, Erwachsene in die<br />

Nähe des Neugeborenen zu bringen und<br />

dort zu halten.<br />

22<br />

Kapitel 3 23

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