Die Chande der ersten Monate. Feinfühlige Eltern - gesunde Kinder
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In <strong>der</strong> hier dargestellten Entwicklungsphase<br />
um den sechsten und siebten Lebensmonat<br />
bereitet sich die Fähigkeit zur gegenseitigen<br />
Aufmerksamkeitsregulation vor. <strong>Eltern</strong><br />
beginnen zunehmend, die Aufmerksamkeit<br />
des Kindes auf mögliche gemeinsame Ziele<br />
zu lenken und das Kind lernt zunehmend,<br />
seine Aufmerksamkeit daran auszurichten<br />
(Rauh, 2002). <strong>Die</strong>se Fähigkeit zur gegenseitigen<br />
Aufmerksamkeitsregulation wird als<br />
„soziale Revolution“ interpretiert und gilt<br />
als Basis für den Spracherwerb und für die<br />
Vermittlung von kulturellem Wissen und<br />
von kulturellen Kompetenzen (Tomasello,<br />
1999; Pauen & Rauh, 2007).<br />
Als neue differenzierte emotionale Gefühlsqualität<br />
zeigt sich Vergnügen bzw. Ärger,<br />
wenn etwas misslingt o<strong>der</strong> nicht erreicht<br />
wird.<br />
Das folgende Videobeispiel (siehe DVD)<br />
illustriert, wie Kind und Mutter sich gleichermaßen<br />
ansehen als auch ihre Aufmerksamkeit<br />
auf das gemeinsame Spiel richten.<br />
<strong>Die</strong> Mutter singt das Kin<strong>der</strong>lied „Wer will<br />
fleißige Handwerker sehen“ und begleitet<br />
ihren Gesang mit Handbewegungen.<br />
Das Kind ahmt die Mutter, die mit ihren<br />
Händen „Stein auf Stein“ setzt, nach.<br />
Dabei schaut es abwechselnd auf ihre Hände<br />
und auf ihr Gesicht. Beiden macht das<br />
gemeinsame Spiel offensichtlich Vergnügen.<br />
Entwicklungszeitpunkte<br />
U 5 Miteinan<strong>der</strong> spielen<br />
U 6 (10. bis 12. Lebensmonat)<br />
Emotionale Sicherheit und die Welt entdecken<br />
<strong>Die</strong> erwähnte so genannte „soziale Revolution“<br />
um den neunten Lebensmonat<br />
lässt sich im Zusammenhang mit neurologischen<br />
Verän<strong>der</strong>ungen interpretieren, die<br />
im letzten Drittel des <strong>ersten</strong> Lebensjahres<br />
stattfinden. <strong>Die</strong>se dürften die zunehmende<br />
Entwicklung und Koordination sensorischer,<br />
motorischer, kognitiver und sozial-emotionaler<br />
Kompetenzen beför<strong>der</strong>n (Sroufe,<br />
1996).<br />
<strong>Die</strong> Ausreifung des präfrontalen Cortex<br />
(des seitlichen vor<strong>der</strong>en Hirnlappens)<br />
und die Entwicklung des sympathischen<br />
Nervensystems, die rasche und vollständige<br />
Ausreifung des Hippocampus im limbischen<br />
System sowie die Reifung grundlegen<strong>der</strong><br />
Bahnen zwischen dem limbischen System<br />
und dem Neocortex werden als bedeutende<br />
Verän<strong>der</strong>ungen angeführt (Diamond,<br />
1991; Schore, 1994; Rauh, 1995).<br />
Ein wesentlicher Aspekt <strong>der</strong> sozialen Neun-<br />
Monats-Revolution ist die soziale und emotionale<br />
soziale Rückversicherung des Kindes<br />
bei <strong>der</strong> Mutter o<strong>der</strong> dem Vater.<br />
<strong>Die</strong>ses Verhalten, sich <strong>der</strong> Aufmerksamkeit<br />
<strong>der</strong> Bezugsperson zu versichern, ihre Bestä-<br />
tigung zu finden o<strong>der</strong> Trost bei ihr zu<br />
suchen o<strong>der</strong> auch Aufmunterung bzw. sich<br />
bei Verunsicherung an sie zu wenden, ist<br />
ein wichtiges affektives Bewertungsschema<br />
für das eigene Handeln und das an<strong>der</strong>er<br />
Menschen (Klinnert, Emde & Campos,<br />
1985; Pauen & Rauh, 2007). Mehr als nur<br />
mit <strong>der</strong> Mutter o<strong>der</strong> dem Vater über einen<br />
Gegenstand zu kommunizieren, bezieht<br />
das Kind nun sozusagen die Meinung <strong>der</strong><br />
<strong>Eltern</strong> in sein Handeln ein.<br />
Soziale Rückversicherung spiegelt die<br />
zunehmende Kompetenz des Kleinkindes,<br />
sich selbst vom Erwachsenen zu unterscheiden,<br />
ebenso wie die, sein Verhalten von<br />
dem des Erwachsenen zu unterscheiden<br />
(Moore & Corkum, 1994).<br />
<strong>Die</strong>se rudimentäre Unterscheidungsfähigkeit<br />
zwischen dem Selbst und <strong>der</strong> sozialen<br />
Umwelt lässt sich als Voraussetzung interpretieren,<br />
überhaupt eine Beziehung zwischen<br />
eigener Erfahrung und <strong>der</strong> an<strong>der</strong>er<br />
herzustellen. Dazu gehört auch, dass das<br />
Kind nun das Verhalten <strong>der</strong> <strong>Eltern</strong> intuitiv<br />
emotional bewerten und seine eigene emotionale<br />
Befindlichkeit darauf beziehen kann.<br />
Dabei bezieht es vorhergehende Erfahrungen<br />
und darauf aufbauende Erwartungen<br />
an die <strong>Eltern</strong> mit ein.<br />
Hier liegen wesentliche Voraussetzungen<br />
für die Etablierung einer Bindungsbeziehung<br />
mit Mutter o<strong>der</strong> Vater, wie sie etwa<br />
um den zwölften Lebensmonat stattfindet<br />
(Bowlby, 1969; Ainsworth, Blehar, Waters<br />
& Wall, 1978). Das Kleinkind hat nun ein<br />
inneres Gefühl emotionaler Sicherheit<br />
erworben bzw., bei weniger positiven Bindungsvorerfahrungen,<br />
ein Gefühl emotionaler<br />
Unsicherheit.<br />
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