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Udo_Juergens.pdf

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<strong>Udo</strong> Jürgens über seine wilden Jahre und das Alleinsein<br />

"Merci Chérie", "Mit 66 Jahren" und "17 Jahr, blondes Haar" - die Hits von <strong>Udo</strong> Jürgens<br />

kennt jeder. Am 30. September wird der Schlagersänger, Chansonnier, Komponist und Pianist<br />

75 Jahre alt - ein Leben "im Aufwärtsgang", wie er im dpa-Interview resümiert. Beim<br />

Gespräch in Zürich erzählt Jürgens von seinen wilden Jahren, vom Älterwerden, warum er<br />

nicht mehr heiraten will und wie er seine alten Hits findet.<br />

Was ist Ihr gefühltes Alter?<br />

Jürgens: "Darüber habe ich nie nachgedacht. Vielleicht war ich früher der bessere Pianist. Das halte<br />

ich für möglich, weil ich zu faul bin zum Üben. Aber dafür singe ich heute besser als vor 25 Jahren.<br />

Das hält sich die Waage."<br />

Gibt es Dinge, die Sie am Älterwerden nerven?<br />

Jürgens: "Natürlich. Man ist bei weitem nicht mehr so beweglich. Die Knochen tun manchmal weh,<br />

wenn man morgens aufwacht. Das ist ganz normal, und man muss erstmal gymnastische oder<br />

sonstige Übungen machen. Ich schwimme jetzt jeden Tag viel, das habe ich früher nicht gemacht.<br />

Dabei habe ich noch unglaubliches Glück, dass ich nicht von irgendwelchen schweren<br />

Behinderungen, Krankheiten befallen bin, wie das in meinem Alter sehr, sehr oft der Fall ist. Ich<br />

kann mich ganz normal bewegen und alles machen. Und mein Kopf funktioniert, meine Kreativität<br />

funktioniert, ich kann Lieder schreiben. Ich schreibe mit großer Begeisterung. Während ich früher<br />

vor allen Dingen das leichte Leben sehr genossen habe, genieße ich jetzt das Leben, das sich auch<br />

sehr im Kopf abspielt, das sehr viel mit Lesen zu tun hat."<br />

Was war für Sie das größte Glück im Leben?<br />

Jürgens: "Es ist wahrscheinlich das größte Glück, ein Leben so zu leben, wie ich dazu in die Lage<br />

gekommen bin. Ich hatte eine unglückliche Kindheit, zum Leidwesen meiner Eltern, die alles für<br />

mich getan haben, die ich unendlich geliebt habe. Aber ich bin zu einer sehr unglücklichen Zeit<br />

Kind gewesen, nämlich in den Ausläufen der Nazi-Zeit. Ich habe als Kind den ganzen Krieg<br />

miterlebt. Da hat man Bilder gesehen, die nicht für Kinderaugen bestimmt sind. Und all das ist mir<br />

noch lange im Leben nachgegangen. Und deswegen ist mein Leben eigentlich mit jedem Jahr, das<br />

ich älter geworden bin, souveräner und schöner geworden."<br />

Sie sind mit 20, also sehr jung im Showgeschäft gestartet.<br />

Jürgens: "Es hat wirklich Jahrzehnte gedauert, bis mein Selbstbewusstsein zu dem geworden ist,<br />

was es war oder heute ist. Damit konnte ich mein Leben mit dem Älterwerden immer sehr genießen.<br />

Und habe eigentlich von Jahrzehnt zu Jahrzehnt eine Steigerung erfahren. Das ist etwas sehr<br />

Ungewöhnliches. Deswegen glaube ich, dass mein Leben, in dieser Form Lebensstraße, wie ich es<br />

erlebt habe, nämlich im Aufwärtsgang, ein Geschenk ist."


Was ist Ihre früheste Kindheitserinnerung?<br />

Jürgens: "Mein erstes Bild, das ich sehe, ist komischerweise das Bild, das dort oben auf dem Regal<br />

steht, mein Großvater hat es fotografiert. Das sind mein älterer Bruder John und ich in einem<br />

Motorboot. Und mein Großvater hat mich mal ans Steuer gelassen - also ein unglaubliches Erlebnis<br />

für einen Vierjährigen. Vielleicht hängt damit auch meine Liebe zum Wasser, zu Booten<br />

zusammen."<br />

Wann waren Ihre wildesten Jahre?<br />

Jürgens: "Ich bin ein Zeitzeuge der 60er und 70er Jahre. Und jeder, der diese Zeit erlebt hat, weiß,<br />

wovon ich rede."<br />

Künstler leben oft exzessiv. Gab es Momente, in denen Ihr Leben auf der Kippe stand?<br />

Jürgens: "Mit Sicherheit. Die Jahre, die für einen Mann am schwersten zu bewältigen sind, weil wir<br />

da alles können müssen, sind die Jahre von Ende 20 bis 45. Meistens heiraten wir in der Zeit. Wir<br />

sehen eigentlich auch noch ganz gut aus. Das heißt, dass wir in Saft und Kraft leben und uns Treue<br />

wahrscheinlich sehr schwer fällt. Wir haben in dieser Zeit vielleicht zum ersten Mal Erfolg. Auf<br />

einmal ist man fast so etwas wie reich. Im Showbusiness sowieso: Da kann es passieren, dass man<br />

innerhalb von einem Jahr Millionen verdient und vorher gar nichts verdient hat. Innerhalb eines<br />

Jahres kann dieser Wechsel stattfinden. Wie soll ein Anfang 30-Jähriger mit diesem Problem fertig<br />

werden? Das habe ich zum Beispiel genau so erlebt bei mir. In der Zeit so zwischen 32 und kurz vor<br />

40, da war ich im Schleudern. Ich habe Alkohol getrunken, als gäbe es kein Morgen. Aber nicht als<br />

Säufer, sondern als Ausdruck des Lebens nach den Entbehrungen der ersten Nachkriegsjahre."<br />

Sie finden auch, dass Ihr Sohn Johnny heute ein besserer Familienvater ist als Sie es damals<br />

waren.<br />

Jürgens: "Mein Sohn ist der beste Vater, den ich kenne. Ich bewundere ihn sehr, und er ist heute in<br />

dieser Beziehung eine Art Vorbild für mich. Für mich ist es zu spät, ich habe keine kleinen Kinder<br />

mehr. =Aber ich konnte mit meinen kleinen Kindern nicht so liebevoll umgehen wie er. Ihnen so<br />

eine Perspektive und so viel Zeit und Liebe geben wie er. Das war zu meiner Zeit nicht nur deshalb<br />

unmöglich, weil ich egoistischer war als er. Wir haben als Männer in der damaligen<br />

Gesellschaftsstruktur die Rolle spielen müssen, die wir gespielt haben."<br />

Sie sind zweimal geschieden - können Sie sich vorstellen, noch einmal zu heiraten?<br />

Jürgens: "Nein, natürlich nicht. Für mich ist das ein abgeschlossenes Thema. Für mich ist die Liebe<br />

das wichtigste und großartigste Gefühl, wozu Menschen fähig sind. Wenn man sogar noch im<br />

höheren Alter fähig ist, das zu leben, wunderbar. Ich denke nicht eine Sekunde darüber nach, dass<br />

ich noch mal den Versuch machen sollte, eine Frau dadurch unglücklich zu machen, indem ich sie<br />

heirate. Es gibt auch Möglichkeiten, sie glücklich zu machen, nämlich indem ich sie nicht heirate."


Sind Sie gern allein?<br />

Jürgens: "Sehr gern. Ich bin in meinem Leben aber auch als Verheirateter sehr viel allein gewesen.<br />

Das war ein ganz bitteres Gefühl. Das soll kein Vorwurf an meine Frauen sein, meine Frauen waren<br />

beide toll. Die erste (Panja) hat mir wunderbare Kinder geschenkt, die zweite (Corinna) war sehr<br />

fröhlich und hat sehr positive Energie verbreitet, aus der ich viel Kraft geholt habe. Aber Probleme<br />

habe ich sicherlich mit dem Zustand des Verheiratetseins gehabt. Weil ich es schwierig finde, mein<br />

eigenes Leben und meine eigenen Entscheidungen zu teilen. Ich bin gern spontan."<br />

Von Ihnen stammen Hits wie "Aber bitte mit Sahne" und "Mit 66 Jahren" - gibt es Lieder,<br />

die Sie am liebsten nicht mehr singen würden?<br />

Jürgens: "Nein, kein einziges. Das ist das Schöne bei mir. Die alten Lieder, die ich am Schluss mit<br />

oder ohne Orchester und Bademantel noch für die Leute spiele, muss ich einfach spielen, weil sie zu<br />

meinem Repertoire gehören. Ein Frank-Sinatra-Abend wäre kein Frank- Sinatra-Abend, wenn nicht<br />

am Schluss "My Way" und "New York" gesungen würde. Und jeder, der groß geworden ist in dem<br />

Beruf, hat ein paar Lieder, die einfach zu ihm gehören. Ich mache zu 80 Prozent ein neues<br />

Programm, aber dann spiele ich auch meine berühmten Hits und Evergreens. Auch mir sind<br />

natürlich nicht alle Lieder gut gelungen. Ich singe nur die alten Songs, die gute Texte und, wie ich<br />

finde, auch gute Melodien haben."<br />

Geht es Ihnen manchmal auf die Nerven, am Ende Ihrer Konzerte im Bademantel<br />

aufzutreten?<br />

Jürgens: "Durchaus nicht, weil es in den Hallen, in denen ich spiele, meistens grausam zieht. Und<br />

die Garderoben sind oft schlecht oder nicht geheizt. Die Hallen sind noch bis kurz vor dem Auftritt<br />

kalt. Wenn ich dann meine Zugabe im Bademantel gebe, wenn ich verschwitzt bin, bietet er mir<br />

Schutz vor dem Durchzug. Da hat sich etwas ergeben, zum Ritual entwickelt, was auch sehr<br />

nützlich ist, weil die Gefahr, sich auf der Bühne zu erkälten, unglaublich groß ist."<br />

Haben Sie noch Träume?<br />

Jürgens: "Ich habe mir viel mehr erfüllt, als ich je geträumt habe. Und habe immer noch mehr<br />

Träume, als ich von mir je erfüllt bekommen kann. Und das ist gut so. Ich habe immer gewusst,<br />

dass Träume dazu da sind, in uns ein Verlangen und eine Sehnsucht auslösen und dass dieses<br />

Verlangen wahrlich groß ist. Die Sehnsucht stirbt ja im Augenblick ihrer Erfüllung."<br />

Interview: Caroline Bock, dpa

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