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Händels Opern und Oratorien in Bearbeitungen für Flöteninstrumente*

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Gerhard Braun<strong>Händels</strong> <strong>Opern</strong> <strong>und</strong> <strong>Oratorien</strong> <strong>in</strong> <strong>Bearbeitungen</strong> <strong>für</strong> Flöten<strong>in</strong>strumente*TIBIA 1/96Von Düsseldorf nahm er den kürzesten Weg durch Holland, allwo er sich nach Engelande<strong>in</strong>schiffte: Es war im W<strong>in</strong>ter anno 1710, wie er <strong>in</strong> London ankam... Er wurde bald beiHofe e<strong>in</strong>geführet, <strong>und</strong> von der König<strong>in</strong>n mit Gnadenzeichen beehret. Viele vom hohenAdel bezeugten große Ungedult, e<strong>in</strong>e Oper von se<strong>in</strong>er Arbeit zu sehen. Dieser heftigenBegierde nun e<strong>in</strong> Genüge zu leisten, kam R<strong>in</strong>aldo an den Tag, <strong>und</strong> war, als se<strong>in</strong> erstesWerk <strong>in</strong> England, <strong>in</strong> vierzehn Tagen fertig. 1R<strong>in</strong>aldo wurde e<strong>in</strong> großer Erfolg: Nach der Premiere am 24. Februar 1711 wurde die Oper bisJuni fünfzehnmal aufgeführt, <strong>und</strong> der rührige Verleger John Walsh zog enormen Gew<strong>in</strong>n aus derDruckausgabe der Songs <strong>in</strong> the Opera of R<strong>in</strong>aldo, Compos’d by Mr. Hendel. In der Regelwurden damals nur „Songs“ gedruckt, mit e<strong>in</strong>facher Begleitung, damit ke<strong>in</strong> Aufführungsmaterial<strong>in</strong> unbefugte Hände gelangen konnte.Walsh brachte auch <strong>Bearbeitungen</strong> der Symphonien <strong>und</strong> Arien <strong>für</strong> verschiedene Instrumente aufden Markt. So wurde am 13. September 1711 im Daily Courant e<strong>in</strong>e Ausgabe mit folgendemTitel angezeigt:The Most Celebrated Aires <strong>und</strong> Duets <strong>in</strong> the Opera of R<strong>in</strong>aldo Curiously fitted and Contriv’d fortwo Flutes and a Bass; With their Symphony Introduc’d <strong>in</strong> a Compleat Manner The whole fairlyEngrav’d. 2Die Blockflöte (damals flauto dolce oder e<strong>in</strong>fach flauto oder flute genannt) war im frühen 18.Jahrh<strong>und</strong>ert das bevorzugte Instrument der Dilettanten, der Musikliebhaber aus Adel <strong>und</strong>gehobenem Bürgertum. 3Das waren aber gerade auch die Gesellschaftsschichten, aus denen sich im 18. Jahrh<strong>und</strong>ertdas <strong>Opern</strong>publikum vornehmlich zusammensetzte. Denken wir an die begeisterte Notiz, dieSamuel Pepys, Beamter <strong>in</strong> der britischen Mar<strong>in</strong>everwaltung, am 27.2.1668 <strong>in</strong> se<strong>in</strong> Tagebuche<strong>in</strong>trug. 4Den ganzen Vormittag im Amt... <strong>und</strong> dann mit me<strong>in</strong>er Frau zum Königlichen Theater, um „DieMärtyrer<strong>in</strong>“ zu sehen, das erste mal seit langer Zeit, daß es aufgeführt wurde, <strong>und</strong> es ist sehrschön; nicht daß das Stück viel wert ist, aber schön gespielt von Beck Marshall. Aber was mirmehr als alles auf der Welt gefiel, war die Flötenmusik, wenn der Engel herniederschwebt sie istso süß, daß sie mich h<strong>in</strong>riß <strong>und</strong> im wahrsten S<strong>in</strong>ne des Wortes me<strong>in</strong>e Seele so erfüllte, daß mirganz weh wurde, gerade so wie früher, als ich <strong>in</strong> me<strong>in</strong>e Frau verliebt war. So vermochte ichweder beim Anhören noch abends auf dem Heimweg an irgend etwas zu denken, sondern bliebden ganzen Abend verzückt <strong>und</strong> konnte mir nicht vorstellen, daß je irgende<strong>in</strong>e Musik von derSeele e<strong>in</strong>es Menschen so vollständig Besitz ergriffen hätte wie diese von mir; darum b<strong>in</strong> ichentschlossen, Flöte zu spielen <strong>und</strong> me<strong>in</strong>e Frau auch dazu zu br<strong>in</strong>gen.Pepys übte täglich <strong>und</strong> g<strong>in</strong>g nie aus, ohne e<strong>in</strong> Instrument <strong>in</strong> der Tasche zu haben, um aufSpaziergängen oder beim Antichambrieren <strong>in</strong> den M<strong>in</strong>isterien darauf spielen zu können.John Hawk<strong>in</strong>s <strong>in</strong> A General History of Science and Practice of Music (London 1776): And tocome nearer to our times, it may be remembered by many now liv<strong>in</strong>g, that the flute was thepocket companion of many who whished to be thought f<strong>in</strong>e gentlemen...Wer also e<strong>in</strong> echter Gentleman se<strong>in</strong> wollte, hatte stets e<strong>in</strong>e Blockflöte <strong>in</strong> der Tasche.Das Flötenspiel <strong>und</strong> <strong>in</strong>sbesondere das Blockflötenspiel hat <strong>in</strong> England e<strong>in</strong>e lange Tradition.König He<strong>in</strong>rich VIII., e<strong>in</strong> großer Musikliebhaber, besaß (nach e<strong>in</strong>em Inventar von 1547) alle<strong>in</strong> 79Flöten<strong>in</strong>strumente.Diese Begeisterung <strong>für</strong> die Flöte war offen sichtlich auch im 18. Jahrh<strong>und</strong>ert noch vorhanden,<strong>und</strong> <strong>Händels</strong> Verleger Walsh brachte deshalb „marktgerecht“ die beliebtesten <strong>Opern</strong>melodienbereits kurze Zeit nach der Uraufführung e<strong>in</strong>er neuen Oper <strong>in</strong> Bearbeitung <strong>für</strong> Blockflöte solo(„transposed for a S<strong>in</strong>gle Flute“) zum Verkauf.Diese <strong>Bearbeitungen</strong> dienten dem <strong>Opern</strong>liebhaber damals zweifellos als e<strong>in</strong>e ArtSchallplattenersatz. Mit der relativ e<strong>in</strong>fach zu spielenden Blockflöte ließen sich die Melodien derTänze <strong>und</strong> Arien aus der am Abend zuvor gehörten Oper jederzeit wieder <strong>in</strong>s Gedächtnis rufen.Fraglich bleibt, von wem <strong>und</strong> auf welche Weise die <strong>Bearbeitungen</strong> hergestellt wurden bzw.welche Ausgabe als Vorlage diente. Wohl kaum die orig<strong>in</strong>ale Partitur, denn fast alleFlötenfassungen enthalten grobe melodische <strong>und</strong> rhythmische Fehler. Häufig wurden aucherhebliche formale Änderungen vorgenommen. Das etwa bei Händel oft verkürzte oder variierte


da capo wurde zur drucktechnischen Vere<strong>in</strong>fachung fast immer durch e<strong>in</strong> normales da capoersetzt. Und natürlich waren immer wieder (<strong>in</strong>sbesondere bei der Übertragung vonViol<strong>in</strong>passagen) gravierende Stimmknicke notwendig. Die harmonisch-kontrapunktische Strukturder Sätze wurde meist auf e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>fache Generalbaßbegleitung (häufig mit falschenBezifferungen) reduziert. Und die Tonarten wurden natürlich zur besseren Spielbarkeit dengebräuchlichen Tonarten der betreffenden Blas<strong>in</strong>strumente an gepaßt (Blockflöte: F-Dur / B-Dur/ C-Dur; Traversflöte: G-Dur / D-Dur usw.).Die Melodiestimme enthielt sowohl die Orchesterritornelle als auch die Gesangspartien (meistmit Sym. bzw. Song bezeichnet), ohne daß dabei auf e<strong>in</strong>e organische <strong>und</strong> s<strong>in</strong>nvolle Ablösungvon Tutti <strong>und</strong> Solo viel Rücksicht genommen wurde.Äußerst skurril wirkt es, wenn die Orchesterritornelle beim E<strong>in</strong>satz der S<strong>in</strong>gstimme abruptunterbrochen werden, auch wenn sie von Händel melodisch weitergeführt waren. Aber offen bargenügte das den Flötenspielern jener Zeit <strong>für</strong> ihre privaten Aufführungen.Musiksoziologisch <strong>in</strong>teressant ist natürlich die aus den jeweiligen Werken vom Verlegergetroffene Auswahl, die sich ja wohl unmittelbar an der Vorliebe <strong>und</strong> Nachfrage derInteressenten orientiert. So fehlt z.B. <strong>in</strong> allen <strong>Bearbeitungen</strong> der Oper Xerxes die Arie „Ombramai fu“, das heute so beliebte <strong>und</strong> ebenfalls <strong>für</strong> fast alle Instrumente bearbeitete „Largo“ (nachdem Orig<strong>in</strong>al eigentlich Larghetto).Oper <strong>und</strong> Oratorium waren die beherrschen den musikalischen Kunstformen des 18.Jahrh<strong>und</strong>erts, <strong>und</strong> gerade bei Händel zeigt sich, daß se<strong>in</strong>e Instrumentalmusik <strong>in</strong> sehr starkemMaße davon abhängig bzw. darauf bezogen ist. Se<strong>in</strong>e Sonaten <strong>und</strong> Suiten s<strong>in</strong>d entweder„Abfallprodukte“ oder „Materialsammlungen“ <strong>für</strong> die <strong>Opern</strong>produktion. So enthalten z.B. allesechs Blockflötensonaten Sätze, die - <strong>in</strong> z.T. Ieicht abgewandelter Form - <strong>in</strong> den <strong>Opern</strong> wiederkehren. So f<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong> der Ouvertüre zur Oper Scipio der zweite Satz der C-Dur Sonate <strong>und</strong>der erste Satz der B-Dur Sonate (Corrente) wieder.Als die zwar ke<strong>in</strong>esfalls lautere, aber ausdrucksstärkere Traversflöte etwa um das Jahr 1720 diebis dah<strong>in</strong> bevorzugte Blockflöte zu verdrängen begann, reagierte der Verleger John Walsh 5sofort auf diese veränderte Situation auf dem Instrumentenmarkt <strong>und</strong> ließ nun verstärkt<strong>Bearbeitungen</strong> <strong>für</strong> die neu aufkommende Traversflöte („German Flute“) anfertigen. So er schienetwa ab 1725 <strong>in</strong> entsprechenden Abständen e<strong>in</strong>e große siebenbändige Sammlung Sonatas orChamber Aires for a German Flute, Viol<strong>in</strong> or Harpsichord Be<strong>in</strong>g the most Celebrated Songs &Ariets Collected out of the late Operas Compos’d by Mr. Handel.In e<strong>in</strong>zelnen, meist etwa 25 Druckseiten umfassenden Heften wurden z. B. 1733 die wichtigstenArien aus Acis <strong>und</strong> Galatea <strong>und</strong> 1738 e<strong>in</strong>e Auswahl aus der Oper Tolomeo veröffentlicht. 6Duettsammlungen wie etwa Select Aires or Duets for two German Flutes... enthalten e<strong>in</strong>zelneArien aus verschiedenen <strong>Opern</strong>, wobei die zweite Stimme zumeist die orig<strong>in</strong>ale Baßstimme (hierauch oft mit zahlreichen Fehlern) imitiert.<strong>Händels</strong> geniale Musik strahlte von England auch auf den Kont<strong>in</strong>ent aus. „Gewisse Melodienaus Scipione, Ottone, Arianna, Berenice <strong>und</strong> anderen <strong>Opern</strong> waren nicht nur <strong>in</strong> ganz Englandverbreitet <strong>und</strong> zu Geme<strong>in</strong>plätzen geworden, sondern auch im Ausland, sogar <strong>in</strong> dem fremdeE<strong>in</strong>flüsse abwehrenden Frank reich... Händel war <strong>in</strong> Paris immerh<strong>in</strong> so bekannt, daß man 1739sogar se<strong>in</strong> Bild verkaufte...“ 7 So übernahm auch der französische Flötenvirtuose Michel Blavet(1700-1768) elf <strong>Bearbeitungen</strong> aus <strong>Händels</strong>chen <strong>Opern</strong> <strong>und</strong> Instrumentalwerken <strong>in</strong> se<strong>in</strong>edreibändige Sammlung Recueils de Pieces, petit Airs; Brunettes, Menuets, etc. avec desdoubles et variations... erschienen <strong>in</strong> Paris zwischen 1744 <strong>und</strong> 1751. 8Unter diesen Duetten f<strong>in</strong>det sich auch e<strong>in</strong>e Bearbeitung der berühmten Grobschmiedvariationenaus der E-Dur Suite <strong>und</strong> die Gavotte aus der Ouvertüre zur Oper Ottone. Diese verziert Blavetnach französischer Manier <strong>und</strong> fügt dann noch drei eigene Variationen h<strong>in</strong>zu. Die Premiere derOper Ottone fand am 12. Januar 1723 statt: Jedermann sprach von Mr. Hendels neuer Oper <strong>und</strong>das Schlußstück der schönen Ouverture... erklang <strong>in</strong> jedem Wohnzimmer, <strong>in</strong> dem e<strong>in</strong> Cembalostand, ja es wurde sogar, wie Burney sagte, auf jedem erdenklichen Instrumente gespielt. 9Die <strong>Bearbeitungen</strong> von Blavet zeigen noch e<strong>in</strong>en anderen Aspekt. Die ganze Sammlung istoffensichtlich auch unter pädagogischen Gesichtspunkten zusammengestellt worden. Dar aufdeuten nicht nur e<strong>in</strong>e Reihe von sehr leichten Stücken h<strong>in</strong>, sondern auch e<strong>in</strong>getrageneAtemzäsuren. J. J. Quantz, der Flötenlehrer Friedrichs des Großen, schreibt 1759 im Vorberichtse<strong>in</strong>er „Sei Duetti a due traversi“: ... haben die Duette gewisse, ihnen eigene Vorzüge, <strong>und</strong> ihrenbesonderen Nutzen. Es können sich nicht alle<strong>in</strong> zween Liebhaber, wenn sie ke<strong>in</strong>e zahlreiche


Begleitung an der Hand haben, damit auf e<strong>in</strong>e angenehme Art unterhalten, weil sie beyde, aufdiese Art, e<strong>in</strong>e <strong>in</strong> ihrer Art vollkommene Musik bestzen können: sondern es können auchAnfänger <strong>in</strong> der Musik aus fleißiger Übung <strong>in</strong> wohlgesetzten Duetten e<strong>in</strong>en großen Nutzenziehen. Auch hier e<strong>in</strong> H<strong>in</strong>weis auf die Adressaten dieser Art von Editionen.In England gab es zahlreiche Ausgaben <strong>für</strong> die se Zielgruppe. The delightful Companion oderThe new Flute Master wenden sich mit e<strong>in</strong>fachen Stücken an die Flöten-Amateure <strong>und</strong>zahlreiche Traktate geben Anweisungen zur Erlernung dieses Instruments. In den jeweiligenVorworten werden die Vorzüge der Blockflöte gepriesen: sie komme der menschlichen Stimmesehr nahe, sei immer gestimmt (im Gegensatz zum Cembalo) <strong>und</strong> sei deshalb e<strong>in</strong> idealerBegleiter (companion), der zudem e<strong>in</strong>fach <strong>in</strong> der Tasche mitgetragen werden können. Auchhätten die Frauen am süßen Klang des Instruments Gefallen gef<strong>und</strong>en.Allerd<strong>in</strong>gs war Blockflöte spielen <strong>und</strong> das Unterrichten derselben damals re<strong>in</strong>e Männersache.(So ändern sich die Zeiten!) Frauen war das Spielen von Tasten<strong>in</strong>strumenten vorbehalten. 10 TheCompleat Tutor for the Flute (1727)" enthält neben leichten Tanzsätzen <strong>und</strong> Volksweisen e<strong>in</strong>eFassung von Handel’s Water Peice (Piece ?) <strong>für</strong> zwei Blockflöten, <strong>und</strong> Directions for Play<strong>in</strong>g onthe Flute (1735) br<strong>in</strong>gt im Literaturteil neben leichten Menuetten <strong>und</strong> Märschen ausschließlichArienbearbeitungen aus <strong>Opern</strong> G. F. <strong>Händels</strong>. Auch Peter Prelleurs Flötenschule The NewestMethod for Learners on the German Flute (London 1731 ) br<strong>in</strong>gt als Übungsbeispiele nebenMenuetten <strong>und</strong> Rigaudons e<strong>in</strong>e ganze Reihe bekannter <strong>Opern</strong>arien (vorzugsweise von G. F.Händel) <strong>in</strong> <strong>Bearbeitungen</strong> <strong>für</strong> e<strong>in</strong>e Traversflöte alle<strong>in</strong>.Insbesondere die Tanzsätze aus den <strong>Opern</strong> er freuten sich großer Beliebtheit. So erschien 1735bei Walsh e<strong>in</strong>e Ausgabe mit dem Titel: „Ariodante for a Flute, the ariets with their symphonys fora s<strong>in</strong>gle Flute and the duets for two Flutes... to which is added the dance tunes <strong>in</strong> all the lateoperas. 1lÄhnliche Ausgaben erschienen auch <strong>für</strong> Traversflöte mit B. c. Die <strong>in</strong> allen Heften enthaltenenBalli di pastori e pastorelle aus llpastorfido s<strong>in</strong>d gute Beispiele <strong>für</strong> diese Transkriptionen <strong>und</strong>lassen sich auch heute noch <strong>in</strong> dieser reduzierten Besetzung erfolgreich <strong>in</strong>terpretieren. DieMenuette <strong>und</strong> Märsche aus den <strong>Opern</strong> <strong>und</strong> <strong>Oratorien</strong> wurden auch losgelöst von ihrerdramaturgischen Funktion, z.B. bei Aufmärschen von Militärkapellen, aber auch <strong>in</strong>Vergnügungslokalen gespielt. Der D-Dur Marsch aus der Oper Scipione ist bis heute <strong>in</strong> Englande<strong>in</strong> sehr bekanntes Musikstück, der Marsch der Grenadiergarde. Der Überlieferung nach sollHändel diesen Marsch zuerst <strong>für</strong> die Grenadiergarde geschrieben <strong>und</strong> ihn erst später <strong>in</strong> derOper wieder verwendet haben. Er wurde dann sogar, wie auch der berühmte Marsch ausR<strong>in</strong>aldo, <strong>in</strong> Pepuschs Beggar’s Opera übernommen. 12 Der Bedarf an Menuetten sche<strong>in</strong>tebenfalls groß gewesen zu se<strong>in</strong>.Es existieren mehrere Sammlungen <strong>für</strong> Flöte <strong>und</strong> Basso cont<strong>in</strong>uo wie z.B. A General Collectionof M<strong>in</strong>uets made for the Balls at Court The Operas and Masquerades Consist<strong>in</strong>g of Sixty <strong>in</strong>Number Compos’d by Mr. Handel. To which is added Twelfe celebrated Marches on severaloccasions by the same Author. All curiously fitted for the German Flute... (Walsh London1729). 13 Oder Handel’s Favourite M<strong>in</strong>uets from His Operas & Oratorios... (Walsh 1762). Beigenauerem H<strong>in</strong>sehen handelt es sich jedoch nur bei wenigen der Favourite M<strong>in</strong>uets wirklich umMenuette. Vor allem die aus <strong>Händels</strong> <strong>Opern</strong> entnommenen Stücke s<strong>in</strong>d zumeist nurKurzfassungen von Arien, die von Walsh oder e<strong>in</strong>em se<strong>in</strong>er Mitarbeiter mit mehr oder wenigerGeschick zusammengestellt wurden, wobei offen sichtlich schon die Vorzeichnung e<strong>in</strong>es 3/4-,3/8- oder 6/8-Taktes genügte, um den Titel Menuett zu rechtfertigen.Auch bekannte <strong>und</strong> erfolgreiche Instrumental werke wie die Feuerwerksmusik <strong>und</strong> dieWassermusik erschienen <strong>in</strong> <strong>Bearbeitungen</strong> <strong>für</strong> Flöte <strong>und</strong> Basso cont<strong>in</strong>uo. Auch hier entsprichtdie Begleitung nicht dem Orig<strong>in</strong>al, sondern wurde auf e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>fache Generalbaßpartie(Baßstimme mit Bezifferung) reduziert. Oder es wurde, wie im Falle der Wassermusik, nur dieMelodie stimme der e<strong>in</strong>zelnen Tanzsätze veröffentlicht. l4E<strong>in</strong>e revidierte <strong>und</strong> wieder am <strong>Händels</strong>chen Orig<strong>in</strong>al orientierte Neuausgabe kann aber auchheute noch - wie im 18. Jahrh<strong>und</strong>ert - zu pädagogischen Zwecken e<strong>in</strong>gesetzt werden <strong>und</strong>außerdem den zahlreichen Flötenliebhabern Anreiz <strong>für</strong> e<strong>in</strong>e aktive Beschäftigung mit dem<strong>Opern</strong>schaffen G. F. <strong>Händels</strong> bieten. Denn die Musik zeugt auch <strong>in</strong> tonartlicher Beschränkung<strong>und</strong> reduzierter Besetzung vom Genius e<strong>in</strong>es großen Barockkomponisten.


* Erschienen <strong>in</strong> Heft 2 der Publikationsreihe der Deutschen Händelgesellschaft, Köln 1995.1 John Ma<strong>in</strong>war<strong>in</strong>g: Georg Friedrich <strong>Händels</strong> Lebensbeschreibung (<strong>in</strong> der Übersetzung vonJohann Mattheson, Hamburg 1761).2 Neuausgabe Universal Edition, Wien 1989 durch den Verfasser.3 Die professionellen Musiker haben die Blockflöte allenfalls als Zweit<strong>in</strong>strument gespielt. In<strong>Händels</strong> <strong>Opern</strong>orchester haben die Oboisten die Flötenpartien übernommen, <strong>und</strong> <strong>in</strong> derBachschen Matthäuspassion f<strong>in</strong>den sich die Blockflötenpartien <strong>für</strong> das Rezitativ Nr. 25bezeichnenderweise <strong>in</strong> den Streicherstimmen.4 Samuel Pepys: Das geheime Tagebuch, Leipzig 1980 (Insel Taschenbuch Nr. 637, S. 564).5 John Walsh, der Besitzer von The Golden Harp and Hoboy, war die beherrschende Figur unterden englischen Musikverlegern, e<strong>in</strong> zäher, rücksichtsloser, ausbeuterischer Geschäftsmann, <strong>für</strong>den ansche<strong>in</strong>end niemand e<strong>in</strong> gutes Wort e<strong>in</strong>legen will, aber e<strong>in</strong> tüchtiger Verleger, wohl dertüchtigste se<strong>in</strong>er Zeit. Paul Henry Lang: Georg Friedrich Händel - Se<strong>in</strong> Leben, se<strong>in</strong> Stil <strong>und</strong>se<strong>in</strong>e Stellung im englischen Geistes- <strong>und</strong> Kulturleben. Basel 1979.6 Neuausgaben <strong>in</strong> der Universal-Querflöten-Edition, Wien 1990.7 Roma<strong>in</strong> Rolland: Georg Friedrich Händel, Paris 1910, Deutsche Übersetzung: Zürich 1922.8 Neuausgabe: Universal Edition, Wien 1989.9 P. H. Lang: G. F Händel (S. 160).l0 Siehe auch Marianne Mezger: Vom Pleasant Companion zum Compleat Flute Master.Englische Blockflötenschulen des 17. <strong>und</strong> 18. Jahrh<strong>und</strong>erts. TIBIA 2/95, S. 417ff.11 Neuausgaben <strong>in</strong> der Universal Edition, Wien.12 Ebda.13 Ebda.14 Ebda.

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