Schwerpunktthema AltenhilfeSchwerpunktthema AltenhilfeGemeinsam statt einsam -Wohnformen im AlterFür viele alte Menschen wirdes irgendwann zum Problem,alleine zu wohnenund den Haushalt zu führen. Andereleiden unter Einsamkeit,wenn sie z.B. nach dem Tod ihresEhepartners allein bleiben. Es stelltsich die Frage, wohin, wenn dasLeben in der eigenen Wohnungnicht mehr möglich ist. Das traditionelleAltenheim ist schon langenicht mehr der einzige Ausweg.Eine Alternative bietet das Service-Haus im Diakoniezentrum Heiligensee.Dabei handelt es sich umein generationsgemischtes Wohnprojekt,in dem unterschiedlichePersonengruppen wie alte Menschen,aber auch junge Familien,Alleinstehende und Menschen mitBehinderungen ein Zuhause finden.Ziel des Projektes ist es, sich gegenseitigzu tolerieren und zuunterstützen. Dabei wird vor allemauf ehrenamtliche Mitarbeit allerBewohner gebaut. Im Diakoniezentrumstehen rund 420 Wohnungenzur Verfügung. ProfessionelleHilfe erhalten die älterenMenschen von Altenpflegerinnen.In unmittelbarer Nähe befindetsich alles, was sonst noch gebrauchtwird, wie Arzt, Physiotherapie,Geschäfte, Schwimmbad,Sparkasse usw.Zudem hat sich das ServiceHausvon der Idee einer Wohngemeinschaftinspirieren lassen und bietetdiese Wohnform für Senioren seitdem Jahr 2000 in Berlin an. In derAlten-WG leben Seniorinnen, dieein selbstbestimmtes Leben führenwollen, aber in einigen BereichenHilfe benötigen. Sie sind nichtmehr allein, und können sich trotzdemjederzeit in ihr privates Zimmerzurückziehen. Die Wohnungist 200 Quadratmeter groß, verfügtüber sechs Zimmer von je 15 Quadratmetern,hat drei Bäder, eingrosses Gemeinschaftszimmer undeine geräumige Küche. Der Alltagder Bewohnerinnen wird stundenweisevon einer Sozialpädagoginbegleitet. Sie hilft bei der Konfliktbewältigung,schafft Kontaktezu Nachbarn und regt zu gemeinsamenAktivitäten an. Den größtenTeil des Tages verbringen die Bewohnerinnennach ihren individuellenInteressen. Hierfür bietet dasServiceHaus eine große Auswahlan Freizeitangeboten.Um darüber hinaus auch stärkerpflegebedürftigen, alten Menschendie Möglichkeit zu bieten, so langewie möglich in den eigenen vierWänden zu leben und nicht in einPflegeheim umziehen zu müssen,wurde ebenfalls im Jahr 2000 aufdem Gelände des Diakoniezentrumsdie Tagespflege Bärensprungeröffnet. Wochentags werdenhier bis zu 16 Gäste von kompetentenFachkräften liebevollbetreut, versorgt und gepflegt. Nebengemeinsamen Mahlzeitenstehen sinnvolle, aktivierende Angebotewie Gedächtnistraining, die„Zeitungsrunde“ und Sitzgymnastikauf dem Programm; körperlicheund geistige Kräfte werden so erhaltenund gefördert. Die Angeboteund Gemeinschaftseinrichtungendes ServiceHauses könnenselbstverständlich alle mit nutzen.Christian NestlerSollte dieser Aufkleber sich nicht mehr in Ihrem<strong>EJF</strong>-<strong>Lazarus</strong> <strong>Aktuell</strong> befinden, so wenden Sie sich bittean unsere Öffentlichkeitsarbeit: E-Mail info@ejf.deoder per Telefon 030-843889-63. Hier erfahren Sie auchnoch viel mehr über unseren diakonisch-sozialen Träger:die <strong>EJF</strong>-<strong>Lazarus</strong> Gesellschaft.PrognoseDemographische Entwicklung in DeutschlandDas nachbarschaftliche Miteinander von Jung und Alt gehört zu den vielen Vorzügen des ServiceHauses im DiakoniezentrumDeutschland hat derzeit 82Millionen Einwohner. In 50Jahren werden es allerdings „nurnoch“ 65 Millionen sein.Einer der Gründe: Es sterben mehrMenschen als geboren werden. Dasniedrige Geburtenniveau wird nachSchätzungen von Statistikern biszum Jahr 2050 dazu führen, dassauf 100 Personen im erwerbsfähigenAlter 80 Rentner kommen,während es heute erst 40 sind.Bis 2050 wird sich der Anteil derunter 20-Jährigen von derzeit 21%auf 16% verringern; der Anteil der60-jährigen und älteren Menschenwird sich dagegen von 22% auf37% spürbar erhöhen. Zudem steigtdie Lebenserwartung der Deutschenweiter. Das Statistische Bundesamtrechnet heute mit einerdurchschnittlichen Lebenserwartungfür einen neugeborenen Jungenvon 75,1 Jahren und für einMädchen von 81,1 Jahren. Auchältere Menschen haben eine immerhöhere Lebenserwartung. So könneheute ein 60-jähriger Mann nochmit einer Lebenserwartung vondurchschnittlich 19,5 Jahren rechnen.Nach Angaben des SeminarsVerhältnis Rentner - Erwerbsfähige20042050für Wirtschafts- und Sozialstatistikder Universität Köln werden 50%der 2002 geborenen Mädchen voraussichtlichein Alter von 88,8Jahren, 25% sogar mindestens dasAlter von 93,8 Jahren erreichen.8 <strong>EJF</strong>-<strong>Lazarus</strong> <strong>Aktuell</strong> 2/2004<strong>EJF</strong>-<strong>Lazarus</strong> <strong>Aktuell</strong> 2/20049
Schwerpunktthema AltenhilfeSchwerpunktthema AltenhilfeDemenz aus medizinischer Sicht –eine Herausforderung für die ZukunftZu Weihnachten die ModelleisenbahnSchnittstellen der Altenhilfe zur BehindertenhilfeDer Begriff „Demenz“stammt aus dem Lateinischen(mens= der Geist)und bedeutet sinngemäß „ohneGeist“. Von dieser Bezeichnunglassen sich die vielfältigen Symptomeder Demenz ableiten, die sichweitgehend auf Störungen derHirnleistungen beziehen. Die Demenzwird unterschieden in primäreFormen der Demenz, dazu gehörendie Demenz vom Alzheimer-Typund die Multiinfarktdemenz;und in die sekundärenFormen der Demenz, dazu gehörenvielfältige andere Grunderkrankungen,deren Folgen beiNichterkennung oder Nichtbehandlungzu einer Demenz führenkönnen. Beispiele für Erkrankungen,die zu einer sekundärenDemenz führen können, sind Unterfunktionder Schilddrüse, Vitaminmangel,Nierenerkrankungen,Dehydratation, chronischer Alkoholismusund Hirntumore. Insgesamtgibt es fast 100 Erkrankungen,die sekundär zu einer Demenzführen können. 20 % aller Demenzerkranktenleiden an einer sekundärenDemenz, 80 % haben eine Demenzvom Alzheimer-Typ odereine Multiinfarktdemenz. DieAlzheimer-Demenz ist die häufigsteForm der Demenz. DerKrankheitsverlauf geht über vieleJahre. Erste Symptome sind beispielsweiseMisstrauen, das Äußernvon Verdächtigungen, bestohlenoder betrogen worden zu sein,Verändern von Gewohnheiten,Vernachlässigung von Hobbys undInteressen. Typisch sind Störungendes Kurzzeitgedächtnisses. Termineund Verabredungen, Geburtstageund Gedenktage werdenvergessen. Es treten Phasen derÄngstlichkeit, der Unsicherheit,des Klagens und ständigen Nachfragensauf, dann wieder stehenGleichgültigkeit und Apathie imVordergrund.Das Fortschreiten der Erkrankungführt einerseits oft zu Antriebsarmut,Interesselosigkeit und Abstumpfung.Gleichzeitig tretensehr oft Phasen der Unruhe undUmtriebigkeit auf, verstärkt durchausgeprägte Störungen des Tag-Nacht-Rhythmus. Diese Phasensind oft am schwierigsten für Ehepartnerund Familien. Es kommthäufig zu folgenschweren Fehlhandlungenwie nächtlichem Umherwandernin den Straßen imNachthemd, Rufen nach Polizeiund Feuerwehr, Äußern vonWahnvorstellungen und Wahnideen.Der Kranke gefährdet unterUmständen sich selbst oder andere.Die Persönlichkeit des Demenzkrankenkann sich stark verändern,es kann zur Abflachung, zurUmkehr früherer Eigenschaftenund zu sozial unverträglichen Zuständenwie Aggressivität undsexueller Belästigung von Pflegendenund Außenstehenden kommen.Orientierungsstörungen zum Ort,zur Zeit, zur Person und zur Situationtreten langsam, aber regelmäßighinzu. Das Fortschreitender Demenz ist gekennzeichnetdurch Störungen des abstraktenDenkens (Rechnen können, logischeSchlussfolgerungen ziehenkönnen) und der Kognition. Gesprächenkann inhaltlich nichtmehr gefolgt werden, Antwortensind oft nur noch Floskeln.Bei fast jedem Betroffenen tretenPhasen der tiefen Depressivität,der Angst und Verzweiflung auf.Die Kranken spüren ihre Defiziteund Kompetenzverluste und leidenschwer unter dem Bewusstsein, anAlzheimer-Demenz erkrankt zusein. Im späten Stadium der Demenztreten praktische Störungen auf,der Betroffene kann sich nichtmehr alleine waschen oder anziehen,kann seinen Haushalt nichtmehr selbst führen, gewohnteAbläufe funktionieren nicht mehr.Hinzu treten Sprachstörungen, derVerlust der flüssigen und zusammenhängendenSprache, der Krankekann sich nicht mehr verständlichmachen und spricht schließlich garnicht mehr.Erlebt der Demenzkranke alle Phasender Erkrankung, kommt es imletzten Stadium zu Bewegungsstörungen,der Kranke kann nichtmehr laufen, ist fest bettlägerig, bekommtspastische Bewegungsmuster,erleidet Kontrakturen undzuletzt Schluckstörungen.Das letzte Stadium kann unterUmständen Jahre andauern, HarnundStuhlinkontinenz treten regelmäßigein, der Kranke ist völlig auffremde Hilfe angewiesen, er meldetkeine Bedürfnisse mehr an, liegtregungslos und teilnahmslos imBett, er klagt nicht und lässt alles mitsich geschehen. Was in ihm vorgeht,kann nicht mehr erfragt werden Fürdie Medizin und die Forschung istdie Demenz eine Herausforderung.Bislang gibt es noch kein Medikament,das die Alzheimer-Demenzheilen könnte. Die Medikamente,die es zur Zeit gibt, haltenlediglich das Fortschreiten derErkrankung für ein bis zwei Jahreauf. In diesem Bereich gibt es fürdie Forschung viel zu tun.Susanne Mährlein-BischoffHeimärztinHorst S. ist sehr aufgeregtan diesem Abend. SeinFernsehgerät geht nicht.Wie sehr er auch auf der Fernbedienungherumdrückt, der Bildschirmflimmert nur und rauscht.Spielzeugautos füllen das Eckregalneben dem Fernseher, auf demFußboden steht ein etwa ein Meterhoher Modellbaukran. „Den mussich erst noch in Gang bekommen“,sagt Horst und seine Augen hinterden Brillengläsern strahlen. Horstist 70 Jahre alt. Über seinem Betthängt eine Urkunde: 30 Jahrewohnt er schon im „Haus imWind“, einer <strong>EJF</strong>-<strong>Lazarus</strong>-Einrichtungfür behinderte Menschenim nordbrandenburgischen Marwitz.Die Möbel sind so geschicktgestellt, dass zwar zwei Männer ineinem Zimmer wohnen, aber jederseine Privatsphäre hat. Seit einigenJahren schon ist Horst Rentner.Nach einem Arbeitsunfall, an dener sich bis heute lebhaft erinnert,ist er auf Rente gesetzt worden.Seinem Kollegen sei ein schweresEisenstück aus der Hand gerutschtund ihm, Horst, auf den Fuß gefallen,erzählt er anschaulich.Horst wünscht sich eine ModelleisenbahnHerbert wurde vor kurzem 65Am 1. September dieses Jahres hatauch Herbert W. das Rentenaltererreicht. Sein 65. Geburtstagwurde im „Haus im Wind“ mitallen Bewohnern und Betreuernganz groß gefeiert. „Feiern findeich immer etwas Schönes“, sagtHerbert. „Wer feiert nicht gerne?“Ging Herbert W., bevor er Rentnerwurde, jeden Morgen aus demHaus zur Arbeit bei der Nordbahnund kam erst abends wieder, verbringter jetzt den ganzen Tag aufdem Gelände vom „Haus imWind“. Doch Langeweile hat ernicht. „Man tut sich auch hier mitbetätigen, der Tagesablauf ist soweit gut ausgefüllt“, sagt er. Anseinem Schrank hängt eine ArtStundenplan. „Das ist seine individuelleTagesstruktur“, erläutertHeimleiterin Charlotte Bold.Garten- und Hausarbeiten, aberauch Freizeitbeschäftigungen wieKaffee trinken sind dort vermerkt.Kaffee trinken steht vor allem beiWilli D. hoch im Kurs. Er ist mit75 Jahren der älteste Bewohner im„Haus im Wind“. „Herr D. warvon Anfang an hier, er gehört einfachhierher und ist nicht wegzudenken“,sagt Frau Bold. Dankseines Alters genießt er sehr vielRespekt bei den anderen Bewohnern,manchmal fordert er ihnauch ein. Und er entscheidet selbstund handelt danach, ob er etwasmöchte oder nicht. So will sichHerr D. an diesem Abend nichtunterhalten, obwohl er sonst garnicht so zurückhaltend ist.Die Zahl der Altersrentner unterden Bewohnern vom „Haus imWind“ wird in den nächsten Jahrenimmer größer werden. Zurzeit sindes drei in einer Gruppe von zwölfPersonen. „Wir müssen uns rechtzeitigdarauf einstellen, dass späterauch jedem eine individuelle Pflegegarantiert werden kann“, mahntFrau Bold.Das Konzept der altersgemischtenGruppen geht sehr gut auf. „Wennwir nur alte Menschen hier hätten,würden sie sich womöglich alle aufihr Zimmer zurückziehen und sichnur noch mit ihrem Älterwerdenbeschäftigen“, meint Frau Bold.Die Jungen aber bringen die Altenhier in Schwung. Und wenn es denÄlteren manchmal zu viel wird,dann sorgen diese schon für Ruhe.„Das sind ganz normale Generationsprobleme,wie sie auch unterMenschen ohne Behinderung vorkommen.“Älter werden ist nach den Wortenvon Frau Bold bei Menschen mitBehinderung sehr differenziert zubetrachten. Horst S. spielt nach wievor gern mit Autos, denn sein geistigerStand entspricht dem einessechs- bis siebenjährigen Kindes.„Doch erlebt er die Symptome desAlterns so wie wir alle“, erläutertsie. Zu Weihnachten wünscht sichHorst eine Modelleisenbahn.Damit spielt so manch erwachsener,nicht behinderter Mann auchganz gern. Doch er würde es nichtso offen zugeben.Redaktion10 <strong>EJF</strong>-<strong>Lazarus</strong> <strong>Aktuell</strong> 2/2004<strong>EJF</strong>-<strong>Lazarus</strong> <strong>Aktuell</strong> 2/200411