13.07.2015 Aufrufe

Christiane Krautscheid - Schott Music

Christiane Krautscheid - Schott Music

Christiane Krautscheid - Schott Music

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

man ihn in eine schwach beleuchtete Lagerhalle. Dort lag, ungeordnet in staubigenPappkartons, der für die Musikwelt so bedeutende Nachlass Wittgensteins.Und das Original?Aber wie identifiziert man ein Werk, von dem man nur ein paar Skizzen hat, vondenen man glaubt, dass sie zur Klaviermusik gehören könnten? Der Forscher hatteGlück. „Unter den verstaubten Papieren fand ich einige Blätter, die völlig mit demersten Teil des Konzerts, den Hindemith in sein Skizzenbuch notiert hatte,übereinstimmten. Außerdem stand auf einem Blatt die Anmerkung: ‚Ein Takt fehlt’.Diese Passage kannten wir ebenfalls aus den Skizzenbüchern, in denen der fehlendeTakt ausgeschrieben war. Damit konnten wir aus den Einzelblättern die Teile desPuzzles zusammensetzen.“Zu dem glücklichen Fund kam eine herbe Enttäuschung. Giselher Schubert erkannteauf den ersten Blick, dass es sich nicht um die Handschrift Hindemiths, also nicht umdas Autograph handelte, das der Komponist an den Pianisten geschickt hatte.Offensichtlich hatte Hindemith jemanden mit einer Abschrift beauftragt.Unglaublicherweise kann es sich beim Kopisten nicht um einen Profi gehandelthaben: „Die Handschrift ist übersät mit musikalischen und notationstechnischenFehlern, sogar die Namen Hindemith und Wittgenstein sind mehrmals falschgeschrieben“, berichtet Claus-Dieter Ludwig, der die Ausgabe beim <strong>Schott</strong>-Verlagbetreut. Und vor allem bleibt eine Frage: Wo ist das Autograph? Was hatWittgenstein damit gemacht?Vielleicht wird auch dieses Rätsel eines Tages gelöst werden. Neben dem erhofftenHindemith-Werk hielt Giselher Schubert an jenem Tag in der staubigen New YorkerLagerhalle übrigens noch ein Autograph von Beethoven und eine Urkunde mit deroriginalen Unterschrift Maria Theresias von Österreich in Händen – Schätze vonunvorstellbarem Wert, die fern jeder konservatorischen Sorgfalt in den altenPappkartons aufbewahrt wurden.Jedenfalls konnte der Hindemith-Forscher mit der glücklichen Nachricht nachFrankfurt zurückkehren. Hindemith-Stiftung und <strong>Schott</strong>-Verlag verhandeltengemeinsam mit den New Yorker Anwälten, und nach einigem Hin- und Her ging dasWerk in den Besitz der Hindemith-Stiftung über.Kapitel IV: Eine letzte TückeGlückliches Ende? Noch nicht ganz. Der Forscher durfte die Notenblätter nämlichnicht einfach mitnehmen. Das Konvolut musste aus steuerlichen Gründen per Postnach Frankfurt geschickt werden. Und so meldete sich eines Tages der FrankfurterZoll beim Hindemith-Institut mit der Nachricht, ein Päckchen aus New York seiangekommen. Wie hoch denn bitte der Wert des Inhalts sei? Schubert beriet sich mitseinen Kollegen. Wie sollte nicht nur der Kaufpreis, sondern auch der immenseideelle Wert beziffert werden? Schließlich nannte man eine Summe. Und danngeschah etwas Unglaubliches.„Wir erhielten einen Anruf vom Zoll, das Paket könne nicht zugestellt werden“,berichtet Giselher Schubert. „Es enthalte doch nur ein bisschen Papier, die hoheSumme könne nicht sein, man benötige den materiellen Wert dieser Blätter! Alsokorrigierten wir den Wert um einige Nullen nach unten und gaben den Wert desPäckchens mit fünf Dollar an. Prompt wurde es zugestellt. Als wir es endlich inHänden hielten, haben wir gedacht: Eigentlich waren fünf Dollar viel zu viel,schließlich war das Papier ja schon beschrieben und quasi unbrauchbar…“.Am 9. Dezember 2004, nach über achtzig Jahren, kann die Musikwelt zum ersten Maljenes Konzert hören können, das Hindemith im Alter von achtundzwanzig Jahren als

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!