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BULLETIN 1/03 - Edudoc

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16<br />

BIBLIOGRAFIE<br />

ENTSPANNUNGSTECHNIKEN<br />

Roxane Goetschel,<br />

Physiotherapeutin<br />

und Psychologin<br />

Stress trägt zur Entstehung<br />

von mehr als der Hälfte aller<br />

Krankheiten bei.<br />

Entspannung – Teil eines gesunden Lebensstils<br />

Es gibt eine Vielzahl von Mitteln und Wegen zu mehr Entspannung. Sie<br />

basieren auf unterschiedlichsten Konzepten und reichen von konkreten<br />

und klar eingegrenzten Aktivitäten bis zu abstrakten Begriffen wie zum<br />

Beispiel Glück.<br />

Ein Gastbeitrag von Roxane Goetschel*<br />

SVB-<strong>BULLETIN</strong> 1/20<strong>03</strong><br />

Entspannung spielt auf verschiedenen Gebieten wie der psychologischen<br />

Beratung, Psychotherapie, Persönlichkeitsentfaltung und Lebensgestaltung<br />

eine Rolle. Doch obwohl Nützlichkeit und Notwendigkeit auf der Hand liegen,<br />

wird Entspannung von vielen Menschen als rein passiver Vorgang betrachtet,<br />

den sich zu gönnen einem bequemen Konsumverhalten gleichkommt.<br />

Entspannung hat in ihren Augen eine negative Komponente. Relaxen und auf<br />

der faulen Haut liegen als existenziellen Wert zu betrachten, erscheint mehr<br />

als merkwürdig. Warum? Die leistungs- und produktivitätsorientierte protestantische<br />

Arbeits- und Lebensethik der westlichen Industrienationen wird von<br />

den meisten immer noch als die lohnenswerteste Form menschlichen Tuns<br />

überhaupt betrachtet – trotz bemerkenswertem Wertewandel in den letzten<br />

Jahren. Umgekehrt gilt ein Zeitvertreib des Nichtstuns als sehr viel weniger<br />

sinnvoll und hat allzu häufig sogar einen sündigen Beigeschmack. Müssiggang<br />

gilt bekanntlich als aller Laster Anfang.<br />

Zu viel Stress macht krank<br />

Während das Thema Entspannung unter dem Erholungsaspekt wissenschaftlich<br />

bis heute wenig beachtet worden ist, ist das Phänomen Stress<br />

umfänglich untersucht. Die intensive und breite Beschäftigung mit dem Thema<br />

ist aber mit heftigem Streit über seine Bedeutung verbunden, wobei insbesondere<br />

die Frage der Definition von Stress als Reiz, Reaktion oder Transaktion<br />

sowie das Problem des negativen oder neutralen Stressbegriffes im<br />

Vordergrund stehen.<br />

Wichtig ist, im Alltag sowohl Anspannungs- als auch Entspannungsphasen<br />

angemessenen Raum zu geben. Zu lange Entspannungs- oder Passivitätsphasen<br />

sind für den Organismus ebenso unnatürlich und schädlich wie chronische<br />

Belastungen, die die Kräfte des Körpers übersteigen. Negativer Stress<br />

(Distress) macht krank und wird mit einer ganzen Reihe von gesundheitlichen<br />

Störungen in Zusammenhang gebracht. Betroffen sind vor allem junge<br />

berufstätige Erwachsene, allein erziehende Eltern und Familien mit zwei oder<br />

mehr Kindern.<br />

Auswirkungen von Stress können zum Beispiel psychosomatische Erkrankungen<br />

wie chronische Schmerzzustände oder Asthma bronchiale, Erkrankungen<br />

des Immunsystems sowie rheumatische Leiden sein, aber auch Krebs und psychische<br />

Probleme wie Depressionen oder Angst. Insgesamt, so nimmt man<br />

heute an, trägt Stress zur Entstehung von mehr als der Hälfte aller Krankheiten<br />

bei – allen voran Erkrankungen im Herz-Kreislauf-System.<br />

Hohe psychosoziale Belastungen können schon innerhalb kurzer Zeit zu den<br />

verschiedensten Symptomen führen. 18% der Männer und 31% der Frauen in<br />

der Schweiz klagen gemäss der Schweizerischen Gesundheitsbefragung durch<br />

das Bundesamt für Statistik über entsprechende starke Beschwerden. Neben<br />

Bauch-, Brust- und Herzbeschwerden, Verdauungsproblemen, Müdigkeit und<br />

* Roxane Goetschel, 37, ist dipl. Physiotherapeutin, Psychologin und Mutter einer Tochter. Seit<br />

Januar 2001 betreut sie als Projektleiterin den Bereich Entspannung bei der Stiftung Gesundheitsförderung<br />

Schweiz (www.gesundheitsfoerderung.ch).


SVB-<strong>BULLETIN</strong> 1/20<strong>03</strong><br />

Aktueller Grundlagenbericht zum Thema:<br />

«Entspannung – Grundlagen zum Thema Entspannung unter einer<br />

gesundheitsförderlichen Perspektive»<br />

Was heisst eigentlich Entspannung? Ist Entspannung einfach das Gegenteil<br />

von Stress? Ist man faul, wenn man sich entspannt? Welchen Platz hat<br />

Entspannung in unserer Gesellschaft? Ist Entspannung gesund, und wie<br />

kann man sich entspannen?<br />

Neben der Tatsache, dass Entspannung mehr ist als ein psychophysiologisches<br />

Reaktionsmuster, kann im Grundlagenbericht von Gesundheitsförderung<br />

Schweiz vieles mehr rund um das Thema Entspannung erfahren<br />

werden. Zum Beispiel, dass Entspannung in unserer leistungsorientierten<br />

Gesellschaft einen schweren Stand hat und im Alltag entsprechend<br />

wenig etabliert ist. Oder die Tatsache, dass der Erholungsforschung im<br />

Vergleich zur Beanspruchungs- oder Stressforschung bis anhin vergleichsweise<br />

wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde.<br />

Der aktuelle 50-seitige Grundlagenbericht von Roxane Goetschel kann<br />

kostenlos bei der Gesundheitsförderung Schweiz bezogen werden:<br />

Dufourstrasse 30, Postfach 311, 3000 Bern 6, Tel. <strong>03</strong>1 350 04 04,<br />

Fax <strong>03</strong>1 368 17 00, office.bern@promotionsante.ch<br />

Alternativ ist der Bericht auch als PDF-Datei (D oder F, 290 KB) erhältlich.<br />

Download: www.gesundheitsfoerderung.ch (> Services > Downloads)<br />

Schlafstörungen wurden am häufigsten Rücken- und Kopfschmerzen genannt;<br />

sie treten bereits bei jungen Erwachsenen, insbesondere bei 15- bis 34-jährigen<br />

Frauen, relativ häufig auf. Diese Beobachtung ist relevant, weil gerade<br />

Rückenschmerzen einen wesentlichen Kostenfaktor im Gesundheitswesen<br />

darstellen.<br />

Entspannung tut Not<br />

Das moderne Leben bringt für viele Menschen eine Potenzierung der Stressfaktoren<br />

und eine zu schwache Berücksichtigung von stressmindernden<br />

Massnahmen mit sich. Im Zusammenhang zu den daraus entstehenden Nöten<br />

werden Entspannungsmethoden als Lebenshilfen angeboten und teils als<br />

Ultima Ratio für alle möglichen Probleme und Lebenslagen propagiert, frei<br />

nach dem Motto: Wenn gar nichts mehr hilft, wird entspannt. Einerseits werden<br />

dabei Möglichkeiten und Grenzen der bewussten Entspannung zum Teil<br />

etwas gar frei interpretiert. Andererseits steht ausser Zweifel, dass die<br />

Fähigkeit zur regelmässigen und zuverlässigen Entspannung eine notwendige<br />

Ressource im Umgang mit Alltagsbelastungen darstellt.<br />

Wie äussert sich Entspannung?<br />

Spannung und Entspannung, davon gehen die meisten Definitionen aus, spielen<br />

sich in erster Linie auf der körperlichen sowie auf der psychischen und<br />

der mentalen Ebene ab. Im entspannten Zustand wird beispielsweise die<br />

Atmung ruhiger und regelmässiger. Dazu entkrampft sich die Muskulatur –<br />

speziell im Schulter- und Nackenbereich. Diese Vorgänge führen zu Wohlbefinden,<br />

Ruhe und Gelassenheit.<br />

Wichtig sind darüber hinaus aber die soziale und die spirituelle Komponente.<br />

Zahlreiche Studien zeigen, dass eine Person umso besser mit ungünstigen<br />

sozialen Bedingungen umgehen kann und weniger unter Überforderungssymptomen<br />

leidet, je stärker sie in ein intaktes Beziehungsgefüge eingebun-<br />

BIBLIOGRAFIE<br />

ENTSPANNUNGSTECHNIKEN<br />

Das moderne Leben bringt<br />

eine Potenzierung der Stressfaktoren<br />

mit sich.<br />

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18<br />

BIBLIOGRAFIE<br />

ENTSPANNUNGSTECHNIKEN<br />

Entspannung soll kein<br />

Selbstzweck sein, sondern<br />

ein Mittel zum Zweck.<br />

SVB-<strong>BULLETIN</strong> 1/20<strong>03</strong><br />

den ist. Unser Verhalten bezüglich Anspannung und Entspannung wird in der<br />

Tat stark von Verhältnissen geprägt: Politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche<br />

Faktoren haben einen grossen Einfluss darauf, was uns wie ausgeprägt<br />

beansprucht, und auch darauf, ob und auf welche Weise wir wieder<br />

zur Ruhe kommen können.<br />

Die spirituelle Ebene erfasst rein geistige Erfahrungen. Hier steht nicht der<br />

Mensch, sondern die Auseinandersetzung mit grösseren Zusammenhängen<br />

und übergeordneten Systemen wie Ideologien, Religionen oder der Natur und<br />

damit verbundenen Werthaltungen im Zentrum. Gerade Entspannungsmethoden<br />

aus dem fernöstlichen Kulturbereich wie Yoga oder Meditation zielen auf<br />

das Erleben von Bewusstheit, Zufriedenheit, Dankbarkeit, Ergebenheit, Friede,<br />

Liebe, Innehalten im Moment ab. Auf Elemente also, die in allen Religionen<br />

eine zentrale Bedeutung haben.<br />

Kultur der Entspannung<br />

Bei uns werden Entspannungsverfahren oft mit dem Ziel der Leistungssteigerung<br />

oder der Symptom-Verminderung angewendet, während bei fernöstlichen<br />

Techniken eine Erweiterung oder Veränderung des Bewusstseinszustandes<br />

angestrebt wird.<br />

«Wenn wir von Kultur der Entspannung sprechen», betont der Giessener<br />

Psychologieprofessor und Stressforscher Dieter Vaitl, «meinen wir damit jene<br />

besonderen Regeln, nach denen das Prinzip Entspannung verwirklicht wird,<br />

und zwar nicht für sich alleine, sondern im Kontext von Anspannung und<br />

Alltagsbelastung. Entspannung also verstanden als ein Mittel alltäglicher,<br />

gesundheitsförderlicher Lebensführung.»<br />

Es kann selbstverständlich auch ein Übungsziel sein, Entspannung primär zu<br />

betreiben, um die Muskeln zu entspannen. Doch was geschieht, wenn alle<br />

Muskeln entspannt und schlaff sind? Ist das längerfristig der erstrebte Zustand?<br />

Oder: Wenn es gelingt, ein Gefühl der Ruhe und Gelöstheit zu erleben<br />

und sich dies mit zunehmender Geübtheit immer rascher einstellt, ist zu fragen,<br />

zu welchem Zweck wir uns in diesen hedonistischen Zustand befördern<br />

und wie lange wir ihn auskosten. Vaitl schreibt, dass biologische Kunstfertigkeiten<br />

dieser Art ihren Sitz im Leben haben müssen. Entspannung soll also<br />

kein Selbstzweck sein, sondern ein Mittel zum Zweck.<br />

In einer ganzheitlichen Perspektive ist Entspannung mehr als ein ärztlich verordnetes<br />

Mittel zur Vermeidung von Krankheiten. Als wichtige innere Ressource<br />

kann sie zu einer Steigerung des Körperbewusstseins und damit zu<br />

einer erhöhten Sensibilität für körperliche und psychische Prozesse führen.<br />

Dies kann eine Änderung von Lebensgewohnheiten (bewusste Ernährung,<br />

verbesserte Erholungsfähigkeit, bewussterer Umgang mit Genussmitteln usw.)<br />

nach sich ziehen. Aus diesem Prozess resultiert eine Verbesserung der<br />

Gesundheit.<br />

Darüber hinaus kann Entspannung einen wichtigen Beitrag zur individuellen<br />

Sinnfindung leisten und Menschen damit die Möglichkeit bieten, sich gegenüber<br />

gesellschaftlich vorgegebenen Anforderungen sowohl während der Arbeit<br />

als auch während der Freizeit zu behaupten. Geeignet dafür sind nicht nur<br />

standardisierte Entspannungsmethoden, sondern alle Verhaltensweisen, die<br />

einen persönlichen Entspannungs- und Bewegungsausgleich schaffen. Heisst:<br />

In eine umfassende gesundheitsfördernde Betrachtung von Gesundheitsverhalten<br />

müssen auch unsystematische bzw. naive Entspannungsmassnahmen mit<br />

einbezogen werden.


SVB-<strong>BULLETIN</strong> 1/20<strong>03</strong><br />

Bessere Gesundheit durch Entspannung – zehn Grundsätze<br />

Die folgenden zehn Grundsätze enthalten eine Auswahl von wissenschaftlich<br />

fundierten Informationen und geben verschiedene Anregungen, wie<br />

ein entspannterer Lebensstil angestrebt werden kann.<br />

Zusammengestellt von Roxane Goetschel<br />

1. Entspannung und Anspannung sind zwei Ausprägungen eines Erregungs-<br />

Kontinuums. Beide sind überlebensnotwendig und gehören zu den natürlichen<br />

Verhaltensweisen des Menschen.<br />

2. Dauerbelastung resp. -spannung, aber auch Passivität beeinträchtigen den<br />

Spannungs-Entspannungs-Rhythmus und damit die Gesundheit und Leistungsfähigkeit<br />

des gesamten Organismus. Die Entstehung nahezu der Hälfte aller<br />

Krankheiten wird mit Stress in Zusammenhang gebracht.<br />

3. Stress und Überforderung in der Schweiz: Mehr als ein Viertel (27%) der<br />

Schweizer Bevölkerung fühlt sich oft oder sehr oft gestresst. Ein Drittel der<br />

befragten Bevölkerung gibt an, überfordert zu sein. Für die erwerbstätige<br />

Bevölkerung betragen die finanziellen Folgekosten von Stress ca. 4,2 Mrd.<br />

Franken pro Jahr (Quelle: seco-Studie «Die Kosten von Stress in der Schweiz»,<br />

2000).<br />

4. Anspannung und Stress gehören zum Leben. Damit Stress nicht gesundheitsgefährdend<br />

wirken kann, muss regelmässig für Ausgleich gesorgt werden.<br />

Voraussetzung für einen Ausgleich zwischen Anspannung und Entspannung<br />

ist die bewusste Wahrnehmung des eigenen Befindens. Die verschiedenen<br />

Erregungsausprägungen werden von Menschen sehr unterschiedlich<br />

wahrgenommen und können sich auf verschiedenen Ebenen manifestieren.<br />

5. Allgemein führt Entspannung zu einer Reduktion des Aktivierungszustandes<br />

sowohl des zentralen als auch des peripheren Nervensystems. Regelmässige<br />

Entspannung führt zu einer Steigerung des Wohlbefindens und damit der<br />

Lebensqualität. Im Umgang mit Stress stellt Entspannung nachweislich eine<br />

notwendige und wirksame Ressource dar.<br />

6. Es gibt verschiedene Massnahmen, durch welche Entspannung und<br />

Erholung herbeigeführt werden können. Allgemein können systematische von<br />

unsystematischen Formen unterschieden werden. Wichtig ist, dass man sich<br />

regelmässig, bewusst und aktiv entspannt. Je nach Art der vorangegangenen<br />

Beanspruchung sind unterschiedliche Erholungsmassnahmen zu empfehlen.<br />

7. So genannte unsystematische Entspannungsmethoden sind beispielsweise<br />

ein Bad nehmen, Spazieren gehen, Musik hören, Tanzen. Es sind Massnahmen,<br />

durch die man sich im Alltag erholt und die von Mensch zu Mensch<br />

sehr unterschiedlich sind.<br />

8. Es gibt aber auch ungeeignete Entspannungsmassnahmen wie Rauchen<br />

oder Alkohol. Sie haben potenzielle Nebenwirkungen und sind daher als<br />

Entspannungsmöglichkeiten nicht zu empfehlen.<br />

9. Systematische Verfahren sind wissenschaftlich erforscht und empirisch<br />

abgesichert. Sie beruhen auf dem systematischen Einüben einer psychomo-<br />

BIBLIOGRAFIE<br />

ENTSPANNUNGSTECHNIKEN<br />

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20<br />

BIBLIOGRAFIE<br />

ENTSPANNUNGSTECHNIKEN<br />

Jede/r dritte Schweizer/in fühlt<br />

sich überfordert, jede/r vierte<br />

«oft» oder «sehr oft» gestresst.<br />

SVB-<strong>BULLETIN</strong> 1/20<strong>03</strong><br />

torischen Routine. Die klassischen Vertreter sind das Autogene Training, die<br />

Progressive Muskelrelaxation, die Meditation, Hypnose und Biofeedback. In<br />

ihrer Anwendung sind sie aufwändiger und bedürfen insbesondere in der<br />

Lernphase einer fachlichen Begleitung.<br />

10. Im Hinblick auf gesundheitsförderliche Interventionen sollte Entspannung<br />

nicht monothematisch, sondern in Kombination mit weiteren verwandten<br />

Schwerpunkten wie beispielsweise Bewegung oder Ernährung behandelt werden.<br />

Bei der Planung von Interventionen darf gerade beim Thema Entspannung<br />

und Stress der Verhältnisaspekt nicht vergessen werden. Es müssen<br />

Entspannungsmöglichkeiten aufgezeigt werden, die einfach in den Alltag integrierbar<br />

sind, die der Individualität der Entspannungsbedürfnisse gerecht werden<br />

und die in ihrer Ausführung einfach sind.<br />

Fakten: Überforderung und Stress in der Schweiz<br />

Die folgende Zusammenstellung von Fakten zum Thema Überforderung<br />

und Stress in der Schweizer Bevölkerung wurde der Redaktion freundlicherweise<br />

von der Gesundheitsförderung Schweiz zur Verfügung gestellt.<br />

Die Daten stammen aus diversen neueren Untersuchungen des BFS, des<br />

seco und der Gesundheitsförderung Schweiz. Stand: 25. März 2002.<br />

Überforderung<br />

Ein Drittel der befragten Bevölkerung gibt an, überfordert zu sein (Überforderung:<br />

eine als gross wahrgenommene Diskrepanz zwischen den Ressourcen<br />

einer Person und den subjektiv wahrgenommenen Umweltanforderungen).<br />

Das heisst, in der Schweiz sind ungefähr 1'500'000 Personen zwischen 15 und<br />

74 Jahren überfordert, die Hälfte davon in einem «ziemlich stark»bis «stark»<br />

ausgeprägten Mass und mehr als die Hälfte für mindestens drei Tage pro<br />

Woche.<br />

Besonders stark von der Überforderung betroffen sind die Altersgruppe zwischen<br />

15 und 39 Jahren, Frauen, Personen, die nur die obligatorische Schulbildung<br />

haben, Personen aus Familien mit zwei oder drei Kindern, West- und<br />

Südschweizerinnen, Personen mit bezahlter Arbeit, Hausfrauen und Auszubildende.<br />

Überforderte sind in einem schlechteren Gesundheitszustand: eher negative<br />

Stimmung, fühlen sich schwächer, müder, mit weniger Energie, haben häufiger<br />

Schlafstörungen, Rückenschmerzen, Durchfall, Verstopfung und Kopfschmerzen.<br />

Stress<br />

Mehr als ein Viertel der Befragten fühlt sich «oft» oder «sehr oft» gestresst<br />

(27%). Fast die Hälfte dieser Gruppe können ihren Stress nicht bewältigen,<br />

empfinden ihre Gesundheit als schlecht und sehen sich deshalb gezwungen,<br />

Medikamente einzunehmen, medizinische Hilfe zu beanspruchen und ihre<br />

beruflichen und privaten Tätigkeiten einzuschränken.<br />

Ein Vergleich mit anderen Studien zeigt, dass sowohl die Personen, die sich<br />

über Stresssymptome beklagen, als auch diejenigen, die sich bei schlechter<br />

Gesundheit fühlen, zunehmen. In Übereinstimmung mit EU-Studien kann<br />

gezeigt werden, dass sich die klassischen arbeitsbedingten gesundheitlichen<br />

Beschwerden gewandelt und allgemein zugenommen haben (Verdichtung der<br />

Arbeit, hohes Tempo, immer wieder Neues lernen müssen, Umstrukturierungen<br />

etc.). Beispielsweise leiden heutzutage viel mehr Erwerbstätige an mus-


SVB-<strong>BULLETIN</strong> 1/20<strong>03</strong><br />

kulo-skelettalen Beschwerden, Nervosität und Reizbarkeit als vor 15 Jahren.<br />

Diejenigen, die sich bewusst sind, dass sie stark unter Stress leiden und diesen<br />

Stress nicht bewältigen können (12% der Befragten), verursachen pro<br />

Kopf und pro Jahr die höchsten Kosten (4300 Franken pro Kopf), 23% der<br />

Gesamtkosten. Nichtgestresste dagegen (18% der Befragten) kosten pro Kopf<br />

640 Franken oder 5% der Gesamtkosten. 70% der Befragten, die zwar angeben,<br />

gestresst zu sein, aber gut mit ihrem Stress umgehen zu können, kosten<br />

pro Kopf 2340 Franken, was 72% der Gesamtkosten ausmacht.<br />

Für erhöhten Stress besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen sind:<br />

• Erwerbstätige<br />

• Auszubildende<br />

• Ausländer/innen, Migranten/Migrantinnen<br />

• Jüngere Menschen<br />

• Frauen<br />

• Familien mit zwei und mehr Kindern<br />

• Doppel- und Mehrfachbelastete (Erwerbsarbeit, Haushalt, Kinderbetreuung)<br />

Stress am Arbeitsplatz<br />

Jede/r dritte Schweizer/in hält Stress für einen nicht beeinflussbaren Faktor.<br />

Am meisten durch Stress belastet ist die Altersgruppe zwischen 22 und 44<br />

Jahren.<br />

In der Schweiz werden die Kosten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, ausgelöst<br />

durch Stress am Arbeitsplatz, auf 620 Mio. Franken geschätzt. Die<br />

Kosten von psychischen Störungen, die durch Stress am Arbeitsplatz ausgelöst<br />

werden, können auf 310 Mio. Franken geschätzt werden.<br />

Für die erwerbstätige Bevölkerung betragen die finanziellen Kosten von Stress<br />

rund 4,2 Mrd. Franken (medizinische Kosten: 1,4 Mrd., Selbstmedikation gegen<br />

Stress 348 Mio., Arbeitsausfälle und Produktionsausfälle: 2,4 Mrd.).<br />

Wohlbefinden<br />

Mehr als jede dritte Person in der Schweiz im Alter zwischen 15 und 24 Jahren<br />

ist oft angespannt, gereizt, nervös und verspürt in einem hohen Mass einen<br />

Mangel an Wohlbefinden. 13,3% der Schweizer Bevölkerung (16,8% Frauen<br />

und 9,7% Männer) nehmen mehrmals wöchentlich wenigstens eines der folgenden<br />

Medikamente ein: Schmerz-, Schlaf- und Beruhigungsmittel.<br />

Beispiel Zürich<br />

Im Grossraum Zürich fühlen sich rund 60% der Bevölkerung am Abend oft<br />

müde und abgespannt. 37% stehen unter Stress und 26% fühlen sich häufig<br />

angespannt, gereizt und nervös. Besonders stark unter Druck stehen Erwerbstätige<br />

und Personen in Ausbildung.<br />

Es besteht ein ausgeprägter Wunsch nach mehr Entspannung. 55% aller befragten<br />

Schüler/innen wünschen sich mehr Entspannung, 44% aller befragten<br />

Erwerbstätigen wünschen sich am Arbeitsplatz mehr Entspannung. Aber auch<br />

in der Freizeit sowie zu Hause wünscht sich ein Drittel der Bevölkerung mehr<br />

Entspannung. Ein Viertel der befragten Bevölkerung äussert den expliziten<br />

Wunsch nach mehr Entspannung.<br />

BIBLIOGRAFIE<br />

ENTSPANNUNGSTECHNIKEN<br />

Die finanziellen Kosten von<br />

Stress betragen in der Schweiz<br />

rund 4,2 Milliarden pro Jahr.<br />

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ANGEBOTE<br />

WEITERE<br />

SVB-WB zum Thema:<br />

<strong>03</strong>40: «Kommunikation<br />

zwischen den Kulturen»<br />

SVB-<strong>BULLETIN</strong> 1/20<strong>03</strong><br />

EKFF: Familien und Migration<br />

Beiträge zur Lage der Migrationsfamilien und Empfehlungen der Eidg. Koordinationskommission<br />

für Familienfragen. Bezug: BBL, Vertrieb Publikationen, 30<strong>03</strong> Bern,<br />

Tel. <strong>03</strong>1 325 50 50, Fax <strong>03</strong>1 325 50 58, www.bundespublikationen.ch<br />

Bestellnummer 301.604 (D, F oder I), Fr. 17.50<br />

(PD) Die Lebenslage ausländischer Familien und das Zusammenleben in<br />

Familien unterschiedlicher Herkunft waren bisher in der Familienpolitik nur<br />

selten ein Thema. Die Eidg. Koordinationskommission für Familienfragen<br />

EKFF hat sich in den letzten zwei Jahren intensiv mit diesen Fragen auseinander<br />

gesetzt. Mit ihrer neuen Publikation «Familien und Migration – Beiträge<br />

zur Lage der Migrationsfamilien und Empfehlungen der Eidg. Koordinationskommission<br />

für Familienfragen» präsentiert die EKFF eine Analyse zu den<br />

Lebenslagen der Migrationsfamilien aus soziodemografischer, juristischer und<br />

psychosozialer Sicht und macht deutlich, dass die Zusammenhänge von<br />

Familie und Migration von grosser (familien-)politischer Relevanz sind.<br />

Autoren: Philippe Wanner und Rosita Fibbi, Marc Spescha, Andrea Lanfranchi,<br />

Ruth Calderón-Grossenbacher und Jürg Krummenacher.<br />

New Work<br />

Willy A. Rüegg: New Work – eine Orientierungshilfe für die neue Arbeitswelt<br />

Herausgeber/Bezug: Kaufmännischer Verband Zürich, Pelikanstr. 18, Postfach 6889,<br />

8023 Zürich, Tel. 01 211 33 22, Fax 01 221 09 13, info@kvz.ch, www.kvz.ch,<br />

ISBN 3-906607-29-1, Fr. 30.–<br />

(GB) «Die Gesellschaft muss sich mit New Work auseinander setzen, sieht sie<br />

sich doch mit einem tief greifenden Wandel der Arbeitsgesellschaft konfrontiert.<br />

Dabei geht es heute noch um die Flexibilisierung von Zeiten, Orten und<br />

Personen. Ich denke aber, dass wir angesichts der jüngsten Beschäftigungskrise<br />

nicht mehr um eine Neudefinition des Arbeitsbegriffs an sich herumkommen<br />

werden.»<br />

Mit dem 72-seitigen A5-Büchlein «New Work» liefert Willy A. Rüegg, Autor dieses<br />

denkwürdigen Appells, auch gleich einen ausführlichen Diskussionsbeitrag.<br />

Rüegg ist Partner der Agentur Rüegg Gerber PR in Wädenswil und<br />

leitet daneben die Bereiche Banken und Neue Arbeitsformen beim KV Zürich.<br />

In «New Work» beschreibt er die wichtigsten Trends in der Arbeitswelt und<br />

skizziert ihre gesellschaftlichen Auswirkungen. Dazu stellt er fünf Thesen auf:<br />

1. Es gibt keine Sicherheit in der Arbeitswelt.<br />

2. Allein die Orientierung am freien Arbeits- und Auftragsmarkt und die tägliche<br />

Bewährung im Konkurrenzkampf hält die Menschen wach und sichert<br />

ihre Kreativität und Schaffenskraft nachhaltig.<br />

3. Der Aufbau eines individuellen Portfolios von marktfähigen Talenten und<br />

Fähigkeiten, von Know-how und Erfahrungen, Netzwerken und Verbindungen<br />

ist heute das Wichtigste.<br />

4. Eine feste Anstellung in einer Firma anzunehmen mag verlockend sein,<br />

doch ist sie nur unter Preisgabe einzelner Elemente des individuellen<br />

Portfolios zu haben. Die Beschränkung auf ein stets nivellierend wirkendes<br />

Umfeld und die Entwicklung zwischen den Leitplanken einer bestimmenden<br />

Geschäftsstrategie ist zwingend.<br />

5. Die Arbeit bleibt auch künftig das wichtigste Sinn stiftende Element der<br />

menschlichen Existenz. Allerdings wird die Arbeitsgesellschaft durch die<br />

Beschäftigungsgesellschaft abgelöst, welche der Nichterwerbstätigkeit<br />

grösseren Raum zuweist.


SVB-<strong>BULLETIN</strong> 1/20<strong>03</strong><br />

Das Buch versucht sich stellenweise auch als Ratgeber, so etwa auf den Seiten<br />

53 bis 55, wo nachzulesen ist, wie wir uns – egal, ob angestellt oder selbstständig<br />

– optimal für die neue Arbeitswelt rüsten sollen; Titel des Kapitels:<br />

«Sieben Schritte zum Erfolg im Zeitalter des New Work».<br />

Der Preis von 30 Franken scheint angesichts des eher plakativen und über<br />

weite Strecken geläufigen Inhalts und der schlichten Produktion allerdings<br />

etwas überrissen.<br />

BBT: Zeitung zur Informatik-Reform<br />

www.i-ch.ch<br />

(PD/GB) Das Pilotprojekt I-CH gehört zu den innovativsten Reformen in der<br />

Berufsbildung. Die Lerninhalte der Grund- und Weiterbildung in der Informatik<br />

werden damit erstmals durchgehend modularisiert. Die Ausbildung orientiert<br />

sich als weiteres Novum an den beruflich geforderten Kompetenzen und wird<br />

dadurch für Betriebe und Lernende attraktiver.<br />

Die im letzten November vom BBT lancierte Zeitung «Reform der Informatik-<br />

Berufsbildung» soll nun Interessierten das Reformprojekt aus der Praxis heraus<br />

fassbar und verständlich machen.<br />

Die erste Ausgabe enthält erste Zwischenergebnisse und Erfahrungsberichte:<br />

Ein Ausbildner, eine Informatik-Lehrfrau und ein Berufsschullehrer erzählen<br />

von ihrer Arbeit.<br />

Unter der Gesamtverantwortung des BBT setzt die gemeinsame Projektleitung<br />

von I-CH (Genossenschaft Informatik Berufsbildung Schweiz) und BBT die<br />

Informatik-Reform um. Das neue Ausbildungskonzept I-CH wird in der Grundbildung<br />

seit August 2001 in den Kantonen Bern, Genf, Luzern, Ob- und Nidwalden,<br />

Neuenburg, Tessin und Zürich getestet. Basierend auf diesen Erfahrungen<br />

soll die Informatikausbildung ab 2005 in der ganzen Schweiz vereinheitlicht<br />

werden. In der Informatik-Weiterbildung fungiert die Romandie als<br />

Pionierin.<br />

Die Zeitung zur Informatik-Reform erscheint zwei- bis dreimal pro Jahr. Sie<br />

kann kostenlos unter www.i-ch.ch oder per E-Mail an zeitung@i-ch.ch bestellt<br />

werden. Die nächste Ausgabe erscheint im April 20<strong>03</strong>.<br />

Für die Projektleitung von I-CH sind zuständig: Martin Stalder, Projektleiter<br />

IT-Grundbildung (BBT), martin.stalder@bbt.admin.ch, und Ugo Merkli, Projektleiter<br />

Grundbildung (Genossenschaft I-CH), ugo.merkli@i-ch.ch<br />

ABSK: Kursbuch Bildung – Besinnung<br />

Arbeitsstelle für Bildung der Schweizer Katholiken, Tel. 041 210 50 55,<br />

Fax 041 210 50 56, info@absk.ch, www.absk.ch<br />

(PD/GB) Im neu erschienenen «Kursbuch Bildung – Besinnung» 1/20<strong>03</strong> werden<br />

450 Weiterbildungsmöglichkeiten für die Monate Januar bis April angeboten.<br />

Es sind allen Interessierten offen stehende Angebote katholischer<br />

Bildungshäuser und weiterer Institutionen der Deutschschweiz und Liechtensteins.<br />

Die Kurse sind in 40 Rubriken aufgeteilt.<br />

Damit die Weiterbildung auch längerfristig geplant werden kann, ist der zweite<br />

Teil der Ausgabe 1/20<strong>03</strong> mit einer Vorschau auf weitere 270 Kurse der<br />

Monate Mai bis Dezember 20<strong>03</strong> versehen.<br />

Die Angebote werden dreimal jährlich von der ABSK veröffentlicht.<br />

ANGEBOTE<br />

WEITERE<br />

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