Eine Gruppe jüdischer Pfadfindderinnen aus demHaus in Moissacso … so fröhlich«, sagte sie schließlich. »Wie kanndas denn sein?«»Als wir hier ankamen, haben wir erst auch nichtgelacht«, antwortete Sarah. »Ich habe mich in derersten Woche jeden Abend in den Schlaf geweint.Aber denk doch bloß, wie es da draußen ist! Das hierist der beste Platz, den du dir wünschen kannst.«Edith nickte. Da draußen gab es Verhaftungen,Verbote, Gefängnisse und Menschen, die sie hassten.Aber konnte hier tatsächlich alles anders sein? WarMoissac wirklich vom Krieg unberührt geblieben?»Hat dir Shatta erzählt, dass die Leute in Moissacüber uns Bescheid wissen?«, fragte Sarah. »Alle – dieKinder, die Erwachsenen und die Leute bei den Behörden.Sie alle wissen, dass wir Juden sind. Ist dasnicht unglaublich? Wenn die Nazis das herausfän-den, dann wäre die ganze Stadt in Gefahr, nicht nurwir. Deswegen kann uns auch niemand verraten!Die Leute aus Moissac sind wundervoll. Alle hütenunser Geheimnis.« Dabei strahlte Sarah übers ganzeGesicht vor lauter Freude über diese wunderbareVerschwörung. Edith brachte nur ein fassungslosesKopfschütteln zustande.Nachdem die Mädchen sich zum Schlafengehenfertig gemacht hatten, erschien Germaine, ihre Betreuerin.»Ich bin gekommen, um das Licht auszumachenund um unser neues Familienmitglied zu begrüßen.Willkommen bei uns, Edith«, sagte sie herzlich. »Bestimmthast du das Wichtigste schon von Sarah erfahren.«Sarah grinste. »Ich bin die Betreuerin fürdiesen Schlafsaal. Ich kümmere mich darum, dass dudich hier wohlfühlst und alles hast, was du brauchst.«Doch das Einzige, was Edith brauchte, war ihreFamilie, und die konnte ihr auch die junge Frau, diekaum älter als Therese sein mochte, nicht geben.Edith brachte nur ein Nicken zustande. Sie war zuerschöpft, um etwas zu sagen. Sie kroch unter ihreBettdecke, umschlang ihr Kopfkissen und klammertesich an die eine winzige Hoffnung: Allen hier geht esgenauso wie mir. Vielleicht können sie ja auch für micheine Familie werden? Es war noch zu früh, um das mitGewissheit sagen zu können. Doch irgendwie fühltesich Edith selbst in der Dunkelheit dieses noch so5455
fremden Ortes sicher. Sie hoffte und betete, dass diesso bleiben würde, und dass die ständigen Umzügenun ein Ende hätten. Sie dachte an ihre Eltern undhoffte, dass auch sie in Sicherheit waren. Das war ihrletzter Gedanke, bevor ihr in dieser Nacht die Augenzufielen.KAPITEL 7Das Haus in MoissacDie ersten Sonnenstrahlen fielen durch die hohenFenster herein, und als das morgendliche Signal zumAufstehen ertönte, öffnete Edith die Augen, strecktesich und setzte sich auf. So gut hatte sie schon seiteiner Ewigkeit nicht mehr geschlafen! Ihre Gedankenwanderten zu Mutti, doch Edith fing sie raschwieder ein: Sie musste sich jetzt auf die Gegenwartkonzentrieren.Sarah machte bereits ihr Bett, steckte sorgfältigdie Decke über dem Laken fest und schüttelte dasKopfkissen auf. »Guten Morgen«, sagte sie. »Machdein Bett, und dann zeig ich dir, wo der Waschraumist.«Eine Reihe von Waschbecken säumte die eineWand des Waschraums. Über jedem hing ein Handtuch,und darüber befand sich eine kleine Ablage ander Wand. Edith legte ihre Zahnbürste und ihrenKamm auf ein leeres Bord. Sie spritzte sich warmesWasser ins Gesicht und wusch sich mit Seife und5657