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Leseprobe 101 Nacht zum Download (pdf, 1 MB)

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Die Geschichte vom EbenholzpferdDie Leute behaupten, o König – fuhrSchahrasad fort zu erzählen –, dasses in alter Zeit einmal einen König gab. Erführte ein vorbildliches Leben in seinemKönigreich, übte Gerechtigkeit gegen seineUntertanen, und so fürchteten und achtetenihn die Araber, und alle Länder waren ihmergeben. Auch liebte der König Bildung undLiteratur, war in der Kunst der Rhetorikbewandert und den Gelehrten zugetan. Ersuchte die Gesellschaft von Wissenschaftlernund Weisen, und unter diesen sprach sichseine Kunde herum, sodass die Gelehrtenund Wissenschaftler in solch großer Zahlbei ihm zusammenkamen, wie es bei keinemanderen König der Fall war.Der König hielt jedes Jahr zwei Feiertageab, an denen er dem ganzen Volk Audienzgewährte. An diesen Tagen öffnete er diePforten seines Palasts, und die Anliegen derMenschen wurden ihm vorgebracht. Edelleutewie auch einfaches Volk hatten dann Zutrittzu ihm.An einem solchen Feiertag hielt derKönig gerade seine Audienz, als drei Weisevor ihn hintraten. Der eine war Byzantiner,der zweite Inder und der dritte Perser. Jederder drei hatte ein Geschenk mitgebracht, daser selbst gefertigt hatte. Nun hatte der Königdie Angewohnheit, wenn er ein Geschenkempfing, das ihm gefiel, den Geber sich etwaswünschen zu lassen und ihm seinen Wunschzu erfüllen, was auch immer er sich ausbat.Was also schenkten ihm die drei Weisen? DerInder schenkte ihm eine Figur aus Bronzein Menschengestalt mit einem großen Hornin der Hand, in das die Figur blies. DenAutomaten hatte er eigenhändig konstruiertund zusammengebaut.Als der König ihn sah, fand er Gefallendaran. «Ehrenwerter weiser Mann», sprach erden Inder an, «was tut dieser Talisman?»«Wenn du ihn am Stadttor aufstellst, oKönig», antwortete er, «so wird kein Feind undkein Spion in die Stadt eindringen können,ohne dass dieser Bläser mit seinem Horn einSignal gibt und ihn anzeigt.»Als der König das hörte, freute er sichsehr. Er ließ den Talisman in sein Schatzhausschaffen, staffierte den Weisen, der ihn ihmgeschenkt hatte, mit einem Ehrengewand ausund erwies ihm allerhand Freundlichkeiten.Dann ließ er ihn hereinkommen – also denzweiten Weisen. Es war der Byzantiner. Dertrat ein und stellte eine Schale aus rötlichemGold vor den König hin, in deren Mitte sich einschön gestalteter Pfau mit zwölf Küken befand.Der König betrachtete das Geschenk,und es gefiel ihm. «Was hat es mit diesem Pfaufür eine Bewandtnis?», fragte er den Weisen,und jener erwiderte: «Wenn du ihn vor dichhinstellst, sei es bei Tag oder bei <strong>Nacht</strong>, sokannst du jede Stunde, die vorübergeht, anseinen Küken ablesen. So wirst du immerwissen, wie viele Stunden vom Tag bereitsvergangen sind. Ist der Tag zu Ende und die<strong>Nacht</strong> herbeigekommen, so schreit der Pfau,doch sein Ruf klingt angenehm. Desgleichen<strong>zum</strong> Ende der <strong>Nacht</strong>.»«Wenn es wahr ist, was du da sagst»,entgegnete der König, «so werde ich dir alledeine Wünsche erfüllen.» Und er befahl, dasGeschenk in sein Schatzhaus zu tragen undgut zu verwahren.Als der Weise seine Ausführungenbeendet hatte, befahl der König, den drittenvorzulassen. Es war der Perser. Er war einalter Mann und bot einen abstoßendenAnblick. Der weise Perser trat vor den König,grüßte höflich und stellte ein Pferd ausEbenholz mit einem Sattel ganz aus Goldund Edelsteinen vor ihn hin. Kein Menschhatte jemals so etwas gesehen. Alle, die imThronsaal anwesend waren, gerieten inVerzückung.«Welches Wunder kann nun dieses Pferdvollbringen?», wollte der König wissen.«Gott schenke dem König ein langesLeben und dauerhaftes Glück», erwiderte deralte Perser. «Mit diesem Pferd hat es etwasganz Besonderes auf sich. Wer auf ihm reitet,den trägt es an einem einzigen Tag so weit, wiees ein schnelles Pferd in einem ganzen Jahrvermag.»Der König war entzückt über seineWorte. «Wenn es wirklich wahr ist, was duda schilderst, dann gebe ich dir von meinemKönigreich, was immer du dir wünschst.» Under befahl, es in sein Schatzhaus zu bringen.DIE DREI WEISEN ZOGEN SICH ZURÜCK,nachdem der König ihnen alles Gute undWohltaten in Hülle und Fülle versprochenhatte.AM TAG der Prüfung nahm der KönigPlatz auf seinem Thron, setzte sich die Kroneaufs Haupt, und, nachdem sich die Wesire undsein Hofstaat eingefunden hatten, ließ er denTalisman aus Bronze mit dem Signalhorn vorsich hinstellen. Er prüfte ihn und fand, dassalles wie versprochen funktionierte.«Du darfst dir von mir wünschen, was duwillst», SAGTE DER KÖNIG.Nun hatte der König drei Töchter undeinen Sohn. «Majestät», sagte der erste Weise,«ich wünsche mir, dass du mir deine Tochterzur Frau gibst und ich dein Schwiegersohnwerden darf.»Es waren aber alle seine Töchter hintereinem Vorhang verborgen, der an einer Seitedes Gemachs herabgelassen war, so dass siedahinter hervorgucken konnten. Die ältesteKönigstochter freute sich darüber, denn siesah, wie elegant und anmutig er war und nochdazu höflich und gebildet.ALS NÄCHSTES ließ der König sich dieSchale mit dem Pfauen bringen. Er probierte sieaus und fand, dass alles bestens funktionierte.«Gott möge des Königs Macht befestigenund mehren», sagte der zweite Weise. «Ichwünsche mir, dass du mir dasselbe Gutgewährst wie meinem Weggefährten. Auch ichmöchte dein Schwiegersohn werden.»Der König war‘s zufrieden und sagte esihm zu, und die mittlere Tochter freute sich,da sie seine Schönheit und Anmut schonbemerkt hatte.DANN rief der König nach dem Pferd,und es wurde ihm gebracht. Der Weise, demdas Pferd zuvor gehört hatte, erhob sich undküsste den Erdboden.«Ich möchte mir dieses Pferd einmalgenau anschauen», sagte der König zu ihm.«Ich will sehen, ob es wirklich seinen Reiterfortträgt, so wie du es behauptet hast.»«Sehr wohl», sagte der Weise, lief behändeauf das Pferd zu und sprang mit einem Satzauf dessen Rücken. Er streckte seine Handaus und drehte an einer geheimen Schraubefür den Start. Das Pferd besaß zwei solcherSchrauben, die er kunstfertig eingebaut undan verborgenen Stellen angebracht hatte. Dieeine Schraube war für den Abflug, die anderefür die Landung. Solange er die erste Schraubedrehte, bewegte sich das Pferd und erhob sichin die Lüfte. Drehte er die zweite Schraubeherum, so setzte es zur Landung an. Alles dastat nun der Weise.ALS der König das sah, war er begeistert.«So wünsch dir etwas», forderte er den Weisenauf.– 2 – – 3 –

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