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Leseprobe 101 Nacht zum Download (pdf, 1 MB)

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© Kristina JentzschInterview mit Claudia Ott– 6 –Wie findet eine zufällig des Wegskommende Über setzerin eineunbekannte jahrhundertealteHand schrift? Und wie findeteine unscheinbare Hand schriftihrerseits eine begeisterungsfähigeÜbersetzerin? Die ArabistinDr. Claudia Ott im Manesse-Interview über eine geheim nisvolleVitrine und das ungläubigeStaunen, als ihr aufging, welchesKleinod sie entdeckt hatte.MANESSE: Ihr sensationeller Handschriftenfund von Hundertundeine <strong>Nacht</strong> hat fürAufsehen in Fachwelt und Medien gesorgt; die Presse sprach von einem «neuen Kapitel inder arabischen Literaturgeschichte». Was ist das Besondere an Ihrer Entdeckung?OTT: Mit der Handschrift des Aga Khan Museums tauchen wir erstmals tiefein in die Geschichte von Hundertundeine <strong>Nacht</strong> – der kleinen Schwester vonTausendundeine <strong>Nacht</strong>. Die Handschrift stammt aus dem frühen 13. Jahrhundert,also aus der Zeit unseres Mittelalters, und ist somit über 500 Jahre älter als diebislang ältesten erhaltenen Handschriften des Werks. Sie stammt aus al-Andalus,dem arabischen Spanien, und führt uns mitten hinein in die Hochblüte desmultikulturellen Europa. Gleichzeitig spielen die Geschichten in Indien, China,Persien und den arabischen Ländern. Hundertundeine <strong>Nacht</strong> umspannt alsoden halben Globus und praktisch die gesamte damals bekannte Welt. Es stimmttatsächlich: Mit diesem Werk wird ein neues großes Kapitel der Literaturgeschichteaufgeschlagen.MANESSE: Was unterscheidet die kleine von der großen Schwester?OTT: Während Tausendundeine <strong>Nacht</strong> im Orient verbreitet war, finden wirHundertundeine <strong>Nacht</strong> ausschließlich im arabischen Westen, also in Nordafrikaund Spanien. Aber auch inhaltlich gibt es große Unterschiede. Die Geschichten ausHundertundeine <strong>Nacht</strong> sind kürzer und kompakter als die aus Tausendundeine <strong>Nacht</strong>.15 von 17 Geschichten sind bislang völlig unbekannte Erzählschätze; jede Geschichtefür sich ist von ausgeprägt eigenem Charakter: Heldensagas von Rittern und Recken,Lind würmern und Jungfrauen, Anekdoten um untreue Ehefrauen, Abenteuer mitFlugmaschinen und den ersten Bewegungsmeldern der Weltliteratur! Und was dasSchönste ist: Jede Geschichte hat ein Happy End!MANESSE: Wie kamen Sie eigentlich zur Entdeckung der Handschrift?OTT: Ich hatte das Glück, im März 2010 bei der Eröffnung der Ausstellung «Schätzedes Aga Khan Museum» im Berliner Gropiusbau als Musikerin mitwirken zu dürfen.Dort fiel mir eine Handschrift auf, die abseits der anderen Handschriftenschätze ineiner Vitrine mit Kunstobjekten aus Andalusien lag. Ich las die Überschrift, in roterTinte geschrieben: Kitâb fîhi hadîth mi‘at layla wa-layla – Das Buch mit der Geschichtevon Hundertundeiner <strong>Nacht</strong> – und war sofort elektrisiert. Diese Handschrift, diekein Orientalist zuvor gekannt hatte, war eine absolute Sensation! Zum Glückkannte ich den Kurator der Exponate und konnte mit ihm vereinbaren, dass ichbeim Abbau der Ausstellung einen Blick auf den Kolophon, d.h. die Schlussschriftmit der Schreibersignatur, und andere Details der Handschrift werfen durfte. DieSammelhandschrift, in der sie steckt, ist nämlich datiert auf das islamische Jahr 632,das entspricht dem Jahr 1234 oder 1235 unserer Zeitrechnung.MANESSE: Was haben Sie nach der Entdeckung getan?OTT: Ich konnte nicht anders, als noch am selben Tag auf Basis meiner Fotos mitder Übersetzung loszulegen. Bald darauf sandte mir der Handschriftenbesitzer einedigitalisierte Fassung zu – die hatte es bis dahin noch nicht gegeben, da der wahreWert der Handschrift zuvor auch ihrem Besitzer unbekannt gewesen war.MANESSE: Welche Erfahrungen haben Sie bei Ihrer Übersetzungstätigkeit gesammelt?OTT: Die Übersetzung einer Handschrift, die noch nicht im Druck vorliegt, istschon ein besonderes Erlebnis, aber auch eine große Herausforderung, denn alsÜbersetzerin musste ich die Vorarbeiten, die eigentlich zu einer textkritischenEdition gehören, selbst erledigen: Wo hat die Handschrift Lücken, wo muss eineParallelhandschrift zurate gezogen werden, wo lauern sprachliche Klippen oderUntiefen? All das musste zunächst erledigt werden, bevor ich – in sieben Schritten –die eigentliche Übersetzertätigkeit in Angriff nehmen konnte.MANESSE: Welche sieben Schritte sind denn das?OTT: Die sieben Schritte bis zur fertigen Übersetzung sind aufeinanderfolgendePhasen des Analysierens, Ausformulierens und Überarbeitens – ich erläutere sieausführlich im Nachwort zur Übersetzung. Mir hat der vierte Schritt besondersviel Freude bereitet: Hundertundeine <strong>Nacht</strong> ist ein Buch <strong>zum</strong> Lesen und Vorlesen.Immer wenn eine Geschichte fertig übersetzt war, habe ich darum Freunde undinteressierte Zuhörer in meine Übersetzerklause in der Südheide eingeladen, damitsie sich meine Rohübersetzung anhören, das Vorgelesene auf logische Fehler,aber auch auf seine Wirkung als Vortragstext hin prüfen und mit mir zusammenknifflige Übersetzungsprobleme lösen sollten. Diese privaten «Korrekturlesungen»sind regelrecht berühmt geworden!MANESSE: Und jetzt, wo Ihr Buch fertig ist, hat sich die Begeisterung etwas gelegt?OTT: Aber nein! Meine Begeisterung ist sogar noch größer geworden, jetzt, wo ichdas ganze Werk überschauen kann. Es macht mir immer wieder Spaß hineinzulesen,und Sie werden staunen: Obwohl ich die Texte ja selbst übersetzt habe, bin ich jedesMal wieder überrascht von der Spannung, die da aufgebaut wird und die mich beimLesen förmlich ins Buch hineinzieht.– 7 –

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