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Friedlicht - (DFG-VK) in Mainz

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6Leben und Werk e<strong>in</strong>es Ma<strong>in</strong>zer AnarchistenRudolf RockerDie nationale Fahne deckt jedes Unrecht,jede Unmenschlichkeit, jede Lüge, jedeSchandtat, jedes Verbrechen.Rudolf Rocker 1873 – 1958Vor 140 Jahren wurde der Anarchist und PazifistRudolf Rocker <strong>in</strong> Ma<strong>in</strong>z geboren.Nicht zuletzt aus diesem Anlass drucken wire<strong>in</strong>e gekürzte Fassung e<strong>in</strong>es Beitrags aus derzwischenzeitlich e<strong>in</strong>gestellten Ma<strong>in</strong>zer libertärenZeitschrift „Dichtung & Wahrheit/Februar1992“ ab. Se<strong>in</strong> Leben undWerk s<strong>in</strong>d nach wie vor politisch aktuell.Der <strong>in</strong> Ma<strong>in</strong>z aufgewachsene Buchb<strong>in</strong>derRudolf Rocker war zur Zeit der WeimarerRepublik e<strong>in</strong>er der führenden Theoretikerder antiautoritären ArbeiterInnenbewegung<strong>in</strong> Deutschland. Als e<strong>in</strong>er der schärfsten Kritikerder bolschewistischen Russischen Revolutionund der autoritären Strömungen <strong>in</strong>der deutschen ArbeiterInnenbewegung verfassteer viele Agitationsbroschüren der anarcho-syndikalistischenFAUD und legte mitse<strong>in</strong>em Buch „Nationalismus und Kultur“e<strong>in</strong> immer noch beachtenswertes Werk zurKritik des Nationalismus vor.Rudolf Rocker wurde am 25. März 1873<strong>in</strong> Ma<strong>in</strong>z als Sohn e<strong>in</strong>es Notendruckers geboren.Nach dem frühen Tod beider Elternwuchs er <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em katholischen Waisenhausauf. Im Anschluss an se<strong>in</strong>e Schulzeit erlernteer das Handwerk e<strong>in</strong>es Buchb<strong>in</strong>ders. Überdie Bibliothek e<strong>in</strong>es politisch aufgeschlossenenOnkels fand Rudolf Rocker zum Buchund darüber zur sozialistischen Bewegung.Zunächst schloss er sich der Sozialdemokratiean. Doch schon bald fühlte er sich vonder dogmatischen Engstirnigkeit dieser Parteiabgestoßen. Er gehörte der <strong>in</strong>nerparteilichenOpposition der Jungen an, die sich untermaßgeblichem E<strong>in</strong>fluss Gustav Landauersdem Anarchismus zuwandten. Er verließMa<strong>in</strong>z und lernte die anarchistische Bewegungkennen: u.a. <strong>in</strong> Paris und Brüssel, woer auch im August 1891 am <strong>in</strong>ternationalenSozialistenkongress teilnahm.Se<strong>in</strong>e H<strong>in</strong>wendung zum Anarchismus begründeteRocker mit den Worten: „Jedesstaatliche System ist mit der jeweiligenForm der wirtschaftlichen Ausbeutung derbreiten Massen durch privilegierte M<strong>in</strong>derheiten<strong>in</strong>nerlich aufs engste verwoben. Se<strong>in</strong>ebesonderen politischen Formen können andieser Tatsache nichts ändern. E<strong>in</strong>e wahreBefreiung ist nur dann möglich, wenn derMachtapparat verschw<strong>in</strong>det, denn das Monopolder Macht ist nicht m<strong>in</strong>der gefährlichals das Monopol des Besitzes.“Genauso energisch wie er sich gegen jedenDogmatismus wandte, wandte er sichgegen e<strong>in</strong>e <strong>in</strong> der anarchistischen Bewegungder 90er Jahre falsch verstandene Propagandader Tat. Se<strong>in</strong>e Erfahrungen als <strong>in</strong>folgeder Attentate von Ravachol, Vaillant, Henryund Caserio die anarchistische Bewegunggeschwächt wurde, machte ihn zum grundlegendenGegner jedes Terrorismus und jeglicherGeheimbündelei.Anfang 1895 g<strong>in</strong>g Rocker nach London,wo er die folgenden 25 Jahre wirkte. Dortknüpfte er rasch Kontakte zur ostjüdischenArbeiterInnenbewegung von Whitechapel,lernte Jiddisch und gewann als Herausgeberdes jiddischsprachigen, wöchentlich ersche<strong>in</strong>endenArbeiterfreund (1898-1916) und dermonatlich ersche<strong>in</strong>enden MonatszeitschriftGerm<strong>in</strong>al (ab 1900) breiten E<strong>in</strong>fluss auf diesyndikalistische jüdische Arbeiterbewegung<strong>in</strong> England. Er trat häufig als Vortragsredner<strong>in</strong> der jüdischen ArbeiterInnenbewegung<strong>in</strong> Ersche<strong>in</strong>ung.Die Beliebtheit Rockers reichte <strong>in</strong>nerhalbkurzer Zeit weit über die jüdische Arbeiterbewegung<strong>in</strong> London h<strong>in</strong>aus. Schon baldgalt er als e<strong>in</strong>e geachtete Persönlichkeit <strong>in</strong>nerhalbder anarchistischen Bewegung.1907 nahm er als Delegierter an der Neugründungder Anarchistischen Internationale<strong>in</strong> Amsterdam teil, wo die endgültige Abkehrvom Terrorismus und des Weiteren derAufbau anarcho-syndikalistischer Gewerkschaftenbeschlossen wurde.Während des 1. Weltkrieges als fe<strong>in</strong>dlicherAusländer <strong>in</strong> England <strong>in</strong>terniert, kehrteRocker während der Novemberrevolutionnach Deutschland zurück. Im revolutionärenBerl<strong>in</strong> nahm er maßgeblichen Anteil amAufschwung des deutschen Anarcho-Syndikalismus.Er beteiligte sich an der Gründungder Freien Arbeiter Union Deutschlands(FAUD), die Ende 1921 auf ihrem organisatorischenHöhepunkt ca. 150.000 Mitgliederzählte. Als Mitglied der Geschäftskommissionverbreitete er theoretisch und praktischdie Idee des Anarcho-Syndikalismus. Erdrängte <strong>in</strong>nerhalb der FAUD auf e<strong>in</strong>e Revolutionierungder Köpfe, auf e<strong>in</strong>e Bewusstse<strong>in</strong>srevolution.Die FAUD sollte sich primärals e<strong>in</strong>e Kulturbewegung verstehen undden sofortigen Aufbau e<strong>in</strong>er Gegenkulturauf der Grundlage der von Kropotk<strong>in</strong> aufgezeigtenGegenseitigen Hilfe angehen.In se<strong>in</strong>er 1921 erschienen Schrift DerBankrott des russischen Staatskommunismusentlarvt er die antisozialistische und totalitäreAusrichtung dieses etatistischen Kommunismus,den er als den primitiven Typuse<strong>in</strong>es bürokratischen Staatskapitalismusverurteilte. Die anti-autoritäre ArbeiterInnenbewegungbildete e<strong>in</strong>e eigenständige anarcho-syndikalistischeInternationale, die1922 <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> als zweite Internationale Arbeiter-Assoziation(IAA) gegründet wurde.Rudolf Rocker wurde zu e<strong>in</strong>em ihrer Generalsekretäregewählt, der Sitz der IAA warbis 1932 Berl<strong>in</strong>. Als Autor e<strong>in</strong>er von diesemKongress angenommenen Pr<strong>in</strong>zipienerklärungfungierte wiederum Rocker. Er zogdar<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e deutliche Grenzl<strong>in</strong>ie zwischenVergesellschaftung und dem bolschewistischenund sozialdemokratischen Konzeptder Verstaatlichung:„Die Syndikalisten s<strong>in</strong>d pr<strong>in</strong>zipiell Gegnerjeder Monopolwirtschaft. Sie erstrebendie Vergesellschaftung des Bodens, der Arbeits<strong>in</strong>strumente,der Rohstoffe und der sozialenReichtümer, die Reorganisation desWirtschaftslebens auf der Basis des freiend.h. des staatenlosen Kommunismus. Ausgehendvon dieser Erkenntnis, dass der Sozialismusletzten Endes e<strong>in</strong>e Kulturfrage istund solche nur von unten nach oben durchdie schöpferische Tätigkeit des Volkes gelöstwerden kann, verwerfen die Syndikalistenjedes Mittel e<strong>in</strong>er sogenannten Verstaatlichung,das nur zur schlimmsten Form derAusbeutung, nie aber zum Sozialismus führenkann.“Rocker wandte sich auch gegen dengrassierenden Antiliberalismus. Für ihn umfasstedie Idee des Anarchismus e<strong>in</strong>e Syntheseaus Sozialismus und Liberalismus. Liberalismusdabei <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em ursprünglichenVerständnis der größtmöglichen Freiheit derE<strong>in</strong>zelnen begriffen:„Die blöde Auffassung, welche im Liberalismusnichts anderes sehen will, als dasGlaubensbekenntnis des kapitalistischenManchestertums, ist e<strong>in</strong>e groteske Verzerrungder geschichtlichen Wahrheit. Er warder Aufschrei des menschlichen Persönlichkeitsgefühlsgegen die alles nivellierendeTendenz des absoluten Regimes und spätergegen den Ultrazentralismus und die Staats­

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