TitelthemaBild: pixelio.de/ Stefanie HofschlägerBild: pixelio.de/ Jürgen JotzoGott ist Rund?!Ein guter Christ geht am Wochenende in die Kirche und feiertdort die Messe. Er singt mit, nimmt an den rituellen Handlungenteil und findet es schön, Teil dieser Gemeinschaft zu sein.Ein echter Fußballfan geht am Wochenende ins Stadion. Ersingt mit, nimmt an den rituellen Handlungen teil und findetes schön, Teil dieser Gemeinschaft zu sein.Der Dialog im rechten roten Kasten stammt aus einer Sendungnamens „Pfarrer Gottlieb und der liebe Gott“ undwurde vor rund 15 Jahren in Zusammenarbeit mit der evangelischenKirche auf 1Live gesendet. Anhand der dort herrschendenMissverständnisse kann man sehr schön erkennen,wie ähnlich sich ein Fußballspiel und ein Gottesdienst dochsein können.Doch in wie weit unterscheiden sich Fans und Gläubige wirklichund kann ein Fußballspiel mit einem Gottesdienst verglichenwerden?Da auch ich mich sehr für beide Thematiken interessiere,habe ich vor einigen Jahren eine Facharbeit dazu verfasst.Immer wieder stieß ich bei der Recherche auf sehr interessanteMaterialien und Fakten. Besonders gelungen ist meinerMeinung nach die Dokumentation „Leuchte auf mein SternBorussia“ aus dem Jahre 1997.Wie der Titel vermuten lässt, geht es hauptsächlich um Fansdes BVB, wobei viele Aspekte sich auch auf andere Klubsübertragen lassen.In der Dokumentation wird auch Steffi vorgestellt, eine Borussinmit Leib und Seele. Vor jedem Spieltag betet sie fürihren Verein am hauseigenen Altar, hisst die Fahne im Gartenund singt die Hymne. Diese soll dann auch bei ihrer Beerdigunggespielt werden, wenn der schwarz-gelbe Sarg hinabgelassenwird; alles schon im Testament festgehalten.Steffi sagt selbst, dass die Borussia für sie wie eine Religionsei. Und so wird auch die Kutte als liturgische Kleidung beschrieben,jedes Auswärtsspiel ist eine Pilgerreise und in derFankneipe kreist vor jedem Spiel der Bierstiefel durch die versammelteGruppe.Vieles ist also dem Christentum entnommen, was kaum verwundert,da diese ja die in Deutschland verbreitetste Religionist. Auch das Lied des BVB, welches den gleichen Titel wiedie Dokumentation trägt, könnte leicht mit einem kirchlichenLied verwechselt werden. Der Komponist sagt über die Bedeutungdes Klubs für die Menschen im damaligen Ruhrgebietselbst: „Es geht den Leuten dreckig, es war dunkel, aberganz oben glänzt der BVB.“ Und tatsächlich wird der Verein in4
Titelthemadem Lied als hellster Stern beschrieben, der den Menschenden Weg zeigt und sie führt. Also ich erkenne hier eine gewisseÄhnlichkeit zur Bibelgeschichte über die Geburt einesgewissen Menschen, der uns allen bekannt sein dürfte…Mittlerweile haben auch die Fußballvereine ihre Rolle beiden Fans erkannt und bieten neben dem Spieltagsbetriebzahlreiche weitergehende Angebote. So gibt es beim FC St.Pauli beispielsweise eine Beratungsstelle, wo den Leuten beiArbeitslosigkeit oder auch Schul- und Alkoholproblemen geholfenwird.Dabei geht es aber keineswegs um einen Konkurrenzkampfzwischen Fußball und Kirche, sondern vielmehr darum, denMenschen in ihrem Glaubensumfeld neben dem Zugehörigkeitsgefühlauch Hilfe anzubieten.Immer öfter kann man aber auch eine gegenseitige Annäherungbeobachten. In der Arena auf Schalke etwa gibt es imStadion eine kleine Kapelle, in der Zuschauer vor dem Spielnoch einmal ganz in Ruhe beten können. Wer sich zudemnicht nur vor Gott, sondern auch vor seinem Verein das Ja-Wort geben möchte, kann dies dort ebenfalls tun.Und wer auch nach dem Tod noch mit dem Verein verbundensein möchte hat darüber hinaus sogar die Möglichkeit, sichauf dem am Stadion befindlichen Friedhof in Form eines Fußballplatzesbeisetzen zu lassen.Andersrum funktioniert diese Annäherung ebenso: Zur Weltmeisterschaft2006 in Deutschland hat die Evangelische KircheDeutschland die Lizenz für die öffentliche Übertragungaller Spiele für ihre Gemeinden erworben. Im Umfeld derKirche konnten so die Menschen zusammenkommen undgemeinsam den Sport erleben und sich über die Siege dereigenen Mannschaft freuen.Halten wir also fest: Fußballvereine, Fans, Kirchen und Gläubigekönnen viel voneinander lernen und auch Zusammenarbeiten,denn so verschieden, wie es auf den ersten Blickscheint, sind sie überhaupt nicht.Timo GünterPfarrer Gottlieb und der Liebe GottEs war einer jener grauen Tage, an denen der Taler ein wenigschwärzer und die Kirchenmauern ein wenig bedrückenderwirkten als sonst. Pfarrer Gottlieb stand am Alter und redetewieder mal mit seinem Chef.Chef: „Ja, mein Sohn?“Gottlieb: „Wie viele waren dort?“Chef: „Es müssen Tausende gewesen sein!“Gottlieb: „Schööööön! Dafür muss ich aber lange predigen!Und was haben sie getan?“Chef: „Du hättest sie sehen sollen. So viel Ehrfurcht, so vielBegeisterung, so viel Verehrung. Alles hatte einen festen Ablauf,aber jeder kannte die Liturgie. Es war eine tolle Feier!Alle machten mit. Und dann die Gesänge – einfach umwerfend!“Gottlieb: „Muss ja ein doller Gottesdienst gewesen sein.Kenne ich den Pfarrer?“Chef: „Nun – also, … ich glaube nicht. Weißt du, es war auchnicht so ganz …, ich würde es nicht unbedingt Gottesdienstnennen.“Gottlieb: „Was? Aber Chef? Fester Ablauf, Verehrung, Feier,Liturgie, Gesang – hört sich für mich alles ganz nach Gottesdienstan. Was haben sie denn gesungen, Chef?“Chef: „Nun, … es klang wie …: Borussia!“Wird Pfarrer Gottlieb nun in Zukunft im Stadion predigen? IstGott womöglich rund?aus: Pfarrer Gottlieb und der liebe Gott, Kirche in 1Live5