Newsletter04/<strong>2013</strong>6homogen“. „Es gibt wenige Ausreißer, sowohlin der Dimension, als auch gestalterisch“,so Jaeger. Große Gebäude gebees kaum, Ortsbilder seien geprägt vonBergarbeiterhäusern „von einer gewissenQualität und Würde“, die ähnliche Siedlungen– etwa in England, Flandern oderHolland – vermissen ließen. Gleichob, soseine Diagnose, fehle im Saarland dasBewusstsein für diese Qualität. Und woder Wert bestehender, für die Region typischerHäuser nicht als solcher erkanntwird, lauert die Gefahr, dass Charakteristischesdurch vermeintliche Verschönerungenzerstört wird. Eternitplattenan Fassaden, großformatige Werbetafelnan Giebelwänden, Roll- statt Klappläden,pseudobarocke Schnörkelgeländer, aufdringlicheLeuchtreklamen und grelleFassadenanstriche sind hierfür nur einigeBeispiele.Architektonischer Wildwuchs an dersaarländisch-luxemburgischen GrenzeAls weit schlimmer als solche leicht revidierbarenAusreißer empfand Jaeger daswilde Durcheinander unterschiedlichsterBaustile und Materialien, das saarländischenDörfern an der luxemburgischenGrenze ihre Identität zu rauben droht. InPerl und Nennig, wohin es in den vergangenenJahren wegen der vergleichsweisegünstigen Grundstückspreise vieleLuxemburger zog, zählte Jaeger aufengstem Raum allein sieben verschiedeneDachdeckungen, darunter auch einemit blauen Ziegeln. Moderne Häuser inAnlehnung an Bauhausarchitektur stehenhier neben rustikalen Einfamilienhäusernmit alpinem Einschlag, bunte Fertighäuserim nordischen Stil neben urbandurch<strong>des</strong>igntenAnwesen.Nur wenige Kilometer weiter, im luxemburgischenRemerschen, ist die Weltaus baukultureller Sicht hingegen nochweitestgehend in Ordnung. Dort findensich neben stilgerecht erhaltenen älterenWohnhäusern auchzeitgenössische Architekturen mit Respektfür Bestehen<strong>des</strong>. Falk Jaegerplädierte grundsätzlich für qualitätvolleArchitektur, das Festhalten anlan<strong>des</strong>üblichen Haustypen und die Verwendungangemessener Materialien.„Gelungene Konversionen“: wieIndustrie-Ruinen zu lebendigen (Kultur-)Orten werdenBesonders positive Beispiele für denUmgang mit historischer Bausubstanzfand Falk Jaeger in den denk-malgeschütztenBergarbeitersiedlungen Vonder Heydt und Göttelborn. Auch die Restaurierungehemals industriellgenutzter Gebäudekomplexe ist seinerMeinung nach in vielen Fällen gelungen:„Was ich gesehen habe, ist ermutigend,architektonisch meist sehr ansprechend.“Als „gelungene Konversionen“ bezeichneteer etwa den 2012 eröffneten „GartenReden“ in Landsweiler-Reden, wodenkmalgeschützte Bauten der Schwerindustriein Verbindung mit Landschaftsarchitekturheute Raum für Erholung undFreizeit bieten.„Für Architekten ist es eine fantastischeAufgabe, die Baugeschichte solcherIndustrieanlagen zu unter-suchen, sichKlarheit darüber zu verschaffen, waserhaltenswert ist und was nicht.“ Zu denaktuell interessantesten Vorhaben gehörtdie alte Baumwollspinnerei St. Ingbert,die künftig ein Museum beherbergensoll. Dass nicht nur die Bürokratie,sondern auch die Ökonomie mit darüberentscheidet, ob ambitionierte Bauprojektegelingen, illustriert der Vergleich zweierneuer Wohnquartiere, das Saarbrücker„Leuchtturmprojekt“ Artilleriekaserneund der Campus Nobel in Saarwellingen.Während es in Saarbrücken gelang, aufeinem ehemaligen Kasernengelände eine
Newsletter04/<strong>2013</strong>7alte Reithalle, Backsteinhäuser und moderneWohnhäuser zu einem stimmigenGanzen zu verbinden, wurden vielversprechendeAnsätze auf dem Arealder früheren Nobel Dynamitfabrik inSaarwellingen durch die Beliebigkeit neugebauter Wohnhäuser zunichte gemacht.Ohne klare Gestaltungsvorgaben geht esmeist nicht gutIn der von Prof. Dr. Peter Schweitzer,Vorstandsmitglied der Stiftung Baukultur-Saar,moderierten Diskussion wurdedeutlich, dass sowohl das Marktgesetzvon Angebot und Nachfrage als auchdie mehr oder weniger konsequenteDurchsetzung von Gestaltungsvorgabenzum Erfolg im einen und Misserfolg imanderen Fall beitrugen. Darüber hinauswaren Bauherren und Architekten fürdas neue Saarbrücker Quartier durch einGestaltungshandbuch an klare Vorgabengebunden, über deren Einhaltung einGestaltungsbeirat wachte.In seinem Fazit plädierte Falk Jaegerunter anderem für Gestaltungsrahmenpläne,um stilistischem Wildwuchs Einhaltzu gebieten. Darüber hinaus könntendie Medien durch entsprechendeVeröffentlichungen einen Beitrag dazuleisten, Hausbesitzer und potenzielleBauherren für Fragen der Baukultur zusensibilisieren.Das Saarland: eine dichte Kulturlandschaft„jenseits von Bilbao“Die Besonderheit <strong>des</strong> Saarlan<strong>des</strong> sei die„dichte Kulturlandschaft“, eine Landschaft„jenseits von Bilbao“, in der eskeine Notwendigkeit gebe, „Hochhäuserzu setzen, Pirouetten zu drehen oderOrchideen zu pflanzen“,sondern wo es vielmehr darum gehe,„Qualitäten zu sehen und zu pflegen“.Dies gelte für den ländlichen Raum ebensowie für die Großstadt Saarbrücken.Für sie empfahl Jaeger, „die Spezifik <strong>des</strong>Ortes“ zu erspüren und wenn möglichnicht der Abstraktion <strong>des</strong> „InternationalStyles“ zu verfallen.Veranstaltungsreihe „ANNÄHERUNG“ –Fortsetzung folgt 2014„Blick von außen – über Land gehen“war die dritte und für dieses Jahr letzteVeranstaltung der Reihe „ANNÄHERUNG“,mit der die Stiftung Baukultur-Saar nebenFachleuten auch die breite Öffentlichkeitzum Diskurs über Bestehen<strong>des</strong>und Möglichkeiten der Veränderungeinlädt.Eine Zusammenfassung der Vorträge ineiner Broschüre ist geplant. Die Reihewird im kommenden Jahr fortgesetzt.Weitere Informationen:www.<strong>aks</strong>aarland.de/stiftung-baukultursaar.• Alexandra Raetzer