Der Sommer - Das Carpe Diem Literaturjournal

ErzählungenStadtretter. Das war nicht cool, und das war nicht einmalkomisch. Andererseits, welcher normale Menschsteckt einen Autounfall so leicht weg? Ich schriebschließlich Leo eine PM und bat sie, den Abgang derFigur Edith zu ändern.Leo schrieb zurück: Keine Zeit! Löscht einfach meinStatement und schreibt eine eigene Version. Oder lasstEdith halt nicht mehr auftreten.In den folgenden Wochen hatte ich keine Zeit wegender Schule. Kurz vor Weihnachten war ich wiedereinmal im Forum, und einige Tage später trafich mich mit Kevin und Leo. (Beide hatten sich voreiniger Zeit wieder versöhnt.) Wir redeten über dasRobbertail-Wald-Forum, und da gestand uns Kevin:„Ich habe genug von Mortimer. Niemand will mit mirschreiben, und ich kann sie verstehen. Dieser Mortimerist so perfekt, dass eine gute Szene mit ihm garnicht möglich ist.“„Dann schreib ihn doch heraus, und erfinde dir eineneue Figur“, schlug ich vor.„Das habe ich ihm auch schon geraten“, sagte Leo.„Aber auf mich will unser Kevin doch nicht hören.“„Das stimmt nicht. Ich will ihn herausschreiben, abermir fällt nichts ein.“Ich schlug einen weiteren Autounfall vor.„Ein Held, der bei einem Autounfall stirbt. Vielleichtin Robbertail, aber das passt nicht zu einem richtigenHelden.“„Schick ihn in die Rente“, meinte Leo.„Komisch, das hat Sara auch gemeint. Aber er ist docherst dreiundzwanzig. Ist er da nicht noch zu jung fürdie Rente?“„Schick ihn in die Frühpension“, schlug ich vor.„Oder“, ich musste an Star Trek denken, „er verlässtdie Wälder von Robbertail, weil er in die Ausbildunggeht. Er ist jetzt an der Akademie und bildet neueHelden aus.“Leo war einverstanden: „Schön, er geht an die Universität,und zuvor heiratet er Edith.“„Aber du machst doch nicht mehr mit.“„Für diesen Abgang nehme ich mir die Zeit, und wirschreiben die Hochzeit gemeinsam.“„Nein“, sagte Kevin. „Ein Held ist ein Held. Mortimererledigt dieRobbertail-Bande endgültig und opfert dabei sein Leben.“„Auch gut. Dann brauche ich wenigstens Edith nichtmehr auftreten zu lassen.“Kevin war nicht damit einverstanden. „Mortimerstirbt in Ediths Armen, unddann gibt es einen neuen Helden.“Inzwischen kam mir ein anderer Gedanke: „Vielleichtsollten wir auf einen weiteren Helden verzichten. UnserenMitspielern scheint er nicht abzugehen, und beiso viel Heldeneinsatz dürfte es in den Wäldern vonRobbertail inzwischen recht ruhig geworden sein.“Die Entscheidung, für oder gegen einen neuen Helden,hatte aber keine Eile. Die nächsten Wochen warenLeo und Kevin wieder ein Herz und eine Seeleund verbrachten ihre Freizeit damit, unseren HeldenMortimer hinaus zu schreiben. Mortimer heiratetEdith und will einen Auftrag an der Akademie annehmen,da wird er bei seinem letzten Einsatz getötet.Dann änderten beide plötzlich ihre Meinung, da Leowieder Spaß am Rollenspiel hatte. Der soeben nochtote Mortimer taucht in seiner Wohnung auf, er erfreutsich bester Gesundheit und ist wieder mit Waffen,Superkräften und schnellen Autos unterwegs, umdie Welt von Robbertail vor bösen Bankräubern undBanden zu schützen. Allerdings ist jetzt Edith an seinerSeite. Sie hat ihren Modesalon verkauft, wohntmit ihm in seiner Wohnung, trägt einen Ehering undhilft ihm beim Retten in Robbertail.Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte, aberwegen der Matura hatteich ohnehin keine Zeit, mich um unser Robbertail-Forum zu kümmern. So beschloss ich erstmals, dieReaktionen der anderen abzuwarten.Es gab keine Reaktionen, nur jene Spielerin, die schonoft unseren Helden kritisiert hatte, ließ als Teil desRollenspiels eine ihrer Figuren Mortimer fragen: „Dubist nicht gestorben?“Kevin ließ Mortimer darauf folgende Antwort geben:„Nein, denn ich bin ein Held, und Helden sind unsterblich“,worauf Edith postete: „Eben, Mortimer forever!“ •Die ideale Tatwaffevon Waltraud E. ZulegerMüde blicke ich auf meinen Kugelschreiber. Ein Mordwird von mir erwartet, ein Mord mit allen Drum undDran. Aber was hilft mir das beste Szenarium, derintelligenteste Mörder, das bedauernswerteste Opferund das brillanteste Motiv für die Tat. Um den Mordperfekt zu machen, benötige ich ein Werkzeug zu dessenDurchführung.Nachdenklich betrachte ich meinen Kugelscheiber,dunkelblau und silberfarben, ein kleiner ganz unauffälligerGegenstand.LESUNGEN mit Carpe DiemErzählungenMein Mörder ist intelligent und sensibel. Ein Fleischermesser,ein Hackebeil, eine Axt, so etwas Gewöhnlichespasst nicht zu ihm. Ich denke an Gift, aberer ist ein brillanter, mutiger Mörder (soweit ein Mördereben mutig sein darf) und kein Feigling. Da fälltmir plötzlich die ideale Tatwaffe für ihn ein.„Mit einem kleinen blauen Kugelschreiber mit Silberverzierungschrieb er einen kurzen Brief, dessenSchrift gefälscht war, und dieser Brief war ein Todesurteil.“•Um angehenden und bereits aktiven Autor/innen die Gelegenheit zu geben, ihre Werke einembreiteren Publikum vorzutragen, haben wir die vier Stamm-Leseveranstaltungen installiert.Hierbei haben die Autor/innen die Möglichkeit ihre Werke selbst zu lesen oder lesen zu lassen.Die Stammlesungen finden alle drei Monate statt. In den letzten Jahren haben diese Lesungenreges Interesse gefunden. Viele der Autor/innen treten bereits zum wiederholten Male odersogar regelmäßig auf. Wir freuen uns stets über neue Gastleser, da es uns vor allem wichtigist jene Autor/innen zu fördern, die zuvor noch nie die Gelegenheit hatten, ihre Werke eineminteressierten Publikum zu präsentieren.Für weitere Infos oder Anfragen kontaktieren Sie bitte die für diese Lesungen zuständige Lesungsleiterinunter: barbara.stepanek@verein-carpediem.orgWenn Sie eine unserer Stammlesungen als Zuhörer/in besuchen möchten, entnehmen Sie bittedie aktuellen Termine unter www.verein-carpediem.orgWeitere Lesungen:Spezial-Lesungen:Im Laufe des Jahres organisiert Carpe Diem eine Vielzahl Spezial-Lesungen für angehendeund bereits aktive, erfolgreiche Autor/innen.Themen-Lesungen:Carpe Diem ist stets interessiert und bereit, diverse Themen-Lesungen, wie z.B. Krimiabend,Horrorabend, Love-letter-time, usw. mit eine/r oder mehreren Autor/innen zu organisieren.Für originelle Ideen stehen wir gerne zur Verfügung.Wenn auch Sie eine Lesung in Kooperation mit Carpe Diem abhalten möchten, wenden Siesich bitte an die Leitung des Literaturreferats Herr Birnecker Martinliteraturreferent@verein-carpediem.org12 70. Ausgabe / Juni 2013 70. Ausgabe / Juni 201313