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Der Sommer - Das Carpe Diem Literaturjournal

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ErzählungenKatz und Mauseine Fabelvon Christa SchlöglDie alte Katze schlich ängstlich entlang der Hausmauerüber den Hof. Alle ihre Töchter und Enkelinnenhatten sich vor der Stalltüre versammelt und schlürftendie frische Milch aus den Schalen, die ihnen diejunge Hausfrau nach dem Melken hingestellt hatte.Sogar einen Teller, gefüllt mit faschiertem Fleisch,ein wenig Fisch und Leber, hatten sie bekommen.Sie ließen es sich so richtig schmecken und waren sovertieft, dass sie die alte Katzenmutter nicht bemerkten,die sich herangepirscht hatte, um mit ihnen zuspeisen. Sie war sehr mager, und es schien, als wäreihr das Fell viel zu groß. <strong>Das</strong>s die Jungen heute sogute Leckerbissen fressen durften, hatte einen gutenGrund, alle hatten sie schon etliche Mäuse gefangenund wurden so von der Bäuerin belohnt.Klammheimlich mischte sich die alte Katze unter dieJungen und wollte mit ihnen mitnaschen. Aber weitgefehlt, wieder wurde sie, wie schon öfter, abgewiesen.Sofort hob die erste ihre Pfoten und kratzte ihrüber die Schnauze: „Schau, dass du wegkommst,du räudiges Ding, du hast uns seit langer Zeit keineMäuse mehr gefangen, obwohl das deine mütterlichePflicht wäre, nach dem Katzengesetz!“„Es ist aber Zeit, dass ihr für mich sorgt, ihr schlimmenJungen. Wie lange muss eine Mutter ihre Kinderdurchfüttern? Gesetz hin oder her, ihr legt es ganzfalsch zu eurem Vorteil aus“. Gekränkt zog sie sichzurück, diese Gemeinheiten hatte sie nicht nötig.Auch die anderen Jungen gingen auf die Katzenmutterlos und verjagten sie. Sie miaute traurig und verdrücktesich, hungrig geblieben. Aber so dumm war sienicht, sie war nur alt. Sie probierte es immer wiederund zwar so lange, dass ihre jungen Katzenmädchen,die sie vor gar nicht so langer Zeit zu hervorragendenMäusejägerinnen ausgebildet hatte, ganz wild wurden,und durch die Schläge ihrer Tatzen und Schwänze, dieeigentlich die Alte treffen sollten, flog das Geschirrmit dem Futter hoch in die Luft und kam dann wiederherunter. <strong>Das</strong> verursachte großen Schmutz. Sogar dieerlegten Mäuse waren weggeschleudert worden.„Was ist denn da los?“ Die Bäuerin stürmte aus demHaus und schlug mit dem Besen nach dem Katzenvolk,das in alle Richtungen auseinanderstob und vonihr bis hinter das Haus verfolgt wurde. Die Alte fraßinzwischen in aller Ruhe die Reste auf und bedientesich auch noch an den Mäusen. Nun, das Blatt hattesich fürs erste gewendet. Satt zog sie sich hinter eineHolzwand zurück und räkelte sich in der Sonne. Nacheiner Weile kamen ihre Töchter ziemlich zerzaustzurück und suchten nach den Resten ihrer Mahlzeit.Aber es war fast nichts mehr zu finden.„Sonst gibt es heute nichts mehr, ihr müsst haltnoch mehr Mäuse fangen, wenn ihr Hunger habt“,schimpfte die Frau. Da kam der dicke, schwarze Frediangeschlichen und wurde von ihr zärtlich hochgenommen.„Komm hinein, mein Fredi Katerle, bekommstwas Gutes!“, sagte sie und ging mit ihm ins Haus.„Na gibt es denn so etwas“, schimpften die Katzenund miauten laut, besonders die Getigerte tat sichhervor: „Er ist für nichts mehr nutz, sie hat ihn ja kastrierenlassen, jetzt ist er so fett geworden, bekommtdie besten Bissen und darf ins Haus, sogar ins Wohnzimmer.“„Miauja, er braucht nur am Fenster zu klopfen undwird eingelassen. Dann darf er auf der neuen, rotenBank kuscheln, der Faulpelz. Er braucht keine Mausmehr zu fangen, für ihn gibt es das beste Fressen, von„Kitekat“ mit Lachs, das ist seine Lieblingsspeise,habe ich beobachtet“. Neidig, aus schmal gewordenenAugen schaute die Weiße mit den grauen Stiefeln zurHaustüre, in der die Frau mit Fredi verschwundenwar.„Seit die junge Frau da ist, darf keine Hof-Katze mehrin das Haus hinein. Miau, mioh. Unsere Mutter, woist sie denn eigentlich, war die letzte Hauskatze. Siewurde von ihr ausgejagt. Ja, ja, sie war früher eineSchönheit, nicht umsonst hatte ihr die alte Großmutterden Namen „Bella“ gegeben. Gepflegt und wohlgenährt,und die beste Jägerin von weit und breit, undsingen konnte sie, erinnert euch nur“, meinte die bunteGlückskatze und blickte traurig drein.„Mau, du mit deiner Güte und Liebe, denk daran,dass sie uns etwas wegfressen könnte und wir bleibenüber. Du blöde Katz. Nur von den Mäusen werden wirnicht satt, auch bei größtem Fleiß nicht“, schimpftedie Getigerte, „aber was soll es, ich sollte jetzt in dasNest schauen zu meinen Jungen!“ Sie wendete sichzum Gehen.Aber da erblickte sie auf dem Küchenfenster den dickenFredi mit einer Maus im Maul. „Schwestern,schaut euch das an, miau, miau, der Fredi hat eineMaus gefangen und darf sie in der Küche verspeisen!“Sie reckten ihre Hälse. Ihre Mutter war auf denHolzstoß gesprungen und lachte:Erzählungen„<strong>Das</strong> ist doch nur seine Spielmaus aus Pelz, ihr Dummerchen,euch ist wirklich nicht mehr zu helfen, ineurer Gier. Wer neidig ist, ist leicht zu täuschen, alteKatzenweisheit, mauz, mauz!“Nun waren die Katzenmädels sprachlos, Fredi lachteund schnitt ihnen spöttische Gesichter.„Miau, miau, fangt mich doch, wenn ihr könnt!“„<strong>Das</strong> machen wir aber wirklich“, flüsterten sie daraufhinverschwörerisch. „Wenn er einmal heraußenist, jagen wir ihn solange bis er nicht mehr kann, mitseiner Herzverfettung, und dann geben wir ihm kaltund warm!“ Die Weiße hatte sich wieder wichtig gemacht.An diesem Tag gab es keinen Frieden mehr. Die alteKatze versteckte sich zuerst, fing aber dann nochohne Probleme ein paar Mäuse, doch nur für sich. Diewaren nämlich während der Streiterei so frech geworden,dass sie rundherum tanzten und nicht von denJungen bemerkt wurden. <strong>Das</strong> konnte der Alten, dererfahrenen, nicht passieren.Am nächsten Tag, war der Hunger wieder groß, aberdie Jungen waren wachsamer denn je und vergönntender Alten keinen Bissen. Sie hatten vom Vortag anscheinendnichts gelernt.„Macht nichts“, dachte die Mutter. „Ich werde einbisschen Körperpflege betreiben und dann eine Jagdveranstalten. Seit meinem gestrigen Jagderfolg habeich meine Depressionen im Griff und bin wieder ganzguter Dinge!“Die jungen Katzen wurden unsanft an ihre Pflicht erinnertund in den Stall gejagt. Die Alte putzte sichund passte auf, denn sie hatte ein Geräusch gehört. Daerblickte sie eine alte Bekannte vom Nebenhof, denSchwaigers, sie war zwischen dem hohen Gras nebendem Holzstoss aufgetaucht und hatte eine Maus imMaul.„Da schau, ich habe dir etwas mitgebracht!“ DieNachbarkatze legte die erlegte Maus vor Bella insGras und wartete bis sie ihren Hunger gestillt hatte.„<strong>Das</strong> ist aber sehr lieb von dir, dass du an deine alte18 70. Ausgabe / Juni 2013 70. Ausgabe / Juni 201319

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