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Der Sommer - Das Carpe Diem Literaturjournal

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ErzählungenEin<strong>Sommer</strong>nachtstraumvon Andreas Brugger<strong>Der</strong> kühle Nachtwind lässt die Blätter der Bäume rascheln.Grillen zirpen. <strong>Das</strong> Prasseln des Lagerfeuersist angenehm und einlullend zugleich. <strong>Der</strong> große,bleiche Vollmond steht am Himmel und taucht dendunklen Wald und die Wiese, auf der du sitzt, in einangenehm kühles Licht.Glühwürmchen tanzen über das Gras, auf und nieder,hin und her, als ob sie etwas suchten. In der Näheruft ein Käuzchen: „Kiwitt, kiwitt“ … flink huschenSchatten knapp über dir durch die Luft – Fledermäuse,auf der Jagd nach den Insekten der Nacht, die vomLicht des Lagerfeuers angezogen werden.Rund um dich am Feuer, auf halben Baumstämmen,sitzen deine Freunde. Sie reden leise, wie um niemandenzu stören, vielleicht, um die Stimmung aufzunehmen,aufzusaugen, wie ein Schwamm. JedenAugenblick dieses kostbaren Moments zu inhalieren,und ihn in die Schatztruhe mit den anderen schönenErinnerungen zu legen, zur späteren Erinnerung.Einer stimmt ein Lagerfeuerlied auf der Gitarre an,ein ruhiges, stilles, fast schon ein wenig melancholisches.Die Gesichter strahlen. Liegt es am warmenSchein des Feuers? Oder daran, dass alle lächeln undglücklich zu sein scheinen?Ein Schälchen mitErdnüssen wird herumgereicht.Jeder hält einen Spießund nimmt von einerhölzernen Platte, wonachihm der Appetitsteht: Würstchen,Fleischstücke, Gemüse... auch Marshmallows.Ein Krug mit kühlem, klaren Wasser wird herumgereicht,und ein anderer Krug mit süßem Rotwein inder anderen Richtung.Jetzt stimmt der Gitarrenspieler ein neues Lied an,schneller, fröhlicher, rhythmischer. Einige springenauf, beginnen, zu tanzen, übermütig, ungehemmt, ungeniert.Die Funken des Lagerfeuers scheinen ebenfallszu tanzen, von der heißen Luft getragen, hinauf,immer weiter hinauf, bis zu den Sternen.Die Sterne. <strong>Das</strong> ganze Firmament ist voller Sterne.Sie funkeln und strahlen, und es sind so viele, so unglaublichviele ...Manche Blicke wandern immer wieder hinauf, sindfasziniert von der Schönheit, aber auch von der Weite,der Größe, die sich nur erahnen lässt.Andere bleiben mit ihrem Blick am Boden, genießendie Freuden, die diese Nacht zu bieten haben.Sie tanzen nun fast alle, wild, durcheinander – dieMusik wird schneller, lauter, ungestümer. Dennochnicht störend, es wirkt, als ob die Musik ein Teil dieserNacht wäre, ein Soundtrack, der das Gesehene, Gehörte,Gerochene, Gefühlte noch intensiver macht.<strong>Der</strong> Duft nach feuchtem Gras. Glitzernde Augen imUnterholz. Gänsehaut.<strong>Der</strong> Tanz wird noch schneller, ekstatischer, die Gitarrehebt ihr Tempo noch zu einem letzten Höhepunkt ...Dann scheint die Zeit stehenzubleiben. <strong>Der</strong> Momentwird plötzlich zur Ewigkeit, dehnt sich aus, umfasstalles, jeden, jede Empfindung,jedes Gefühl, jede Wahrnehmung.Ein Schauer von Energiedurchströmt dich. Es ist einperfekter Moment.Du weißt, ihn jetzt festzuhalten,würde ihn zerstören, wieeinen zarten Schmetterling.Also genießt du ihn, solangedu kannst, und lässt ihn ziehen,als er sich langsam verflüchtigt.Die Empfindungen werden nach dieser Intensität wiedernormal, ebben auf ein gewohntes Niveau ab – immernoch schön, immer noch unvergesslich – aberdieser magische Moment ist vorüber.Die Nacht neigt sich dem Ende zu. •<strong>Das</strong> Meer und ichvon Lisa WerstattHeute war es endlich soweit, er war da, der Tag unsererAbreise, so lange schon herbeigesehnt und auchungeduldig erwartet. In einigen Stunden würde ichzum ersten Mal in meinem Leben das Meer sehen. Ichwar aufgeregt, wie ein kleines Kind, auch ungeduldigund trieb meinen Mann zur Eile an.Dieser war die Ruhe in Person, lächelte über meineHektik und meinte: „Wir brauchen uns nicht hetzen,wir kommen schon rechtzeitig an.“Endlich fuhren wir los, um nach dreieinhalb StundenFahrt bei strömendem Regen an der Grenze nach Italienanzukommen. Ich war etwas enttäuscht von demWetter, aber mein Mann Karl meinte nur: „Lass unserst über den Brenner fahren, und du wirst sehen, dassdann die Sonne scheint, auch wenn du es jetzt nichtganz glauben kannst.“Als wir den Brenner passiert hatten, lag im herrlichenSonnenschein das Kanaltal vor uns und Karl stupstemich, lächelte und meinte, er habe mit seiner Prognoserecht gehabt. Ich bewunderte das türkis leuchtendeWasser im Bachbett, die grauen steinernen Häuser,als wir durch Friaul fuhren.Ich sog all die Eindrücke wie ein Schwamm in michauf. Als wir an Udine vorbeifuhren, erklärte mir Karl,dass wir schon drei Viertel der Fahrtstrecke hinteruns hätten und sicher bald die ersten Hinweistafelnnach Bibione kommen würden. Voll Freude rief icheinige Zeit später: „Schau, da steht es ja schon undjetzt werde ich sicher bald aus der Ferne das Meersehen!“ Doch Karl schüttelte nur den Kopf und sagte,das sähe ich erst, wenn ich direkt davor stünde. Jetztwill er mich veralbern, dachte ich, und erklärte ihm,wenn wir zum Neusiedlersee führen, sähe ich den jaauch schon von der Weite. „Du Ungläubige“, wandteer sich mir zu, „willst mir nicht glauben“, ergänzte erlachend.So hielt ich Ausschau, ob ich nicht doch das Meersähe, und wenn es nur ein kleines Stück wäre. Aberleider konnte ich es nicht entdecken, auch, als wirschon kurz vor Bibione waren.Endlich, wir waren in Bibione und weit und breit keinMeer zu sehen, nicht das Geringste davon, meine Enttäuschungwar groß, und ich dachte: „Vielleicht habenwir uns verfahren und es gibt noch ein Bibione,das im Landesinneren liegt.“ Als ich dies Karl sagte,verdrehte er nur die Augen und meinte: „Ich habemich noch nie verfahren, warte doch ab, du wirst esbald sehen, zähme doch deine Ungeduld ein bisschen,jetzt ist wichtiger, das wir unser Hotel finden.“ DurchZufall fanden wir bald die richtige Strasse, in der essehr hektisch zuging und in der unser Hotel war, wowir ein Zimmer mit Meerblick gebucht hatten.Wir betraten das Hotel, gingen zur Rezeption, wowir begrüßt wurden und den Zimmerschlüssel ausgehändigtbekamen. Anschließend fuhren wir mit demAufzug in den fünften Stock, wo unser Zimmer lag.Karl sperrte die Türe auf und ich dachte, nun ist erda, der Moment, der Augenblick, wo ich nun endlichdas Meer sehe. Aber dem war nicht so, mir war zumHeulen, ich stand nur da und sah auf einen weißenErzählungenRollladen, der kaum Licht herein ließ.Grinsend ging Karl zu der Balkontür, zog den Rollladenhoch, drehte sich zu mir um und sagte: „So kommdoch und schau!“Diesen Anblick werde ich mein ganzes Leben langniemals vergessen, da lag es vor mir, das Meer, mitseiner anscheinend endlosen Weite, den kleinenSchaumkronen auf den Wellen, es war, als begrüße esmich, als heiße es mich willkommen. Es war einfachfaszinierend, und trotz meiner regen Fantasie habeich es mir nicht so wunderschön vorgestellt. Ich wasganz gebannt von dem Anblick, stand am Balkon undkonnte meine Augen nicht von dem Anblick abwenden,der sich mir bot. In diesen einmaligen, unvergesslichenMoment ist auch meine Liebe zum Meerentstanden.Wir ließen Koffer Koffer sein, zogen nur unsere Badesachenan und begaben uns zum Strand. Mein ersterWeg führte mich ans Wasser, wo kleine Wellenmeine Zehen umspülten und meine Füße leicht imSand einsanken. Nun hielt mich nichts mehr zurück,ein paar Schritte noch, und ich konnte zum ersten Malim Meer schwimmen. Ein unbeschreibliches Gefühlüberkam mich und ich ließ mich auf der Meeresoberflächeso dahin tragen, begann den salzigen Geschmackdes Meeres zu spüren und auch die Leichtigkeit,mit dem es einen trägt. Es war wie ein Traumund doch Wirklichkeit.Sie sind in mir, diese Erinnerungen, die glutrotenSonnenuntergänge, wo man glaubt, dass die Sonne imMeer versinkt. Die sternklaren Nächte, wo der Mondsich auf der Oberfläche des Meeres spiegelt, das leiseRaunen der Wellen, als wollten sie mir von ihrer immerwieder kehrenden Reisen erzählen.Meine Spaziergänge am frühen Morgen, die eigenartigeMorgendämmerung, alles noch so ruhig, so still,bis auf einige Fischer, die weiter draußen mit ihrenBooten auf Fischfang waren. Wo ich als einzige meineFußspuren im Sand hinterließ, die dann von denWellen weggespült wurden, die Sonnenaufgänge, wiewenn die Sonne aus dem Meer auftauchen würde,welches dann wie flüssiges Gold glänzte.Aber auch die Kraft, und wie schnell das Meer bedrohlichwerden kann, wenn sich aus den kleinenWellen plötzlich riesige Giganten bilden, die mit lautemGetöse auf den Strand zurasen, als würden sie einWettrennen veranstalten, wo sie unermüdlich immerwieder an den Felsklippen anschlagen und im Laufevieler Jahrzehnte den stärksten Felsen verkleinern,bis er nur mehr Sand ist und von den Wellen mitgespültwird.Diese eigene Faszination, die das Meer für mich hat,die vom ersten Augenblick an da war, irgendwie eineinnere Verbundenheit, all dies ist in meinen Herzen.Oft überkommt mich die Sehnsucht nach dem Meer,dann stelle ich mir vor, ich stehe am Strand und lauscheden Wellen, die mir zuflüstern: … Bald, bald sehenwir uns wieder … •16 70. Ausgabe / Juni 2013 70. Ausgabe / Juni 201317

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