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21. Sonntag nach Trinitatis - Matthäus 5, 38-48 Vom Vergelten und ...

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1<strong>21.</strong> <strong>Sonntag</strong> <strong>nach</strong> <strong>Trinitatis</strong> - <strong>Matthäus</strong> 5, <strong>38</strong>-<strong>48</strong><strong>Vom</strong> <strong>Vergelten</strong> <strong>und</strong> von der FeindesliebeLiebe Gemeinde, wissen Sie,was Charlie Brown von den Peanuts einmal gesagt haben soll? -„Ich liebe die Menschheit – Es sind die Leute, die ich nicht abkann!“Die Menschen so ganz allgemein zu lieben – warum nicht?Aber die konkreten Leute? Die komische Arbeitskollegin, den totaluncoolen Mitschüler, den Partner / die Partnerin, der oder die soganz anders tickt...Und wenn es dann auch noch die Leute sein sollen, die uns nicht mögen, die uns übersehen,die uns ständig ihre Überlegenheit spüren lassen...Da wird’s schon deutlich schwieriger.Und auch das gibt es: Familien, Nachbarn oder Kollegen, die zerstritten sind – manchmalüber Jahre verfeindet.Und da hinein die Worte Jesu aus der Bergpredigt:„Ich aber sage euch, dass ihr nicht widerstreben sollt dem Bösen, sondern: wenn dichjemand auf deine rechte Backe schlägt, dem biete die andere auch dar. ... Und wennjemand dich nötigt, eine Meile mitzugehen, so geh mit ihm zwei. ...Liebt eure Feinde <strong>und</strong> bittet für die, die euch verfolgen.“Worte, die über Jahrh<strong>und</strong>erte die Gemüter erhitzt haben <strong>und</strong> die so ungefähr dasProvokanteste sind, was man sich vorstellen kann:Eine atemberaubende Zumutung! Das geht nicht! Unmöglich! –Wollen wir das überhaupt? Rachegefühle zu pflegen, kann ja auch eine gewisseBefriedigung schaffen.„Nicht zu vergelten <strong>und</strong> die Feinde zu lieben.“Wir wissen, einige wenige haben das vielleicht geschafft – <strong>und</strong> wir bew<strong>und</strong>ern sie dafür.Aber wir?Wie soll das funktionieren?Ehrlich gesagt, so ganz genau weiß ich das auch nicht.Das ist so, als ob wir in einem tollen Klavierkonzert jemanden Werke von Brahms oderBeethoven spielen hören – <strong>und</strong> dann sind wir wieder zu Hause <strong>und</strong> sollen Tonleitern üben<strong>und</strong> kriegen manchmal die einfachsten Stücke nicht hin. Und wir ahnen, das ist noch einweiter Weg, den wir da vor uns haben.Aber wir sind da, wo wir sind, <strong>und</strong> nur von dort aus können wir weiterkommenWas also könnte uns helfen auf unserem Weg?


2Einige Schritte möchte ich mit Ihnen gemeinsam bedenken.Ein möglicher erster Schritt1. Blick deinem Feind ins Gesicht – <strong>und</strong> entdecke, dass er ein Mensch istAuch dieser konkrete Mensch, der es mir manchmal so schwer macht, er ist GottesGeschöpf – von Gott geliebt. Und lebt unter dem gleichen Himmel wie ich. Er lebt – wie ich– von der Großzügigkeit Gottes. Für ihn scheint die gleiche Sonne <strong>und</strong> fällt der gleicheRegen. Er trägt das gleiche menschliche Schicksal von Werden <strong>und</strong> Vergehen.Die Beispiele, die Jesus in unserem Text bringt – die andere Wange hinzuhalten, nicht nurden Rock, sondern auch den Mantel zu geben <strong>und</strong> statt der geforderten einen Meile zweizu gehen – all das sind Beispiele von Zuwendung, von Hinwendung zum anderen. Nichtignorieren, nicht wegdrehen hilft weiter, sondern Jesus sagt: „Wende dich nicht ab“Da ist eine Frau, die als Aufsichtskraft in einer Spielhalle arbeitet. Eines Nachts kommeneinige Jugendliche, bedrohen sie mit einer Spielzeugpistole <strong>und</strong> rauben die Kasse aus.Mein Mann, der zu der Zeit als Sozialarbeiter in der Jugendgerichtshilfe arbeitete, sollte nunmit diesen Jugendlichen reden. In diesem Fall hat er versucht, dass es zu einem Täter-Opfer-Ausgleich kommt. Dazu müssen beide Parteien – Täter <strong>und</strong> Opfer – bereit sein. Nicht immerist das möglich oder sinnvoll.Aber in diesem Fall waren beide Parteien dazu bereit <strong>und</strong> es kam zu einem Gespräch. Indiesem Gespräch blicken die Täter dann dieser Frau ins Gesicht – <strong>und</strong> sie blickt denJugendlichen ins Gesicht, was für sie sehr schwer war. Sie erzählt ihnen, dass sie ihren Jobaufgeben musste, weil sie da<strong>nach</strong> zu viel Angst hatte, dass sie deswegen die Raten für ihrAuto nicht mehr zahlen konnte usw.Die Jugendlichen sind betroffen. Das hatten sie so ja gar nicht beabsichtigt. Das Gesprächhilft ihnen, zu verstehen, was sie angerichtet haben <strong>und</strong> sie können ehrlicher <strong>und</strong>überzeugter um Entschuldigung bitten. Und sie bemühen sich um eine zumindest finanzielleWiedergutmachung. Damit ist der angerichtete Schaden zwar nicht behoben, aber es machtes der Frau leichter, die Sache für sich abzuhaken. Sie sieht, dass das ja keine Ungeheuersind, sondern junge Menschen. Und es fällt ihr leichter, auch die psychischen Folgen derSache zu überwinden.Also: Blick deinem Feind, deinem Gegenüber ins Gesicht - <strong>und</strong> entdecke, dass er ein Menschist.Dazu gehört auch, dass wir versuchen, das Ganze auch aus der Sicht des anderen zu sehen.Eine der häufigsten Klagen in Eheberatungsgesprächen lautet:„Nur der oder die andere ist schuld. Nur der/die andere muss sich ändern. An mir liegt’sbestimmt nicht! Wenn’s nur <strong>nach</strong> mir ginge, gäb’s gar kein Problem.“Sich in solch einer Situation darauf einzulassen – <strong>und</strong> das erfordert ganz viel Mut - einmaldie Sicht des anderen einzunehmen <strong>und</strong> seine Motive zu verstehen – das kann manchmalder erste Schritt sein, um verhärtete Fronten aufzubrechen.


Ein weiterer Schritt könnte sein:2. Tu das Unerwartete! – Durchbrich den Kreislauf der Feindschaft!Genau das fordert Jesus, wenn er sagt: „Ihr habt gehört, dass gesagt ist „Auge um Auge –Zahn um Zahn“. Ich aber sage euch, dass ihr nicht widerstreben sollt dem Bösen.“ - - -Und dann seine überraschenden Vorschläge macht...Auge um Auge – das ist bereits eine Begrenzung der Vergeltung. Die Vergeltung soll nichtmaßlos sein, wozu Rachegefühle ja oft verführen wollen. Nein, die Vergeltung soll nichtgrößer sein als der angerichtete Schaden – <strong>und</strong> wenn das eingehalten wird, ist ja schon eineMenge gewonnen im Zusammenleben der Menschen <strong>und</strong> Völker!Aber Jesus geht noch viel weiter. Er will den Kreislauf des Bösen gänzlich durchbrechen.Das, was Jesus hier seinen Jüngern – <strong>und</strong> uns - vorschlägt, nennen Psychologen eineparadoxe Intervention (eine unsinnig scheinende Handlung) – <strong>und</strong> wer dazu fähig ist, zeigt,dass er nicht schwach, sondern erstaunlich stark ist.Wer sich darauf einlässt, kommt raus aus der Rolle des passiven Opfers. Er (oder sie) nimmtdas Heft des Handelns in die Hand, wird aktiv, tut das Überraschende.Z.B. der Kollege, der dem älteren Kollegen, der ständig an ihm herumnörgelt, überraschendeine große Portion Eis aus der Mittagspause mitbringt.Einer muss als erstes den Kreislauf des Bösen, der immer ein Teufelskreislauf ist,durchbrechen. Einer muss den ersten Schritt gehen.Manchmal ist das sehr schwierig, besonders wenn man mitten drin steckt in dem Kreislauf,wenn der Konflikt so richtig festgefahren ist. Dann kann es sehr hilfreich <strong>und</strong> manchmalauch not-wendend sein, Hilfe von außen zu suchen <strong>und</strong> mit einem Berater oder einemSeelsorger/Seelsorgerin zu sprechen.Auch hier in der Gemeinde gibt es sicherlich Menschen, die bereit stehen, wenn man Ratsucht oder sich einfach mal alles von der Seele reden will. Es ist keine Schande, zuzugeben,dass wir manchmal Hilfe brauchen. Unser Leben ist doch zu kostbar <strong>und</strong> zu kurz, um es imUnfrieden zu verbringen.3Jesus macht Gottes unbedingten Willen zur Gemeinschaft bzw. zu deren Wiederherstellungdeutlich. Sein Ziel mit uns Menschen ist, dass wir in heilvollen <strong>und</strong> versöhnten Beziehungenleben – dafür sind wir gemacht.Aber unsere Beziehungen sind nicht unangefochten, sie werden angegriffen. Manchmalstehen sie regelrecht unter Beschuss.Da brauchen wir Kraft <strong>und</strong> Mut, damit wir uns nicht vom Bösen überwältigen lassen,sondern das Böse mit Gutem überwinden.Das führt zum nächsten Schritt:3. Lerne, zu vergeben, den andern aus seiner Schuld zu entlassenIch weiß, das ist schwer. Und es ist ein Prozess, der Zeit braucht. Und bei Verletzungen,gerade, wenn sie tiefer gehen, ist es oft sinnvoll, nicht zu früh den berühmten Schwammherauszuholen, sondern erst einmal kräftig „Aua“ zu schreien – einmal, weil das die


normale Reaktion ist, aber auch, damit der andere überhaupt merkt, was er bei mirangerichtet hat.Aber wenn die Verletzung wirklich heilen soll, dann ist es irgendwann notwendig, dass wirvergeben, dass wir den andern aus seiner Schuld entlassen, ihm nichts mehr „<strong>nach</strong>-tragen“wie wir das im Deutschen so treffend ausdrücken.Jedes Mal, wenn wir im Vaterunser beten: „Und vergib uns unsere Schuld – so wie wirvergeben unseren Schuldigern“ erinnern wir uns daran, dass Jesus uns dazu auffordert, zuvergeben. Aber damit fordert Jesus nicht etwas von uns, was uns das Leben unnötig schwermachen soll!Nein, die Aufforderung, zu vergeben ist die Einladung zur Freiheit.Der amerikanische Ex-Präsident Clinton berichtete einmal von seiner ersten Begegnung mitNelson Mandela.In einer Unterredung mit diesem großartigen Staatsmann aus Südafrika sagte Clinton: „Alssie aus dem Gefängnis entlassen wurden, da habe ich meine Tochter um 3 Uhr morgensgeweckt, weil ich wollte, dass sie diesen historischen Augenblick miterlebt. Als Sie aus demGebäude kamen <strong>und</strong> über den Hof zum Tor der Haftanstalt gingen, da zeigte die Kamera IhrGesicht aus nächster Nähe. Ich habe noch nie ein solches Maß an Wut, ja, sogar Hass ineinem Menschen gesehen wie in diesem Moment in Ihrem Gesicht. Das war damals nichtder Nelson Mandela, den ich heute kenne. Was war damals anders als heute?“Mandela erwiderte: „Es überrascht mich, dass Sie das damals so gesehen haben, <strong>und</strong> ichbedaure, dass meine Wut vor laufender Kamera so sichtbar wurde.Als ich damals über den Gefängnishof ging, dachte ich: Sie haben dir alles genommen, wasdir wichtig war. Dein Anliegen ist tot. Deine Familie ist zerstört. Deine Fre<strong>und</strong>e sindumgekommen. Du bist zwar in Freiheit, aber es ist nichts mehr da, wofür es sich zu lebenlohnt.Ich war damals so voller Hass auf sie wegen allem, was sie mir angetan hatten.Doch dann hörte ich eine innere Stimme, die zu mir sagte:“Nelson! Du warst 27 Jahre langihr Gefangener <strong>und</strong> doch warst du immer ein freier Mann! Nun lass nicht zu, dass sie dicham Tag deiner Freilassung zu einem Gefangenen machen!“Mich berührt diese Geschichte ganz tief.Vergebung ist nicht leicht. Sie kostet viel. Aber nicht zu vergeben kostet auch viel – Wirbleiben Gefangene.Erst wenn du vergibst, erlebst du die Verletzung nicht immer wieder neu. Erst dann wirst dufrei.4Aber woher nehmen wir die Kraft für Vergebung?Ich glaube, diese Kraft bekommen wir da, wo wir selber aus der Vergebung Gottes leben.Wo wir erkennen, wie sehr wir diese Vergebung selber nötig haben. Und wo wir Gott dafürdanken <strong>und</strong> diese Vergebung bestaunen <strong>und</strong> genießen.Jesus hat die Forderung, seine Feinde zu lieben, selbst zu 100 % erfüllt. Er hat seine Feindegeliebt, damals als sie ihn ans Kreuz schlugen <strong>und</strong> er hat auch uns geliebt, als wir noch seineFeinde waren.


Feindesliebe, das ist keine Forderung, die mit Gott nichts zu tun hätte – <strong>und</strong> die wirschaffen könnten, wenn wir uns nur genug anstrengen. Jeder, der das ernsthaft versucht,gerät sehr schnell an seine Grenzen.Ohne Jesus schaffen wir es nicht. Ohne von seiner Vergebung zu leben, schaffen wir esnicht.Die Bergpredigt ist nicht ohne den Bergprediger zu haben.Jesus ist der, zu dem wir mit unserem Versagen, auch mit unserer Unfähigkeit, zu vergeben,kommen können – immer wieder.Bei ihm finden wir Vergebung, Liebe <strong>und</strong> Barmherzigkeit – immer wieder.Er füllt uns die Hände, damit auch wir nun unsererseits etwas von dieser Liebe <strong>und</strong>Vergebung weitergeben können – immer wieder.5Amen.Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsre Herzen <strong>und</strong> Sinne inChristus Jesus. Amen

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