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Waldfriedhof in Aumühle 1911 - Evangelische Kirche

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Lothar Ne<strong>in</strong>ass<br />

<strong>Waldfriedhof</strong> <strong>in</strong> <strong>Aumühle</strong><br />

<strong>1911</strong> – 2011<br />

Blick <strong>in</strong> die hundertjährige Geschichte<br />

des <strong>Waldfriedhof</strong>es<br />

Vier Kapitel


Kapitel 1<br />

Auch auf dem Friedhof <strong>in</strong> <strong>Aumühle</strong> ist die Zeit nicht stehen geblieben.<br />

Im Jahre 1909 lösten sich<br />

<strong>Aumühle</strong> von Brunstorf und<br />

Wohltorf von Hohenhorn, um<br />

e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same <strong>Kirche</strong>ngeme<strong>in</strong>de<br />

zu bilden. Zu der neuen<br />

<strong>Kirche</strong>ngeme<strong>in</strong>de sollte<br />

auch e<strong>in</strong> Friedhof gehören,<br />

denn bisher wurden Wohltorfer<br />

auf dem Friedhof von<br />

Hohenhorn und <strong>Aumühle</strong>r auf<br />

dem <strong>in</strong> Brunstorf beerdigt.<br />

Seit März <strong>1911</strong> gibt es den<br />

<strong>Waldfriedhof</strong> <strong>in</strong> <strong>Aumühle</strong>. Die<br />

Witwe von Fürst Herbert von<br />

Bismarck, Marguerite von<br />

Bismarck, überließ im Namen<br />

ihres damals 12-jährigen Sohnes Otto der <strong>Kirche</strong>ngeme<strong>in</strong>de <strong>Aumühle</strong> kostenlos e<strong>in</strong><br />

Waldgelände von 18.000 qm für den Friedhof und weitere 17.000 qm für den Bau der<br />

<strong>Kirche</strong> und e<strong>in</strong>es Geme<strong>in</strong>dehauses. In der Überlassungsurkunde für den Friedhof wurde<br />

beiden <strong>Kirche</strong>ngeme<strong>in</strong>den das dauernde Nutzungsrecht übertragen.<br />

Das Eigentum der Waldfläche für den Friedhof e<strong>in</strong>schließlich der Bäume auf dem Gelände<br />

blieb bei der Familie von Bismarck.<br />

Als sich die <strong>Kirche</strong>ngeme<strong>in</strong>de Wohltorf von <strong>Aumühle</strong> löste, wurde am 20. März 1928<br />

urkundlich abgesichert, dass für die Mitglieder beider <strong>Kirche</strong>ngeme<strong>in</strong>den die gleichen<br />

Rechte auf dem Friedhof gelten sollen. Auf dem Friedhof sollten die Verstorbenen aus den<br />

beiden politischen Geme<strong>in</strong>den, egal ob sie e<strong>in</strong>er <strong>Kirche</strong> angehören oder nicht, bestattet<br />

werden.<br />

Während die Anlage des Friedhofes bereits ab <strong>1911</strong> umgesetzt wurde, konnten die<br />

<strong>Kirche</strong>n <strong>in</strong> <strong>Aumühle</strong> und Wohltorf erst <strong>in</strong> den Jahren von 1928 bis 1930 gebaut werden.<br />

Auf den zunächst geplanten Bau e<strong>in</strong>er geme<strong>in</strong>samen Friedhofskapelle wurde aus<br />

f<strong>in</strong>anziellen Gründen verzichtet. Auch heute arbeiten die beiden <strong>Kirche</strong>ngeme<strong>in</strong>den, wie<br />

es die erste Friedhofsordnung im Jahre 1913 festlegte, bei der Verwaltung und Gestaltung<br />

des Friedhofes eng zusammen. Mitglieder<br />

aus beiden <strong>Kirche</strong>ngeme<strong>in</strong>den bilden e<strong>in</strong>en<br />

Friedhofsausschuss.<br />

Forstmeister Hugo Titze, von 1898 bis 1931 Leiter<br />

der Fürstlich von Bismarck’schen Forstverwaltung <strong>in</strong><br />

Friedrichsruh, und der damals bekannte Hamburger<br />

Gartenarchitekt Rudolph Jürgens erarbeiteten den<br />

Plan für den <strong>Waldfriedhof</strong>. „Unter den hohen<br />

Bäumen verschw<strong>in</strong>den die Unterschiede zwischen<br />

den e<strong>in</strong>zelnen Gräbern und Grabfeldern zugunsten<br />

des E<strong>in</strong>drucks e<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>samkeit. Unser<br />

<strong>Aumühle</strong>r Friedhof liegt mitten <strong>in</strong> den Wald<br />

e<strong>in</strong>gebettet. Durch diese besonders schöne Lage<br />

entsteht gleichzeitig der E<strong>in</strong>druck von Großzügigkeit<br />

und Geborgenheit“, heißt es <strong>in</strong> der Präambel zur<br />

Friedhofsordnung. „Der <strong>Waldfriedhof</strong> <strong>in</strong> <strong>Aumühle</strong><br />

gehört wohl zu den schönsten Friedhöfen <strong>in</strong><br />

Deutschland“, wird immer wieder von Besuchern<br />

bestätigt.


Die erste Beerdigung auf dem Friedhof im Sachsenwald war am 25. März <strong>1911</strong>. Im Laufe<br />

des Jahres wurden bereits 15 <strong>Aumühle</strong>r und Wohltorfer Bürger auf dem damals noch tief<br />

im Wald gelegenen Friedhof beigesetzt. Nach der Friedhofsordnung gab es Kauf-,<br />

Familien-, Wald- und E<strong>in</strong>zelgräber. Waldgräber mussten mehr als zwei Grabstellen<br />

haben. Die Ruhezeit der Gräber betrug <strong>in</strong> der Regel 25 Jahre. E<strong>in</strong>e Besonderheit waren<br />

die Kaufgräber. Sie konnten für die Dauer des Bestehens des Friedhofes erworben<br />

werden. Diese Bestimmung wurde erst im Jahr 1950 aufgehoben. In den Jahren se<strong>in</strong>es<br />

hundertjährigen Bestehens haben die <strong>Kirche</strong>nvorstände aus Wohltorf und <strong>Aumühle</strong> darauf<br />

geachtet, dass der Stil des Friedhofes erhalten bleibt.<br />

Der heutige Vorsitzende des Friedhofsausschusses, Dr. H<strong>in</strong>rich Jenckel, führt dieses nicht<br />

zuletzt auf die strengen Vorschriften der Friedhofsordnung zurück, die seit hundert<br />

Jahren Bestimmungen über Grabmale und Bepflanzungen festlegt. Besonders prägend<br />

s<strong>in</strong>d die ältesten Teile des Friedhofes, rechts und l<strong>in</strong>ks des Hauptganges. Hier bef<strong>in</strong>den<br />

sich große, besonders gestaltete Familiengrabanlagen.<br />

Mit dem Bevölkerungswachstum nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Friedhof zu kle<strong>in</strong><br />

und musste erweitert werden. Fürst Otto von Bismarck stellte 1950 erneut e<strong>in</strong>e Fläche<br />

von rund 18.000 qm Wald kostenlos zur Verfügung. Der Friedhof hatte jetzt e<strong>in</strong>e Größe<br />

von 36.000 qm.<br />

Bei dem Entwurf der neuen Friedhofsfläche entstand planerisch e<strong>in</strong> Bruch, denn die von<br />

Forstmeister Hugo Titze entwickelte Friedhofsfläche war <strong>in</strong> sich abgerundet und sah ke<strong>in</strong>e<br />

Erweiterung vor. Auf dem neuen, südlichen, Teil wurden daher, losgelöst von dem Ursprungsplan,<br />

durch den Gartenarchitekten Carl von Schierstedt großzügige,<br />

bogenförmige Wegegruppen angelegt. Carl von Schierstedt leitete nach dem Zweiten<br />

Weltkrieg den Friedhof <strong>in</strong> Neumünster. Darüber h<strong>in</strong>aus entwarf und gestaltete er für<br />

verschiedene Geme<strong>in</strong>den im Hamburger Umland Friedhöfe.<br />

Wer heute über den <strong>Aumühle</strong>r Friedhof geht, kann die Grenze zwischen dem alten Teil<br />

und dem neuen, südlichen, Friedhofsteil kaum erkennen.<br />

Um 1980 befürchtete der Friedhofsausschuss, mit den vorhandenen Friedhofsflächen<br />

nicht auszukommen. In <strong>Aumühle</strong> lebten damals rund 3000, <strong>in</strong> Wohltorf 2.500 Menschen<br />

und im Re<strong>in</strong>beker Ortsteil Krabbenkamp 1000 E<strong>in</strong>wohner, von denen rund 300 der<br />

evangelischen <strong>Kirche</strong> Wohltorf angehörten.<br />

Obwohl e<strong>in</strong> Wachsen der Bevölkerungszahl <strong>in</strong> den Geme<strong>in</strong>den nach den Vorgaben der<br />

Landesplanung kaum<br />

möglich war, kam es <strong>in</strong> der<br />

<strong>Kirche</strong>ngeme<strong>in</strong>de <strong>Aumühle</strong><br />

zur Sorge, die<br />

Friedhofsfläche könnte auf<br />

Dauer nicht ausreichen.<br />

Diese Bedenken wurden<br />

dadurch noch verstärkt,<br />

dass der Re<strong>in</strong>beker Ortsteil<br />

Krabbenkamp im Jahre 1979<br />

der <strong>Kirche</strong>ngeme<strong>in</strong>de Wohltorf<br />

zugeordnet wurde und<br />

die 300 <strong>Kirche</strong>nmitglieder<br />

vom Krabbenkamp die Möglichkeit<br />

bekamen, auf dem<br />

Friedhof <strong>in</strong> <strong>Aumühle</strong><br />

beigesetzt zu werden.<br />

Friedhofsplan von Carl Schierstedt


Die politische Geme<strong>in</strong>de <strong>Aumühle</strong> und Bürgermeister Otto Prueß schlossen sich den Bedenken<br />

des Friedhofsausschusses an. Es wurde e<strong>in</strong>e sehr großzügige Erweiterung von<br />

jetzt 36.000 um weitere 45.700 qm auf dann 81.700 vorgesehen.<br />

Ferd<strong>in</strong>and von Bismarck war nicht abgeneigt, die Wünsche zur Friedhofserweiterung zu<br />

erfüllen. Für die Errichtung oder die Erweiterung e<strong>in</strong>es Friedhofes ist e<strong>in</strong> formelles<br />

Bauleitplanverfahren vorgeschrieben. Von der Geme<strong>in</strong>devertretung ist e<strong>in</strong> Bebauungsplan,<br />

zum<strong>in</strong>dest aber e<strong>in</strong> Flächennutzungsplan aufzustellen. Am 10. Februar 1983<br />

beschloss die <strong>Aumühle</strong>r Geme<strong>in</strong>devertretung die 6. Änderung des Flächennutzungsplanes<br />

zur Erweiterung des Friedhofes. Doch mehrere Fachbehörden, die Landesplanung und<br />

auch die Forstbehörden widersprachen der Erweiterung des Friedhofes um 45.700<br />

Quadratmeter. E<strong>in</strong>en so massiven E<strong>in</strong>griff <strong>in</strong> den Sachsenwald hielten sie für nicht<br />

vertretbar. Auch das Argument, die Waldfläche bliebe ja erhalten, konnten die Kieler<br />

Behörden nicht umstimmen. Die Geme<strong>in</strong>de reduzierte daher die Erweiterungsfläche. Es<br />

wurde nur noch e<strong>in</strong> Streifen östlich des jetzigen Friedhofes <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Größe von rund<br />

11.000 Quadratmetern im Entwurf des Flächennutzungsplanes ausgewiesen. Das<br />

Planverfahren wurde dann am 17. Dezember 1987 vom Innenm<strong>in</strong>ister genehmigt.<br />

Unabhängig von der Ausweisung der 11.000 qm im Flächennutzungsplan wurde im<br />

Herbst 1984 auf Bitte der <strong>Kirche</strong>ngeme<strong>in</strong>de und des damaligen Bürgermeisters Otto<br />

Prueß mit Ferd<strong>in</strong>and von Bismarck e<strong>in</strong> notarieller Nutzungsvertrag abgeschlossen. In dem<br />

Vertrag erhielt die <strong>Kirche</strong>ngeme<strong>in</strong>de das Recht, über die im Flächennutzungsplan h<strong>in</strong>aus<br />

vorgesehene Erweiterung (11.000 qm) e<strong>in</strong>e Fläche von 34.700 Quadratmetern für<br />

Friedhofszwecke kostenlos auf Dauer zu nutzen. 23.000 qm schlossen sich auf der<br />

östlichen Seite an den Friedhof an. Die weitere Vergrößerung um 22.700 qm war nördlich<br />

des Friedhofes vorgesehen und reicht bis zum Gelände des Sportplatzes. Der auf dem<br />

Grundstück bef<strong>in</strong>dliche Baumbestand blieb im Eigentum der Bismarck’schen<br />

Forstverwaltung.<br />

Durch diese privatrechtliche Vere<strong>in</strong>barung sollte ausgeschlossen werden, dass die<br />

politische Geme<strong>in</strong>de ohne Zustimmung der <strong>Kirche</strong> die Flächen zwischen Sportplatz und<br />

Friedhof für e<strong>in</strong>e Bebauung umwandeln kann. Bürgermeister Otto Prueß und Pastor Hans-<br />

Jochen Arp brachten 1985 den Gedanken <strong>in</strong> die Diskussion, die Geme<strong>in</strong>de Wohltorf möge<br />

<strong>in</strong> der Nähe ihrer <strong>Kirche</strong> e<strong>in</strong>en eigenen Friedhof errichten. Damit wäre e<strong>in</strong>e<br />

Friedhofserweiterung <strong>in</strong> <strong>Aumühle</strong> nicht notwendig. Bei Durchsicht der alten Akten und<br />

Protokolle stellt man fest, dass bei den Politikern <strong>in</strong> <strong>Aumühle</strong> der Wunsch nach Trennung<br />

eher skeptisch gesehen wurde. Ganz entschieden sprachen sich Wohltorfs <strong>Kirche</strong>nvorstand<br />

und die Vertreter der politischen Geme<strong>in</strong>de gegen e<strong>in</strong>en eigenen Friedhof aus.<br />

Deutliche Widersprüche kamen auch von Mart<strong>in</strong> Fischer, dem Beauftragten für das<br />

Friedhofswesen im <strong>Kirche</strong>nkreis Herzogtum Lauenburg, und Propst Dr. Hermann August<strong>in</strong><br />

aus Ratzeburg sowohl gegen e<strong>in</strong>e Erweiterung als auch die Neue<strong>in</strong>richtung e<strong>in</strong>es<br />

Friedhofes. Beide befürchteten, e<strong>in</strong> so stark erweiterter Friedhof könne zu groß und nicht<br />

wirtschaftlich betrieben werden. In der heutigen Zeit würden sich die Menschen immer<br />

mehr zu kle<strong>in</strong>eren Grabstätten entschließen. Große Familiengräber, wie sie e<strong>in</strong>mal üblich<br />

waren, werden nicht mehr gewünscht. Daher würden auslaufende Belegungsrechte für<br />

diese Grabstellen häufig nicht mehr verlängert. Auch nach verschiedenen Gesprächen<br />

blieben die beiden Vertreter des <strong>Kirche</strong>nkreises bei ihrem e<strong>in</strong>deutigen „Ne<strong>in</strong>“, sowohl für<br />

e<strong>in</strong>e große Erweiterung der Friedhofsfläche, vor allem aber für e<strong>in</strong>en neuen Friedhof <strong>in</strong><br />

Wohltorf.<br />

Trotz der Bedenken der Fachbehörden und des <strong>Kirche</strong>nkreises wurde der Friedhof bereits<br />

während des laufenden Verfahrens zur Änderung des Flächennutzungsplanes im Jahre<br />

1984 Richtung Osten durch e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>zäunung erweitert. Bei e<strong>in</strong>er Ortsbesichtigung hat<br />

man den E<strong>in</strong>druck, als wären nicht nur 11.000 Quadratmeter gemäß Flächennutzungsplan,<br />

sondern 23.000 qm e<strong>in</strong>gezäunt worden. Erst mit Erlass vom 17.12.1987<br />

erfolgte dann die offizielle Genehmigung des Innenm<strong>in</strong>isters für die 6. Änderung des<br />

Flächennutzungsplanes mit der Erweiterungsfläche von 11.000 Quadratmetern.


E<strong>in</strong>e Erweiterung des Friedhofs war nur <strong>in</strong> Richtung Osten möglich. Bereits im Jahr 1950<br />

bei der ersten Vergrößerung gab es Probleme mit dem alten Plan von Forstmeister Hugo<br />

Titze. Der Plan von Hugo Titze sah – wie schon erwähnt - ke<strong>in</strong>e Möglichkeiten vor, breitere<br />

Wege vom alten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en neuen Teil anzulegen. Der Hauptweg war abgeschlossen<br />

durch das Ehrenmal für die Kriegstoten. Nur durch die Verlegung e<strong>in</strong>es mit Dauerrecht<br />

versehenen Kaufgrabes konnte e<strong>in</strong> breiterer Zugang zum erweiterten Teil geschaffen<br />

werden.<br />

Mit der Belegung der Erweiterungsfläche wurde erst 1990 begonnen, denn trotz der<br />

Befürchtungen, der Friedhof würde nicht ausreichen, gab es ke<strong>in</strong>e Engpässe. Bei e<strong>in</strong>em<br />

Spaziergang über den Friedhof kann man heute immer mehr freie Flächen sehen. „Da es<br />

im alten Friedhofsteil <strong>in</strong>zwischen zahlreiche frei gewordene Grabstellen gibt, kann die<br />

Friedhofsverwaltung den Wunsch, e<strong>in</strong>e Grabstelle auf dem alten Friedhofsteil zu bekommen,<br />

problemlos erfüllen, bestätigt Friedhofsgärtner Jerzy Amtsberg. Die<br />

Erweiterung des Friedhofes <strong>in</strong> Richtung Osten und die <strong>in</strong> letzter Zeit vermehrt frei werdenden<br />

Grabflächen auf dem alten Teil des Friedhofes können für die Friedhofsverwaltung<br />

zu e<strong>in</strong>em wirtschaftlichen Problem werden.<br />

Jahrzehnte lang durften nur Bürger aus <strong>Aumühle</strong> und Wohltorf sowie <strong>Kirche</strong>nmitglieder<br />

aus dem Re<strong>in</strong>beker Krabbenkamp auf dem Friedhof beerdigt werden. Bei Ausnahmen<br />

legte die <strong>Kirche</strong>ngeme<strong>in</strong>de sehr strenge Maßstäbe an, die nicht selten zu Verstimmungen<br />

und Ärger geführt haben. Heute gibt es diese Beschränkung nicht mehr. Wer will, kann<br />

sich auf dem Friedhof im Sachsenwald beerdigen lassen.<br />

Pastor Dirk Süssenbach<br />

begründet das mit den<br />

Kosten der Friedhofsunterhaltung:<br />

“Die Zahl<br />

der Beerdigungen aus<br />

unseren Geme<strong>in</strong>den war<br />

so ger<strong>in</strong>g, dass sich der<br />

<strong>Kirche</strong>nvorstand entschlossen<br />

hat, die Beschränkung<br />

aufzuheben.<br />

Die rund 80 Beerdigungen<br />

pro Jahr tragen zwar<br />

die laufenden Kosten für<br />

Betrieb und Verwaltung<br />

des Friedhofes. Für<br />

notwendige Investitionen<br />

und größere Instandsetzungsarbeiten<br />

reichen<br />

die Friedhofsgebühren aber nicht aus, da muss sich die Geme<strong>in</strong>de um zusätzliche<br />

E<strong>in</strong>nahmen bemühen, denn e<strong>in</strong> Zuschuss aus Mitteln der <strong>Kirche</strong>nsteuern ist nicht<br />

zulässig. Auch die Gebühren für die Friedhofsnutzung können nicht unbegrenzt steigen.“<br />

Genau die Befürchtungen von Propst Dr. Hermann August<strong>in</strong> und Mart<strong>in</strong> Fischer aus dem<br />

Jahr 1985 s<strong>in</strong>d auf dem <strong>Aumühle</strong>r Friedhof heute deutlich geworden.<br />

Zwischen Dr. H<strong>in</strong>rich Jenckel und Pastor Dirk Süssenbach besteht E<strong>in</strong>igkeit darüber, dass<br />

man sich neuen, von den Menschen gewünschten Ritualen und Formen der Beerdigung<br />

nicht grundsätzlich verschließen kann. Doch an dem e<strong>in</strong>maligen Charakter des<br />

<strong>Waldfriedhof</strong>es darf nicht gerüttelt werden. Um das zu gewährleisten, sieht die<br />

Friedhofsordnung weiter strenge Gestaltungen für Familien- oder Reihengräber vor. So<br />

s<strong>in</strong>d nach der Friedhofsordnung nur naturbelassene F<strong>in</strong>dl<strong>in</strong>ge zugelassen. Polierte und<br />

fe<strong>in</strong> geschliffene Ste<strong>in</strong>e s<strong>in</strong>d auf dem Friedhof unerwünscht und werden nicht genehmigt.<br />

Umgrenzungen der Gräber durch Hecken oder Zäune s<strong>in</strong>d nach der Friedhofsordnung<br />

nicht erlaubt, um den großzügigen Charakter des Friedhofes nicht zu zerstören.


Durch die e<strong>in</strong>malig zu zahlenden Grabnutzungsgebühren für 25 Jahre wird die Unterhaltung<br />

des Friedhofes f<strong>in</strong>anziert. Die nachfolgend genannten Zahlen gelten ab<br />

1. Oktober 2011. So s<strong>in</strong>d 625,00 € zu zahlen für e<strong>in</strong>e Reihengrabstätte. Höher s<strong>in</strong>d die<br />

Gebühren für e<strong>in</strong>e Wahlgrabstätte (Familiengrab). Sie beträgt 750,00 € pro Grabbreite.<br />

H<strong>in</strong>zu kommen die Kosten für das Ausheben des Grabes <strong>in</strong> Höhe von 550,00€. Nicht<br />

e<strong>in</strong>geschlossen <strong>in</strong> diese Preise s<strong>in</strong>d die Kosten für die fünfundzwanzigjährige Pflege des<br />

Grabes. Sie kann von den Angehörigen durchgeführt oder bei e<strong>in</strong>em Gärtner <strong>in</strong> Auftrag<br />

gegeben werden. Auf die Frage, was neben den Friedhofsgebühren an Kosten für e<strong>in</strong>e<br />

Beerdigung entsteht, nannte der <strong>Aumühle</strong>r Beerdigungsunternehmer Klaus Dieter<br />

Hüttmann rund 3.500 Euro für e<strong>in</strong>e normale Bestattung: „Durch <strong>in</strong>dividuelle Wünsche<br />

kann sich der Betrag erhöhen.“<br />

Auf dem neuen Teil des Friedhofsgeländes bietet der <strong>Kirche</strong>nvorstand die Möglichkeit,<br />

anonym bestattet zu werden. Die Kosten betragen für e<strong>in</strong>e Erdbestattung 1.150 Euro und<br />

für e<strong>in</strong>en Urnenplatz 975,00 Euro.<br />

Daneben gibt es aber auch e<strong>in</strong> Gräberfeld (Reihengräber mit e<strong>in</strong>heitlicher Gestaltung),<br />

das von der Friedhofsverwaltung gepflegt wird. Anders als auf dem anonymen Gräberfeld<br />

weisen Gedenkste<strong>in</strong>e auf die Verstorbenen h<strong>in</strong>. „Wir haben uns zu diesem Angebot<br />

entschlossen, weil immer mehr Menschen nach e<strong>in</strong>er würdigen Form der Beisetzung<br />

gesucht haben, bei der die Grabpflege für die Dauer der fünfundzwanzigjährigen Ruhezeit<br />

durch die Friedhofsverwaltung gesichert ist“, führt Pastor Dirk Süssenbach aus, und er<br />

ergänzt: “Vielfach haben Menschen ke<strong>in</strong>e Familienangehörigen, die sich um die<br />

Grabpflege kümmern können.“<br />

In diesen Fällen entstehen Kosten von e<strong>in</strong>malig 1.050,00 € bei e<strong>in</strong>er Erdbestattung oder<br />

875,00 € für e<strong>in</strong>e Urnenbeisetzung. E<strong>in</strong>geschlossen <strong>in</strong> diese Gebühren ist die<br />

fünfundzwanzigjährige Grabpflege durch die Friedhofsverwaltung. E<strong>in</strong> e<strong>in</strong>heitlicher<br />

Kissenste<strong>in</strong> mit den persönlichen Daten des Verstorbenen kann <strong>in</strong> Auftrag gegeben<br />

werden. Er kostet 500,00 Euro.<br />

Seit November 2006 gibt es <strong>in</strong> <strong>Aumühle</strong> die Möglichkeit, Urnen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Kolumbarium<br />

auf dem Friedhof beisetzen zu können (Siehe ausführlichen Bericht zum Kolumbarium).<br />

Nachdem <strong>in</strong> umliegenden Wäldern <strong>in</strong> letzter Zeit verstärkt „Friedwälder“ ausgewiesen<br />

werden, überlegt der Friedhofsausschuss, ob <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Teil des Friedhofes e<strong>in</strong> Bereich<br />

e<strong>in</strong>gerichtet werden kann, <strong>in</strong> dem Beisetzungen unter Bäumen möglich s<strong>in</strong>d. Es würde<br />

dort ke<strong>in</strong>e Gräber mit Grabste<strong>in</strong>en geben. Der Wald bliebe <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er ursprünglichen Art<br />

weitgehend erhalten. Unter den Bäumen würden Urnen beigesetzt. Lediglich e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e<br />

Tafel, an dem Baum angebracht, würde an den Verstorbenen er<strong>in</strong>nern. Arno Flügge,<br />

Vorsitzender des Wohltorfer <strong>Kirche</strong>nvorstandes, steht e<strong>in</strong>er solchen Form der Beisetzung<br />

durchaus positiv gegenüber, zumal nach se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung entsprechende Flächen und Bäume<br />

vorhanden s<strong>in</strong>d. Voraussetzung muss aber se<strong>in</strong>, dass der Charakter e<strong>in</strong>em kirchlichen<br />

Friedhof entspricht.<br />

Wenn auch die 6. Änderung des Flächennutzungsplanes nur e<strong>in</strong>e Erweiterung des Friedhofes<br />

um rund 11.000 Quadratmeter <strong>in</strong> östlicher Richtung vorsieht, blieb es aber bei der<br />

privatrechtlichen Zusage von Ferd<strong>in</strong>and von Bismarck, der <strong>Kirche</strong> auch das Waldstück<br />

zwischen Sportplatz und Friedhof als Friedhofserweiterungsfläche auf Dauer zur Verfügung<br />

zu stellen.<br />

Wie aus dem Schriftwechsel zwischen <strong>Kirche</strong> und politischer Geme<strong>in</strong>de hervor geht, sollte<br />

verh<strong>in</strong>dert werden, dass „selbst spätere Geme<strong>in</strong>devertretungen nicht an diese Fläche<br />

heran könnten, um e<strong>in</strong>e andere Nutzung (z.B. Bauland) zu erreichen“.


Dieses schien im<br />

Jahre 2008 <strong>in</strong> der<br />

Geme<strong>in</strong>devertretung,<br />

bei der Bismarck‘schen<br />

Verwaltung<br />

und auch bei der<br />

<strong>Kirche</strong>ngeme<strong>in</strong>de <strong>in</strong><br />

Vergessenheit<br />

geraten zu se<strong>in</strong>. Die<br />

politische Geme<strong>in</strong>de<br />

suchte e<strong>in</strong>e Fläche<br />

für e<strong>in</strong> Baugebiet,<br />

um <strong>in</strong> der Zukunft<br />

Bauplätze für junge<br />

<strong>Aumühle</strong>r Bürger zu<br />

bekommen. Die<br />

Landesregierung<br />

hatte angekündigt,<br />

Baugebiete nur noch<br />

<strong>in</strong> großen Geme<strong>in</strong>den zuzulassen. Nach zahlreichen Gesprächen schlug die<br />

Landesplanung das 37.000 qm große Gebiet zwischen Sportplatz und Friedhof vor. Der<br />

Bereich ist im Flächennutzungsplan zur Zeit als Wald- und Forstfläche ausgewiesen. Bei<br />

der Bürgeranhörung zur Änderung des Flächennutzungsplanes gab es erheblichen Protest<br />

von Anliegern, die sich durch die geplante Erschließung des Wohngebietes bee<strong>in</strong>trächtigt<br />

fühlten.<br />

Es ist zweifelsfrei, dass e<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>de ohne Berücksichtigung der Eigentumsverhältnisse<br />

e<strong>in</strong>e Ortsplanung durchführen kann. Erstaunlich ist aber, dass es zwischen den<br />

Beteiligten vor Beg<strong>in</strong>n der Bauleitplanung nicht zu Gesprächen gekommen ist, <strong>in</strong> denen<br />

geklärt wurde, ob die <strong>Kirche</strong> bereit wäre, auf ihr privatrechtliches Recht der<br />

Friedhofserweiterung zu verzichten. Im Oktober 2011 hat die Geme<strong>in</strong>devertretung die<br />

Fortsetzung der Bauleitplanung mit der Zurückweisung der vorgetragenen Anregungen<br />

und Bedenken gegen den Flächennutzungsplan beschlossen.<br />

Auch wenn der <strong>Waldfriedhof</strong> <strong>in</strong> diesem Jahr offiziell 100 Jahre alt ist, wurden hier im<br />

Wald schon vor Jahrtausenden Menschen bestattet. Wie die Bergedorfer Zeitung am 12.<br />

März 1969 berichtete, entdeckten<br />

Arbeiter auf dem Friedhof Scherben.<br />

E<strong>in</strong>e gründliche Prüfung ergab, dass es<br />

sich um Scherben von drei Gefäßen<br />

handelt, an denen Reste von<br />

Leichenbrand festgestellt werden<br />

konnten. Altertumsforscher glauben,<br />

dass die Gefäße aus der jüngeren<br />

Bronzezeit stammen; dies wäre um<br />

1000 vor Christi. Auf noch frühere<br />

Beerdigungen deuten die vier<br />

prähistorischen Grabhügel auf dem<br />

Friedhofsgelände h<strong>in</strong>. Sie s<strong>in</strong>d<br />

wahrsche<strong>in</strong>lich 4000 bis 5000 Jahre alt.<br />

Reihengräber <strong>in</strong> Waldlage, werden von der<br />

Friedhofsverwaltung gepflegt


Kapitel 2<br />

Das Kolumbarium<br />

e<strong>in</strong> Urnenhaus auf dem <strong>Aumühle</strong>r Friedhof<br />

Das unter hohen Bäumen versteckte Mausoleum der<br />

Familie von Dassel wurde 2006 von der Kirchgeme<strong>in</strong>-<br />

de zu e<strong>in</strong>em Kolumbarium umgestaltet.<br />

Seit November 2006 Jahres<br />

gibt es auf dem <strong>Aumühle</strong>r<br />

Friedhof e<strong>in</strong>e <strong>in</strong> Deutschland<br />

bisher noch relativ<br />

unbekannte Möglichkeit der<br />

Beisetzung, das Kolumbarium.<br />

Es handelt sich um<br />

e<strong>in</strong> Gebäude, <strong>in</strong> dem <strong>in</strong><br />

spezielle Fächer Urnen<br />

e<strong>in</strong>gestellt werden können.<br />

Was für die Menschen <strong>in</strong><br />

Norddeutschland recht neu<br />

ist, hat se<strong>in</strong>en Ursprung im<br />

ersten und zweiten Jahrhundert<br />

<strong>in</strong> Rom. Man schuf<br />

diese Form für kostengünstige<br />

Bestattungen,<br />

denn die „Eigentümer“ von<br />

Sklaven mussten für deren Beerdigung sorgen. Die Leichen wurden verbrannt und deren<br />

Asche <strong>in</strong> Tonkrüge getan, die dann <strong>in</strong> Mauernischen versenkt wurden. In Deutschland<br />

wurden die ersten Kolumbarien errichtet, nachdem ab 1879 die katholische <strong>Kirche</strong> die<br />

Feuerbestattung zugelassen hatte.<br />

Dass diese Form der Beisetzung noch ungewöhnlich ist, zeigt sich auch dar<strong>in</strong>, dass im<br />

Kolumbarium <strong>in</strong> <strong>Aumühle</strong> seit der E<strong>in</strong>weihung im November 2006 bisher nur zwei Urnen<br />

e<strong>in</strong>gestellt und für vier Urnen Reservierungen vorgenommen wurden. Friedhofsauschussvorsitzender<br />

Dr. H<strong>in</strong>rich Jenckel ist aber sicher, dass e<strong>in</strong> Kolumbarium auch auf<br />

dem <strong>Aumühle</strong>r Friedhof Interessenten f<strong>in</strong>den wird: „Das Kolumbarium auf dem<br />

Ohlsdorfer Friedhof <strong>in</strong> Hamburg wird sehr gut angenommen.“<br />

Im <strong>Aumühle</strong>r Kolumbarium gibt es 60 E<strong>in</strong>zel- und 10 Doppelfächer für die E<strong>in</strong>stellung von<br />

Urnen. Diakon Hans Walter (früher Ansverus-Haus) und der <strong>Aumühle</strong>r Schlossermeister<br />

Dieter Villwock haben den Raum künstlerisch so gestaltet, dass er hell und freundlich<br />

wirkt. Die Urnen werden <strong>in</strong> Fächern h<strong>in</strong>ter Glasscheiben stehen, <strong>in</strong> die die persönlichen<br />

Daten der Verstorbenen e<strong>in</strong>graviert werden können. Die Ausstattung mit den<br />

Glasfenstern wurde gewählt, um die Anonymität der Verstorbenen aufzubrechen. Es soll<br />

den Angehörigen die Möglichkeit gegeben werden, im Kolumbarium der Toten <strong>in</strong><br />

würdigem Rahmen zu gedenken.<br />

Die Kosten für das E<strong>in</strong>stellen e<strong>in</strong>er Urne mit<br />

e<strong>in</strong>er Nutzungsdauer von 25 Jahren beträgt<br />

1.200 Euro. Die <strong>Kirche</strong>ngeme<strong>in</strong>de konnte die<br />

Errichtung des Kolumbariums nur realisieren,<br />

weil sich auf dem Friedhof das Mausoleum der<br />

Familie von Dassel bef<strong>in</strong>det, für das die<br />

Nachfahren seit langem e<strong>in</strong>e s<strong>in</strong>nvolle<br />

Nutzung suchten, um sich von den hohen<br />

Unterhaltungskosten für das unter<br />

Denkmalschutz stehende Gebäude zu<br />

entlasten.<br />

Innenansicht des Kolumbariums


Kaum e<strong>in</strong> <strong>Aumühle</strong>r kennt das Mausoleum <strong>in</strong> der h<strong>in</strong>teren Ecke des Friedhofes, und noch<br />

weniger Menschen können sich an die Eheleute von Dassel er<strong>in</strong>nern, die von alten<br />

<strong>Aumühle</strong>rn als „Exzellenzen“ bezeichnet wurden. Viele Jahrzehnte war der klassizistische<br />

Sandste<strong>in</strong>bau unter den hohen Buchen kaum beachtet worden. Er verfiel zusehends.<br />

Schlagzeilen gab es nur, als Diebe gleich nach dem Zweiten Weltkrieg die kupfernen<br />

Dachr<strong>in</strong>nen stahlen und als Anfang der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts E<strong>in</strong>brecher<br />

<strong>in</strong> das Mausoleum e<strong>in</strong>drangen und aus den Gräbern die edelste<strong>in</strong>verzierten Orden<br />

sowie den Säbel Hanno von Dassels raubten. Nach dem Diebstahl war der Z<strong>in</strong>ksarg<br />

wieder fachgerecht verschlossen worden. Die Tat wäre wohl niemals aufgedeckt worden,<br />

wenn die aus Lübeck stammenden Diebe sich nicht selbst verraten hätten.<br />

Die Eheleute von Dassel s<strong>in</strong>d um 1900 nach <strong>Aumühle</strong> gekommen. Sie bauten ihre weiße<br />

Villa an der Ecke Bismarck-Allee / Hofriedeallee. Hanno von Dassel war junger Leutnant<br />

im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71. Später wurde er erster Quartiermeister<br />

des kaiserlich-königlichen Heeres unter Reichskanzler Otto von Bismarck und stieg <strong>in</strong><br />

dieser Zeit bis zum Generalleutnant auf. Nach dem preußischen Hofreglement war er<br />

daher als „Exzellenz“ anzusprechen.<br />

Se<strong>in</strong>e Frau Anna<br />

Charlotte von Dassel engagierte<br />

sich auf sozialem<br />

Sektor. Sie gründete<br />

<strong>1911</strong> den Vaterländischen<br />

Frauenvere<strong>in</strong>, das heutige<br />

Rote Kreuz, <strong>in</strong><br />

<strong>Aumühle</strong>. Schirmherr<strong>in</strong><br />

für den Ortsvere<strong>in</strong> <strong>in</strong><br />

<strong>Aumühle</strong> wurde die<br />

letzte deutsche Kaiser<strong>in</strong><br />

Auguste Victoria.<br />

Wie Geme<strong>in</strong>dearchivar<br />

Friedrich Nehlsen <strong>in</strong> alten<br />

Bauunterlagen fand, wurde<br />

das Mausoleum 1914<br />

errichtet. Geplant hat es<br />

der Hamburger Architekt Emil Neupert. Bauunternehmer war der <strong>Aumühle</strong>r Baumeister<br />

He<strong>in</strong>rich Hackmack. Archivar Friedrich Nehlsen stellte weiter fest, dass das Gebäude<br />

12.000 Goldmark gekostet hat. „Das war damals e<strong>in</strong> Vermögen“, ergänzte er. Im Jahr<br />

1918 starb Generalleutnant von Dassel. Er wurde <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em großen Trauerakt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em<br />

Mausoleum beigesetzt. Charlotte von Dassel starb 1955. Sie wurde ebenfalls im Mausoleum<br />

bestattet.<br />

Im Jahre 1970 übertrug der letzte Nachfahre der Familie von Dassel das Mausoleum auf<br />

dem Friedhof an die <strong>Kirche</strong>ngeme<strong>in</strong>de <strong>Aumühle</strong>. Das Ehepaar von Dassel wurde vor gut<br />

zwanzig Jahren neben dem Mausoleum beigesetzt.


Kapitel 3<br />

Wandel von der Heldenverehrung zum Gedenken<br />

der Opfer von Krieg und Gewalt<br />

Bereits bei der gärtnerischen<br />

Planung des <strong>Waldfriedhof</strong>es durch<br />

Forstmeister Hugo Titze war an<br />

zentraler Stelle e<strong>in</strong> Ehrenmal<br />

vorgesehen. Vom E<strong>in</strong>gang aus sollte<br />

man e<strong>in</strong>en Blick auf das<br />

gegenüberliegende Denkmal haben.<br />

Wer bedenkt, aus welchem<br />

konservativ politischen Umfeld<br />

Hugo Titze kam, kann sich gut<br />

vorstellen, dass er bei den<br />

Planungen im Jahre 1909 wohl<br />

davon ausgegangen war, e<strong>in</strong><br />

Denkmal nicht nur zu Ehren der<br />

Das heutige Ehrenmal auf dem <strong>Waldfriedhof</strong> gefallenen Soldaten, sondern für die<br />

„siegreichen Helden“, also alle Kriegsteilnehmer aus den Kriegen 1864, 1866 und<br />

1870/71 zu errichten. Als Vorbild dürften ihm die <strong>in</strong> fast allen größeren Geme<strong>in</strong>den<br />

errichteten Kriegerdenkmale gedient haben. Das Totengedenken blieb im H<strong>in</strong>tergrund.<br />

Der Platz für das Ehrenmal auf dem <strong>Aumühle</strong>r Friedhof war bereits 1909 vorhanden, doch<br />

das Denkmal wurde erst im Jahre 1924 geschaffen. Inzwischen waren die Kriege der<br />

Bismarck’schen Zeit <strong>in</strong> den H<strong>in</strong>tergrund getreten. Das Deutsche Reich hatte den Ersten<br />

Weltkrieg verloren. Es waren 2 Millionen Tote zu beklagen.<br />

Die Errichtung e<strong>in</strong>es Ehrenmales für die gefallenen Soldaten erschien den Bürgern <strong>in</strong><br />

<strong>Aumühle</strong> und Wohltorf wichtig. In den beiden Geme<strong>in</strong>den bildete sich e<strong>in</strong> Kriegervere<strong>in</strong>,<br />

der e<strong>in</strong>e Er<strong>in</strong>nerungsstätte für die Gefallenen des Weltkrieges von 1914 bis 1918 schaffen<br />

wollte. Die Pläne sahen e<strong>in</strong>en von e<strong>in</strong>er Feldste<strong>in</strong>mauer e<strong>in</strong>gefassten runden Hof vor. In<br />

der Mitte sollte auf e<strong>in</strong>em ebenfalls aus Feldste<strong>in</strong>en gemauerten Sockel e<strong>in</strong> großer<br />

F<strong>in</strong>dl<strong>in</strong>g stehen. In den Feldste<strong>in</strong> e<strong>in</strong>gemeißelt waren e<strong>in</strong> Stahlhelm und e<strong>in</strong> Schwert<br />

sowie die Jahreszahlen 1914/18. Unterhalb des F<strong>in</strong>dl<strong>in</strong>gs war auf e<strong>in</strong>er Ste<strong>in</strong>tafel zu<br />

lesen:<br />

Die Edelsten s<strong>in</strong>d auf de<strong>in</strong>er Höhe erschlagen.<br />

Wie s<strong>in</strong>d die Helden gefallen. 2. Sam. Vers. 19<br />

In der Bibel lautet der Vers. 19 vollständig:<br />

„Die Edelsten <strong>in</strong> Israel s<strong>in</strong>d auf de<strong>in</strong>er Höhe erschlagen. Wie s<strong>in</strong>d die Helden gefallen“.<br />

Durch freiwillige Leistungen der Handwerker He<strong>in</strong>rich Hackmack und Karl Bartels sowie<br />

zahlreicher Bürger konnte das Mahnmal 1924 errichtet werden. In e<strong>in</strong>em Aufsatz für das<br />

Geme<strong>in</strong>dearchiv berichtet Wilhelm Brandt, dass der große F<strong>in</strong>dl<strong>in</strong>g im Saupark im<br />

Sachsenwald gefunden wurde. Auf e<strong>in</strong>em schweren Holzwagen, gezogen von acht<br />

Pferden, wurde der Ste<strong>in</strong> zum<br />

Friedhof gebracht und dort<br />

aufgestellt. Die drei Bronzetafeln <strong>in</strong><br />

der Mitte des Sockels mit den<br />

Namen der im 1.Weltkrieg<br />

gefallenen Soldaten aus Friedrichsruh,<br />

<strong>Aumühle</strong> und Wohltorf<br />

wurden erst 1932 angebracht.<br />

In der Weimarer Republik versuchte<br />

der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge<br />

ab 1919, zu e<strong>in</strong>em<br />

Volkstrauertag aufzurufen. Im


Jahre 1922 kam es im Reichstag zu e<strong>in</strong>er ersten offiziellen Totengedenkfeier. Nach<br />

langen Diskussionen, auch mit den <strong>Kirche</strong>n, wurde ab 1926 der 5. Sonntag vor Ostern<br />

(Rem<strong>in</strong>iscere) zum Volkstrauertag erklärt. Er wurde aber ke<strong>in</strong> offizieller Feiertag. In der<br />

Bevölkerung konnte sich e<strong>in</strong> Volkstrauertag nicht durchsetzen. Die Friedensappelle<br />

wurden nicht gehört. Immer stärker wurde der E<strong>in</strong>fluss der Konservativen und der<br />

Nationalliberalen bei der Gestaltung der Gedenkveranstaltungen. Die Nationalsozialisten<br />

„übernahmen“ schließlich den Gedenktag. Sie legten den 27. Februar und später e<strong>in</strong>en<br />

Sonntag im März als staatlichen Feiertag, als „Heldengedenktag“, fest.<br />

Nicht mehr die Trauer um die Toten, sondern die Heldenverehrung sollte im Mittelpunkt<br />

der Feiern stehen. Als äußeres Zeichen der Veränderung ordnete Propagandam<strong>in</strong>ister<br />

Joseph Goebbels an, dass die zur Feier mitgeführten Vere<strong>in</strong>sfahnen und Banner ke<strong>in</strong>en<br />

Trauerflor tragen sollten. Alle Fahnen sollten an diesem Tag nicht mehr auf „Halbmast“,<br />

sondern auf „Vollstock“ gehisst werden.<br />

Zum Heldengedenktag des Jahres 1932 wurden, wie schon erwähnt, am Sockel des<br />

Denkmals drei Bronzetafeln mit den Namen der aus <strong>Aumühle</strong>, Friedrichsruh und Wohltorf<br />

gefallenen Soldaten angebracht.<br />

Es wurde e<strong>in</strong> pompöser Festakt. Die Vere<strong>in</strong>e und Verbände aus <strong>Aumühle</strong> und Wohltorf<br />

hatten Abordnungen mit den Vere<strong>in</strong>sfahnen entsandt. Wenn man das Foto von der<br />

Veranstaltung sieht, ist sofort klar, das war ke<strong>in</strong>e Trauerfeier, ke<strong>in</strong>e Mahnung, sondern<br />

e<strong>in</strong> Heldengedenken, so wie es der Zeit des erstarkenden nationalen Gefühls entsprach.<br />

Bis zum Jahr 1945 wurde im März der Heldengedenktag vor dem Ehrenmal begangen.<br />

1948 wurde <strong>in</strong> den drei westlichen Besatzungszonen die alte Form des Volkstrauertages<br />

wieder aufgenommen. Er wurde 1952 als staatlicher Gedenktag auf den 2. Sonntag vor<br />

dem 1. Advent festgelegt und gehört zu den „Stillen Tagen“. Dieses sche<strong>in</strong>t im<br />

Bewusstse<strong>in</strong> der Bevölkerung heute vielfach nicht mehr bekannt zu se<strong>in</strong>. Rundfunk und<br />

Heldengedenkfeier 1932<br />

Fernsehen passen ihre Programme kaum dem S<strong>in</strong>n des Volkstrauertages an. E<strong>in</strong> Blick<br />

über die Grenze <strong>in</strong> die Niederlande zeigt, wie man es anders machen kann.<br />

In den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts setzte sich <strong>in</strong> den Geme<strong>in</strong>devertretungen<br />

und den <strong>Kirche</strong>nvorständen von <strong>Aumühle</strong> und Wohltorf die Auffassung immer


stärker durch, dass das Ehrenmal auf dem Friedhof <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Form nicht mehr zeitgemäß<br />

sei. Die Architekten Bernhard Hopp und Rudolf Jäger aus Hamburg erhielten 1957 den<br />

Auftrag, das Denkmal neu zu gestalten. Vorgabe war es, ke<strong>in</strong>e Gedenkstätte zur Heldenverehrung<br />

zu errichten. Auch sollte auf kirchliche und staatliche Symbole verzichtet werden.<br />

Die beiden Architekten hielten an dem Feldste<strong>in</strong>sockel und der Feldste<strong>in</strong>mauer fest.<br />

Der F<strong>in</strong>dl<strong>in</strong>g wurde vom Sockel gehoben und vor dem neuen Denkmal e<strong>in</strong>gegraben.<br />

An Stelle des F<strong>in</strong>dl<strong>in</strong>gs erhielt der Sockel die Umschrift:<br />

Den Opfern von Krieg und Gewalt 1914 – 1918 und 1939 – 1945.<br />

Die drei Tafeln mit den Namen der Gefallenen des 1. Weltkrieges blieben unverändert.<br />

Die Umgestaltung des Denkmales kostete 10.000 DM. Die F<strong>in</strong>anzierung erfolgte durch<br />

den Verkauf von „Bauste<strong>in</strong>en“ <strong>in</strong> Form von Postkarten mit e<strong>in</strong>em Foto des neuen<br />

Denkmales. Da an dem Denkmal ke<strong>in</strong>e nationalen oder christlichen Symbole angebracht<br />

werden sollten, schlug Pastor Dr. Gerhard Ehrenforth als Alternative vor, „probehalber“ <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em Abstand von e<strong>in</strong>igen Metern h<strong>in</strong>ter dem Ehrenmal e<strong>in</strong> schlichtes Holzkreuz<br />

aufzustellen. Das Holzkreuz stieß auf breite Zustimmung <strong>in</strong> der Bevölkerung.<br />

Zu den jährlichen Gedenkfeiern am Volkstrauertag luden die politischen Geme<strong>in</strong>den<br />

<strong>Aumühle</strong> und Wohltorf e<strong>in</strong>. In den ersten Jahren nach dem Krieg war die Beteiligung<br />

groß. Alle Verbände und Vere<strong>in</strong>e erschienen mit möglichst vielen Mitgliedern. Feuerwehr,<br />

DRK und Schützen kamen <strong>in</strong> Uniform bzw. <strong>in</strong> Tracht. Jeder Vere<strong>in</strong> legte am Ehrenmal<br />

e<strong>in</strong>en Kranz nieder. Die Ansprachen hielten vielfach Prom<strong>in</strong>ente aus den Geme<strong>in</strong>den.<br />

Schüler der <strong>Aumühle</strong>r Schule lasen Gedichte und Texte. Der Gesangvere<strong>in</strong> und die<br />

Feuerwehrkapelle umrahmten musikalisch die Veranstaltung.<br />

Auch wenn das Gedenken an die Toten des Krieges und der Gewaltherrschaft immer<br />

stärker <strong>in</strong> den Vordergrund trat, kam doch auch bei e<strong>in</strong>igen Rednern das Heldengedenken<br />

früherer Jahrzehnte durch. So auch 1968, als e<strong>in</strong> General a.D. aus Wohltorf die<br />

Ansprache hielt.<br />

Im Jahre 1969 kam es zu e<strong>in</strong>em Eklat<br />

bei der Gedenkstunde. Die <strong>Aumühle</strong>r<br />

Pfadf<strong>in</strong>der hatten sich bereit erklärt, die<br />

Veranstaltung zu organisieren. Sie<br />

hatten sich zum Ziel gesetzt, nicht auf<br />

die Heldenverehrung, sondern auf die<br />

Schrecken der Gewalt <strong>in</strong> aller Welt h<strong>in</strong>zuweisen,<br />

z.B. auf den s<strong>in</strong>nlosen Krieg <strong>in</strong><br />

Vietnam oder das Wettrüsten der<br />

Großmächte. Die von Ihnen vorgetragenen<br />

Texte empfanden viele ältere<br />

<strong>Aumühle</strong>r und Wohltorfer als Provokation.<br />

Die Gedenkstunde wurde vom<br />

damaligen Bürgervorsteher Kurt<br />

Zoellner abgebrochen. <strong>Aumühle</strong>s Pfadf<strong>in</strong>der hatten aber erreicht, dass über das<br />

Gedenken der Toten des Zweiten Weltkrieges h<strong>in</strong>aus über die kriegerischen<br />

Ause<strong>in</strong>andersetzungen und die Gewalt <strong>in</strong> unserer Zeit diskutiert wurde, und sie machten<br />

vielen bewusst, dass das Sterben auf<br />

Kriegsfeldern 1945 nicht aufgehört hat. Die<br />

Geme<strong>in</strong>den <strong>Aumühle</strong> und Wohltorf zogen<br />

aus dieser Diskussion die Lehre, dass nur<br />

die beiden Bürgermeister im Wechsel e<strong>in</strong>e<br />

Ansprache bei der Gedenkstunde halten<br />

sollten. Auf die Beteiligung der Schule und<br />

der Feuerwehrkapelle wurde verzichtet. Es<br />

sollte nur noch e<strong>in</strong>e schlichte Gedenkfeier<br />

se<strong>in</strong>.<br />

Der frühere Vorsitzende des<br />

Friedhofsausschusses Dr. Christian Luther<br />

wollte sich nicht damit abf<strong>in</strong>den, dass der


F<strong>in</strong>dl<strong>in</strong>g aus dem Jahr 1929 vor dem Gedenkste<strong>in</strong> vergraben blieb. Er überzeugte den<br />

<strong>Kirche</strong>nvorstand, den Feldste<strong>in</strong> 1978 wieder ausgraben zu lassen. Mit se<strong>in</strong>em Plan, den<br />

Ste<strong>in</strong> wieder auf das Denkmal zu stellen, konnte er sich nicht durchsetzen. Nachdem der<br />

F<strong>in</strong>dl<strong>in</strong>g von den Friedhofsgärtner ausgegraben worden war, wurde er <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Hilfsaktion<br />

der Feuerwehr Hamburg auf e<strong>in</strong>en Sockel rechts neben das Denkmal gestellt. Kosten s<strong>in</strong>d<br />

für diese Aktion nicht entstanden.<br />

Die Bergedorfer Zeitung berichtete am 23. November 1978:<br />

AUMÜHLE (ma) Der Volkstrauertag 1978 stand für 150 <strong>Aumühle</strong>r Bürger, die sich auf<br />

dem <strong>Waldfriedhof</strong> e<strong>in</strong>gefunden hatten, unter e<strong>in</strong>em besonderen Aspekt: E<strong>in</strong> Gedenkste<strong>in</strong><br />

für die Gefallenen des 1. Weltkrieges, der 1950 von se<strong>in</strong>em Sockel gestoßen und<br />

vergraben worden war, steht an neuer Stelle. Seitlich versetzt von dem Denkmal für die<br />

toten Soldaten aus <strong>Aumühle</strong>, Wohltorf und Friedrichsruh.<br />

Pastor Hans-Jochen Arp erläuterte, warum dieser F<strong>in</strong>dl<strong>in</strong>g mit Stahlhelm und Bajonett an<br />

e<strong>in</strong>em neuen Platz wieder aufgestellt wurde: „Mit dieser Aktion wollen wir der typisch<br />

deutschen Untugend, die Vergangenheit zu begraben, entgegenwirken. Wir müssen uns<br />

mit unserer Geschichte ause<strong>in</strong>andersetzen.“<br />

Als <strong>in</strong> den 50iger Jahren der Ste<strong>in</strong> auf Beschluss der politischen Gremien beseitigt wurde,<br />

habe man versucht, den Ste<strong>in</strong> des Anstoßes, den Fels des Ärgers, e<strong>in</strong>fach zu beseitigen,<br />

anstatt „ihn für die Versöhnung der Völker zu nutzen“.<br />

Pastor Arp sagte, er verstehe zwar die Gefühle der Bürger, denn wir alle waren damals<br />

von der Schmach des Versailler Diktats tief erfüllt“. In Zukunft komme es aber darauf an,<br />

mite<strong>in</strong>ander auszukommen; denn: „Wer heute schießt, rührt e<strong>in</strong> Feuer an, das nicht<br />

mehr zu löschen ist.“<br />

Der vor zwei Jahren <strong>in</strong> der Wohltorfer Geme<strong>in</strong>devertretung diskutierte Vorschlag, e<strong>in</strong>e<br />

Bronzeplatte mit den Namen der gefallenen Soldaten des Zweiten Weltkrieges<br />

anzubr<strong>in</strong>gen, fand <strong>in</strong> den Geme<strong>in</strong>devertretungen bisher ke<strong>in</strong>e Zustimmung, da es sehr<br />

schwierig ist, festzulegen welche Namen auf der Tafel festgehalten werden sollen. Sollen<br />

nur die Namen der aus <strong>Aumühle</strong>, Friedrichsruh und Wohltorf stammenden Gefallenen<br />

aufgeführt werden? Was ist mit den vielen Menschen, die nach dem Krieg z.B. aus den<br />

deutschen Ostgebieten nach <strong>Aumühle</strong> gekommen s<strong>in</strong>d und die häufig auch<br />

Familienangehörige im Krieg verloren haben?<br />

So wie das Denkmal 1957<br />

gestaltet worden ist, hat jeder<br />

die Möglichkeit, dort zu trauern<br />

und der Verstorbenen zu<br />

gedenken, egal ob sie im Kampf<br />

als Soldat oder durch andere<br />

Gewalt zu Tode gekommen s<strong>in</strong>d.<br />

Im Laufe der Jahre s<strong>in</strong>d die<br />

Mauer und das Denkmal durch<br />

Witterungse<strong>in</strong>flüsse beschädigt<br />

worden. Für rund 5000 Euro<br />

haben die politischen Geme<strong>in</strong>den<br />

<strong>Aumühle</strong> und Wohltorf, die sich<br />

für das Denkmal verantwortlich<br />

fühlen, im Sommer 2011<br />

Reparaturen durchführen lassen.


Kapitel 4<br />

Seit dem 7. Oktober 2001 steht auf<br />

dem neuen Teil des Friedhofes <strong>in</strong><br />

<strong>Aumühle</strong> e<strong>in</strong> Gedenkste<strong>in</strong> mit der<br />

Aufschrift:<br />

„In den Jahren von 1941 – 1942<br />

wurden mehr als 30 unbekannte<br />

russische Kriegsgefangene auf dem<br />

Friedhof <strong>Aumühle</strong> beigesetzt. Sie waren<br />

im Lager Oedendorf<br />

untergebracht und arbeiteten im Forst<br />

Sachsenwald. Zwischen 1950 und<br />

1960 wurden die meisten auf russische<br />

Soldatenfriedhöfe umgebettet.“<br />

Kriegsgefangenenlager <strong>in</strong> der „Bauernstube“<br />

Gedenkste<strong>in</strong> auf dem Friedhof<br />

In der Zeitschrift „<strong>Aumühle</strong> &<br />

Wohltorf aktuell“ wird von<br />

Geme<strong>in</strong>dearchivar Friedrich Nehlsen ausführlich über die Enthüllung des Gedenkste<strong>in</strong>es<br />

im Oktober 2001 berichtet (11/2001). Anwesend waren neben den <strong>Aumühle</strong>r<br />

<strong>Kirche</strong>nvertretern Prof. Dr. Hartmut Goethe (Vorsitzender des Friedhofsausschusses) und<br />

Pastor Dr. Mart<strong>in</strong> Rößler der damalige russische Vizekonsul Alexander Kuzm<strong>in</strong>, Helmut<br />

Kähler als Vertreter des Volksbundes Deutscher Kriegsgräberfürsorge sowie die<br />

Pianist<strong>in</strong>nen Svetlana Ters<strong>in</strong>skich und Gal<strong>in</strong>a Kaganovskaya. Leider kann sich ke<strong>in</strong>er der<br />

damals beteiligten <strong>Kirche</strong>nvorstandsmitglieder und Pastoren daran er<strong>in</strong>nern, was im Jahr<br />

2001 zur Aufstellung des Gedenkste<strong>in</strong>es geführt hat. In den <strong>Kirche</strong>nunterlagen gibt es<br />

nur e<strong>in</strong>en Beschluss des Friedhofsausschusses vom 26. Mai 2000, <strong>in</strong> dem beschlossen<br />

wird, den Gedenkste<strong>in</strong> aufzustellen. Wohltorfs ehemaliger Pastor Erich Zschau entwarf<br />

die Aufschrift für den Ste<strong>in</strong>.<br />

Auch beim Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge <strong>in</strong> Hamburg gibt es zu dem<br />

Gedenkste<strong>in</strong> ke<strong>in</strong>en Schriftwechsel. Es lässt sich nicht dokumentieren, wie und warum es<br />

im Jahr 2001 zu der Aufstellung des Gedenkste<strong>in</strong>es gekommen ist. Der Text auf dem<br />

Gedenkste<strong>in</strong> ist nicht schlüssig. Warum s<strong>in</strong>d nur die im Lager Oedendorf und nicht auch<br />

die im <strong>Aumühle</strong>r Lager gestorbenen Zwangsarbeiter auf dem <strong>Aumühle</strong>r Friedhof beerdigt<br />

worden?<br />

Auf dem Friedhof s<strong>in</strong>d während der Kriegsjahre ke<strong>in</strong>e Zwangsarbeiter oder Gefangene<br />

beerdigt worden, weder aus Oedendorf noch aus <strong>Aumühle</strong>. Wenn, wie auf dem Ste<strong>in</strong> zu<br />

lesen ist, die meisten der dreißig Toten später auf russische Friedhöfe umgebettet<br />

wurden, müsste die Friedhofsverwaltung die Gräber der Verstorbenen registriert haben.<br />

Aber auch dafür gibt es <strong>in</strong> den <strong>Kirche</strong>nbüchern ke<strong>in</strong>e H<strong>in</strong>weise, genauso wie für die<br />

Umbettungen.<br />

Durch nachfolgenden Text soll versucht werden, mehr Klarheit <strong>in</strong> die Vergangenheit zu<br />

br<strong>in</strong>gen.<br />

Es gab zwei Lager für russische Kriegsgefangene. E<strong>in</strong>es <strong>in</strong> <strong>Aumühle</strong> und das zweite <strong>in</strong><br />

Oedendorf, auf der Nordseite des Sachsenwaldes. Oedendorf ist e<strong>in</strong> Ortsteil der<br />

Geme<strong>in</strong>de Kuddewörde.<br />

E<strong>in</strong>e weitere Unterkunft für ausländische Arbeiter befand sich im <strong>Aumühle</strong>r Ortsteil Krim.<br />

Nach e<strong>in</strong>er Aufstellung des damaligen Amtsvorstehers waren dort am 1. Dezember 1944<br />

27 Männer mit polnischer Staatsangehörigkeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Baracke untergebracht. Diese<br />

Männer, alle um 40 Jahre alt, waren vermutlich als Waldarbeiter im Sachsenwald oder als<br />

Hilfsarbeiter im Dampfsägewerk e<strong>in</strong>gesetzt. E<strong>in</strong>zelheiten über das Lager <strong>in</strong> der Krim und<br />

die Schicksale der Arbeiter s<strong>in</strong>d nicht bekannt.


Auf e<strong>in</strong>e schriftliche Anfrage vom August 2007 an den Gutsvorsteher des Forstgutsbezirkes<br />

Sachsenwald mit der Bitte um Auskünfte aus dem Archiv des Forstgutsbezirks<br />

gab es ke<strong>in</strong>e Antwort. In dem Buch „Verschleppt zur Sklavenarbeit“ führen Gerhard<br />

Horch und Rolf Schwarz alle bekannten Kriegsgefangenen- und Zwangsarbeiterlager <strong>in</strong><br />

Schleswig-Holste<strong>in</strong> auf. Darunter auch das Lager <strong>in</strong> Oedendorf. Es ist <strong>in</strong> der Liste als<br />

Kriegsgefangenenlager aufgeführt, <strong>in</strong> dem 30 Gefangene aus der Sowjetunion <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

ehemaligen Scheune untergebracht worden waren. Die Männer wurden <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie als<br />

Arbeiter im Sachsenwald e<strong>in</strong>gesetzt.<br />

Magda Remus (gestorben im August 2011), die die Kriegsjahre <strong>in</strong> Kuddewörde erlebte,<br />

er<strong>in</strong>nerte sich daran, dass das Lager unter der Aufsicht von Revierförster Olschewski<br />

stand. Auch über das Lager <strong>in</strong> Oedendorf gibt es ke<strong>in</strong>e Akten. „Nach dem Krieg wurden<br />

viele Schriftstücke verbrannt oder <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Teich geworfen“, berichtete Magda Remus. Sie<br />

er<strong>in</strong>nerte sich, dass Gefangene, die im Lager verstarben, auf e<strong>in</strong>er Karre nach <strong>Aumühle</strong><br />

gebracht wurden.<br />

Das Kriegsgefangenenlager <strong>in</strong> <strong>Aumühle</strong> ist <strong>in</strong> der Schleswig-Holste<strong>in</strong>ischen Liste der<br />

Gefangenenlager von Horch und Schwarz nicht erwähnt. Die von e<strong>in</strong>igen <strong>Aumühle</strong>rn geäußerte<br />

Vermutung, das Lager könnte e<strong>in</strong>e Außenstelle des Konzentrationslagers Neuengamme<br />

gewesen se<strong>in</strong>, bestätigte sich nicht, wie die KZ-Gedenkstätte Neuengamme auf<br />

Anfrage im Juni 2010 mitteilte.<br />

Das <strong>Aumühle</strong>r Kriegsgefangenenlager wurde (vermutlich 1940) <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ehemaligen<br />

Tanzsaal, der „Bauernstube“, e<strong>in</strong>gerichtet. Die Bauernstube war e<strong>in</strong>e Gastwirtschaft. Sie<br />

stand gegenüber dem Restaurant „Waldesruh am See“ neben dem Hotel „Fischerhaus“<br />

(heute Italia). Eigentümer<strong>in</strong> des Gebäudes „Bauernstube“ war die Familie von Bismarck.<br />

Nach dem Krieg waren <strong>in</strong> der Bauernstube vorübergehend Heimatvertriebene untergebracht,<br />

bevor sie bei <strong>Aumühle</strong>r Familien e<strong>in</strong>quartiert wurden. Ab etwa 1955 nutzte der<br />

<strong>Aumühle</strong>r Sportvere<strong>in</strong> das Gebäude als Turnhalle, bis es wegen Baufälligkeit abgebrochen<br />

wurde.<br />

Es gibt im Archiv der Geme<strong>in</strong>de <strong>Aumühle</strong> ke<strong>in</strong>e Unterlagen über das Kriegsgefangenenlager<br />

<strong>in</strong> der Bauernstube <strong>in</strong> <strong>Aumühle</strong>.<br />

In e<strong>in</strong>er Dokumentation über Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene <strong>in</strong> der Stadt Mölln<br />

schreibt Stadtarchivar Christian Lopau, dass mit e<strong>in</strong>em Schreiben des Landrats des<br />

Kreises vom 20. September 1939 die Ortspolizeibehörden und Bürgermeister<br />

aufgefordert wurden, <strong>in</strong> möglichst jeder Geme<strong>in</strong>de oder jedem Amtsbezirk e<strong>in</strong><br />

Kriegsgefangenen-Außenlager (zu je 50 Mann) e<strong>in</strong>zurichten. Ziel war es, die<br />

Kriegsgefangenen als billige Arbeitskräfte für die deutsche Wirtschaft zu nutzen. Die<br />

Lager unterstanden organisatorisch den Geme<strong>in</strong>den bzw. Amtsverwaltungen. Die<br />

Zuweisung der Gefangenen erfolgte durch die Arbeitsämter. Für die Bewachung und<br />

Sicherheit sorgte die Wehrmacht. Das Kriegsgefangenenlager <strong>in</strong> der Bauernstube<br />

unterstand wahrsche<strong>in</strong>lich dem „Kommandeur der Kriegsgefangenen im Wehrkreis X“<br />

und ab Oktober 1944 dem Reichsführer SS und Befehlshaber des Ersatzheeres He<strong>in</strong>rich<br />

Himmler.<br />

Die Aufsicht durch die deutschen Soldaten soll sehr freizügig<br />

gehandhabt worden se<strong>in</strong>. Die Türen seien auch nachts nicht<br />

verschlossen gewesen. Nach Berichten von <strong>Aumühle</strong>rn waren<br />

dort etwa 30 - 50 Männer untergebracht. Sie sollen<br />

überwiegend im Sachsenwald gearbeitet haben.<br />

Aber auch <strong>Aumühle</strong>r konnten Kriegsgefangene anfordern, um<br />

sie bei der Gartenarbeit oder als Hilfskräfte bei anderen<br />

Arbeiten e<strong>in</strong>zusetzen. So berichtet Ilse Graßmann <strong>in</strong> ihrem<br />

Tagebuch „Ausgebombt“, dass beim Bau ihres Hauses <strong>in</strong> der<br />

Alten Hege Kriegsgefangene aus dem Lager geholfen haben:<br />

„Für e<strong>in</strong>e Mark pro Tag und Russe kann man Hilfskräfte<br />

ausleihen. Es s<strong>in</strong>d nette Leute und sie kommen gern. Natürlich<br />

erwarten sie, dass man ihnen zu essen gibt und etwas zum<br />

Rauchen.“ Ilse Graßmann


In e<strong>in</strong>er späteren E<strong>in</strong>tragung vom 15. Oktober 1944 schreibt Ilse Graßmann: „Der<br />

Lagerleiter der Russen hat sich wieder gemeldet. Ob wir nicht gegen etwas zu essen und<br />

zu rauchen wieder Arbeit für se<strong>in</strong>e Gefangenen haben. Es geht ihnen sehr schlecht. Die<br />

Rationen sollen fürchterlich kle<strong>in</strong> se<strong>in</strong>. Aber das Brot ist auch für uns knapp geworden.“<br />

E<strong>in</strong> weiteres tragisches Ereignis beschreibt Ilse Graßmann <strong>in</strong> ihrem Tagebuch unter dem<br />

29. April 1945. Am 23. April war der Ehemann von Ilse Graßmann von Wietzendorf (bei<br />

Lüneburg) nach <strong>Aumühle</strong> als Kommandant des Gefangenenlagers abkommandiert<br />

worden. Doch wenige Tage später erhielt er den Befehl, sich <strong>in</strong> Lübeck zum E<strong>in</strong>satz an<br />

der Front zu melden. An der Holzhofkreuzung zwischen <strong>Aumühle</strong> und Friedrichsruh sollte<br />

er sich e<strong>in</strong>f<strong>in</strong>den, um dann mit drei weiteren Soldaten nach Lübeck gebracht zu werden.<br />

Als sie an der Kreuzung auf das Auto warteten, wurden sie von zwei Tieffliegern<br />

beschossen.<br />

Verletzt wurde niemand, doch nach wenigen Augenblicken hörten sie Explosionen und<br />

sahen, dass das Schloss Friedrichsruh brannte. Die Tiefflieger hatten das Bismarck’sche<br />

Schloss bombardiert. Kurt Graßmann und die anderen Soldaten liefen Richtung Schloss,<br />

um zu helfen.<br />

Se<strong>in</strong>en Sohn, der den Vater begleitet hatte, schickte Kurt Graßmann zum Kriegsgefangenenlager<br />

nach <strong>Aumühle</strong>, um die russischen Gefangenen zum Helfen zu holen. Bei<br />

dem Bombenangriff kamen der Schweizer Generalkonsul Adolf Zehnder, se<strong>in</strong>e Ehefrau<br />

und die Hausangestellte Else Schuldt ums Leben.<br />

Am 2. Mai 1945 besetzten englische Soldaten <strong>Aumühle</strong>. Ohne Gegenwehr entwaffneten<br />

sie die Wachsoldaten am Kriegsgefangenenlager. Die deutschen Soldaten wurden,<br />

nachdem ihre Waffen zerstört worden waren, nach Hause geschickt.<br />

Die Russen waren jetzt frei, blieben sich selbst überlassen. Viele von ihnen bemühten<br />

sich, auf eigene Faust <strong>in</strong> ihre Heimat zurückzukommen.<br />

Joachim Schütte, Sohn des von den Engländern e<strong>in</strong>gesetzten Bürgermeisters Walter<br />

Schütte, er<strong>in</strong>nert sich, dass se<strong>in</strong> Vater den Russen Blechkisten zum Transport ihrer<br />

Habseligkeiten geschenkt hatte.<br />

Die deutschen Behörden sche<strong>in</strong>en mit Todesfällen im Kriegsgefangenenlager gerechnet<br />

zu haben, denn bereits im Herbst 1941 beantragte der Amtsvorsteher, im Sachsenwald,<br />

rund 300 Meter östlich des <strong>Aumühle</strong>r Friedhofs, e<strong>in</strong>e Fläche von rund 100 qm als<br />

Gräberfeld auszuweisen.<br />

Am 10. Dezember 1941 führte der Amtsarzt aus Ratzeburg e<strong>in</strong>e Besichtigung durch und<br />

hatte gegen Beerdigungen auf der Fläche im Sachsenwald ke<strong>in</strong>e Bedenken. Außer e<strong>in</strong>em<br />

Aktenvermerk im Kreisgesundheitsamt gibt es zum Gräberfeld ke<strong>in</strong>e Unterlagen. Bis zum<br />

Kriegsende 1945 wurden auf dem kle<strong>in</strong>en Gräberfeld 17 Verstorbene beerdigt. Es gibt<br />

ke<strong>in</strong>e H<strong>in</strong>weise, wer die Toten waren. Nach Zeugenaussagen kann davon ausgegangen<br />

werden, dass sie aus den Kriegsgefangenenlagern <strong>Aumühle</strong> und Oedendorf kamen. Die<br />

Todesursache kann Entkräftung durch mangelhafte Ernährung und schlechte hygienische<br />

Verhältnisse <strong>in</strong> den Lagern gewesen se<strong>in</strong>.<br />

Aus verschiedenen Berichten geht hervor, dass die nach Schleswig-Holste<strong>in</strong> gebrachten<br />

Kriegsgefangen <strong>in</strong> erbärmlichem Zustand gewesen se<strong>in</strong> sollen. Und wenn dann noch, wie<br />

Ilse Graßmann <strong>in</strong> ihrem Buch schildert, die Verpflegungs-Rationen im Lager nicht<br />

ausreichten, konnten Todesfälle nicht ausbleiben. Die 17 auf dem kle<strong>in</strong>en Gräberfeld<br />

außerhalb des Friedhofes beigesetzten Toten wurden am 26. Oktober 1960 auf den<br />

Russenfriedhof <strong>in</strong> Gudendorf bei Itzehoe umgebettet.<br />

Das Innenm<strong>in</strong>isterium teilt hierzu am 18. Dezember 2007 mit:<br />

„Die „Die Kriegsgräberanlage <strong>in</strong> Gudendorf ist e<strong>in</strong>e zentrale Begräbnisstätte für<br />

Kriegstote russischer Staatsangehörigkeit, die auch regelmäßig von russischen Besuchern<br />

aufgesucht wird.


Gräberfeld außerhalb<br />

des <strong>Aumühle</strong>r Friedhofes<br />

Bis zur Umbettung wurde das kle<strong>in</strong>e Gräberfeld<br />

von den Friedhofsgärtnern aus <strong>Aumühle</strong> gepflegt.<br />

Die immer wieder gehörte Behauptung, die<br />

verstorbenen Russen seien im Sachsenwald<br />

„verscharrt“ worden, ist nicht richtig, wie auch<br />

das Foto vom Gräberfeld zeigt.<br />

Erstaunlich ist, dass die Sterbefälle sche<strong>in</strong>bar<br />

nirgends beurkundet worden s<strong>in</strong>d. Normalerweise<br />

werden alle Todesfälle - ob von<br />

Deutschen oder Ausländern - bei dem Standesamt<br />

beurkundet, <strong>in</strong> dessen Amtsbereich sie<br />

gestorben s<strong>in</strong>d. Doch weder beim Standesamt <strong>in</strong><br />

Friedrichsruh noch <strong>in</strong> Basthorst (für Oedendorf)<br />

bef<strong>in</strong>den sich Beurkundungen <strong>in</strong> den<br />

Sterbebüchern.<br />

In e<strong>in</strong>em Brief vom 25. Januar 2011 bestätigt<br />

das Landesarchiv Schleswig Holste<strong>in</strong>, dass es<br />

e<strong>in</strong>e zentrale Registrierung verstorbener<br />

Kriegsgefangener und Zwangsarbeiter nicht<br />

gegeben habe: „E<strong>in</strong>e Registrierung fand <strong>in</strong> den jeweils örtlich zuständigen Standesämtern<br />

statt.“ Und weiter heißt es <strong>in</strong> dem Brief: „Die alliierten Besatzungsbehörden s<strong>in</strong>d nach<br />

dem Kriegsende dem Schicksal der Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter nachgegangen<br />

und haben über die Kreisverwaltungen Listen anfertigen lassen, die für den Kreis<br />

Herzogtum Lauenburg leider nicht überliefert s<strong>in</strong>d.“<br />

Die Deutsche Dienststelle für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen von Gefallenen<br />

der ehemaligen deutschen Wehrmacht (WASt), Berl<strong>in</strong> bestätigt auf Anfrage <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em Schreiben vom 15. August 2011, dass ab Mitte 1942 ke<strong>in</strong>e Sterbefälle von<br />

sowjetischen Kriegsgefangenen mehr bei den Standesämtern beurkundet worden seien.<br />

In e<strong>in</strong>igen Standesämtern war die Beurkundung der Sterbefälle bereits im Jahr 1941<br />

e<strong>in</strong>gestellt worden, weil, wie Christian Streit <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Buch „Ke<strong>in</strong>e Kameraden – Die<br />

Wehrmacht und die sowjetischen Kriegsgefangenen 1941 – 1945“ schreibt, die<br />

Standesämter wegen des Massensterbens „völlig überlastet“ seien und <strong>in</strong> den meisten<br />

Fällen die Personalien der verstorbenen Sowjetrussen nicht bekannt waren.<br />

Die Entscheidung, ke<strong>in</strong>e Beurkundungen durchzuführen, beruhte auf e<strong>in</strong>er Änderung der<br />

Personenstandsverordnung (§ 30). Dort wird festgelegt: „Der Reichsm<strong>in</strong>ister der Justiz<br />

und der Reichsm<strong>in</strong>ister des Innern können im E<strong>in</strong>vernehmen mit dem Chef OKW (Oberkommandierender<br />

der Wehrmacht) die Beurkundungen der Sterbefälle <strong>in</strong> anderer Weise<br />

regeln.“ Und geregelt wurde dann, dass überhaupt ke<strong>in</strong>e Beurkundung oder Registrierung<br />

erfolgte.<br />

In ihrem Brief vom 15. August 2011 schreibt die Deutsche Dienststelle (WASt) weiter,<br />

dass die von der Behörde geführten Akten über sowjetische Kriegsgefangene Mitte<br />

August 1945 von sowjetischen Truppen verpackt und mit unbekanntem Ziel fortgebracht<br />

wurden. Sie sollen sich jetzt im Zentralarchiv des M<strong>in</strong>isteriums für Verteidigung der<br />

Russischen Föderation <strong>in</strong> Podolsk bei Moskau bef<strong>in</strong>den.<br />

In der Deutschen Dienststelle werden zurzeit, alphabetisch und nach Nationen geordnet,<br />

1.500.000 Karteikarten mit Namen von fremdländischen Kriegsgefangenen verwaltet. In<br />

den der Deutschen Dienststelle zur Verfügung stehenden Lagerverzeichnissen s<strong>in</strong>d<br />

Kriegsgefangenenlager <strong>in</strong> <strong>Aumühle</strong> und Oedendorf nicht verzeichnet.<br />

Das Kriegsgefangenenlager <strong>in</strong> <strong>Aumühle</strong> wird daher wohl für immer e<strong>in</strong> weitgehend weißer<br />

Fleck <strong>in</strong> der Geschichte der Geme<strong>in</strong>de bleiben.


Wenn nun klar ist, dass die Schrift auf dem Gedenkste<strong>in</strong> falsch ist, sollte sie auch<br />

berichtigt werden. Und wenn man sich mit dem Gedenkste<strong>in</strong> befasst, wäre zu überlegen,<br />

ihn im Bereich des Ehrenmales neu aufzustellen. E<strong>in</strong> angemessener Platz wäre l<strong>in</strong>ks<br />

neben dem Gedenkste<strong>in</strong> mit dem Gedenken an alle Opfer von Krieg und Gewalt.<br />

Letzte Ergänzung: 12.1.2012<br />

Literatur:<br />

Prof. Dr. Hartmut Goethe, Geschichte des <strong>Waldfriedhof</strong>es<br />

(Internet-Seite <strong>Kirche</strong> <strong>Aumühle</strong>)<br />

Ilse Graßmann, „Ausgebombt“<br />

Christian Lopau, „Der E<strong>in</strong>satz ausländischer Arbeitskräfte“<br />

(Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene) <strong>in</strong> Mölln während des Zweiten Weltkrieges<br />

Fotovermerk:<br />

Geme<strong>in</strong>dearchiv <strong>Aumühle</strong>: 2 /<br />

Erhard Bartels: 1 /<br />

übrige Fotos: Lothar Ne<strong>in</strong>ass

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