KAPITEL 1Gewöhnliche Differentialgleichungen1. Der naturwissenschaftliche Anlass <strong>für</strong> DifferentialgleichungenNaturgesetze handeln zum überwältigenden Teil da<strong>von</strong>, wie sich gewisse Größen än<strong>der</strong>n, wenn Einflussgrößenund Parameter gewisse Werte haben. Beispielsweise Newtons Bewegungsgesetz: Kraft gleich Masse malBeschleunigung. Dabei ist die Beschleunigung die Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Geschwindigkeit, die Geschwindigkeit die An<strong>der</strong>ungdes Ortes. Es wird also in <strong>der</strong> Gleichung genau beschrieben, wie sich die 1. Ableitung <strong>der</strong> Geschwindigkeitsfunktionbzw. die zweite Ableitung <strong>der</strong> Ortsfunktion verhalten. Hier ein an<strong>der</strong>es einfaches Beispiel: Beieiner Tierpopulation beschreibt man etwa durch ein Modell <strong>der</strong> folgenden Art die Bevölkerungsentwicklung: DieÄn<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Bevölkerungszahl zur Zeit t setzt sich etwa zusammen aus einem Term proportional zur jeweiligenBevölkerungszahl - eine größere Bevölkerung produziert entsprechend mehr Nachkommen - N(t), αN(t), undeinem Term <strong>für</strong> den jeweiligen Schwund durch Nahrungsmangel, βN 2 (t), mit β < 0. Warum setzt man einenTerm proportional zu N 2 (t) an? Das ist qualitativ sinnvoll, weil etwa bei kleiner Bevölkerungszahl kaum einNahrungsmangel entsteht, <strong>der</strong> Schwund also mit N sehr flach ansteigt. Dagegen wird <strong>der</strong> Einfluss des Nahrungsmangelsüberwältigend bei großem N. Man könnte sich weitere Terme vorstellen, etwa Schwund durch Räuber,<strong>der</strong>en Bevölkerungszahl mit <strong>der</strong> ursprünglichen wechselwirkt, usw. Übrigens ergibt das ModelldNdt = αN(t), α > 0einfach das exponentielle Wachstum, das man etwa in Bereichen nicht allzu großer Werte <strong>von</strong> N <strong>für</strong> Bakterienkulturenkennt. Der Parameter α beschreibt dabei, wie schnell die Sache vor sich geht, und kann noch einerkonkreten Situation angepasst werden. Das ausführlichere Modell, die sogenannte logistische Gleichung,dNdt = αN(t) + βN 2 (t), mit α > 0, β < 0beschreibt schon realistischer, dass die ’Bäume nicht in den Himmel wachsen’: In diesem Falle ergibt sichfolgendes Bild: Startet man mit einer geringen Bevölkerungszahl, so wächst N , <strong>der</strong> Anstieg wird aber immerflacher, schließlich nähert sich N asymptotisch einer oberen Schranke M, die nie erreicht wird. Bei sehr kleinemWert <strong>von</strong> N ist <strong>der</strong> Anstieg gering und erreicht irgendwo ein Maximum, bevor die Steigung wie<strong>der</strong> gegen Nullsinkt. Startet man dagegen mit einer hohen Bevölkerungszahl oberhalb <strong>von</strong> M, so fällt N schnell asymptotischgegen M. Folgendes Bild zeigt die entsprechenden Verlaufskurven. Man kann diese Kurven sogar ausrechnen(Rechenausdruck im Kasten nach <strong>der</strong> Graphik, zugehörige Methoden werden noch besprochen). ’Sogar’: Es seigleich bemerkt, dass eine solche explizite Berechnung <strong>der</strong> Lösungen im allgemeinen keineswegs möglich ist, schonin vergleichsweise ’harmlosen’ Fällen nicht,Das Beispiel hat bereits alle wesentlichen Aspekte <strong>der</strong> Beschreibung <strong>von</strong> Vorgängen durch Differentialgleichungs- Modelle <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung herausgestellt:Die Zutaten <strong>für</strong> ein Differentialgleichungs - Prozessmodellgegebene Datenim BeispielWerte <strong>der</strong> Zustandsgrößen zur Zeit t 0 N(t 0 )Kopplungsparameter <strong>für</strong>Kopplungsparameter a, βdie Verän<strong>der</strong>ung, und weiter:Verän<strong>der</strong>ung zur Zeit tdN/dtals Funktion des ZustandesFunktion f(t, N(t)) =zur Zeit t und <strong>der</strong> Zeit tαN(t) + βN 2 (t)gesuchte Daten:Werte <strong>der</strong> Zustandsgrößen <strong>für</strong>α/βN(t) = Nalle an<strong>der</strong>en Zeiten0 e −αt (α/β+N 0)−N 01