PD Dr. <strong>Wolfgang</strong> <strong>Schindler</strong>. VL Das <strong>de</strong>utsche Schriftsystem. Version 8/2013. Seite 7einer Sprache verbun<strong>de</strong>n ist. Der Unterschied ist folgen<strong>de</strong>r: Im ersteren Falle ist die Schrift potentiell(einzel)sprachunabhängig (IDEOGRAPHIE), im letzteren Fall ist sie an die Zeichen einer bestimmtenSprache gebun<strong>de</strong>n. Logogramme <strong>de</strong>s ersteren Typs heißen auch IDEOGRAMME. De facto sindallerdings diverse Logographien schon auf mehr als eine Sprache angewandt wor<strong>de</strong>n, etwa die Ziffernzeichen.So sind(3) , und : eins, zwei, drei o<strong>de</strong>r un, <strong>de</strong>ux, trois o<strong>de</strong>r one, two, threeLogogramme, die Zahlbegriffe repräsentieren. und sind übereinzelsprachlich verständlich(zwei ist das nicht). – Eine Logographie funktioniert am besten für eine isolieren<strong>de</strong> Sprache, weiles keine grammatischen Morpheme zu schreiben gibt. Altchinesisch ist ein gutes Beispiel. Sumerischwur<strong>de</strong> zunächst auch in Logographie geschrieben. Aber das ist eine Sprache mit reichhaltigerFlexion. Daher wur<strong>de</strong>n sehr bald aus <strong>de</strong>n Logogrammen Silbenzeichen entwickelt und diese mit<strong>de</strong>n Logogrammen kombiniertSilbenschrift (SYLLABOGRAPHIE): Ein SYLLABOGRAMM repräsentiert (im I<strong>de</strong>alfall) eine Silbe <strong>de</strong>r gesprochenenSprache.(4) Katakana (jap. カタカナ aus カ ka, タ ta, ナ na)ALPHABETSCHRIFT: Ein Alphabet ist eine geordnete Menge von Buchstaben. Ein BUCHSTABE repräsentiert(im I<strong>de</strong>alfall) einen Laut; zum Beispiel repräsentiert das Phonem /l/. 12Die alphabetische Schrift wur<strong>de</strong> zwischen ca. 1.500 und 1.200 v. Chr. von <strong>de</strong>n Phöniziern aus <strong>de</strong>rägyptischen hieratischen Schrift (ab ca. 2.500 v. Chr.) entwickelt, und zwar zunächst als reine Konsonantenschrift.Die hieratische Schrift basiert im Wesentlichen auf <strong>de</strong>n bildhaften Hieroglyphen(und entstand eher parallel als im Nachhinein), abstrahiert aber <strong>de</strong>utlich, so dass die bildlicheGrundlage <strong>de</strong>s Zeichens verlorenging. Ca. 800 v. Chr. übernahmen die Griechen das Alphabet von<strong>de</strong>n Phöniziern. Sie fügten Buchstaben für alle Vokale hinzu und vollen<strong>de</strong>ten damit das Alphabet-Prinzip. Alle mo<strong>de</strong>rnen europäischen Alphabete gehen letztlich auf das griechische zurück.4 Zum Verhältnis von Lautebene und SchriftebeneDie Lautsprache ist phylogenetisch und ontogenetisch primär. In welcher Weise das Verhältnis <strong>de</strong>rSchriftsprache zur Lautsprache zu sehen ist, darüber gibt es zwei verschie<strong>de</strong>ne Auffassungen: (i)die ABLEITBARKEITSHYPOTHESE (DEPENDENZHYPOTHESE) und (ii) die KORRESPONDENZHYPOTHESE (manchmalauch Autonomiehypothese genannt, doch eine vollständige Autonomie <strong>de</strong>s Schriftsystems nichtheutzutage wohl kein Linguist an).Die ABLEITBARKEITSHYPOTHESE (z. B. Manfred Bierwisch, Jakob Ossner) nimmt an, dass es kaum o<strong>de</strong>rgar keine eigenständigen Schriftsystemregularitäten gibt, da Schrift als Visualisierung <strong>de</strong>r Lautspracheaufgefasst wird. Die Lautsprache ist primär, die Schriftsprache sekundär (keine Schriftspracheohne Lautsprache). Hypothese: Schriftsprachliche Formen sind aus ihren lautsprachlichengrundlagen (nahezu) vollständig ableitbar.12Manchmal repräsentiert ein Buchstabe eine Lautkombination wie bei /ks/, vgl. scherzhaft (aus <strong>de</strong>m Internet)Die drei X für's Leben: Xundheit, Xangsbuch, Xelchtes! mit Anspielung auf Bairisch (Gsundheit, Gsangsbuch,Gselchtes 'Geräuchertes') o<strong>de</strong>r eine Buchstabenkombination bezieht sich auf ein Einzelphonem wie bei !