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Kommentar zum Horoskop download - enostopos

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Ludwig DinzingerKurze Erläuterung <strong>zum</strong><strong>Horoskop</strong> des Michel Nostradamus (1565)für den späteren Kaiser Rudolf II.1997


1. Zur Form der Herausgabe 1Die vorliegende Ausgabe versucht dem originalen Zustand desWerkes möglichst nahe zu kommen.Übernommen wurde Seiteneinteilung, Schreibweise, Interpunktionund Gliederung. Die Gestaltungsweise soll einen "unmittelbaren"Eindruck des ursprünglichen Textes bewahren - beispielsweisedurch die Darstellung nur der deutlichen Satzzeichen und dieAnnäherung an das grafische Aussehen des Textes in derVerwendung verschiedener Schrifttypen nach dem Vorbild derQuelle.In Klammern (n) werden die Seitenzahlen des Originalesangegeben; die Rückseite des jeweiligen Blattes ist mit (_)gekennzeichnet. Die Seitenzahlen in dem Manuskript müssenspäter hinzugefügt worden sein, denn an einer Stelle folgt dieZählung nicht dem inhaltlichen Sinn. Dort wurde die Nummerierungkorrigiert, gekennzeichnet mit (n*).Kürzel, die der Schreiber verwendete, werden ausgeschrieben,jedoch zwischen zwei Striche // gesetzt.Unlesbare oder verdorbene Stellen werden mit ... gekennzeichnet.Es handelt sich dabei jeweils nur um wenige Buchstaben.1Eine Veröffentlichung erfolgte nicht, Stand 2011.


2. Zur Geschichte des WerkesDas Manuskript wurde im Jahr 1992 in der Oettingen-Wallerstein-Bibliothek der Universitätsbibliothek Augsburg (Cod. I 4 4° 1) durchDr. Paul-Berthold Rupp aufgefunden. Eine Übertragung des Textesins Lateinische befindet sich in der Herzog-August-Wilhelm-Bibliothek in Wolfenbüttel (Cod. Guelf. 208 Extrav., mit 28zusätzlichen, kurzen Aphorismen), eine Übertragung ins Deutschefindet sich in der Königlichen Bibliothek in Stockholm (Ms. D.1343).Einen gewissen Reiz hätte sicherlich die Gegenüberstellung mitder deutschen Übersetzung geboten. Allerdings wurde daraufverzichtet, denn in Vergleich mit dem französischen "Urtext" gehenin diesen Bearbeitungen die Vielschichtigkeit der Sprache und dieumfassende Bedeutungsfülle verloren. Gegenüber denSprachkaskaden des Nostradamus und seiner unstrukturiertwirkenden Indifferenz erreichen die Übersetzungen eine eherrationalistisch-philologische Dimension.Durch den (sicherlich nur <strong>zum</strong> geringen Teil) erhaltenenBriefwechsel des Michel Nostradamus (Dupebe, J., NostradamusLettres inedites, Geneve, 1983) sind wir über dieEntstehungsgeschichte des Werkes sehr gut informiert. In denBriefen sind die erste Anfrage, die späteren Mahnungen, dieLieferung astronomischer Berechnungen aus Deutschland,schließlich die Schwierigkeit der Übermittlung des Textes durchBoten dokumentiert. Dabei steht der Fundort des Manuskriptes -Augsburg - in engen Zusammenhang mit dem Werden desAuftrages.


Michael Nostradamus unterhielt seit Ende der 50er Jahre engeVerbindungen nach Augsburg. Im Vorfeld der Arbeiten für das<strong>Horoskop</strong> suchten Personen aus der Augsburger PatrizierfamilieRosenberger Kontakt zu ihm (vgl. Lutzmann, I., Die AugsburgerHandelsgesellschaft Hans und Marquard Rosenberger [1535-1560], Kallmünz, 1937). In diesem Zusammenhang fertigte er fürmehrere Mitglieder der Familie ausführliche <strong>Horoskop</strong>e. Diesegingen nach Fieberbrunn, denn die Familie hatte Augsburg nacheinem Bankrott im Jahr 1560 verlassen müssen. In Tirol hatten dieRosenberger mehrere Bergwerke.Maßgebliche Berechnungen für diese Arbeiten ("directiones"),auch einen Brief an Nostradamus, lieferte der seit 1551 inAugsburg und später in Lauingen lehrende Mathematiker undAstronom Cyprianus Leovitius, ein Schüler Melanchtons (Mayer, J.,Der Astronom Cyprian Leovitius (1514-1574) und seine Schriften,in: Bibliotheca mathematica, 3, Bd. 4, Stockholm/Leipzig 1903,134-159). Leovitius war einer der bedeutendsten Astronomen desdamaligen Deutschland - er hinterließ mehrere umfangreicheastronomische Tafelwerke, die die damals verbreitetenEphemeriden des Regiomontanus deutlich verbesserten, eineSchrift über die Konjunktionen der großen Planeten(Universitätsbibliothek Augsburg: 02/VIII.3.2.35; 02/VIII.3.4.11;Dillingen, Studienbibliothek, IX 1499; s. Gelehrtes Schwaben,Austellungskatalog, 1990/1991, S. 91/92), eine riesige Menge von<strong>Horoskop</strong>en (in der oben genannten Oettingen-Wallerstein-Bibliothek, Teil der UB), astrologische Lehrbücher (vgl. "CyprianusLeovitius: Lehre von der Beurteilung der Nativitäten", in:Strauch/Leovitius, Astrologische Aphorismen, Bad Tölz 1924, 45 -226). Leovitius nahm auch Einfluss auf den jungen Tycho deBrahe, der ihn in Lauingen für kurze Zeit aufsuchte.Für den Transport der Manuskripte - auch des <strong>Horoskop</strong>es fürRudolf - wurden ebenfalls Beziehungen der Familie Rosenberger


genutzt: Kurierdienste übernahmen Angestellte derRosenbergischen Faktorei in Lyon. In dieser leitend tätig warChristoph Kraft (s.a. Lutzmann, 20, u.a.a.O.), der im Briefwechselmit Nostradamus Erwähnung findet.Eine bemerkenswerte Beziehung, die ebenfalls nach Augsburgweist, ergab sich in dieser Zeit - in der Hochphase seinesSchaffens - zwischen Michael Nostradamus und dem Studentender Rechte, Laurentius Tubbe, in Bourges. Bourges galt zurdamaligen Zeit als die Eliteuniversität für das Studium derRechtswissenschaft. Die Augsburger Patrizier - bei den Fuggern istdies mehrfach nachweisbar - ließen immer wieder junge begabteLeute auf ihre Kosten an den besten Universitäten studieren.Nostradamus und der junge Tubbe - der wiederum auchBotendienste nach Lyon erledigt - traten in einen ausführlichenBriefwechsel. Ihr Kontakt begann über das <strong>Horoskop</strong> von Tubbes"Herrn" Johannes Rosenberger, im Jahr 1559.Ab Mitte des Jahres 1565 steht der erhaltene Briefwechsel nahezuvöllig im direkten Zusammenhang mit der vorliegenden Nativitätvon Rudolf II.. Der Anwalt Dr. Johannes Lobbetius (s. Dupebe,153) treibt die Angelegenheit im Auftrag eines anderen AugsburgerPatriziers, Daniel Rechlinger (s. Strieder, J., Zur Genesis desmodernen Kapitalismus, Leipzig, 1904, S. 10 ff.) weiter. Am 13.Juni 1565 erfahren wir, Nostradamus möge doch die beiden<strong>Horoskop</strong>e für Rudolf und dessen jüngeren Bruder Ernst, die "erim letzten Jahr machte", doch "möglichst bald an ihn schicken"und ihm "sofort antworten".Diese Nachricht wird ergänzt durch eine Mitteilung desfranzösischen Arztes vom 5. August 1565 - das <strong>Horoskop</strong> selbst istdatiert auf den "7. August 1565" - er habe "mehr als 14 Monate anden Berechnungen und Erklärungen gearbeitet" (Dupebe, 166).


Damit wird dieses <strong>Horoskop</strong> <strong>zum</strong> Hauptwerk der letztenLebensjahre des Michael Nostradamus. Er starb am 2. Juli 1566,also nicht einmal ein Jahr später.In einem weiteren Brief des Nostradamus vom 7. August anLobbetius - der sich damals gerade in Lyon aufhielt - erfahren wirnoch mehr über die Begleitumstände: Rechlinger habe ihm "80libr." für beide <strong>Horoskop</strong>e gegeben, und "6 escus" für denSchreiber. Der Schreiber habe das <strong>Horoskop</strong> für Rudolfgeschrieben, sei aber beim zweiten für Ernst "müde" geworden.Und so sei "der Rest" von ihm selbst geschrieben worden. Das hiervorliegende Manuskript des <strong>Horoskop</strong>es für Rudolf II. ist also nichteigenhändig von Michael Nostradamus geschrieben. DasÜbersenden der Manuskripte nach Deutschland solle "aufsSorgfältigste" geschehen.Es könnte also noch ein weiteres, bisher unbekanntes großesWerk von Nostradamus in den deutschen Archiven liegen: dieGenitur für Ernst, den zweitgeborenen Sohn Maximilians, denspäteren Statthalter der Niederlande (1593 - 1595; er lebte von1553 bis 1595). Und dieses wäre zu einem großen Teil vonNostradamus selbst geschrieben.Es folgt im Dezember 1565 noch ein weiterer Brief an Lobbetius,bezüglich mehrerer <strong>Horoskop</strong>e für andere Augsburger Patrizier,namentlich Kaspar Flechamer, Anton Schorer und KonradSchwarz. Aus diesem geht hervor, daß Daniel Rechlinger, "dervielfältig gelehrte und gebildete Mann", selbst gerade dabei war,die "Nativität" Rudolfs "aus dem Französischen ins Deutsche zuübersetzen". Diese drei <strong>Horoskop</strong>e dürften zu den letzten Arbeitendes Nostradamus gehören und sind bis heute unbekannt.


3. Der historische ZusammenhangEs ist sicherlich kaum als geschichtlicher Zufall zu werten, dassgerade für die umstrittene Herrscherfigur Rudolf II. - stehend imZwielicht der Sternengläubigkeit, verdächtig, ein Adept derAlchemie zu sein, im Ruch der Praktizierung der Magie - ein<strong>Horoskop</strong> vorhanden ist; und dieses gerade nicht von einem x-beliebigen oder nachrangigen Astrologen, sondern von deranerkannt größten astrologischen Kapazität der Renaissance. Eszeigt gerade dieses Zusammentreffen, welche Themen die Zeit derausgehenden Renaissance beherrschten.Michael Nostradamus ist ähnlich umstritten wie Rudolf vonHabsburg, ebenso übel beleumundet, ebenso verdächtigt, undsicherlich damit genauso schief beurteilt. Beider Lebenszeitüberschneidet sich nur um 14 Jahre, sie sind Vertreterverschiedener Generationen - und doch wird in ihren Personen einverwandter Geist, erwachsen aus der gleichen Zeitströmung,deutlich.Sosehr diese Zeit durch die religiösen Differenzen gekennzeichnetist, so scheinen gerade die überragenden Figuren etwas anderesals diese Oberfläche zu leben. Bei dem Versuch dergeistesgeschichtlichen Einordnung des Michel Nostradamus wurdevorgeschlagen (Dinzinger, L., Nostradamus: Die Ordnung der Zeit,Aichach, 1991; 1992; 1993), Nostradamus keinem der beidenreligiösen Lager zuzuordnen, sondern ihn eher als einen Vertreterjener dritten zeitlichen "Kraft" einzuschätzen, die als


"humanistisch" gesinnt zu bezeichnen wäre und auf Grund ihrergeistigen Potenz - gehörten zu ihr doch die bedeutendstenWissenschaftler, vorab Erasmus von Rotterdam und WillibaldPirckheimer - überhaupt nicht unterschätzt werden könne. Dieseskann nun mit den Ergebnissen zu diesem <strong>Horoskop</strong> in dieseRichtung bestätigt werden – es geht um eine Position, wie sie auchvon Rudolf oder dem französischen König Heinrich IV. inverwandter Weise interpretiert wurde.In den näheren Erläuterungen folgen wir einer Formel, dieGertrude von Schwarzenfeld für Rudolf II. gefunden hat. Aus demBoden des "Humanistischen" sei bald danach etwas Neueserwachsen, das anders geworden sei als der Wurzelgrund, dem esentstamme. Sie schreibt dazu und über Rudolf: "Das Neue seinesVerhaltens lag in der Abkehr von den alten Antithesen und in derHinwendung zu neuen Inhalten der Kultur. Durch den Zwang derGegensätze geriet er oft in eine zwiespältige Lage, die seineminneren Zwiespalt entsprach. Aber seine Zwitterstellung brachte inseinem Umkreis neue kulturelle Interessen zur Entfaltung, welchedie alten Gegensätze hinter sich ließen. Die Tatsache, daß ermitten in der Gegenreformation - zu gleicher Zeit wurde GiordanoBruno in Rom verbrannt - dem Calvinisten Tycho de Brahe undden Lutheraner Johannes Kepler an seinen Hof berief, zeigtdeutlich, daß er sich über die Vorurteile seiner Zeitgenossenhinwegsetzte, wenn es galt, dem Neuen zu dienen. Das Neue warum das Jahr 1600 die selbständige wissenschaftliche Forschung"(Schwarzenfeld, G.v., Rudolf II., München, 1979, 13; vgl. a. Trunz,E., Wissenschaft und Kunst im Kreise Kaiser Rudolfs II. 1576-1612, Neumünster, 1992).Dieselben Zusammenhänge können für Nostradamus inmodifizierter Form gelten: es sei an dieser Stelle nur an jene


Tatsache erinnert, daß Nostradamus enographischeRechenergebnisse nur in einer schnellen und bedingungslosenRezeption der Lehre des Kopernikus in den dreißiger und vierzigerJahren des Jahrhunderts erklärbar sind. (Der Vollständigkeit halbersei erwähnt, dass eine Schule der philologischen Forschung zuNostradamus zu diametral entgegengesetzten Ergebnissenkommt, Gründe dafür in: Brind´ Amour, P., Nostradamus Astrophile,Ottawa, 1993.) Dabei ist Nostradamus - weitaus stärker als derspätere Rudolf - noch sehr bedeutend von den Ursprüngen desneuen Denkens geprägt, vor allem von Erasmus von Rotterdam,zudem von den protestantischen Denkern und ihrer biblischenOrientiertheit (vor allem was die eschatologischen Aussagenanbetrifft, in denen er auch an Joachim von Fiore anknüpft). Es istaber nicht zu unterschätzen, daß Nostradamus auch geprägt istvon einer scholastisch-mystischen, damit traditionell religiösenEinstellung, die dem Augustinusmus Bonaventuras und denLehren des Duns Scotus, damit der frühen und spätenFranziskanerschule nahe steht ist.Damit sind Kernthemen angeschnitten, die die Sozialisation derbeiden historischen Exponenten bestimmen.Grillparzer hat viel später versucht, Rudolf - in seinem "Bruderzwistim Hause Habsburg" - als Herrscher-Weisen zu rechtfertigen. DerGeschichtsschreibung galt er jedoch lange als geistig umnachteter"Sonderling auf dem Kaiserthron". Ähnliche Verhältnisse finden wirim Nostradamus-Verständnis von Anfang an bis jetzt noch:manchen seiner Zeitgenossen galt er als trunken und wirr, oft<strong>zum</strong>indest jedoch dunkel, unverständlich, bewusst vieldeutig.Jedoch fehlt bei ihm, im Gegensatz zu Rudolf, der von Jahr zuJahr verstandener und rehabilitierter erscheint, ein tieferesVerstehen bis heute noch völlig.


Michel Nostradamus missverstandene Worte liefern beliebigeVersatzstücke billiger Sensation, wenn es die Verkaufsziffernfordern. Damit ist er brauchbar für Schlagzeilen, die die Angstlustdes modernen Menschen periodisch zu befriedigen im Stande sind– und dieses ist so weit weg wie kaum vorstellbar von der demVisionär zukommenden Position von hohem wissenschaftlichenRang und von ebensolcher geistiger und religiöser Stufe. Ja, eserscheint heute geradezu als absurd, für diesen als völlighoffnungslos eingeschätzten "Fall" ernsthafte wissenschaftlicheBeschäftigung und Auseinandersetzung zu fordern. So blieb er denHalbgebildeten und ihrer vorschnellen Subjektivität überlassen:jeder Generation, die ihn mit ihren allzu einfachen Mittelnausdeuten wollte, geriet er weiter ins Abstruse, ins Erregte, insHysterische, zuletzt und zutiefst unserer Zeit sogar ins sogenannte"Okkultistische".Welches Missverständnis gegenüber einem Menschen, den dieGeistesgeschichte eines Tages rehabilitieren wird als "die Zierdeseiner Zeit", wie er selbst vorhersagt - und dieses bedeutet beiZeitgenossen wie Leonardo, Michelangelo oder Karl V. schoneiniges! In "fünfhundert Jahren" nach dem Erscheinen seiner"Propheties" (1555; III, 94) setzt er dieses Ereignis an.Es kann als ein unerhörter Glücksfall eingeschätzt werden, daßdieses Original seines umfangreichen <strong>Horoskop</strong>s für den späterenRudolf II. in Augsburg erhalten worden ist: ein Glücksfall für diehistorische Kenntnis der davon berührten geschichtlichen Figuren,ein Glücksfall für das Wissen um Astrologie undAstrologiegeschichte, ein Glücksfall für die zukünftig darauserwachsenden Vorstellungen, Begriffsbildungen undwissenschaftlichen Operationen.


So kann die Begegnung der beiden Personen auch in die Zukunfthinein fruchtbar wirken: das Aufeinandertreffen des allmählich vonder Welt Abschied nehmenden, gesundheitlich bereits schwerangeschlagenen Propheten mit dem zukünftigen Kaiser desrömischen Reiches deutscher Nation, gerade zwölfjährig bei derAbfassung des Vorhersage - den der Hofmeister damals noch alslangsam begreifend beklagt, der aber bei Tanz und Turnier bereitsAufsehen erregt.Noch einmal sollen gewisse Gemeinsamkeiten zitiert sein: Rudolfschreibt am 5. Februar 1583 an Kurfürst August von Sachsen"...daß mier nits höchers angelegen als frid und ruehe im reich zuerhalten" (Schwarzenfeld, 10); und Jeremias Martius, einAugsburger Arzt, der in Montpellier studierte und Nostradamus anseinem Wohnort Salon (de Provence) besuchte, eröffnet vonjenem "...das er in der beywonung gegen jederman freundlich/holdselig gewesen/ und mennigklich gern gedient hat" (Dinzinger,1991, 21).Gerade dieses <strong>Horoskop</strong> könnte einen Schritt in Richtung derRehabilitierung des Sehers bedeuten. Denn in ihm zeigt sichNostradamus in "seiner" Wissenschaft, mit seiner "Meisterschaft".Hier liegt neben dem Text die Grundlage, aus der er seineAussagen schöpft - nämlich die Sterne und ihre Konstellation: hierkann man in seine Werkstatt blicken.4. Lebensdaten Rudolfs


Rudolf wurde am 18. Juli 1552 (julian.) in Wien als erstes von 15Kindern des späteren Kaisers Maximilian und seiner GemahlinMaria, einer Tochter Karls V., geboren. Seine frühen Jahre sindgekennzeichnet durch die Liberalität des aufgeschlossenen Vaters,die die streng katholische Mutter von dem Kinde fernzuhaltensuchte. Der Vater war humanistisch gesinnt, sprach siebenSprachen und war überaus kunstinteressiert; er pflegte in seinemSohn diese Interessen - und so waren die ersten starkenEindrücke des Kindes die Schätze der "Kunst- undWunderkammern" seines Vaters, die wilden Tiere aus der ganzenWelt in ihren Gehegen und die hoch geschätzte Gartenkunst.Ein "spanischer" Einfluss sollte diese Entwicklungen korrigieren.Ein Bruder der Mutter, Nachfolger von Karl V., und König derdamals noch unbestrittenen Weltmacht Spanien, Philipp II. vonSpanien (1556 - 1598), hatte im August 1561 seine beiden ältestenNeffen, Rudolf und Ernst, förmlich eingeladen, an seinen Hof nachMadrid zu kommen. Die beiden Prinzen zogen, nachdem ihr Vaterdie Abreise nicht mehr verzögern konnte, im Herbst 1563 mitGefolge und Lehrern nach Spanien, und wurden am 17. März 1564in Barcelona mit hohen Gunstbeweisen empfangen. In der Zeitdieser Reise muss der Auftrag für die <strong>Horoskop</strong>e über DanielRechlinger an Nostradamus ergangen sein.Der Vater Rudolfs, Maximilian, war 1562 <strong>zum</strong> römischen Königgekrönt und zwei Jahre später, nach dem Tod Ferdinands I., am25.7.1564, <strong>zum</strong> Kaiser gewählt worden. Damit steht der Auftragauch mit diesem Datum im Zusammenhang.Die beiden Erzherzöge blieben sieben Jahre in Spanien, erlebtendort 1566 den Aufstand in Flandern, die Affäre und den Tod des


Sohnes Philipps, Don Carlos, 1568, dann den Tod der EhefrauPhilipps, seine Wiederverheiratung mit Anna, einer Schwester derbeiden, und schließlich Rudolfs Verlobung mit der Infantin Isabella.Erst im Mai 1571 nahmen sie Abschied von Spanien, fuhren dieerste Etappe mit Galeeren von Barcelona nach Genua zurück.Ein Jahr später, 1572, erhielt Rudolf die Krone Ungarns, 1575 dieKrone Böhmens, die traditionelle Voraussetzung der römischenKrone. Bereits im Jahr darauf starb der Vater in Regensburg(12.10.1576); drei Wochen später, am 1. November, wurde Rudolfim Dom zu Regensburg feierlich <strong>zum</strong> Kaiser gekrönt.Rudolf hat in seiner sechsunddreißigjährigen Regierungszeit demReich den Frieden erhalten können, in einer Zeit schwersterSpannungen zwischen den Konfessionen, die z. B. Frankreich ineinem langen Bürgerkrieg führten. Sechs Jahre nach der durchseinen Bruder Mathias erzwungenen Machtablösung - der RudolfsTod bald folgte - begann 1618 der dreißigjährige Krieg inDeutschland.5. Der Inhalt der PrognostikMichel Nostradamus selbst fasst in einem Brief an JohannesLobbetius (Dupebe, 166/167) den Inhalt der Nativität zusammen:"...ich habe Ihm (Rechlinger) die Nativität des Prinzen undzukünftigen Königs Rudolf geschickt, in der sind vieleGegenstände umfassend enthalten, zuerst betreffend sein Leben,


die Gesundheit und die Disposition des Körpers, °des Besitzes,der Reisen, der Religion, °der Brüder, Schwestern, °der Vorfahrenväterlicherseits, des Onkels, der Großväter und Urgroßväter, °derKinder, von Freuden und Vergnügungen und Unternehmungen,°von Krankheiten, über die Diener, °die Heirat und aus welcherFamilie und welchem Land die Frau stammt, und wann, undwieviele Frauen, über die öffentlichen Feinde und andere, °denTod und die Art dieses, und wann, und über das, was die Totenihm hinterlassen werden an Regierungen, Erbschaften, über Angstund Furcht, Gift, °über Reisen, Religionen, Wanderungen, und inwelcher Zeit er die Religion wechselt, °über das Reich, dieBeamtenschaft, die Willfährigkeit, über die Erhöhung und diehöchste Macht, °über die nicht verwandten Freunde, ihre großeZahl, °über die geheimen und verborgenen Feinde, Gefängnisse,Verbannungen und Gefangenschaften durch Feindschaft. Und allediese und andere Signifikationen sind in der genannten Nativitätausführlich erklärt und gemäß den Kapiteln und der Bedeutung derAngelegenheit ausgebreitet".Diese Darstellung folgt dem bekannten System der zwölfastrologischen Häuser (durch ° gekennzeichnet). Sie weist imletzten Satz weiter auf die Gliederung des Werkes in "Kapitel".Diese sollen hier im Überblick vorgestellt werden.Schon die Überschriften der Kapitel bieten eine gewaltige Füllevon Information, und bereits auf sie bezogen kann jener Satzgelten, mit dem Nostradamus im Brief an Lobbetius fortfährt:"Wenn durch Gottes Gnade diese meine kleine Arbeit in die Händedes Kaisers, des Vaters gelangen könnte - ich wäre sicher, er hättenicht wenig Freude daran, und seine Majestät wäre vollerBewunderung".


a) Die 46 Kapitel des <strong>Horoskop</strong>es"Kap. IDie Signifikationen der Gesichter Kap. IIÜber den ersten Signifikator Eurer Genitur Kap. IIIÜber den zweiten Herren der Genitur Kap. IIIÜber den zweiten Herren der Genitur Kap. IVÜber den dritten Herren der Genitur Kap. VDie Signifikationen des <strong>Horoskop</strong>os Kap. VIÜber Saturn den Herrn des <strong>Horoskop</strong>os Kap. VIIDie Signifikationen der zwölf Häuser nach dem <strong>Horoskop</strong>Kap. VIIIDie Signifikationen der Planeten nach dem <strong>Horoskop</strong> Kap.IXÜber Saturn im Haus von Venus und Jupiter Kap. XDie Signifikationen von Jupiter im achten Haus vom<strong>Horoskop</strong> aus Kap. XIDie Signifikationen Jupiters im Haus des Mars und derSonne Kap. XIIDie Signifikationen des Mars im sechsten des <strong>Horoskop</strong>sKap. XIIIDie Signifikationen von Mars im Haus des Merkur Kap.XIIIIDie Signifikationen der Sonne im achten des <strong>Horoskop</strong>sKap. XVDie Signifikationen der Sonne im eigenen Haus und Hausdes Mars Kap. XVIDie Signifikationen der Venus im siebten des <strong>Horoskop</strong>sKap. XVIIDie Signifikationen der Venus im eigenen Haus und desMondes Kap. XVIIIDie Signifikationen des Merkur im siebten des <strong>Horoskop</strong>sKap. XIXDie Signifikationen des Merkur im Haus der Venus unddes Mondes Kap. XXDie Signifikationen des Mondes im sechsten des<strong>Horoskop</strong>s Kap. XXIDie Signifikationen des Mondes im Haus Merkurs Kap.XXIIDie Signifikationen des Drachenkopfes im zweiten des<strong>Horoskop</strong>s Kap. XXIIIDie Signifikationen des Drachenschwanzes im zweitendes <strong>Horoskop</strong>s Kap. XXIIIIDie Signifikationen des Herren des <strong>Horoskop</strong>s Saturn Kap.XXVDie Signifikationen des Glückspunktes nach dem<strong>Horoskop</strong> Kap. XXVIDie Signifikationen der Planeten nach dem Beschluss desTierkreises Kap. XXVII


Die Signifikationen Saturns im Haus des Jupiter nach demBeschluss des Tierkreises Kap. XXVIIIDie Signifikationen Jupiters im Löwen nach demBeschluss des Tierkreises Kap. XXIXDie Signifikationen des Jupiter im Haus der Sonne nachdem Beschluss des Tierkreises Kap. XXXDie Signifikationen des Mars in den Zwillingen nach demBeschluss des Tierkreises Kap. XXXIDie Signifikationen des Mars im Haus des Merkur nachdem Beschluss des Tierkreises Kap. XXXIIDie Signifikationen der Sonne im Löwen nach demBeschluss des Tierkreises Kap. XXXIIIDie Signifikationen der Sonne im eigenen Haus nach demBeschluss des Tierkreises Kap. XXXIIIIDie Signifikationen der Venus im Krebs nach demBeschluss des Tierkreises Kap. XXXVDie Signifikationen der Venus im Haus des Mondes nachdem Beschluss des Tierkreises Kap. XXXVIDie Signifikationen Merkurs in den ersten Graden desLöwen Kap. XXXVIIDie Signifikationen des Merkur im Haus des Mondes Kap.XXXVIIIDie Signifikationen des Mondes in den Zwillingen nachdem Beschluss des Tierkreises Kap. XXXIXDie Signifikationen des Mondes im Haus Merkurs nachdem Beschluss des Tierkreises Kap. XLDie Signifikationen des Abflusses des Mondes und desHinflusses auf Mars und weiter zu SonneVenus Merkur und Jupiter Kap. XLIDie Signifikationen Merkurs mit Venus im <strong>Horoskop</strong> imsiebten Kap. XLIIDie Signifikationen der Venus, die die anderen Taten undWirkungen Eures Lebens zeigt Kap. XLIIIDie Signifikationen der Breite und Länge der fünf PlanetenKap. XLIIIIDie Aspekte der Planeten und ihre Signifikationen (Kap.XLV*)Die Signifikationen von Sternen im Urteil Kap. XLVIAn den Kaiser"Michael Nostradamus gliedert die Deutung des Geburtsbildes infünf Teile: 1. Teil (Kap. I bis V): die "Herren" des Geburtsbildes; 2.Teil (Kap. VI bis VIII): Aszendent, kardinale Punkte, die "Herrscher"der zwölf Häuser; 3. Teil (Kap. IX bis XXVI): Planeten und Punkteim <strong>Horoskop</strong>; 4. Teil (Kap. XXVII bis XLIIII): Bedeutung der


Planeten im Bezug <strong>zum</strong> "Tierkreis"; 5. Teil (Kap. XLV und XLVI):die Aspekte der Planeten, die Erörterung der Bedeutung vonFixsternen.Zwischen diesen Teilen vermitteln Kapitel, die die bereitsangesprochene Themen abrundend noch einmal aufgreifen. Dereinführende Teil (1.) verfolgt eine sehr allgemeine Richtung; derzweite Teil bringt die klassische Astrologie; im 3., 4. und 5. Teilspricht Nostradamus das gesamte Geburtsbild dreimal durch.b) Voraussetzungen der Beschäftigung mit dem <strong>Horoskop</strong>Die Titel der Kapitel sind bewusst sehr wörtlich übersetzt. Grund istdie Vermutung einer deutlichen Unterscheidung der Begriffe"Genitur" oder "<strong>Horoskop</strong>"; oder der Ausdrücke "Haus" oder "imsechsten", oder "im sechsten nach dem <strong>Horoskop</strong>". Zu beachtenist in diesem Zusammenhang auch die ungewöhnliche undenigmatische Aussage "nach dem Beschluss des Tierkreises".Bewusst wurde auch der alte Begriff der "Signifikation"aufgegriffen: er vermeidet den irreführenden Begriff von der"Wirkung" von Gestirnereignissen. Die Erscheinungen am Himmelsind "zeichenhaft": Nostradamus bezeichnet sie in der Vorrede zuseinem Hauptwerk, "Propheties", als "significatrices du casfutures".Um der Astrologie eines Michael Nostradamus gerecht zu werden,muss man sich frei machen von den Verkürzungen üblicher -moderner wie vormaliger - Astrologie. Es geht ihm um weitausmehr, als um ein schematisches Ablesen der „himmlischen“Aussagen. Michael Nostradamus will einen weiteren Kosmos vonBedeutung erschließen, will hineinleuchten in die verschiedenenEbenen innerer wie äußerer Entsprechungen der Welt und derGeschichte. Astrologie und Astronomie bedeuten ihm im Grunde


eine "universale" Weisheitslehre, eine allumfassendeWissenschaft. (Fast möchte man meinen, hier melde sich die„Pansophie“ des Kreises um Rudolf II. an.)Um solchen Ansprüchen gerecht zu werden, sollte ein Leser sichöffnen für große Vielfalt und Ebenen von Bedeutung, auch für dieStufen einer "prophetischen Schau". In einem Prozessvorurteilsfreien Eingehens können sich gewisse "Bestände" vonGemeintem herauskristallisieren. Dieses ist eher einephänomenologische denn eine elementaristische Methode; siewiderspricht recht deutlich dem heute üblichen wissenschaftlichenProcedere.Michael Nostradamus nutzt alle Möglichkeiten und Vielfältigkeitendes astrologischen Bedeutungssystems: und sein sprachlicherUmgang damit vermeidet eine vorschnelle "Akzentuierung"sinnenfälliger Strukturen. Dieses würde die Bedeutung, die erumkreist, zu schnell in eine bestimmte Richtung verflachen. Und sowird sich auch jenem, der sich ernsthaft auf diese sprachlicheForm und Redeweise einlassen will, und der es zulassen kann,nicht sofort "Positives" fassen zu müssen - die besprochenenInhalte verweisen auf keine Gegenstände, sondern aufVerwobenheiten von "Schicksal und Gemüt" - allmählich "Wissen"erschließen. Der Text verlangt – mit Karlfried Graf Dürckheimgesprochen - eine "inständliche" Balance und ein kontemplativesErwägen, keinen "gegenständlichen" Zugriff und keineabgrenzende Definition. Es geht Michel Nostradamus nicht umblankes Wissen - es geht um die Vertiefung in einenWeltzusammenhang.


Dabei ist immer im Auge zu behalten, daß sich MichaelNostradamus als "Seher" versteht; aus Bescheidenheit vermeideter den Begriff "Prophet": "diese Vermessenheit würde Gott nichtgefallen". Immer wieder beruft er sich auf einen "prophetischenImpuls", eine „göttliche Inspiration“, die ihn leitet. Er benenntdiesen Impuls mit einem biblisch-metaphorischen Begriff als"kleine Flamme" (alle Zitate in der Vorrede seines Hauptwerkes"Propheties", ab 1555). Diese übernatürliche Herkunft und "Schau"bereichert die übliche astrologische Vorgehensweisen in immerwieder überraschender Weise, fast wie in „Ausbrüchen“, infeuerigen Begeisterungen.Nur unter diesem Gesichtspunkt ist auch zu verstehen, warum sichMichael Nostradamus selbst nicht primär für einen "Astrologen"hält. Er mahnt sogar "alle blinden barbarischen Astrologen", sichseinen weissagenden Schriften "fernzuhalten" (Propheties, VI,100). In dem Satz ist aber auch enthalten, es könne auchAstrologen anderer Qualität geben, die sich sehr wohl mit seinenSchriften beschäftigen sollen, und er sagt auch vorher, dieseswerde „mehr in der Zukunft als zu meinen Lebzeiten“ (VorredePropheties) geschehen.Er selbst gibt sich – eben diese Bedeutungsnuance aufgreifend -den Beinamen "astrophil" (in seinem Testament). In solchenDifferenzierungen stellt sich sein anderes, sehr eigenständigesVerhältnis zur Sternenkunde dar.Damit ist auch das <strong>Horoskop</strong> für Rudolf II. kein üblicheastrologische Deutung eines Geburtsbildes. Bereits der 1. Teil derGliederung eröffnet in sehr deutlicher Weise das andereHerangehen des Michael Nostradamus an das zeichenhafte Bild:er widmet sich sehr ausführlich der Ermittlung von "Herren" derZeit, in der die Geburt stattfindet. Diese archaisch anmutende


Technik steht im Zusammenhang der wesentlichgeschichtsastrologischen Betrachtungsweise, von der MichaelNostradamus ausgeht. Sie fundiert sein astrologisches Können.In der bisherigen Forschung zu Michael Nostradamus war nichtbekannt, daß seine Astrologie einen überwiegendenüberindividuellen Teil besitzt: er arbeitet mit einem ausgeprägtenSystem von Zyklen der Gestirnen. Dieses muss sich auch im<strong>Horoskop</strong> einer Einzelperson niederschlagen: so unterscheidet erdeutlich zwischen allgemeinen, überindividuellen Anzeigen, dielängere Zeiträume charakterisieren - und Anzeigen desGeburtsbildes eines Individuums, die nur für Bruchteile vonSekunden am Himmel erscheinen und sich schnell weiter wandeln.Er ergänzt die Konstanz der überindividuellen Strukturen mit denvergänglichen, menschlich-individuellen Zügen, bezieht sie in derDeutung aufeinander.Diese beiden Ebenen der astronomischen Mitteilung verknüpft erin einer kunstvollen, für den Uneingeweihten aber rechtverwirrenden Weise. So ist mit großem Bedacht zu überlegen, inwelcher Ebene der Deutung er sich gerade bewegt, und wie diedaraus entstehende Auskunft einzuordnen ist. So beziehen sichnach unserer Meinung die Ausdrücke "Genitur" und "<strong>Horoskop</strong>"gerade auf diese zwei Ebenen: der erste auf die allgemeine und"enographische", der zweite auf die individuelle und"astrologische". Damit hat der Begriff "Genitur" eine wesentlichumfassendere Bedeutungsebene als der Begriff "<strong>Horoskop</strong>".c) Das Bild des <strong>Horoskop</strong>esDem Text vorangestellt ist das Schema des <strong>Horoskop</strong>es:Aszendent 19°6´ (19°55´) Steinbock; Saturn 3°10´ (2°21´)


ückläufig Fische; Jupiter 11°50´ (12°25´) Löwe; Mars 14°25´(14°16´) Zwillinge; Sonne 4°53´ (5°15´) Löwe; Venus 14°58´(14°49´) Krebs; Merkur 20°16´ (20°33´) rückläufig Krebs; Mond20°7 Zwillinge (2° Krebs); Mondknoten 18°47 Wassermann(18°11); Glückspunkt 17° Skorpion: dieser Punkt markiert denStand der Sonne bei der Zeugung: eine kaum gebräuchlicheWeise der Bestimmung dieses "Loses". (In Klammern einemoderne Berechnung, mit Dank an Konrad Gruber, Ingolstadt.)Am Aszendent ist der Fixstern Atair, "Aquila seu Vultur volans", einStern zweiter Größe von Mars/Jupiter-Natur (Stadius, J.,Ephemerides novae et exactae, Köln, 1554 [nachweisbar im Besitzdes Nostradamus]) deutlich angegeben. Links neben dem Schemabefindet sich eine Auflistung der wichtigsten Aspekte der Planetenuntereinander, darunter eine Charakterisierung des aktuellenStandes im Verhältnis zur Ekliptik. Das Häusersystem des<strong>Horoskop</strong>es ist Regiomontanus - dieses System, damals sicherdas Modernste, wendet Nostradamus durchgängig an (wir nehmenan nach: Leovitius, Ephemeridum novum ... 1556 usque ad 1606,Augsburg 1557; vgl. Brind´Amour, (s.o.), 517, und 379).Der Stand des Mondes unterscheidet sich von anderen,zeitgenössischen Berechnungen: nach Pitatus, Almanachnovum...ab anno 1544-1556, Tübingen, 1544 - einer damals inEuropa gängigen Ephemeride - ist die Position für Mittag 29°7Zwillinge, und damit gegen Sonnenuntergang etwa 2° Krebs - wiees auch die moderne Berechnung angibt. Die von Nostradamusgewählte Gradzahl dürfte einen einfachen Grund haben: wie Brind´Amour bemerkt hat, interpoliert Nostradamus astronomischeStände nicht, sondern übernimmt sie einfach aus dem ihm zurVerfügung stehenden Ephemeriden (a.a.O., 327 - 399). Vermutlichstand in seiner Ephemeride der angegebene Wert.


Modernen Astrologen dürfte dieses als unverzeihlichesVersäumnis erscheinen. Dieses Faktum ist jedoch aus einemgeschichtsastrologischen Blickwinkel zu bewerten: NostradamusUmgang mit den Gestirnsymbolen misst der Rechengenauigkeit imindividuellen Bild nicht den vorrangigen Wert bei.d) Die VorhersageGleich im ersten Satz eröffnet Michael Nostradamus das <strong>Horoskop</strong>mit der Bemerkung: "das ist eine überaus große zukünftigeSache". - Im Übrigen könnte man diesen Satz auch so übersetzen:"das wird ein großer zukünftiger König". -Danach bringt Nostradamus einige Bemerkungen zu denGeburtsbildern der Vorfahren Rudolfs väterlicherseits, beginnendmit Friedrich III. (1452 - 1493) und seiner Frau. Danach führtMichael Nostradamus deren Sohn Maximilian I. (1493 - 1519) an -mit astronomischen Angaben, die exakt mit dem <strong>Horoskop</strong> inLucas Gauricus "Tractatus astrologicus", Venedig, 1552, S. 51übereinstimmen. Sein Nachfolger, Karl V., hatte 1521 diehabsburgischen Erblande seinem Bruder Ferdinand, demGroßvater Rudolfs übergeben - dessen Daten kommen danach(vgl. Gauricus, 41). Danach wird das Geburtsbild des Vaters,Maximilian II., angesprochen (1564-1576; Gauricus, 41).Schließlich kommt dessen Bruder Ferdinand (1556-1564;Gauricus, 43).(Es fällt auf, daß das bekannte <strong>Horoskop</strong> Karls V. nicht genanntwird; in Gauricus Werk werden zu seinem Geburtsbild dreiverschiedene Nativitäten dargestellt: man kannte wohl seinen


Geburtstermin nicht genau. Es ist augenscheinlich, dass dabeieine Häufung Glück anzeigender Gestirne ins zweite Haus, demOrt der Signifikation von Besitz und Reichtum, geschoben ist; eineähnliche Praxis pflegte Gauricus auch beim <strong>Horoskop</strong> Luthers (S.70), indem er die Häufung der Planeten ins neunte Haus, dem Ortder Religion und Philosophie, verlegte.)Danach bezeichnet Michael Nostradamus noch einmal denPrinzen Rudolf als "futurus rex", "zukünftigen König". Dieses aufGrund der "Anzeigen in Summe". Er begründet die Aussage mitDetails aus dem <strong>Horoskop</strong>. Dazu geht er das ganze <strong>Horoskop</strong> inder Reihenfolge Sonne, Mond, Saturn, Jupiter, Mars, Venus,Merkur und einige weitere bemerkenswerte Konstellationen durch.Das zweite Kapitel befasst sich mit den Anzeigen der "Gesichter";dieses sind jeweils zehn Grade des Tierkreises umfassendeGliederungselemente des Tierkreises (vgl. dazu Bouche-Leclercq(BL), L´astrologie grecque, Aalen, 1979, S. 215 ff.: der Abschnittüber die "Dekane"). Nostradamus zitiert innerhalb des Textesumfangreich aus Agrippa von Nettesheims "De occultaphilosophia" (Nördlingen, 1987, S. 309 ff.), wobei er die Aussagennicht unbedingt auf Rudolf bezieht. Danach behandelt er erneut dieSignifikationen der Planeten, in der oben schon genanntenReihenfolge. Zu Jupiter erwähnt er "Euren Schutzherren, denunvergleichlichen Karl V.".Interessant sind die gängigen astrogeographischen Patronate desSaturn am Ende des Kapitels (ganz ähnlich z.B. bei Leovitius,a.a.O., S. 140 ff.). Auf vielen Abbildungen innerhalb seinerSchriften kommt <strong>zum</strong> Ausdruck, daß sich Michael Nostradamusauch als Chorograph versteht. Er wird in der den Chorographen


ikonographisch kennzeichnenden Pose mit einem Zirkel amGlobus messend dargestellt. Auch dieses ist in der bisherigenForschung völlig unberücksichtigt. Dieser Vorgang erklärt sichleicht: eine überindividuelle Sternenkunde wird sich mehr aufLänder als auf Einzelpersonen beziehen; sie muss über einenausgebauten Bestand astrologischer Geographie verfügen.Michael Nostradamus kennzeichnet diesen Teil seiner Arbeit mitdem Begriff "Topographie".In Kap. III wird ein erster wesentlicher Signifikator genant: "nachHermes" wäre dies der "Herr der Stunde", Mars (s. BL, 479 f.).Dieses wird hier nicht explizit erwähnt, erst zu Beginn desübernächsten Kapitels; jedoch weisen die mitgeteiltenBedeutungszusammenhänge - z.B. "Zorn", u.v.a.m. - in dieseRichtung. Deutlicher setzt Nostradamus die Diskussion desSignifikators Saturn fort: er sei nach seiner Meinung der "Herr desAszendenten".Dann werden die Bedeutungen der Sonne ausgeführt:Nostradamus spricht von ihrem Ort bei den Fixsternen in "denNüstern des Löwen" (epsilon leonis, südlich im Löwen; in dermodernen Astrologie weist diese Signifikation auf "Depression,fiebrige Erkrankungen, Unfallgefahren", vgl. Ebertin R./HoffmannG., Die Bedeutung der Fixsterne, Freiburg, 1988, S. 40). DieKonjunktion der Sonne mit Jupiter wird leitend. Sonne, wie Merkur"verbinden ihren Einfluß mit denen anderer Planeten, mit denensie assoziiert sind" (Ptolemy, Tetrabiblos, Cambridge/London,1971, S. 38/39). Jupiter weiter gilt auch als Signifikator derreligiösen Dinge (Leovitius, 144) - deswegen folgt danach dieErörterung dieser Zusammenhänge.


Am Anfang des nächsten Kapitel steht, daß dieses Zeichen - mit"Jupiter" - "Herr der Genitur" ist: dieses ist der wesentliche, auchüberindividuelle Bedeutungsträger des <strong>Horoskop</strong>s. In derKombination von Sonne und Jupiter ist dieses nach derastrologischen Lehre ein wahrhaft fürstliches, ja kaiserlichesZeichen, was auch der Text betont. Überhaupt erschienen in denbisherigen Ausführungen nur Signifikationen der "oberen"Planeten; auch solche verweisen auf den überragenden undadeligen Stand der Person.Das Kapitel IV beginnt mit der expliziten Erwähnung derangesprochenen "Herren" des <strong>Horoskop</strong>s und mit der Aussage,der Native werde "sein heiß und feucht aber so gemäßigt, daßdurch die Art und Weise seiner Natur belegt wird er sei vomHimmel geschickt um die Sterblichen dieser Welt völligwiederherzustellen... Verbreiter der halb gefallenenuniversellen Christenheit". Dabei beruht das Urteil über das"gemäßigte Temperament" wohl auf der Vielfalt und derüberragenden Stellung der Signifikatoren, die bereits in die erstenastrologischen Überlegungen eingegangen sind. Derweitergehende Schluss, diese "Mischung" bedinge eineHarmonisierung, die sogar imstande sei, auf die ganze Weltauszustrahlen, eröffnet erneut die bereits angesprochenegeschichtsastrologische Dimension der Deutung.Offensichtlich werden hier auch Vorstellungen derhumoralpathologischen Medizin einschlägig: wie im KörperGesundheit angezeigt wird, wenn die verschiedenen Säfte inausgewogener Mischung stehen, so scheint gesellschaftlichesGedeihen angezeigt, wenn in der "Komplexion" des Königs einegelungenen Fülle von einander "sympathischen" AnzeigenEinseitigkeit und Enge vermeiden, und Vielfalt und Harmonie


anschlagen. Ein solches Temperament "diene" schließlich demGeist einer "universellen Christenheit". Dieses sind Aussagen, diein der Dichte ihres Inhaltes gegenwärtig noch gar nicht ganzauszuloten sind.Der <strong>zum</strong> Ausdruck kommende Zusammenhang scheint zentral fürdie astrologisch gestützte und mystisch überhöhteGeschichtsbetrachtung und Geschichtsschreibung des MichelNostradamus zu sein. In ihr stehen die politischen Leitfiguren - inseinen Worten "les principaux culteurs" - zentral. Ihr Wesenscheint nicht nur völlig der zeitlichen Qualität zu entsprechen, inder sie geboren werden und leben, sie bestimmen den Charakterund die Art ihrer Epoche sogar in ausschlaggebender Weise mit.Solche Vorstellungen trifft man am ehesten in alten Vorstellungenüber das Königtum, aber auch in manchen Begründungenabsoluter Regierungsführung. Dem modernen Verständnis stelltdiese Überlegung eine erhebliche Schwierigkeit dar, vor allem inder Verknüpfung mit religiösem Inhalt. - Die "universelleChristenheit" ist nach prophetischer Sicht bereits "halb gefallen".Welche konkreten historischen Umstände mit diesem Fall zuverknüpfen wären, und welcher Teil der "gefallene" ist, bleibt intypisch orakelhafter Redeweise im Dunkel. -Obwohl noch niemand "außer Ascletation" sich an der Vorhersagedes Todes eines römischen Kaisers versucht habe, beschäftigt sichMichel Nostradamus in der weiteren Folge dieses Kapitels mit derFrage, wann das Reich vom Vater Maximilian an den Sohn Rudolfübergehe. Er schreibt von einer großen Todesgefahr für den Vater:"1589 im letzten Monat des Mondes abnehmend sein Licht". DieseAussage kann wieder auch zyklisch bedingt sein.Im Kapitel V geht die Erörterung der Signifikatoren Jupiter undMars weiter, erst gegen Ende des Kapitels wird über den "dritten


Herren" des <strong>Horoskop</strong>s, Venus (Thema "Heirat") gesprochen. DieVorhersage über die Eheschließung ist im Allgemeinen und in denDetails - die im Laufe der Darstellung des Geburtsbildes weiterausgebaut werden - nicht eingetreten. Es gab mehrere Pläne zurEheschließung Rudolf II.; sie wurden nicht verwirklicht. Zu erwägenist hier, daß der Kaiser in einem eheähnlichen Verhältnis mit derTochter seines Antiquars Jacopo della Strada, Katharina, lebte.Aus der Verbindung gingen sechs Kinder hervor; der älteste Sohnwar, wie es auch das <strong>Horoskop</strong> erwähnt, Zeit seines Lebens krank(Schwarzenfeld, S. 60).Vom Standpunkt prophetischer Geschichtsbetrachtungbeachtenswert ist die Aussage, daß die "Vorfahren" des Kaisersvon "Philipp, König von Mazedonien, Vater Alexanders desGroßen abstammten". Dazu kann die AstrogeographieHintergründe liefern: Mazedonien gehört zu den Patronaten desSteinbockes. Die Gründung der neuen Dynastie durch Philippgeschah in einer geschichtlichen Periode, die nach der Enographiedes französischen Arztes im Zeichen des Steinbocks steht (367 bis350). Sein Sohn Alexander regiert unter dem Zeichen der Waage,der Vertretung des Steinbock durch Erhöhung (Ära ab 335);zugleich ist aber Libra auch das Analogon Österreichs. Soverknüpft er Rudolf II. mit Alexander und Philipp. - Erneut ist andieser Stelle ein ziemlich weiterführender Schluss über gewissegeschichtsastrologischen Auffassungen in den Urteilen desNostradamus möglich; sie werden in ihren Anwendungen auf dasindividuelle <strong>Horoskop</strong> sogar recht deutlich. -Mit dem Kapitel V endet die Besprechung der "Herren" des<strong>Horoskop</strong>s, der erste Teil des Geburtsbildes. Er wurde hierausführlicher behandelt, da gerade die Handhabung derallgemeineren und übergeordneten Signaturen ein in dermodernen Astrologie kaum noch übliches Vorgehen darstellt.


Nun folgt der zweite Teil des <strong>Horoskop</strong>s: die Darstellung derklassischen Elemente der Astrologie. In Kapitel VI werden diewesentlichen Anzeigen der "kardinalen" Punkte der Nativität - dieSignifikationen des Aszendenten (griech. horoskopos), und dieanderen wesentlichen Punkte im Zenith, am Deszendenten und in"imo coeli" - angesprochen. Die genannten Punkte berühren dieKomplexion des Nativen, seine Partnerin, seine Mutter, seinenVater. Bezüglich des Vaters ist die Aussage der hohen Zuneigungvon Vater und Sohn bedeutsam. - Die Fülle der Deutungen istüberwältigend. Manche sehr bildhafte Aussage - beispielsweise"Eure Majestät wird sich finden auf einem hohen Thron hintereinem großen hohen Berg, es wird ein Sturm entstehen, der mitaller Macht versucht, Euch schwerwiegend zu belästigen und zuschädigen und Euch von Eurem sehr hohen Thron herabstolpernzu lassen aber wird vergeblich sein..." - gemahnt an einenseherischen Ursprung.Nachdem das Thema "Saturn als Herr des Aszendenten" bereitsmehrmals aufgegriffen wurde, kommt dieser Punkt nach denallgemeinen Erörterungen der vier kardinalen Orte in Kapitel VIInoch einmal <strong>zum</strong> Tragen. Die Betrachtung der Genitur scheint vonden allgemeineren Beständen zu den spezielleren zu schreiten;zuerst erschien Saturn als Bestandteil zyklischer Inhalte, dann alswesentliches Zeichen des kardinalen Kreuzes; jetzt geht es umden Planeten Saturn, individuell lociert im hier im ersten Haus,dem "horoskopos", an der Häuserspitze des zweiten.Im Blick auf diesen Planeten wird auch der Fortgang dieses kurzenKapitels verständlich: es werden sozusagen alle Verknüpfungen,die dieses Zeichen besitzt, der Reihe nach durchgesprochen. Derauffallendste Akzent dabei ist die Anzeige desGeschwisterkonfliktes - Quadrat Saturn-Mars aus 3. (vom


Aszendenten aus gerechnet) auf III. (Zwillinge, allgemein drittesZeichen des Tierkreises). Dann wird erneut die "vollkommeneÜbereinstimmung mit dem Vater" (Trigon Saturn-Venus, aus 1. aufIV.) erwähnt; in diesem Zusammenhang wird auch die Oppositionmit Sonne (in 7.) erwähnt, daraus Auseinandersetzungen über dieEheschließung gefolgert. Die Technik der astrologischen Deutungfolgt hier den üblichen Methoden; trotz alledem werden dieSignifikationen souverän und ungezwungen zusammengestellt undentwickelt.Es folgt das längste Kapitel der gesamten Prognostik, das KapitelVIII. In ihm werden die Herren der zwölf Häuser des <strong>Horoskop</strong>sbesprochen. Dieses ist eigentlich die hohe Schule der altenAstrologie. Es zeigt sich jedoch ein bedeutsamer Unterschied inder Ermittlung der leitenden Planeten: die Entscheidung, welchesGestirn die Aussage trägt, wird mit überindividuellen oderenographischen Hintergründen verwoben. Diesen Umständen istes zuzurechnen, daß die Ermittlung der jeweiligen "Herren" derAnzeige etwas anders ausfällt als erwartet. Diese Vorgehensweisesoll nun beispielhaft dargestellt werden, stellvertretend für dieGewinnung der Aussagen zu den anderen Häusern.Aufgegriffen werden soll die bedeutsamste Signifikation des<strong>Horoskop</strong>s, die Anzeige des Königtums. Michael Nostradamusschreibt zu Beginn des achten Kapitels: "le seigneur de lapremiere maison, dans la premiere maison, dans la dixiesme...".(Eine Anwesenheit des Herren des zehnten Hauses im ersten undumgekehrt ist das überlieferte Zeichen des Königtums.)Dieses trifft nicht ohne Weiteres für das <strong>Horoskop</strong> Rudolfs zu:Saturn steht von Nostradamus selbst in das zweite Haus platziert,


in Fische; doch eigentlich ist Saturn rechnerisch noch im ersten, 4°vor der Häusergrenze. Der Planet ist aber durch Erhöhung undZusammenstirnung (Ptolemy, Tetrabiblos, Cambridge/London,1971, 5. Aufl., S. 237, genauer 233; oder: Tetrabiblos, übers. v.Pfaff, J. W., Astrologisches Jahrbuch, Erlangen, 1822 / 1823,Nachdruck Hannover, o.J., S. 19 - 22, S. 38 - 39) Herr derHimmelsmitte, des Zeichens Skorpion. Aber Saturn stehtkeineswegs, wie Nostradamus formuliert „im zehnten“, wenn auchdoch „im ersten“. Im zehnten Haus befinden sich in RudolfsGeburtsbild keine Planeten; das erweiterte Wort desprovenzalischen Arztes muss andere Gründe haben, vor allembezüglich eines Gestirns im 10. Haus.Geht man enographisch weiter, erkennt man das kulminierendeZeichen (zehntes Haus) der Zeit zwischen 1542 und 1557,Wassermann, im ersten Haus des individuellen Bildes. Zugleichsteht die allgemeinere Präsenz der Sonne (Sonnenzyklus) imnachgeordneten individuellen Bild in 10., und weiter befindet sichgeschichtsastrologisch das Zeichen Fische in der Saturnrevolution,metaphorisch gesprochen also noch einmal „Saturn in 1.“. 2 Diesessind ganz erhebliche Verquickungen der beiden Deutungsebenen:sie konzentrieren übergeordnete und individuelle Aussagen aufdas 10. und erste Haus, und sie ermöglichen, die Ausführungendes Nostradamus noch deutlicher zu ergründen.Nostradamus wird nicht müde, im Verlauf des <strong>Horoskop</strong>s immerwieder diese Signatur anzusprechen. Das makrokosmisch zehnteHaus im mikrokosmisch ersten Haus fasziniert ihn, und ergibtzwangsläufig das Urteil: inhaltlich ist Saturn der "Herr desAszendenten". Hinzu kommt, daß diese Signifikation noch durch2Darüber hinaus hat Saturn enographisch noch eine zweite Präsenz in Zwillinge, unddieses ist der verdoppelte Hinweis auf den Geschwisterkonflikt, es steht Saturn aufmehreren Ebenen in 3..


viele weitere Details unterstrichen wird: z.B. durch dieHäuserspitze des ersten astrologischen Hauses im saturninenSteinbock, durch den völlig im ersten Haus eingeschlossenenWassermann, dem anderen Analogon Saturns im Tierkreis; da<strong>zum</strong>it der ebenfalls im ersten astrologischen Haus enthaltenenAnzeige Fische, die das enographisch aktuellen Symbol Saturnsdarstellt, und zugleich auch noch den astronomisch aktuellenSaturn zur Zeit der Geburt enthält. Eine deutlichere Verknüpfungdes "ersten" und des "zehnten Hauses" auf individueller undtranspersonaler, biographischer und geschichtlicher Ebene istkaum vorstellbar.Dieser Konnex und dieses Wort des provenzalischen Arztes undAstrologen dürften die herausragende Quelle sein, Rudolf bis indie Neuzeit herauf als "saturninen Kaiser" (Schwarzenfeld, S. 9; s.v. a. S. 60) zu charakterisieren. Saturn gilt derGeschichtsastrologie als Herrscher des "goldenen Zeitalters"(Peuckert, W.E., Astrologie, Stuttgart, 1960, S. 74). Octavian undKarl der Große wurden ebenfalls für „saturnine Kaiser“ gehalten;dass Octavianus Augustus für sich selbst einen besonderen Bezugzu Steinbock - dem zodiakalen Aspekt Saturns - in Anspruchnahm, ist bekannt (Chadraba, R., Gemma Augustea undrudolfinische Allegorie, in: Umeni 3, 1970, 289 ff.; vgl. Knappich,W., Geschichte der Astrologie, 82 f.).e) Exkurs: Der Kupferstich von Matheus GreuterMit diesen Ergebnissen ist eine Deutung des Stiches von MatheusGreuter (s. Abb. vorne) möglich.Dieses Bild stellt Rudolf neben die beiden genannten KaiserOktavian und Karl. Über den drei Adlerköpfen werden die drei


Kaiser genannt. Sie regieren in genau achthundertjährigemAbstand. Und ihr Geburtsbild hat anscheinend bei allen"denselben Aszendenten", "horoscopus idem", getragen. Daraufbezieht sich auch die Umschrift auf dem äußeren Ring: das Reich,das Augustus begründete, und Karl fortführte, werde Rudolf II.neuerlich "aufrichten", im Jahr "1600".In dem mittleren Kreis stellt Greuter das <strong>Horoskop</strong> Rudolf II.bildhaft vor: am "Aszendenten", links, steigt der Steinbock mitseinem Fischschwanz auf, über ihm schwingt sich der Adler - mitgestirnter Brust, ein Sternbild, bereits als "vultur volans" genannt.Gegenüber, am "Deszendenten", im Zeichen des Löwen, steht dasandere bedeutsame Zeichen, im achten Haus ("vom Aszendentenaus"), zugleich im Sextil <strong>zum</strong> 10.; ihm verknüpft sich zugleich eindoppeltes Sextil zu Mars und Mond in den Zwillingen. Es bedeutetdas Erbe eines riesigen Reiches, in der Ballung derkonjugierenden Zeichen Sonne, Jupiter und Drachenkopf und ihrerAspekte.Die kreisrunden Embleme links und rechts unten zeigen das"Schicksal" (mit der Umschrift: "Fata regunt orbem: fieri iubetomnia FATUM") - einen Greis mit den sieben Sternen - und die"Zeit" ("Et qua fata iubent, ea perficit omnia TEMPUS") - Saturn mitSichel und Sanduhr.Das Bild wurde von "Raym. Urso, seiner Kaiserlichen MajestätMathematiker" erfunden, und von "Matheus Greuter 1594"gestochen. Mathematiker bedeutet aber zu dieser Zeit auch„Astrologe und Astronom“.


f) Weitere Inhalte der VorhersageNun zusammengefasst die wesentlichen anderen Aussagen desKapitels VIII: Gesundheit und langes Leben (1. Haus), riesigerBesitz, große Schätze und Reiche (2.), große Rivalitäten undAuseinandersetzungen mit den Brüdern (3.); Rudolf wird großeBesitztümer erwerben, zugleich ist er der "Beste seines Stammes"(4.); er wird viele Freuden erleben, reiche Kinder haben (5.); erwird über eine überaus gute Dienerschaft verfügen, jedoch anMelancholie leiden (6.); er wird mehrere kriegerischeAuseinandersetzungen bestehen und eine königliche Gattinheimführen (7.); ihm droht der Tod von mehreren Kindern, und erwird an Krankheit sterben (8.); er wird zuerst "unterrichtet sein inguter Lehre", dann aber von dieser abfallen: "achten Sie, Sire, daßGott sie nicht verlässt" (9.); die königlichen Ziele sind bedrohtdurch die Brüder, das Kaisertum Rudolfs ist gekennzeichnet durchdie persönliche Schwäche Zorn und Wildheit (10.); er wird vieleFreunde besitzen, die ihm nicht ebenbürtig sind; zwischen 45 und52 Jahren wird ihm auf Grund seiner religiösen Haltung "dieuniverselle Monarchie der christlichen Welt übertragen". Dieses istwieder ein bedeutsamer geschichtsastrologischer Hinweis, der aufdie enographische Situation der Jahre 1598 bis 1605 anspielt: dortentsteht ein leitendes Zeichen des Wassermann, unterstützt durchdas astrogeographische Äquivalent Wiens, Waage, und durch diemehrfache Beifügung des anderen venerischen Zeichens, Stier;dieses dürfte die „stärkste“ Zeit des Kaiser Rudolf II. bedeuten;seine Feinde werden schwach sein (12.). Schließlich folgt derzusammenfassende Satz: "dieses alles sind sehr sichere Zeichen".Nun beginnt der dritte Teil des <strong>Horoskop</strong>s. Die Kapitel IX bis XXVIbesprechen die entwickelten Aussagen in den Details. DasVorgehen wandelt sich: ausgehend von den Planeten und Punktenin der Reihe ihrer Würde folgt ein erster Durchgang durch dasgesamte Geburtsbild. Dadurch ergeben sich Modifikationen bereits


gefallener Aussagen, was eine moderne und positivistischereDeutungslehre zu vermeiden suchte.Dazu einige Beispiele: durch Saturn im zweiten Haus sei eineMäßigung des materiellen Erfolges zu erwarten (Kap. IX); durch"Mars in 6" würden viele Krankheiten angezeigt (Kap. XIII) - indieser Signifikation befänden sich viele Anzeigen, "die nichtköniglich wären"; der Tod werde unter großen Ehrungengeschehen (Kap. XV); es werde ein Verlangen nach der Magieangezeigt (Kap. XVI); der Native werde viel Freude mit Frauenhaben (Kap. XVII); er verfüge über eine große Sprachbegabung,die sich erst langsam entwickele (Kap. XIX); sein Geist seibeweglich, und er besitze viele Freunde (Kap. XX); der Nativeverfüge über ein großes Können in der Zähmung von Tieren (Kap.XXI); er habe eine Vorliebe für "kleine Mädchen" (Kap. XXII).Diese Passage abschließend geht Michel Nostradamus nocheinmal auf das wesentliche Zeichen "Saturn als Herr desAszendenten" ein. Er rahmt die detaillierenden Aussagen durchdas Aufgreifen der bereits besprochenen allgemeineren undüberragenden Anzeigen dieses Planeten. Den Schlusspunktdieses Teiles setzt die Besprechung der Lage des Glückspunktes.Michael Nostradamus führt aus, er habe ihn nach den "ältestenMethoden der Chaldäer, Babylonier und Ägypter" berechnet, undnicht, wie es Ptolemäus vorschlägt. Er kommt noch einmal zu einerentschiedenen Vorhersage des Königtums für "diesen Knaben" -"das ist ein zukünftiger König" - "er wird nichts ohne großenBelang tun". Und da der Native so sehr von Glück begleitet sei,werde sich "sein Reich von Tag zu Tag mehren" und er werde inden "Chroniken einen großen Namen besitzen".


Danach folgt im vierten thematischen Komplex der nächsteDurchgang durch das gesamte <strong>Horoskop</strong>. Der erste und zweiteTeil, in dem die Bestimmung der "Herren" im Mittelpunkt stand,entwarf ein allgemeines, sehr positives Bild; dabei richtete sich derzweite Teil völlig nach dem bekannten astrologischenDeutungssystem. Der dritte, eben behandelte Teil, vertiefte dieseAussagen, ging jedoch von einzelnen Planeten und Orten aus; erfügte manches Bedenkenswerte und auch Bedenkliche denVorhersagen hinzu. Der vierte Teil nun versucht die Zeichen nochtiefer zu deuten: er wird dabei enigmatischer und dunkler. DieSprache wird assoziativer, streckenweise inhaltlich sprunghaft:jedoch ist dieses alles geleitet von den Symbolen der Gestirne.So berührt die Signifikation "Saturn im 2. Haus" (Kap. XXVII)Themen wie: riesiges Reich, schwierige Eroberungen, Aufstände,Hindernisse bei der Eheschließung, große Krankheiten, einSchaden im Aussehen der Gattin, Verschwörungen, Veränderungder Regierung in einem Teil des Reiches. Dazwischen wirdgeradezu ermutigend eingeschoben, auch graphischhervorgehoben: "Du wirst das römische Volk regieren!"Folgend unternimmt Michel Nostradamus erneut eine Vorhersagedes Regierungsantrittes Rudolfs. Er werde regieren, und zwar "mit26 und 27 Jahren" ab "1577 oder 1578"; diese Zahlen sind wohlmit einfachen Direktionen ermittelt. (Die Wahl <strong>zum</strong> deutschenKaiser erfolgte 1576.)Es folgen weitere Bedeutungen immer noch dieses Zeichens: um1590 "große Bedrängnis durch die Barbaren, größer als je zuvor",Tod der Gattin, Verluste durch "Mittelmaß". Schließlich folgen eineMenge zeitlicher Angaben, gestützt auf den Lauf Saturns durch


den Tierkreis, also einer allgemeineren Form von Transiten; siebedeuten eine genaue Kenntnis der Gestirnstände mindestens bis<strong>zum</strong> Jahr "1593". Cyprianus Leovitius, der nachweisbar an derBerechnung der Gestirnstände beteiligt war, hat für diesenZeitraum Ephemeriden hinterlassen.Einen bemerkenswerten Einblick in die medizinischenAuffassungen des Nostradamus liefert die Opposition Saturns mitder Sonne am "29. März 1584": sie "droht bis in den September".Um sich vor ihrer Kraft zu schützen, rät der französische Arzt demKaiser zu "einem Bett aus Lorbeer". Auch diese Auffassungenlassen sich enographisch begründen: der angesprochene Zeitraumist makrokosmisch von einer gegenseitigen Vernichtung von Löwe(Jupiterrevolution 1577) und Wassermann (Saturnrevolution 1584)gekennzeichnet; diese wird anscheinend durch den aktuellenTransit Saturns durch Widder - das dem Saturn schädlichsteZeichen im Tierkreis - verstärkt und virulent. Löwe undWassermann stehen sich im Tierkreis gegenüber: diegrundsätzliche Antipathie zwischen Saturn, mit Steinbock undWassermann, und den Lichtern, mit Löwe und Krebs, istangesprochen. Hilfreich erscheint nun aus der damaligenmedizinischen Sicht ein "Bett" von solarischer Qualität: "Lorbeer"gehört nach Agrippa zu den Entsprechungen der Sonne (1987, S.67). - Dieser Abschnitt vermag mit seinen Grundgedanken einenZugang zu den an den Sympathien orientierten Heilweisen deralten Humoralpathologie zu eröffnen: man verwendete analogeMittel, die Gefahr des Ungleichgewichtes, der Dyskrasie,aufzuheben. -Ein weiteres langes Kapitel berührt die "Signifikation Jupiter imLöwen" (Kap. XXIX). Beispielhaft seien noch einmal die berührtenThemen aufgezählt: viele Arbeit und Bedrängnisse "von allen


Seiten", Triumphe in den achtziger Jahren, Sexualität; dann folgenDeutungen von Direktionen über Auseinandersetzungen innerhalbdes Reiches. - Es wird bereits an diesen beispielhaftenAusschnitten deutlich, welche Fülle an Information in diesemvierten Teil des <strong>Horoskop</strong>s verborgen ist. -In den folgenden Kapiteln werden teils bekannte Zusammenhänge,z.B. die königliche Konstitution durch die Sonne im Löwen (Kap.XXXI), das Erbe des großen Reiches im Zusammenhang derSignifikation der Sonne (Kap. XXXIV), die Vorliebe für Kunst undLuxus (Kap. XXXV), <strong>zum</strong> anderen Teil aber auch neueangesprochen, z.B. ungehemmte Libido und Wankelmut (Kap.XXXVI), Strenge und Vorliebe für das Militär (Kap. XXXVII),"Begleitung durch viele Kurtisanen" (XXXVII). Doch ist hier dieAussage zuweilen so allgemein, daß man sich fragen muss, obhier noch über die Person des Nativen gesprochen wird.Dann folgt der letzte Teil. Erneut wird das gesamte Geburtsbilddurchgenommen, beginnend im Kapitel XLV. Hier wird von denAspekten der Planeten und der Punkte zueinander ausgegangen.Dazu Beispiele: das Sextil Mars/Merkur bedeute "Klugheit,Schläue, überlegene Feinheit des Geistes, Interesse an denWissenschaften, an der Kunst der Strategie, an der Reitkunst, anden verborgenen Wissenschaften, Beredsamkeit, vor allem in deraufmunternden Rede an die Soldaten"; oder das QuadratSaturn/Mars bedeute "alles vorher Gesagte werde gemindert, esdrohen große Verluste, es gibt Widrigkeiten, Hinderungen,Krankheiten" usw.. Solche Deutungen stehen ganz im üblichenKontext astrologischer Aussagen. Doch erschöpft sich damit dieMitteilung meist nicht: stellenweise sind auch hier wieder Sätze


eingestreut, die den Rahmen eines individuellen <strong>Horoskop</strong>sverlassen.Vollends erreicht wird die geschichtliche Ebene wohl im letztenKapitel (XLVI). Michael Nostradamus nutzt die Beziehung derPlaneten und Punkte zu gewissen Fixsternen nur scheinbar fürindividualastrologische Aussagen. In Wirklichkeit behandelt er diezukünftige deutsche (und europäische) Geschichte: er nutzt die im<strong>Horoskop</strong> enthaltenen - sicherlich sehr bedacht ausgewähltenSterne und Konstellationen - für sehr weit führende prophetischanmutende Hinweise. Dieses Vorgehen ist dem mit seinen TextenVertrauten bekannt: er verwendet die bekannten Motive seinerWeissagung in ähnlicher Folge wie an anderen Orten seinesWerkes - vor allem in der Vorrede der "Propheties" (Ausgabe 1568,2. Teil).Dazu ein letztes Beispiel: am Beginn des 45. Kapitels erwähntNostradamus einen "Stern vierter Größe von der Natur Saturnsund Merkurs". Dieser treffe sich unter bestimmten Bedingungenmit einem "Stand der Sonne im Zenith". Er zeige"Nachdenklichkeit, Melancholie, und zugleich wunderbaren Fleiß,Einfallsreichtum, Gelehrsamkeit, Weisheit, Wahrheitsliebe" an. Undsofort geht die Deutung über in einen allgemeinenZusammenhang: es werde im "Königreich Böhmen einenreligiösen Streit geben", begleitet von "großer Dürre und extremerHitze". - Böhmen gehört zu den astrogeographischen Patronatendes Löwen; mit der Anspielung auf "Saturn" ist hier wohl erneut diebereits oben besprochene mögliche Widrigkeit zwischen Löwe undWassermann angedeutet. -


Einige Abschnitte weiter, für eine Zeit, in der "Mond im Aufgangstehe", sagt Michael Nostradamus vorher: "Wanderungen...derFeind ist noch nicht gekommen, hat aber eine riesige Zahl vonMenschen geschickt. Es kommt der völlige Ruin, die Zerstörungder Edelsten, der Vornehmsten und Herausragendsten...esentsteht großer Verrat und Hinterlist...man macht eine endloseChose von Neuheiten, Gesetzen, neuen Proklamationen, neuenEdikten und dann überhaupt nichts mehr, die Zeit ist sehr schlecht,trügerisch und wirr". – Eine solche Aussage bezieht sich nichtmehr auf die zeit Rudolfs, sie führt viel weiter in die Zukunft, in jeneEndzeit, die nach Michel Nostradamus unter dem Zeichen desMondes steht. Und so können Inhalte dieses <strong>Horoskop</strong>seingegliedert werden in die großen Zusammenhänge seinerVorhersagen. -Der letzte der 13 Absätze dieses Kapitels bringt eine sehrpessimistische Vorausschau auf den "völligen Ruin und denNiedergang der römischen Religion, genannt papistisch oderevangelisch"; "niemand ergreife mehr einen religiösen Beruf"; "essei eine sehr schlechte Zeit"; "der Stier stehe in sechs". Aber nach"Pest, Hunger und Täuschung werde der Teufel des Westens undNordens ein wenig befriedet".Gerade dieser Abschnitt ist aufschlussreich für MichelNostradamus Einstellung zur religiösen Frage seiner Zeit. Indem erweit in die Zukunft schaut, werden ihm die Auseinandersetzungenseiner Gegenwart klein, und er vereint die „papistischen undevangelischen“ Kontrahenten in einer „römischen Religion“. Dassind wahrlich bedeutsame und ungewöhnliche Begriffsbildungen,die weit hinein leuchten in eine Zukunft, in der sich das „Religiöse“unter dem Diktat des Mittelmaßes und des Gemeinen einen wird,und der Nordwesten der Welt seine oft sich diabolischauswirkenden Antagonismen überwindet.


Wenn „das Zeichen Stier in sechs steht“, dann befindet sichJungfrau im medium coeli. Virgo an einem solchen Ort aberbedeutet himmlische Begünstigung „Babylons“: Babylon gehört zuden topografischen Analogien dieses merkurialen Zeichens. MichelNostradamus verweist hier verschlüsselt auf die Endzeit („dasachte Zeitalter“, von 2100 bis 3600), das große Thema seinerWeissagung, und die dort statt findenden vergeblichen undniederrangigen Versuche, die Problematiken zu lösen.Gerade durch solche Weisen, ein Geburtsbild zu vervollständigen,kann noch einmal deutlich werden, daß es sich in der Astrologiedes Michel Nostradamus um eine andere Sternenkunde handelt:sie zielt primär nicht auf die korrekte Aussage für irgendein"Schicksal" eines Einzelnen, sondern will das Individuum insGanze einbetten; will über die makrokosmischen Entsprechungenklarer zur Person zurückfinden, über das "Universelle" einen Weg<strong>zum</strong> Verstehen des Menschen finden.Die Prognostik endet mit einem kurzen Schreiben an den VaterRudolfs, Maximilian II.. Michael Nostradamus erwähnt, daß ervieles, was er jetzt nicht erkläre, im <strong>Horoskop</strong> für Rudolfs BruderErnst darlegen werde. Er schließt das <strong>Horoskop</strong>, er habe "nicht100 oder 200 Fußnoten einfügen wollen", in denen er seineAussagen an Hand der astrologischen Autoritäten hätte erläuternkönnen, und er unterzeichnet als "medizinischer undmathematischer Berater des französischen Königs, Eurer Mildeergebendster Michael de Nostredam".

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